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Jß i.
Weigand
Deutsches Wörterbuch
Erster Band
A bis K
ic:\v3\. -1-/
Deutsches Wörterbuch
von
Fr. L. K Weigand
Fünfte Auflage
in der neusten für Deutschland, Österreicli und die Schweiz
gültigen amtUchen Rechtschreibung
Nach des Yerfassers Tode vollständig neu bearbeitet von
Karl von Bahder Herman Hirt Karl Kant
a. 0. Prof. a. d. (iiiv. Leipzig a. o. Prof. a. d. Univ. Leipzig Privatgelehrtem in Leipzig
Herausgegeben von Herman Hirt
Erster Band
A bis K
Ter lag von Alfred Töpelmann
(vormals J. Rick er) Gießen 1909
Druck von C. G. Röiler G.m.b.H., Leipzig;
Vorwort zur fünften Auflage.
F. L. K. Weigands Wörterbuch hat eine lange Geschichte. Es ist ur-
sprünglich eine Bearbeitung des „Kurzen deutschen Wörterbuchs für Etymologie.
Synonymik und Orthographie'' von Friedrich Schmitthenner, 1834, 2. Aufl.
1837 gewesen. Aber wie schon Jacob Grimm dem Verfasser schrieb: ..In
Ihrem -Wörterbuch ist nicht mehr Schmitthenner, sondern bloß Weigand", so
war es in der Tat, und so durfte und mußte mit Recht dieser Name auf dem
Titel stehen. Das Werk hat dann zu Lebzeiten des Verfassers, dank dem aus-
gezeichneten Inhalt, drei Auflagen erlebt; während des Druckes der vierten
starb der Verfasser, es konnten aber noch die zahlreichen in seinem Xachlaß
vorgefundenen Notizen für die neue Auflage benutzt werden.
Daß es sich bei einer weitern Auflage nicht nur um einen etwas ver-
besserten Abdruck handeln konnte, sondern, daß den Fortschritten der Wissen-
schaft entsprechend eine gründliche Umarbeitung stattfinden mußte, war dem
Verleger klar. Leider hat diese manche Schwierigkeiten gehabt. Zunächst
hatte sie Prof. v. Bah der übernommen. Er hat nach mehrjährigen Vorarbeiten,
die in umfangreichen Sammlungen bestanden, A bis Fleckeil geliefert und diesen
Teil auch später bei der Drucklegung noch einmal durchgearbeitet. Dann ist, da
er die Arbeit im Jahre 1896 aus Gesundheitsrücksichten aufgeben mußte, Dr. Kant,
der längere Zeit neben Hildebrand am Deutschen Wörterbuche gewirkt hatte,
eingetreten, und dieser hat die weitern Teile bis stark im Manuskript fertig-
gestellt (init Ausnahme des Buchstaben P). Leider hat Dr. Kant das Werk nicht so
fördern können, wie man wohl hätte wünschen müssen. War doch das Buch schon
seit langem vergriffen, und der Wunsch nach einer neuen Auflage dringend.
Meine eigene Tätigkeit hat »lamit begonnen, daß ich mich auf Wunsch
von Prof, v. Bahder und auf Veranlassung des Verlegers im Jahre 1902
verpflichtete, den etymologischen Teil des Werkes durchzusehen und zu er-
gänzen. Es war dies um so mehr unbedingt nötig, als Dr. Kant auf dem
Gebiete der indogermanischen Etymologie kein Fachmann war.
Unter diesen L^m.ständen hat der Satz begonnen. Bald darauf mußte aber
auch Dr. Kant von der Überwachung der Herau.sgabe und der weitern
Bearbeitung zurücktreten. Da ich bei der Bearbeitung der Etymologie und
der Durchsicht des fertigen Manuskriptes den hohen Wert des bisher Geleisteten
kennen gelernt hatte, so habe ich mich unter diesen Verhältnissen, namentlicli
VI
Vorwort.
um das Neuerscheinen des Weigand nicht wieder auf unabsehbare Zeiten zu
verschieben, und um das bisher Geleistete bald zugänglich zu maclieu, ent-
schlossen, im Einverständnis mit Prof. v. Bahder in die Bresche zu treten, und
meinerseits die Herausgabe und Fertigstellung des Werkes zu übernehmen.
Ich war mir sehr wohl bewußt, daß ich dadurch auf Jahre hindurch von mir
lieb gewordenen Ar])eiten Abschied nehmen mußte, aber ich habe das gern
getan, weil ich auch der Wissenschaft einen Dienst zu leisten glaubte, wenn
ich den Weigand wieder allgemein zugänglich machte.
Durch diese verschiedenen Hände, die an dem Werke beteiligt sind,
mögen namentlich im Anfang einige Ungleichmäßigkeiten in das Werk ge-
kommen sein, die indessen, wie ich bestimmt glaube, seinem Wert keinen Ab-
l)ruch tun. Im übrigen ist meine Arbeit an dem fertigen Manuskript im Laufe
der Zeit immer stärker geworden. Ich habe es, namentlich in den Teilen, die
Dr. Kant bearbeitet hat, noch einmal gründlich durchgearbeitet, Artikel ver-
ändert und nach bestem Ermessen gestrichen und zugesetzt, und diese Arbeit
wird vermutlich in den spätem Teilen immer noch zunehmen. Trotzdem wird
vielleicht doch manches stehen bleiben, was, wenn ich es selbständig gemacht
hätte, anders ausgefallen wäre.
Während anfangs die Xeuausgabe in einem Bande geplant war, hat es
sich jetzt doch als wünschenswert herausgestellt, sie in zwei Bände zu teilen,
namentlich da dies bei künftigen Auflagen, wo der Umfang wohl noch wachsen
wird, doch nötig geworden wäre. Außerdem ist es dadurch möglich geworden,
schon jetzt das Verzeichnis der Abkürzungen und die Angaben über die Ein-
richtung des Werkes zu geben. Auch die Benutzung des nunmehr abgeschlos-
senen bis zum Schluß von K reichenden ersten Bandes wird in gebundenem
Zustand angenehmer sein als in den Lieferungen.
Nach Erscheinen der einzelnen Ijieferungen sind mir von den verschieden-
sten Seiten Ergänzungen und AVünsche mitgeteilt Avorden. Sie sind, soweit es
möglich war, benutzt worden, und ich kann den Schreibern hier nur meinen
besten Dank aussprechen und die Bitte hinzufügen, mich durch weitere Mit-
arbeit zu unterstützen.
Über die Ziele und Einrichtung des Buches sei nun noch zum Teil unter
Wiederholung des im Vorwort früherer Auflagen ausgeführten, folgendes bemerkt;
1. Weigands Werk war das erste, das die Etymologie genügend berück-
sichtigte, und es hat sich dadurch hauptsächlich sein Ansehen erworben. Dieser
Teil mußte natürlich besonders gründlich erneuert werden, um den Anforde-
rungen der Zeit zu entsprechen. Man kann das sagen, ohne Weigand zu nahe
zu treten, dessen etymologischen Scharfsinn und Takt man nur bewundern kann.
Die Bearbeitung der Etymologie rührt, soweit andre indogermanisclie Sprachen
heranzuziehen waren, von mir her. Mir schien es nun ein unabw^endbares Be-
dürfnis zu sein, auch die Literatur der etymologischen Forschung anzuführen.
Die Rücksicht auf den verfügbaren Raum gebot mir aber, mich kurz zu fassen,
und so habe ich mich bemüht, solche Stelleu zu geb^n, wo Aveitere Literatur
über die betreffenden Fragen zu finden oder wo ausführlich über die betreffende
Etymologie gehandelt ist. Insbesondere genügten oft die Hinweise auf Waldes
l
Vorwort. VII
vortreffliches lateinisches etymologisches Wörterbuch. Vollständigkeit konnte
schon wegen des Raummangels nicht durchgeführt werden. Die Etymologie
wird freilich immer ein Feld bleiben, auf dem man oft nicht zur Sicherheit
kommen kann. Bei der Aufklärung der aus dem Orient entlehnten Wörter hat
mich mein Kollege Prof. Stumme auf das dankenswerteste unterstützt.
2. Was die aufgenommenen Wörter betrifft, so enthält das Werk die gegen-
wärtigen gangbaren Wörter des neuhochdeutschen Sprachschatzes mit
der durch den Umfang des Buches gebotenen Beschränkung, besonders in Hin-
sicht der Ableitungen und Zusammensetzungen. Neben diesen gangbaren AVörtern
aber hat Weigand eine große Zahl von weniger üblichen und seitnern, die in
Luthers Bibelübersetzung und bei den mustergiltigen Schriftstellern aus der
Blütezeit der neuhochdeutschen Literatur, namentlich bei Schiller und Goethe,
sich finden, aufgenommen, auch bezeichnende, und zumal hier und da in Schriften
vorkommende mundartliche Wörter. In dieser Beziehung kann man, glaulje
ich, in einem solchen Werke gar nicht weit genug gehen. Schon Prof. v. Bahder
und Dr. Kaut haben sehr viel nach dieser Richtung hin getan. Ich selbst habe,
namentlich in den spätem Lieferungen, noch manchen in der norddeutschen
Umgangssprache üblichen Ausdruck hinzugefügt, wobei das reichhaltige Wörter-
verzeichnis im Buchdrucker-Duden dankbar benutzt wurde. Das Verbreitungs-
gebiet derartiger landschaftlicher Wörter ist nach ^Möglichkeit mit Heranziehung
der Idiotika gegeben worden, ohne daß freilich Vollständigkeit erzielt werden
konnte. Auf eine Angabe der Werke, aus denen geschcipft wurde, ist meist ver-
zichtet worden, da die unten gebotene Liste (S. XI) die Quellen angibt.
Die Aufnahme der Fremdwörter wird stets eine Schwierigkeit bleiben,
da man dem einen zuviel, dem andern zu wenig bietet. Immerhin wird man
Ijemerken, daß je länger, je mehr Fremdwörter aufgenommen sind, und es wird
das Buch auch nach dieser Richtung hin nicht im Sticli lassen. Die Zeiten sind
ja glücklicherweise vorüber, in denen man die Fremdwörter in der Geschichte
der deutschen Sprache ungestraft vernachlässigen zu können glaubte.
Weigand hat auch die Vornamen berücksichtigt und auch oft eine Er-
klärung versucht. Da es meine feste Überzeugung ist, daß die alten Namen
keine bestimmte Bedeutung gehabt haben, so habe ich diese Erklärungen ge-
strichen, und hätte am liebsten die Namen überhaupt fortgelassen. Da dies
aber nicht mehr angängig war, so sind wenigstens keine neuen melir aufge-
nommen worden, und man hat infolgedessen einige vermißt.
„Übrigens herrecht bei allen verzeichneten Wörtern alphabetische Ord-
nung, und dieselbe wird selbst in den den Wurzel- und Stammwörtern gleich
beigefügten abgeleiteten und zusammengefügten Wörtern nicht gestört, ausge-
nommen, daß die abgeleiteten zuerst stehen und dann die zusammengesetzten."
Man suche also Ableitungen und Zusammensetzungen unter dem Grundwort. Doch
ist durch häufige Verweise an der richtigen alphabetischen Stelle dafür gesorgt, daß
man ein Wort auch dann findet, wenn man den obigen Grundsatz nicht beachtet.
3. Weigand hatte die Bezeichnung der Betonung durch den Akzent {/),
in Wörtern, die den Ton nicht nach deutscher Weise auf der Stammsilbe tragen,
durchgeführt. Ich habe es gleichfalls getan. Da dies aber anfangs nicht be-
YJJJ Vorwort.
absichtigt war, so fehlt es im Buchstaben A und im Anfang von B. Die Wörter
auf -ieren haben, da sie stets auf dem i betont sind, keinen Akzent bekommen.
Ebenso habe ich die Länge der Vokale in deutschen Wörtern, wo diese
nicht durch die Regeln der Rechtschreibung von selbst gegeben ist, nach den
Vorschriften der deutschen Bühnenaussprache, vgl. Siebs Deutsche Bühnen-
aussprache, 2. Aufl. 1901, durch einen - bezeichnet, allerdings auch nicht gleich
vom Anfang an. Eingeklammerte Buchstaben bedeuten, daß die Schreibung
mit ihnen und ohne sie erlaubt ist, z. B. Kram(me)tsvogel heißt, man kann
Kramtsvogel und Kramnietsvogel verwenden.
Was die sonstige Umschreibung der fremden Sprachen betrifft, so habe
ich für das Indische, Awestische, Altbulgarische, Russische, Litauische, Lettische,
Armenische und Albanesische die einheitliche L^mschreil)ung der fremden
Alphabete durchgeführt, wie ich sie Lidogermanische Forschungen 21, 145 ff.
schon im Hinblick auf dieses Werk vorgeschlagen habe. Es bedeutet also:
1. ~ die Länge des Vokals. Nur in althochdeutschen und mittelhochdeutschen
Worten ist ^ beibehalten worden.
2. ' und ^ auf einem Vokal bezeichnen die Stelle des Haupttons.
3. ' hinter einem Konsonanten drückt die PalataHsation (Erweichung) aus.
4. Abgesehen von den deutschen Dialekten bezeichnet s den stimmlosen Zischlaut
(deutsch SS, ß), z den stimmhaften (deutsch s), s den scha-, z den entsprechenden stimm-
haften Laut (franz. §), c ist gleich ts, c = tsch, j == dsch.
5. Die sonstigen Sph-anten sind durch ß (engl, stimmloses th), ä (der entsprechende
stimmhafte Laut), / und b (deutseh iv), x und y (deutsch cli und ndd. gr) bezeichnet worden.
6. )d = dem gutturalen Nasal, deutsch ng.
7. ^ unter einem Vokal z. B. a^ drückt die 'Nasalierung aus, franz. on.
8. d ist ein unbestimmter Vokal (sog. schwa).
9. Im Litauischen bezeichnet ' den Stoßton: * auf Diphthongen, ' auf einfachen
Längen den Schleifton.
10. Im Indischen bezeichnet ein . unter dem Konsonanten, z. B t die Zerebrali-
sierung; g ist ein palataler Zischlaut, der etymologisch einem k entspi'icht.
4. Die Biegung der Wörter ist angegeben worden, bei den männlichen
und sächlichen Substantiven mit Angabe der Endung des Genitivs im Singular
und des Nominativs im Plural, bei den weiblichen bloß des letzten, bei dem
Pronomen, wo es nötig schien, durch alle Kasus des Singulars oder des Plurals,
bei den starken Verben mit Anführung der Hauptformen, sowie des Präteri-
tums im Konjunktiv oder des Imperativs, und bei den schwachbiegenden nur
dann, wenn ihre Unterscheidung von gleichlautenden starkbiegenden hervorzu-
heben war. Die Steigerung der Adjektive und Adverbien ist stets angegel)en,
wo sie in derselben den Umlaut bekommen, aber auch sonst gelegentlich angeführt.
Wie schon in den frühern Auflagen ist auch in dieser auf die Entwicklung der
neuhochdeutschen Wortbiegungen hingewiesen; diese Beiträge zu der immer noch
fehlenden historischen neuhochdeutschen Grammatik werden willkommen sein.
5. Die Rechtschreibung ist natürlich die heute durchgeführte einheit-
liche, und zwar geben die fettgedruckten Wörter diese wieder. Doch sind am
Vorwort. J5[
Anfang die Abweichungen der bayrischen und österreichischen Schreibung, so-
wie erlaubte Doppeischreibungen noch nicht regelmäßig mit angeführt worden.
Später ist dies unter ausdrücklicher Hervorhebung der amtlichen Schreibung
nach Dudens Orthographischem Wörterbuch geschehen.
6. Weigand hat außer auf die Etymologie besonderes Gewicht darauf
gelegt, das erste Auftreten eines Wortes nachzuweisen. In diesem Punkt ist
die neue Auflage dank den umfassenden Vorarbeiten Prof. v. Bahders, die sich
auf das ganze Werk erstrecken, dank der Belesenheit Dr. Kants und infolge der
Fortschritte, die das Grimmsche Wörterbuch in den letzten 30 Jahren ge-
macht hat, über das von Weigaud geleistete hinausgekommen. Xatürlich werden
eine Anzahl der angeführten Belegstellen mit der Zeit noch durch ältre ersetzt
werden können, weil eben hier das Wort gilt: dies diem docet. Ich selbst habe,
da ich eine Reihe bisher unbenutzter Werke einsehen konnte, manchen Beleg, der
früher war als die bisher bekannten, anführen können. Die Weiland sehen
Zitate sind natürlich, soweit sie wichtig waren, bewahrt worden. Bei der Um-
schreibung dieser auf die neuern, jetzt maßgebenden Ausgaben — eine müh-
same und zeitraubende Arbeit, die ich z. T. erst durchgeführt habe, — hat sich
aber herausgestellt, daß sie nicht in allen Fällen zuverlässig waren, z. T. haben
sich bei der Drucklegung der vierten Auflage Druckfehler gegenüber der dritten
eingeschlichen, z. T. aber müssen direkte Versehen vorliegen. So waren einige
Zitate bei H. Sachs nach den alten Ausgaben nicht auffindbar. Ich habe sie
aber in [] stehen lassen, weil vielleicht ein andrer den Fehler ermittelt, der
hier vorliegt. Ebenso ergaben sich bei dem Xachschlagen der Zitate, die
Kant vielfach ohne Nachprüfen dem Grimmschen AVörterbuch entnommen hat,
nicht nur unauffindbare Angaben, sondern auch direkt falsches, was natür-
lich beseitigt wurde. Seitdem ich dieses bemerkt habe, ist der Nachprüfung
der Zitate eine erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet Avorden, so daß nunmehr
alles, was nur irgend zugänglich ist, nachgesehen werden wird. Nachträglich
wird dies auch noch für die frühern Lieferungen geschehen, und es werden
etwaige Fehler am Schluß berichtigt werden. Für den Nachweis irgendwelcher
Versehen bin ich sehr dankbar. Im übrigen hat sich natürlich die überwiegende
iSfcnge der Anführungen als richtig ergeben.
7. Ein weitrer Vorzug des Weigand bestand in der genauen Angabe der
Bedeutungen des Wortes. Hierbei hat Weigand meist auch die der gewöhn-
lichsten Wörter angegeben, was nur durch etwas schwerfällige Umschreibungen
möglich war. Man kann zweifeln, ob eine Erklärung des Auges als ^ Seh Werk-
zeug des menschlichen und tierischen Körpers" nötig ist; da aber die Bearbeiter
diese Eigentihnlichkeit Weigands beibehalten haben, so konnte ich nicht davon
abgehen. Mancher wird vielleicht auch eine eingehendere Darstellung der Be-
deutungsentwicklung vermissen. Da aber die meisten heutigen Bedeutungen,
die selbständigen durch ; getrennt, außerdem die mittel- und althochdeutschen
genau angeführt sind, so wird man sich bei einigem Nachdenken die Be-
deutungsentwicklung leicht klar machen können. — In den Ansichten über die
Bedeutungsentwicklung scheint sich indessen gerade heute ein prinzipieller Fort-
schritt zu vollziehen, und daher ist es vielleicht ganz gut gewesen, daß mit einer
y Vorwort.
gänzlichen Umarbeitung dieses Punktes noch gewartet wurde. Der Kundige
wird erkennen, daß bei der Zurückführung auf die vorgeschichtlichen Sprach-
stufen nur selten die früher so beliebten allgemeinen Bedeutungen der Wurzeln
angenommen sind, j
Das Nacharbeiten und Durcharbeiten des fertigen Manuskriptes ist jedenfalls
mühsamer und undankbarer gewesen, als die eigne Arbeit sein wird. Vorläufig
muß ich es mir gefallen lassen, daß das Lob für den Weigand den beiden
andern Bearbeitern dieses Bandes zuteil wird, der Tadel aber auf meine
Schultern fällt. Ich werde das im Bewußtsein dessen, was ich an dem Werke
getan habe, zu ertragen wissen.
In Druck und Format hat sich die neue Ausgabe dem heute üblichen
angeschlossen.
Trotz allem, was bisher angeführt worden, ist die neue Auflage des
Weigand eben doch der Weigand geblieben. Möge sie sich in der neuen Form
die alten Freunde bewahren und viele neue gewinnen.
Die weitern Lieferungen werden, wie ich bestimmt glaube, in demselben
Zeitmaß wie bisher erscheinen können, so daß der zweite Band am Schluß des
nächsten Jahres fertig vorliegen wird.
Leipzig, im Fel)ruar 1 909.
H. Hirt.
Angeführte ünelleii.
Das Yei-zeichnis i-utliält dit- wichtigsten Quellen, soweit sie nicht im Text selbst ausführlich bezeichnet sind.
Bei vielen altem Werken, die kurz angeführt sind, gibt Goedekes Grundriß (s. n.i genauere Auskunft. Das
Weigandsehe Verzeichnis zur 4. Auflage ist im •wesentlichen wieder abgedruckt. Was Prof. v. Bahder benutzt hat,
hat er mir kurz angegeben. In bezug auf die Kantischen Angaben war der Herausgeber auf die Sammlung
aus dem Manoski-ipt angewiesen. Es kann daher einiges übersehen sein, was am Schluß des 2. Bandes leicht
nachgeholt werden kann. Dr. Kant hatte aber die Güte, die Korrektur durchzusehen und seine Ausgaben genau
festztistellen. H. Hirt.
Abraham a Santa Clara Sämmtliclie Werke.
Passau 1835 ff. Auch nach den ersten Drucken.
Adelung Versuch eines vollständigen gram-
matisch-kritischen 'Wörterbuches der hoch-
deutsciien Mundart. Leipzig 1775 — Sd Zweite
Auflage 1793—1801.
Adrian ilitteilungen aus Handschriften und
seltenen Druckwerken. Frankfurt 1846.
AfdA. = Anzeiger für deutsches Altertum.
Agricola oder Georg Agricola, Beschrei-
bung des Bei-gwerks. Basel 1557. Bermannus
sive de re metallica dialogiis. Basileae 1530.
1546.
Ahd. Gl. = Althochdeutsche Glossen, hrsg. von
Steinmeyer und Sievers. Berlin 1879 fg.
Albertinus Der Kriegßleut Weckuhr. Mün-
chen 1601. Landstörzer. München 1615,
1616. W^eiblicher Lustgarten. München 1605.
Lucifers Königreich und Seelenge jaidt. Her-
-ausg. von Liliencron ^Kürschner). Landleben,
Contemptus vitae aulicae et laus ruris. Mün-
chen 1610.
Alberus, Erasmus, dict. = novtim dictionarii
genus 1540. Fabeln. Frankf. a. M. 1550. Neu-
druck bei Braune. Widder Jörg Witzeln. 1539.
Aler. Paul, dictionarium germanico-latinum.
Köln 1727.
Alsfelder Passions spiel, aus der Hand-
schrift, die Weigand 1847 auszog. Ausgabe
von Grein, Cassel 1874.
Altd. Blätter. Altdeutsche Blätter von Moriz
Haupt u. Heiniich Hoffmann. 2 Bde. Leipzig
1836. 1840.
Altdeutsche Predigten und Gebete aus
Handschriften. Gesammelt und zur Her-
ausgabe voi'bereitet von W. Wackernagel.
Basel 1876.
Altenstaig vocabularius, Basileae 1508. 1514.
Amadis, hrsg. von Keller, Stuttgart 1857.
Amaranthes nutzbares, galantes und curiöses
Frauenzimmerlexicon. 1. Aufl. Leipzig 1715.
2. Aufl. 1739. 3. Aufl. 1773.
Anzeiger des Germanischen Museums. Nürn-
berg 18.54 ff.
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Apiniis Glossarium novum. Nürnberg 1728.
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Krieges. Berlin 1793.
Arndt, E. M., Gedichte. Leipzig 1843. 1860.
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Neudruck Halle 1894.
Aventinus grammatica. Norinberge 1513.
Sämmtliche Werke. München 1881—1908.
Ayrer, Opus theatricum, hrsg. von Keller,
Stuttgart 1865. Ein paar mal nach den Seiten-
zahlen des alten Druckes, die bei Keller ver-
zeichnet sind.
Barlaam, Ausg. von Fr. Pfeiffer. Leipzig 1843.
Basler Chroniken, hrsg. von der histor. Ge-
sellschaft in Basel. Leipzig 1872 ff.
B a u r Arnsb. Lrk. = Urkundenbuch des Klo-
sters Arnsburg in derWetterau; hess. Urk.
= hessische Urkunden , 5 Bde. Darmstadt
1860—1873.
Bechstein Deutsches Mu.seum für Geschichte
usw. Jena 1842 ff.
Beheim Wiener = Mich. Beheims Buch von
den AVienern. hrsg. von Karajan. Wien 1843.
B ellin, Job.. Hochdeutsche Rechtschreibung.
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Benecke mittelhochdeudsches Wörterbuch,
mit Benutzung des Nachlasses von G. Fr.
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F. Zarncke. Leipzig 1854—1866.
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der Kgl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
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Berneker Die preußische Sprache. Texte.
Grammatik. Et3'mologisches Wörterbuch.
1896.
Berthold = Berthnld von Eegensburg. voll-
ständige Ausgabe seiner Predigten hrsg. von
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Wörterbuch. München 1864. Wörterbüchlein
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Böschenstcyn Rechenbuch 1514.
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1489. 1491. 1495.
Brant Layenspiegel = Der neu Layenspiegel.
Augsburg 1509. Narrenschiff Z. = Ausgabe
von Zarncke, sonst nach den Nummern der
Abschnitte zitiert.
Brem. Wtbch. = Vei'such eines bremisch-
niedersächsischen Wörterbvichs. 6 Teile.
Bremen 1767—71 u. 1869.
Brock es, 'Barthold Heinrich, irdisches Ver-
gnügen in Gott. I. Hambiirg 1737 (1744).
IL 1739. in. 1736. IV. 1735. V. 1736.
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Brunfels, Otto, Kräuterbuch 1530.
Btr. = Beiträge zur Geschichte der deutschen.
Sprache und Litteratur, hrsg. von Paul und
Braune. Halle 1874 ff.
Bürger, Gottfr. Aug., Gedichte, hrsg. von
A. Sauer bei Spemann. (Bohtz) = Sämmt-
liche Werke, hrsg. von Bohtz. Göttingen
1835. Gelegentlich auch nach den Original-
ausgaben unter Anführung des Jahres.
Bürster, Sebastian, Beschreibixng des schwe-
dischen Krieges. Leipzig 1875.
Calepinus Dictionarium linguarum septem.
Basel 1579. Dictionarium undecim lingua-
rum. Basel o. .1.
Campe 1801 ='VVörterbuch zur Erklärung und
Verdeutschung der unserer Sprache aufge-
drungenen fremden Avxsdrücke. Braunschweig
1801. 1813 = 2. Aufl. 1813. Die übrigen
Zahlen beziehen sich auf das AVörterbuch
der deutschen Sprache. Braunschweig
1807—1811.
Castelli italiänisch-teutsch- und tevitsch-ital.
Wörterbuch. Leipzig 1700. 1709.
Chamisso, Adalbert v., Werke 6 Bde. Lpzg.
1836-39.
Chemnitz (Kemnitz), B. Ph. v.. Königlichen
Schwedischen inTeutschland geführten Kriegs
Erster Theil. Alten-Stettin 1648. Neudruck
Stockholm 1855 — 59.
Chron. d. d. St. = Chroniken der deutschen
Städte vom 14. bis ins 16. Jh. Lpzg. 1862 ff.
Chyträus Nomenciator latinosaxonicus. Ham-
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Colerus oeconomia oder Hausbuch. Witten-
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Latinae quondam in Academia Lipsiensi
P. P. inchoatum; Nunc verö ä Joanne
Georgio Schledero Eatisbonensi, priori
parte auctius reddita et posteriori noviter
adjecta, in hanc formam digestum, ac publicae
utilitatis gratia t3^pis exscriptum. Franco-
furti 1653. 1660.
Crecelius Oberhessisches Wörterbuch. Darm-
stadt 1890 — 1899.
Dähnert, Johann Karl, plattdeutsches Wörter-
buch nach der alten und neuen pommerschen
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Dann eil, Johann Friedrich, Wörterbuch der
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wedel 1859.
Dasypödius dictionarium. Argentorati 1537
u. ö., so 1642.
Decameron^ Stainhoe weis Decamcron, hrsg.
von Keller. Stuttgart 1860.
Delbrück Grundriß = Brugmann- Delbrück
Grundriß der vergleichenden Grammatik der
indogermanischen Sprachen. Bd. 8, 1893 ff.
Dentzler, Joh. Jacob, clavis germanico-latina,
als anderer Teil der clavis linguae latinae.
Basileae 1709. 1713.
Dictionariolum puerorum Germanico-lati-
num, in gratiam stiidiosae juventutis conge-
stum. Tiguri 1556. 8^ 319 S. Von Fri-
sius (s. d.). Ein Vorläufer von Maaler (s. d.).
Dictionarium, s. Neues usw.
Diefenbach, Laurentius, gl(oss.) = glossarium
latino-germanicum mediae et infimae aetatis.
Francofurti a. M. 1857. — nov. gl(oss). =
Novum glossarium latino-germaniciim mediae
et infimae aetatis. Frankfurt a. M. 1867. —
Mlat(einisches) - h(och)d( eutsch) - böhmisches
Wörterbuch. Frankfurt a. M. 1846.
Dief enbach-Wülcker, Hoch- und nieder-
deutsches AVörterbuch der mittleren und
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Stuttsrart u. Tübingen 1844.
Duez (Dhuesius) nova nomenclatura quatuor '
linguarum. gallico, germanico, italico et la- '
tino idiomate conscripta. 1644. Dictionarium
gallico-germanico-lat. et germ.-gall.-lat. Am-
sterdam 1664.
DW(B). = Deutsches Wörterbuch der Brüder
Grimm.
Eber-Peucer = Vocabula rei numariae, pon-
derum et mensurarum graeca usw.. ex Budaei,
Camerarü etMelanthonis annotationibus. Ad-
ditae sunt appeliationes quadrupedum u. s.w..
collectae a Paulo Ebero et Caspero Peucero.
Recognitae et auctae. "Witteb. 1558.
E c k h a r t , Meister Eckhart, hrsg. von Fr. Pfeiffer j
in Deutsche Mystiker des 14. Jhs. Bd. 2. ,
Leipzig 1657.
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Eichendorff Taugenichts. Berlin 1842.
Elisabeth, Das Leben der heiligen Elisabeth
hrsg. von Eieger. Stuttgart 1868.
Elis. Charl. v. Orleans Briefe, hrsg. von
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Erberg, Matthias von. Das Grosse L'niversal-
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Erec. Die 2. Ausg. von M. Haitpt. Lpzg. 1871.
Erlösung, die, hrsg. von E. Bartsch. Qued-
linburg u. Leipzig 1858.
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Eyb. Alb recht von, Spiegel der Sitten. Co-
medien Plauti. 1511. Deutsche Schriften,
-hrsg. von Herrmann. Berlin 1890.
Ej-chman, Jodocus, vocabularius predican-
tium. Nürnberg 1482. 1483. S. Melber.
Eyering Proverbiorum Copia. 1601.
Facetiae Facetiarum. Frankfurt 1615. 1645.
Falk-Torp = Hjalmar Falk og Alf Torp Ety-
mologisk Ordbog over det uorske og det
danske Sprog. Kristiania 1903. Auch deutsch
u. d. T. Xorwegisch-dänisches etymologisches
Wörterbuch. Heidelberg 1907.
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von A.V.Keller). Stuttg. 1853. Nachlese 1858.
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Indogermanischen Sprachen. 4, Aufl.
Fi schart (Kz.) = J. Fischarts sämmtliche
Dichtungen. Herausg. von Heinrich Kurz.
Garg(antua), hrsg. von Alsleben, Halle 1891.
Pract. = Aller Practick Großmutter. 1572,
hrsg. von Braune; sonst Original Drucke.
Binenkorb. Christiingen I58i. Auch 1588
u. ö. Die Dichtungen nach Kurz. Bodiuus
1586. Onomastica 1574.
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bingen 1904 ff.
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sche Jäger. Leipzig 1719. Der vollkommene
Teutsche Soldat. Leipzig 1726.
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Franc isci, Erasra., Oriental. Staats- u. Lust-
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Franck, Mich., Kriegsbrand. Coburgk 1651.
Franck. Sebastian. Weltbuch. 1534. Germaniae
chronicon. 1588. Cronica der Türekey. 1530.
Sprichwörter. 1541. Morie Encomion. 1531.
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Frey er. Hieronymus, Anweisung zur Teut-
schen Orthographie. Halle 1722.
Freytag. G. . Gesammelte Werke. Leipzig
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Friedberger Passionsspiel, aus der Hand-
schrift (s. ZfdA. 7. 545—556).
Frisch, Joh. Leonh., Französisch -teutsches
Wörterbuch. 1712. Teutsch- Französisches
AVörterbuch 1714. Teutsch-Lateinisches Wör-
terbuch. 1741.
Frischlin Xomenclator trilinguis, graecola-
tinogermanicus. Frankfurt 1594. 1616.
FrisiuS; Johannes, dictionarium latino-germa-
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Dictionariolum und Xomenclator.
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Frommann, G. Karl. Die deutschen Mund-
arten. Halle 1876 ft\
Fronsperger L.. Bauw- Ordnung. Frank-
furt 1564.' Kriegsbuch. Frankfurt 1573. 1596.
Fulda Sammlung und Abstammung Germa-
nischer Wurzel-Wörter. Berlin 1788.
Fundgr. = Fundgruben für Geschichte deut-
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H. Hoffmann. 2 Teüe. 1830. 1837.
Galmy ein schöne und liebliche History 1588.
Garg. s. Fischart.
Geliert Fabeln und Erzählungen I. Leipzig
1748. n 1751. Lehrgedichte. Ebd. 1754.
Lustspiele. Ebd. 1748. Sämmtliche Schriften
1784. W. = sämmtliche Schriften. Berlin
1867. Weidmann.
Gemma, Kölner von 1495. Straßburger von
1505. 1508. Hagenauer von 1510. Siehe
voc. gemma gemmarum.
Genesis, in Hoff manns -Fundgruben . Teil 2
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Germania. Hrsg. von Fr. Pfeiffer. Stuttgart
1856 ff. — Jahrbuch der Berlinischen Gesell-
schaft für deutsche Sprache und Alterthums-
kunde. Hrsg. von F. H. von der Hagen.
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Gesner Fischbuch 1563 = Forer (s.d.).
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Gisander s. Schnabel.
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Quellen.
gl. = glossae.
gl. Jun. Nyerup = Juuius, Glossaria antiqua-
latino-theotisca bei Nyerup Symbolae ad
literaturam teutonicam antiquiorem, Havniae
1787, S. 17.3—416.
Göckingk, L. F. Günther, Lieder zweier Lie-
benden. Leipzig 1779 (verglichen mit der
Ausg. 1777). Gedichte. 3 Teile. Ebd. 1780
— 1782.
Goedeke, Karl, Grundriß zur Geschichte der
deutschen Dichtung. 2. Aufl. Dresden 1884 ff.
Golius. Theophilus. onomasticum latino-ger-
manicum. in usum scholae Argentorensis
collectum. 1571. 1579. 1582. 1588.
Gombert Bemerkungen und Ergänzungen
zu Weigands deutschem Wörterbuche u. a.
9 Schulprogram_me. nach der Eeihenfolge des
Erscheinens mit 1 usw. bezeichnet. 1. Gymn.
Groß-Strehlitz in Oberschi. 1875/76. 2. Ebd.
1876/77. 3. Ebd. 1877/78. 4. Ebd. 1879/80.
5. Ebd. 1881/82. 6. Ebd. 1888/89. 7. Ebd.
1892/93. 8. Ebd. 1896,7. 9. Breslau 1898/99.
Der j. Goethe ^ S. Hirzel Der junge Goethe.
Leipzig 1887.
Goethe. Zitiert nach der Weimarer Sophien-
ausgabe. Ein paarmal (1. H.) = Aiisgabe
letzter Hand, 60 Bände in 16". Stuttgart
1828 — 42. Der junge Goethe, s. o. Naturw.
Sehr.. 2. Abteilung der Weimarer Ausgabe.
Tagebücher 3. Abteiliuig. Briefe 4. Ab-
teilung. Zuweilen nach dem Datum an-
geführt.
Gott er Gedichte 1787.
Gottsched, Johann Christoph, Grundlegung
der deutschen Si^rachkunst. Leipzig 1748.
Vollständigere und neuerläuterte deutsche
Sprachkunst. (5. Aufl. jenes Werkes.) Ebd.
1762. Beobachtungen über den Gebrauch
und Misbrauch vieler deutscher Wörter und
Redensarten. Straßburg und Leipzig 1755.
1758. Critische Dichtkunst 1730.
Graff Althochdeutscher Sprachschatz. 1834.
Grand dict. s. Pomey. (1709.)
Grein. C. W. M., Sprachschatz der angelsäch-
sischen Dichter. 2 Bde. Cassel u. Göttingen
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Grienberger Untersuchungen zur gotischen
Wortkunde. Wien 1900. "
Grimmeishausen Ivz. = herausg. von Kurz.
K(elle)r = hrsg. von Keller. Simpl. von 1669.
Neudruck. Halle 1880.
Grolman, F. L. A. v., Wörterbuch der in
Teutschland üblichen Spitzbuben-Sprachen.
Gießen 1822. Benutzt ist v.Grolmanns durch-
schossenes Handexemplar mit reichen Ein-
trägen (Weigand).
Grüwel, Johann, Eicht-Schnnr der hochteut-
schen Orthographie, Neu-Euppin 1707.
Gryphius, Andreas. Trauer-Spiele, auch Oden
und Sonnette. Breßlau 1663. Horribilicribri-
fax. Neudruck Halle 1876.
Gueintz. Gh., Die deutsche Kechtschreibung.
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Günther. Sammlung von J. Chr. Günthers
Gedichten. Breslau und Leijjzig 1735.
Gutzeit, W, V. , W^örterschatz der deutschen
Sprache Livlands. Eiga 1864 ff.
Haas, Johann Gottfried, Neues Teutsches und
Französisches Wörterbuch. 2 Bde. Leipzig
1786 u. 1788. Vollständiges deutsch-lateini-
sches Handwörterbuch. Zwickau 1801 (1811).
Hagedorn, Friedrich von. Versuch einiger
Gedichte, oder Erlesene Proben Poetischer
Neben-Stunden. Hamburg 1729. Versuch in
poetischen Fabeln und Erzehlungen. Ebd.
1738. Oden und Lieder in fünf Büchern.
Ebd. 1747. Neue Fabeln und Erzehlungen
in gebundener Schreibart. Ebd. 1749. Mo-
ralische Gedichte. Ebd. 1750. Sämmtliche
Poetische Werke. 3 Teile. Ebd. 1764. 1771.
Hahns Passional. Das alte Passional (das 1.
und das 2. Buch), hrsg. v. K. A. Hahn. Frank-
furt 1857.
Haller Gedichte. 1753. Bern 1828.
Halt aus Glossarium germanicum medii aevi.
Leipzig 1758.
Halt rieh Plan zu Vorarbeiten für ein Idio-
tikon der siebenbürgisch-sächsischen Volks-
sprache. Kronstadt 1865.
Hans. Bruder Hansens Marienlieder aus dem
14. Jahrhundert, herausg. von E. Minzloff.
Hannover 1863.
Happel, E. Werner, academischer Eoman.
Ulm 1690.
Harsdörffer, G.Ph.. Frauenzimmer-Gesprechs-
spiele. 1. 1644. 2. 1657. 3. 1643. 4. 1644.
5. 1645. 6. 1646. 7. 1647. 8. 1649. Mathe-
matische und philosophische Erquickstunden.
1636—53.
Hatzfeld-Darmesteter -Thomas diction-
naire general de lalanguefrancaise. Paris o. J.
Hätzlerin Liederbuch = Liederbuch der Clara
Hätzlerin, hrsg. von Haltaus. Quedlinb. 1840.
Hechtenberg. Clara, Fremdwörterbuch des
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Hederich, Benj.. Teutsch-Lateinisches Lexi-
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Heine, Heinrich, AVerke, hrsg. von Elster.
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Helvicus (Helvig) Allgemeine Sprachkunde.
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Henisch, Georg, Teütsche Sprach und Weiß-
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Hennig. G. E. S. , preußisches Wörterbuch.
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Heppe, Chr. W\ v., Wohlredender Jäger.
Eegensburg 1763 u. ö.
Herbort von Fritslar, liet von Troj^e, hrsg.
von George Karl Frommann. Quedlinburg
u. Leipzig 1837.
Herder, Joh. Gotfried v. , Fragmente über
die neuere deutsche Literatur. 1767. Kri-
tische Wälder 1769. Älteste Urkunde des
Menschengeschlechts. Eiga 1774—76. 1776.
Plastik. Ebd. 1778. Lieder der Liebe. Leip-
zig 1778. Das Buch von der Zukunft des
Herrn, des Nehen Testaments Siegel. Eiga
1779. Vom Geist der Elsässischen Poesie.
2 Teile. Dessau 17S2— 1783. Zerstreute
Quellen.
XY
Blätter. Gotha 1791 — 1797. Ideen zun
Philosophie der Geschichte der Menschheit, j
4 Teile. Riga und Leipzig 1784—91. Briefe
zur Beförderung der Humanität. 10 Teile. ■
'Riga. 1793—97. Terpsichore. 3 Teile. Lü-
beck 1795—96. Kalligone. 3 Teile. Leipzig
1 800. Adrastea. Ebd. 1801—4. Der Cid.
Tübingen 1805. Gedichte. 2 Teile. Stutt- '
gart und Tübingen 1817. Sämmtliche Werke.
Tübingen 1805 — 20. Sämmtliche Werke, hrsg.
von Suphan iS) 1877 ff.
Hermes. Joh. Timotheus) Sophiens Reise
von Memel nach Sachsen. 6 Bde. 3. Ausg.
Leipzig 1778. Zween litterarische Märtyrer
und deren Frauen. 2 Bde. Ebd. 1789.
Herzog von Braunschweig, Susanna 1598.
Die Schauspiele des Herzogs von Braun-
schweig. Hrsg. von W.Holland. Stuttg. 1855.
Heußlin Yogelbuch. Zürich 1557.
Heynatz, Johann Friedr. . Deutscher Anti-
barbarus. 2Bde. Berlin 1796f. Handbuch 1775.
Heyne. Moriz, Fünf Bücher deutscher Haus-
altertümer. Leipzig 1899 ff. DWB. = Deut-
sches Wörterbuch, von Moriz Heine. Leipzig
1890, 2. Auflage 1905/6.
Heyse Deutsches Wprterbuch. Magdebg. 1833.
Hildebrand. R. Tom deutschen Sprach-
unterricht. Leipzig und Berlin. 1890. Gesam-
melte Aufsätze und Vorträge. Leipzig 1890.
Hirt Der indogermanische Ablaut. Straß-
burg 1900. Die Indogermanen. Ebd. 1905 f.
Höfer, Matthias, etymologisches Wörterbuch
der in Oberdeutschland, vorzüglich in Öster-
reich üblichen Mundart. 3 Teile. Linz 1815.
Höf er Urk. = Auswahl der ältesten Urkunden
deutscher Sprache im Königl. Geheimen Staats-
und Kabinets-Archiv zu Berlin . hrsg. von
Ludwig Franz Höfer.
Hoffmanns waldau Vermischte Gedichte.
1680. Heldenrufe 1680. Getr. Schäfer 1678.
Hohberg, Georgica curiosa. Nürnberg 1687.
Hölty Gedichte, hrsg. von Halm. 1869.
Höniger, Xic. Weltspiegel oder Narrenschiff.
Basel 1574.
hör. belg. = horae belgicae 1830 — 1862.
Hübner 1709 usw. Von Joh. Hübner gibt es
zwei enzyklopädische Handbücher : das Staats-
Zeitungs- und Konversationslexicon Merse-
burg 1709 und Curieuses und reales Xatur-
Kunst-, Berg-, Gewerck- und Handlungs-
Lexicon. 1712. Benutzt sind außerdem Aus-
gaben dieser Werke von 1727. 1741. 1745.
1760. 1776 u. a.
J. Hübner 1731 = .1. Hübners neu vermehrtes
Poetisches Handbuch. Leipzig 1731.
Hug Rhetorica. Tübingen 1540.
HugSchapler. Straßburg 1500. 1508. 1537.
Auch Ausgabe von H. Urtel. Hamburg 1905.
Hugo von Trimberg der Renner. Hrsg. vom
Histor. Vereine zu Bamberg 1833 (Facsimile
Neudruck Berlin 1904;. Ausgabe des Literar.
Vereins in Stuttgart 1908.
Hulsius teutsch-ital. und ital.-teutsches Dic-
tionarium. Fraucf. a. M. 1596. 1605. Schiff-
fahrt 1595 ff.
Hupel Livländisches Idiotikon 1795.
Hutterus Lexicon harmonicum 1598.
Ickelsamer. „Ein Teütsche Grammatica" von
Yalentinusickelsamer. Neudruck von Kohler.
3. durchgesehene Auflage. Freiburg 1881.
Idg. Forsch.^ Indogermanische Forschungen,
hrsg. von Brugmann und Streitberg. Straß-
burg 1891 ff.
Immermann Münchhausen. 2. Ausg. Düssel-
dorf 1841.
Insel Felsenburg. s. Schnabel.
Jablonski Versuch zu einer ordentlichen und
beständigen Richtigkeit der Hochteutschen
Sprache im Reden usw. 1721 u. ö.
Jacobsson Technologisches Wörterbuch.
8 Bde. Berlin 1781 ff.
.Janssen Frankfurts Reichscorrespondenz.
Freiburg 1863—72.
Jeroschin. hrsg. von Ernst Strehlke. Aber
auch nach den Seitenzahlen zitiert. Die
Deutschordenschronik des Nicolaus von Je-
roschin, von Franz Pfeiffer.
Junius nomenclator. omnium rerum propria
nomina variis Unguis explicata. Antwerpen
1567. 1577 u. ö.
Kant ('H . = Kants Werke, hrsg. von Harten-
stein. 10 Bände. Leipzig 1838 ff.
Karschin, Anna Louisa, auserlesene Gedichte.
Berlin 1764. Neue Gedichte. Mitau u. Leip-
zig 1774. Gedichte. Berlin 1792.
K e h r e i n , Joseph, Volkssprache im Herzogthum
Nassau. W^eilburg 1862.
Keisersberg^= Geiler von Keisersberg Arbor
humana 1521. Christlich Bilgerschafft 1512.
Brösamlin 1512. Evangelibuch 1512. Granat-
apfel 1510. Narrenschiff 1520. Postill 1522.
Predigen 1508. Schiff der Penitentz 1514.
Seelen Paradiß 1510. Sünden des Munds 1518.
Keller, Johann Heinrich. Beyträge zu einem
Idiotikon des Thüringer Waldgebirges. Jena
1819.
Keller, Ad. von, Erzählungen aus altdeutschen
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Kiechel, Die Reisen des Samuel Kiechel.
hrsg. von Haßler. Stuttgart 1866.
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Kindleben, Chr.W., Studentenlexikon. Halle
1781. Neudruck Leipzig 1899.
Kirchenordnungen, sächsische.
Kirchhoff Wendunmuth, hrsg. von Österlej-,
Litterar. Verein in Stuttgart 1869 — 70. Mili-
taris disciplina 1602.
Kirsch. Kirschii abundantissimum cornu co-
piae linguae latinae et germanicae selectum.
Noribergae 1718. 1723.
Klein, Anton v.. Deutsches Provinzialwörter-
buch. Frankfurt und Leipzig 1792.
Klop stock, Friedr.Gottlieb.sämmtlicheWerke.
Leipzig 1823 ff. Der Messias. Halle. 4 Bde.
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Leipzig 1798 (auch Hamburg 1771). Die
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Kloster, das, hrsg. von Scheible. Stuttgart
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XYI
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Kluge Etj'inologisches Wörterbuch der deut-
schen Sprache. 6. Aufl. Deutsche Studenten-
sprache. Straßburg 1895. Eotwelsche Quellen
und Wortschatz der Gaunersprache und der
verwandten Geheinisprachen. I. Eotwelsches
Quellenbuch. Straßburg 1901. Die zeitlichen
Belege für Worte der Gaunersprache stammen
aus diesem Werk und sind dort unter dem
angegebenen Jahr zu finden.
Ködiz Das Leben des heiligen Ludwig, hrsg.
von H. Rückert. Leipzig 1851.
Konrad troj. Kr. Der trojanische Krieg von
Konrad von Würzburg, nach den Vorarbeiten
K. Frommanns und F. Roths herausg. durch
Adelbert v. Keller. Stuttgart 1858.
Köpkes Passional. Das Passional (drittes
Buch), hrsg. von Köpke. Quedlinburg 1852.
Kr am er (Krämer), Matthias, das neue Dic-
tionarium oder Wort-Buch in Teutsch-Italiä-
nischer Spraach. Nürnberg 1678. Allge-
meiner Schau-Platz, auf welchem vermittelst
einer kurtzenFrag-Ordnung vorgestellet wird
die Teutsche und Italienische Benennung
aller Haupt-Dinge der Welt. Ebenda 1679.
Das Königliche Nider-Hoch-Teutsch usw.
Dictionarium. Nürnberg 1719. 3te Auflage
von Moerbeek 1768. 4te Auflage 1787.
Krünitz Ökonomisch -technologische Enzy-
klopädie. 1773—1858.
Kuen, Dionys, Oberschwäbisches Wörterbuch
der Bauernsprache. Buchau 1844.
Kursächsische Schulordnung 1580.
KZ = Kuhns Zeitschrift für vergleichende
Sprachwissenschaft. 1852 ff.
Lacomblet ürkundenbuch für die Geschichte
des Niederrheins. 1840 ff.
Ladendorf Historisches Schlagwörterbuch.
Straßburg 1906.
Lamprecht Alexander. Ausg. von Weismann.
Frankfurt a. M. 1850.
Lamprechts Tochter von Syon, Gießener
Handschrift, auch mit Yergleichung von
Zeithammers Handschr. und der Lobriser.
Ausgabe von Weinhold, Paderborn 1880.
Langbein Gedichte. 1788. Sämmtliche Schrif-
ten, Stuttgart 1841.
L aurin. Laurin und Walberan. im devitschen
Heldenbuch I.
Lehmann Chronica der Stadt Speyer. Frank-
furt a. M. 1612 u. ö.
Leibniz Deutsche Schriften, herausg. von
Guhrauer. Berlin 1838—40.
Leipziger Ordn. = der Stadt Leipzig allerley
Ordnungen. Leipzig 1544.
L e s s i n g , Gotthold Ephraim, sämmtl. Schriften,
hrsg. von Karl Lachmann. 13 Bde. Berlin
1888-1840.
Levy Die semitischen Fremdwörter im Grie-
chischen. Berlin 1895.
Lex er. Matthias, kärntisches Wörterbuch.
1862. Mittelhochdeutsches Handwörterbuch.
1872 ff.
lib. ord. rer. = liber ordinis rerum. Hand-
schrift von 1429, s. ZfdA. 6, 393.
Lichtwer, Magnus Gottfr. , Fabeln. Berlin
u. Stralsund 1775. Nach Buch und Nummer
zitiert.
Liden Studien = Studien zur altindischen
und vergleichenden Sprachgeschichte. Up-
sala 1897.
Liebe, Georg, Teutsches Wörterbüchlein. 1686.
Liliencron Die historischen Volkslieder der
Deutschen. 4 Bde. Leipzig 1 865 ff.
Limburger Chronik, hrsg. von K. Rössel.
Wiesbaden 1860.
Lindener Rastbüchlein und Katzipori, hrsg.
von Lichtenstein. Tübingen 1883.
Liscow Sammlung Satyrischer und Ernst-
hafter Schriften. Frankfurt u. Leipzig 1739.
Livländische Reimchronik. Ausgabe von
Franz Pfeiffer, Stuttgart 1844: von L. Mever,
Paderborn 1876.
Logau Sinn-Getichte 1654, hrsg. von Gustav
Eitner. Nach Tavasenden, Hunderten usw.
angeführt; einige Male nach Seiten.
Lohenstein Hyacinthen. Breslau 1680. Sopho-
nisbe. Breslau 1680. Rosen. Breslau 1680.
Ibrahim Sultan 1673. Cleopatra 1661.
Londorp Acta publica des Teutschen Krieges.
1622.
Lonicerus, Adam, Kreuterbuch. 1587.
L o r i t z a , neues Idioticon Viennense. Wien 1847.
Lübben Mittelniederdeutsches Handwörter-
buch. 1888.
Ludwig, Christian, Teutsch-Englisches Lexi-
con. Leipzig 1716. 2. Aiafl. (mit der ersten
gleichlautend) 1745. 4. Aufl. 1789. Englisch-
Teutsch-Frantzösisch Lexicon. Leipzig 1706.
Luther. Luthers Bibelübersetzung, im ur-
sprünglichen Texte, nach Bindseils und Nie-
meyers Abdruck. Luther mit Zahl zeigt
Luthers Bücher und Schriften nach den
einzelnen Teilen der Jenaer Ausgabe an:
1 1575 usw. Auch mit dem Zusatz J. oder Jen.
Auch nach der Eisleber (Eisl.), Erlanger (Erl.)
und Weimarer (W.) Ausgabe. Die Briefe
nach de Wette, Berlin 1825—28; Tischreden,
Frankfurt 1578, auch nach Förstemann und
Bindseil. Berlin 1845 ff. An den christlichen
Adel. Neudruck, hrsg. von Braune.
Maaler, J., Die Teütsch Spraach. Tiguri 1561.
; Magdeb. Blume = Die Blume von Magde-
burg, hrsg. von Böhlau. Weimar 1868.
Magdeburger Fragen, hrsg. von Behrend.
1865.
Mar et a, Hugo, Proben eines Wörterbuches der
österreichischen Volkssprache. AVien 1861
I u. 1865. Zwei Programme.
Mathesius, Historien von M. Luthers anfang
! usw. Nürnberg 1566. Postilla. Ebd. 1579.
! Sarepta oder Bergpostill. Ebd. 1562. 1571 u. ö.
Syrach. Leipzig 1586 (s. DW. 5, XXXIV).
Matthisson, Gedichte. Zürich 1802.
Megenberg, Kom-ad von. Buch der Natur,
hrsg. von Pfeiffer. Stuttgart 1861.
Melber, Johannes, vocabularis predicantium
sive variloquus. Argentinae 1482. 1486. Eine
neue Ausgabe des Eychman (s. d.).
Melissus g. Schede.
Menantes, Die Allerneueste Art zur Reinen
und Galanten Poesie. 1706.
Quellen.
XVII
Messerschmid Die kluge Narrheit. Dielustige
Narrheit. Straßbiu-g 1615.
Meurer, Hermann, lexikalische Sammlungen
aus Friedrich Eückerts Werken. Weimar
1872. Programm.
Michaelis poetische Werke. Wien 1797.
Micrälius. J.. Sechs Bücher vom Alten Pom-
merlande. Stettin 1639.
Miller, J. M.. Siegwart. Leipzig 1777. Bey-
trag zur Geschichte der Zärtlichkeit. Ebd.
1776. 2. Aufl.1780. Die Geschichte Gottfried
Walthers, eines Tischlers. Ulm 1786.
Milstäter Exodus und Milstäter Genesis.
Genesis und Exodus nach der Milstäter
Handschrift herausg. von Joseph Diemer.
Wien 1862.
]Mone Anz. Anzeiger für Kunde der deutschen
Vorzeit, herausg. von Mone. 1835 ff.
Mone Zeitschr. Zeitschrift für die Geschichte
des Oberrheins. Herausg. von Mone. 1850fg.
Montanus, Martin. Schwankbücher. Herausg.
von F.Bolte. Tübingen 1899.
Monumenta Boica. München 1763ff.
Moerbeek, Ad. Abr. van, neues deutsch-
holländisches Wörterbuch. Leipzig 1768.
S. Kramer.
Mörike Werke in 4 Bänden. Stuttgart 1899.
Moritz, Karl Philipp, Vorlesungen über den
Styl. Neue Ausgabe von Johann Joachim
Eschenburg. Braunschweig 1808.
Moscherosch, Hans Michael, wunderliche
und wahrhafftige Geschichte Philanders von
Sittewald. 2 Teüe. Straßburg 1646. 1650.
Insomnis cura parentum. Neudruck von
Ludwig Pariser. Halle 1893.
Moser, Justus, patriotische Phantasien. 4 Teile.
Berlin 1775 — 1786. Vermischte Schriften
1797. 98.
Müller und Weitz, die Aachener Mundart,
Idiotikon. Aachen 1836.
Müller, Johann Gottwerth. Siegfried vou
Lindenberg. 4 Teile. Leipzig 1790. Strauß-
fedem 1790.
Müller, Maler, Werke. Heidelberg 1811. Bei
einzelnen Schriften mit A'ergleichung der
ersten Drucke.
Müller, Laur.. polnische usw. Historien 1585.
Münchhausen Reisen.
Münster, Coämographey 1567. 1628.
Murner, Geuchmatt, hrsg. von Uhl. Luthe-
rischer Narr. hrsg. von Kurz. Schelmenzunft.
Narrenbeschwörung nach den Neudrucken.
M usäus, .Johann Karl August, Volksmährcheu
der Deutschen. 5 Teile. Gotha 1787. 1804.
1826. Moralische Kinderklapper. Ebd. 1788.
Der deutsche Grandison 2 Teile. Eisenach
1781 f. Physiognomische Eeisen. 4 Hefte.
Altenburg 1788.
Mtiskatblut. Lieder. Hrsg. von E. v. Groote.
Cöln 1852.
Myst. = Mystiker, hrsg. von Pf eiffer. Leipzig
1845—57.
Nas, J., Practica Practicorum. 1571.
ndl. 1598. 1599. = Kilian.
Nehring, Joh. Christoph, manuale juridico-
politicum diversorum tenninorum vocabu-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
loruni usw. Frankfurt u. Leipzig 1694. 1697,
1710, 1717.
Nemnich, Wörterbücher der Naturgeschichte.
Hamburg 1798. Polyglottenlexikon. 1793—95.
Neues Teutsch-Frantzösisch-Lateinisches Dic-
tionarium oder Wort-Buch. Genf, in Ver-
legung Wiederhol ds 1669. Auch Wieder-
holds Dicionarium genannt.
Neues Dictionarium oder Wörter -Buch Für
einen Reisenden. Teutsch-Frantzösisch- und
Lateinisch. Genf 1683. Eine neue mit erst
aufgekommenen Wörtern vermehrte Auflage
erschien ebd. 1695.
Neukirchs Sammlung = Herrn von Hoff-
mannswaldau und anderer Deutschen auser-
lesener . . . Gedichte erster Teil. Leipzig 1697.
Dann noch 5 Teile 1703—27.
Nib. oder Nibel. Nibelungenlied. Ausg. von
Karl Lachmann.
Nicl. V. Wyle s. Wyle.
Niebergall, Ernst Elias, des Burschen Heim-
kehr, oder: der tolle Hund. Lustspiel in
vier Aufzügen. Li der Mundart der Darm-
städter, Worms, 1837. Niebergall schrieb
unter seinem Studentennamen Streff.
Nieremberger, Benedikt Friederich, Deutsch-
lateinisches Wörterbuch. Kegensburg 1753.
Nomenciator Latinogermanicus novus. Ex
optimis quibusque authoribus, juxtu vaiias
rerum classes digestus. Tiguri 1556. Von
Frisius (s. d.). Von S. 149a— 203b ist ein
Nomenciator Germanicolatinus beigefügt.
Noreen, Urgermanische Lautlehre. 1894.
Notariat und teutsche Khetorik. 1565.
Notker, Ps. = Notker Psalmen.
Notker Boethius, Martianus Capella, aristo-
telische Abhandlungen, die Ausgabe von Graff.
Nouveau dictionnaire AUemand-Franfois. Straß-
burg 1762.
Nürnberger Polizeiordnungen, hrsg. von Baader,
Stuttgai-t 1861.
Oheims Chronik von Keichenau. hrsg. von
Barack. Stuttgart 1866.
Olearius, Adamus, newe orientalische Eeise-
beschreibung. Schleßwig 1647. Angehangen
mit eigner Seitenzahl ,.Ein Schreiben des
Wol Edlen, Gestrengen und Vesten Hohen
Albrecht von Mandelslow". Schleßwig 1645.
Moskowitische und Persianische Keisebe-
schreibung, Hamburg 1696, darin: Persiani-
sches Eosenthai. Persianischer Baumgarten.
Ölinger. Albert. Vnderricht der Hoch-Teut-
schen Spraach (Grammatica). Argento-
rati 1574 am Ende 1573), zitiert nach dem
alten Druck, dessen Seitenzahlen im Neu-
druck von W. Scheel Halle a. iS. 1897 ange-
geben sind, z. T. auch übertragen.
Opel und Cohn. Der dreißigjährige Krieg.
Eine Sammlung von historischen Gedichten.
Halle 1862.
Opitz, Martin, opera poetica 1629. Amst. =
Amsterdam. I. 1646. TL. 1646. JH. 1645.
Das Buch von der teutschen Poeterey. Nach
dem Neudruck bei Braune. Ein paar Mal
nach Witkowski.
Ordnungen, s. Eeichsordnungeu.
b
XYIII
Quellen.
Orthographisches Handbuch. Bonn 1873.
Ortnit, Im deutschen Heldenbuch III.
Osthoff Etymologische Parerga. Leipzig 1901.
Oswald V. AVolkenstein , hrsg. von Schatz,
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Ottokars österreichische Reimchronik, hrsg.
von Seemüller. Hannover 1890.
Overbeck, Vermischte Gedichte. Lübeck 1 794.
Paracelsus, Opus chirurgicum. 1565.
Passional, s. Hahns Passional und Köpke's
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Passionsspiel, s. Alsfelder Passionsspiel und
Eriedberger Passionsspiel.
Paul, Jean, Sämmtliche Schriften. Berlin 1826 f.
Auch nach den ersten Ausgaben.
Pauls Grd. = H. Paul Grundriß der germani-
schen Philologie.
PBrBtr. s. Btr.
Pegius Dienstbarkhaiten. Ingolstadt 1559.
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Ein Teil des Werkes von Olearius, s. d.
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Norimb. apud Er. Pe3'pus. 1530.
Pfeffel poetische Versuche. Basel 1789— DO.
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Pf ist er, Chattische Stammeskunde. Kassel
1880.
Picander, emst-, schertzhaffte und satyrische
Gedichte. 5 Bände. 1727—51.
Pistorius thesaurus paroemiacus 1716.
Platen, Aug. von, gesammelte Werke. Stutt-
gart 1843.
Platter, hrsg. von Boos. Leipzig 1878.
Pomey (Pomai), Franciscus, Das Grosse König-
liche Wörterbuch, I. Teutsch-Frantzösisch-
Lateinisch. Frankfurt am Majni 1690. Etliche
Beschreibungen (diverses descriptions) , als
Anhang zu „11. Frantzösisch-Lateinisch-
Teutscla'-. Auch 1709, zitiert als Grand dict,
Prätorius Mägdetröster 1663.
Preciosa, s. Wolff.
Pudor, Christian, der Teutschen Sprache
Grundrichtigkeit und Zierlichkeit. Colin
an der Spree 1672.
Raben er, Gottlieb Wilh., Satiren. 4 Teile.
Leipzig 1755. 1766.
Rabenschlacht, im deutschen Helden-
buch III.
Rachel Sat. = Joachim Rachels Satyrische
Gedichte hrsg. von K. Drescher. Halle 1903.
Rädlein, europäischer Sprachschatz. Erster
Teil. Leipzig 1711.
Ramler, Karl Wilhelm, poetische Werke.
Berlin 1800 u. 1801. Gedichte. Berlin 1779.
Rauwolff, Beschreibung der Raiß ... in die
Morgenländer. Laugingen 1582.
Rebhun,P. Susanna. Zwickau 153G. Dramen,
hgb. von Palm. Stuttgart 1859.
Regel, Karl, die Ruhlaer Mundart. Weimar 1 868.
Das mittelniederdeutsche Gothaer Arznei-
buch. Gotha 1872 f.
Reichel, Eugen, Kleines Gottsched -Wiirtev-
buoh. Berlin 1902.
Reichsordnungen = des Heyligen Römi-
schen Reichs Ordnungen. Worms 1536. 1539.
Mainz 1579.
Reinwald, hennebergisches Idiotikon. Berlin
1793—1801.
Renner, s. Hugo von Trimberg.
Reuter, Christian, nach den Neudrucken bei
Braune, 1696 erste Fassung, 21696 oder 1697
zweite Fassung des Schelmufsky.
Richey , Idioticon Hamburgense. Hamb. 1743,
1755.
Richthofen, Karl v., altfriesisches Wörter-
buch.
Ringwald t. Christliche Warnung des Trewen
Eckharts. 1590. Die lauter Wahrheit. 1586.
1598. Evangelia 1581.
Robinson Crusoe, Leben und Begebenheiten
des. Leipzig 1720. Vgl. Goedeke^ 3, 263.
Röding, J. H., Allgemeines Wörterbuch der
Marine. Hamburg 1793 ff.
Rolle nhagen Froschmeuseler. Ein paarmal
nach der alten Ausgabe von 1599 auf der
Leipziger l'niversitätsbibliothek, dann nach
Buch, Teil, Kapitel (Vers).
Romanische Forschungen.
R o n d e a u Neues Teutsch-FranzösischesWörter-
buch. Verbesserte Auflage. Leipzig 1765.
Rößlin Kräuterbuch 1533.
Rost, Johann Christoph, Versuch von Schäfer-
erzählungen 1744, Als vermehrte Aiiflage:
Versuch von Schäfergedichten 1768. Das
Vorspiel 1742.
Rot, Simon, Ein Teutscher Dictionariiis,
Augspurg 1571, 1572.
Roth, J, F, , gemeinnütziges Lexikon, Neue
Auflage. iSTürnberg 1791.
Rothe Düringische Chronik, hrsg. von Lilien-
cron 1859.
rot\^elsch, s. Kluge.
Rückert Poetische Werke. Frankf. a.M. 1868.
Gesammelte Gedichte. 6 Bde. Erlangen 1834.
Rüdiger Neuester Zuwachs der teutschen
Sprachkunde. Leipzig 1782 — 93,
Sachs, Hans, zitiert ohne Zusatz nach Keller,
Ein paarmal sind alte Zitate AVeigands, weil
nicht auffindbar, stehen geblieben. W. be-
nutzte I, Nürnberg 1590, U. 1591. JIl. 1588.
IV. 1578. V. 1579. Die Fastnachtsspiele und
Fabeln und Schwanke auch nach den Goetze-
schen Neudrucken (Halle, Niemeyer), zit,
Fastn., Fab.
S a c h s e n s p i e g e 1 . nd. hrsg. von Horae3'er, md.
von Hildebrand.
Salis, Gedichte. Zürich 1800.
Sallust. übersetzt V. Pleningen. Worms 1513.
1515.
Salomönis hüs, in Adrians Mitteilungen aus
Handschriften usw. S. 417 — 455.
Sattler Teutsche Orthographey. Basel 1607.
1616.
Schaidenroisser Odyssea. Augsburg 1538.
Schambach. Geoi'g, Wörterbuch der nieder-
deutschen Mundart der Fürstentümer Göt-
tingen lind Grubenhagen. Hannover 1858.
Schede, Paul (Melissus), Die Psalmen Davids
in teutischeGesangsrevmen. Haidelberg 1572
Quellen,
XIX
fauch in den Neudrucken Nr. 144 — 148, lirsg.
von Jellinek, Halle 1896;.
Scheible, Das Kloster. Stuttgart 1845. Das
Schaltjahr. Stuttgart 1846.
Scheibner Galant interprete. 1685.
Seh ei dt Grobianus. Neudruck. Halle 1882.
Schelmufsky s, Eeuter, Chr.
Scherff er,W. Gedichte. 1652. Der Grobianer.
Brieg 1640.
Schiller, Friedrich von. Es sind die ein-
zelnen Werke und Gedichte zitiert und die
Stellen den ältesten Drucken oder Karl
Goedekes kritischer Ausgabe entnommen.
Die Braut von Messina wurde, weil ohne
Abteilung in Aufzug und Auftritt, nach der
Seitenzahl des ersten Druckes (Tübingen 1803)
zitiert.
Schiller Karl, zum Thier- und Kräuterbuche
des mecklenburgischen Volkes. 3 Hefte (Pro-
gramme). Schwerin 1861 — 1864. Beyträge
zu einem mittelniederdeutschen Glossar.
Schwerin 1867.
Schiller undLübben, Mittelniederdeutsches
Wörterbuch. Bremen 1875 — 81.
Schiltberger. Hans, Beisetagebuch. Heraus-
gegeben von Langmantel. Tübingen 1885.
S chiltb ergers Keisen von 1394 — 1427. Hrsg.
von Neuniann. München 1859.
Schmeller* = Schmeller - Frommann, Bay-
risches Wörtei'buch. 2. Ausgabe. München
1872.
Schmid, J. Chr. v., schwäbisches Wörterbuch.
Stuttgart 1831.
Schmidel Reise nach Südamerika (1534 — 54).
hrsg. von Langmantel. Tübingen 1889.
Schmidt (Prediger zu Werneuchen), Friedrich
Wilhelm August, Gedichte. Berlin 1797.
Almanach romantisch -ländlicher Gemähide.
Ebenda 1798. Almanach der Musen und
Grazien für das Jahr 1802. Ebenda 1802.
Schmidt Klamer Eberhard Karl, poetische
Briefe. Dessau 1782. Neue poetisch. Briefe.
Berlin 1790. Ohne Beisetzung des Namens
erschienene Erzählungen aus der Geschichte
der Actäontischen Nachkommen. Berlin 1789.
Komische und Humoristische Dichtungen.
Berlin 1802.
Schmidt wQsterwäldisches Idiotikon. Hada-
mar 1800.
Schnabel, Ludwig, Wunderliche Fata einiger
Seefahrer. I. Noi'dhausen 1731. IL Halber-
stadt 1772. IIL Nordhausen 1739. IV.Ebd.l743.
Soweit der Neudruck, die Insel Felsenburg,
hrsg. von H. Ullrich vorliegt, danach ange-
führt.
Schönsleder , Wolfgang, promptuarium ger-
manico-latinum. Augustae Vindelicoriun 1618.
Monachii 1647. Dillingen 1663.
Schöpf, tirolisches Idiotikon. Innsbruck 1866.
Schottelius, Justus Georg, Teutsche Sprach-
kunst. Braunschweig 1641. Die 1663 er-
schienene dritte Auflage, auch bloß Schotte-
lius zitiert, unter besonderem Titel, ,,aus-
führliche Arbeit von der Teatschen Haubt-
Sprache".
Schrader, Otto, Eeallexikon der indogerma-
nischen Altertumskunde. 1901. 1
Schröer Yocab., lateinisch -deutsches Voca-
bular von 1420. Presburg 1859. Beitrag
zu einem Wörterbuch der deutschen Mund-
arten des ungrischen Berglandes. Wien 1857
bis 1859. Gottscheewer Mundart. Wien 1869.
Schubart, Christian Friedr. Daniel, Gedichte,
2 Bde. Frankfurt a. M. 1787.
Schulze, W., Zur Geschichte lateinischer
Eigennamen. Göttinger Ges. d. Wiss.
(Schummel, Joh. Gottlieb), Spitzbart, eine
komi-tragische Geschichte für unser päda-
gogisches Jahrhundei't. Leipzig 1779.
Schupp (ins), Balthasar, Schrifften. Hanau 1663.
Schütz, Siegerländer Idiotismen, in den Jahres-
berichten der höheren Bürger- und Eeal-
schule zu Siegen 1845 u. 1848.
Schütze, Johann Friedr., holsteinisches Idio-
tikon. 4 Teile. Hamburg 1800 ff.
Schwartzenbach, Leonhard, Synonyma.
Frankfurt a. M. 1580.
Schwarzenbcrg. J. v.. der teütsch Cicero.
Augsburg 1534.
Schweinichen. Hans. Leben und Abenteuer,
hrsg. von Büsching. Leipzig 1823.
Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch
der schweizerdeutschen Sprache. Bearbeitet
von F. Staub u. L. Tobler. Frauenfeld 1881 ff.
Scriptores rerum Silesiacarum, herausg. von
Stenzel.
Sebiz, Melch.. Siben Bücher von dem Feld-
bau. Straßburg 1580.
Serapeum, Zeitschrift für Bibliothekswissen-
schaft. Leipzig 1840.
Serränus, dictionarium latino-germanicum,
Norimbergae 1539. Synon3anorum libellus,
Norimbergae 1552.
Sleidanus, übersetzt von Stamler 1557.
Soltau, Ein Hundert deutsche Volkslieder.
Zweite Ausgabe. Leipzig 1845. Zweites
Hundert. Hrsg. von Hildebrand. Lpzg. 1856.
Soranus epitome quatuor librorum Conr.
Gesneri de historia animalium. 1571. 1587.
Spee Trutz -Nachtigal, hrsg. von G. Balke.
Leipzig 1879.
Sp er ander, ä la Mode-Sprach der Teutschen
(Fremdwörterbuch). Nürnberg 1727, 1728,
Der eigentliche Name des Verfassers ist
F. Gladow.
Städtechroniken s. Chron. d. d. Städte.
Stalder, Versuch eines schweizerischen Idio-
tikon. Aarau 1812.
Steinbach, Deutsches Wörterbuch 1725. Voll-
ständiges deutsches Wörterbuch 1734.
Steinmej'er-Sievers Althochdeutsche Glos-
sen. 4 "Bde. Berlin 1879 ff.
Stiel er, C. Der Teutschen Sprache Stamm-
baum und Fortwachs, Nürnberg 1691,
Stolberg, Christian und Friedrich Leopold,
Gedichte. Leipzig 1779. In 2 Bändchen.
Leipzig 1821.
Stoppe, Neue Fabeln. Gedichte 1728. Parnaß
1735.
S t o e r. Dictionarium Germanico-Gallico-Lati-
num. Genevae, Stoer, 1662. 2. Teil des
Dictionnaire Francois-Alleman-Latin et Alle-
man-Fran9ois-Latin,par Jacob Stoer. Geneve,
Stoer, 1664.
b*
k
XX
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Zusammengest. von J. Brucker. Straßb. 1882.
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Strodtmann, Idioticon Osnabrugense. Leip-
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Stumpf f, Job., Gemeiner Eydgnoschafft Chro-
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Stürenburg, C. H. , ostfriesisches Wörter-
buch. Aurich 1857.
der Sunden widerstrit, Gießener Handschrift
von 1278. Xach der Seitenzahl derselben
lind auch zuweilen nach der Verszahl von
Weigands Abschrift zitiert.
Taberuä montan US Kräuterbuch. 1588.
T eich n er. Über Heinrich den Teichner, von
Karajan. Wien 1855.
Teuerdank, herausg. von Haltaus. Quedlin-
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Teuthonista, G. von der Schueren"s Teu-
thonista of Duytschlender. 1477. Leiden 1804.
In eene nieuwe bewerking uitgegeven door
J. Verdam. Leiden 1896.
Teutscher Michel. Ein ue-n- Klaglied, Teutsche
Michel genannt, o. O. 1617.
Theatrum diabolorum, Frankf. 1575. 1587.
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Thümmel, Moritz August von, Wilhelmine, i
Leipzig 1769, auch mit Berücksichtigung der j
ersten Ausg. von 1764. Reise in die mittäg-
lichen Provinzen von Frankreich im Jahr |
1785—1786. 10 Teile. Ebd. 1791—1805.
Thurneysser Onomasticon. 1588.
Tieck gesammelte Novellen. Breslau 1847.
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Tob 1er, appenzellischer Sprachschatz. Zürich
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Tristan, Ausg. von Maßmann. Leipzig 1843. ■
TrochuSj Baidassar, vocabulorum rerum [
promptuarium. Lipsiae 1517. i
Tscher ning Deutscher Gedichte Fi'ühling. '
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Uhland, Ludwig, Gedichte. Stuttgart und
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Uhlenbeck, kurzgefaßtes Etymologisches
Wörterbuch der gotischen Sprache. 2. Aufl.
Amsterdam 1900.
Der L^nartige teutsche Sprach verderber. 1643.
Veith Deutsches Bergwörterbuch. Breslau
1871.
Vilmar Idiotikon von Kurhessen. Marburg
1868.
Vintler Die pluenien der tugend. Herausg.
von Zingerle. Innsbruck 1874.
Virginal, Im deutschen Heldenbuch. V.
voc. oder vocab. vocabularius, vocabularium.
voo. ex quo, Eltuil 1469.
voc. gemma gemmarum. Köln 1495. Straß-
burg 1505. 1508. Hagenau 1610. Vgl. Gemma.
voc. incip. teut., vocabularius incipiens teu-
tonicum ante latinuni. Gegen oder um 1500.
voc. opt. = vocabularius optimus, aus dem
14. Jh., hrsg. von W.Wackei-nagel. Basel 1847.
vocabularius optimus. Liptzk 1501.
voc. praed. = Melber.
vocabula pro juventute scholastica 1517.
voc. rerum s. Brack.
voc. theut. = vocabularius theutonicus. Nürn-
berg 1482.
Voß, .Johann Heinrich. Luise, Königsberg
1823. Idyllen, Leipzig. Gedichte, Königsberg
1802. Die tausend und eine Nacht, arabische
Erzählungen. Aus dem Französischen (des
Herrn Anton Galland) übersetzt. 6 Bände.
Bremen, 1781—1785. Briefe. 1829-38.
Wächter, Georg, Glossarium germanicum.
Leipzig 1737.
Wächtler Commodes Maniial oder Handbuch
1711. 1714. (Soeben wird mir eine ältere
Ausgabe von 1703 zugänglich, die fast den
gleichen Stoff zu enthalten scheint, so daß die
meisten Belege auf dieses Jahr zu setzen sind).
Wackernagel, Wilhelm, altdeutsches Lese-
buch. Fünfte Aufl. (1873), auch die vierte Aus-
gabe (1861). Wörterbuch zum altdeutschen
Lesebuch. Die Umdeutschung fremder Wör-
ter. Basel 1863. Altdeutsche Predigten, s.
Altdeutsche Predigten und Gebete.
Wagner, Heinrich Leopold, die Kindermör-
derin. Neudruck Heilbronn 1883, in dem
die Seitenzahlen des ersten Druckes ange-
geben sind.
Walde, Lateinisches etymologisches Wörter-
buch. Heidelberg 1906.
Waldis, Burkhard, Esopus, nach Buch und
Nummer der Ausgabe von H. Kurz. Leip-
zig 1862. Streitged. = Streitgedichte gegen
Herzog Heinrich den Jüngern von Braun-
schweig. Hrsg. von Koldewey. Halle 1883.
Wallhausen, Corpus militare. 1617, Kriegs-
kunst zu Pferde 1616. Kriegß Manual 1616.
Walther, Walther von der Vogelweide, hrsg.
von Karl Lachmann.
Weber, Johann Adam, Teutsch-Lateinisches
Universal -Wörter -Buch (Zweiter Teil des
kurz gefaßten Lateinisch - Teutschen und
Teutsch - Lateinischen Universal - Wörter-
buches). Chemnitz 1734. Die Seitenzahlen
sind nach dem deutsch -lateinischen Teil
zitiert. Verglichen ist die dritte von Johann
Daniel Heyde besorgte Ausgabe in 3 Teilen
(Dresden 1770), deren dritter das deutsch-
lateinische Universal -Wörterbuch enthält.
Weckherlin, G. E., Gedichte, herausg. von
Fischer. Tübingen 1894—1907.
Wedels Hausbuch. Tübingen 1882.
Weim. Jahrb. = Weimarisches Jahrbuch für
deutsche Sprache. Hannover 1854.
Weinhold, Karl, Die Deutschen Monats-
namen. Halle 1869. Beiträge zu einem schle-
sischen Wörterbuch. Gießen 1857.
Weise, Chr., Die drei ärgsten Erznarren in
der ganzen Welt. Abdruck der Ausgabe von
1673. Halle 1878. Politischer Näscher.
Catharina bei Kürschner. Der betrogne
Betrug. 1678.
"Weis m a n n , Erycus, lexicon bipartitum, latino-
gennanicum et germanico-latinum. Stutt-
grardiao 1715. Auch 1703 in der ersten Aus-
Quellen.
XXI
gäbe des deutsch-lateinischen Teiles zitiert,
mit welcher ganz der von 1713 stimmt.
Weisth. = Weisthümer , gesammelt von
J. Grimm. Göttingen 1840fg.
Weiße, Christian Felix, Gedichte. 3 Bände.
Leipzig 1772. Trauerspiele. 5 Teile. Ebd.
177B_1780. Lustspiele. 3 Bände. Ebd. 1783.
Komische Opern. 3 Teile. Ebd. 1777 (ver-
glichen die Ausg. 1768 — 1772;. Der Kinder-
freund. 12 Teile. Ebd. 1780—1782. Jagd.
Well er Dichtungen des 16. Jh. Tübingen 1874.
W e 1 s e r - Werlichius Augsburgische Chronica.
Frankf. 1595.
Werlhof. Paul Gottlieb. Gedichte. Han-
nover 1749.
Werner, Eechtschreibung 1629.
Wickram, Eollwagenbüchlein, hrsg. von Kurz.
Werke, hrsg. von J. Bolte. 8 Bände. Tübingen
1901—6.
Wiedemann, Mich., bist, poetische Gefangen-
schaften. Leipzig 1690. Monatsweise zitiert.
Wieland, Christoph Martin. Comische Er-
zählungen. 1768. Dieselben sind einzeln mit
der Yerszahl zitiert. Idris. Leipzig 1768.
- Der neue Amadis. 2 Bände. Ebd. 1771. Die
Abderiten. 2 Teile. Ebd. 1781. Oberon.
Ebd. 1792. Nach Gesang und Strophenzahl
zitiei-t. Horazens Briefe. Übersetzt. 2 Teile.
Dessau 1782. Horazens Satyren, aus dem
Lat. übersetzt. 2 Teile. Leipzig 1786. Ge-
heime Geschichten des Philosophen Pere-
grinus Proteus. 2 Teile. Ebd. 1791. Sämmt-
liche Werke. Leipzig 1794 ff. Dazu 6 Supple-
mentbände 1797—98.
Wiener S. B. = Sitzungsberichte der K.
Akademie der Wissenschaften in Wien. Phil.-
hist. Klasse.
Wierstraat = des Stadt-Secretarius Christia-
nus Wierstraat Eeimchronik der Stadt Xeuss.
Herausg. von G^rote. Köln 185.5. Auch in
den Chroniken der deutschen Städte XX, 479 ff.
Wigalois, Ausg. v. Franz Pfeiffer. Leipzig
1847.
Wilhelmi, .Joh. Gerlacus, Lexicon Germanico-
Latinum, als zweiter Teil seines Lexicon
proso-metricum Latino-Graeco-Germanicum.
Francofurti ad Moenum 1706.
Williram. Ausg. v. H. Hofimann. Breslau
1827; von J. Seemüller, Straßburg 1878.
Wilwolt von Schaumburg. 1507. Hrsg. von
Keller. Stuttgart 1859.
Withof, Johann Philipp Lorenz, academische
Gedichte. 2 Teile. Cleve und Leipziir 1782
und 1783.
Wolf dietrich, im deutschen Heldenbuch LQ.
'Wolff. Christian. Vollständiges mathemati-
sches Lexicon. Leipzig 1716. 1734. 1746.
: Wolff. Pius Alexander. Dramatische Spiele.
I (worin 59—200 Preciosa). Berlin 1823.
W^olfram v. Eschenbach Parzival. hrsg. von
Lachmann. Berlin 1854.
\ Wtbch. d. d. Syn. Weigands Wörterbuch der
deutschen Synonymen. Mainz 1852.
Württembergische Zollordnung von 1661.
jWyle, Translationen von Niclas von Wyle,
! hrsg. von Keller. Stuttgart 1861.
I
Zachariä, Friedrich Wilhelm. Scherzhafte
Epische und Lyrische Gedichte. 2 Bände.
Braunschweig und Hildesheim 1761. Die
einzelnen epischen Gedichte sind mit Na-
I men und Verszahl zitiert. Die Tageszeiten.
I Zweyte Aufl. Eostock 1757. Die vier Stufen
des weiblichen Alters. Ebd. 1757. Eenommist.
Poetische Schriften. Braunschweig 1772.
Zauber -Lex. = Onomatologia curiosa artifi-
ciosa oder ganz natürliches Zauber-Lexicon.
2. Aiifl. Xürnberg 1764.
Zehner Xomenclator 1622.
Zeiller Episteln 1644.
Zeit. -Lex. = Christian Weisens Curieuse Ge-
danken von den Xouvellen oder Zeitungen
. , . und dann Ein . . . Zeitungs- Lexikon.
Frankfurth u. Leipzig 1703.
Zeitschrift des Vereins für Volkskunde.
Z e r n i t z , Christian Friedrich . Versuch in mora-
lischen und Schäfer-Gedichten. Hamburg u.
Leipzig 1748. Zeruitz stai'b am 1. Febr. 1745.
Zesen. Deutscher Helikon 1641. 1649. Adria-
tische Eosemund 1645. Xeudruck von .Jelli-
nek. Halle 1897. Eosenmänd. 1651. Ibrahim.
1645. Dögens Kriges Baukunst 1648.
ZfdA. = Zeitschrift für deutsches Altertum.
Z f h d M a. = Zeitschrift für hochdeutsche Mund-
arten.
ZfdPh. ^ Zeitschrift für deutsche Philologie,
hrsg. von Ernst Höpfner und Julius Zacher.
Halle 1869 ff.
ZfdW. = Zeitschrift für deutsche Wort-
' forschung.
Zimmerische Chronik, hrsg. von Barack.
2. Aufl. Freiburg 1881.
i Zincgref Apophthegmata 1626. 1631. 1639.
Auch Amsteldam 1653, fünf Teile.
j Zupitza, Ernst, Die germanischen Guttvirale.
i Berlin 1896.
Bei Anführung von Schauspielen deuten die
beigesetzten Zahlen Aufzug und Auftritt an.
Verzeichnis Yorkoininender Abkürzungen.
a. . . = alt . . .
a. a. O. = am angefülirten Ort.
ABL. = Ableitung;.
ab(uljg. = altbulgarisch (auch
altkirchenslavisch genannt).
adj. = adjektiv(isch).
adv. = adverb(ial).
afr(än)k. = altfränkisch
afr(an)z. = altfranzösiscli.
afr(ie)s. = altfriesisch.
agerm. = altgermanisch.
ags. = angelsächsisch.
ahd. = althochdeutsch (hoch-
deutsch Yom 7. bis ins 1 2. .Jh.)
ai(ud). = altindisch.
a(lt)ir. = altirisch.
aisl. = altisländisch.
ai'lt)kelt. = altkeltisch.
Akk. = Akkusativ.
akymr. = altkj^mrisch.
alb. == albanesisch.
alem. = alemannisch.
älternhd. = älterneuhoch-
deutsch.
an. = altnordisch.
a(lt)rom. = altromanisch.
an. s. anord.
and(d). = altniederdeutsch (die
kleinern altniederdeutschen
Sprachdenkmäler bezeich-
nend).
andfr(än)k. = altniedei'fräu-
kisch.
andl. = altniederländiscli
an(ord). = altnordisch.
Anm. = Anmerkung.
apers. = altpersisch (Sprache
der pers. Keilinschriftenj.
apreuß. = altpreuBisch (die
Sprache der alten Preußen,
s. o. Berneker).
arab. = arabisch.
aram. = aramäisch.
arm. = armenisch.
Art. = Artikel.
asächs. = altsächsisch
fSprache des Heliand).
aw(est). ^ awestisch.
bayr. = bayerisch.
Bch. = Buch.
bed. =- bedeutet, bedeuten.
Bed. = Bedeutung.
Bedd. = Bedeutungen.
bes. = besonders.
Bez. = Beziehung, Bezug.
bildl. = bildlich,
Bl. = Blatt.
bret. = bretonisch.
chin. = chinesisch,
czech. = tschechisch.
d. vgl. s. d.
d. i. = das ist.
dän. = dänisch.
Dat. = Dativ.
dial. = dialektisch. •
dim. = diminutiv.
ebd. = ebenda,
eig. = eigentlich.
els(äss.) = elsässisch.
engl. = englisch.
entl. = entlehnt.
f., F(em). = Femininum.
Fakt. = Faktitivum.
ff. = folgende,
flekt. = flektiert,
flg. = folgend.
fr(än)k. = fränkisch.
fr(an)z. = französisch,
fries. = friesisch,
frühnhd. ^= frühneuhoch-
deutsch.
gall. = gallisch.
Gen. == Genitiv,
germ. = germanisch,
gew. = gewöhnlich.
gl(eich)bd. = gleichbedeutend,
got. = gotisch.
gr. = griechisch.
Gramm. = Grammatik.
Grdbed. = Grundbedeutung.
H. = Hälfte, z. B. 1. H. =
erste Hälfte.
hd. = hochdeutsch.
' hebr. = hebräisch.
hess. = hessisch.
I hochd. = hochdeutsch.
holst. = holsteinisch.
Hs. = Handschrift.
Id. = Idiotikon.
Imp. = Imperativ,
impers. = impersonal.
Inf. = Infinitiv,
insbes. = insbesondere.
Interj. = Interjektion,
intrans. = intransitiv.
ion. = ionisch.
ir. = irisch,
isl. = isländisch.
I ital. = italienisch.
! Jh. = Jahrhundert.
I
I Kaj). = Kapitel.
j kämt. = kämtisch.
kelt. = keltisch.
Komp(ar). = Komparativ.
Konj. = Konjunktion.
Konj. = Konjunktiv.
körn. = kornisch.
kurhess. = kurhessisch.
kymr. = kymrisch.
lad. = ladinisch.
laus. = lausitzisch,
lat. = lateinisch,
leipzig. = leipzigerisch.
lett. = lettisch.
Lex. = Lexikon,
lit. = litauisch.
m. . . == mittel . . .
m. :^ Maskulinum.
M(ask). = Maskulinum.
Ma. = Mundarten,
md. = mitteldeutsch (Sprache
I Mitteldeutschlands vom 12.
bis ins 15. Jahrhundert),
mengl. = mittelenglisch.
Abkürztmo:en.
XXIJJ
mhd. = mittelhochdeutsch
(hochdeutsch von 1150 bis
gegen 15Ö0).
mlat. = mittellateinisch.
mnd(dj. = mittelniederdeutsch
(s. Schiller und Lübben, und
Lübben).
mndfrk. = mittelniederfrän-
kisch.
mndl. = mittelniederländisch,
mrhein. = mittelrheinisch,
mundaitl. = mundartlich.
n. . . == neu . . .
n. N. = Xeutrum.
nass. = nassauisch.
nd. . . ^ nieder . . .
nd(d). = niederdeutsch ('platt-
deutsch).
ndfränk. = niederfränkisch.
ndh = niederländisch.
nengl. = neuenglisch.
nfr(an;z. neufranzösisch.
nhd. = neuhochdeutsch.
nlat. u. (;^neul.;:^ neulateiniscli.
nnd. = neuniederdeutsch.
nndl. = neuniederländisch.
Nom. = Xominativ.
nordd. = norddeutsch.
Xorddtschld. = Xordeutsch-
land.
norw. = norwegisch.
npers. = neupersisch.
n(eu)prov. = neuprovenzalisch.
n('d)rhein. = niederrheinisch.
Xtr. = Neutrum.
ob(er)d. = oberdeutsch.
ob(er)hess. = oberhessisch,
obsäclis. = obersächsisch,
od. = oder,
omd. = ostmitteldeutsch,
osk. == oskisch.
oss. = ossetisch.
Ost. = östen-eichisch.
ostfrfänlk. = ostfränkisch.
Part. = Partizipium.
Pass. = Passiv.
Perf. = Perfektum.
Pers. = Person.
PKttr,. = Plural,
polab. == polabisch.
poln. = polnisch,
pomm. = pommerisch.
portfug). = portugiesisch.
Präp. = Präposition.
Präs. = Präsens.
Prät. = Präteritum,
preuß.^ preußischi'die Sprache
der Provinz Preußen),
provienz). = provenzalisch.
RA. = Redensart,
rätorom. = rätoromanisch,
refl = reflexiv,
rhein. = rheinisch,
rom. = romanisch,
russ. = russisch.
S. = Seite, auch sieh.
s. == siehe.
Sachs. = sächsisch.
SB. = Sitzungsberichte.
schles. = schlesisch.
schw. = schwachbiegend.
Schwab. = schwäbiscli.
schwed. = schwedisch.
Schweiz. = schweizerisch.
s. d. = siehe dieses.
seit. = selten.
sem. = semitisch.
serb. = serbisch.
Sg. = Singular.
skr. == sanskrit.
slav. ^ slavisch.
slov. = slovenisch.
sorb. = sorbisch.
span. = spanisch.
spätahd. = spätahd.
spr. = sprich.
st. = statt.
stk = starkbiegend.
I Subst. = Substantiv.
I südd. == süddeutsch.
1 Süddtschld.= Süddeutschland.
Sup. = Superlativ.
! s. V. = sub V. ce 'unter dem
i Wort).
'■ s. V. a. = soviel als.
s. V. w. = soviel wie.
thür. ^ thüringisch,
thrak. = thrakisch.
tirol. =^ tirolisch.
, trans. = transitiv,
tschech. = tschechisch,
türk. = türkisch.
I u. = und.
übertr. = übertragen.
umbr. = iimbrisch.
u. o., u. ö. = und oft, und öfter,
i unpers. = unpersönlich.
1 urspr. = ursprünglich.
urverw. ^ urverwandt.
. usw. = und so weiter.
V. = Verb.
I V. = Vers.
Vb. = Verbum.
verw. ^ verwandt,
vgl. = vergleiche.
wend. = wendisch,
westfl. = westfälisch,
wetterau. = wetterauisch.
Wtbch. == Wörterbuch.
Wz. = Wurzel.
zgs. = zusammengesetzt.
ZUS. = Zusammensetzung.
Zss. = Zusammensetzungen,
zuw. = zuweilen.
* = erschlossene, nicht be-
legte Form.
— = bis, z. B. 1.5.— 18. Jh.
( ) in Wörtern, z. B. ahd.
(h)linen bedeutet, daß Minen
und liiicit vorkommt.
Notiz der Verlagsbuchhandlung.
Diese Lieferung kann zur Einsichtnahme aufgeschnitten werden.
Das Vorwort wird zusammen mit Titel, Quellenverzeichnis, usw.
der Schlußlieferung nochmals beigelegt.
Vorwort des Herausorebers.
Die Neubearbeitung des Weigandschen AVörterbuches hat manche Schwierig-
keiten gehabt. Da es von mehreren Gelehrten Ijearbeitet ist, so muß ich hier
über diese Tätigkeit Bericht erstatten. Herr Prof. von Bahder hat A bis
Flecken geliefert. Dann ist, da er die Arbeit im Jahre 1896 aus Gesundheits-
rücksichten aufgeben mußte, Herr Dr. Kant eingetreten, und dieser hat die
weiteren Teile bis stark ausgearbeitet (mit Ausnahme des Buchstabens P). Den
Rest hat der Herausgeber übernommen, nachdem auch Herr Dr. Kant die Be-
arbeitung nicht weiter fortführen konnte. Meine Tätigkeit hat damit begonnen,
daß ich mich auf Veranlassung des Verlegers im Jahre 1902 verpflichtete, den
etymologisxihen Teil des Werkes durchzusehen und zu ergänzen. Da Weigands
Werk das erste war, das die Etymologie genügend berücksichtigte und sich
dadurch hauptsächlich sein Ansehen erwarb, so mußte dieser Teil natürlich
besonders gründlich erneuert werden, um den Anforderungen unsrer Zeit zu ent-
sprechen. Es schien mir dabei ein unabwendbares Bedürfnis, auch die Literatur
der etymologischen Forschung anzuführen. Um aber den Umfang nicht durch
zahlreiche Zitate noch mehr anzuschwellen, habe ich mich bemüht, solche Stellen
zu geben, wo weitere Literatur über die betreffenden Fragen zu finden ist oder
wo ausführlich über die betreffende Etymologie gehandelt ist. Bei dieser Arbeit
an der Etymologie habe ich den hohen Wert des bisher Geleisteten schätzen
gelernt und bin daher gern bereit gewesen, nach Dr. Kants Rücktritt, meiner-
seits auch den Rest der Neubearbeitung sowie die Durchsicht der bereits
abgeschlossenen Teile auf mich zu nehmen, wobei ich mich des Rates nnd
der Beihilfe Prof. von Bahders erfreuen konnte.
Vorwort zu Weigand. Deutsches Wörterbuch.
Weigand hat außer auf die Etymologie besonderes Gewicht darauf gelegt,
das erste Auftreten eines Wortes nachzuweisen. In diesem Punkt ist die neue
Auflage dank den umfassenden Vorarbeiten Prof. von Bahders, die sich auf das
ganze Werk erstrecken, und der reichen Kenntnis und Belesenheit Dr. Kants
weit über das von Weigand Geleistete hinausgekommen. Natürlich werden eine
Anzahl der angeführten Belegstellen mit der Zeit noch durch ältere ersetzt
werden können, weil eben hier das Wort gilt: dies diem docet.
Ein weiterer Vorzug des Weigandschen Werkes, den kein anderes Werk
hat, bestand darin, daß es auch die Fremdwörter mit heranzog. Dieser
Vorzug war natürlich beizubehalten. Freilich konnte nicht die ganze Flut
der Fremdwörter angeführt werden, und eine Auswahl muß immer subjektiv
bleiben, aber ich hoffe, daß man nicht allzuviel wichtige Fremdwörter ver-
missen wird. Für unsere Kulturgeschichte sind die Fremdwörter und ihre
Aufnahme in den Sprachschatz von ganz hervorragender Bedeutung, und des-
halb erhalten sie mit Recht einen Platz in einem deutschen Wörterbuch.
Außerdem hat Weigand zahlrsiche seltene und landschaftliche Wörter auf-
genommen, was in keinem andern kurzen Wörterbuch der Fall ist. Die Be-
arbeiter haben sich bemüht, die reichen Ergebnisse der mundartlichen Forschung
in den letzten Jahren in dieser Beziehung zu verwerten. Auch die Ab-
weichungen in dem Sprachgebrauch von Luthers Bibelübersetzung sowie der
Schriftsteller aus der Blütezeit unserer Literatur hatte Weigand berücksichtigt
und dadurch ein nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel für das Verständnis der
altern Sprache geschaffen. Auch das ist beibehalten und nach KJräften ver-
mehrt worden. Zum Schluß aber muß ich betonen, daß das Werk eben doch,
wenn auch die Anordnung des Stoffes innerhalb der einzelnen Artikel eine
andere ist als in den frühern Auflagen, in den Grundlagen doch Weigands
Werk bleibt. Insbesondere ist darum auch die genaue Bestimmung der Be-
deutungen, wie sie Weigand gegeben hatte, beibehalten worden.
Soviel diene zur Vorbemerkung. Weiteres auszusprechen, das Quellen-
verzeichnis anzuführen, wird sich am Schluß des Werkes Gelegenheit finden.
Leipzig-Gohlis, Sommer 1907.
H. Hirt.
Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen.
a. . . = alt . . .
adj. = Adjektiv.
ABL. = Ableitung.
ab(l)g. = altbulgarisch.
adv. = Adverb.
AfdA. = Anzeiger für deut-
sches Altertum,
afranz. = altfranzösiscb.
afr(ies). = altfriesisch,
ags. = angelsächsisch,
ahd. = althochdeutsch.
ai(nd). =* altindisch.
air. = altirisch.
alb. = albanesisch.
alem. = alemannisch,
anord. = altnordisch,
apers. = altpersisch,
apreuß. = altpreußisch,
arab. = arabisch,
arm. = armenisch,
aw. = awestisch.
Bezz.Beitr. = Bezzenbergers
Beiträge zur Kunde d. indo-
germanischen Sprachen.
bret. = bretonisch.
Btr. =^ Beiträge zur Geschichte
der deutschen Sprache und
Literatur.
czech. = czechisch.
dän. = dänisch,
dim. = diminutiv.
DWB. = Deutsches Wörter-
buch der Brüder Grimm.
elsäss. --= elsässisch.
engl. = englisch.
f. = Femininum,
fränk. = fi-änkisch.
franz. = französisch,
fries. = friesisch.
Gen. = Genitiv,
germ. = germanisch,
got. = gotisch,
gr. = gi-iechisch.
hd. = hochdeutsch.
hess. = hessisch.
Id. = Idiotikon.
Idg. Forsch. = Indogermani-
sche Forschungen,
ital. = italienisch,
ir. = irisch.
Komp. = Komparativ,
kymi-. = kymrisch.
lat. = lateinisch,
lett. = lettisch/
lit. = litauisch.
m. . . = mittel . . .
m. ^ Maskulinum,
md. = mitteldeutsch,
mhd. = mittelhochdeutsch,
mlat. = mittellateinisch.
nmd. = mittelniederdeutsch.
n. . . = neu . . .
n. = Neuti-um.
nass. = nassauisch.
nd. ndd. = niederdeutsch.
ndl. = niederländisch.
ndr.- = nieder-.
nhd. = neuhochdeutsch.
obd. = oberdeutsch,
oss. = ossetisch.
Part. = Partizipium.
PI. = Plural.
poLn. = polnisch.
portug. = portugiesisch.
! Prät. = Präteritum.
j prenß. = preußisch.
! provenz. = provenzahsch.
russ. = nissisch.
s. = siehe.
SB. = Sitzungsberichte.
Schwab. = schwäbisch,
schwed. ^ schwedisch.
Schweiz. = schweizerisch,
serb. = serbisch,
skr. = Sanskrit,
slaw. = slawisch,
slov. = slowenisch.
Span. = spanisch,
südd. = süddeutsch.
Sup. = Supei'lativ.
V. = Verb.
ZfdA. = Zeitschrift für deut-
I sches Altertum.
ZfdPh. = Zeitschrift für deut-
sche Philologie.
ZfdW. = Zeitschrift für deut-
sche Wortforschung.
ZUS. = Zusammensetzung.
Zur Umsclireibuiig der fremden Alphabete.
In diesem Werke, das sich an weitere Kreise wendet, ist im allgemeinen die
einheitliche Umschreibung der fremden Alphabete durchgeführt worden, wie ich sie Idg.
Forsch. 21, 145 ff. schon im Hinblick auf dieses Werk vorgeschlagen habe. Es bedeutet also:
1. "die Länge des Vokals. Nur in althochdeutschen und mittelhochdeutschen
Worten ist ^ beibehalten worden.
2. ' und ^ auf einem Vokal bezeichnen die Stelle des Haupttons.
3. ' hinter einem Konsonanten drückt die Palatahsation (Erweichung) aus.
4. Abgesehen von den deutschen Dialekten bezeichnet s den stimmlosen Zischlaut,
z den stimmhaften, s den scha-, z den entsprechenden stimmhaften Laut (franz. j),
c ist gleich ts, c == tsch, j = dsch.
5. Die sonstigen Spiranten sind durch p (engl, stimmloses th), d (der entsprechende
stimmhafte Laut), f und 8 (deutsch w), x und y (deutsch cli und ndd. g) bezeichnet worden.
6. 19 = dem gutturalen Nasal, deutsch ng.
7. unter einem Vokal z. B. (j drückt die Nasalierung aus, franz. on.
8. 9 ist ein unbestimmter Vokal (sog. scivwa).
9. Im Litauischen bezeichnet ' den Stoßton; '*' auf Diphthongen, '^ auf einfachen
Längen den Schleifton.
10. Im Indischen bezeichnet ein . unter dem Konsonanten, z. B. t die Zerebrali-
sieining; g ist ein palataler Zischlaut, der etymologisch einem k entspricht.
Aas
a, der erste Buchstabe des Alphabets. Re-
densart: das Ä und das 0, «das Erste und
das Letzte» (Offenb. Joh. 1, 8), denn Ä ist der
erste und das lange 0 der letzte Buchstabe
des griechischen Alphabets.
-a, -ach, Endung bei Fluß- und danach bei
Ortsnamen, z. B. Fulda, Salzach. Mhd. -ä und
-ahe, ahd. -ä und -aha. Urspr. ein selbständiges
Wort (als Flußname Äa, Achet noch erhalten),
inder Bedeutung «fließen des Quellwasser», mhd.
ahe, ahd. aha f. «Wasser, Fluß » ; dazu asächs. aha,
ags. ea, anord. ä, schwed. ä, dän. aa, got. aha f.
«Fluß». Verwandt ist lat.a^itaf. «Wasser»; viel-
leicht aind. agva- in ägvävant- «wässerig» und
kam «Wasser». Vgl. Zupitza Gntt. 60, Walde
s. V. aqua, dagegen Uhlenbeck Btr. 30, 257.
Eine Nebenform ist -äff, z. B. in Aschaff (ndd.
-ep, z.B. in Lennep), ahd. -aff'a, die auf ein kelti-
sches apa (p für qic eingetreten) zurückgehen
soll. Doch vgl. Bremer Pauls Grd. ^ i, 774. 801 f.
ä, Interj. des Verabscheuens (pfui! was
ist das ein ä Geschmack, Goethe Satyros 1),
Schon 1573 bei Ölinger Gramm. 165 äh als
Adv. (Interj.) des Spottens, Höhnens neben
pftty, pfudich und häh: ä als Interj. des
Scheltens 1541 bei Frisius 399% auch des
Nachrufens und Klagens bei Maaler 11^.
Aal, m. (-S, PI. -e), schon bei Dasypodius
1537 Aal. Aus mhd. ahd. älm.; dazu ndl. aal,
ags. ^l, engl, eel, anord. all, schwed. äl, dän.
aal m. Kaum nach E. Schröder Zf d A. 42, 63 aus
*edlos «der eßbare Fisch» oder «der Fresser»,
vielmehi* besteht wohl Verwandtschaft zu dem
2. Teil von lat. angu-illa f. gr. ^Yx-e^uc f. «Aal».
Der PI. lautet älternhd. wie im mhd. gewöhn-
lich Äle (so noch 1773 Goethe im Götz, d. j.
Goethe 2, 344), doch Aale schon bei Henisch
1616, seit Adelung (der Äle nur aus der j
Schweiz kennt) Regel. |
Aalbauni, -beere, s. Albaum, -beere. |
Aalraupe, f. (PI. -n): breitmäuliger und |
breitköpfiger aalähnlicher Fisch, gadus Iota.
Mhd. bloß rupe (rüpe?), ruppe, ahd. ruppa, da- !
neben mhd. rutte f., entlehnt aus lat. rubeta f.
«Frosch, Kröte», wohl wegen Ähnlichkeit in der
Weigand, Deutsches Wörterbuch, ö. Aufl.
Kopfgestalt mit der Froschbrut. Zusammenges.
Alrup bei Alberus Fab. 19, 144, Aalrupp 1563
in Forers Fischbuch 172 neben Bup, Raup,
später wird Aalraupe herrschend (doch Aal-
ruppe noch bei Adelung 1793). Im Ndd. gleich-
bedeutend Aalquappe, s. Quappe.
Aar, m. (-S, PI. -e): (dichterisch) Adler.
Aus mhd. ar, ahd. aro m. ; dazu anord. are, got.
ara, daneben (mit andrer Suffixbildung) mhd.
ahd. am, ndl. arend, ags. earn, anord. schwed.
örn, dän. örn. Verwandt sind abg. orilü, lit,
erelis, preuss. arelis, kymr. eryr, bret. er
«Adler»; das griech. öpvic m. f. scheint als
Grundbedeutung «Vogel» zu erweisen (vgl.
auch mnd. duf-arne m. «Täuber»). Luther ge-
braucht das sonst im 16. Jh. häufige Wort
(z. B. bei Hans Sachs, Aventin, Mathesius,
Fischart, Arn bei Waldis, Ringwald, Rollen-
hagen) nicht (nur das Komp. Fischar), daher
wird es später ungebräuchlich (Schottel, Stieler,
Dentzler, Rädlein, Steinbach verzeichnen es
nur in der schon im 15. und 16. Jh. auftre-
tenden Bed. «Falke, Habicht, Sperber», oder
«Geier», Frisch 1741 «jeder große Raubvogel,
besonders Adler»), in der zweiten Hälfte des
18. Jh. lebt es (im Anschluß an das im Ndd.
erhalten gebliebene Arn) als poetisches Wort
wieder auf, von Bürger, Voß u. a. gebi'aucht,
während es Schiller nm- 11, 295, Goethe im
Faust 5462 verwendet. Vgl. v. Bahder Btr.
22, 520 f. Die ursprüngliche schwache Flexion
ist fast ganz der starken gewichen (Adelung
1793 verlangt noch den PI. Aaren).
"'Aas, n. (^Gcen. Aases, PI. Äser) : verwesendes
Fleisch; Schimpfwort. Aus ahd. mhd. äs n.,
dazu mnd. äs, ndl. aas, ags. ces n., altes ^Parti-
zipium {*etto-) von essen, also eigentl. «Speise
der Raubtiere und Vögel». Bei Luther aß mit
gleichlautendem PL, bei Dasj^podius 1537 aaß,
bei Gueintz 1645 Aas. ABL. aasen, v.: das
Fleisch von dem FeUe schaben beim Gerben
(bei Frisch 1741); (in etwas a.) in unrein-
licher Weise in etwas, z.B. einer Speise, herum-
wühlen, es vergeuden (norddeutscher, von
Heynatz 1775 verzeichneter Ausdruck).
Aas
Abele
-Aas, n. (Gen. Aases; besser Aß zu schrei-
ben): Viehfutter. Mhd. ahd. «5 n. ist allge-
meiner «Speise». Dazuasächs.auord. äf D., ags.
^f m. «Speise» Dehnstufige Bildung von essen,
entspricht abg. jadi f., lit. edis m. «Speise».
Vgl. auch Walde s. v. jejunm. ABL. aaßeu,
V. : fressen (vom Wilde). Als weidmänn. Aus-
druck bei Jablonski 1721. S. äsen.
ab: weg von, nieder von. 1) Präp. mit
Dat., veraltet und nur noch obd. (bei Hebel,
Gotthelf) z. B. ah den Bergen «nieder von
den Bergen». Das kaufmännische ah Hamhurg
ist verkürzte Ausdrucksweise füi* von H. ah.
In Zusammensetzungen: abhanden, abseifen
(s. d.). 2) Raumadv. In der verbalen Zu-
sammensetzung bezeichnet es auch bloß die
Vollendung der Tätigkeit, z. B. ablaufen,
ablehen, ahscMießen, die Erschöpfung der
Tätigkeit in bezug auf ein Objekt, z. B. ah-
ängstigen, ah füttern, ahprUgeln, sowie die
Üljertragung auf ein anderes, z. B. abbilden,
abdrucken. In der nominalen Zusammen-
setzung kann Ab- zur- Bezeichnung des Ver-
kehrten, Minderwertigen, Negativen stehen, so
schon ahd. in abgot und weiter ausgebreitet im
Mhd., indem es vielfach an Stelle eines altern n-
tritt, so mhd. abegunst f. «Mißgunst» neben
ägunst, abekust f. «Schlechtigkeit» neben
dkiist, abeicitze f. «Torheit» neben äwifze
(vgl. aber-, after-). Viele Zusammensetzungen
wie Abbild, Abdruck haben sich von den
verbalen aus entwickelt. 'Mhd. abe, ah, ahd.
aha; dazu asächs. ndl. af, ags. engl, of, anord.
schwed. dän. af, got. af «von», verwandt mit
ski-. dpa «ab, hinweg», gr. dirö «von», lat. ab,
a\h. 2}rapd «wieder, zurück» (ans *2iera2)9'), lit.
in apaba «der untere Teil». Bei Luther und
sonst im altern Nhd. kommt auch noch die
Form ahe vor, die archaisierend auch Goethe,
Faust 11191 (abestürzf), Pandora 762 (mit
ahegewendetem Blick) braucht faber ahe als
Ausruf bei Schiller Räuber 4, 3 ist dialektisch
für abhin = hinab).
Abart, f. (PI. -en): (veraltet) herunterge-
kommene Art (so noch Schiller Räuber 1, 1);
Nebenart, Spielart (von Adelung 1774 als
naturwissenschaftlicher Ausdruck angeführt).
Von abarten, v.: aus der Art schlagen. Bei
Comenius 1640.
abäscheru, v.: sich abmüden. Eig. sich
beim Äschern (s. d.), «beizen mit Asche» müde
machen. Bei Adelung 1774 aheschern.
Abbild, n. [-es, PL -er) : Wiedergabe eines
Bildes. Schon frühnhd. vorkommend (1515
Sallust N 6 abpild), aber erst in der neuem
Dichtersprache üblicher geworden. Von ab-
bilden, V.: frühnhd. fauch bei Luther).
Abbiß, m. (Gen. Abhisses): die Pflanze
scabiösa succTsa. Eig. Teufels A. Der Name,
weil die unten wie abgebissen aussehende
stumpfe Wurzel nach dem Volksglauben vom
Teufel abgebissen ist. In frühnhd. Glossaren
( Dief.- Wülcker 4).
abblitzen, v.: ohne Erfolg abziehen, mit
einem Anliegen schroff abgewiesen werden.
Erst in der neuem Spi-ache. Bildlich aus der
bei altern Schießgewehren vorkommenden
Bed. «aufblitzend ohne Erfolg veiüiegen» (das
Pulver auf der Pfanne, das Gewehr blitzte ab).
abbrCTÜeren, v. : Wörter in der Schrift
abkürzen. Aus mlat. abbreviäre «abküi'zen».
In der frühnhd. Kanzleisprache. ABL. Ab-
breviatur, f. : Abkürzung (Reichsordnungen
82 '^ vom J. 1512), aus mlat. ahbreviatüra.
Abbruch, m. (-es, PI. Abbruche): das Ab-
brechen ; Schädigung, Beeinträchtigung. Spät-
mhd. äbehruch m. Die 2. Bedeutung (jetzt
nur noch in A. tun) schließt sich an mhd,
abebrechen, älternhd. abbrechen (mit Dat.)
«wegnehmen, entziehen, schädigen» an.
Abc, n. (-S, PI. -e): die (nach den drei ersten
benannten) Buchstaben in ihrer Reihenfolge
(1452 bei Janssen Frankf. Reichscorr. 2, 118);
die Anfangsgiiinde einer Wissenschaft. ZUS.
Abcbucll, n. (in frühnhd. Glossaren). Abc-
schütz, m. {-en, PI. -en): Anfänger im Lesen-
lernen (bei Stieler 1691). Im 15./16. Jh. wurden
die Jüngern Schüler, die von den altem unter-
richtet wm'den, Schützen genannt fSchmeller-
2, 493 von 1418.)
Abdachung, f. (PI. -en) : allmähliche Nei-
gung einer Fläche wie bei einem Dache. 1616
bei Londoii? Acta publica 1, 153^.
abdanken, v. : 1) intrans. (veraltet) eine
Dankrede halten, bes. bei einem Leichenbe-
gängnis; sein Amt (eig. dankend) niederlegen.
2) trans. jemand (eig. mit Dank) verabschie-
den. Das ältere Nhd. kennt dies a. nur mit
dem Dativ, der trans. Gebrauch tritt zuerst
bei Comenius 1640 auf; a. «sein Amt nieder-
legen» bei Stieler 1691.
Abdecker, m. (-s, PI. wie Sg.) : Schinder.
Eig. der dem gefallenen Vieh die Decke d. i.
Haut abzieht. Im 16. Jh. Von dem veralteten
abdecken «die Haut abziehen, schinden» (Lilien-
cron 4, 56, v, J. 1532).
abdrieselu, s. ahtröseln.
Abele, f. (PI. -n): Pappel. Von Voß aus
I
Abend
abermal
dem Ndd. (schon mnd. abele) aufgenommen.
Verkürzt rheinfränk. Belle f. Mit ndl. abeel
m., engl, abele aus afranz. mibel (auf lat.
(übellus füi- alhulus <i^^'eiQ» zurückgehend) ent-
lehnt. Vgl. Alher.
Abend, m. (-s, PI. e i : Zeit, dann auch Ge-
gend des Sonnenunterganges. Aus mhd. äbent,
ahd. äbant m. ; dazu asächs. ätand, ndl. avond,
ags.cefen und cefning, wovon engl.evening. Das
Wort enthielt urspiiinglich ein t hinter dem
Labial, wie anord. aptmm, schwed. afton, dän.
äffen m. zeigen. Vgl. Brugmann Idg. Forsch.
5, 376 f. Vielleicht zu gr. ö\\il «nachher, spät»,
ÖTrdipa «Nachsommer». Davon abends, genetivi-
sches Adv. (bei Lutherj. ABL. abendlich,
adj., mhd. äbentlich, ahd. äbanfWi. ZUS.
Abendbrot, n.: Abendessen, in der nordd.
Umgangssprache (schon spätmhd. äbentbrotn.).
Abendland, n.: Okzident, im altern Nhd.
nur im Pk Abendländer (noch Adelung be-
zeichnet den Sg. als ungel^räuchlich). Abend-
mahl, n., mhd. äbentmäl «Abendessen», seit
Luther Bezeichnung des am Abend eingesetzten
Saki'aments des Altars und im urspr. Sinn
wenig mehr gebräuchlich. Abendrot, n., mhd.
äbentrot m. und n., mit Anlehnung an rot, nach
dem bereits ahd. abgeleiteten tagaröt m., ags.
dcegredn. «Morgenrot» gebildet. Abendstern,
m., mhd. äbenfsferne, ahd. abantsterno.
Abenteuer, n. (s, PI. wie Sg.): wunder-
bares Erlebnis: ritterliches Wagnis; dessen
Erzählung; (erst fiühnhd.) seltsame Gestalt,
Mißgestalt. Aus mhd. äventiure f., entlehnt
aus frz. avenfure, mlat. advenfura f. (von ad-
venlre «zukommen, sich ereignen»). Das ur-
sprünghche f. nur vereinzelt im altern Nhd.
(z.B. bei Gryphius, Grimmeishausen) erhalten.
Ältere nhd. Nebenformen sind Ebenteuer (so
bei Luther und bei einigen noch im 18. Jh.)
und (ausdeutend) Abendteuer. ABL. aben-
teuerlich, adj., 'i]idXmhd..äventiurlich. aben-
teuern, V., mhd.dventiuren. Abenteurer,
m., mhd. äventiurcere m.
aber, l) Zeitadv. wiederum (veraltend),
a. und a. tausend, 2) stärkern oder gelindem
Gegensatz, auch bloß Fortführung der Rede
bezeichnende Konjunktion. Diese als Subst.
das Aber «entgegenstehendes Bedenken, zu
bedenkende Schwierigkeit». ^Ihd. aber, aver
(auch verkürzt abe, ave), ahd. ahur, avar;
dazu gehört got. afar Präp. «nach», Adv.
«nachher», das als komparativische Bildung
zu got. af «von» zu betrachten ist. Als
Grundbed, ist «weiter weg», dann «später»
anzusehen, vgl. aind. dparas «der Spätere»
und asächs. abaro, ags. eaf'ora m. «Nachkomme».
Vgl. äfern. In der nominalen Zusammenset-
zung mit Aber- sind aus der Bed. «wiederum,
wiederholt» folgende andere hei-vorgegangen:
l) «nach hinten, zuiiick» in Aöerraferm.« Groß-
vater» (bei Luther), Aberwamlel m. «Rück-
gang», Aberklaue f. (s. Afterklaue), mhd. aber-
loette n. f. «hinterlegtes Pfand»; 2 ) die Bed. des
Verkehrten, Minderwertigen, Negativen (vgl.
Aberglaube, Aberwitz, älternhd. Abergunst
<<Mißg\mst»,Abername «Beiname», ievner Aber-
glaube, Aberwitz), in dieser Bed. tritt abey-- seit
Mitte des 15. Jh. an SteDe von ab- (s. d., so-
wie After-). Detter ZfdA. 42, 53 verbindet
dies aber mit anord. aur- «miß-».
aber, aber, äper, adj.: schneefrei. In
obd. Mundarten (auch ostfrk. äfer, elsäss. a/er).
Aus mhd. aber, ceber, ahd. dpiri. Das Wort,
das auch «leer, trocken, mild (vom Wetter),
sicher» bedeutet, kann nicht aus lat. apricus
< sonnig» entlehnt sem, auch Urverwandtschaft
damit ist unwahrscheinlich. Vgl. Ebbe.
Aberacht, f.: die über andi-er Acht ste-
hende kaiserhche, als vogelfrei erklärende Acht.
Spätmhd. aberähte, (unter Anlehnung an aber
«wiederum») hervorgegangen aus oberähtet,
mndd. over ächte (Sachsenspiegel 3, 34, in der
md. Fassung diu iibere ächte), 1437 mä.obiracht
(Janssen Frankf. Reichscorr. 1, 419)f. S. -Acht.
Aberglaube, m. (-ns, PI. -n) -. verkehrter
Glaube. 1482 erscheint aberglaub im voc.
praed. Co 7% femer bei Brant (Narrenschiff
38, 37. Layenspiegel J 1 ^) und Luther (neben
Äbglaube), wie es auch 1540 bei AlbenisDict.
und 1541 bei Frisius auftritt. Aber- ist hier
nicht entstellt aus ober- wie man nach lat.
superstitio f., ndl. overgeloof n., dän. overtro
«Aberglaube», denken könnte, darf auch nicht
mit dem anord. in Zusammensetzungen erschei-
nenden afar- «sehr» zusammengebracht wer-
den (etwa duixh übermäßiges Glauben ver-
kehrter Glaube j, sondern bedeutet «vom rech-
ten Glauben abweichender Glaube» (s. aber).
ABL. abergläubisch, adj., bei Luther, 1541
bei Frisius abergläubisch, mit andrer Endung
1482 im voc. praed. abergloubig, noch bei Hage-
dorn und Herder abergläubig.
Aberklaue, s. Afterklaue.
abermal, abermals, adv.: wiederum,
beide bei Luther. Verbindung von aber mit
dem Akk. Mal, woran weiter das adverbiali-
sche -s antreten konnte. ABL. abermalig,
adj., in der fmhnhd. Kanzleisprache.
1*
Aberraute
abgeführt
8
Aberraute, f.: die Stabwm-z, artemisia
abrötanum. Mit Anlehniing an Baute aus dem
gr.-lat. abrötanum n. gebildet. Urspr, niederd.
Form (im 15. Jh. averrüte). Dagegen mit Ver-
schiebung des t zu. g ahd. avaru^a, woraus
mundartf. Äfrusch m. (1538 bei Rößlin 131°
Äbrausch). Vgl. auch Eheritz.
aberweise, adj.: verkehi-t weise (Goethe
38, 21). Wie aberklug u. a. Neubildung nach
Aberglaube, Aberwitz (s. d.).
Aberwitz, m.: Verkehrtheit des Geistes.
Mhd. abenvitze neben früherm abewitze f. «Un-
verstand, Wahnsinn». (Vgl. aber und Aber-
glaube.) Das ui'sprüngliche fem. erhält sich
im altem Nhd., z. B. Lohenstein Hyac. 46.
ABL. aberwitzig, adj., frühnhd. (Dief.-
Wülcker 26).
abescliern, s. abäschem.
abfahren, v.: l) intr. eine Fahrt antreten,
weggehen; sterben (Ludwig 1716, als bui'schi-
kos bei Kindleben 1781 und Augustin 1795 an-
geführt); abgleiten, mit seinem Anliegen ab-
gewiesen werden (Goethe 41, 153) vgl. ab-
fertigen. 2) trans. durch Fahren wegschaffen
oder lostrennen. Mhd. abevarn\%t «weggehen,
sein Besitztum abtreten, abfallen», ahd. aba-
varan «verschwinden».
Abfall, m. (-es, PI. Abfälle): das Meder-
und Wegfallen wovon, mhd. abeval; jähe
Neigung, abschüssige Lage (1711 beiRädlem);
geiingwertiges Abgefallenes wovon (1716 bei
Lud^vig); Sich-Lossagen und Trennung von
einem Verbände (Esra 4, 19); Übergang aus
gutem in schlechten Zustand (bei Luther);
Geringersein in Vergleich zum rechten Maß
(1711 bei Rädlein); übeiTaschende Verschie-
denheit (Schiller Räuber 2, 3); Abstufung
(Moser Verm. Schi-. 1, 105); ungünstige Be-
ui'teilung im Gegensatz zu Beifall (1663 bei
Schotteis); Mißerfolg. ABL. abfällig, adj.
und adv. (jetzt nur in der Bed. «ungünstig
beurteilend», die Adelung 1793 und Heynatz
1796 noch nicht kennen; bei Luther in der
Bed. «abtrünnig»).
abfeimen, v. : den Feim (Schaum) wovon
abnehmen, klären (Goethe 7, 125), wie raffi-
nieren (s. d.). Das Part. Prät. abgefeimt, wie
raffiniert: abgeschäumt; geklärt; gewandt in
schlimmen Streichen. Schon 1463 den abge-
vaimpten schalk (Beheim Wiener 285, 10), da-
neben auch dbgefamnt (Fastnachtsp. 202, 19),
ahgefeunipt (Montanus 291, 15), wie noch Les-
sing 7, 154 eine abgefäumte Buhlerin schreibt.
abfertigen, v.: zum Abgehen fertig ma-
chen ffiühnhd. z. B. Rhetorica 52*'); auf eine
Fahrt entsenden (Sattler 1607 j; schroff zurück-
weisen (Opitz 1, 187), vgl. abfahren.
abfinden, v.: durch eüi Abkommen be-
friedigen. Eig. den Weg zur Seite jemandes
finden, vgl. ein Abkommen treffen und mnd.
afdrepen « sich vergleichen ». Refl. sich a. « über-
einkommen, befriedigt sein». Als Rechtsaus-
druck bei Sattler 1607. Davon Abfindung,
f., zu Anfang des 17. Jh. in Wedels Hausbuch 226.
abfolgeu, s. verabfolgen.
abführen, v.: l) intr. zur Seite führen.
2) trans. wegführen, mhd. abeviieren, ahd. äba-
vuoren : (Gelder) einer Kasse zuführen, eig. wohl
als Zins usw. gegebene Tiere wegführen (im
17. Jh. z. B. Logau 3, 127); einem eine Nie-
derlage beibringen, ihn ablaufen lassen (Les-
sing 1, 416, als studentisch bei Kindleben 1781),
vgl. abfertigen:, abrichten, nur im Part. a&-
gre/iV/iri «verschlagen» (1531 bei Franck Chron.
304^), hier entstellt aus abgeviert (a. wie ein
Würfel), eig. «viereckig». Refl. sich a. (in ver-
ächtlichem Sinn) «weggehen»' (1711 bei Räd-
lein, Günther 530, Schiller Fiesko 1, 9).
Abgang, m. [-s, PI. Abgänge): das Weg-
gehen wovon; was abgeht, AbfaU; Abnahme,
Verminderung; Mangel, Gebrechen; Absatz
(von Waren). Mhd. abeganc m. ABL. ab-
gängig, adj. (nach den drei letzten Bedd.
von Abgang).
abgeben, v.: weggeben, von sich geben;
(etwas a.) darstellen, sich zeigen als (im 17. Jh.).
Refl. sich a. «sich beschäftigen mit» (1755 von
Gottsched Beob. 3 als ein seit weniger Zeit
etncrerissener Mißbrauch bezeichnet, von Ade-
lung 1774 verteidigt).
abgebrannt, adj.: aller Mittel beraubt.
Eig. dui'ch Brand um seine Habe gekommen.
Nach Moscherosch Phil. 2, 685 zui* Zeit des
30jährigen Krieges aufgekommen.
abgebrüht, adj.: sittlich abgestumpft
(priapische abgebrüete Ammen, Fischart Garg.
201). brühen geht hier auf das ndd. brüden,
brüen «coire» zurück, vgl. DW 4, 1, 2342, doch
wird jetzt an brühen «sieden» gedacht, vgl.
hartgesotten.
abgedroschen, adj.: (von Erzählungen
usw.) oft vorgebracht und daher für niemand
von Wert (bei Rädlein 1711). Ursprünglich
Part. Prät. von abdreschen «ganz ausdreschen,
durch Dreschen der Kerne (des Inhalts) be-
nehmen». Wohl nach lat. verba trita.
abgefeimt, s. abfeimen.
abgeführt, s. abführen.
abs'eschmackt
ablassen
10
abgeschmackt, adj.: reizlos widrig für
den Geschmacksinn. Mit angetretenem t statt
des altern dbgeschmack und so gleichsam in
das Part. Prät. eines Verbums abschmecken
«den Geschmack verlieren» umgebildet. Bei
Duez 1664.
Abgott, m. i-es, FLAbgötte)-) : Abbild eines
Gottes, nachgemachter Gott; falscher Gott im
Gegensatz des wahi'en. Mhd. ahd. ahgot n.
(selten m.). Zu dem got. Adj. afgitps «von
Gott abgewichen, gottlos >. ABL. abgöt-
tisch, adj., spätmhd. abgötisck. Abgötterei,
f., spätmhd. abgöten.
Abgrund, m. (-s, PI. Abgründe): in die
Tiefe hinabgehender Grund. Spätmhd. ab-
grunt m. neben häufigenn abgründe n., ahd.
äbgrunti n., ndl. afgrond. Got. afgnmdipa f.
«Abgrund» mit andrer Ableitung.
Abgunst, f.: die von jemand abgewandte
freundliche Gesinnung. Mhd. abegunst, ge-
wöhnlich abegimste f. ABL. abgünstig, adj.,
1482 abgunstig (voc. theut. a 3^).
abhanden, adv. : nicht zu Händen, weg,
verloren. 'Mhd. abe lianden, ahd. aba liantum.
Aus der Präp. ab mit dem Dat. PL von Hand
(s. d.). Ältemhd. bei Mitteldeutschen selten
und noch von Adelung und Hejnatz Antib.
1, 30 als oberd. Redensart bezeichnet.
Abhandlung, f. (PI. -en), im 17. Jh. von
Schottel gebildet für lat. tractatus.
Abhang, m. (-s, PI. Abhänge): nieder-
wärts gehende Seite einer Fläche. Wohl von
Zesen (inDögens Kriegsbaukunst) gebildet. Von
abhängen, durch Vermischung mit dem tran-
sitiven Verbum auch abhängen, v.: nieder-
wärts hangen (frühnhd.); wodurch bestimmt
werden, etwas zur Voraussetzung haben (nach
frz. dependre in der 1. Hälfte des 18. Jh. ent-
wickelt, bei Xieremberger 1753 verzeichnet).
ABL. abhängig, adj. Tum 1480 im voc. ine.
teut. a 2^ abhängig, «acclivus», in der über-
tragenen Bed. bei Adelung).
abhold, adj.: abgeneigt. Spätmhd. abholt.
ürspr. oberd. Wort, aber seit 1700 allgemein
in den Wörterbüchern, doch noch bei Hey-
natz Antib. 1, 33 beanstandet.
Abhub, m. {-es, PI. Abhübe) : was wovon
aufgenommen und weggetan wii-d. Von ab-
heben. Im 18. Jh. erscheinende Neubildung
(Jablonskil721, übertragen bei Goethe 21, 259).
äbicht, adj.: verkehrt. Nur mundartlich
(auch äbisch, äbsch, entsprechend ndl. aafsch).
Mit angetretenem t aus mhd. ebich, ahd. abuh ;
dazu asächs. abuh, anord. öfngr, auch engl.
awk- in aiükward «ungeschickt». Von ab
abgeleitet, also eig. «abgewendet».
Abiturient, m. {-en, PI. -en): der nach
vollendeter Schulzeit von der Schule Ab-
gehende. Aus abiturieyis (Gen. abittirientis),
Part. Präs. von neulat. äbiturire «abzugehen
verlangen».
abkauzeln, v. : tüchtig ausschelten. Eig,
von der Kanzel herab eine Strafpredigt hal-
ten. Als Wort der Umgangssprache bei Ade-
lung erwähnt vxnd von Voß 1, 67 gebraucht.
abkapitelu, s. kapiteln.
abkappen, v.: zui-echtweisen (Schiller
Räuber 4, 3). Eig. tüchtig mit Kappen d. i.
Ohrfeigen (s. DW 5, 193) versehen. Schon
im 16. Jh. (Fischart Nacht Rab 8641).
abkarten, v.: heimlich verabreden. Eig.
die Karten nach heimlicher Verabredung
mischen oder geben. Bei Rädlein 1711.
Abklatsch, m. {-es, PI. -e) : genaue Nach-
bildung ohne eigenen Wert. Moderne Bil-
dung. Von abklatschen, v.: (bei den Buch-
druckern usw.) eine Nachbildung durch Auf-
klopfen herstellen.
Abkomme, m. (-», PI. -n): Nachkomme.
Zuerst bei Campe 1807 verzeichnet, von älter-
nhd. abkommen «abstammen». — Abkömm-
ling, m. (-.s, PI. -e). Bei Schottel 370 ab-
kömling. Im Mhd. erscheint nächkomelinc.
Abkommen, n.: Übereinkommen. Zuerst
bei Steinbach 1734. Urspr. subst. Inf. des V.
abkommen i^mit einem a. «übereinkommen»).
abkonterfeien, s. Konterfei.
abkratzen, v. : durch Kratzen wegbringen
oder von etwas befreien; sich entfernen, ster-
ben. In der 2. Bed., die der neuem Um-
gangssprache eigen ist, geht kratzen auf das
Scharren mit den Füßen beim Weggehen,
vgl. abschurren.
Abkunft, f.: Abstammung (bei Stieler
1691); Übereinkommen ferst bei Adelung 1774).
abküpsen, v. : (der Feder) die Spitze ab-
schneiden (Lessing 3, 308); küpsen ist eine
Weiterbildung von kuppen «die Kuppe, Spitze
abhauen», obersächs. die Feder abkippen.
Ablaß, m. (-sses, PI. Ablässe): Erlassung
der Sünden; Lossprechung von Kirchenstrafe.
!Mhd. abeläß, abläß m., seltener n. (auch bei
Luther n.), ahd. ablag m. neben ablägi n.;
dazu mnd. aflät n. und got. aflets m. «Erlaß,
Vergebung» neben afletan v. «erlassen», ags.
oflöetan, ahd. oblä^^an «entlassen».
ablassen, v. : l ) intrans. sich von der Fort-
setzung einer Tätigkeit abwenden. 2j trans.
11
Ablativ
Abriß
12
weglassen, gehen lassen; (Flüssigkeit) weiter
laufen machen; (einem a.) überlassen. Mhd.
äbeläßen, abelän.
Ablativ, m. ('S, PI. -e), der im Deutschen
durch Präposition mit Dativ ersetzte Kasus
der lat. Deklination, Aus lat. ablativus (näm-
lich casus), zu auferre «wegnehmen».
Ablaut, m. {-es, PI. -e): gesetzmäßiger
Wechsel des Wurzelvokals bei Verben und
Nominibus, z, B. hinäe band gebunden, Binde
Band Bund. ABL. ablauten, v.: diesen
Wechsel des Wurzelvokals an sich haben.
1819 von Jac. Grimm eingeführte gramma-
tische Kunstausdiücke.
ablegen, v.: l) trans. weg-, beiseitelegen,
mhd. abelegen; (eine Pflicht usw.) erfüllen
(mhd. «Geld erstatten», also wohl eig. vom
Niederlegen der überbrachten Zinse usw.);
(Arbeiter) entlassen (mhd. und ällernhd. mit
Dativ, vgl. das Handtcerk legen). 2) intr.
schwach werden, versagen (aus älternhd. einem
a. «im Stiche lassen», nach Rüdiger 2, 63 ein ober-
sächsischer Ausdi'uck, Adelung «im gemeinen
Leben», Goethe 25, 165 1. H.). ABL. Ab-
leger, m. (-s) : durch Niederlegen in die Erde
gebildeter neuer Pflanzentrieb. BeiFrischl741.
ablehnen, v.: etwas von sich wegwenden,
entfernt halten, zurückweisen ; auf einen Vor-
schlag nicht eingehen, ausschlagen (diese ab-
geblaßte Bed. erst um die Mitte des 18. Jh.,
z. B. bei Nieremberger 1753). Das Wort, noch
nicht mhd., erscheint in der frühnhd. Kanzlei-
sprache, z. B. Reichsordnungen 68 als ableinen
(mhd. leinen neben lenen, s. leimen), daneben
auch ablehnen, z. B. bei Luther; ableinen auch
später bei Oberdeutschen (noch von Heynatz
1796 erwähnt und von Wieland gebraucht).
abluchsen, v.: einem etwas listig (mit
Luchsaugen) abspähen; einem etwas listig ab-
und sich zuwenden. Von Luchs, vgl. beluchsen.
Bei Adelung 1774 fälschlich ablugsen (mit
Anlehnung an kujen) geschrieben.
abmachen, v.: wegmachen; fertigmachen,
festsetzen. Schon mnd. afinaken «fertig ma-
chen», aber im Hochd. zuerst bei Dentzler 1709
angeführt (mit einem a.) und noch von Hey-
natz 1796 als nicht edel bezeichnet.
abmarachen, v. : abmatten. In der nordd.
Umgangssprache (im bremisch -nieders. Wör-
terbuch 3, 129 wii'd marakken «ermüden», bei
Rüdiger 2, 116 als obersächsisch Schmarach m.
«schmutzige, beschwerliche Arbeit» und da-
von schmarachen aufgeführt), aus. dem Rot-
welschen aufgenommen. 1801 beiReinwald2, 19.
abmeiern, v.: den Meier (s. d.) d. i. Bauer
von seinem Hof vertreiben. 1768 bei Moser
(patr. Phant. 1, 145).
abmergeln,v.: ki-aftlos machen. Frühnhd.
(Franck teutsche Chronik 270 a). S. mergeln.
Vgl. Liebich Btr. 23, 223.
abmurksen, v.: heimlich umbringen. Aus
der Studentensprache bei Heine 2, 324. Das
md. murksen l^edeutet «schlecht arbeiten, an
etwas heiTimschneiden, würgen». Anklingend
abmucken, elsäss. abmuckse, s. mucken.
abmüßigen, v. : von einer Beschäftigung
frei (zur Muße bestimmt) machen. Im 17. Jh.
Wohl in der Kanzleisprache entwickelt, vgl.
mhd. müe^egen «befreien».
abnehmen, v.: l) intrans. mehr und mehr
schwinden, 2) trans. wovon tun; wovon her-
unter tun; von jemand sich dargeben lassen,
z. B. eine Rechnung; wovon als Erkenntnis
ziehen, z. B. aus jemandes Worten abnehmen
(in der frühnhd. Kanzleisprache, z. B. Janssen
Frankf. Reichscorr. 2, 448 von 1486). Mhd.
abenemen ist «geringer werden, abschaffen
usw.», ahd. abaneman «wegnehmen».
abnorm, adj.: von der Regel abweichend.
Aus lat. abnormis (s. Norm). Wohl erst im
18. Jh. entlehnt. ABL. Abnormität, f. (PI.
-en) : Regelwidrigkeit. Aus neulat. äbnormitas
f. (Gen. abnormitatis).
abonnieren, v. : worauf voraus bezahlend
unterzeichnen. Aus dem gleichbed. franz. a&ow-
ner, ital. abbon'are (aus ad und bonne, einer
Nebenform von hörne «Grenze»). Kaum vor
1770—80 entlehnt, bei Adelung 1793 — Abon-
nent, m. {-en, PI. -en) : der mit Vorausbezah-
lung Unterzeichnende. Nach franz. aboiinant,
Part. Praes. von abonner, aber mit der sonst
bei lat. Bildungen üblichen Endung -ent.
Abort, m. {-es, PI. -e): abgelegener Ort
(Ludwig 1716), heimliches Gemach (erst Campe
1807, vielleicht aus dem Ndd., wo es 1755
Richey für Hamburg als Af-Ort verzeichnet).
abrackern, refl. v. : sich abschmden (s.
Backer). Aus der nordd. Umgangssprache bei
Campe 1807.
Abrede, f. (PI. -n) -. Festsetzung durch Be-
sprechung; Entgegensetzung durch Rede (na-
mentl. in A. stellen). Mhd. aberede f
abrichten, v. : völlig gerade machen ; eine
Fertigkeit wozu beibringen. In der altern
Sprache überhaupt «unterrichten»; mhd. abe-
rihten «gut, recht machen, abschaffen».
Abriß, m. (Gen. Abrisses, PI. Abrisse):
nur in den Hauptlinien gemachtes Bild wovon
13
Absage
abseiten
14
(1562 bei Mathesius Sar. 60**). Von abreißen,
V. in der Bed. «ein Bild im Umriß entwerfen >
(bei Luther). Vgl. reißen, Biß.
Absage, f. (PI. -n): Aufkündigung der
Freundschaft und Ankündigung von Feind-
seligkeit. Spätmhd. absag, aber erst neuerdings
wieder in die Sprache aufgenommen (nach
Heynatz Antib. 1, 46 ungebräuchlich). Von
absagen, v. : Gesagtes wideniifen ; {einem a.)
die Freundschaft auf- imd Fehde ansagen;
(bildlich) sich wovon lossagen. Mhd. ahesagen.
Daher ein abgesagter Feind: einer der sich als
Feind erklärt hat».
Absatz, m. (-es, PI. Absätze): Aufhören
und Wiederanfang wovon, dann das soWieder-
anfangende selbst (bei Luther ) ; Zufernsein des
einen vom andern bei Vergleichung (Wieland
Idris 7); Abgeben von Ware gegen Bezahlung
(bei Frisch 1741). ^Mhd. ahesaz m. ist «Ver-
ringerung^).
äbsch, s. abteilt.
Abschach, n. {-s): Schach, das den König
beim Wegziehen eines Steines durch eine hinter
diesem stehende Figur angreift (1616 bei Sele-
nus Schach- oder Königspiel 111). Auch Aber-
schach (vgl. ab- und aber-). Schon mhd. ab-
scMch, Yü,r. aberschäch n., und dann bei Lessing
Nathan 2, 1. Vgl. v. Bahder Btr. 22, 522.
abschätzig, adj. u. adv. : geringwertig; ge-
ringschätzig. Frühnhd. (Wickram Rollw. 128)
und auch später in oberd. Quellen ; von Wie-
land gebraucht (als erklärungsbedürftig bei
Lessing 6, 32 erwähnt).
Abschaum, m. (-s, ohne PI.) : von wallender
Flüssigkeit ausgestoßene, oben wegzuräumende
ünreinigkeit ; als zu schlecht und verächtlich
ausgestoßener Mensch. Bildlich bei BrantXarr.
o4,19 abschürn, wie schuni^l-amev Genchm.Bl'i.
Abscheu, m. (-es, ohne PI.); das Zurück-
schrecken vor etwas ; Gegenstand, vor dem man
zurückschreckt; heftige Abneigung, Wider-
wille. Frühnhd. abschew (Keichsordnungen
180 von 1531), abscheueh m., seltener f. (z. B.
Harsdörfer Gesprächspiele 1, 2), daneben ab-
schewen, n., vgl. Scheu. ABL. abscheulich,
adj. u. adv.: abschreckend (frähnhd., z. B.
Fischart Barfüßermönche 4557, zum abscheu-
lichen Exempel Carolina), Wider\^alIen erre-
gend (bei Maaler 1561 abscheüchlich).
Abschied, m. (-es, PI. -e) : das Weggehen
aus der Mitte eines Kreises; die Beurlaubung
bei diesem Anlaß; Dienstentlassung; richter-
licher Ausspruch als Endurteil in einer Rechts-
angelegenheit; Willenserklärung des Staats-
oberhauptes zum Schlüsse einer in öffentlichen
Landesangelegenheiten gehaltenen Versamm-
lung, z. B. Landtagsa. Spätmhd. abeschif,
häufiger abescheit m. «Abschied, Tod, Ent-
scheidung, Bescheid, Beschluß eines Reichs-,
Städtetags», auch im altem Nhd. oft Äb-
scheicl m.
Abschlag, m. (-es, PI. Abschläge): abge-
hauenes Holz, mhd. abeslac: Zurückweisimg
eines Angriffs (im Teuerdank 82, 6 «Zurück-
weisung, abschlägige Antwort»); Geringer-
werden des Preises wovon (mhd. abeslac «Er-
niedrigung der Fordening»); vorläufige Min-
derung der Schuld (im 16. Jh., zu spätmhd.
dbsiahen «abbezahlen»), z. B. auf A. zahlen.
ABL. abschlägig, adj: entschieden von
sich weisend (1562 bei Mathesius Sarepta 192^).
abschläglich, adj.: wie abschlägig: zahlend
zu vorläufiger Mindening der Schuld (1509
bei Janssen Frankf. Reichscorr. 2, 767). —
abschlagen, v.: l) trans. durch Schlagen
wovon trennen; an einer Rechnimg abziehen;
zum Entfernen nötigen; entschieden von
sich weisen, verweigern. 2) intrans. im
Preise geringer werden. ^Ihd. abeslahen, abe-
slän in allen Bedd., ahd. abaslahan «weg-
schlagen».
abschmiereu, v.: tüchtig pi-ügeln, eig.
mit Schlägen salben. Bei Duez 1642.
abschrecken, v.: einen durch eingeflößte
Furcht von etwas abbringen, m\i(\.abesclir ecken;
Warmes oder Kaltes durch Hinzutun von Kal-
tem oder Warmen in der Temperatur um-
springen machen (schon frühnhd.). Vgl. wegen
dieser Bed. schrecken.
abschurren, v.: hinweggleiten; abfahren,
sterben (s. schurren). Aus der nordd. Um-
gangssprache bei Voß 2,81. Vgl. abkratzen.
abschüssig, adj.: stark abhängig. Erst
beiDentzler 1709 verzeichnet (doch früher «&-
schießig, Opitz Poeterey 181). Von Abschuß
m. in der Bed. jähe Neigung einer Erdfläche,
daß sich darauf ein Körper schnell und heftig
niederbewegt (bei Ludwig 1716).
Abseite, f. (PI. -n): überwölbter Neben-
raum des Schiffes der Kirche; Nebengebäude
(Flügel) am Hauptgebäude. Aus mhd. absite
(mit Anlehnung an ab und Seite ), ahd. absita,
absida f., entlehnt aus gr.-mittellat. absida, gr.
ävpic. Gen. ötnjiboc f. «Verbindung, Rundung,
Gewölbe».
abseiten, adv.: (veraltet) abseits, von selten
(mit Gen.). Spätmhd. absiten, Verbindung der
Präp. ab mit dem Dat. PI. siten.
15
abseits
abstoßen
16
abseits, adv,: weg zur Seite, auch mit Gen. ;
verbunden. Erst bei Stieler 1691 verzeichnet,
mit angetretenem genet. -s, früher äbseit, vgl. j
diesseits, jenseits. \
Absicht, f. (PL -en): (veraltet) abrei- !
chende Richtung der Augen worauf, z. B. j
beim Zielen; Richtung des Geistes worauf,!
z. B. in Absicht (mit Gen. oder auf) in Be- \
tracht; die als ein zu Erstrebendes gesetzte
Vorstellung. Absicht (verzeichnet bei Frisch
1712, noch nicht bei Stieler 1691 und Rädlein
1711) ist in der 2. Hälfte des 17. Jh. für den
subst. Inf. Absehen eingetreten; dies Wort
bezeichnet auch konkret das Visier an Meßwerk-
zeugen (bei Goethe 50, 107 1. H.) und Gewehren
(daher sein Ä. auf etwas richten). ABL. ab-
sichtlich, adj. u. adv., erst bei Adelung 1793.
Absinth, m. (-es, Pl.-e) : Wermut; Brannt-
wein daraus. Ans franz. absinthe m., aufgr.-lat.
apsinthium, gr.dnJiv6iovn.«Wermut» beruhend.
absolut, adj. u. adv.: unbedingt; unum-
schränkt. Aus lat. absolütus, Part. Perf. Pass.
von äbsolvere s. u. Um 1700 in der phi-
losophischen Sprache (Thomas Einleitung
195). — Absolution, f. (PI. -en): Losspre-
chung von Sünden. Spätmhd. (Liliencron 2,
205). Aus lat. absolutio, Gen. absolrdiönis.
— absolvieren, v.: lossprechen von Sünden,
beendigen. Mhd. absolvieren. Aus lat. äb-
solvere «ablösen, losmachen».
absonderlich, adj.: getrennt von andern
(frühnhd.); eigentümlich (Ludwig 1716), selt-
sam (Eichendorff Taugenichts 74). Als Adv. :
vor allem (1664 bei Duez).
•'abspannen, v. : der Spannung benehmen,
mhd. abespannen: schlaff machen; von Fort-
zuziehendem losmachen. S. spannen.
^abspannen, v. : Gesinde durch Verlockung
von jemand abziehen. Bei Luther. Vermischt
mit dem vorigen Worte, während es spätmhd.
abspenen, bei Hans Sachs abspennen heißt.
S. Spänen.
abspenstig, adj.: durch Verlockung eine
Verbindung verlassend. 1566 bei Hans v.
Schweinichen (Script, rer. Sil. 4, 74), häufiger
erst im 18. Jh. (bei Frisch 1712 erwähnt). Zu-
sammengesetzt mit dem ahd. Kdi}.spenstig «ver-
lockend», abgeleitet von spans^ f. «Verlockimg».
absprechen, v.: jemand etwas durch
entschiedene Erklärung entziehen, mhd. abe-
sprechen; womber sich entschieden erkläi'en,
daß es nicht so sei; womber bis zu Ende
und zu gegenseitiger Zustimmung sprechen
(erst bei Adelung «besonders in Nieder-
sachsen üblich», von Heynatz 1796 empfohlen).
— Absprache, f. (nach der 3. Bed. von ab-
sprechen). Bei Ludwig 1716 Absprach, aber
nicht bei Adelung und Campe.
Abstamm, m. (-es, ohne PL): Abstam-
mung; Nachkommenschaft, Abkömmling (Her-
der Cid 33). Jägerwort des 18. Jh.
Abstand, m. (-es, PI. Abstände): Weg-
treten, Verzichtleistung auf ein Recht (früh-
nhd., erhalten in A. nehmen); Entfemtstehen
wovon (Zesen in Dögens Kriegsbaukunst).
abstatten, v.: an der dazu bestimmten
Stelle anbiingen. Frühnhd. Kanzleisprache.
abstechen, v.: l) trans. durch Stechen
wovon entfernen oder trennen, mhd. abe-
stechen; (Tiere) tot stechen, schlachten; über-
treffen, eig. im Tui'nier beim Gegenrennen
vom Pferde stechen; im Kartenspiel durch
eine höhere Karte zum Untern machen;
durch Stechen nachbilden. 2) intrans. in die
See stechen (eig. mit der Schifferstange), fort-
fahren (Fischart Garg. 117); sich merkbar
unterscheiden (bei Ludwig 1716, gleichzeitig
auch sich a. : diese Bed. scheint von der von
a. oder abstecken «abgrenzen» aus entwickelt).
Abstecher, m. (-s, PI. wie Sing.) : kurze
Nebenreise. Nach Heynatz Antib. 1,35 zuerst von
Bode und Mylius gebraucht und aus dem Nie-
dersächs. aufgenommen, wo es als dialektischer
Ausdrack 1781 bei Dähnert verzeichnet ist.
abstehen, v.: l) intrans. (veraltet) wo-
von niederstehen, z. B. vom Pferde, mhd.
abestän, -sten: wovon entfernt stehen; aUzu
lange stehen und dadm'ch schwächer werden,
alle innere Kraft, die Lebenskraft verlieren,
sterben, z. B. der Essig, Baum, Fisch ist
abgestanden (bei Maaler 1561, mhd. mit dem
töde abesfen); (von etwas a.) von etwas ab-
lassen, darauf verzichten (mhd. eines ding es
abesten). 2) trans. einem andern überlassen
(nach Adelung 1774 besonders m Nieder-
sachsen häufig).
Abstich, m. {-es, PI. -e): Abgestochenes,
z. B. von Torf, eines Budes; Sich -Hervor-
heben gegen anderes im Widerstreit mit die-
, sem, Kontrast (Wieland 9, 21, Schiller 10, lOl).
abstimmen, V.: l)trans.gründlich stimmen,
1 z. B. ein Instrument. 2) intrans. abweichend
stimmen, eine andere Meinung haben (bei
Luther, noch bei Adelung 1793): seine Stimme
abgeben (nach Heynatz 1796 obd. Ausdruck).
abstoßen, v. : l) trans. weg- oder herunter-
stoßen, m\\d..abestd^en\ (Verpflichtungen usw.)
beseitigen durch Erfüllmig (erst bei Adelung
17
abstrakt
Al)wesen
18
«im gemeinen Leben»): einen unangenehmen
Eindruck auf jemand machen (Gegensatz an-
ziehen, also übertr. von den Wirkungen des
Magnets); Redensart: das Herz a. d. i.
brechen, eig. vom Henker durch das Rad
(schon spätmhd.). 2) intrans. (vom Schiff) ab-
fahren, eig. durch Stoßen mit der Schiffer-
Stange (schon mhd.).
abstrakt, adj.: abgezogen in Gedanken,
für sich allein betrachtet; nicht wh'klich,
bloß gedacht. In der 1. Hälfte des 18. Jh.
aufgenommen. Aus lat. ahstradus, Part.
Perf. Pass. von abstr allere «weg-, abziehen».
Abstreich, m. [-es, PI. -e): öffentlicher
Zuschlag auf Mindergebot (Schiller Räuber
1, 2). Gegensatz Aufstreich (s. d.).
abstufen, y. : in Stufen abbauen (beim j
Bergbau) ; bestimmte Unterscliiede festsetzen |
(nach Adelung 1793 neues Wort, von Heynatz '
1796 empfohlen).
Absud, m. {-es, PI. -e): Handlung des
Absiedens; die durch Absieden gewoimene
Flüssigkeit, s. Sud. Xeues, von Adelung 1793
verzeichnetes Wort. ■
absurd, adj.: lächerlich- widersinnig. Aus |
lat. dbsurdus. Um 1700 in der philosophi-
schen Sprache (Thomas Einleitung 127).
Abt, m. {-es, PI. Äbte): Vorsteher einer
Abtei. Mhd. abt, abbet, ahd. abbat von dem
aus syrisch dbba «Vater» in die kirchhch-lat.
Sprache aufgenommenen abbas, Gen.ahbatism.
ABL. Abtei, f. (PI. -en) : höheres klösterliches
Stift; Gebiet desselben; Wohnung und Pfründe
eines Abtes, mhd. abtei, abbeteie, ahd. abba-
teia von mJat. abbatia f. Äbtissin, f. (PI.
-nen) : Vorsteherin emer Abtei, mhd. abtissin,
eppetissin, ahd. abbatissa aus mlat. abbatissa f.
abtakeln, v.: die gehörigen Taue, Segel,
Blöcke, Rahen etc. vom Schiffe abnehmen
(nach ndl. aftakelen bei Stieler 1691); (bild-
lich) seiner Stellung entkleiden.
Abtrag, m. {-es, PI. Abträge): was als
übrig geblieben wovon hinweggetragen wird;
Beeinträchtigung, Schmälerung; Beseitigung
einer Verpflichtung durch Erfüllung, Ersatz,
Genugtuung. Spätmhd. abctrac in der 2. und
3. Bed. Von abtragen, v.: wovon hinweg-
tragen, mhd. abetragen: durch Ansichtragen
abnutzen; etwas durch Wegtragen davon
gleichmachen; durch Leistung einer Obliegen-
heit genugtun (spätmhd. abetrage)i).
abtreten, v.: l) intrans. beiseite gehen,
mhd. abetreten; weggehen; {von einem a.)
abfallen (bei Luther, mhd. mit Dativ); vom
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Pferde niedersteigend einkehren. 2) trans.
durch Treten beseitigen, abnutzen oder wo-
von trennen; {einem etwas a.) überlassen (mhd.
eines dinges abetreten).
Abtritt, m. (-es, PI. -e): das Weggehen
wovon nach ausdmcklicher Erklärung (fi-üh-
nhd.); Hinscheiden durch den Tod; einstwei-
liges Weggehen wovon zur Seite; geheimer
Ort zur Verrichtung natürlicher Bedürfnisse
(schon beiKrämer 1678) : dasXiedersteigen vom
Pferde zur Einkehr; Vorrichtung daß etwas
tiefer aufgetreten wei'den muß ; Getrenntsein,
bedeutsamer Unterschied (Haller Ged, 122).
abtröseln, v. : faserartig abwinden (Thüm-
mel Reise 4, 300). S. auftröseln.
abtrumpfen, v.: mit Überlegenheit zu-
rückweisen, eig. beim Kartenspiel eine Karte
nait Trumpf stechen; {einem etivas a.) mit
Gewaltsamkeit entziehen. Erst in der neuern
Sprache. Vgl. auftrumpfen.
abtrünnig, adj.: sich von einer Verbin-
dung lossagend. Mhd. abetrünnec, ahd. aba-
trunnig, mit mhd. trünne f. «abgesonderter
Haufe, Schar» zu einem verlorenen starken V,
trinnan, wovon auch trennen (s. d,), vgl. ent-
rinnen.
abwägen, s. abwiegen.
abwamsen, v. : ein tüchtige Tracht Schläge
geben, eig. das Wams (s. d.) vollschlagen.
Bei Campe 1807.
abwandeln, V.: verändern; abbüßen (nach
der altern Rechtssprache bei Wieland, zu mhd.
icandel «Buße, Strafgeld»); (in der Grammatik)
flektieren. In dieser Bed. zuerst von Schottel
(für deklinieren) gebraucht. ABL. Abwand-
lung, f , 1748 bei Gottsched füi- Konjugation,
1672 bei Pudor (^DerTeutschen Sprache Gx'und-
richtigkeit) für Deklination.
abwärts, adv. : nach unten geiüchtet ; zur
Seite. Spätmhd. abiverts.
Abweg, ni. {-es, PI. -e) : vom rechten ab-
führender Weg. jSIhd. abetoec m.
Abwehr, f.: Fernhaltung durch Vertei-
digung. Jung, noch nicht bei Adelung 1793
(gebraucht von Voß 2, 255); von abwehren.
abwendig, adj.: sich abwendend, abfal-
lend (nur noch in a. machen). Frühnhd.
(Diefenbach gloss. 60^).
abwerfen, v. : nieder- oder zur Seite wer-
fen, mhd. abewei'fen; Ertrag bringen, eig. wohl
von dem Früchte tragenden und herabwer-
fenden Baum (Weise Erzn. 52).
Abwesen, n. {-s) -. das Nichtdasein. Spät-
mhd. abeu'esen, eig. subst. Inf. zu abetvesen
2
19
abwiegen
Acht
20
«fehlen, mangeln», ahd. abaicesan. — abwe-
send, Part. Praes. zu diesem Verbum. ABL.
Abwesenheit (für Ahu-esendheit), f.: wie
Älmesen. Zuerst bei Hulsius 1596.
abwiegen, v.: die Schwere wovon prüfen
und bestimmen. Jüngere Bildung (Stieler
1691) neben abicägen, mhd. ahewegen, bei
Luther Sir. 42, 7 abivegen.
abzirkeln, v.: genau abmessen, eig. mit
dem Zirkel. Bei Luther.
Abzucht, f. (PI. -en): Ableitung für un-
reine Wasser (1562 bei Mathesius Sar. 211a).
Auch Abzug m. (-es, PI. Abzüge). Durch
Umdeutschung (Anlehnung an abziehen) aus
lat. aquaeductus m. «Wasserleitung» hervor-
gegangen, vgl. Anäauche.
abzwacken, v.: kleinlich entziehen. Mhd.
abezwacken, auch bei Luther. S. zivacken.
Acc-, s. Akk- u. Akz-.
ach! Äußerung der Schmerzempfindung,
Anstrengung, Rührung, seltener der Freude.
Mhd. ach, ahd. ah: nach Grienberger Unter-
such, z. got. Wortkonde 17 mit got. ak «aber»
zu verblöden. Vgl. aber auch lat., ital., span.,
portug. a/t. Substantiviert: Ach n., wie schon
mhd. Redensart: mit Ach und Krach, d.i. mit
Stöhnen aus gi'oßer Anstrengung, mit genauer
Not, kaum.
-ach, s. -a.
Achat, m. (-es, PI. -f) : ein Halbedelstein.
Mhd. achat oder achates. Aus dem gleichbed.
gr.-lat. achates, gr. dxdxric m., von dem Fluß
Achates in Sizilien benannt, an dessen Ufern
dieser Stein nach Plinius bist. nat. 37, 54 zu-
erst gefunden wurde.
Achel, f. (PI. -n): Ähi-enstachel (Voß 2,
255); abgefallener Ähren stachelsphtter; Sten-
gelsplitter bearbeiteten Flachses oder Hanfes.
Aus dem Ndd., wo aggel mit (spirantischem
g) gesprochen wird. Adelmig verzeichnet
Achel als ndrsächs, neben dem hd. Agel, das
friihnhd. (z. B. 1537 bei Dasypodius agel oder
egel «festuca») erscheint, auch noch bei Schu-
bart 2, 211 die Ageln (in der 3. Bed. von Achel).
Dazu ahd. ahil f. «Ähre», vgl. auch ags. egle PI.
«Ährenspitzen», engl. a?7 «Granne». S.Akne
und Ähre.
acheln, v.: essen. Li der Juden- und
Gaunersprache. Aus hebr. äkhäl «essen». Schon
bei Fischart (Pract. Großm. 50), als rotwelsch
1510 im Liber Vagatorum (Kluge 53).
Achse, f. (PI. -n) : Stange, dann Linie, um
die sich etwas im Kreise bewegt. Mhd.ahse,
ahd. ahsa f. ; dazu ndl. as, ags. eax f. und mit
Weiterableitung anord. öxidl, schwed. dän.
axel m. «Achse». Urverwandt mit lat. axis m,,
gr. äSuuv m., abg. osi f., lit. asls f., prenß.
assis, kymr. echel, aind. ciksas m. «Achse». Ob
das Wort weiter auf die Wurzel ag (in lat.
agere, gr. äyeiv «bewegen», anord. afca «fahren,
führen») zumckgeht, ist unsicher.
Achsel, f. (PI. -n) : der Körperteil, der die
bewegliche Verbindung des Armes mit dem
Rumpf ausmacht. Mhd. ahsel, ahd. ahsala f.;
dazu asächs. ahsla, ags. eaxl, anord. öxl, schwed.
dän. axel f. «Achsel», abgeleitet von Achse. Lat.
axilla «Achselhöhle» (auch äla «Flügel» aus
*axla) ist urverwandt. Aus dem Germ, gehört
noch (mit Ablaut) ahd. nohsana, mhd. uohse,
üehse f., Schweiz, uechs «Achselhöhle» (dazu
ndl. oksel m, «Achsel») hierher. Redensarten:
über die A. ansehen, d. i. geringschätzig, stolz
oder mit Hohn; auf beiden Achseln tragen
«sich zweideutig benehmen, um es mit keinem
zu verderben»; die Achseln zucken «unent-
schlossen sein». ZUS. Achselbein, n. : Schul-
terknochen, mhd. ahselbein, ahd. ahsalbein n.
acht, Zahlwort. Aus mhd. o/«fe, ahd. a/«to;
dazu asächs. ahto, ndl. acht^ afries. achta, ags.
eahta, engl, eight, anord. ätta, schwed. ätta,
dän. otte. Urverwandt mit lat. octo, gr. oktüj,
altir. ochtn, ht. astuoni, abulg. osmt, arm. uth,
aind. astau (ein alter Dual). Substantivisch:
Acht f. "(1556 bei Frisius 913^ eyn achte). —
ABL. achte, Ordnungszahl. Mhd. ahte,
früher ahtocle, ahd. ahtodo; dazu asächs. ahtodo,
ndl. achtsfe, afries. achtunda, ags. eahtoda,
anord. ätti, schwed. ättonde, dän. ottende: 1540
bei AlbenisDict.rr 1^ der achtest. — Achter,
m.: die Zahl 8, Münze von 8 guten Groschen,
von 8 Pfennigen, bei Stieler 1691. ZUS.
Achtel, n. (-S, PI. wie Sg.), geschwächt aus
Achtteil: der achte Teil; ein aus 8 Teilen
bestehendes Trockenmaß, mhd. ahtteil, ahtel.
achtzig, s. -zig.
•^Acht, f.: Richtung des Geistes worauf;
Aufmerksamkeit, Füi-sorge. Mhd. aht, ahte,
ahd. ahta f.; dazu ags. eaht f.; got. anord,
nicht vorhanden, doch erscheint hier die Ab-
leitung cefla (aus *ahtilön) «meinen». Die
gleiche Wurzel (Grundbed. wohl «sinnen»),
zeigen got. aha m. «Verstand», rt/y'a» «meinen»
(zu gr. öcco|uai «im Geiste sehen»), ahnia m.
«Geist». Die Verwandtschaft der germ. Worte
mit lat. oculus, gi". öiruuTra, wird von Uhlen-
beck, Btr. 17, 115 bestritten, aber sein eigener
Vergleich der Worte nüt gr. ökv^u) «zaudern»
ist kaum richtig. — achten, v.: den Geist
I
21
Acht
Adel
22
worauf richten; eine daraus hei*vorgehende
Meinung wovon haben; in seiner Meinung
höher oder tiefer stellen (ohne Adv. = hoch-
achten erst bei Adelung 1774); Aufmerksam-
keit und Fürsorge schenken. Mhd. ahten, ahd.
dlltön; dazu ndl. achten, ags. eahtian. ABL.
achtbar, adj. und adv.: höhere Meinung ver-
dienend, mhd. ahtbmre. — achtlos, adj. und
adv.: ohne Aufmerksamkeit, bei Stieler 1691.
— achtsam, adj. und adv.: Aufmerksam-
keit und Fürsorge zeigeiad, mhd. nur in iin-
ahtsam. — Achtung, f.: Wendung der Auf-
merksamkeit und Fürsorge worauf; aner-
kennende Memung wofür, spätmhd. ahhmge,
ahd. ahtunga f.
"Acht, f. : Ausschließung vom Rechtsschutz.
Mit Kürzung des Vokals (doch Aacht noch
Oelinger S. 34) aus mhd. ähte, ahd. dhta f.
«Verfolgung» : dazu ags. öht. Als germ. Gnind-
form ist *cmlitö anzusehen, die kaum zu eng
(s. d.), also eig. «Bedrängung», eher zu gr.
ävÖTKri, altir. ecen «Zwang», kymr. angen
«Notwendigkeit, Zwang», lat. necäre «töten»,
nocere «schädigen» usw. (vgl. Walde s.v. neco)
gehört.. ABL. ächten, v. : außer Recht und
Heimat setzen: der Verfolgung preisgeben.
Mhd. cehten, ahd. ähten «verfolgen»; dazuasächs.
ähtian, ags. ehtan «verfolgen». — Achter, m.
(-S, PI. wie Sg.l: der in der Acht steht (üh-
land Ernst von Schwaben 2, 1 ). Mhd. cehtcere,
aber auch in der Bed. «Verfolger», ahd. ähtäri
«Verfolger».
Achterdeck, n. {-s, PI. -e|: Hinterdeck
des Schiffes. In der niederd. Seemannssprache ;
achter ist ndd. Form für after (s. d.).
achtsam, Achtung, s. ^Acht
ächzen, v.: ach schreien; tief aus der
Brust gepreßte Schmerzenslaute ausstoßen.
Mhd. ächzen, echzen. Von ach.
Acker, m.[-s, Vl.Äcke^-}: Pflugland; einem
Eigentümer angehöriges abgegi'enztes Stück
Pflugland; ein gewisses Landmaß. 'Mhd. acker,
ahd. acchar, ackar m.; dazu asächs. accar,\
ndl. akker, ags. cecer, engl, acre, anord. akr,
schwed. äker, dän.ager m. «Acker». Es stimmt
der Lautverschiebung gemäß mit den gleich-
bed. lat. ager, gr. dfpöc m. und skr. djras
«Flur, Ebene» und wird gewöhnlich zu der
Wurzel gestellt, die sich in lat. ago, gr. afü),
ai. äjämi «treibe, tue», anord. aka «fahren»,
zeigt, unter Annahme einer Entwicklung, wie
in Trift zu treiben. Doch ist dies durchaus
unsicher. Vgl. Hirt Idg. Forsch. Anz. 13, 9 f.
ABL. ackern, v. : mittelst des Pfluges Land
bauen, spätmhd. ackern (dafür früher ern^
s. Ernte). ZUS. Ackerbau, m., frühnhd.
(bei Luther ). — Ackermann, m., mhd. acker-
man, ahd. accharman, ags. mcermon. Dazu das
Dim. Ackermännchen n., in vielen Gegen-
den Benennung der Bachstelze, weil sie sich
imFiühling ihrer Nahrung wegen beim Pflügen
i Ackern) regelmäßig einfindet. 1517 bei Tro-
chus H 4^ ackermenchen.
Ackermennig, s. Odermennig.
Acker würz, f.: der Kalmus, dessen Wurzel
als Gewürz und Heilmittel dient. IMhd. acker-
ivurz. Acker- geht hier auf den gr.-lat. Namen
dieser Pflanze zurück: acorus, gr. oKopoc f.
Adam, Eigenname, hebr. adam «Mensch»,
Redensart: der alte A. d.i.: der alte sündige
Mensch, die angeborne sündhafte Natur (häufig
bei Luther). ZUS. Adamsapfel, m.: der
vorstehende Teil der Luftröhre (bei Jablonski
1721). Früher dafür Adamshiß; nach einem
verbreiteten Volksglauben ist Adam beim Ge-
nuß des verbotenen Apfels im Paradies ein
Stück davon (meist wird an den Apfelbutzen
gedacht) im Halse stecken geblieben.
addieren, v. : zusammenzählen. Von lat.
addere (aus ad «zu» und dare «geben» ge-
bildet) «hinzutun». Schon 1514 bei Böschen-
steyn A 3^^.
ade, Interj.: lebe wohl! Substantiviert:
Ade n.: das Lebewohl. Mhd. ade, verkürzt
aus franz. adieu (eig. ä dieu «zu Gott! Gott
befohlen»!). Diese franz. Form selbst wui-de
wieder seit 1600 üblich (volkstümlich in adjes
entstellt), während ade der poetischen Sprache
verblieb.
Adebar, Adebär (Claudius 3, 66;, m.
(-n, PI. -en): in Niederdeutschland verbreitete
(fiüher allgemeinere) Benennung des Storches.
Aus mhd. odehar, odeher, ahd. odohero, dazu
mnd. odevare, ndl. ooievaar m. Gewöhnlich
als Glückbringer (od «Glück», s. Allod, hero
«Träger, Bringer», s. gebären) erklärt.
Adel, m. (-S, ohne PI.): Geschlechts- und
Standesvorzug; Gesamtheit der so Bevorzug-
ten: Erhabenheit über das Gemeine als sitt-
licher Vorzug. Aus mhd. adel n., seltener m.,
ahd, adal n. «Geschlecht, von dem man her-
stammt, besonders ausgezeichnetes»; dazu
asächs. aäali n. «Geschlecht, Gesamtheit der
Edeln», ndl. adel m., ags. ceäelu n. PI. «natür-
hche Anlage, vornehme Geburt», anord. aäal n,
«natürliche Beschaffenheit, natürhche Anlage».
Grundbed. «Geschlecht» als Vorzug der im
Stande höher Stehenden. Dazu noch (mit Ab-
2*
23
Adept
adoptieren
24
laut) ahd. uodil nodal, asächs. ödü, ags. edel,
anord. ödal n., «Erbgut, Heimat». ABL.
adlig (eigentlich adlich zu schreiben, vgl.
hülig), adj., mhd. adeUich, ahd. adallih. adeln,
V.: in den Adelstand erheben; über das Ge-
meineerheben. Bei Dasypodius 1537, während
mhd. dafür edehi erscheint. Mit Adel- zus.-
gesetzt sind viele Eigennamen: Adall)ert, ge-
kürzt Albert, Albrecht, ahd. Adalbert, ur-
sprünghch Adalperaht (ahd. peraht, «glän-
zend»); Alfons, ahd. Adalfims (urspiüng-
lich wohl Hadnfuns, ahd. liadu, «Kampf»,
funs «bereit», vgl. H. Kern ZfdW. 9, If.);
Adelheid , ahd. Adalheit, franz. Adelaide
(ahd. heit «Gestalt», s. heit); Adele, franz.
Adele, geht zurück auf ahd. Adala «die aus-
gezeichneten Geschlechtes ist»; abgeleitet ist
der Familienname Adelung, ahd. Adahinc.
S. edel.
Adept, m. (-en, PI. -en): der in die ge-
heime Kunst des Gohlmachens, der Bereitung
des Lebenswassers usw. Eingeweihte. Von
lat. adeptus «wer etwas erlangt hab>, Part. Perf.
von adipisci «erlangen». Bei Sperander noch
in lat. Form adepti (PI.).
Ader, f. (PI. -n): den tierischen KöqDer
durchziehender Gang, Sehne, Blutgang; sonst
innerer Gang, z. B. des Erzes, im Holze; be-
sondere Begabung wofür, z. B. dichterisclie A.
(die Adern galten fiüher als Organe des Seelen-
und Gemütslebens). ^Ihd. äder, ahd. ädara
f.; dazu ndl. ader, aar, ags. ädre, schwed.
äder, ädra, dän. aare f.; anord. cedr (r ist
Nominativendung) entbehi-t des ableitenden r.
Das Wori, das im Got. *ej>ra lauten wüi'de,
gehört mit gr. rirop n. «Herz», firpov n. «Bauch»
zusammen, also Grundbed. «Eingeweide» (diese
Bed. hat das mhd. incedere n. noch). ABL.
äderig, adj., spätmhd. ce(?enc. — ädern, v.:
der Adern durch Herauslösen benehmen, mit
Adeni künstlich versehen, mhd. cedern. ZüS.
Aderlaß, m., seltener n., (Gen. Aderlasses,
PI. Aderlässe und -lasse) : Ablassen von Blut
dui'ch Einschnitt in eine Ader, spätmhd. dder-
läg f. (?), gewöhnlich dderlce^e f. (wie auch
einfach Ice^e f., alem. Ice^i); auch nhd. er-
scheint ein fem. Aderlässe (bei Frisius 270%
Maaler, Henisch, Frisch, sogar noch bei Schu-
bai-t 2, 78, Schiller 9, 377 u. andern Schwaben)
oder Aderlasse, -laß (noch bei Ludwig 1716),
während Adelung für das Mask. eintritt (nach
Analogie von Durch-, Einlaß usw.). — Ader-
SChlag, m.: Schlag der Pulsader (Schiller
Kab. u. L. 5, 2), mhd. äderslac.
Adjektiv, n. (-es, PI. -e): aus niat. ad-
jectivuni «was sich wozu setzen läßt», von
adjicere «hinzutun». VonHelvicus durch «zu-
ständiges Nennwort», von Zesen Helikon 1649
durch «beiständiges Wort», von Schottel durch
«beiständiges Nennwort», von Gottsched durch
«Beiwort» verdeutscht; in neuerer Zeit ist
«Eigenschaftswort» beliebter.
adj es, s. ade.
Adjunkt, m. {-en, PI. -en): der beige-
gebene Amtsgehilfe. Aus lat. adjunctus, Part.
Perf. Pass. von adjungere «zu-, beifügen». Bei
Frisch 1741 Adjuncte.
Adjutant, m. (-en, PI. -en): Hilfsoffizier
zur Befördening der Befehle. Aus lat. ad-
jutans, Gen. adjufantis, Part. Praes. von ad-
jutare «.helien». Schon 1617imteutschenMichel.
I Adler, m. (-s, PI. wie Sg.): aus mhd.
adelar, adlar, adler (Gen. adelarn etc.), auch
adelarn m., wie ndl. adelaar, zusammengesetzt
aus ahd.öw^aZi «edel» und aro «Aar» (s. d.). Bei
Luther auch adeler, was sich in der poeti-
schen Sprache bis ins 18. Jh. erhält (bei Voß).
Die urspr. schwache Flexion ist schon bei Lu-
ther der starken gewichen, der Akk. Adlern je-
doch noch bei Hoffmannswaldau Verm. Ged. 3.
ZUS. Adlerblick, m. : ausgezeichnet scharfer
Blick (Gotter 1, 398). — Adlernase, f.: stark
gebogene Nase (bei Henisch 1616 adler s nas).
administrieren, v. : ein Amt verwalten.
Von lat. administrare «hilfreich an die Hand
gehen, besorgen, verwalten» (von ad und
niinistrare «bedienen, besorgen»). Li der früh-
nhd. Kanzleisprache. ABL. Administration,
f. (Fl.-en): Verwaltung (Ordnungen SO^j. Von
lat. administratio. Gen. -önis.
\ Admiral, m. {-s, PI. -e): Flottenführer.
Aus afi-anz. admiral, das auf arab. 'amir-almä
«Befehlshaber des Wassers» beruht. Schon
mhd. findet sich amiral, admirät als Titel des
morgenländischen Kalifen, um 1500 erfolgte
Neuentlehnung in der Bed. «Flottenbefehls-
haber» (1507 bei Wilwolt von Schaumburg
118 fg. amirall. amerall, bei Fronsperger
Ki-iegsbuch 1,109^ Admiral). ABL. Admi-
ralität, f.: die Gesamtheit derer, die die
Oberaufsicht über das Seewesen haben. Im
, 17. Jh.
Adolf, Mannsname, aus einem got. Namen,
der latinisiert Ataulfus lautet und dessen ulfiis
got. wulfs «Wolf» (s. d.) ist.
adoptieren, v. : an Kindesstatt annehmen.
Von lat. adoptare «annehmen, bes. an Kindes-
statt» (von ad und optare «sich ausersehen»).
25
Adresse
after
26
Fiühnhd. (Franck teutsche Chronik 26^). —
Adoption, f. (PI. -en) : Annakme an Kindes-
statt, fiühnhd. (Sallust 0 4). Von lat. adoptio,
Gen. -onis.
Adresse, f. (PI. -n j : Aufschrift auf einem
Brief; feierhches Schreiben. Aus franz. adresse
im 17. Jh. entlehnt (Weise pol. Näscher 34),
in der 2. Bed. zugleich unter Einfluß des engl.
address «Schreiben des Parlaments an den
König». — adressieren, v.: wohin zum Emp-
fang überschreiben. Aus franz. adresser, das
auf dem mlat. directiare «wohin richten» (von
directus, s. direkt) beruht.
Advent, m. {-es, ohne Pl.i: die Zeit vom
vierten Sonntag vor Weihnachten bis zu diesem
als dem Feste der Ankunft Christi im Fleische
d. i. seiner Geburt, iihd. ad.vent, advenfe m.
von lat. adventus m. «Ankunft».
Adyerb, n. (s, PI. Adverhien)-. das Be-
stimmungswort des Verbums und des Adjek-
tivs. Aus lat. adverhium, das nach ad verlyum
«zumVerbimi (Zeitwort) gehörig» gebüdetist.
Von Helvicus durch «Beiwort», von Schott el
durch «Zuwort», von Gottsched durch «Xeben-
wort» verdeutscht, in neuerer Zeit dm-ch «Um-
standswort» (schon 1619 bei Helvicus allgem.
Sprachkunde 10 üinhstandwort).
AdTOkat, m. (-ew, PI. -en) -. wer als Eechts-
gelehrter jemandes Sache vor Gericht zu führen
hat, der Sachwalter, Anwalt, (schweizerisch)
Fürsprech. Aus lat. advocatiis m. «"der zur
Rechtshilfe Herbeigerufene», Part. Praet. Pass.
von a<ii;oca?"e «herbeirufen». Im 15. Jh. entlehnt
(Eyb 2, 98, Fastnachtspiele 821, Lüiencron
2,5.31). ABL. AdTOkatur, f.: das Advo-
katenamt. Aus nlat. advocatura f. Bei Spe-
rander 1728.
äfern, v.: wiederholen. Bei Luther Spr.
Sal. 17, 9 evern, wobei am Rande «widerholen,
wider anziehen, wider regen etc.». Mhd. äveren,
ahd. avarön von avar, s. aber. Noch jetzt bayr.
Schwab. Schweiz, äfern «wiederholt in Worten
vorhalten, tadeln», dafür oberhess. äftern.
afF, s. -a.
Altäre, f. (PI. -n): Angelegenheit, Sache:
kriegerisches Treffen. Aus dem gleichbed.
franz. af faire f., entstanden aus ä faire «zu
tun». In der 1. Bed. im 17. Jh. entlehnt (Weise
Cath. 110); in der 2. z. B. bei Lessing (Minna
V. Barnhelm 1, 12).
Affe, m. (-n, PI. -n): das Tier; wer etwas
lächerücherweise nachmacht; eitler, törichter
Mensch. Mh. äffe, ahd. a/fo m.; dazu ndl. cwp,
ags. apa, engl, ape, anord. ajji, schwed. apa.
dän. abe m. Aus dem Germ, stammt slav. opica.
Zusammenhang mit gr. Krj-rroc, skr. kapis m.
«Affe» ist sehr unsicher. Vgl. 0. Schrader Real-
lex. 19. ABL. äffen, v. : zum Toren machen,
zum besten haben, mhd. effen. Davon Afferei,
f. (bei Luther). Affin, f. (PI. -nen), mhd.
äffinne, effinne, effin: ahd. affinna: anord.
apynja. äffisch, adj., bei Luther 1, 514^ ef-
fisch. ZUS. Aifenliebe, f.: blinde, verzär-
telnde Elternliebe (Grimmeishausen Simpl.347).
Affenspiel, n. : Narrenpossen, mhd. affenspil.
Affekt, m. (-es, PI. -e): Gemütsbewegung.
Von lat. affediis m, «Gemütsstimmung, -er-
regung/> von afficere (s. affizieren). Fmhnhd.
(15.34 bei Franck Weltbuch a 4^j. ABL. af-
fektieren, V.: zum Schein annehmen, be-
sonders auf gezierte Weise, erkünsteln. Aus
fi-anz. affecter, das auf lat. affedare beruht.
Im 17. Jh. entlehnt, das Part. Praet. bei
Günther 429 affediert, während bei Schupp
2, 183, der lat. Form näher, affedat.
äffen, Äifiu usw., s. Affe.
affizieren, v.: angi-eifend erregen, Ein-
di'uck machend berühren. Aus lat. afficei-e
(von ad und facere «tun, machen» gebildet)
«hinzutun, Eindruck machen, in eine gewisse
Stimmung versetzen». Schon bei Rot 1571
affidrn.
Affodill, m. (-S, PI. -e) -. lilienartiges Gar-
tengewächs mit vielen kleinen Wurzelknollen.
Spätmhd. affodiUe m. Mit Anlehnung an Affe
und Dill aus gleichbed. gr.-lat. asphodüus,
gr. äcqpöbeXoc m.
Affolter, m. (-5, PI. wie Sg.) : Apfelbaum
(fast nur noch in Ortsnamen wie Ajfolterhadi
erhalten). Von mhd. äff alter, ahd. affoltra,
apholtra (ZfdWf. 2, 210) f.; dazu ags. apulder
m. und apuldre, cepiddre f., anord. apaldr m.,
schwed. apel (früher apald), dän. ahild. Ab-
geleitet von Apfel (s. d.); wegen der ange-
tretenen Ableitung vgl. Hollunder, Maßhol-
der, Wachholder.
Afrusch, s. Äbeyraute.
After, m. (-S, PI. wie Sg.): der Ausgang
des Mastdarms. Mhd. after (Gen. aftern),
ahd. aftaro, substant. gebrauchtes M. des ahd.
Adj. aftaro, mhd. (selten) after «der hintere,
nachfolgende, andere» von after (s. d.). Vgl.
Hintere. Die ui'spr. schwache Flexion (noch
bei Ludwig 1716) ist jetzt ganz der stai-ken
gewichen.
after (veraltet), Adv. und Präp. mit Dat.,
seltener Akk. : hinter, nach. Mhd. after, ahd.
aftar «hinter, nach»; dazu nd. und ndl. achter
27
Agel
ah!
28
(s. Ächterdeck), ags. ceßer, engl, after «nach»,
got.aftra «zurück, wiederum». Weiterbildung
von got. af, s. ah und aber. In Zusammen-
setzungen nimmt after- gern den Begi-ift' des
Scheinrechten und Schlechten an; es kommt
in dieser Bed. des Negativen, Verkehrten schon
mhd. neben den gleiehbed. Präfixen ah- und
aber- (s. d.) vor und verdrängt diese im nhd.
bis auf einzelne Reste. ZUS. Afterbürde
{b.Mos. 28, bl Äffterhihi) f.: die Xachgebui-t.
Aftergröße, f. (Schiller 11, 323): Schein-
größe, falsche Größe. Afterklaue, f. (auch
Äberklaue): die kleine Hornspitze über dem
Ballen an den Läufen des Wildes (bei Duez
1664). Afterkönigill, f. (vgl. Afterkönig
bei Nieremberger 1753): unrechtmäßige und
Scheinkönigin (Schiller Maria Stuart 1, 6).
Afterlehen, n. (bei Henisch 1616): das von
einem Lehnsträger an einen Dritten vergebene
Lehen. Aftermiete, f. (erst bei Campe 1807) :
Vermietung durch den zur Miete Wohnenden
an einen Dritten. Aftermontag, m.; (im
östl. Schwaben) der Tag nach dem Montag,
der Dienstag, mhd. aftermäntac. afterredeil,
V. (vgl. mhd. afterrede f.): verleumderisch
nachreden (bei Luther). Aftersal)bath, m.
(Luk. 6, 1) : der Tag nach dem Sabbath. After-
TVeise, m. (bei Aventin afterweis): Schein-
weiser. Afterwelt, f. : Nachwelt (Hoffmamis-
waldau Heldenbr. .51).
Agel, s. Acliel.-
Agende, f. (PI. -n): Formularbuch für
das, was der Geistliche bei seinen Amtshand-
lungen vorschriftsmäßig zu reden hat. Aus
lat. agenda, eig. «die vorzunehmenden Hand-
lungen», N. PI, von dem Part. Fut. Pass. von
agere «tun». In den Kii'chenordnungen von
1582 agend.
Agent, m. (-en, PI. -en) : Geschäftsbesorger.
Aus dem gleiehbed. ita\. agente, franz. agentva..,
das auf lat. agens. Gen. agentis «tuend, aus-
führend», Part. Praes. von agere «tun, aus-
führen» beruht. 1586 bei Fischaxt Bodinus 336.
ABL. Agentur, f. (PI. -en): die Geschäfts-
besorgung als Gewerbe. Aus einem nlat.
agentvra.
Ägide, f.: kräftiger Schutz. Eig. der (mit
einem Ziegenfell überzogene? oder aus Eichen-
holz bestehende) schreckende SchUd des Zeus.
Nach fi-anz.e'gfiJef.aus gr. lat. «e^/s, Gen.aegidis,
gr. ai-fic, Gen. aiYiboc. Junge Entlehnung.
agieren, v. : handeln, wh-ken; mit Ab-
sicht sich benehmen als — . Aus lat. agere
(s. Agent). Schon bei Bot 1571 agirn.
Agio, n. (spr. äschjo): das Aufgeld beim
Umtausche von Münzsorten oder Wechsel-
briefen gegen bares Geld. Aus piemontesisch
agio, ital. aggio m. eig. «Gemächlichkeit, gute
Gelegenheit», dann «Erkenntlichkeit», die man
dem Wechsler für den Umtausch gibt. Bei
Nehring 1694 mit den Nebenformen lagio (mit
dem Artikel l'), lazo, von denen die letzte
schon van. die Mitte des 17. Jh. vorkommt,
bei Krämer 1678 Lasch i.
agitieren, v.: en-egend auf die Menge
einwirken, bes. in politischer Absicht. Aus
franz. agifer «eiTegen, (politisch) aufwiegeln»,
entlehnt aus \at.agitare, «in Bewegung setzen»,
abgeleitet von agere (s. Agent). Erst in der
neuern Sprache. ABL. Agitator, m. (-s,
PI. -en). Mit der lat. Endung -ator nach fi-anz.
agitateur m.
Aglei, f.: eine glockenblumenartig blühende
Gartenzierpflanze. Mhd. agleie, ageleie, ahd.
agaleia, agleia f., aus ital. aquilegia d. i. die
wassei'ziehende (?). S. Akelei.
Agnat, m. (-en, PI. -en) : Blutsvei-wandter
von väterlicher Seite. Aus dem gleiehbed.
lat. agnatus m. d. i. ad-gnatus. In der früh-
nhd. Rechtssprache (Liliencron 2, 531). !Mhd.
sagte man sicertmäc.
Agnes, Fraueimame. Aus mlat. Agnes, dem
Namen einer um 300 zu Rom enthaupteten
jungfräulichen Heiligen, frtiher von lat. ag-
nus m., agna f. «Lamm» abgeleitet, vielleicht
zu gr. äfvii, Fem. des Adj. öiyvöc, ötvöc «rein,
keusch, heilig».
Agralfe, f. (PI. -n): die Hakenspange;
Hutschleife. Aus dem gleiehbed. franz. agraffe,
agrafef. von a^ra/er «zuhäkeln», gebildet aus
ad und einem v. *grafer aus ahd. kräphön von
krdplw «Haken», s. Krapfen. Im 17. Jh. ent-
lehnt (1710 bei Nehring).
Agrarier, (-.s-, PI. wie Sg.): Mitglied einer
auf Begünstigung der Landwirtschaft ab-
zielenden Partei. Neues seit 1874 aufkom-
mendes Wort von lat. agrarius adj. «zum
Acker (ciger) gehörig».
Agtstein, m. {-s, PI. -e): Bernstein. Aus
mhd. agestein. agetstein «Bernstein, Magnet»;
aget- geht wohl auf rom. (ital. span.) agata f.
«Achat» zuiiick, da Achat, Bernstein, Magnet
hinsichtlich der großem oder geringem An-
ziehungskraft venvechselt wm'den. Bei Agri-
cola de re metalhca 1546 gagates, schwartzer
agatstein oder aidstein.
. ah! Ausmf des Staunens und Wohlge-
I fallens. Mhd. a. Vgl. franz. ital. span. ah.
29
äh
ähuelu
30
äh! Interj., s. ä.
aha! Ausruf der Üben'aschung, mhd. aha.
Das an a (hier kurz) angehängte ha ist wohl
Ausdruck des Lachens.
ahl! Ausruf der lebhaften Freude und
der freudevollen YerwTinderung. Dichterisch
(bei Goethe, Bürger, Hölty). Mhd. ahi, Aus-
ruf des Schmerzes, des Vei-langens, der Ver-
wunderung. Aus fi'anz. ital. ahi.
Ahle, f. (PI. -n): an ein Heft befestigter
stählerner Stachel zum Vorstechen bei Leder-
arbeit. Aus mhd. ale, ahd. äla f.; dazu ndl.
aal, ags, ml f. (daneben äicel, engl, awl), anord.
alr m. «Ahle». Eine "Weiterbildung zeigt ahd.
alansa (daher Schweiz.- schwäb. Alse), vgl.
franz. alene aus alesne und ndl. eis f. «Ahle».
Verglichen wird aind. ärä f. «Pfiiem, Ahle»,
lit. ila, preuß. ylo, lett. tletis «Ahle». Vgl.
noch Liden Idg. Forsch. 18, 492. Die Schrei-
bung AJil "bei Gueintz 1645, sonst im 17. Jh.
auch oft Aal; AJiIe erst bei Xieremberger 17-53.
Neben dem F. auch ein M. AJil (noch bei
Heynatz 1775 imd Adelung, daneben nochX.).
Ahm, f., s. Ohm.
ahmen, s. nachahmen.
Ahn, Ahne, m. (-n, PI. -n): (veraltet)
Großvater; Vorvater eines Geschlechts (1626
bei Zinkgref Apophth. 1, 339). Ahne, f.:
Großmutter, Vormutter eines Geschlechts.
Der PI. AJmen : Voreltern. Mhd. an, ane, ahd.
ayio m. «Großvater»: mhd. ane, ahd-. ana f.
«Großmutter». Nicht in den andern germ.
Sprachen, vgl. Enkel. Verwandt ist lat.
anns «alte Frau», apreuß. rt«e«Altmutter/>, lit.
a«i^a «Schwiegermutter», arm. han «avia», gr.
dvvic «Schwester des Vaters oder der Mutter»
Hesych. Die urspr. schwache Flexion des M.
weicht jetzt im Sg. z. T. der starken (Gen.
Alins, Platen 2, 246 : Dat. Ahn Schiller Teil 2, 2,
LTiland 254; Akk. Ahn Goethe 2, 249, Heine
1, 33). Davon abgel. das Schweiz. Dim, Ähni
{Ehni Schiller Teil 3,1, schon 1384 eni, 1448
äny «Großvater», 1541 bei Frisius 697 der äne,
des großvatters vatter). ZUS. Ahnherr,
mhd. anherre m. « Großvater, Voi^ater ». Ahn-
fran, mhd. anvrouwe f. «Großmutter, Vor-
mutter». Dafür bei Voß Luise 3, 1, 636 Ahnin f.
^ahnden, v.: (veraltet) seinen Unmut über
ein zugefügtes tJbel äußern, rügen; rächend
bestrafen. Mhd, anden, ahd. andön, anadön
«strafen, rügen», mnd. anden auch «andeuten»:
dazu ags. andian «zornig sein». Abgeleitet von
mhd. a« de m. «erbitternde Kränkung», ahd. ando,
anado m. «heftige Erbitterung, Aufwallung über
Kränkung, Eifer»; asächs. ando m. «Aufgeregt-
heit, Zorn ;, ags.anda m. «Haß, Arger, Eifei*», alle
zurückgehend auf got. anan «hauchen, atmen»
in usanan «sterben» vgl. anord. a«*^^' m., öndi.
«Atem, Geist» (verwandt mit lat. animus
«Geist», anima f. «Seele», gr. aveuoc m. «Wind»).
Doch vgl. Brugmann Ber. d. sächs. Ges. d. W.
1897, 30, der gr. vöcoc «Krankheit» mit dem germ.
Wort verbindet, auch lat. nota, noiäre «kenn-
zeichnen, tadeln, rügen ^. läßt sich vergleichen.
Das Wort lautet ältemhd. meist anden (so
noch Frisch 1741, wähi-end Xieremberger 1753
ahnden hat) vmd entstammt dem Obd., wo
es auch noch in der altem Bed. «sich über
etwas beklagen»(Schönsleder 1618), «seinenUn-
mut über etwas äußern» (Dentzler 1709) vor-
kommt (vgl. auch das in md. und obd. Mund-
arten verbreitete es ist mir and «es ist krän-
kend für mich, tut mir leid», in Leipzig es tut
mir ände): in der 2. Bed. ist es aus der Kanz-
leisprache in die Schiiftsprache übergegangen
(z. B. bei Moscherosch Phil. 2, 917j. ABL.
Ahndung, f.: (veraltet) Äußerung des Un-
muts, Zorn: Bestrafung. Frühnhd. (bei Franck
Chron. 176^).
-ahnden, v.: wie ahnen (s. d.). Dazu
ahndeTOll, adj.undadv.: voll einer dunklen
Vorempfindung wovon (Goethe 2, 65 u. ö.).
^Ahne, f.: Groß-, Vormutter, s. Ahn.
-Ahne, f. (PI -n)-. StengelspHtter von
Flachs oder Hanf: StachelspHtter vom Barte
des Getreides. Zusammengezogen (bei Alberus
Dict. Qq l'' und tt 1^ unrichtig aus der
wetterauischen Mundart verhochdeutscht aun
statt an) aus mhd. agene. agen, md. auch
äne, aine, ahd, agana f. «Spreu»; dazu ags.
egenu, anord. ögn «Spreu», schwed. agn f,
«Granne», dän. avne «Spreu», engl, (entlehnt)
aicn «Abfall von Ährenspitzen», got. ahana f.
«Spreu». Aus der gleichen Wurzel yde Agel
oder J.cÄeZ(s.d.)und.4Äre(s.d.). Verwandt sind
lat. agna f. aus *acna «Ährenstachel», gr. a.-%yr\
f. «Spreu», preuss. ackons «Granne» und mit
andrer Ableitung auch lit. aknotas «Granne».
Ahne ist erst neuerdings schriftsprachlich;
Stieler 1691 setzt Agen (daneben Aunen) an,
Adelung Age f. und bezeichnet AJine als
mundartlich.
ähneln, v. : nur etwas ähnlich sein: einiger-
maßen ähnlich machen (Goethe Faust 5079).
Zuerst 1652 bei W. Scherffer Ged. 197, 1775
bei Heynatz als ein Wort aus dem gemeinen
Leben angeführt, im altem Nhd. dafiü' ähn-
lichen.
31
ahnen
Akkord
32
ahnen, v.: dunkel vorempfinden. Auch
unpersönlich mit Dat. oder Akk. (oft bei
Klopstock) verbunden. Mhd, (in md. Quellen)
mir anet und mich anet, daneben auch andet,
aus dem aber anet nicht hei-vorgegangen sein
kann, vielmehr Ableitung von der Pi-aep. ane
also eig. «es kommt mich etwas an»; später
mit anden (s. ahnden) vermischt. Im 16. Jh. bei
Luther mir (mich) ahnt, bei Alberus Dict. V 2^
es anet mir, daneben wird anden (Formen
wie ant, andt als 3. Sing, sind zweifelhaft)
auch in der Bed. «vorempfinden» gebraucht,
z. B. bei Hans Sachs. Im 17. Jh. tritt ahnen
ganz hinter ahnden zurtick (in der Bed. «dunkel
vorempfinden» bei Duez, Krämer; Stieler hat
ahnen und anden). Im 18. Jh. stehen lange
ahnen und ahnden nebeneinander, Heynatz 1775
im Handbuch und noch 1796 im Antibarbarus
zieht ahnden vor, Adelung verwirft noch 1793
ahnen (in ndd. Dialektwörterbüchern mehr-
fach verzeichnet) als niedersächsisch, während
Campe 1807 in der jetzt üblichen Weise
zwischen ahnen und ahnden unterscheidet.
Goethe gebraucht ahnden (s. ahndevoll), doch
in der Ausgabe letzter Hand meist ahnen.
Aus dem Deutschen schwed. ana, dän. ane.
ABL. Ahnung, f., bei Stieler 1691.
ähnlich, adj. und adv.: der Überein-
stimmung annähernd. Aus mhd. änelich,
anelich, ahd. analih, gew. anagüih, abgeleitet
von ana «an»; dazu got. analeikö adv. «ähn-
lich». Mit diesem Adj. (bei Luther enlich,
bei Frisius 129^, Maaler 12^ änlich, bei
Dasypodius 296 Äenlichheijt) scheint ein md.
einlich (z. B. voc. praed. x 8^ einlich vel
glich machen «similare», einlicher Waldis 2,
22, 6, eynligkeyt Alberus Dict. o 2^^) ver-
mischt zu sein, abgeleitet von oder angelehnt
an ein. Vergl. Z. f. hd. Ma. 1, 299, ZfdW. 6,
100, ABL. ähnlichen, v.: ähnlich sein oder
werden, mhd. anelichen.
Ahorn, m. {-es, PI. -e): Platane. Mhd.
ahd. ahorn (die Quantität des a ist unsicher)
m., eigentlich ein Stoffadjektiv, vgl. Osthoff
Parerga 188. Verwandt mit lat. acern. «Ahorn»,
gr. cxKacToc- y] c(p^vbaf.ivoc («Rüster, Ahorn»)
Hesych. ABL. ahornen, adj., mhd. ahornin.
ZUS. Ahornbaum, m.: spätmhd. ahorn-
houni, früher ahornenhoum.
Ähre, f. (PI. -n): der oberste Blüte- und
Fruchtteil der Gras- und Getreidearten. Aus
dem PI. von mhd. äher, eher, ahd. ehir, ahir n.
«Ähre»; dazu ndl. aar, ags. ear und cehher,
engl, ear, ferner mit erhaltenem s der Ab-
leitung, das sonst in r übergegangen ist,
anord. schwed. dän. ax, got. ahs n. «Ähre».
Verwandt ist lat. acus f.. Gen. aceris «Ge-
treidestachel», lit. aküotas m. «Granne», und da
als Grundbed. der Wurzel der Begiiff des
Spitzigen anzusehen ist, auch lat. acies f.
«Schärfe», acuere «schärfen», gr. ölkvjv m.
«Wurfspieß» usw., s. Walde s. v. acus, vgl.
Ecke. S. auch Achel und Ahne. Bei Luther
ist das Wort schon Fem. (die Ehr, Eher),
ebenso bei Henisch (die Ar, Ähr) und Gueintz
(die Ähre), während z. B. Dasj^podius noch
das N. (Äher) hat.
Aiche, aichen, s. Eiche.
Akademie, f.: Hochschule, Gelehrten-,
Künstlervereinigung. Aus gr.-lat. Academia,
gr. ÄKabriiLiia f., der angeblich nach einem
Heros Akademos benannte, zu Leibesübungen
bestimmte Platz zu Athen, auf dem Plato
lehrte; dann die von Plato gestiftete Schule.
Im 16. Jh. entlehnt (Mathesius Luther 70
Academie). ABL. akademisch, adj., 1586
bei Fischart Bodinus 39, nach lat. academicus,
gr. dKabrmiKÖc.
Akazie, f.: der Schotendorn. Aus gr.-lat.
acacia, gr. dKOKia f.
Akelei, f.: wie Aglei (s. d.). Spätmhd.
ackeley, ahd. ackeleia und acoleia (Stein-
meyer-Sievers ahd. Glossen 3, 402, 53), dazu
mnd. acoleie, nid. akelei. Aus spätlat. aculegia
stait aquilegia.
Akklamation, f. (Pl.-en): Beistimmung
durch Zuruf. Aus lat. acclamatio. Gen. accla-
mationis f. «Zuruf», von acclamare (d. i. ad-
claniare) «zurufen». Bei Sperander 1728.
akkomodieren, v. : anbequemen. Aus lat.
accomodare (d. i. ad-comodare) «anbequemen».
Schon bei Rot 1571 acconiodirn.
akkompagnieren, v.: in der Musik mit-
spielend begleiten. Aus franz. accompagner
«begleiten», s. Kompagnie. Um 1600 entlehnt
(Albei'tinus Kriegsleut Weckuhr 48^).
Akkord, m. (-es, PI. -e): Übereinkunft,
abgeredeter Vertrag, im besondern der Lohn-
vertrag; der stimmende Zusammenklang m der
Musik. Aus dem gleichbed. franz. accord m.
von mlat. accordum (d. i. ad-cordum) oder ac-
cordium n., das auf lat. cor. Gen. cordis, «Herz»
zurückgeht. Im 16. Jh. entlehnt. ABL. ak-
kordieren,v.: vertragsweise übereinkommen;
auf den Preis imterhandehi ; in Lohnvertrag
übernehmen., Aus dem gleichbed. franz. ac-
corder. Im teutschen Michel 1617 erwähnt,
auch bei Moscherosch Phil. 1, 322.
33
akkurat
Akzise
34
akkurat, adj. und adv.: sorgfältig, ganz
genau. Aus lat. accuratus, eig. Part. Perf.
Pass. von accurare (d. i. ad-curare) «Sorgfalt
worauf verwenden, pünktlich besorgen». Im
17. Jah. entlehnt (Weise Erzu. 7). ABL.
Akkuratesse, f.: Sorgfalt, völlige Genauig-
keit im Tun, Pünktlichkeit. Mit der franz.
Endung -esse nach ital. accuratezza f. ge-
bildet, das lat. acciiratitia lauten würde. Bei
Sperander 1728.
Akkusativ, m. {-es, PI. -e): der auf die
Frage wen? oder was? stehende Fall. Aus
lat, accusativus «anklägerischer (Kasus)», von
accusare «anklagen», eine Übersetzung des
griechischen Grammatikerwortes airiaTiKr) f.
(nämlich tttujcic).
akquirieren, v.: erwerben. Von lat.
acquirere (aus ad und ^waerere gebildet) «dazu
erwerben, erwerben». Schon bei Rot 1571
aequirirn. .
Akt, m. (-es, PI. -e): Handlung, Ver-
handlung; Verhandlungsschrift (daher von
einer Sache Ä. nehmen, d. i. zur Kenntnis
nehmen, eig. schriftlich) ; Aufzug im Bühnen-
spiel. Aus lat. actus, Part. Perf. Pass. von
agere «handeln, tun». In der 1. Bed. bei Al-
bertinus Lustg. 61, in der 3. Bed. schon im
16. Jh. in lat. Form actus, bei Opitz Akt. —
Akte, f.: Verhandlung, Verhandlungsschrift,
namentl. eines Parlaments. Bei Wächtler 1711.
Aus lat. acta, Neutr. PI. von actus. — Akten,
PI.: Verhandlungsschriften, Gerichtsschriften.
Aus lat. acta. In der frühnhd. Kanzleisprache
(Eeichs-Ordnungen 42^ von 1500 neben acta).
Aktie, f. (PI. -n): Anteilschein als Ver-
sicherungsurkunde bei einem auf Gewinn
gegründeten gesellschaftlichen Unternehmen.
Aus ndl. actie, das auf lat. actio «Handlung»
beruht, zu agere. Bei Ludwig 1716. ABL.
Aktionär, m {-s, PI. -e): Inhaber eines
solchen Anteilscheins. Aus franz. actionnaire,
das auf mlat. actionarius beruht, von actio,
Gen. actionis «Handlung». Erst im Beginn
des 19. Jh.
aktiv, adj. und adv.: tätig, wirkend. Aus
lat. activus «tätig», von actus, s. Akt. Bei
Wächtler 1711 actif. Dazu Aktivum, n.:
die Form des Verbums, in der es eine Tätig-
keit ausdrückt, Tätigkeitsform. — Aktiva,
PI.: tatsächliches Vermögen, ausstehende
Schulden. Im 18. Jh.
Aktuar, m. {-s, PI. -e)-. der zum Auf-
schreiben amtlicher Verhandlungen oder Aus-
sagen Angestellte. Aus lat. actuarius m. «Ge-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Schwindschreiber, Rechnungsführer», von actus,
s. Akt. In dieser lat. Form schon bei Rot 1571,
Akustik, f. : Wissenschaft von Schall und
Ton, Klang- und Gehörlehre. Aus gr. cikou-
cTiKr) «die zum Hören gehörige» (nämlich x^x^n
«Wissenschaft»), F. des Adj. dKoucxiKöc von
diKoüeiv «hören». Im 18. Jh. entlehnt. —
akustisch, adj.: der Akustik gemäß.
Akzent, m. {-es, PI. -e)-. hervorhebender
Silben- oder Wortton; Redeton; Tonzeichen
z. B. a a a. Aus lat. accentus m. von acci-
nere (d.i. at^-dwere) «wozu singen». Um 1500
entlehnt (Luther 3, 58* Jen.). J.5Z/. akzen-
tuieren, V., aus mlat. accentuare, im 18. Jh.
entlehnt (Lessing 7, 37).
akzeptieren, v.: anerkennend annehmen.
Wie franz. accepter aus gleichbed. lat. accep-
tare (d. i. ad-ceptare). 1403 acceptiren (Frankf.
Reichscorresp. 1, 739).
Akzeß, m. {-sses, PI. -esse): Zutritt zu
einem Amt, um sich in Ausübung desselben
vorzubereiten. Aus lat. accessus m. «Zugransf»
von accedere (d. i. ad-cedere) «herzutreten,
-kommen». Bei Rot 1571 in der allgemeinen
Bed. «Zugang», unsre spez. Bed. erst im 18. Jh.
ABL. Akzessist, m. {-en, V\.-en): der sich
einem Akzeß Unterziehende (GotterGed. 1, 100).
— Akzessit, n.: dem Hauptpreise für eine
Leistung fast gleichgeltender Nebenpreis. Aus
I franz. accessit «Nebenpreis», d. i. lat. accessit,
I «es ist hinzugekommen», der 3.Pers. Sing. Perf,
von accedere (d. i. ad-cedere) «her zutreten».
Akzidenzien, PI.: Nebeneinnahmen in
einem Amte. Aus lat. accidentia PI. «zufällig
Zukommendes», eig. «Zufall», von accidens,
Part. Praes. von accidere (d. i. ad-cidere)
«zufallen». Bei Krämer 1678 verzeichnet.
Akzise, f. (PI. -n)-. Zehr- und Waren-
steuer; SteUe, wo sie in Empfang genommen
wird. Aus dem gleichbed. franz. accise f., das
auf mlat. accisia von accisum, Part. Perf.
Pass. von accidere «an-, einschneiden» zui'ück-
geht, also eig. «Einschnitt, nämlich in die Kerb-
stöcke, auf denen der Steuerbetrag des Pflich-
tigen eingeschnitten war» (diese Stöcke wurden
gespalten und dienten, indem die eine Hälfte
in der Hand des Steuerpflichtigen, die andere
in der des Erhebers blieb, auch zur Quittung
und Kontrolle). Schon seit 1300 nrhein.
assise, accise, accinse u. dgl., allgemeiner
im 16. Jh. (Schupp 1, 512 hat Accis als m.,
Schottel 1663 dagegen Accis f., bei Fischart
Pract. Großm. 1607 C 6^ Acciser m. «Steuer-
einnehmer)».
3
35
Alabaster
Aldermann
36
Alabaster, m. (s, PI. wie Sg.): fein-
körniger, harter, polierbarer Gipsstein. Mlid. ^
alabaster n. aus lat. alabastrum, gr. äXäßacrpov j
n. (daher got. alabalstrawi), früher dXcißacTpoc
m. «sinteriger faseriger Kalkstein, daraus ge- :
arbeitetes Gefäß». Dies stammt vielleicht aus
dem Orient. Ygl. Levy Sem. Fremdwörter 55.
J.J5I/. alabastern, adj.: aus Alabaster; (bild-
hch) blendend weiß.
^Alant, m. {-es, PI. -e): in schnellfließen-
dem Wasser lebender, dickköpfiger, wohl-
schmeckender Fisch vom Karpfengeschlecht, j
cyprinus cephalus. Mhd. alant, ahd. alant, \
ahmt; dazu asächs. alund m. Dunkler Her-
kunft, A-i eileicht mit Aal zusammenhängend.
'Alant, m. {-es, PI. -e): bei uns wild-
wachsende Pflanze mit gewürzhafter, bitter i
schmeckender Wurzel, die als magenstärkendes i
Arzneimittel dient, inula helenium. Mhd. ahd.
alant m. Wahrscheinlich von dem \'xilgär-
lat. und span. port. ala (Isidorus orig. 17, 11, 9), '
vgl. Älbeere; die Pflanze (lat. inula f., gr. ^
^\^viov n.) hat im Mlat. schwankende Be-
nennung, z. B. anula, elna. ellenius. \
Alarm, m. {-es): aufregendes Geschrei i
und Getöse. Aus dem gleichbed. franz. i
alarme f., span. allarma f., ital. allarme m.
«zu den Waffen!» Seit dem 15. -Jh. als Älerni, '
Älann, Alarmen, s. Lärm. ABL. alar- 1
mieren, v. : dm-ch Lärm beunruhigen oder i
aufschi-ecken. Aus fi-anz. alarme^- . Im 17. Jh.
Alaun, m. und n. {-es, PI. -e): weißes,]
halbdurchsichtiges, zusammenziehendes Erd-
salz. Mhd. alün m., aus dem gleichbed. lat.
almnen n. (vgl. darüber Walde s. v.), woher
auch franz. ahm, ital. alume m. ABL. alail- \
neu, V.: mittelst Alaun bearbeiten, mhd.
alunen. '
Alb, s. Alp. !
AI bäum, m. {-s, Vl.Albäume): der Hecken-
kirschbaum, die Hundsbeerstaude, lonicera 1
xylosteum. Frisch 1741 hat als schlesisch
Aalkirsche-, die Frucht ist nach der Ähn-
lichkeit mit der Albeere (s. d.) benannt,
^Albe, f. (PI. -n): das weiße Chorhemd |
des Geistlichen. Mhd. albe, ahd. alba aus I
dem gleichbed. kirchlich-lat. alba f., zu lat.
albus «weiß».
-Albe, f. (PI. -n): fi-üher Albel, f. (PI. -n): ^
der kleine Weißfisch, cyprinus alburnus. Mhd. i
albel m. aus dem lat. albula, f. von albulus,
Dem. von albus «weiß».
Albeere, f.: die schwarze Johannisbeere.
In Niederdeutschland (schon mnd. albere,
ndl. aalbes f.). Auch Alantbeere; der Name
wegen der Ähnlichkeit im Geschmack mit
der Alantivurzel.
Alber, f. (PI. -n)-. die Weißpappel, poprdus
alba. Mhd. alber, ahd. albari m. «Pappel»,
entlehnt aus ital. albero (aus lat. albulus)
«Weißpappel». Vgl. Abele.
albern, adj.und adv.: (veraltet) natürlich-
einfach und ohne verfeinernde Ausbildung;
geistig unfähig, ungeschickt. Mit Antritt
eines n aus mhd. alwcere «einfältig», ahd.
alawäri aber «gütig, freundlich zugeneigt»,
im got. alawerei f. «volle Aufrichtigkeit»
(dui'ch Konjektm- hergestellt), zusamraenges.
aus einem verstärkenden ala- und -wärt
«freundlich», auf welche Bedeutung auch das
got. unwerjan «unfreundlich werden, unwillig
sein», schließen läßt. Vgl. DWB. 13, 689. Die
älternhd. Form (auch bei Luther) ist alber (so
noch bei Krämer 1678 und Stieler 1691, hier
aber daneben albern, und selbst bei Frisch
1741), das auch im 18. Jh. noch vorkommt
{albre Haller Ged. 71, Akk. albern Lessing 2,
231). ABL. albern, v.: sich albern benehmen
(bei Stieler 1691). Dazu Alberei, f. (bei
Lessing). Albernheit, f (dafür Alberheit
bei Krämer 1678).
Albert, Albreelit, s. Adel.
Album, n. {-s, PI. -s oder Alben): Stamm-,
Gedenkbuch. Aus lat. album n. «das Weiße»,
biet das zu Beschreibende, subst. Neutr. des
Adj. albus «weiß». Im 17. Jh. aufkommend,
bei Nehring 1710 verzeichnet.
Albus, m. (Gen. u. PI. ebenso): Weiß-
pfennig, seit 1360 geschlagene Münze in
Westdeutschland, zuletzt im Kurfürstentum
Hessen im AVerte von 9 Pfennigen. Aus
mlat. albus (näml, nummus) «weiße Münze,
Silberscheidemünze ».
Alchimie, f.: die Goldmacherkunst. 1512
bei Murner Narrenbeschw. 6, 39 alchimey,
mhd. alchemie, alchamie aus mlat. alchimia f.,
dieses aus gr. xnM^ia (mit Aussprache des
T] = i) «die Chemie» (von xvpiöc m. «Saft,
Flüssigkeit» gebüdet, von x^eiv «gießen») durch
Vermittlung der Araber und daher mit dem
arab. Artikel al, arab. alkimijä, woraus auch
span. alquimia. ABL. Alchimist, m.: der
die Goldmaclierkunst beti'eibt, mhd. alchiniiste
von mlat. alchimista m.
Aldermann, m. {-s, PI. -männer): Älte-
ster in seiner Würde als Ratsherr oder über-
haupt als Vorstand. Schon mhd. (in mitteld.
Quellen) aldirman, aber erst wieder in den
37
Ale
Alkoven
38
70 er Jahren des 18. Jh. auftauchend, und zwar
entlehnt aus engl, alderman «RatsheiT», ags.
ealdorman «Fürst, Vornehmer», zusammenges.
aus ags. ealdor «Ältester, Herr» und man
«Mann».
Ale, n. (spr. el) : das englische ungehopfte,
süße Weizenbier. Das engüsche ale, ags. ealu n.,
asächs. alo (in alo-fat n. «Biergefäß»), anord.
schwed. dän. öl «Bier» gehört zu abg. olü
«sicera» lit. alüs, lett. alus «Bier», Stamm
alu-, von dem auch wohl lat. cdUmen «Alaun»
(s. d.) abgeleitet ist, vgl. Walde s. v.
Alemanne, m. (-w, PI. -n): Name der
am Oberrhein wohnenden Völkerschaft, die
zuerst im Anfange des 3. Jh. n. Chr. genannt
wird. Lat. Alemannus aus ahd. Alaman, zu-
sammenges. aus ala- (in Zusammensetzungen)
«all, ganz» und man «Mann», vgl. got. alamans,
PI. «alle Menschen, Menschheit». Daraus
franz. Ällemand, ital. Älamanno, span. Aleman
(mit erweitertem Begrüf) «Deutscher», danach
auch mhd. Ahnan. Das Adj. alemanniscll
als Bezeichnung des am Oberrhein gespro-
chenen Dialekts erst im Anfang des 19. Jahrh.
(durch Hebel).
alert, adj.: flink, munter. Aus franz.
alerte, span. alerto «muntei*, wachsam», zu-
sammengerückt aus franz. ä Verte, span. al
erta «auf der Hut», eig. auf der Höhe, wo
man von nahenden Feinden nicht überrascht
werden kann. Im 17. Jh. entlehnt.,
Alexandriner, m. {-s, PI. wie Sg.): aus
6 Jamben bestehender Vers mit einem Ein-
schnitt in der Mitte. Nach franz. {vers)
alexandrin, zuerst angewandt in dem franz.
Heldengedicht Alexander der Große (roman
d'Alixandre) und danach benannt (im 12. Jh.).
Alfanz, m. (-es, PI. -e): Possenreißerei;
falsche Vorspiegelung, Betrug. Mhd. alefanz
«Betrug, Schalkheit»; auch persönlich «Schalk».
— alfanzen, v.: Possen reißen. Betrug
üben (bei Luther). Man vergleicht ahd. giana-
venzön «Gespött treiben», ganavenzöd «Spöt-
terei» (vgl. hess.-thür. fanzen «Possen treiben»,
bayr. fenzeln «zum besten haben», gefenz
«Spott»), mhd. anvanz «Betrug», die zurück-
gehen auf ein Masc. vanz «Schalk» (mhd.
Dem. vänzelin «junger Schalk», vgl. auch
Fant), dazu anord. fantr «Vagabund, Gaukler».
Alfanz erscheint aber zunächst in der Bed.
«Betrug» (bes. in der Redensart den alefanz
slahen) und geht daher wohl auf ital. alV
avanzo «zum Vorteil, zum Gewinn» zurück,
indem es zunächst ein betrügferisches Ver-
fahi-en beim Handel bezeichnet, erst später
erfolgte Anlehnung an Fanz. Vgl. Firlefanz.
ABL. Alfanzerei, f. (bei Luther).
Alfons, s. Adel.
Alfred, Mannesname. Aus ags. Alfred
(ahd. Albrät), zusammenges. aus ags. (elf m.
«Alp» (s. d.) und red, rced «Rat».
Algebra, f.: die Buchstabenrechnung.
Nach span. ital. algehra, franz. algebre f. aus
arab. (mit dem Artikel al) al-jahr (bei den
arab. Mathematikern) « Zurückführung gebro-
chener Zahlen aufs Ganze», eig. «Verbindung
getrennter Teile zu einem Ganzen», von arab.
jabara «Getrenntes an einander befestigen,
verbinden».
Alizarintinte, f.: schwarze Tinte mit
anfangs blaugiliner ^Färbung, imter Zusatz
von Krapprot zuerst 1855 durch Leonhardi
in Dresden hergestellt. Zusammenges. mit
Alizarin n. «Krapprot», von span. alizari ni.
«levantischer Krapp», einem aus dem Morgen-
land stammenden Worte (arab. 'osära «aus-
gepreßter Saft» von \isara «auspressen»).
Alkali, n. (-S, V\. Alkalien): das (aus der
Pflanzenasche gezogene) Laugensalz. Im 16. Jh.
bei Paracelsus (Opera 1, 697) Alkali, 1594 bei
Fischart Onomast. 389 Aleali. Nach franz.
alcali, span. alcali m. aus arab. (mit dem Ar-
tikel aT) al-qäli «die salzhaltige Asche aus der
bes. in Südspanien wachsenden Pflanze Glas-
schmalz (salicornia)», von arab. (j'fl^ä «im Tiegel
kochen, rösten».
Alkohol, n, und m. (s, PI. -e) : der reinste
Weingeist. Aus span. alcohol von arab. (mit
dem Artikel al) alkuhl «feines Spießglanzpulver
zum Färben der Augen» (daher engl, alkool
«Antimonschminke» und frühnhd. bei Thur-
neysser Onomast. 1583 alcofol Puder, 1574 in
Fischarts Onomastica 388 Alcohol est pulvis
' suhtilissimus), dann auf den feinsten Wein-
j geist übertragen (bei Fischart a. a. 0. Alcohol
; vini). Vgl. Mahn Etymol. Unters. S. 107.
Alkorau, m. {-s, PI. -e): der Koran, die
heilige Schiift der Mohammedaner. Nach span.
I franz. alcoran, ital. alcorano aus arab. (mit
dem Artikel al) alquränu «Lesung, Buch»,
von arab. garaa «lesen». 1562 bei Mathesius
Sarepta 94'' Alcoran. S. Koran.
Alkoven, m. {-s, PI. wie Sg.) : zum Schlaf-
cremach bestimmte Seitenvertiefung eines Zim-
mers. Aus franz. engl, alcove, ital, alcova, span.
alcoha f. «Schlafgemach», entlehnt aus arab.
(mit dem Artikel al) al-qohha «Wölbung, ge-
wölbtes Gemach, Zelt» (daher atVanz. aucuhe
3*
39
all
allerhand
40
und daraus mhd. bei Wolfram Willeh. ekub
«Zelt») von arab. qabba «abschneiden, aus-
höhlen». 1711 bei Wächtler als Älcove, Al-
coven und 1716 bei Ludwig als Alcove m. ; diese
Form findet sich auch noch später, z. B. bei
Uhland 78 (bei Voß Luise 2 zu ÄlJcov verkürzt).
all, adj.: die einzelnen zusammengenom-
men, so daß nichts fehlt; zuweilen auch wie
ganz (alle Gegend Goethe 16, 47) und jeder
(mid so schläft nun aller Vogel Goethe 6, 220,
allen Augenblick Goethe Egm. 1). Mhd. ahd.
al (Gen. alles); dazu asächs. ndl. al, ags. eall,
engl, all, anord. allr, schwed. dän. all, got.
alls. Verwandt ist altir. uile «ganz, jeder, all»,
lit. al- in alvienas «ein jeder» (Mikkola, Bezz.
Btr. 25, 73). Da neben all auch ein ahd. ala-
in Zusammensetzungen (s. albern) steht, wird
das zweite / in all durch Assimilation eines
suffixalen n erklärt, vgl. Bnigmann Die Aus-
drücke für den Begriff der Totalität 66 ft'. all
flektiert stark, daneben kann wie mhd. ein un-
flektiertes all in allen Kasus stehen. Außerdem
gibt es (schon bei Luther) ein unflektiertes alle
(auf das auch all z. T. zurückgeführt werden
kann), dies ist aus dem urspr. nur nach Präp.
gesetzten alten mask.und neutr. Instrumentalis
mhd. alle, ahd. allu hervorgegangen, z. B. nach
alle dem, mit alle dem Heere (l.Mos. 33, 8),
der dann auch adverbiell (wie mhd. mit alle,
bei alle «vollständig») verwendet worden ist,
z. B. alle dis volck (2. Mos. 18, 23) d. i. «voll-
ständig, ohne Ausnahme dies Volk», dann ganz
entsprechend dem unflekt. all verwendet. Auch
in alle machen, alle sein, alle werden (seit
Luther vorzugsweise bei Mitteldeutschen) geht
alle auf den advei'biell gewordenen Instnimen-
talis zurück, also eig. «vollständig», dann «ab-
geschlossen, vorbei, nicht mehr vorhanden».
Subst. All, n. (-s): die gesamte Schöpfung.
Im 17. Jh. In Zusammensetzungen steht all-
(mhd. al-, ahd. ala-) höchst verstärkend, z. B.
allgegenwärtig, allwissend, s. auch albern.
allaf! es lebe hoch! Niederrheinisch, z.B.
Allaf Köln! Eig. «alles ab», wie mhd. ivol ab,
das in der Bedeutung «Hurra hoch» um 1280
bei einem schwäb. Spruchdichter in einem
gegen Rudolf von Habsburg gerichteten Spruch
begegnet (Kluge ZfdWf. 2, 71).
allda, adv.: das demonstrative räumliche
da, verstärkt durch all. Mhd. aldä.
alldieweil, s. dieweil.
alle sein, werden, s. all.
Allee, f. (PI. -n): Baumgang. Aus franz.
allee f. «Lustgang zwischen zwei dazu ange-
legten Baumreihen», urspr. allata, von franz.
aller «gehen». 1644 bei Zeiller Episteln 4, 261.
Allegorie, f. (PI. -n)-. sinnbildliche Dar-
stellung. Mit gleichbed. franz. allegorie aus
gr.-lat. allegoria, gr. äWriTopia f. eig. «was
anders gesagt ist, als es verstanden werden solb
(äWoc «andrer» und dYopeiv «reden»). Schon
frühnhd. (Luther 3, 76^ Jen.), allegorisch,
adj., 1586 Fischart Bodinus Vorr. 13.
allein, alleine (dichterisch, z. B. bei
Goethe, ühland), adj. (nur prädikativ): ohne
ein anderes. Aus mhd. aleine (mit schwacher
Flexion) «ganz für sich seiend» (auch das un-
verstärkte schwache eine, ahd. eino hat die
Bed. «allein»); entsprechend ndl. alleen, engl.
alone. allein, adv.: ausschließlich, nur; auch
in allein daß = «nur daß» und (dem sondern
auch voraufgehend) nicht allein = «nicht nur».
Als satzeinleitende Partikel bezeichnet allein
Entgegensetzung und Beschränkung = « doch,
aber» (von Luther gebraucht, aber später nicht
allgemein, noch 1755 vonDomblüth bekämpft).
allemal, adv.: jedesmal ohne Ausnahme;
so und nicht anders, gewiß ; doch wohl, gleich-
wohl (Geliert Fab. 1, 51). Gebildet aus den
aneinandergefügten Akk. PI. mhd. alliu mal.
allenfalls, adv.: eintretendenfalls, mög-
licherweise. Mit angetretenem adverbialischen
-s gebildet aus den aneinandergefügten Akk.
Sg^ allen Fall, also eig. «auf jeden Fall, ohne
Ausnahme, alle möglichen Fälle ins Auge ge-
faßt»; bei Stieler 1691. A-BL.allenfalsig,adj.:
nur in der Kanzleisprache; 1775 bei Heynatz.
allenthalben, adv.: auf allen Seiten.
Mhd. allenthalben, aneinandergerückte Dat.
PI. mit eingeschobenem t, ahd. allenhalbon.
zu mhd. halbe, ahd. halba f. «Seite, Richtung»,
aller-, der zur Verstärkung vor den Super-
lativ eines Adj. oder Adv. tretende Gen. PI.
von all, z. B. allererst, allerliebst, wie mhd.
aller, das aber noch nicht mit dem folgen-
den Wort fest verbunden ist.
allerdings, adv.: (veraltet) in allen
Stücken, gänzlich; gewiß und wahrhaftig,
(konzessiv gebraucht) freilich. IVIit angetre-
tretenem adv. -s aus den aneiniuidergemckten
Gen. PI. aller dinge (so bei Luther und noch
im 17. Jh.); tritt um 1600 auf (Albertinus
weibl. Lustgarte 179).
allerhand, adv., auch attributiv mit einem
Subst. verbUiiiden: von jeder Art, mancherlei.
Aneinandergei-ückte Gen. PI. mhd. aller hande,
aller hende, worin hende s. v. a. Art, eig. die
41
Allerheiligen
Allotria
42
durch die Hand bestimmte Richtung (mhd.
z. B. auch dner hande «dreierlei»).
Allerheiligen (unverändert, weil eig.
Gen, PL): das allen Heiligen gewidmete, hohe
Fest der römisch-kath. Kirche am 1. Nov.
Mhd. aller heiligen tac.
allerlei, adv., auch attributiv mit einem
Subst.: in Vielheit verschiedenartig. An-
einandergerückte Gen. PI., mhd. edler leige,
aller lei. s. lei. Substantiviert: Allerlei, n.
Allermanusharnisch, m. [-es): die
Pflanzen allium victorialis und andrösaces.
Benannt, weil sie nach dem Volksglauben
unverwundbar machen. Schon bei Rößlin
1538 S. 292 d Allermannharnisch.
allerorten, allerorts, adv.: an allen
Orten. Die 1. Form (z. B. bei Albertinus
weibl. Lustgarte 59^) geht auf die aneinander- i
gerückten Gen. PI. aller ort mit angetretenem
adverb. -eu, die 2. (erst junge) Form auf
dieselbe Grundform mit angetretenem adv.
-.s zurück. i
Allerseelen (unverändert, weil eig. Gen. j
PI.) : in der römisch-katholischen Kirche der
Gedächtnistag der Verstorbenen (2. Nov.).
Urspr. Aller Seelen Tag.
allerseits, adv.: auf, nach, von allen
Seiten oder Richtungen. Auf die aneinander-
gerückten Gen. PI. aller seifen (daher das
veraltete Adv. allerseiten) zurückgehend, mit
angetretenem adverb. -s. Um 1600., ABL.
allerseitig, adj., 1663 bei Schottel 347 ä.
allerwärts, adv.: nach, in allen Rich-
tungen. Verbindung des Gen. PI. aller mit
wärts (s. d.). Erst in der 2. Hälfte des 18. Jh.
von Niederdeutschen, z. B. Klopstock ge-
braucht, aber von Hejnatz 1775 beanstandet.
allerwegen, adv, : an allen Orten. jVIhd.
(in md. Qaellen) aller wegen. Aus den an-
einandergerückten Gen. PI. aller wege mit
angetretenem adverbialen -n.
allewege, adv.: stets fort, immer. Die
aneinandergerückten Akk. PI. mhd. alle icege,
von räumlicher Bezeichnung in zeitliche über-
gegangen. ^
alleweile, adv. : zu jedem Zeitpunkt, eben.
Nur mundartlich (ober- und mitteld.). Aus
dem Akk. Sg. mhd. alle teile, s. Weile.
allezeit, allzeit, adv.: zu jeder Zeit.
Aneinandergerückte Akk, PI, mhd. alle zite,
ahd. allo ziti.
allgemein, adj. und adv.: Allen gemein-
schaftlich. Mhd. findet sich nur das adv.
algemeine «insgesamt, auf gemeinsame Weise».
Das Adj. fi-ühnhd. (1541 bei Frisius 180'',
1561 bei Maaler).
alliieren, refl. v.: sich vereinigen. Aus
dem gleichbed. franz. s'aUier, dessen allier
aus lat. alligare d. i. ad-ligare «an-, festbinden,
verpflichten». Bei Krämer 1678. — Allianz,
f. (PI. -en): Bündnis. Aus franz. alliance f.,
das auf ein mlat. alligantia (vom Part. Praes.
alligans, Gen. alligantis gebildet) zurückgeht.
Schon 1617 im teutschen Michel.
Alligator, m. (-.9. PI. -s): das amerika-
nische Krokodil. 1594 bei Frischlin Nomencl.
Cap. 45 Allegarden, Crocodil. Aus franz. engl.
alligator, entstellt aus span. el lagctrto (eig.
el lagarto de Indias), vom lat. lacerfus m,,
lacerta f. «Eidechse».
Alliteration, f. (PI. -en) : der gleiche An-
laut verschiedener Wörter. Nach dem gleich-
bed. franz. alliferation aus einem neulat. allite-
ratio (aus ad-liferafio), von litera «Buchstabe».
Allmacht, f: Macht über alles. Ahd.
alamahf f., aber mhd, nicht belegt, erst wieder
bei Henisch 1616 (nicht bei Luther), Wohl
neu gebildet von dem Adj, allmächtig, mhd.
almähtec. almehtec, ahd. alamaht ig; dazuasächs,
alamahf ig. ags. celmihtig, engl, almighty, anord.
almätfigr.
allmählich, adv.: ganz bequem, ohne alle
Geschwindigkeit. Aus mhd. (in einer mitteld.
Quelle) ahnechlich, später auch algemechlich,
aus al und gemechlich, woraus mit Anlehnung
an Mal, die auch bei gemechlich vorkommt
(gemählig Moscherosch Phil. 1, 225), aUgemäh-
lich und allmählich (allmählig) wurde. Beide
bei Stieler 1691 verzeichnet. Vgl. mählich.
Allmende, f. (PI. -n): gemeinheithcher
Grund imd Boden zu Nutzung, besonders
Gemeinweide, Gemeindebezirk (Goethe 16, 47).
In Südwestdeutschland noch übHch. Aus mhd.
almende, almeinde (daneben auch almeine,
algemeine), hervorgegangen aus algemeinde f.,
zu gemeine «gemeinschaftlich» (vgl, bayr, die
Gemein « Gemeinweide »).
AUod, n, {-es, PI, -e): das Ganzeigeu, das
echte (vererbhche) Eigentum, im Gegensatz
zu Lehngut, Aus gleichbed. mlat. allodium,
das auf ahd. alöt, afränk. alödis zurückgeht,
dies aus al «ganz» und 6t n, «Besitz» (davon
ahd, ötag «reich», vgl. asächs. öd, ags. eaä n.,
anord. audr m. «Reichtum, Besitz» got. auda-
haffs «beglückt»). ABL. allodial, adj.: frei
erb- und eigentümlich, aus mlat. allodialis.
Allotria, PI.: ungehörige Dinge. Aus gr.
dXXöxpia, N. PI. von äXXÖTpioc «fremdartig,
43
alls
Alphabet
44
nicht zur Sache gehörig», abgeleitet von äXXoc
•;;der andere». Im 18. Jh. aufgenommen (der
j. Goethe 2, 449).
alls, adv.: in einem fort, immer; wieder-
holt. Nur noch mundartlich (in Südwest-
Deutschland, Hessen, Thüringen, auch bei
Schiller in Kab. u. Liebe 1, l). Aus mhd.
alle^ «immer», dem adverbiell gebrauchten
Akk. Ntr. von aJ.
Alltag, m. (s, PI. -e): der gewöhnliche
Werktag, den Feiei-tagen entgegengesetzt.
In der altem Sprache nur das Adv. alitag,
alltags «täglich» (vgl. mnd. aldages) aus den
aneinandergerückten Akk. PI. alle tage mit
angetretenem adv. -s entstanden, das dann in
Zusammensetzungen wie AlltagsM eider (Stieler
1691) erscheint, daraus erst das Subst. Alltag.
ABL. alltäglich, adj. : werktäglich (aber all-
tä^glich ist das durch all verstärkte täglich).
Allvater, m. (s): Vater des Weltalls,
Gott. Nach anord. alfaäir (der Bezeichnung
Odins) von Klopstock gebildet.
allzumal, adv.: allinsgesamt. ^l\idi.aXzemal.
Alm, f. (PI. -en): Gebirgsweide. Neben-
form von Alpe (s. d.), mhd. alhe, Gen. alhen,
woraus im Bayrischen der Nom. alm, der
schon in frühnhd. Quellen des 15./16. Jh.
erscheint. ZTJS. Almrausch, m. {-es):
Alpenrose. Bayrisch.
Almauach, m. (-es, PI. -e): Jahrbuch.
Aus franz. ahnanacli, das auf griech.<iA,|uevixiaKd
zurückgeht, wie nach Eusebius (f 340) prae-
paratio evangelica 3, 4 mit Beziehung auf
den Syrer Porphyrius (f 304) die ägyptischen
Kalender genannt worden sind. Dies stammt
vielleicht aus dem Koptischen. Almanach
erscheint bei dem Astronomen Georg von
Peurbach (f 1461) zu Wien in einer lat.
Schrift für astronomische Beobachtungen
und Jahresberechnungen und büi-gerte sich
im 16. Jh. in Deutschland ein.
Almer, f. (-s, PI. wie Sg.): Kasten, Wand-
schrank in oberd. und md. Mundarten. Im
15. Jh. almerl, armer, meist weitergebildet
almerei, vgl. Heyne Hausalt. 1, 262. Aus
mlat. ahnaria f. «Geräteschrank», hervorge-
gangen aus dem Plur. des gleichbed. mlat.
almarium, armarium n., von lat. nrnia pl.
«Gerät, Waffen».
Almosen, n. (-s, PI. wie Sg.): Armen-
gabe. Aus mhd. almuosen, ahd. alamuosan,
ahrwsan n. (daneben auch elemosyna, elimuo-
sina, alamuasa f.); dazu ndl. aalmoes, ags.
(elmesse, engl, ahns (PL), anord. ölmusa,
schwed. abnosa, dän. nlmisse f. Aufgenommen
aus dem in der Kirchensprache üblichen gr.-
lat. eleemosyna, gi\ ^XeriMoc'J'vn durch Ver-
mittlung des Romanischen, wo es afranz.
almosne, nfranz. aumöne, prov. span. almosna,
ital. limosina f. lautet. Die Form Almosen
(bei Luther, aber sonst im 16. Jh. oft Al-
müsen, Älmusen, Hulsius 1596 hat Allemosen)
erklärt sich durch Einwirkung des Grund-
wortes. Altemhd. auch an arm angelehnt
Armüsen n. (Hug Rhetorica 1540). ABL.
Almosenier, m. (-s, PI. -e): Almosenpfleger.
Nach franz. aumonier gebildet, das auf mlat.
' eleemosynarius zm-ückgeht.
Aloe, f. (PI. -s, -n), Name mehrerer aus-
ländischer Pflanzen. Mhd. ahd. aide, aus gr.-
lat. aloe, gr. ä\6r] f., das auf hebr. 'ahäUm
PI. «Aloeholz», npers. älwä zuiückgeht.
Alose, gekürzt Alse, f. (PI. -n): der Mai-,
Gangfisch. Aus franz. alose, und dies aus
altkeit. lat. alausa f. (Ausonius Mosella 127).
Alse schon 1563 in Forers Fischbuch 179^.
Alp, m. (-es, PI. -e): lastend aufliegende,
brustbeklemmende Traumgestalt. Mhd. alp
(Pl.elbe) bedeutet «gespenstiges Wesen, Nacht-
gespenst», ebenso nmd.aZ/'m., übereinstimmend
; mit ags. celf, anord. dlfr m. «Elfe«, das man zu
skr. fbhüs- «kunstreich, Bildner», auch Name
von drei kunstreichen Elfen, gestellt hat.
Vgl. Mogk Pauls Grd. ^ 3, 268. Alp ist md.
j und* findet sich bei Luther und Alberus in
der Bed. «Kobold, Dämon», die sich später
[auch in der Anwendung auf Menschen zeigt;
[jetzt hat sich nur die auch schon mhd. Bed.
«aufliegendes Nachtgespenst» erhalten.
Alpe, f. (PI. -n): Bergweide auf den
Alpen. Mhd. alhe, Gen. alhen (s. Alm), ahd.
alpa f. (PI. alpim «Alpen») «hoher Berg», hängt
I mit lat. Alpes, gr.-gall. "AXireic zusammen.
Diese sind kaum zu lat. albus «weiß» zu
' stellen, sondern gehören zu einem wahr-
scheinlich vorindogeiTD. Worte alh «Berg,
i Höhe», das in zahh-eichen Örtlichkeitsnamen
i wie Albion, ir. Alba «Schottland», ital. Alba
I longa, Alburnus «ein Gebirge in Lukanien»
i über Westeui'opa verbreitet ist. Vgl. Walde
s. V. albus. Im Nhd. erhielt sich die Bed.
i «Gebirge» nur in den Namen {die rauhe
; Alb auch mit der ui'sprünglichen Lautfonn).
I ABL. Alpiier, m. (-s) : Alpenbewohner, uin
\ 1480 im voc, ine. teut. a 5* alhner. Daneben
Älpler, Älpler m.
Alphabet, n. {-s, PI. -e)-. das Abc. Mhd.
: alfabete aus dem urspr. von Kirchenschrift-
45
Alpranke
Alter
46
steilem gebrauchten gr.-lat. alphahetum n.,
gr. äXqpctßnToc m. f., nach den !Samen der
beiden ersten griech. Buchstaben äXqpa = a
und ßfixa = h. ABL. alphabetisch, adj.
Alprauke, f. tPl. -/n: der strauchartig
kletternde Nachtschatten (solanum dulca-
maraj, der als^Iittel gegen das Alpdrücken gilt.
Bei Frisch 1741. In Schlesien Alpkraut p..
Alraun, f. i^Pl. -en) und m. i -s, PI. -e, -en):
Pflanze mit rettigartiger, in Form verschi-änk-
t«r Beine gespaltener Wui-zel, mandragora.
Aus mhd. alrüne, ahd. alruna f. eig. Be-
nennung des weissagenden teuflischen Geistes,
der nach dem Aberglauben aus der AYurzel
geschnitten wird. Zusammenges. mit ahd. rü)ia
f. «Geheimnis, geheimnisvolles Zuflüstern» ('s.
raunen).
'als, adv.: in einem fort, ?>. alls.
"als, adv.: 1. vergleichend. So noch oft
bei Luther und im älteren Nhd., jetzt aber
diu"ch wie (daneben als icie ) zurück gedrängt :
erhalten hat sich als in Bez. auf ein voraus-
gehendes so (so tinscJmldig als ein Lamm),
auf ein vorausgehendes negierendes Wort
{nietyiand als du, nichts als Kleinigkeiten),
femer wird es nach Komparativen (dafür
ältemhd. denn) und zui* Einleitung von Ver-
gleichssätzen (als icenn, als ob) gebraucht.
2. demonstrativ, bei Aufzählungen (die edeln
Metalle als Gold, Silber usw.) und beim
prädikaten Attribut (er kam als ein Bote,
ich achte dich als einen Freund). 3. zeit-
bestimmend, eig. vergleichend in der Zeit,
als Satzeinleitung {als er kam, war es zwölf
Uhr). Mhd. als, alse, geschwächt aus also,
das durch al verstärkte $ö.
alsbald, adv.: gleich nach dem Augen-
blicke. Das Mhd. verwendet also balde, also
oder so als Konj. = sobald als, bei Luther
findet sich alsbald in gleicher Verwendung,
aber gewöhnlich als Adv.
alsdann, adv. : verstärktes dann, aus also
dann. Frühnhd. (als dann in den Ordnungen
S. 73 V. J. 1512, als denn bei Luther).
Alse, s. Alose.
also, adv.: 1. hinweisend, z. B. sprich zu
ihm also. 2. folgernd, z. B. also ist er tot?
Mhd. also, durch al verstärktes so: dazii ndl.
alzoo, ags. ealsivä, engl. also.
Alt, m. (-es, PI. -e): die tiefe Frauen-
stimme. Spätmhd. Aus ital. gleichbed. alto
vmd dies aus lat. altus «hoch».
alt, adj. (Komp. älter, Sup. ältest): hoch
an Jahren; länger der Zeit nach da als an-
' deres; an Jahren zählend: vor langen Jahren:
vorhergewesen (nach dieser Bed. z. B. auch
I in der Schweiz Altammann «gewesener Am-
mann», in Baden Altbürger meis f er usw.). Ahd.
mhd. alt: dazu asächs. ald, ndl. oud, ags. eald.
; engl, old, anord. im Komp. ellri "älter» (sonst
für «alt» gamall), got. aljjeis. Eig. «durch
Xahrung groß geworden, aufgewachsen» von
dem starken V. got. alan «aufgenäkrt werden ,
anord. ala «nähren, hervorbringen» (das mit
lat. alo, altii'. alim < ernähre ;> übereinstimmt),
von dem es (wie lat. altus «hoch»j vermittelst
des partizip. Suffixes -to- gebildet ist. Weiter
sind verwandt gr. ävaXxoc «unersättlich», ir.
alt «Höhe: Ufer, Küste >;, kymr. allt .rupes»,
ir. altram «nutritio:. Vgl. Eltern.
Altan und Altan (^Schiller 11, 228j m. [^s,
PL -e), Altane, f. (PI. -n): Austi-itt ins Freie
hoch an einem Gebäude. Aus dem gleich-
bed. ital. altana, von altus «hoch». Das Fem.
oltan um 1-170 in Österreich von Beheim ge-
braucht, später z. B. von Hans Sachs (Fab. 8,
280); das Mask. erscheint im 16. Jh., bei Pe-
gius Dienstbarkhaiten (Ingolstadt 1557) 60^,
1598 bei Hutteras Lexic. harmonicum 533
ein AJfhan.
Altar, m., selten n. i-s, PI. Altäre): der
Kirchentisch. Mhd. altäre, gewöhnlich aber
mit deutscher Betonung älter, ahd. altari,
alter i, aus lat. altare n. «Opfertisch». ImNhd.
überwiegt die mit dem Lat. übereinstimmende
Betonung Altar (so auch 'üe Bühne), doch
kommt auch (dichterisch und in der nordd.
Umgangssprache^ Mtar vor.
altbacken, adj.: trocken als Backwerk.
backen ist hier das Part. Praet. (statt ge-
backen). Mhd. zufällig nicht belegt (erst 1593
bei Colerus Hausbuch 1, 153), doch nach dem
Gegensatz niubachen «neubacken» als alfbarhen
anzusetzen. S. backen.
altdeutsch, adj.: den alten Deutschen
eigen, nach Art der alten Deutschen. Erst
nhd. (alt-teutsch 1648 bei Weckherhn 2, 261.
437 Fischer, alt teutsch 1588 bei Fischart
Peter v. Stauffenberg V. 79).
Altenteil, m. n. (-s, PI. -e): der den
Eltern nach Abtretung des Gutes verbleibende
Teil, der Auszug. Norddeutscher, von Voß
gebrauchter Ausdruck. ABL. Alteuteiler,
m. (s): der Auszügler, Altsitzer.
Alter, n. (-5, PI. wie Sg.): höhere Lebens-
zeit; Zeit des Daseins; Zeitabschnitt, Zeit-
alter; vergangenes Zeitalter (in der Redens-
art vor Alters). Aus rnhd. alter, ahd. altar
47
alterieren
Amberg
48
n.; dazu asächs. aldar «Lebenszeit, Leben»,
aCTs. ealdor «Leben», anord. aldr m. «Lebens-
zeit, hohe Lebenszeit», schwed. älder, dän.
alder m., got. in framaldrs «in Jahren vor-
gerückt» enthalten. Wie alt (s. d.) von got.
alan abgeleitet. ABL. altern, v.: alt werden.
Erst bei Steinbach 1734, während älternhd.
mhd. alten, ahd. alten gesagi wird.
alterieren, v.: in schädigender Weise
beeinflussen. Refl. sich a. «sich in Unruhe
des Gemütes versetzen». Aus franz. alterer
«schädigen, eine Gemütsbewegunghervorrufen >>
usw., von lat. alterare «anders machen», von
aZfer «der andere». Im 17. Jh. entlehnt (Schupp
Schriften 1, 567).
Ältermiltter, f. (PL -matter): Groß-
mutter, Urahne. Mhd. (in md. Quellen)
eltermüter f. Älteryater, m. {-s): Groß-,
Yorvater. Mhd. eltervater m. Beide zu-
sammenges. mit dem Kompar. ■ elter.
Altertum, n. (-.9, PI. Altertümer): (im
17. Jh., bei Krämer 1678, jetzt veraltet, doch
z. B. noch bei Klopstock Oden 75) Hoch-
sein in Jahren; (seit etwa 1700, z. B. bei
Günther Ged. 312) längst vergangenes, fernes
Zeitalter; aus alter Zeit Herrührendes, mit
dem PI. Altertümer «Denkmäler jenes fernen
Zeitalters» (bei Steinbach 1734). ABL. alter-
tümeln, v.: die Art des Altertums haben
oder diese zu geben suchen (Goethe 41,1,109).
altertümlich, adj., erst am Ende des 18. Jh.
gebildet (bei Kl. Schmidt und Yoß).
Altervater, s. Ältermutter.
altfränkisch, adj.: veraltet u. der Gegen-
wart nicht angemessen. Mhd. altfremch d. i.
altfrenkisch. Wahrscheinlich zur Ritterzeit in
rheinischen Landen aufgekommen, wo man
die an der einfachen Sitte der Vorfahren fest-
haltenden Franken in Gegensatz stellte zu den
durch die neumodischen, aus Frankreich kom-
menden Sitten Beeinflußten, vgl. Hugos von
Trimberg Renner 22267. Vgl. ZfdWf. 7, 15.
Anders bei Leibniz Unvorgreifl. Gedanken § 32
das Alt-Fränckische und das Alt- Säcksische,
ohne tadelnden Beisinn, von der Sprache.
Althee, f., auch m. {-s, nach Tee) : das Ei-
bischkraut, eine Malvenart. Aus gr. -lat. althaea,
gr. d\eaia, eig.«Heükraut», von äXöeiv «heilen».
altklug, adj.: (veraltet) durch Alter klug;
für finihes Alter zu klug. Ei-st 1711 bei
Rädlein verzeichnet.
ältlich, adj.: ein wenig alt. Mhd. altlich.
Altmeister, m. (-s, PI. wie Sg.): hervor-
ragender Meister (1807 bei Campe, auchGoethe
47, 98 LH.). Eig. der unter den Meistern (einer
Zunft) der älteste und deshalb erste ist.
Altreiß, m. (-en, PI. -en) : der alte Schuhe
flickt; Ti'ödler. Mit Übergang von eu in ei
aus mhd. altriii^e. Vgl. Biester.
Altyater, m. (-.§. PI. -väter): ehrwürdiger,
alter Vater, Patriarch. Mhd. altvater m.
ABL. altvaterisch, adj.: nach Art der
Vorfahren, altfränkisch. Frühnhd.
altvettelisch, adj.: nach Art der alten
Weiber. Bei Luther. S. Vettel.
Altvordern, PI.: die Urväter. Mhd. alt-
vordern, ahd. altfardoron, PI. zu fordoro adj.
«der frähere», mit alt verstärkt. Der später
veraltete Ausdruck ist in der 1. Hälfte des
18. Jh. durch die" Schweizer Schriftsteller
wieder aufgebracht worden (Schönaich ver-
spottet ihn, Adelung 1793 führt ihn noch
nicht an, Heynatz 1796 kennt ihn nur aus
«einigen Gegenden»).
Altweihersommer, m. (-s, PI. wie
Sg): die zur Herbstzeit im Freien fliegenden
Spinnenfäden; schöne späte Herbsttage. Erst
bei Campe 1807. Eig. Sommer, der den alten
Frauen zufällt (ebenso bayi*. änlsumnier), der
für die Jugend nicht srut genug ist.
am vor einem Subst., aus an dem zusam-
mengezogen. Mhd. ame, aus an deme.
Amalgam, n. (-es, PI. -e): die chemische
Verbindung von Metall mit Quecksilber zu
eineV weichern Metallmasse (1594 bei Fisch-
art Onomast. 390 Amalgama): (bildlich) Ge-
menge durch Verbindimg. Aus gleichbed.
span. ital. amalgama f., von gi\ ^dXaYMa «Er-
weichungsmittel, weicher Körper».
Amarant, m. {-es, PI. -e): der Garten-
fuchsschwanz. Aus gr.-lat. amarantiis, gr.
ä|udpavToc m. «nicht welkende Blume, Papier-
blume», dem als Subst. gesetzten Masc. desgr.
Adj. d)ndpavToc «unverwelklich», dann wegen
der Dauer der Blüten auf den Gai-tenfuchs-
schwanzübertragen. BeiMaaler IbQl Amaranth.
Amarelle, f. (PI. -«): die Weinkirsche.
Spätmhd. von dem gleichbed. mlat. amarel-
lum n., dem Neutr. des mlat. Adj. amarellus,
das, von lat. amanis «bitter» abgeleitet, zuerst
«bitter» und dann etwa «weinsäuerlich» be-
deutet.
Amazone, f. (PI. -n): Helden weib eines
fabelhaften Weiberstaates in Skythien; über-
haupt kriegerisches Heldenweib. Nach franz.
amazone aus gr.-lat. Amazon, gr. 'A,uaZ;iüv f.
Schon mhd. amazone f.
Amberg, s. Anhöhe.
49
Amboß
Ammer
50
Amboß, m. (-es, PI. -e) : der eiserne Häm-
merblock einer Schmiede. Aus mlid. amhö^,
aribö^. anebo^, ahd. andbo^ m., zusammenges.
aus ana und mhd. ho^ m., «Schlag» von hö^en.
ahd. hö^an ^schlagen, stoßen», wozu auch ags.
heatan. engLbeaf. aisl. &a?(/a c< schlagen, stoßen».
Letzteres ist wurzelverwandt mit fu in lat. con-
fufäre «niederschlagen , refutäre «widerlegen ,
fustis «Knüttel», s. Walde s. v. s. v. Die Länge
des ö in der 2. Silbe nur noch landschaftlich.
Ambra, m. (-.si, Aniber, m. (s): ein
wohlriechendes Erdharz. ^Ihd. amber. ämer m.
aas mlat. ital. ambra f., das auf gleichbed.
arab. 'amhar zuiückgeht.
Ambrosia, f.: Götterkost. Aus gr.-lat.
amhrosia, gi-. öiußpocia, eig. die unsterblich
machende Götterspeise, Fem.desAdj.äußpöcioc
«unsterblich». ABL. ambrosisch, adj.:
himmlisch süß.
Ameise, f. (PI. -ny. Älit Entwicklung eines
s aus ß in zweiter Silbe aus mhd. ämei^e,
ahd. ämeiyi, dazu ags. öemette f., engl, emmef
und ant. Dunkler Herkunft; wird gewöhn-
lich zu ahd. ema^ig «emsig», Grundbed. also
«das geschäftige Tier» gestellt, was aber kaum
das richtige trifft. Eher als Zusammensetzung
zu ahd. ))iei^an, got. maifan «hauen, schneiden»
(s. Meißel) zu stellen (wegen des Präfixes o-
s. Ohnmacht, vgl. auch mhd. äschröt «Abge-
schnittenes», äsirinc «Abfall von Flachs»), so
daß auf eine Bezeichnung des aus kleinen Holz-
tt'ilchen bestehenden Waldameisenhaufens zu-
rückzugehen wäre. ImFrühnhd. erscheint ebd.
(mit Übergang des a in 6 vor Nasal) Omeis
(noch im 17. Jh. z. B. bei Harsdörfer Ge-
sprächsp. 1, 25 vorkommend), im Md. gewöhn-
lich mit Umlaut (_wie in Erheit] Emeis und
Emmeis, bei Luther (wahrscheinlich mit An-
lehnung an ein, dessen n als assimiliert be-
trachtet wurde) Eimmeis, worauf die Formen
Ämse (Wieland 18, 94 1, Emse und (mit dialekt.
Verwandlung des umlautenden (p in f) Imse
(Goethe Faust 7585) zurückgehen. In den
mundartlichen Formen (die z. T. auf a- in
der 1. Sübe' führen) vielfach durch Volks-
etymologie umgestaltet.
Amelmehl, n. {-s, PL -e)-. Kraftmehl.
Mit Wandlung des r zu l aus mhd. amer
(auch schon amel), ahd. amar n. «Sommer-
dinkel», 1546 bei Bock 245 *> Ammeikorn. Engl,
amelcorn «Dinkel» ist rein gelehrt, vgl. MuiTay
New Engl. Dict. s. v.
amen, als gewöhnUcher Gebetsschluß:
wahrhaftig I so soll es sein I Subst.: Amen, n.
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Mhd. amen, nach lat. amen, dies aus gr. duriv
aus dem gleichbed. hebr. Adv. amen.
Amethyst, m. (-es, PI. -e): ein violett-
farbener Edelstein. Mhd. ametiste m. nach
franz. amethyste f. aus gr.-lat. amethystus, gr.
äueOucToc f., eig. Adj. in der Bed. icnicht trun-
ken, den Rausch stillend», da diese Eigenschaft
dem Edelstein beigelegt wurde.
Amiant, m. (-e.s, PI. -e): der feinfaserige,
biegsame, weiße Asbest. Aus gi'.-lat. amianhis,
gr. d.uiavToc m., eig. Adj. in der Bed. «unbe-
fleckt, rein» und als Subst. Name des Steines
wegen seiner schimmernden Weiße.
Ammann, m. (-es, PI. Ammänner): (in
der Schweiz i höchste obrigkeitüche Person
einer Gemeinde oder eines Landes. Mhd, (in
alem. Quellen) animan «Diener, niederer Be-
amter, urteilsprechende Gerichtsperson», zu-
sammengezogen aus mhd. amhetman . ahd.
amhahtnmnn, s. Amtmann.
Amme, f. (PI. -?n: Aufnährerin und Mut-
terstelle einnehmende Pflegerin eines Kindes.
Mhd. amme, ahd. amma. Eig. wohl Mutter,
^vie noch jetzt schwäbisch fdamach Wieland
18, 127 ), vgl. auch anord. amma «Großmutter»;
weitverbreitetes Lallwort der Kindersprache
wie Mamu (s. d.), vgl. gr. ctinudc, äjniaia,
d^^la (bei Hesych) «Mutter, Amme», bask.
amu «Mutter», altrom. amma, span. port. aina
«Amme» und mit Ableitung lat. annta «Vaters
Schwester :.
Ammeister, m. (-.s, PI. wie Sg.): (noch
im 18. Jh. in Straßburg) der bürgerliche
Obervorstand der Stadt. Mhd. (in elsäs-
sischen Quellen) ammeister. ammemeister.
ammanmeister, eig. der Meister, der Am-
mann (s. d.) ist, der Obermeister (Vorsteher
der Zünfte).
^Ammer, f. (PI. -n): ein Singvogel, embe-
nza citrinella. Mhd. amer, ahd. amaro m.
Vielleicht von amer «Sommerdinkel», also
Vogel, der gern Sommerdinkel frißt [wieHänf-
ling eig. Hanfsamenfresser, von Hanf) vgl.
Liebich PBr. Btr, 23, 223. Mlat, amarellm
stammt entweder aus dem Deutschen oder ge-
hört zu span. aniariUo, port. amarello «gelb ■.
ABL. Ammerliug, m. wie Ammer. Mhd.
(mit einfachererAbleitung) amerinc m.
"Ammer, f. (PI. -«) : die große säuerliche
Kirsche, die schwärzliche wie die hellrote
oder Amarelle (s. d.). Scheint geküi-zt aus
ital. amarisca f. «Weichselkirsche» von ital.
amaro dat. amdnis) «bitter, herb», hier «säuer-
Uch . Vgl. Liebich PBr. Btr. 23, 223. Schon
i
51
Ammer
Amt
52
im 14. Jh. amerhoum, mlat. amarillus «Ama-
rellenbaum».
^Ammer, f. (PI. -n): Punkenasche; in der
Asche erhaltener Funke, Bei Luther, jetzt
noch mundartlich. 1482 im voc. theut. f 7^
der Plur. eymeren «lieisze asche», mhd. einiere,
ahd. eimurja f., dazu ags. cemyrje f., engl.
enibers, anord. eimyrja f., dän. emmer, zu
anord. eimr m. «Rauch, Dampf» und an. ysja f.
«Feuer».
Ammonshorn, n. {-es, V\.Ammonshörner) :
das gleich einem (dem Jupiter Ammon bei-
gelegten) Widderhorne gewundene, verstei-
nerte, vorweltliche Schneckengehäuse (Schiller
Teil 4, 3).
Amnestie, f. (PI. -n): (öflfentlich erklär-
tes) Vergeben und Vergessen eines Vergehens.
Aus gr.-mlat. anmestia, gv. dinvricreia f. «das
Nichteingedenksein, besonders eines erlittenen
Unrechts« (d «un-, nicht»; juväcGai «einer Sache
gedenken»). Schon 1643 im unartigen teut-
schen Sprachverderber. In der altern Sprache
dafür ündacht
Ampel, f. (PI. -n): Hängelampe. Ober-
deutsch. Mhd. ampel, ampulle, ahd. ampla,
ampulla, mit ags. ampelle f., anord. ampli m.
«Gefäß» aus lat. ampulla f. «Flasche, Gefäß»,
vgl. Pulle.
ampeln, v.: wonach strebend zappeln;
überhaupt wonach streben. Ein ndd. Wort,
schon mnd., im 18. Jh. mehrfach als dialektisch
aufgeführt, auch von ndd. Schriftstellern wie
Voß Briefe 2, 105 und Göckingk Ged. 2, 128
gebraucht. Vgl. Hampelmann.
Ampfer, m. (s, PI. wie Sg.): eine sauer
schmeckende Pflanze, lat. rumex. M.h.d.ampfer,
ahd. ampharo m., dazu ags. ampre, ompre f.
«Ampfer». Eig. subst. Mask. eines Adj., das ndl.
amper «scharf, bitter, unreif», anord. apr (für
*awtpr) «scharf, kalt», schwed. amj)er «scharf»,
lautet. Wenn das p als eingeschoben zu gelten
hat, so kann man lat. amärus «bitter» (s. Walde
s.v.), skr. aw?as «sauer» (als subst. Mask. «Säure,
Sauerklee»), alh. 9nibl' 9 «süß», tdmWd Galle ver-
gleichen. Anders Johansson Idg. Forsch, 3, 240.
Amphibie, f. (PI. -n)-. beidlebiges (im
Wasser wie auf dem Lande lebendes) Tier.
Aus dem gleichbed. gr.-lat. anipJiibium, gr.
d|uq)ißiov, dem Neutr. des Adj. di|uqp{ßioc «beid-
lebig» (gr, ä|uq)i- «rundherum, von beiden Sei-
ten», ßioc m. «Leben»), Im 18, Jh. entlehnt.
Amphitheater, n. {-s, PI. wieSg.): halb-
runde Schaubühne. Aus dem gleichbed. gr.-
lat, amphitheatrum , gr, diucpie^aTpov n., zu-
sammenges,ausc(|uq)i «rundherum» und G^axpov
n, «Schauspielhaus». Im 18, Jh, entlehnt,
amputieren, v.: ein Glied des Körpers
abschneiden. Aus dem gleichbed. franz. am-
puter von lat. amputare «abschneiden», aus
am(hi) «herum» \mdi putäre «schneiden». Erst
bei Pampe 1801.
Amse, s. Ameise.
Amsel, f. (PI, -n)\ die Schwarzdrossel,
lat. mex'ula. Mhd. amsel, ahd. amsala, amsila,
amsla, auch amfsla (daher jetzt mundartlich
anspel, wie wespe aus ivefse) f.; dazu ags.
(mit ausgefallenem Nasal) ösle f., engl, ousel
«Amsel», Verwandt ist vielleicht das gleichbed,
lat, merula (für *mesula) f, Fick I* 515, Hirt
Ablaut 132 (Bedenken dagegen bei Kluge**,
Walde s. v. merula). Im altern Nhd. und
mundartlich erscheint auch die Form Amschel
(vgl. Geischel neben Geisel).
Amt, n. {-es, PI. Ämter): Inbegriff der
Obliegenheiten, die eine Stellung mit sich
führt; Gebäude zur Ausübung dieser Obliegen-
heiten; Behörde zur Verwaltung und Recht-
sprechung; gottesdienstliche Verrichtung des
Geistlichen. Aus mhd. ampt, amhet, amheht,
ahd. amhahf. amhahti n. «Dienst, Amt», dazu
ein persönliches ahd. amhahtm. «Diener»; aus
den verwandten Dialekten gehört hierher
asächs. amhaht «Dienst» (in amhahtman m.
«Diener», amhahtskepi m, «Dienst»), ndl, am-
bacJit n. «Handwerk», amht n. «Amt», ags.
amhiht, ombilit n. «Dienst» (dazu omhilit m.
«Diener»), got, andhahti n. «Dienst» (dazu
andhahts m. «Diener»), vgl. auch anord, am-
bätt f. «Sklavin», Das persönliche Mask, geht
zurück auf keltisch-lat. amhactus (Cäsar bell,
gall. 6, 15, 2) eig. «Herumgesandter, Bote», ge-
bildet von gall. amb- «herum» und einer Bil-
dung von der Wurzel ag (s. Acker) «treiben»,
hier «senden» (mlat. ambactia ambactiata «Auf-
trag», ital. ambasciata, franz. ambassade f.
gehen erst wieder auf das germanische zu-
i-ück). Vgl. Baist ZfdWf. 9, 33. Das Lehn-
wort ist im Got. an die Bildungen mit der
Vorsilbe and- angelehnt worden (nicht etwa
selbständige Bildung mit einer Ableitung
von germ. bak «Rücken», also der im Rücken
stehende). ABL. amtieren, v. (dafür in der
älteren Sprache amten): ein Amt verwalten.
Junge, bei Campe 1807 noch nicht verzeichnete
Bildung mit der fremden Ableitungsendung
-ieren. amtlich, adj., spätmhd. ambetlich.
ZUS. Amthaus, n., mhd. ambethüs, ahd.
ambahthüs n. Amtmann, m.: Vorsteher
53
Amulett
Anarchie
54
eines landesherrlichen Amtes (PI. amtleute
bei Luther, aber 1532 bei Birck Öusanna
474fg. amptlüte «Gerichtsknechte»); (in Nord-
deutschland auch) Vorsteher eines Gutes. ^Ihd.
amhefman, ahd. amhahtman m. -^^ Beamter, Auf-
seher». S. SLXich Ärmttann, Ammeister. Amts-
genOSSe, m.-. Verdeutschung des lat. coUega
m., 1579 bei Calepinus amptgenossen.
Amulett, n. (-es, PI. -e): am Kör]oer ge-
tragener Schutzgegenstand gegen Zauberei
oder zukommendes Übel. Mit franz. armdette,
ital, amulefo m. aus dem gleichbed. lat. amu-
letum, auch amoletum und amolimentum n.,
als Nachbildung des gr. cpuXaKxripiov von lat.
amoliri «abwenden, entfernen, beseitigen», also
eig. Abwendungsmittel, Präservativ gegen das
Böse. Vgl. Schrader Reallexikon 729, Walde
s. V. Die deutsche Form ÄiHulet wird erst
im 18. Jh. üblich.
amüsieren, v.: unterhalten, belustigen.
Aus franz. amuser «miterhalten, aufhalten,
hinhalten», eig. «die Zeit vertrödeln lassen»,
gebüdet aus a-, lat. ad und muser «gaifen»,
eig. «das Maul aufspeiTen», zu ital. miiso, franz.
niuseau «Maul, Schnauze», das noch unaufge-
klärt ist imd von Sainean im 1. Beiheft der
Zeitschr. f. rom. Phil. 75 zu nmse, einem Namen
der Katze, gezogen wird. Das Wort erscheint
schon im 17. Jh. in der Bed. «aufhalten», die
auch im 18. Jh. anfangs herrscht (noch bei
Nieremberger 1753 erscheint sie aiosschüeß-
lich); später wird die Bed. «unterhalten» die
gewöhnliche (Lessing 6, 15, Wieland Amadis
136, auch 1775 bei Heynatz).
an: nahe zu oder bis zur Berührang
mit — ; (abstrakt) was betrifft. 1. Präp.
mit Dat. (auf die Frage wo?) und mit Akk.
(auf die Frage wohin?). 2. Raumadv. Li
der verbalen Zusammensetzung bezeichnet an
auch den Anfang einer Tätigkeit, z. B. an-
bohren, anbrennen, anreißen, oder eine nur
geringe Tätigkeit, z, B. anfeuchten, ferner
auch eine anhaltende Tätigkeit, z, B. anfüllen,
anbauen, andauern oder eine erfolgi'eiche
Tätigkeit, z, B, anblasen; vielfach ist es (na-
mentlich in der Kanzleisprache) vor schon zu-
sammengesetzte Verba verstärkend getreten,
z, B, anbelangen, anempfehlen, angehören.
Li der nominalen Zusammensetzung kann an
den Anfang oder einen geringern Grad be-
zeichnen, z, B, Anbeginn, Anhöhe, viele Zu-
sammensetzungen wie Anfall, Anklang haben
sich von der verbalen aus entwickelt. Mhd.
ane, ahd. ana: dazu asächs. an, ndl. aan.
ags. engl, on, anord. (mit Tilgung des n) ä,
schwed. a, dän, aa. Verwandt ist gr. ävd
«auf, an», avest. ana «über-hin», lat, an in an-
heläre «aufatmen», abulg, fj-, vü- «auf, an».
Vgl. Walde s. v. Neben der jetzt herrschen-
den Aussprache mit Kürze findet sich auch
gedehntes an (Zesen im Reimverzeichnis zum
Hehkon reimt an auf Wörter mit langem a).
Anabaptist, m. (-en, PI. -en): Wieder-
täufer. Aus dem gleichbed. lat. gr. anabap-
tista, gr. ävaßaiTTicTric m. zu ctvaßaTTTiZuu «wie-
derholt untertauchen». Daneben auch Anti-
baptist (Schiller Wallensteins Lager 485), da
die Wiedertäufer Gegner der Kindertaufe sind
(gr. dvTi «gegen»).
Anagramm, n. (-es, PI. -e): Buchstaben-
versetzung als W^ortspiel, z. B. Regen in
Neger, Dame in Made usw. Aus dem gleich-
bed. gr.-mlat. anagraninia, gr, ävd-fpauiua n.,
zusammenges. aus ävd, in Zusammensetzungen
«auf, aufwärts, wieder, zuiiick» und Ypäiu|Lian,
«Buchstabe». Im 18. Jh. aufgenommen, bei
Jablonski 1721 noch Anagramma.
analog, adj.: gleichförmig, wie ein an-
deres sich verhaltend. Aus gr. dvdXoYoc «der
Vernunft (gr. Xöyoc m.) entsprechend, über-
einstimmend.» Im 18, Jh. erscheint dafür
analogisch (Lessing 4, 117, noch bei Adelung
1793), Analogie, f. (PI. -n): Übereinstim-
mung, Gleichförmigkeit. Aus gr,-lat. ana'
logia, gr. dva\o-fia f. vom Adj. dvdXoYoc. Bei
Ludwig 1716.
analysieren, v. : auflösend zergliedern.
Aus dem gleichbed. franz. analyser v., ge-
büdet von analyse f. «Auflösung», das auf
gr. dvdXucic f. (von dvaXüeiv «wieder lösen,
auflösen») beruht. Bei Wächtler 1711.
Ananas f. Aus span. port. ananas, das
aus dem Peruanischen stammt. Das Wort
erscheint um 1600 in deutschen Schriften
(z. B. bei Hulsius Schiffahrten 7, 155, neben
Ananasos 7, 85, 1628 bei Münster Cosmogr.
S. 1724 Ananas).
Anapäst, m. {-es, PI. -e): der Versfuß
^ ^ — Aus lat. anapaestus, gr. avdxraicToc
zuiückgeschlagener d, i, umgekehrter Dak-
tylus, dem als Sahst, gesetzten Mask. des gr.
Adj. dvdTTaicToc «zuiückgeschlagen» von dva-
Traieiv « zurückschlagen ».
Anarchie, f, (PI. -n) : Regierungslosigkeit,
Nach franz. anarchie von gr.-mlat. anärchia,
gr.dvapxiaf «Herrschaftslosigkeit» vonävapxoc
adj. «ohne Oberhaupt» (dv- «un-, ohne», dpxöc
m. «Führer, Oberhaupt»). Bei Wächtler 1711,
4*
55
Anatomie
Andauche
56
ABL. anarchisch, adj. Anarehist, m.
(-en, PI. -en) schon im 18. Jh.
Anatomie, f. (PI. -n): die Kunst Leichen
zu zergliedern; das zur Leichenzergliederung
bestimmte Gebäude. Aus lat. anatomia l, dies
aus gr. ävaTOian f. (äva- und TO|uri «Schnitt»)
«Aufschneiden, Zergliedening». Schon im
16. Jh. (1565 bei Paraeelsus Op. chirui'g. 611
Anatomey). ABL. anatomieren, \., 1551
bei Scheidt Grobiauus 4270. anatomisch,
adj., bei Krämer 1678.
anbahnen, v. : einer Sache den Weg be-
reiten, sie ins Werk setzen und fördern.
Bei Campe 1807, als landschaftliches Wort.
Anbeginn, m. (-es): der erste Beginn.
Mhd.(md.) anhegin m., gewöhnlich anheginnen.
anbei, adv. : (veraltet) zugleich, daneben;
hiebei. Aus der Kanzleisprache von Stieler
1691 aufgenommen, von Adelung 1793 und
Heynatz 1796 noch als oberdeutsch empfunden.
anbelangen, v. : betreffen, eig. bis an et-
was heranreichen. Aus der obd. Kanzlei-
sprache bei Krämer 1678 angeführt; bei Ade-
lung und Heynatz 1775 noch beanstandet,
1796 aber im Antibarl)arus zugelassen, vgl.
belangen, anlangen.
anbequemen, v.: anpassen. Eine am
Ende des 18. Jh. (nach Heynatz 1796 «bei
neueren Schi-iftstellern») auftretende Ver-
deutschung von franz. accomoder, vgl. be-
quemen.
anberaumen, v.-. von etwas festsetzen,
wann es sein soll. Mit Verwandlung eines
ä in au (unter Einfluß von Baum) aus an-
beramen, so noch Adelung 1793 (wähi-end
Heynatz 1775 und 1796 anberaumen vorzieht),
spätmhd. berämen, von mhd. ramen, ahd. rämen
«zum Ziele nehmen, worauf hin sich richten»,
dazu asächs. rämön «trachten, streben». Aus
der Kanzleisprache bei Stieler 1691.
anbeten, v. : aufs höchste verehren. Mhd.
anebeten, ahd. anabeton. ABL. Anbeter,
m., mhd. anebetcere, ahd. anabetäri. An-
betung, f., spätmhd. anebetunge f.
Anbetracht, m. : erwägende Anschauung,
Erwägung ( nur in der Verbindung in A.).
Aus der Kanzleisprache bei Gottsched 1758,
Adelung 1793, Hej'^natz 1796 angeführt, aber
als oberdeutsch bekämpft.
anbinden, v.: durch Binden anheften,
Mhd. anebinden, ahd.anabintan. Redensarten:
mit einem a. «mit jemand Streit anfangen»
(abgeschwächt «überhaupt sich mit jemand
einlassen»), dafür in der altern Sprache mit
einem aufbinden (s. DW. 1, 622), was auf
das Aufsetzen und Festbinden des Helmes
von selten dessen, der sich zum Kampf rüstet,
^eht [mit einem a. zuerst bei Krämer 1678);
kurz angebunden d. i. bald in Harnisch kom-
mend, leicht gereizt, zum Streite geneigt
(zuerst bei Schönsleder 1618). Aus der Bed.
«festbinden» geht die von «beschenken» her-
vor (z. B. bei Fleming 42), da Geschenke an
den Hals, Arm usw. gebunden zu werden
pflegten. Redensart: einen Bären a. «Schulden
machen» (so 1781 bei Kindleben); früher heißt
einetti einen Bären a. «einen belügen» (so
schon bei Grimmeishausen Simpl, 243 und
noch bei Wieland) eig. einem eine ei-logene
Jagdgeschicht« aufbinden, woraus dann wohl
die Bed. «durch Vorspiegelungen Geld aus
jemand herauslocken» hervorgegangen ist.
Anblick, m. (-es, PI. -e): worauf ge-
richteter Blick; Angeblicktes. ^Ihd. aneblic
m. — anblicken, v.: den Blick worauf
richten. Mhd. aneblicken.
anbrechen, v.: l. trans. etwas wovon
abzubrechen anfangen, z. B. einen Kuchen,
eine Flasche. 2. intrans. als Zeit oder zeit-
liche Erscheinung (mit Geschwindigkeit, mit
Macht) anfangen zu sein, z. B. der Morgen,
das Jahr, die Schlacht bricht an. Frühnhd.
(auch bei Luther). — Anbruch, m.: der
Anfang etwas wovon abzubrechen, sowie dieses
Abgebrochene selbst; der Anfang des Über-
ganges zur Verderbnis an sonst Gesundem,
z. B. Anbruch des Obstes, Weines; der Be-
ginn einer zeitlichen Erscheinung. Frühnhd.
ABL. anbrüchig, adj. (bloß nach der
2. Bed. von Anbruch), bereits im 16. Jh.
AnchOTi, f. (PI. -s): eine Sardellenart.
Nach ndl. ansjovis f., engl, anchovy, aus port.
anchova, span. anchoa, franz. anchois f., das
1 aus dem Baskischen abgeleitet wird. Bei
Anchinoander Gramm. Ital. Vocab. c 2*^ 1653
Anschioven, bei Duez 1664 Anchove.
Andacht, f. (PI. -en): die feste betrach-
I tende Richtung der Gedanken, insbesonders
' auf Gott und Göttliches; inniges Gebet. Mit
Kürzung des zweiten a aus mhd. anedäht,
ahd. anadähtt, von denken. A5L. andächtig,
adj., mhd. anedcehtec, ahd. anadähtir.
Andauche, f. (PI. -»): überdeckter Ab-
zugsgraben an Gebäuden, auch an nassen
Äckern. Am Mittelrhein. Spätmhd. ädüche
; (1304 fluxum et motum per aqueductum qui
dicitur aeduche Böhmer cod. dipl. Francofur-
i tanus S. 360), ädücht, mit Anlehnung an das
57
Andenken
Anfall
58
aus mhd. ahe f. zusammengezogene a (s. -a)
aus lat. aquaedudus f. '^< Wasserleitung». \^
Ahzucht.
Andenken, n. i-s, PI. wie Sg.): Richtung
der Gedanken auf jemand oder überhaupt
einen Gegenstand, um ihn sich wieder vor-
zustellen; was zum Andenken gegeben wird.
Spätmhd. andenken n. «Erinnerung, Wissen»,
substantivierter Inf. des Y. mhd. anedenken,
ahd. anadenken. Die 2. Bed. (nach franz.
Souvenir) bei Stieler 1691.
ander, adj.: (veraltet) Ordnungszahlwort
der Zweizahl: über bereits Bezeichnetes vor-
handen: außer dem Bezeichneten vorhanden
und davon verschieden. Mhd. ander, ahd.
andar, dazu asächs. ääar, ödar, ndl. ander,
afries. öther, ags. öder, engl, other, anord.
annar, schwed. annan, dän. ander, got. anpar.
Eine komparativische Bildung, übereinstim-
mend mit Jit. rt/7f/-a.9, preiLß. änters, lett. otrs
«der andere», ^^.anüiräs «ein andrer, verschie-
dener/-^ (zu anjäs «der andere»). ABL. ändern,
V. : anders machen, mhd. endern, andern.
anders, genetiv. adv.: auf andere Weise,
sonst, mhd. anders, spätmhd. auch änderst,
vgl. einst, was auch nhd. selbst schriftsprach-
lich vorkommt (Haller Ged. 58. Wieland
Aurora u. Ceph. 583. Schiller Eäuber 3, 2),
ZUS. anderseits, adv. (bei Gombert 5, 9
Belege von 1610 und 1618): mit angetretenem
genetiv. -s aus mhd. andersit. Ein^ Neben-
form, die auch den 1. Bestandteil des Wortes
genetivisch gestaltet, ist andrerseits (bei
Gombert mit Beleg von 1661 1. anders WO,
adv.: mhd. arulerswä, zusammenges. mit dem
genet. Adv. anders, anderthalb, adv. Mit
eingetretenem t aus mhd. anderhalp, auch
anderthaip. anderwärts, adv.: anderswo-
hin, anderswo, zum andern Male (in der
letzten Bed. von Dasvpodius 1537 angeführt):
davon anderivärtig, adj. (bei Gombert 7, 5
von 1618 andericertig). anderweit, adv.:
(veraltet) zum zweiten Male; an andrer
Stelle, anders. Mhd. anderweide (ebenso dri
weide «dreimal» usw.j in der 1. Bed., wie
amleriveyt bei Luther; daneben mhd. auch
in der 2. (heil. Ehsabeth 3774 andertceit
«anderwärts», 6526 <^^^auf eine andere Art»).
Davon anderweitig, adj. (bei Gombert 7, 6
vom J. 1641 ), in der Kanzleisprache, wo aber
auch andertceit als Adj. verwendet wiid, wie
1663 bei Schottel Vorr. u. S. 344.
andeuten, v.: etwas durch einen Hin-
weis zu verstehen geben: nur obenhin be-
zeichnen. Im 16. Jh. aufgekommen (belegt
z. B. bei Albertinus weibl. Lustgai-te 246).
Andorn, m. {-es, PI. -e^•. die Pflanze
marrubium. Mhd. ahd. andorn m. n. Dunkler
Herkunft.
Anekdote, f. (PI. -«): unterhaltendes
(neuesj Geschichtchen aus jemandes Leben.
Aus dem gleichbed. franz. anecd.ote f., das
auf gr.-lat. anecdota, gr. dveKbora, Xtr. PI.
von dvexboToc «nicht ausgegeben, nicht be-
kanntgemacht» (dv- «un-, nicht», bibövai «ge-
ben») beruht. Um die Glitte des 18. Jh. auf-
genommen (Gottsched, Lessing 7, 225; Ade-
lung hat noch die Bed. «eine unbekannte Be-
gebenheit»).
Anemone, f. (PI. -n)-. Windröslein, Wind-
bliime. Aus dem gleichbed. gr.-lat. anemone,
gr.dveuujvrif., abgeleitet vondveuocm. «Wind»;
die Benennung, weil sich die Blume nui- bei
wehendem Winde öflEnet (Plinius bist. nat. 21,
94). Doch vgl. Levy Die semit. Fremdw.
im Griech. 49. 1546 bei Bock Kreuterb. 49^
Anemonerößlin und Anemone.
Anerbe, m. (-n, PI. -«): der Erbe, der
den nächsten Anspruch an ein hinterlassenes
Gut hat. Mhd. anerbe m. Vgl. Ganerhe.
Anerbieten, n. (-.s, PI. wie Sg.); an je-
mand gerichtetes Erbieten. Ln 17. Jh. aufge-
kommen ( Harsdörfer Gesprächspiele 2, AIII^).
Eig. substantivierter Lif. des V. anerbieten,
bei Schönsleder 1618 verzeichnet, stammt wohl
aus der Kanzleisprache.
anerkennen, v.: etwas durch bestimmt-e
Erklärung als richtig und giltig annehmen,
insbesondere bei Gericht: etwas ausdi-ücklich
billigen. Erst bei Adelung 1774.
anfachen, v. : zum volleren Dasein auf-
regen, eig. anblasen. Wie fachen (s. d.) erst
der neuem Dichtersprache geläufig, bei Gott-
sched, J. E. Schlegel u. a., von Wieland seit
1751 (Suppl. 1, 145) gebraucht (bei Xierem-
berger anfacheht).
anfaliren, v.: l. intrans. zu Schiff oder
Wagen dicht herankommen. 2. trans. zu
Wagen heranbringen; sich mit harter Rede
gegen jemand wenden (bei Luther). Mhd.
anevarn «ein Gut in Besitz nehmen», ahd.
anavaran «herangehen, jemand anfallen».
Anfall, m. {-es, PI. Anfälle): das plötz-
liche Herankommen z. B. von Feinden, mhd.
aneval m.; plötzlicher Anstoß von Krank-
heiten, Gemütsbewegungen; unvermutetes Zu-
fallen von Eigentum und das Zugefallene
selbst (auch schon mhd.).
59
Anfang
angenehm
60
Anfang, m, (-es, PI. Anfänge) : das Erste
wovon. Mhd. anevane, ahd. anafang m. Von
anfangen, früher anfallen ( s. fangen), v. : am
Beginn wovon sein (eig. Hand woran legen zum
Halten, woran tätig werden); im Beginn be-
griffen sein. ]yilid. anevähen, ahd. anaßhan.
ABL. anfangs, genetivisches adv., frühnhd.
anfänglich, adj. und adv.: bei Luther. ZUS.
Anfangsgründe, PL: 1710 vom Philosophen
Chr. Wolff gebraucht, s. Gombert 6, 3.
anfechten, v.: (veraltet) mit Waffen wo-
rauf eindringen: worauf empfindlich ein-
wii-ken, beunruhigen; besti'eiten. Mhd. ane-
vehten, ahd. anafehtan.
Anflug, m. i^-es, PI. Anflüge) : da.s Heran-
kommen durch die Luft, sowie das Heran-
gekommene selbst; (veraltet) eine äußerlich
wahrnehmbare Ki-ankheit. z. B. ein Gesichts-
ausschlag; eine schwach ausgeprägte Eigen-
schaft, vorübergehende Stimmung (erst bei
Campe 1807j.
anführen, v. : an der Spitze stehend leiten;
(veraltet) worin unterweisen, (dann) mißleiten,
hintergehen (nach Gombert 6, i schon 1557
mit geschmierten Worten a.): zum Beweise
für- Gesagtes beibringen, z. B. Woiie eines
andern (bei Gottsched). ]SIhd. anevüeren «an
sich tragen», ahd. anafuaren «herbeibringen».
ABL. Anführung, f. (nach der L und 4.Bed.
von anführen). Damit zusammenges. Anfüh-
rungszeichen, n., bei Adelung 1774.
Anfurt, f. (PI. -en) Landeplatz. Bei Luther
als m. und f. Wie Furt (s. d.) zu fahren.
angehen, v.: l. intrans. (beim Karten-
spiel) zuerst geben; Töne hervorbringen (von
Instrumentenj. 2. trans. ansagen, vorbringen;
veranlassen, anordnen; zur Bestrafung an-
zeigen, mhd. anegebeyi. ABL. angeblich,
adj, und adv. (nach der 1. Bed. des trans.
V.), bei Frisch 1741, aber von Adelung 1793
noch beanstandet.
Angebinde, n. (-s, PI. wie Sg.): Fest-
geschenk (eig. Gebui-tstagsgeschenk, das dem
Feiernden an den Hals oder Ann gebunden
wurde). Im 1 7. Jh. aufgekommen, vgl. anhinden.
angedeihen, v.: zuteü werden, nur in
der Redensart a. lassen. In der altern Sprache
ist an mich oder mir gedeihet es «gerät an
mich, widerfährt mir, wü'd mü- zuteü».
Angedenken, n. (-s): wie Andenken
(s. d.). Im 14. Jh. angedenken «Erinnerung»
(bei dem Mystiker Eckhart).
angehen, v. : l. intrans. anfangen, in
einen Zustand geraten, z. B. (vom Feuer und
Brennbarem) entbrennen, mhd. anegan, gen,
ahd. anagän, gangan; erträglich, hinreichend
sein (bei Luther und im altem Nlid. nur
mit dem Dat.: »mV gehet an '<mir gelingt,
meine Sache hat Fortgang»). 2. trans. sich
gegen jemand wenden, feindlich oder freund-
lich; (von Dingen) jemand berühren, betreffen
(beide Bed. auch mhd. ahd.).
Angel, f. (PI. -n\ als m. nur noch mund-
artlich «Bienen-, Wespen- usw. Stachel») : spitzer
Haken zum Fischfange: Einhängehaken für
Tüi-e, Fenster usw. Mhd. angel m. f., ahd.
angiilm.; dazu asächs. angul m. «Angelhaken»,
mnd. angel m. «Stachel, Fisch-, Türangel», ndl.
angel m. «Stachel, Angel», ags. ongel m., engl.
angle «Angelhaken», anord. öngull m., dän.
angel «Angelhaken», aisl. öll, all m. aMS*anhulas
«Keim» (Noreen ürgerm. Lautlehre 25); ent-
spricht genau aiad. atdkuräs m. «Sprößling,
junger Schoß», gi'iech. ciyküXoc «ki'umm». Das
einfache Wort hegt vor in mhd. ange m.
«Fisch-, Türangel», ahd. a«^o m. «Spitze, Tür-
angel», ags. onga m. «Stachel», anord. angi
m. «Spitze», verwandt mit lat. ancus «mit
krammem Arm», uncus m. «Haken», gi*. öykoc
m. «Widerhaken», öykiüv m. «Bug, Ellenbogen»,
oYKOc n. «Bucht, Tal», skr. aidkäs m. «Haken».
Luther gebraucht das Wort in der Bed. «Pisch-
angel»als m., was auch später bis in die neueste
Zeit nicht selten ist, z. B. Günther 873, Wieland
Musarion 85, Goethe 1, 169, Schiller Picc. 5,
1, Eückert 5, 51. ABL. angeln, v.: mit
der Fischangel fischen, mhd. angeln, ahd. an-
gilon; übertragen zu fangen suchen. ZUS.
Angelstern, m. : Polarstern. Verdeutschung
des 17. Jh. (bei Fleming 160. 625). angel-
weit, adj. und adv.: so weit offen, als die
TüiangeLn zulassen. Fiühnhd. (1562 bei Ma-
thesius Sarepta 203*).
augelegen, Angelegenheit, s. anliegen.
angemessen, adj. und adv.: so abge-
messen, daß es einer Sache entspricht, passend,
ziemhch. 1749 bei Gottsched.
angenehm, adj.: gern angenommen;
Wohlgefallen erweckend. Fiühnhd. (im Tri-
strant, ed. Pfatf 63, 21, Wormser Druck an-
genäm, Sallust B 3 und Murner luth. NaiT
3040 angenem, Luther 8, 513 Weim. und später
angeneme). Im Mhd. (ohne an) genceme, um
1100 genäme (in «vi^ena^ne «unangenehm»), da-
neben annceme, mnd. annäme und angenäme,
vgl. ahd. nämi «angenehm», got. andanems
«angenehm» zu andniman «entgegennehmen».
Vgfl. annehmlich.
61
Anger
Auhöhe
62
Anger, m. (s, PI. wie Sg.): wildgmnes
Grasland, Grasfleck. ^Ihd. anger, ahd. angar
m. «ungepflügtes, wildgrünes Bauland, Gras-
land»; dazu anord. e^gr f., engin. «Wiese» und
•weiter zu griech. a-fKoc n. -Tab, vgl. unter J.w^e?.
Augesicht, n. i-es, PI. -e, -er): worauf
fallender Blick; (dem Blick zugekehrte) Vor-
derseite des menscliliclien Kopfes. Aus mhd.
angesihte n. «Anschauen)^, (in md. Quellen)
«AntHtz», daneben angesilit f. «Anschauen»,
ahd. (ohne ge-) anasilit f. Anschauen, An-
blick». S. Gesicht. ABL. Angesichts, genetiv.
adv.: im Anblicke; im Augenblick, sofort.
Bei Luther.
angreifen, v. : mit den Händen Avoran
rühren, mhd. anegnfen, ahd. anagrifan; Hand
anlegen, sich zu etwas schicken; (von Geldern)
anfangen zu zehren (in diesen beiden Bedd.
auch schon spätmhd.): sich feindlich gegen
jemand wenden (bei Luther); die Kräfte in
Anspruch nehmen (auch bei Luther). In
dieser Bed. auch refl. sich a. — Angriff, m.
{-es, PI. -e): Beginnen, Unternehmen; Anfall.
Mhd. angrif, ahd. a;i «gm/ «Betastung. Anfall;/.
Angst, f. (PI. Ängste): das Engewerden
in der Brust, beengendes Gefühl worüber.
Li unpersönlichen Redensarten mir ist, wird.
macht angst, erscheint das Subst. A. adjekti-
visch. Aus mhd. angest f., seltener m., ahd.
angust f., wie mnd. angest m., abgeleitet von
angi «eng». Entsprechend lat. angustia f.
«Enge» und angustus «enge» von lat. anger e
«zusammendrücken, beklommen machen», abg.
qzosti «angustiae». ABL. ängsten, häufiger
ängstigen, v.: mhd. engesten, ahd. angusten
und engstigen, das von dem Adj. engstig
(bei Luther), ahd. angustig abgeleitet ist.
ängstlich, adj. und adv.: Angst habend,
Angst verursachend, mhd. angestlich, engest-
lich, ahd. angustUh. ZUS. Angstschweiß,
m., bei H. Sachs.
^ Angster, m. (-s, PL wie Sg.); hohe eng-
halsige Trinkflasche oder Krug. Süddeutsch.
Mhd. angster m. aus gleichbed. mlat. angu-
strum, florent. anguistära, inguistära, von lat.
angustus «eng//.
"Angster, m. {-s, PI. wie Sg.j : alte kleinste
Schweizer Scheidemünze, ^/g Schilling. Seit
dem 14. Jh. bezeugt. Wahrscheinlich aus lat.
angustus «eng, schmal, klein, dünn».
anhahen, v. : am Leibe haben ( bei Lutherj ;
[einem etwas a.) an jemand Anhalt ziir
Schädigung gewinnen (mhd. einem anehaben
«sich an jemand halten, Hand an ihn legen»).
anhalten, v.: l. trans. festhalten; in der
Bewegung aufhalten, zurückhalten; {zu etwas
a.) andauernd zu etwas nötigen (bei Luther).
2. intrans. Halt machen; fortdauern: [um
etwas a.) andauernd um etwas bitten (in
beiden Bedd. bei Luther).
Anhang, m. {-es, PI. Anhänge) : was sich
anhängt; als unwesentlich Beigefügtes; eine
zugetane in Tun und Treiben folgende Per-
son oder eine Gesamtheit solcher Personen.
Mhd. anehanc m. — anhangen, durch Ver-
mischung mit dem trans. V. auch anhängen,
V. : woran hangen ; fest zugetan sein. Mhd.
anehangen. ABL. Anhänger, m.: der einer
Person oder Sache zugetan ist (bei Luther).
anhängig, adj.: (veraltet) zugetan: zu-
gehörig; (von Prozeßsachen) schwebend, der
Entscheidung entgegensehend (aus der Kanz-
leisprache bei Luther). — anhänglich, adj.:
dauernd zugetan. Bei Adelung 1793, aber
von Heynatz 1796 als wenig üblich bezeichnet.
— Anhängsel, n. : anhangender Gegenstand.
1733 bei Gottsched.
anheben, v.: anfangen, eig. angreifen
zum Bewegen. Mhd. aneheben. Nur in feier-
licher Sprache.
anheim, akkusat. adv.: eig. an das Haus
(vgl. Heim); zu freier Verfügung. Li der
Kanzleisprache des 16. Jh. erscheint a. in
festen Verbindungen mit Verben (vgl. a. ziehen
Reichs-Ordnungen 136^), von denen jetzt noch
anheimfallen, -gehen, -stellen üblich sind (da-
für bei Luther 3, 112'' Jen. heimfallen, 3, 125^
heimgehen).
anheimeln, v. : heimisch anmuten. Bei
Dentzler 1709 verzeichnet und durch Schweizer
Schriftsteller ins Hochd. gekommen, aus dem
es Campe 1807 anführt, heimeln ist mit einer
diminut. Endung von heim gebildet.
anheischig, adj.: durch Versprechen ver-
pflichtet (nur noch in sich a. machen). Ent-
standen durch Ernwü-kung von heischen (s. d. )
aus mhd. anthei^ec «durch Versprechen schul-
dig», abgeleitet von mhd. ahd. anthei^ m.
«Gelübde», dazu got. andahaitn. «Bekenntnis»
neben andhaitan «bekennen». 1576 beiMathe-
sius Luther 104^ anheischig (1566 anheschig).
anher, adv. : hierher, bis hierher. Frühnhd.
Kanzlei ( Janssen Frankf. Reichscoir. 1, 913 ).
anherrschen, v.: herrisch anfahren.
Junges Wort, noch nicht bei Campe 1807.
Anhöhe, f. (PI. -n): mäßige Erhöhung.
1741 von Gottsched und 1748 von Klopstock
(Messias 2, 43) gebraucht. Schon mnd., auch
63
Anis
Anlaß
64
später bei Niederdeutschen erscheint Amberg
(d. i. Än-berg) «Hügel», eig. «mäßig ansteigen-
der Berg», wonach wohl Anhöhe gebildet ist.
Anis, m. (Gen. Anises, PI. Anise): eine
Gewürzpflanze und ihr Same. Spätmhd. ants
und (umgelautet) enis n. aus dem gleichbed.
gr.-lat. amsum n., gr. avicov n., einer Neben-
form von gr. ävricov n., ävrixov, äviiGov «Dill».
In der Schriftsprache ist die mit dem Lat.
übereinstimmende Form durchgedrungen, wäh-
rend älternhd. oft aneis und (mit Ton auf
der 1. Silbe wie jetzt obd.) enis vorkommt.
anitzt, anjetzt, adv.: Erweiterungen von
itzt (s. d.) «jetzt», aus der Kanzleisprache
[anietzt bei Opitz 2, 265).
^Anke, f. (PI. -n) -. «Nacken». In Thüi'ingen,
Franken, Schwaben und am Mittelrhein (Maler
Müller 2, 67). Mhd. anke f. «Genick, Gelenk
am Fuß», ahd. ancha f. «Genick», encha (mit
Umlaut) f. «Beinröhre». Urspr. s. v. a. Gelenk,
Gliedkrümmimg zur Bewegung. Vgl. auch
got. halsagga m. (für überliefertes balsagga
vermutet) «Nacken»; zu gr.ciYKÜJv «Ellenbogen»
s. Angel. S. auch Enkel.
"Anke, Anken, m. (Gen. und PI. Anken),
selten f.: Butter. In der Schweiz, dem Elsaß,
am Oberrhein. Mhd. anke m., ahd. anko m.
und anka f., auch in Zusammensetzung ajic-
smero m. «Butter». Verwandt sind lat. un-
guere «schmieren», unguen, umbr. mnen «Salbe,
Fett», altir. imb, preuß. anktari «Butter», aind.
ats'j «salben», ajjam «Opferschmalz». ABL.
anken, v.: buttern.
^Auker, m. {-s, PI. wie Sg.): Eisen mit
Widerhaken zum Auswerfen ins Wasser,
wenn das Schiff stehen soll. Mhd. anker,
spätahd. anchar m.; mit ndl. anker n., ags.
ancor, oncor m., engl, anchor, anord. akkeri
n., schwed. ankare n., dän. anker n., entlehnt
aus gr.-lat. ancora f., gr. ä^Kupa, Grundbegrifi"
«das Gekrümmte», zu der unter Angel be-
sprochenen Sippe gehörig. Der eig. ahd.
Ausdruck senchil m., sinchila f. «Senkel» (s. d.)
wurde durch das von Norden her eindringende
entlehnte A. verdrängt. ABL. ankern, v. :
mhd. ankern, auch (umgelautet) enkern.
"Anker, m. (-s, PI. wie Sg.): ein etwa
■■/g Eimer haltendes Maß. Aus dem ndl.
anker n. ins Hochd. aufgenommen (bei Frisch
1741 verzeichnet), das auf dem eine kleinere
Tonne als Maß bezeichnenden mlat. aneheria,
anceria f. beruht.
Anklang, m. {-s, PI. Anklänge): durch
Anschlag hervorgerufener Klang; anhebender
Klang : sich anschließender, verwandter Klang,
(bildlich) entsprechende Empfindung usw. (in
A. finden). Ein Adelung noch unbekannter
Ausdruck der neuern Dichtersprache (in der
3. Bed. bei Voß 3, 169, dann auch bei
Goethe).
anklingen, v. (mit starker Flexion): mit
dem Klange woran rühren. Dagegen an-
klingen (mit schwacher Flexion): Glas wider
Glas anstoßen, daß es einen Klang gibt. Oft
bei Voß (aber bei Goethe Faust 5276 mit
starker Flexion angeklungen).
ankommen, v.: wohin kommen um da
zu sein; an jemand herankommen, über jem.
kommen (jetzt noch im Ausruf komm an!,
Schiller Braut v. Mess. 3, 2, Lessing Nathan
1, 3, früher wie mhd. anekonien , ahd. ana
quenian mit trans. Akk.); etwas kommt mich
an «ich werde davon befallen» (jetzt auch mit
Dat. wie schon bei Luther Weish. 16, 21),
mit Adv. z. B. schwer «ich werde wovon er-
griffen» (bei Luther); es darauf a. lassen
«das Herantreten, den Verlauf einer Sache ab-
warten » (bei Stieler 1691) ; es kommt an auf —
es tritt an — heran, um dadurch in seinem
Verlauf bestimmt zu werden (bei Ludwig 1716).
ABL. Ankömmling, m. (s, PI. -e): wer
ankommt. Bei Krämer 1678. — Ankunft, f.:
(veraltet, doch noch bei Goethe 16, 50) Ab-
stammung; Ankommen (so schon bei Luther).
ankörnen, v.: anlocken, eig. Vögel durch
ausgestreute Körner (Goethe Götz 2, 13). Bei
Duez 1664.
Anlage, f. (PI. -n): Beilage; die dem Ein-
zelnen auferlegte Steuerleistung (frühnhd.);
Aufwendung von Geldern zu bestimmtem
Zwecke ; Entwurf eines Gebäudes, Gartens usw.
und das Angelegte selbst (Frisch 1741); an-
geborne Fälligkeit (erst um 1750, z. B. Lessing
7, 363). Mhd. anläge f. «Bitte, Anliegen».
anlanden, v.: ans Land fahren. In der
altern Sprache dafür anlanden (so noch bei
Wieland 20, 260).
anlangen, v.: l) intrans. ans Ziel ge-
langen, mhd. anelangen. 2) trans. (veraltet)
bittend angehen (bei Luther Ap. -Gesch. 25,
24); betreffen (frühnhd., auch bei Luther).
Anlaß, m. (Gen. Anlasses, PI. Anlässe):
das Bewegende zu einer Handlung. Mhd. anelä^
m. «Ort, von dem aus das Rennen losgeht;
schiedsrichterlicher Austrag einer Sache» (die
jetzige Bed. ^chon frühnhd). ABL. anläß-
lich, adv. (nnt Gen.) : in der neuern Kanzlei,
spräche (noch nicht bei Adelung).
65
anlassen
annektieren
66
anlassen, v.: wohin oder wozu los lassen,
mhd. anelä^en, anelän, ahd. analä^an; an
den Körper angelegt oder angetan lassen;
harte Worte an jemand richten (Stieler 1691).
Refl. sich a. «Fähigkeit und Tätigkeit wozu
zeigen» (frühnhd.).
Anlauf, m. (-es, PI. Anläufe) : ausholende
geschwinde Bewegung woi'aufhin. Mhd. ane-
loufm. «Anrennen, Angriff», ahd. anahlouf m.
«Ansturz». — anlaufen, v.: laufend wider etwas
kommen, mhd. aneloufen, ahd. anahloufan;
(bildlich, zunächst vom Wüd, das gegen die
Waffe des Jägers rennt) widerrennen, in seinem
Tun durch Übeln Erfolg abgeschreckt werden;
anschwellen; von etwas Leichtem überzogen
werden, z. B, der Spiegel, der Wein läuft an
(1696 im Persian. Baumgarten 9, 19).
Anlaut, m. (-es, PI. -e) : der Anfangslaut
eines Wortes. Grammatischer Kunstausdruck
Jäc. Giimms.
anlegen, V.: woran legen, mhd. anelegen,
ahd, analeggen; an sich legen als Kleid oder
Schmuck (schon mhd. ahd.); (von Schiffen)
sich ans Ufer legen; (von Gewehren) zum
Ziele richten (daher es ivorauf a. «es worauf
abgesehen haben»); zu einem bestimmten
Zwecke nutzbringend verw^enden (spätmhd.);
anrichten, anstiften (bei Luther mit Dat.
«einem etwas zufügen»); entwerfen und zur
Ausführung bringen.
Anlelien, n. {-s, PI. wie Sg.): Hingabe
von Geld gegen Zinsen. Mhd. anlehen, ahd.
analehan n. (s. Lehen). — Anleihe, f. (PI. -n), j
in gleicher Bed., aber mehr von hohen Geld- ]
summen. Erst bei Adelung 1774 («in Ober-
deutschland»), j
anliegen, v.: sich dicht woran fügen;
einem andauernd bittend zusetzen; einem I
Nachdenken und Sorge verursachen, Mhd. '
aneligen, ahd. analiggen in diesen 3 Bedd.
Substantiviert Anliegen, n. (-s, Pl.wieSg.), \
nach der 2. und 3. Bed. von anliegen. Früh- :
nhd. Das Part. Prät. angelegen steht oft !
adjektivisch: Nachdenken und Sorge mit Eifer
zvir Tätigkeit verursachend (bei Luther). Da- ,
von Angelegenheit, f. : was mit Nachdenken
und Sorge beschäftigt (so noch Lessing Nath. !
3, 2), daun überhaupt Geschäft (Gombert 7, !
6 V. J. 1619), rmd angelegentlich, adv.: mit I
eifriger Fürsorge (bei Dentzler 1709 noch ohne '
das eingeschobene t angelegenlich). \
anmaßen, v. (mit refl. Akk. und Gen. der j
Sache oderDat. und Akk. der Sache): naehMaß- !
gäbe des Zustehenden in Anspruch nehmen; über
Weiganä, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
das Maß des Zustehenden in Anspruch nehmen.
Mhd. sich anemä^en (mit Gen.) auch schon in
der 2. Bed. ABL. Anmaßung, f., frühnhd.
Anmerkung, f. (PI. -en)-. mündliche oder
schriftliche Bemerkung (1663 bei Schottel als
Verdeutschimg des lat. ohservatio, noch bei
Lessing,Goethe); gelegentlich angefügte schrift-
Hche Bemerkung.
Anmut, f.: (veraltet) die Seelenstimmung
zu etwas, das Vergnügen macht, Neigung,
Verlangen (so zuerst 1514 bei Lilien ci"on 3,
147, aber als M., daneben schon im 16. Jh.
als F.); Freude, Lust (noch bei Hagedom,
Werke 3, 93) ; wohlgefälliges anziehendes Wesen
(so zuerst bei Stieler 1691). Diese jüngere Bed.
im Anschluß an das Adj. anmutig: Neigung
hei'vorrufend, Verlangen erweckend, daher ge-
fällig, lieblich (so schon bei Mumer Schelmen-
zunft 12, 20 anmietig red d.i. wohlgefälhge), —
anmuten, v.: ein Verlangen an jemand rich-
ten, einem etwas ansinnen, mhd. aneniuoten
(mit Akk, der Person und Gen. der Sache,
später mit Dat. der Person und Akk, der Sache) ;
(mit Akk. der Pers.) das Gemüt ansprechen,
Wohlgefallen erregen (noch nicht bei Adelung
1793, von Wieland 23, 341 füi- interessieren
empfohlen und dann von Goethe in der jetzigen
Bed. gebraucht),
Anna, Frauenname. Aus der kirchlichen
gr.-lat. Form Anna nach dem hebr. Frauen-
namen Channäh (l. Sam. 1), urspr. Appellativ
in der Bed. «Gnade, Flehen um Gnade».
Annalen, PI. : geschichthche Ereignisse ver-
zeichnende Jahrbücher. Aus demgleichbed.lat.
annales (nämlich Zi&ri «Bücher»), dem subst.Pl.
des M. des Adj. annalis «das Jahr betreffend»,
von annus m. «Jahr». Im 18. Jh. entlehnt.
Annaten, PI.: die im ersten Jahr an die
päpsthche Schatzkammer fallende Hälfte des
Zinses von einer geisthchen Pfmnde. Aus dem
gleichbed. mlat. PI. annatae von annus m.
«Jahr». Frühnhd, (Luther 8, 708 Weim.).
annehmlich, Adj,: gerne angenommen
und gefallend. Gebildet aus dem mhd. Adj,
annceme «angenehm. Heblich», mit der Ab-
leituugsendung -lieh. Frühnhd.
annektieren, v.: sich ein Land anghe-
dern; überhaupt «sich aneignen». Nach franz.
annexer «anhängen, einverleiben» aus lat.
annectere (aus ad-nectere) «anknüpfen, ver-
einigen». Rot 1571 hat annectirn in der Bed.
«aneinander knüpfen», die auch Campe 1811
allein kennt. Die jetzige Bed. wurde nach
1859 üblich. Vgl. Ladendorf Hist. Schlagwb.
67
aunoch
Ansicht
68
annoch, Adv., mit an verstärktes 7ioch.
Schon in der Kanzleisprache des 15. Jh.
Annonce, f. (PI. -n); Ankündigung in der
Zeitung. Aus dem gleichbed. franz. annonce f.
von awwowcer« ankündigen», das auf lat.anwMW-
ciare d. i. ad-nunciare «ankündigen» beruht.
Gegen Ende des 18. Jh. entlehnt (1795 bei
Campe Bereicherimg besprochen).
Anomalie, f. (PI. -n); Abweichung von
der gemeinen Regel. Aus dem gleichbed.
gr.-lat. anomalia i., gr. dvuujuaXia f. eig.
«Ungleichheit» von dem Adj. dvuj|aa\oc «un-
gleich» (dv- «un-», b^dköc «gleich»). Bei
Sperander 1728.
anonym, Adj.: ungenannt (ohne Angabe
des Namens). Aus gr. dvdjvu|uoc «namenlos»
(dv- «un-, ohne» und övu|uafür övoiuan, «Name»).
Im 18. Jh. dafür anonymisch (Schiller 2, 381).
anranzen, s. ranzen.
Anrecllt, n. (-es, PI. -e) -. das Recht woran.
Wohl in der Kanzleisprache gebildet, im 18. Jh.
allgemeiner gebraucht (Herder 1, 2).
anregen, v.: (veraltet) an etwas rühren,
mhd. aneregen: berühren, erwähnen (früh-
nhd.) ; den Anstoß zu etwas geben (schon bei
Luther) ; (mit Akk. der Person) einen zu etwas
bewegen oder auf etwas hinleiten.
Anrichte, f. (PI. -«) ; der Küchentisch, die
fertigen Speisen zum Auftragen zu bereiten.
Mhd. anrihte f. — anrichten, v.: fertige
Speisen zum Auftragen zurecht machen ; über-
haupt «zurecht machen; entstehen machen».
Mhd. anerihten.
anrüchig, Adj.: in keinem guten Rufe
stehend. In neuerer Zeit an Stelle des zuerst
im 15. Jh. auftretenden anrüchtig (noch bei
Campe 1807) getreten. Dies bezeichnet etwas
oder jemand, dessen Ruf, Gerücht (s. d.) an-
fängt schlecht zu werden. Die Umgestaltung
des Wortes (gleichsam «anfangend übel zu
riechen») erfolgte unter Einfluß von Wörtern
wie Geruch = Ruf, ruchhar (s. d.).
aus, zusammengez. aus an das. Mhd. ang.
ansässig, adj.: festen Wohnsitz habend.
Gebildet von einem frülmhd. Anseß «fester
Wohnsitz», das entweder auf ein mhd. anse^
(mhd. se^ m. n. «Sitz») oder wahrscheinlicher
mit Kürzung des Vokals auf ein mhd. an-
soe^e n. (vgl. mnd. ansete n. «Besitz eines un-
beweglichen Erbes») zurückgeht. Im 18. Jh.
gebraucht (bei Apinus 1728 Anseß igkeif).
Anschein, m. (-es)-, die Art, wie sich
etwas den Augen zeigt, als Grundlage der
Beurteilung. Mhd. anscMn m. «Erscheinung».
— anscheinend, Adj. : den Anschein habend,
eig. Part. Präs. eines V. anscheinen, mhd.
ane schtnen.
anschicken, v. : anordnen, zurecht machen
(noch bei Wieland 4, 113), mhd. aneschicken.
Refl. sich a. «sich zu etwas fertig machen»
(Stieler 1691).
anschlagen, v. : woran schlagen, ml^d.
aneslahen, aneslän, ahd. anaslahan: durch
Schlagen festmachen; den ersten hellen Laut
hören lassen; das Gewehr an die Wange nehmen;
(danach vom Anschlagen und Zielen mit dem
Gewehre) nach Berechnimg oder Erwägung
bestimmen (spätmhd.); gedeihlich sich zeigen
(bei Rädlein 1711 und Ludwig 1716, schon mnd.
anslän). — Anschlag, m. {-es, PI. Anschläge),
nach den Bedd, des Verbums. Mhd. aneslac,
im 15. Jh. auch «worauf zielender Gedanke,
Plan». Davon anschlägig, Adj.: reich an
Einfällen, fiühnhd. (auch bei Luther).
anschmieren, v.; durch Schmieren woran
haften machen (Maaler 1561 anschmirwen);
(einem etwas a.) einem betrügerisch aufhalsen
(Ludwig 1716, während im 17. Jh. sich die Bed.
«fälschlich eine Schuld beimessen» findet);
{einen a.) betrügen (in der neuern Sprache).
anschnauzen, v.: an jemand harte Worte
heftig richten. Frühnhd. (Luther). Zusammen-
ges. mit schnauzen von Schnauze (s. d.), das auf
ndd. snuten beruht. Eig. s. v. a. «anschnauben,
anfauchen», dann «vmgestüm anfahren».
anschwärzen, v.: schwarze Farbe an
etwas bringen; schlecht machen, verleumden
(bei Stieler 1691).
Ansehen, n. {-s, eig. subst. Inf, des V.
ansehen^. Anschauung, mhdi. anseilen n.; äußere
Erscheinung {mhdt.. ansehen «Angesicht»); Be-
rücksichtigung, Wertschätzung (bei Luther).
J.J5L. ansehnlich, Adj.: in der äußern Er-
scheinung hervorragend; allgemeine Berück-
sichtigung, Wertschätzung findend. Finihnhd.
(z. B. Carolina 158), doch daneben auch (vom
V. ansehen aus gebildet) ansehelich.
Auselm, Mannsname. Ahd. Anshelm, zu-
sammenges. mit ahd. ans (nur als erstes Wort
in Zusammensetz.), anord. äss, ags. ös «Ase,
Gott» und heim.
Ansicht, f. (PI. -en): das Heften des
Augenlichtes worauf; die Art der Auffassung
wovon durch die Sehkraft oder (bildKch)
den Geist; das Gesehene wiedergebendes Bild.
Mhd. anesihty ahd. anasiht f. ist «Anblick»,
später verschwindet das Wort im Hochd.,
erhält sich aber im Ndd., aus dem es bei
69
ansiedeln
anstellen
70
Ludwig 1716 angefahrt wird, dagegen be-
zeichnet Frisch 1741 das Wort als nicht ge-
bräuchlich und selbst Adelung 1793 kennt
es in der Bed. «Art der geistigen Auffassung»
nicht. ABL. ansichtig, adj., jetzt nur in
ansichtig werden «im Bereiche der Augen
haben, daß" diese darauf fallen». Mhd. an-
sihtec in ansihtec iverden, aber auch s. v. a. «an-
sehnlich», ahd. anasiktig «gesehen werdend».
ansiedeln, s. siedeln.
ansinnen, v. (mit Dat. der Person und
Akk. der Sache): an jemand die Forderung
einer Tätigkeit richten. Frühnhd. (Brant
Layensp. L 2, mhd. nur an eüien sinnen
«jemand angehen um etwas»). Der Inf. sub-
stantivisch Ansinnen, n. fi-ühnhd. (Nürn-
berger Pol.-Ordn. 109. Brant Layensp. L 3).
anspielen, v. : zuerst spielen und so das
Spiel anfangen; spielend anklingen lassen;
(daher) etwas in leiser Beziehung worauf
sagen oder tun (Lessing 8, 71).
Ansporn, m. (-s) : Antrieb zu tatkräftigem
Handeln. Neugebildetes Wort (noch nicht
bei Campe 1807) vom V. anspornen, eig. das
Pferd mit dem Sporn antreiben.
ansprechen, v. : Worte an jemand richten,
besonders um etwas, mhd. anesprechen, ahd.
anasprehhan; ausdrücklich als sein erklären
und sonach verlangen (auch schon mhd.);
ausdrücklich wofür erklären (bei Goethe
Wahlverw. 2, 2 und öfter) ; freundlichen Ein-
druck auf jemand machen (noch nicht bei
Adelung 1793, aber von Goethe oft gebraucht,
der es 49, 1, 401 ein Wort der Konversations-
sprache nennt).
Anspruch, m. (-es, PI. Ansprüche): die
an jemand gerichteten Worte; das Erheben
einer Forderung gegen jemand (in in A.
nehmen, vgl. mhd. anspruch «rechthche For-
derung»); eine für begiündet gehaltene For-
derung und deren Kundgebung; (Ansprüche)
allgemeine Forderungen, die man ans Leben
und andere richtet (erst in der neuem Sprache).
ZUS. anspruchlos, adj. Seit dem 18. Jh.
(Wieland Suppl. 4, 17), jetzt gewöhnUch an-
spruchslos. — anspruchsvoll, adj., zuerst
bei Campe 1807 als Neubildung.
Anstalt, f. (PI. -en): die Anordnung und
Vorbereitung etwas auszuführen, namentlich
in A. machen, Anstalten treffen (mhd. ver-
einzelt anstaltf. «Begründung», in der jetzigen
Bed. im 17. Jh. Diefenbach - Wülcker 72); in
umfassenderer Weise zu körperlicher oder gei-
stiger Pflege usw. Eingerichtetes (im 18. Jh.).
-stalt ist Abstraktbüdung zu stellen, die sich
an das frilhere Praet stalte anschUeßt.
Anstand, m. (-es, PI. Anstände): das
Stillstehen, vorläufige Aufhören wovon (mhd.
anstant m. «Waffenstillstand»); das Venveüen
des Jägers auf einem Standorte, sowie dieser
Standort selbst; der Aufenthalt in einer Sache
mit Bedenklichkeit in dieser fortzufahi-en
(Duez 1642); äußerliches schickliches Ver-
halten (erst um die Mitte des 18. Jh. aus
dem Adj. anständig entwickelt, z. B. bei
Lessing 2, 94, Wieland Amadis 117). ABL.
anständig, adj.: passend, schicklich. Seit
dem 17. Jh. (unter Einfluß des V. anstehen,
daher anfangs meist mit Dat. der Person,
z. B. Grimmelshausen Simpl. 880).
anstatt, Praep. mit Gen.: an Stelle von.
Zusammengerückt aus an und dem Dat. Sg.
von Statt, mhd. an stete, an stat, in der
Kanzleisprache des 15. Jh. schon als Praep.
verwendet (1444 anstad Germania 28, 359).
a. daß, Konj.: an der Stelle daß.
anstechen, v. : woran stechen, mhd. ane-
stechen, ahd. anastehhan; mit dem Stachel
(Sporn) antreiben (noch in angestochen kommen
d. i. angeritten); (bildlich) reizen, mit emp-
findlichen Worten auf jemand zielen (Luther) ;
sinnlich reizen, in die Augen stechen (Goethe
16, 15); (durch Einstechen einer Röhre ein
Faß) zum Zapfen öff"nen (schon mhd.).
anstecken, v.: durch Einstechen woran
haften machen; wie anstechen, vom Öfihen
des Fasses; (dadurch daß Brand Hervor-
bringendes an etwas stechend befestigt wird)
in Brand setzen (so schon mhd. anstecken);
zündstoffartig mitteilen (von Krankheiten,
schon im 16. Jh.). Intrans. : zündstoffartig
sich mitteilen.
anstehen, v.: dicht oder nahe zu etwas
hin sein, mhd. anestän, -sten, ahd. anastän,
sten, stantan : stehen bleiben, im gegenwärtigen
Zustand verbleiben, namenthch in a. lassen
(bei Luther); mit Bedenken innehalten; (mit
Dat. der Person) passen, gemäß sein (schon
mhd.). S. Anstand.
anstellen, v.: nahe woran stellen; an
eine Stelle weisen; in ein Amt einweisen
(von Gottsched bekämpft und noch von
Adelung 1793 für oberdeutsch erklärt); ins
Werk setzen, unternehmen (fiühnhd.); (mit
Akk. der Person) anstiften. Refl. sich a.
(mit Adv.) sich in einer Tätigkeit zeigen
(frühnhd.); ein Benehmen zur Schau tragen,
namentlich zum Schein. Mhd. anestellen
71
anstiften
Antipode
72
«aufschieben». ABL. anstellig, adj.: sicli
gut anstellend, gewandt, vom refl. sich a.
Nach Heynatz Antib. 1, 134 von Lavater
empfohlen und danach auch von andern ge-
braucht (Schüler TeU 1, 3).
anstiften, v. : am-egen, anreizen, Frühnhd.
(Franck teutsche Chron. IIO''). Vgl. stißen.
Anstoß, m. (-es, PI. Anstöße): auf etwas
einwii'kende, nach vorwärts drängende Be-
wegung, mhd. anesto^, ahd. anasto^ m.\ Hin-
deiTing in der Bewegung, sowie das unan-
genehm Hindernde und damit Ärgernis Ge-
bende selbst (so schon mhd., dann bei Luther) ;
schnell zukommendes Übelbefinden an Leib
oder Gemüt; an Zeug angesetztes Zeugstück.
— anstoßen, v.: widerstoßen, mhd. ane-
stogen, ahd. anasto^an; dui-ch Stoßen in Be-
wegung setzen; an jemand empfindlich be-
inihrend kommen, z. B. das Fieber stieß ihn
an (so schon mhd.); wider andrer Ansicht
und Billigung tun ; angrenzen ; anfügen. ABL.
anstößig, adj. (nach der 2. Bed. von A., der
3. von anstoßen), frühnhd. (Fischart Garg. 168).
anstrengen, v. : etwas mit Bemühung ins
Werk setzen (jetzt nur eine Klage, einen
Prozeß, mhd. anstrengen ist «inständig bitten») ;
zur Anspannung der Kräfte bringen, ab-
mühen. Mhd. strengen ist «stark machen,
kräftig ausüben, bedrängen», ohA. strengen »be-
di'ängen».
Anstrich, m. (-es, PL -e): der Strich
woran, auch der Strich mit dem Fiedelbogen
zum Spiele (mhd. anstrich m.); das An- und
Überstreichen womit, sowie das woran Ge-
strichene, um sich ein Aussehen zu geben
(bei Maaler 1561 «Schminke») : eine zum Schein
hervorgekehiie Eigenschaft (Günther 687).
ansturen, s. sturen.
ansuchen, v.: bittend angehen, ersuchen.
Substantivisch Ansuchen, n.: fiühnhd.
Kanzleisprache (Reichsordnungen 17^^ vom
J. 1495). Vgl. mhd. eteivag an einen suochen.
ant-, Vorsilbe mit der Grundbed. zu — hin,
gegen, jetzt nur noch in Antlaß , Antlitz,
Antwort, fi-üher häufiger imd als betonte
Form mit dem unbetonten ent- wechselnd.
Mhd. ahd. ant-, dazu asächs. and-, ags. and-,
ond-, anord. and-, got. anda-, and-, hier auch
ayid als Präp. «an, worauf hin, längs». Ver-
wandt ist lat. ante «vor», gr. dvxi «gegen,
gegenüber, vor», skr. änti «gegenüber», aht.
anta «auf, zu», lit. aiit «auf». Zur Bedeu-
tungsentwicklung vergl. Delbrück Grundriß
3, 1, 740 f.
antasten, v.: roh oder gewaltsam Hand
anlegen. Mhd. anetasten «feindhch angreifen,
angehend nötigen». Vgl. tasten.
antedilu Vianisch , adj.: vorsintflutlich.
Bei Herder 6, 111 (um 1770), Wieland 47, 64
(Gruber) vom J. 1790. Von lat. ante «vor»
und lat. düuvium n. «Überschwemmung».
Anteil, m. n. (-es, PI. -e): jemand zu-
kommender Teil woran, mhd. (selten) anteil
n. (häufiger seit dem 17. Jh.); (nur m. ohne
PI.) Mitgefühl (bei Adelung 1774).
Anthologie, f. (PI. -n): Blumenlese d. i.
Sammlung kleiner Gedichte und dann auch
andrer Schi'iftstücke. Aus dem gleichbed.
: gr. dvOoXoYia f. von dem Adj. dvGo\ÖYOc
1 «Blumen lesend» (ävöoc n. «Blume», -Xofoc von
I \4.^eiv «lesen, sammeln»). Im 18. Jh. entlehnt.
j Anthropologie, f.: Menschenkunde,
: Wissenschaft vom Menschen. Aus gr.-neul.
I ...
anthropolögia eig. die über den Menschen
j redende, die menschenkundige Wissenschaft,
, von dem gr. Adj. dvBpuuTroXÖYOC «über den
«Menschen redend» (ävöpuuTToc m. «Mensch»,
-\o-foc von XeY£iv «reden»). Im 18. Jh. entlehnt.
Antihaptist, s. Anabaptist.
antik, adj. und adv.: altertümlich, in
Geschmack und Geist des Altertums. Aus
dem franz. Adj. antique, ital. antico, das auf
lat. antiqims «alt» beruht. Bei Sperander
172^ noch in der franz. Schreibung. Schon
im 16. Jh. kommt das von lat. antiquus ab-
geleitete Adj. antiquisch vor (1558 bei Rivius
Büxenmeisterey 3, a 1% Gombert 6, 4). —
Antike, f. : Kunstarbeit des klassischen Alter-
tums und dieses selbst. Aus franz. antique f.,
das auf lat. antiqua, PI. von antiquimi (eig.
opus «Werk») beruht. Im 18. Jh. aufge-
nommen (im PI. bei Lessing 6, 436).
Antimon, n. (-s, PI. -e): Spießglanz,
Spießglas. Aus mlat. antimonium n., span.-
ital. antimonio, wohl vom gleichbed. arab.
al-ithmid, al-uthmud. Der griech. Name da-
für war cTißi, CTiiuiui n., daher lat. stibiuyn n.
Antipathie, f. (PI. -n): natürliche Ab-
neigung wogegen. Aus gi'.-lat. antipathia,
gr. dvTiTrdGem f. «Gegen-, Abneigung», von dem
gr. Adj. dvTiTra9ric «von entgegengesetzter Nei-
gung seiend» (dvTi «gegen, wider», -iraOric von
irdGoc n. «Leiden, Gefühl», zu iraGeiv, Inf. Aor.
von irdcxeiv «leiden»). Im 17. Jh. entlehnt.
Antipode, m. (-n, PI. -?i): Gegenfüßler.
Aus dem gr.-lat. PI. antipodes, gr. dvTiTrobec
«Gegenfüßler», dem als Subst. genommenen
PI. des M. des gr. Adj. dvriTTouc, Gen. dvri-
73
Antiquar
Anwärter
74
TToboc «die Füße entgegengekehi-t habend, '
gegenfößig// fdvxi «gegen», -uouc von ttoüc m.
«Fuß»). Nocli 1710 bei Behring in der lat. j
Form Anfipodes. !
Antiquar, m. (-es, PI. -e): Altei-tmns-
forscher ; Händler mit alten Büchern. Aus j
lat. antiquarius m. «Altertumskenner, Alter-
tümler», dem als Subst. genommenen M. des
Adj. antiquarius «das Altertum betreffend»,
von antiquus «alt». Bei Xieremberger 1753
noch in der lat. Form, dafür 1595 bei Welser-
"Werlichius Chron. 4, 81 Antiquitist m. ABL.
Antiquariat, n.
Antiquitäten, PL: Gegenstände aus dem
Altertum. Aus dem gleichbed. lat. antiqid-
tates, PI. von antiquitas f. «Altertum», von
antiquus «alt». Schon im 16. Jh. gewöhnlich
(Antiquitet in der Zimmerschen Chronik, 1548
bei Stumpf Schweizerchron. 1, 278^, 1562 bei
Mathesius Sar. 232 a, Rot 1571).
Antisemit, m. (-en, PI. -en) -. Gegner der
Semiten. Ein um 1879 von Wilh. Marr ge-
prägtes Kampfwort. Aus gr. övti- «gegen»
und Semit (s. d.).
Antlaß, m. (-sses, PI. -sse) -. Sündener- 1
lassung, Ablaß; Lossprechung (Entlassung)
von Kirchenstrafen und Wiederaufnahme in '
die KLrchengemeinde. Nur noch bayr.-öst. I
;Mhd. ahd. antläg m., zu dem V. eyitlassen, ahd.
ant-, intlägan.
Antlitz, n. (-es, PI. -e): Angesicht. ^Ihd.
antlitze n.; dazu (aber mit andrer Suffix-
bildung) ags. andiclita m., anord. andlit n.
«Angesicht». Im Got. steht neben anäawleizn
n. «Angesicht» das nicht mit anda- zusammen- '
gesetzte wlitsm. «Angesicht, Ansehen, Gestalt».
Dies gehört zu einem verlorenen starken Y.
wleitan «sehen» (dazu got. wlaiton «umher-
blicken, spähen»), dem ags. ivUtan, anord. Uta
(für vlita) entspricht. Im Mhd. findet sich auch
häufig antli'.tze n., ahd. antluzzi, anluzzi, mit
Assimilation annuzzi n. (die Form mit i erst
im 11. Jh. belegt). Formen, die durch Ver-
mengung mit dem gleichbed. ahd. antlutti n.,
mhd. (selten) antlütte n. entstanden sind,
deren -lutti, -lütte auf got. hidja f. «An-
gesicht» zurückführt. Luther bediente sich
des Wortes in der Form Andlitz.
Anton, Mannsname. Aus \dX. Antonius, des-
sen Ursprang und Bedeutimg dunkel ist. Vgl.
W. Schulze Zur Geschichte lateinischer Eigen-
namen 123 f. Danach der Frauenname Antonie.
Antrag, m. (-es, PI. Anträge): an jemand
gerichtetes Erbieten, Vorschlag; förmlich ge-
stelltes Begehren. Frühnhd., von dem V.
antragen, mhd. auch in der Bed, «anstiften»,
frühnhd. «anbringen, vorschlagen».
Antriel), m. {-es, PI. -e): starke An-
regung zu einem Tun. Frühnhd. (bei Nas
Pract. A 2 Andrib).
antun, v.: an sich legen (mhd. anetuon);
mit Kleidern usw. versehen; (mit Dat. der
Person ) zufügen, namenthch Übles ^frühnhd.) ;
mit Zauber schädigen (^bei Krämer 1678).
Antvogel, s. Ente.
Antwort, f. (PI. -en): das auf Worte
eines andern Gesagte, insbesondere sofern es
sich auf jene bezieht. ^Ihd. antwurt f. und
antwürte n., später (mit Anlehnung an wort)
antwort f. n., ahd. (selten) antwurti f., meist
antwurti n.; dazu asächs. ayidivordi n., ndl.
antwoord n., ags. andwyrde n., anord. andyräi
n., got. andawaurdi n. Dies ist gebildet von
got. anda- (s. ant-) und einer Kollektivbil-
dung von Wort, also urspr. «Gegenwort, Gegen-
rede». Luther gebraucht das Wort noch oft
als X., daneben als F.; auf das alte N. weist
auch noch Anticorts genug (Lessing Em. Gal.
4, 8). ABL. antworten, v.: mhd. ant-
würten, antwurten, antworten, Bhdi.antwurten:,
dazu asächs. andwordian, ags. andwyrdan, got.
andivaurdjan.
Anwachs, s. Amcuchs.
Anwalt, m. (-es, PI. Anwälte): der für
den andern eine Rechtssache führt, Advokat:
(in Oberdeutschland früher auch) Gemeinde-
vorstand (so noch jetzt schwäb.J. Aus mhd.
anwalte, ahd. anwalto m., dazu ags, onwealda
m. eig. der Gewalt woran hat, von ahd. ana-
walt f., ags. onweald m. «Gewalt woran, Macht»
zu walten. Ältemhd. begegnet häufig die
Schreibung Anwald (im 16. und noch im
18. Jh., z. B. bei Klopstock, Schiller 12, 456).
Die ursprüngliche schwache Flexion noch bei
Luther (auch Klopstock im PI. Anwalden),
sonst stark, PI. Anwalte und (jetzt) Amcälte.
ABL. Anwaltschaft, f. bei Duez 1664.
anwandeln, v.: herankommen; vorüber-
gehend an Geist oder Körper zukommen (mit
Akk., seltner Dat. der Person, z. B. Liscow
158. 341, Lessing 2, 49).
Anwärter, m. (-s, PI. wie Sg.): der auf
eine Stelle usw. Anspruch machen kann. Von
mhd. anewarten «worauf sehen, erwarten».
Frülmhd. — Anwartschaft, f.: Rechts-
anspruch auf künftigen Besitz. 1641 bei
Schottel 336.
75
Anweisung
Apathie
76
Anweisung, f. (PI. -en) : Hinweis worauf,
Unterricht (mlid. anmstmge f.) ; Bestimmung,
Zuteilung, insbesondere einer auszuzahlenden
Geldsumme (dies schon frühnhd.).
anwenden, v.: Richtung worauf geben,
beziehen; zu einem bestimmten Zwecke ge-
brauchen. Mhd. anewenden ist «ordnen», die
jetzige Bed. «verwenden» bei Luther.
Anwesen, n. {-s, PI. wie Sg.): (veraltet)
das Gegenwärtigsein; unbeweghches Besitz-
tum (im voc. ine. teut. a 8* Anwesen «mansio,
habitaculum»). Der substantivierte Inf. des V.
mhd. aneicesen, ahd. anmvesan «darin- und
dasein». — anwesend, Adj.: eig. Part. Präs.
des V. Um 1600 gebräuchlich geworden (bei
Duez). — Anwesenheit, f.: um leOO ge-
bräuchlich (bei Gombert 7, 7 vom J. 1618).
anwidern, s. widern.
Anwuchs, m. {-es, PI. Anwüchse): stei-
gende Zunahme und das in solcher BegrifiPene ;
an etwas Gewachsenes. Vom Prät. von an-
wachsen aus gebildet; erst bei Adelung 1774.
Älter ist Anioachs (bei Stieler 1691).
An wünsch, m. {-es, PI. Anwünsche):
Wunsch an jemand (Hagedom Fab. 154). Von
dem bereits ältemhd. V. anwUnschen.
Anzahl, f.: die zukommende Zahl; über-
haupt Zahl, Menge. Spätmhd. anzale, anzal
f. «von einer Menge dem Einzelnen zufallender
Anteil, Verhältnis, zukommende Zahl».
anzapfen, v.: wovon durch Zapfen die
erste Flüssigkeit auslassen; (bildlich, wie an-
siechen) mit Worten auf jemand zielen, ihn
zu einer Äußerung zu reizen suchen. Im
15. Jh. anzepfen (so noch jetzt schwäb), auch
schon in der 2. Bed.
Anzeichen, n. {-s, PI. wie Sg.): auf et-
was hindeutendes Zeichen. Bei Krämer 1678.
Anzeige, f. (PI. -n) -. Ankündigung; worauf
hindeutender Umstand. In der Kanzleisprache
um 1500 für älteres Anzeigen n. eingetreten
(z. B. Reichs-Ordnungen 38^ vom J. 1500),
daneben ältemhd. auch Anzeig m., alle von
dem V. anzeigen ausgehend.
anzetteln, v.: den Zettel (s. d.) d. i.
Aufzug zu emem Gewebe machen; (büdlich)
durch kleine Mittel anstiften. Frühnhd.
(Sallust S 3^).
anziehen, v.: l) trans. (mit haben) zu
sich hin ziehen, mhd. aneziehen; durch
Ziehen in Bewegung setzen (auch mhd.);
durch Ziehen vom Flecke bewegen; zuerst
ziehen; straff ziehen, z. B. ein Seil; auf-
ziehen, groß ziehen, z. B. Hühner; an den
Köi^per oder einen Teil desselben zur Be-
deckung oder zum Schmuck ziehen (im
15. Jh., z. B. voc. ine. teut. a 8*, auch bei
Luther); mit Kleidern versehen; beispiels-
weise oder belegend erwähnen (im 15. Jh.,
auch bei Luther). 2) refl. sich a.: sich an-
kleiden (mhd. dagegen «Anspruch worauf
machen»). 3) in trans. (mit sein) im Zuge
herankommen (frühnhd.) ; zu ziehen anfangen;
in einen Dienst, ein Amt usw. eintreten.
Von dem trans. V. das Part. Präs. anziehend
als Adj.: durch sinnlichen Reiz oder geistig
zu sich hin ziehend, für sich gewinnend (1760
Wieland Suppl.4, 163, vgl. abstoßend). S. Anzug.
Anzucht, f. (PI. -en): Abzugsgraben für
unreines Wasser. Entstellt aus lat. aquae-
ductus, vgl. Ahzucht.
Anzug, m. {-es, PI. Anzüge): das Ziehen,
um in Bewegung zu setzen; das Herbei-
kommen; das Antreten eines Dienstes, eines
Amtes; Gesamtheit der Kleidung (Geliert 3,
284). Spätmhd. anznc m. ist «Stellung eines
Zeugen, Zugang von Kaufleuten zum Ein-
kauf, Beschuldigung oder Vorwurf». ABL.
anzüglich, Adj. und Adv.: sich worauf
beziehend (worauf zielend), um unangenehme
Empfindung zu verursachen (Stieler 1691,
gleichbedeutend anzügisch bei Moscheroseh
Phil. 1, 589, anzügig bei Harsdörfer Ge-
sprächssp. 1, 241, vgl. mhd. anzuc «Beschul-
digung, Vorwurf»); durch sinnlichen Reiz
oder geistig zu sich hin ziehend (Lessing,
Wieland, Goethe).
anzwacken, v.: mittels Spitzen an etwas
klemmen (Hagedorn Od. 99) ; mit Worten em-
pfindlich zusetzen, angreifen (Günther, Voß).
Apanage, f. (PI. -n) : standesgemäßes Leib-
gedinge. Aus fi'anz. apanage f., das auf mlat.
apanagium, appanagimn (d. i. ad-panagium)
n. «Unterhalt des Nachgeborenen und so nicht
Erbberechtigten» beruht. Dies neben dem
gleichbed. apanamentum n. von mlat. apanare,
appanare (d. i. ad-panare) «Brot (lat. panis),
Unterhalt geben». Im 17. Jh. entlehnt.
apart, adj. und adv.: für sich stehend;
sonderbar. Zusammengerückt aus franz. d
pari, ital. aparte «bei Seite». Im 17. Jh. ent-
lehnt, zunächst aber nur als Adv. gebraucht
(daher auch Schelmufsky 79 noch in zwei
Worten a parte), später auch als Adj. (bei
Nieremberger 1753).
Apathie, f. (PI. -n): Stumpfheit des Ge-
fühles, Gleichmut. Aus gr.-lat. apathia f.,
gr. dirdöeia f. «Unempfijadlichkeit», von dem
77
aper
Apotheose
78
Adj. oTraGric «leidenschaftslos, unempfind-
lich» (d- un-, -iraGric von TToieoc n. «Leiden,
Gefühl»).
aper, s. a&er.
Apfel, m. (-S, PI. Äpfel): die bekannte
Obstart, sowie dann manche andre dieser
ähnliche rundliche Frucht und überhaupt
rundhcher Gegenstand (schon in ahd. Zeit
auch = Augapfel). Mhd. apfel (PI. epfel),
ahd. aphul, aphol (PI. epfili) m., dazu ndl.
fries. appel m., ags. ceppel m., engl, apple,
anord. epli n., schwed. äple n., dän. äble n.
(got. *aplus zu vermuten). Vgl. auch Äff oltev.
Verwandt ist irisch aball, uhall, lit. öbuolas
m., abg. jablüko n. Apfel. Diese nordeuro-
päischen Benennungen der Frucht führte
mau auf den Namen der von Virgil (Aen.
7, 740) als äpfelreich gepriesenen Stadt Ähella
in Campanien zurück; die Bezeichnung sei
zuerst ins^ Keltische eingedrungen, von hier
noch vor der 1. Lautverschiebung ins Ger-
manische (darum ist hier das h der Grund-
form in p gewandelt) und weiter ins Litau-
ische und Slavische. Eher ist aber an Ur-
verwandschaft zu denken, vgl. K. Much Z. f.
Osten'. Gymn. 1896 S. 608, oder der Anklang
ist nur zufällig, und Äpfel ist eine alte Be-
zeichnung des Holzapfels. ZUS. Apfell)aum,
m.: mhd. apfelboum m. — apfelgrail, adj.,
mhd. apfelgrä, ahd. aphulgrä, anord. apal-
grär. — ■ Apfelmus, n. : mhd. apfelmuos n.
— Apfelschimmel, m.: grauweißer Schim-
mel mit apfelrunden Flecken, bei Steinbach
1734. — Apfelwein, m.: mhd. apfelwin,
auch epfelimn m., noch jetzt dialektisch
Äpfehüein.
Apfelsine, f. (PI. -n)-. Orange. Nach
holländisch appelsina d. i. aus China (franz.
Sine) herstammender Apfel, irajiz. pomme de
Sine. Die Fracht wurde von den Portu-
giesen (vgl. die ital. Benennung portogallo
m.) bald nach 1500 aus dem südlichen China
nach Europa gebracht. 1681 erscheint Ghi-
neser-Äpffel (Gombert 7, 7), bei Ludwig 1716
Sina-äpffel, Äpffel-sina von Lissabon und
Porto, bei Richey 1755 als hamburgische
Form Appelsina; auch Äppel de Sina kommt
vor (noch leipzig. Äppeldesine Albrecht 79^) ;
Apfelsine erst bei Adelung 1774.
apodiktisch, adj. und adv.: von schla-
gendem Beweise; unwiderleglich. Nach dem
(i = gr. ei) latinisierten gr. Adj. dirobeiKTiKÖc
«beweisend», eig. «fertig zum Vorzeigen, zur
Schau» (ctTtö «abj los, von, weg», beiKxiKÖc
«zum Voi'zeigen geeignet», von beiKvüvai
«zeigen, vorzeigen»). Bei Sperander 1728.
Apokalypse, f. (PI. -n)-. die Offenbarung
Johannis. Aus gr.-lat. apocalypsis, gr. diro-
KdXuv|;ic eig. «Enthüllung» (diro «von, weg»,
KaXÜTTTeiv «um-, verhüllen»).
apokryph, adj.: untergeschoben, unecht.
Apokryphen, PI. : biblische Bücher, die mit
den kanonischen nicht gleiche Geltung haben.
Aus dem gr. Adj. dirÖKpuqpoc «verborgen,
untergeschoben» (d-rrö «von, weg», kpOtttciv
«verbergen»).
Apologie, f. (PI. -n) : Verteidigung ; Schutz-
rede, -Schrift. Aus dem gleichbed. gr.-lat.
apologia, gr. dTroXoYia zu dTroXofeicGai «sich
herausreden, verteidigen» (dird «von, weg»,
\oYeTc0ai zu Xöyoc «Wort, Rede, Erzählung»).
Bei Rot 1571 Äpologei.
Apostel, m. {-s, PI. wie Sg.): Lehrbote.
Mhd. apostel (Gen. apostels und aposteln,
gewöhnlich dafüi' zioelßote), ahd. apostolo,
schon got. apaiistaulus. Aus kirchlich-lat.
apostolus, gr. d-n-öcToXoc m. «Abgesandter»,
kirchlich insbesondere «; Lehrbote Christi»,
vornehmlich aus den zwölf Jüngern, von
d-rrocTeWeiv «abschicken» (dirö «von, weg»,
cT^Xeiv «schicken»).
Apostroph, m. {-es, PI. -e): das Aus-
lassungszeichen '. Aus dem gleichbed. gr.-
lat. apöstroplius, gr. dTTÖcxpoqpoc f., dem sub-
stantivisch genommenenF. desAdj.drröcTpoqpoc
«abgewandt», dann «meidend», vondTTocxpeqpeiv
«ab-, wegwenden» (dirö «von, weg», crpeqpeiv
«wenden»). Das Zeichen ist 1572 von Schede
und 1624 von Opitz in seinem «Buch von der
Deutschen Poeterey» nach dem Vorbild der
Italiener imd Franzosen verwendet worden,
um Weglassung eines e am Schluß der Wörter
anzudeuten.
Apotheke, f. (PI. -n)-. Arzneiladen, Heil-
mittelladen. Mhd. apoteke, aus gr.-lat. apo-
theca f. «Haus zum Kräuter- oder Spezerei-
und Arzneiverkauf», eig. «Vorratsbehältnis
jeder Art, Magazin», gr. dTToGriKr] f. «Weg-
setzungsort, Aufbewahrungsort, Warenlager»
(diTÖ «von, weg», GriKri «Lager» von riGevai
«setzen, legen, stellen», s. Theke). ÄBL.
Apotheker, m. {-s, PI. wie Sg.): Arznei-
bereiter (bei Luther Hobel. 3, 6 «Spezerei-
händler»). Mhd. apoteker m. «Heilmittel-
händler», aus mlat. apothecärius m., «Eigen-
tümer oder Vorsteher einer apotheca».
Apotheose, f. (PI. -n): Versetzung eines
Menschen unter die Götter. Aus gi-.-lat.
79
Apparat
Äquator
80
apotheosis, gr.ciTroG^ujcicf. «Vergötterung», von
gr. diToGeöeiv «vergöttern» (dTrd dinickt hier
Verwandlung in etwas aus, Geöeiv zum «Gott
maclien», von 9eöc «Gott»).
Apparat, m. (-es, PL -e) : Zurüstung zu
etwas Vorzunehmenden ; Werkzeug zur Zu-
rüstung. Aus lat. apparatus d. i. adparatus
m. «Zurüstung, Zubereitung», von apparare
d. i. adparare «zubereiten». Im 15. Jh. ent-
lehnt (Wyle 293, U).
Appell, m. (-es, Fl.-e): Zusammenrufungs-
zeichen dui'ch Trompete oder Trommel; Auf-
ruf: Folgsamkeit des Himdes beim Herrufen.
In der 1. Bed. bei Sperander 1728, in der 3.
Bed. 1768 bei Heppe wohlred. Jäger 38. Aus
franz. ajypel m., das auf mlat. appellum m.
«Vorforderung» (vor Gericht) zurückgeht, von
appellare (s. d. folg.). — appellieren, v. :
höhere Entscheidung amnifen. IMhd. appel-
lieren, aus lat. appellare d. i. adpellare «an-
sprechen», (in der Kaiserzeit) «anrufen, an je-
mand Berufung einlegen», von appeller e d. i.
adpellere «herantreiben». ABL. Appella-
tion, f., Benifung an ein höheres Gericht.
Aus dem gleichbed. lat. appelatio f. Schon im
15. Jh. (vom Nom. gebildet) appelaz, später
(Reichs-Ordnungen 18^ vom J. \A:^b)appellation.
Appetit, m. (-es, PI. -e): Eßlust. Wie
das gleichbed. franz. appetit von lat. appetitus
d.i. adpetitus m. «Lust, Verl angen», von appetere
d.i. adpetere «wonach langen, verlangen». Im
Anfang des 15. Jh. entlehnt (1404 bei Eber-
hard Cersne Der Minne Regel 2720 fg.j.
ABL. appetitlich, adj. und adv.: Eßlust
erweckend (Fischart Garg. 396).
applaudieren, v.: Beifall klatschen. Von
lat. applandere d. i. adplaudere «an etwas
schlagen, Beifall klatschen». Bei Rot 1571.
— Applaus, m. (-es): das Beifallklatschen,
der Beifallsruf. Aus gleichbed. lat. applausus
m. Bei Amaranthes 1773 noch Applausus.
applizieren, v. : anwenden, anpassen, bei-
bringen, refl. sich mit Fleiß auf etwas legen.
Aus lat. applicare d. i. adplicare «anfügen,
wohin wenden, sich anschließen». Bei Rotl571.
apportieren, v.: herbeibringen (vom
Hunde). Aus franz. apporter von lat. ap-
portare d. i. adportare «herbeibringen». 1773
bei Amaranthes (3. Aufl.).
Apposition, f. (PI. -en): bestimmender
Beisatz durch ein Substantiv. Aus dem lat.
appositio d. i. adpositio «Zu-, Beisetzung» f.
approbieren, v. : zu etwas seine Zustim-
mung geben, gutheißen. Aus lat. approbare
d. i. adprobare «zu etwas seinen Beifall geben».
In der frühnhd. Kanzleisprache (Reichs-Ord-
nungen 41* v.J. 1500). ABL. Approbation,
f.: Zustimmung, Billigung. Aus lat. appro-
hatio (Gen. approbafionis) f.
Aprikose, f. (PI. -n): Frucht des arme-
nischen Pflaumenbaums. Zunächst aus ndl.
dbrikoos f. (über diese Form s. Hom Beitr.
23, 254), das entlehnt ist aus franz. ahricot m.,
ital. alhercocco m., span. alharicoque m. Diese
Formen beruhen a^^f dem lat. Adj.praecoquus
«frähzeitig, frühreif» also jyraecoqua «die früh-
reife Frucht», woraus im Mittelgriechischen
irpeKÖKKiov ßepeKÖKKiov n. usw. wurde; daraus
bildeten die Araber (mit dem Artikel al) ihr
albarqüq, albirqüq, und auf diese Form gehen
die der romanischen Sprachen zuiiick. In
Deutschland zeigt sich das Wort um die Mitte
des 17. Jh. (1647 bei Olearius 245 Apricos),
wird aber erst im 18. Jh. allgemeiner, ohne
indes das schon fräher auftretende Marüle
(s. d.) ganz zu verdrängen.
April, m. (-S, PI. -e): der viei-te Monat
im Jahi-. ÄIhd. aprille, aberelle m. aus lat.
aprilis m., unsichi-er Herkunft, vgl. Walde s.v.,
nach Varro 6, 33 gleichsam aperüis d. h. der
alles eröffnende Frühhngsmonat, wie mittel-
imd neugriech. der Fmhling ävoiEic f. «Eröff-
nung» heißt. Der deutsche Name ist Oster-
inonaf, ahd. östarmanot (s. Ostern). Die urspr.
schwache Flexion hat sich bis ins 17. Jh. er-
halten (jetzt nui* noch in Zusammensetzungen
Aprülen-), daneben schon im 16. Jh. die starke
(Fischart Ehez. J 5^), die später herrscht.
ZUS. Aprilnarr, m. : der in den April Ge-
schickte, d. h. der am 1. Apiü Angeführte
oder Getäuschte (Frisch 1741). Das April-
schicken ist, aus Franki-eich überkommen,
schon im 17. Jh. bei uns üblich. April-
wetter, n.: veränderliches Wetter, mhd.
aberellen weter.
apropos (spr. apropo): bei Gelegenheit
(wie im Franz. auch mit Gen. bei Lessing 12,
324), da fällt mii- ein, ehe ich es vergesse.
Zusammengerückt aus gleichbed. franz. d pro-
pos. Im 30 j. Kriege entlehnt (1685 bei
Liebe).
Aquarell, n. (-s, PI. -e)-. Malerei mit
Wasserfarben: Gemälde in Wassei'farben. Wie
das gleichbed. franz. aquarelle aus ital. acque-
reih m. «Wasserfarbe», von lat. aqua «Wasser».
Äquator, m. (-s): der Erdgleicher, die
Linie, die die 'Erdkugel in zwei gleiche Teile
(nördliche und südhche Halbkugel) teilt. Aus
81
Aqnavit
arg
82
lat. aequatorm. «Gleichmacher», von aequare
«gleichmachen». Bei Eot 1571 verzeichnet.
Aquarit, m. (s, PI. -e) : Branntwein. Aus
dem gleichbed. nlat. aquavita, eig. «Lebens-
wasser» {aqua «Wasser.^, vita «Leben»). Ln
16. Jh. übHch (1562 bei Mathesius Sar. 289^).
Ar, n. (-S. PI. wie Sg.): Bodenflächenmaß
in der Größe eines Tierecks, von dem jede
Seite 10 Meter zählt. Erst 1868 aufgenommen
aus dem gleichbed. franz. are m., das auf lat.
area f., <' freier Platz, Fläche, Flächeninhalt
einer mathematischen Figur» beruht.
Arabeske, f. (PI. -n): phantastische, dem
Pflanzenreich entlehnte verschlungene Ver-
zierung nach Art der Araber, denen der Koran
die Abbildung von Menschen und Tieren ver-
bietet und die deshalb die Laubwerkverzie-
rung der antiken Kunst weiter ausbildeten.
Nach dem gleichbed. fi-anz. Plur. arahesques,
vomadj.rtr«?)€S2?/e«arabisch». Noch beiCampe
1813 mit fremder Endung Arabesques.
Arbeit, f. (PI. -en)-. (veraltet) Mühsal,
Beschwerde; Tätigkeit, Kraftanstrengung zu
einem Zwecke: das dadurch Entstandene.
Mhd. arbeit, arebeit, in md. Quellen auch erbeit
(daher bei Luther i'nfjeiY i, ahd. arbeit, arabeit f.
«Arbeit, Mühsal, Not»; dazu asächs. arbed f.
wad arbedi n., ndl. arbeid m., ags. earfoä und
earfeäe n., anord. erfidi n., schwed. arbete n.,
dän. arbeide, arbeid n. (entlehnt ), got. arbaips
f. «Bedrängnis, Not». Die Etymologie ist nicht
ganz klar. Es besteht Verwandtschaft mit
abg. rabü m. «Knecht, Leibeigner», dazu ra-
bota f. «Knechtsarbeit, Frondienst», lit. ar-
bonas «Ochse» und vielleicht auch mit gr.
öpqpavöc «Waise», lat. wb^is «beraubt», d. Erbe
(s. d.). Von einem vorauszusetzenden germ.
ar^a- «Knecht» ist Arbeit vermittelst eines
allerdings sonst ungewöhnlichen Suffixes ge-
bildet (andre nehmen Zusammensetzung mit
einem dem anord. id n. «Werk, Tat» ent-
sprechenden Subst. an). Vgl. Uhlenbeck PBr.
Beitr. 16, 562, 27, 115 f., Meringer Idg. Forsch.
17, 128, Bezzenberger in seinen Beitr. 27, 150,
Grienberger Unters, z. got. Wortkunde 28.
Die Gitmdbed. ist jedenfalls ; Knechtsarbeit»,
woraus sich die von «Mühsal», anderseits die
von «Arbeit» schlechtweg entwickelte. ABL.
arbeiten, v., mhd. arbeiten, arebeiten, ahd.
arabeiten, got. arbaidjan, bei Luther arbeiten.
Davon Arbeiter, m., mhd. (zuerst bei Bert-
hold V. Regensburg f 1272) arbeiter. arbeit-
sam, adj. und adv.: viel vmd gern arbeitend
(so schon bei H. Sachs Fastn. 7, 153), mhd.
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Bhd. arbeitsam «beschwerlich, mühselig». ZVS.
arbeitselig, adj.: mit zuviel Arbeit be-
schwert, mhd. arbeitscelec. Arbeitshaus,
n. : öffentKche Anstalt, in der man Arbeit-
scheue oder Verbrecher zur Arbeit zwingt
(1678 bei Krämer^.
Archäologie, f.: Altertumsforschung und
-künde. Nach lat. Vorbilde aus gr. dpxaioX.OY la
f. «Altertumskunde», vom Adj. dpxaioXöfoc «im
Altei+um forschend» (dpxaioc «altertümlich»,
-Xo-foc von \ij£\v «erzählen»). Lm 18. Jh.
Arche, f. (PI. -«): großer Kasten; kasten-
artiges Schiff; (mimdartlich auch) Bretter-
verschlag, Holzstoß u. dgl. Mhd. arche, arke,
ahd. archa, arahha f. «Kiste, Noahs Schiff»;
dazu ndl. ark f., ags. earce f , engl, ark, anord.
örk f., got. arka f. «Kasten» entlehnt, aus
lat. arca «Kasten» und in der Vulgata «Noahs
Schiff):.
Architekt, m. (-en, PI. -en): Baukünstler.
Aus lat. architecti.t.s m. gebildet aus gr. dpxi-
TeKTUjv m. «Baumeister» (dpxi- «Haupt-»,
TEKTuuv «in Holz arbeitender Handwerker oder
Künstler»). Wohl schon im 16. Jh. entlehnt.
ABL. Architektur, f.: Baukunst. 1548 im
Titel der Vitruv-Übersetzung von Walther Riff.
Aus dem gleichbed. lat. architedura.
Architray, m. {-s, -en, PI. -e, -en) : Unter-,
Hauptbalken, bes. bei Säulenstellungen der
über den Säulen fortlaufende Balken. 1558
bei Rivius Büxenmeisterey 3, a 1^ Architrab.
Aus fi-anz.arc/HY/-avef.m., von gr. dpxi-«Haupt»
und lat. trabs, trabes f. «Balken».
Archiy, n. (-s, PI. -e) : Urkundensaal. Aus
lat. archivum n., gebildet nach gr. dpxeiov n.
«obrigkeitliches Gebäude», zu dpxn f. «Anfang,
Spitze, Regierung». Im Anfang des 17. Jh. ent-
lehnt (Gombert Anz. f. d. A. 4, 166 mit Beleg
von 1618). ABL. Archiyar, m. (-s, PI. -e):
Beamter über ein Archiv. Aus nlat. archi-
varius m. So noch Nieremberger 1753.
arg, adj. und adv. (Komp. ärger, Sup.
ärgst): nichtswürdig, schlecht, bösartig (als
adv. auch nur: übermäßig, in hohem Grade).
Davon substantiviert Ai'g n. (namentlich in
kein Arg): Böses: böse Meinung wovon.
Mhd. arc (Komp. erger, Sup. ergest) ist «nichts-
würdig, geizig», ahd. arg, arag «nichtswürdig,
geizig, feige» (dazu, auch longobard. arga bei
Paulus Diaconus 6, 24. Leg. longobard. 384
«der Furchtsame, Feige, Nichtswürdige»): dazu
ndl. arg, ags. earh «furchtsam, feige, schlimm»,
anord.argr, auch ro^r« träge, fui-chtsam, feige»,
schwed. dän. arg. Die Bed. «nichtswürdig» ist
6
83
Arie
Arm
84
die ursprüngliche und in den germ. Sprachen
nach zwei Seiten hin entwickelt worden; Geiz
und Feigheit galten bei den Germauen als
größter Schimpf. Die Wurzel ist dunkel; viel-
leicht gehört das Wort zu lit. rägana f. «Hexe»,
an-, orgim «verwüste», gr. ipix^w «zerreiße»,
Noreen Urg. Ltl. 89. ABL. ärgern, trans.
und refl. v.: mhd. ergern, ahd. ergirön, argiron,
gebildet vom Komp. ahd. argiro, mhd. erger;
es bedeutet eig. «verschlechtern», dann «zum
Bösen reizen, Anstoß geben», refl. «Anstoß
nehmen» (beides oft bei Luther), woraus die
jüngere Bed. von «verdrießen» entwickelt ist.
Aus dem V. ist Arger m. (s) hervorgegangen,
das nach der Mitte des 18. Jh. aus dem Ndd. in
die Schriftsprache gekommen ist (oft gebraucht
von Bode, z. B. Yorick 1, 111, auch von Les-
sing 12, 405); Adelung 1793 bezeiclmet das
Wort als selten, Heynatz 1796 bekämpft es
als überflüssig, ärgerlich, adj. und adv. : An-
stoß gebend (1482 bei Eychman Aa 4^ erger-
^ic/i«scandalosus»): Anstoß nehmend; Verdruß
hervorrufend; verdrießlich. Ärgernis, n.:
Anstoß (1482 bei Eychman Aa 4^ ergerniß
«scandalum»); Ärger. Älternhd, auch F., na-
mentlich in der 2. Bed. (noch bei Goethe)
ZUS. Arglist, f.: mhd. argeJist, ahd. (bei
Notker) ardist f. Davon arglistig, adj. und
adv.: mhd. arcUstec. arglos, adj. und adv.:
zuerst von Adelung 1793 angeführt. Arg-
wohn, m. (-s): üble, nachteilige Meinung von
jemand, Mißtrauen. Aus mhd. arcwän, ahd.
argwän m., noch bei Luther und bis ins 17. Jh.
Ärgivahn (s. Wahn). Davon argwöhnisch,
adj.: (1482 im voc. theut. B 7* argwenisch,
während mhd. arcwcenec, ahd. arcwänig gilt,
woraus älternhd. argrwö'/im^) und argwöhnen,
V., wofür bis ins vorige Jh. (noch bei Wieland,
Lessing, Goethe, Schiller) meist argtvohnen
gebraucht wird, mhd. arcwcenen.
Arie, f. (PI. -n) -. Lied mit durchgeführter
Singweise; Opernlied. Aus ital. aria f. «Ge-
sang, Melodie». Im 17. Jh. entlehnt, doch
noch im 18. Jh. auch oft in ital. Form Aria.
Aristokrat, m. (-en, PI. -en): Glied der
Adelsherrschaft; Freund der Adelsherrschaft.
Aus franz. aristocrate m., das nach gr. dpi-
cTOKpäTeia gebildet ist (s. d. folg.). — Aristo-
kratie, f.; Adelsherrschaft; Kreis der Vor-
nehmen. Aus franz. aristocratie, das auf gr.
dpicTOKpdTem «Herrschaft der Vornehmen»
(äpicToc «der beste, vornehmste», -KpoTem zu
Kpareiv «herrschen») beruht. Wohl schon im
16. Jh. entlehnt. ABL. aristokratisch.
adj. rmd adv.: bei Gombert 6, 5 Nachweis
vom J. 1585.
Arithmetik, f. : Zahlenlehre. Aus gr.-lat.
arithnietica, gr. dpi6)ariTiKr) «zum Zählen oder
Rechnen gehörige» (nämlich t^x^I «Kunst»),
F. des Adj. arifhmeticus, gr. dpi0|unTiKöc, zu
dpi6|uöc «Zahl». Am Beginn des 16. Jh. entlehnt
(1581 bei Hedio Josephus Vorw. 7^ Arith-
metick). — arithmetisch, adj. und adv.
(Luther 8, 115 Jen.), nach dem erwähnten
Adj. arithmeticus gebildet.
Arkade, f. (PI. -n): Bogenwölbung; (im
PI.) Bogenhallen. Aus franz. arcade f., das
auf ital. arcatai. (zu arcare «einen Bogen er-
bauen», von arcus m. «Bogen») bex'uht. Im
18. Jh. entlehnt (Lessing 2, 177).
Arkehnsier, m. [-es, PI. -e): Haken-
büchsen-, Scharfschütz. Aus dem gleichbed.
franz. arquehusier m., ital. archibusiere m.,
von franz. arquehuse f., ital. archihuso, archi-
hugio m. «Hakenbüchse», das mit Anlehnung
an lat. arais m. «Bogen» aus ndl. haakhus f.
«Hakenbüchse» (s. d.) umgestaltet ist. Im
16. Jh. entlehnt; 1616 bei Henisch.
Arleshaum, m.: der Mehlbeer- oder
Sperberbaum, Crataegus aria L.. Mhd. arliz-
howin, ahd. arli^-, erii^bomii, vielleicht mittelst
der Ableitung -i^ von ahd. erla, erila f., virspr.
*arila «Erle» (s. d.), da die Blätter des Aries-
baumes den Erlenblättem ähnlich sind. Die
Frucht heißt Ariesheere oder Arieskirsche f.
Arm, m. (-es, PI. -e): Glied des Ober-
körpers zum Umfangen und Arbeiten; Vorder-
bein bei aufrechtgehenden Tieren, weim sie
damit umfangen; armähnlich Ausgestrecktes.
Mhd. arm, ahd. arm, anim m.; dazu asächs.
ndl. arm, fries. enti, arm, ags. earm, engl.
arm, anord. armr, schwed. dän. arm, got.
arms m. «Arm». Urverwandt ist lat. armus
m. «Schulterblatt, Oberarm», aslav. ram^ n.
«Schulter, Arm», (serb. räme), preuß. inno
«Arm», ai. Irmas m. «Vorderbug», aw. ardmö
«Arm», arm. arinukii «Ellenbogen, Arm».
Wohl zu gr. dpapicKiu «zusammenfügen, ver-
binden», wozu auch lat. artus m. «Gelenk».
Der PI. lautet mundartlich Arme, älternhd.
öfter Armen (bei den Schlesiei-n, noch bei
Günther 199, Maler Müller Ball. 45ff.). ABL.
armen, v. in umarmen, armig, adj. in
kurz-, lang-, vielarmig. S. auch Ärmel. ZUS.
Armband, n. bei Hulsius 1596. ArmYOll,
m.: soviel man in einen Arm zu fassen ver-
mag, mhd.' armvol, im Schwab. -Alem. ge-
kürzt Ar fei.
arm
Arrest
86
arm, adj. und adv. (Comp, ärmer, Sup.
ärmst): ohne Geld und Gut; hilfsbedüi-ftig;
bemitleidenswert. Mhd. arm, ahd. arm, aram;
dazu asäclis. ndl. arm, fries. erm, arm, ags.
earm, engl, arm, anord. armr, schwed. dän.
arm, got.mv«.« «bemitleidenswert». Unsichrer
Herkunft. Vgl. Osthoff Btr. 18, 252. Nicht
unwahrscheinlich nach Johansson Btr. 15, 223
zu gi\ öpqpavöc <^ "Waise >. (Germ. Grundform
*arhna-.) ABL. arnien, v.: arm machen
(in Almosen gehen armet nicht), dafür mhd.
ermen (armen ist «arm sein oder werden»,
vgl. verarmen), ahd. ermen. ärmlich, adj.
und adv.: Armsein kundgebend, mhd. erme-
lich, ahd. armalth. armselig, adj.: be-
mitleidenswert, jämmerlich. Im 15. Jh. auf-
tretend, abgeleitet von mhd. armsal n. «Elend».
Armut, f. : Mangel am Nötigen, mhd. armuot
f. und armuote, armuot n., ahd. armuoti,
aramuoti: dazu asächs. armödi, ndl. armoede
schwed.- dän. armod n. Ableitung von arm
(dazu das ahd. Adj. armuoti «unvermögend,
düi-ftig»), doch trat fmhzeitig Anlehnung an
Mut ein. Luther gebraucht das Wort als F.
und N., und als N. erscheint es auch später
häufig (nur vereinzelt als M., z. B. bei Weise
Drei klügsten Leute 8) imd selbst gegen-
wärtig noch in der Bed. «arme Leute» (Les-
sing Nathan 4, 3). ZTJS. Armeritter, PI.:
in Butter gebackene Semmelschnitten, schon
mhd. arme ritter. Armesünder, PI.: zum
Tode verurteilte Missetäter.
Armada, f.: Kriegsflotte. Aus span. ar-
niada f. «Kriegsflotte, Kriegsheer», ital. armata
f., franz. armee f. (s. Armee). Um 1500 ent-
lehnt (Armad bei Liliencron 3, 38, Armada
bei Fronsperger 157 = Kriegsflotte, daneben
die Bed. «Kriegsheer», z. B. bei Albertinus
Kriegsleut Weckuhr 112, wofiii' später Armee).
Armatur, f. (PI. -en) -. Kriegsgerät zur Aus-
rüstung. Aus ital. lat. armatura f. «Rüstung»,
von lat. armare «bewaffnen». Rot 1571.
Armbrust, f. (PI. Armbrüste)-, aus Bogen
und Schaft mit Drücker bestehendes Gewehr
zum Abschießen von Pfeilen und Bolzen. Mhd.
(seit dem 12. Jh.) armhrust n., selten f., durch
Anlehnung an Arm volksverständlich gebildet
aus mlat. arhalista, araihalista f. «Bogen-,
Wuifmaschine» (schon im 4. Jh. bei Vegetius),
einer Zusammens. aus lat. arcus m. «Bogen»
und dem von gi\ ßdXXeiv v< werfen» abgelei-
teten mlat. hallista. balista f. «Warfmaschine».
Armee, f. (PI. -n): Kriegsheer. Aus franz.
armee f. (s. Armada). Anfang des 17. Jh. ent-
lehnt (1617 im teutschen Michel als modisches
Fremdwort, auch bei Wallhausen Corp.mil. 63).
Ärmel, m. (-s, PI. wie Sg.): Armbeklei-
dung. Mhd. ermel, ahd. armilo (mit schwacher
Flexion), armil m., dimin. Ableitung von
[ Arm,.
armen, s. arm.
armieren, v.: ausrüsten, bewaffnen. Aus
dem gleichbed. lat. armare, v. zu arma N.
PI. «Waffen». Frühnhd. (Liliencron 3, 38).
ärmlich, armselig, Armut, s. arm.
Arnold, Mannsname. Ahd. Aranolt, aus
: ahd. am «Adler» und -alt aus -loalt «Walten-
der, Walter». Koseform dazu Arno.
Aroma, n. (-s, PI. -s): würziger Geruch.
Aus gr.-lat. aröma, gr. äpuj)aa n. (Gen. dpiü-
luaroc) «Gewürz». Frühnhd. (ein jetzt unüb-
licher PI. Arumaten bei Franck Weltb. 66*').
ABL. aromatisch, adj. : nach dem gleichbed.
gr.-lat. aromäticus, gr. dpouiaariKÖc.
Aron, m. n.: Natterwurz; deutscher Ing-
wer. Aus dem gleichbed. gr.-lat. aron n.,
gl', äpov n. In friihnhd. Glossaren.
Arrak, m. {-es, PI. -e): Reisbranntwein.
Aus arab. 'araq «Schweiß, Saft, geistiges
Wasser», woher auch engl, arrack, rack, franz.
arack, rack, span. arac, daher auch bloß Back
(s. d.). Das aus Ostindien stammende Getränk
wird um 1600 in Deutschland erwähnt (Hulsius
Schiffahrten 11, 31), von Jablonski 1721 als
eine art brantweins in Indien besprochen.
arrangieren,
hl Ordnuncr bringen.
Aus franz. arranger, zusammengesetzt aus
lat. ad «zu, bei, an» und fi'anz. ranger «in
Ordnung stellen, ordnen», abgeleitet von franz.
rang m. «Reihe, Zeile, Rang», das auf deutsch
Bing zumckgeht. Bei Wächtler 1711.
Arras, s. Basch.
Arrest, m. {-es, PI. -e): gefängliche Haft;
gerichtlicher Beschlag. Aus afranz. arrest,
nfranz. arret m., ital. arresto m. «Rechtsspinich,
Beschlagnahme, Verhaftung» von mlat. arre-
stum m. zu arrestare (s. d. folg.). Schon
in der Rechtssprache des 15. Jh. — arre-
tieren, V.: gefänglich einziehen, verhaften.
Aus franz. arreter, afranz. arrester, ital. arre-
stare von mlat. arrestare d.i. adrestare '^ein-
halten, hemmen, verhaften». Frühnhd. (z. B.
Janssen Frankfurts Reichskorr. 2, 878 von
1512) arrestieren, üblich bis ins 18. Jh. (noch
bei Adelung 1793) und dann erst durch das
dem Franz. angeschlossene arretieren (Hey-
natz 1775 arrestiren imd arretiren) ersetzt.
Von jenem arrestieren kommt Arrestant,
6*
87
arrogant
artig
88
m. {-en, PI. -en): gefänglich Eingezogener,
Verhafteter (auch frühnhd.), das fälschlich
statt des Part.. Pass. (Ärrestaf) verwendete
Part. Präs. (afranz. arrestant, ital. arrestante)
von afranz. arrester, ital. arresfare.
arrogant, adj.undady. : anmaßend, dünkel-
haft. Aus dem gleichbed. fi-anz. arrogant von
lat. arrogans (Gen. arrogantis), Part. Präs.
des aus lat. ad «zu, an» und rogare «verlangen,
ft-agen» zusammengesetzten arrogare v., «sich
an-, zueignen, sich anmaßen». "Wohl schon im
16. Jh. entlehnt. ABL. Arroganz, f.: Anmas-
sung, aus dem gleichbed. franz. arrogance, lat.
arrogantia f. (In der Zimmerschen Chronik).
Arscll, m. {-es, PI. Ärsche): mit Deh-
nung des a (vgl. bei Schottehus S. 1277 die
Schreibung Aars und Alirs) und Übergang
des s in seh nach r, wie in hir sehen, heiT-
schen, Kirsche (doch hat noch Luther Ars,
PI. Erse und so bis ins 17, Jh.), aus mhd.
ars (PI. erse), ahd. ars (PI. ersi) m.; dazu
ndl. aars und (mit vorgetretenem n) naars,
fries. ers (in ersknop m. «Steißbein»), ags. ears,
engl, arse, anord, ai'S und (mit Umstellung
des r) rass m., dän. ars: genau entsprechend
gr. öppoc m. aus opcoc «Steiß, Bürzel, Steiß-
beinende». ABL. ärschlings, adv. (Goethe
15, 322; 16, 59): hinter sich, rückwärts,
mhd. erslingen. ZUS. Arschbaeken, m.
(s. '^Backen), im 15. Jh. arshacJc (mhd. dafüi-
arsbeUe f.). Arschkerbe, f. : im voc. theut.
b 7 * arßkerhe. Arschkitzel, f. : Hagebutte,
im voc. theut. a. a. 0. arßkutzel. Der Xame
daher, daß die ionem behaai-ten Kerne der
Hagebutte mit dieser, die gefi'oren gegessen
wird, genossen, im After kratzen (im Franz.
entsprechend gratte-cid m. cki-atze den Hin-
tern»). Arscllleder, n.: halbrundes Leder
der Bergleute vor dem Hintern (1557 bei
Agricola Bergw. 177 Arsleäer, dafür bei
Ludwig 1716 Arschfell). ArSChloch, n.,
mhd. ahd. arsloch.
Arsenal, n. {-s, PI. -e): Zeughaus. Aus
dem gleichbed. ital. arsenale, span. arsenal m.
«Schiffszeughaus», mgi"iech. dpcrivdXric, abge-
leitet von mlat. arsena f., auch altital. noch
arsena, darse)ia, die hervorgegangen sind aus
arab. dar eccinaa «Haus der Fabrikation».
Ln 16. Jh. entlehnt (1594 bei FrischünXomencl.
Kap. 171 Arsanal).
Arsenik, n. (-.s): aus gi-.-lat. arsenicum,
gr. dpceviKÖv, ctppevixöv n., dem Neutr. des
adj. dppeviKÖc «männlich», zu gr. c(ppr|v, cipcriv
«männlich, stark, kräftig», also eig. «das stark
wirkende Gift». Doch vielleicht auch aus syr.
zarnik «Arsenik», Levy Sem. Fremdwörter 55.
Bei Dasypodius 1537.
■^Art, f. (PI. -en): Geschlecht; natürliche
Beschaffenheit; Eigentümlichkeit nach Ange-
hören oder Erscheinen: Gesamtheit dessen,
was sich durch seine Eigentümlichkeit von
anderm unterscheidet; gute Manier, Geschick
(vgl. Unart). Mit Dehnung des Vokals aus
mhd. art m. f. «Geschlecht, Herkunft», dann
«eigentümhche Xatui- und Beschaffenheit»,
dazu mnd. art f. «Abstammung, natürliche
Beschaffenheit». In den altern Dialekten in
dieser Bed. nicht vorhanden. Zusammenhang
mit dem folg. Art ist möglich, da sich die
Bed. «Abstammung», dann «angestammte Art»
aus der von «angestammter Landbesitz» ent-
wickelt haben kann, vgl. Meringer Idg. Forsch.
17, 123; andre knüpfen an lat. ars (Gen.
artis) «Art. und Weise, Kunst», skr. rtäm n.
«rechte Art» an. Wiedemann Bezz. Btr. 27,
221 verbindet Art mit abulg. rodii «Ge-
schlecht», arm. ordi «Sohn». ABL. arten,
V.: die natürliche Beschaffenheit wovon an
sich tragen, in die Art schlagen, mhd. arten
«angestammte Beschaffenheit haben, gute Art
annehmen, gedeihen», artig, adj. und adv.:
zum Ganzen passend und gefällig; gute Le-
bensart zeigend; (mundartlich) auffallend
eigentümlich, sondei'bar (Wagner Kinder-
mördeiin 1, 1, häufiger in dieser Bed. art-
lich). Dafür mhd. (umgelautet) ertic «edle
Xaturbeschaffenheit habend» (bei Luther ar%).
"Art, f. (PI. -en) : gepflügtes Feld, namentl.
in Artacker, Art fehl, Artland, eig. s. v. a.
Bebauung, Bearbeitung mit dem Pfluge. Mhd.
ahd. art f. «Bejiflügung» (davon ahd. arton
«bebauen, bewohnen»), asächs. ard m. «Auf-
enthalt», mnd. art f. «Ackerbestellung, ge-
ackertes Land», ags. eard m. «angebauter
Boden, Stammgut, Wohnort», gebildet von
dem V. mhd. ern (noch jetzt alem. eren), ahd.
erien, mndl. eren, anord. er ja, got. arjan
«pflügen», das zu lat. arare, gr. dpöeiv, air.
1. Sg. airim, lit. ärti, abg. orati «pflügen»
gehört. Vgl. noch gr. äpoxpov n., lat. arätrum,
ir. arathar, anord. ardr, lit. arklus, abulg. ralo,
serb. rälo, ai-m. araur «Pflug». Vergl. Schrader
Idg. Forsch. 17, 32, Meiinger ebd. 121 ff.
Arterie, f (PI. -n): Pulsader. Aus lat.-
gr.arteria, gr. dpTr)p(a f. «Schlag-, Pulsader».
Im 16. Jh. entlehnt (Gombert 6, 5 mit Beleg
von 1532).
artig, s. ^Art.
89
Artikel
Asbest
90
Artikel, m. (-s, PI. wie Sg.): Abschnitt
als Glied eines Schriftstückes; Hauptsatz;
Handelsgegenstand; in der Sprachlehre das
Geschlechtswort. Schon spätmhd. artikel in
der 1. Bed. (doch später auch noch Ärticul),
entlehnt aus lat. articulus na. «Gelenk, Ghed,
Abteilung, kleiner Redesatz, Geschlechtswort»,
dem Dimin. Ton lat. artus m. «Gelenk». ABL.
artikulieren, v. -. gegliedert, d. i. nach Silben
bestimmt und deutlich aussprechen, aus lat.
articulare, bei Sperander 1728.
Artillerie, f. (PI. -n): das schwere Ge-
schütz: Geschützmannschaft eines Heeres;
Geschützkunst. Aus franz. ariillerie, prorenz.
artüJiaria, span. artüleria, ital. artiglieria f.
«Geschütz» von franz. artüler, sipan. artülero,
itaii. artigliere m. «Stückgießer, Geschütz-
soldat», die auf provenz. artilha «Festungs-
wei'k» zurückgehen, gleichsam lat. artiada,eiae
Ableitung von lat. ars (Gen. artis) «Kunst»,
im Mittelalter auch s. v. a, Geschütz. Seit 1500
in Deutschland in verschiedenen Formen übhch
(1510 bei Janssen Frankfurts Eeichscorr. 1,
815 artler ey, 1523 bei G. Rixner Teütscher
Nation nodtui-fift E 3^ artalary, 1585 bei
Liliencron 4, 120 artellerey, 1678 bei Krämer
Ärtollerey, bei Hans Sachs 2, 392 arculey, bei
Fronsperger Kriegsb. arkeley usw.). ABL.
Artillerist, m, (-e«, PI. -en)-. der schweres
Geschütz bedienende Soldat. Mit der frem-
den Ableitungsendung -ist in Deutschland
gebildet (bei Nieremberger 1753 verzeichnet).
ArtiscllOCke, f. (früher m., z. B. bei
Duezl664): in Gärten gezogenes Distelgewächs
mit eßbaren Köpfen, welsche Distel. Aus
ital. articiocco, franz. artichaut m., das wie
neuprov. arqiiichaut entstellt ist aus span.
alcarchofa (vgl. die ital. Nebenform carciofo
m.), das auf arab. (mit dem Artikel al)
alcliarsuf zurückgeht, während das arab. arde-
söke aus dem italienischen Worte umgestaltet
ist. Zuerst 1556 bei Frisius Nomencl. 180*
Ärtischock, WältscMistel , Cactos, dagegen
1546 Bocks Kreuterb. 327 *> Strohüdorn, hei
den Walen Card choffil. Umgedeutet in Erd-
schocke, bei Stoppe, neue Fab. 1, 189.
Artist, m. (-en, PI. -en): Künstler. Aus
mlat. artista m. von ars (Gen. artis) Kunst.
Bei Maaler 1561.
artlich, s. ^Art.
Arve, f. (PI. -n) : Zirbelkiefer, pinus cembra
L. In der Schweiz üblich, wo arte, arve seit
dem 16. Jh. vorkommt. Dunkler Herkunft, viel-
leicht mit mhd. arf «Wui'fspieß» zusammen-
hängend.
Arznei, f. (PI. -en) : Heiltrank. Aus mhd.
arzente und (mit Umlaut) erzenie (daher bei
Luther auch ertzney) f., abgeleitet von dem
j V. mhd. erzenen, ahd. erzinen und gi-arzinon
j «heilen». Mit Unrecht wird an den berühmten,
j aus Apamea in Syiien gebürtigen Arzt Ar-
clxigenes angeknüpft (in Vokabularen findet
sich allerdings Arckigenes, Archienes, Arcienes
geradezu mit Arzt glossiert); vielmehr sind
arzinon und arzenie als Umbildungen von
arzätSn und arzätie (was mhd. vorkommt)
zu betrachten unter Einfluß der echtdeut-
schen Ausdrücke lähhinon «heüen» (zu ahd.
lähhin n. «Heilmittel», lähhi m. «Arzt», ent-
sprechend ags. löece, got. lekeis) und lächenie
f. «Heilung dui-ch Besprechung oder Zauber».
ABL. arzneien, v.: Arznei eingeben (mit
Akk.); Arznei einnehmen, mhd. arzenien,
erzenien.
Arzt, m. (-es, PI. Äi-zte): Heilkundiger.
Mit Dehnung des a aus Mhd. arzet, arzt,
arzät, ahd. arzät m., dazu mnd. arste, ndl.
arts m. Nicht von mlat. artista m. «Künstler,
Heilkünstler», sondern mit Wegfall des aus-
laut. r von lat. archiater (archi- wie arci-
gesprochen, vgl. erz-) «Ober-Leibarzt», das
auf gr. dpxiarpöc m. zurückgeht, zusammen-
gesetzt aus dpxi s. erz- und larpöc m. «Arzt».
Die vollere Formen zeigen noch andd. ercetere,
mnl. arsatre, ersatre m. Die Benennung war
am fränkischen Hofe übhch und wurde später
allgemein, indem sie die echtdeutsche Benen-
nung (s. unter Arznei) zui'ückdrängte. ABL.
ärztlich, adj. und adv., mhd. arzätlich.
As, n. (Gen. Asses, PI. Asse): die Eins
auf Würfel oder Spielkarte; kleinstes Gold-
und Sübergewicht; das Apothekerpfund von
24 Lot. Aus franz. as m. in der 1. Bed.,
aber zugleich aus lat. as m. (Gen. assis), «teil-
bare Einheit in Münz- und Gewichtssystem,
Pfund». !Mhd. dafür esse n. (aus dem dem lat.
assis = as entsprungenen ital. asse), deshalb
auch ältenihd. Äß (noch bei Nieremberger
1753 Eß neben Aß).
Asant, m. (-es): Teufelsdreck, sowie
Benzoe, jener stinkend, diese wohlriechend.
Gebildet aus mlat. asa f. «starkriechendes
Harz». Ludwig 1716 hat Asand, Jablonski
1721 Assand.
Ashest, m. (-es, PI. -e): Steinflachs,
woraus unverbrennHche Gewebe gearbeitet
wurden. Aus gr.-lat. asbestus, gr. äcßecroc f.,
91
Asch
assekurieren
92
dem subst. gebrauchten F. des gr. Adj.
äcßecToc «unauslöschlich» (d- «un-», -cßecröc
von c߀vvO€iv «löschen»). Im 18. Jh. aufge-
nommen.
Asch, m. (-es, PI. Äsche): tiefes topf-
artiges Gefäß. Nur mundartlich (ostmd.). jVIhd.
asch m. «tiefe Schüssel»: der Name, weil das
Gefäß ursprünglich aus dem Holz der Esche
(s. d., mhd. asch, ahd. asc m.) gedreht war,
wie denn auch noch baj-r. Asch, mhd. asch m.,
afränk. (latinisiert in der lex salica 21, 4)
ascus, ags. cbsc, anord. askr m. «Wasserfahr-
zeug, Schiff» (von Eschenholz). ZUS. Asch-
kuchen, m.: in einer Form gebackener
Kuchen. Bei Adelung 1774.
Asche, f. (PI. -n): der von verbrannten
oder auch verwesten Körpern zurückbleibende
Staub. Mhd. asche f. m. (alem.-fränk. esche),
ahd. asca f.; dazu ndl. asch, ags. asce, cesce,
engl, ash, anord. schwed. asha, dän. aske,
got. azgö f. Ableitung von einem Stamme
as, der in lat. ärere «trocken, dürr sein», aind.
äsas m. «Asche», gr. äleiv «dörren» u.a. vor-
liegt, vgl. Osthoff Btr. 13, 396, Walde s. v.
äreo. Die gotische Form muß gegenüber
denen der andern Dialekte einen Mittelvokal
verloren haben, also aus *az9gö entstanden sein.
Asche, f. (PI. -«): gi-auer forellenähn-
licher Flußfisch, thymallus. Mit Wechsel des
Geschlechts (doch thür. noch asch, äsch m.)
aus mhd. asche (im 15. Jh. auch äsche), ahd.
asco m. Wohl nach der aschgrauen Farbe
benannt, oder zu gall. esox «Hecht».
Aschenbrödel, m. n. {-s, PI. wie Sg.):
Küchenjunge, dann überhaupt zu allen
schmutzigen, staubigen Verrichtungen im
Hause verstoßener Mensch. Mhd. aschen-
hrodele m. (dafür 1482 im voc. theut. b 7^
ascherprudel «Küchenjunge»), zu brodeln, v.
«wühlen und stauben in der Asche». Daneben
hess. Aschenputtel, zu piitteln «in Flüssigem
oder Staub hin und her schütteln», schweiz.-
elsäss. Aschengrüdel zu gr adeln «scharren,
wühlen» u. a. Formen.
Äscher, m. (-s, PI. -wie Sg.) : ausgelaugte
Asche: gelöschter, mit Asche vermischter
Kalk zum Gerben. Spätmhd. äscher, escher
m., von Asche abgeleitet. ABL. Ascherich,
m. (-s): wie Äscher, bei Mathesius Sar. 120*
Ascherich, äschern, v.: mit Asche beizen
(vgl. ahäschern) ; in Asche vervv^andeln (nur in
Zusammens.) ; mit Asche bestreuen. Frühnhd.
Aschermittwoch, m. und f.; der 7. Mitt-
woch vor Ostern, an dem der katholische
Piiester die Gläudigen mit geweihter Asche
bestreut, um sie an den Tod zu erinnern.
Im 15. Jh. aschermifwoche m., daneben in
gleicher Bed. schon im 14. Jh. aschtac (im
16. Jh. auch der äscherige mitwoch). Ascher-
kann nicht auf das Y. äschern zumckgeführt
werden, sondern ist als Nebenform von Asche
zu betrachten, die mhd. in Zusammensetzungen
wie ascherknoche m., aschervar erscheint und
der Ableitung ascheric. escheric, adj. zu-
grmide liegt.
äschern, s. Äscher.
aschgrau, adj.: grau wie Asche. Bei
Ludwig 1716. Redensart: das geht ins Asch-
graue «in die graue Ferne, üljer den Horizont
und so ins Unglaubliche».
Aschkuchen, s. Asch.
Aschlauch, m. (-es): die Lauchzwiebel,
Schalotte. Bei Liune aUium ascalönium, d. h.
Lauch von der Stadt Ascalon in Palästina,
bei den Römern caepa ascalonia. Auf asca-
lönium geht mhd. aschlouch, ahd. asclouh
zurück.
äsen, V.: fressen (vom Wilde gesagt).
Mhd. ce^en.^^ Vgl. aasen.
Aser, Äser m.: Tasche zum umhängen.
Speisesack, Jagdtasche. Ba3'r., schwäb.-alem.,
hess. Mhd. äser, ceser und (mit vorgetretenem
n) ncßser. Wahrscheinlich zu essen, von mhd,
aj «Speise» gebildet.
Asket, m. (-en, PI. -en): strenge Fröm-
migkeit Übender. Aus mlat.-gr. asceta, gr.
dcKriTrjC m. «wer h'gend eine Kunst, ein aus-
schließliches Geschäft übt». Im 18. Jh.
Aspe, s. Espe.
Aspekt, m. (-es) : Anblick : (PI. Aspekten)
Aussichten, Vorzeichen ; (in der Stemdeutung)
Anzeichen nach den Stellungen der Planeten
gegeneinander. Aus lat. aspectiis m. «Anblick,
Aussicht», abgeleitet von dem V. aspicere (aus
ad-spicere) «ansehen, anblicken». Bei Para-
celsus (t 1541) Schriften (1616) 1, 712 Aspect.
1 Asphalt, m. (-es, PI. -e): Erd-, Juden-
I pech. Aus dem gleichbed. gr.-mlat. asphältum,
j gr. äcqpaXxoc f. Neue Entlehnung.
Aspirant, m. (-en, PI. -en) : Amtsbewerber.
Nach lat. aspirans (Gen. aspirantis), Part.
Präs. von aspirare (aus ad-spirare) eig. «an-
hauchen», dann s. v. a. «wonach streben». Im
18. Jh. aufgenommen.
assekurieren, v. : versichern zu Schaden-
ersatz. Nach, ital. assicurare, das auf mlat.
assecurare «durch Unterpfand sicherstellen»
beruht, zu.sammenges. aus lat. ad «zu» und
93
Assel
Astrolog
94
dem von dem lat. Adj. securus <^ sicher* abge-
leiteten mlat. semrare «sichern». Bei Wächtler
1711. ABL. Assekuranz, f.: Versicherang
zu Schadenersatz.
Assel, m. (-8) f. (PI. -n): Kellerassel,
oniscus. Spätmhd. assel m., bei H. Sachs 4, 408,
5 auch als «Fingerwurm» (Krankheit). Man
knüpft gewöhnlich an lat. asellus m. an, das
als Dim. von lat. asinus m. «Esel» eig. «Esel-
chen» bedeutet, dann aber auf das Insekt
wegen seiner gi-auen Farbe übertragen wor-
den sein soll (vgl. die Benennungen Kelle)'-,
Maueresel, gr. övickoc). Da aber 1517 bei
Trochus prompt. H 6^ die Form atzel er-
scheint (auch bei GoHus 1579 or-atzel), in
andren Quellen Ossel und (mit vorgetretenem
n wie auch in der Xebenfonn Xassel, 1563 in
Gesners Fischbuch 157'') Xossel, so dürfte
als mhd. Form dzel und ä^el anzusetzen sein
(vielleicht ju essen, ■ vgl. mhd. wunncezec
«wurmstichig-j).
Assessor, m. (-.?, PI. -en): beisitzendes
Mitglied einer Behörde, eines Gerichtes. Aus
lat. assessor «Beisitzer», von assiäere urspr.
ad-sidere «bei jemand sitzen». In der frühnhd.
Eechtssprache * (Reichsordnangen 40^ vom
J. 1500. Lilieneron 4, 180).
assimilieren, v.: ähnlich machen, ver- :
ähnlichen. Aus lat. asshnüare, urspr. ad-
similare «ähnlich machen». Im 18. Jh. auf-
genommen. ABL. Assimilation, f.: Ver-
ähnlichunsf, Ano-leiehung.
Assisen, PI. : Gerichtssitzimg, insbesondere
Tacfung eines Schwurcrerichtshofes. Aus franz.
assises, PI. des F. des Part. Parf. assis «sich !
gesetzt, niedergelassen habend», von assire
«sich setzen», das auf lat. assidere urspr. ad-
sidere «sich setzen» beinxht. Neue Entlehnung. ;
assistieren, v. : beistehen, unterstützen.
Von lat. assistere, urspr. ad-sistere «bei je-
mand stehen, jemand unterstützen». Im 16. Jh.
entlehnt. — Assistent, m. (-en, PI. -en) : wer
jemand beisteht: Gehilfe. Aus lat. assistens
(Gen. assistentis), Part. Präs. des Y. assistere. \
assortieren, v. : mit Sorten versehen und '
in diese ordnen. Nach franz. assortir, das
mit lat. ad von Sorte (s. d.) abgeleitet ist.
Bei Sperander 1728.
assoziieren, refl. v.-. sich vereinigen.
Aus gleichbed. franz. s'associer, von lat. asso- '
ciare «vereinigen, verbinden», urspr. adsociare
zu socius m. «Gefährte». Bei Sperander 1728.
Ast, m. (-es, PI. Äste): dem Stamm ent-
sprossener BaumteU ; Holzknoten als Ast-
wurzel; (urspr. in der Gaunersprache") Buckel
' (namentl. in der Redensart sich einen A. lachen
d. i. sich bucklig, krumm lachen). Mhd.
ast (PI. este), ahd. ast fPl. esfi) m.; dazu
got. asts m. «Ast». Mit Vokalwechsel gehört
hierher ndd. öst, ndl. oest (spr. üst) «Knorren
, im Holz», ags. Öst m. «Knoten, Knorren».
i Im Griech. entspricht öZoc m. (aus öcöoc)
\ «Ast, Knoten, Auge am Zweig», arm. osf «Ast»,
doch wird die Zugehörigkeit des griech.
Wortes bestritten, zuletzt von Lagercrantz
Zur giiech. Lautgeschichte 139 f. Bartholomae
■ Idg. Forsch. 5, 355 stellt noch ai. ädgas m.
1 «Rohrstab, Stengel», gr. öcxoc m. «Zweig»
als wurzelverwandt dazu. ABL. ästen, v.:
Aste treiben, mhd. asten, esten. Davon ästein,
fi-ühnd. ästig, adj.: Äste habend, spätmhd.
i astic, estic. ZUS. Astloch, n. : Loch im
Brette von einer ausgefallenen Astwurzel,
bei Stieler 1691.
Aster, f. (PI. -n): die im Herbst blühende
Sternblume. Mit Übergang zum F. (im Ge-
danken an Blume) aus gr.-lat. aster m. gr.
dcTnp m. «Stern». Im 18. Jh. aufgekommen.
Ästhetik, f.: die Wissenschaft von dem
Schönen und der Kunst, Geschmackslehre.
Aus nlat.-gi". aesthetica, gr. aicGriTiKr) (^näm-
[ lieh T^x^Ti «Kunst»), F. des gr.-neulat. Adj.
aestheticiis , gr. aic6riTiKÖc «zum Empfinden,
zum WahiTiehmen geschickt», abgeleitet von
gr. aicödvecöai «empfinden, durch die Sinne
wahrnehmen». Das Wort geht auf den Philo-
sophen Baumgarten zurück, von dem 1750 — 58
Aesthetica erschienen. Davon Ästhetiker,
m.: Geschmackslehrer. — ästhetisch, adj.,
durch Baumgarten und Meier (seit 1748) ein
gern gebrauchtes Wort der Kunstrichter, von
dem angeführten Adj. aestheticus.
Asthma, n. (-s): Engbmstigkeit. Aus
dem gleichbed. gr. 5c0,uan. Im 18. Jh. üblich.
ästimieren, v.: wertschätzen, -nürdigen.
Aus franz. estimer «schätzen, achten, hoch
achten» und dies aus lat. aestimare, mlat.
estimare «abschätzen», dann auch «gehörig
würdigen, anerkennen». Danach schon 1403
estimieren, 1444 estumieren «abschätzen».
Dann 1571 bei Rot in der Bed. «schätzen,
achten ».
Astrolog, m. (-en, PI. -en): Sterndeuter.
Aus gr.-lat. aströlogus, gr. dcxpoXÖTOc «Stern-
kundiger, Sterndeuter», subst. M. des Adj.
dcTpoXö-foc «sternkundig» (äcrpov n. «Gestirn,
Stern», -Xotoc zu \lyeiv, hier «berechnen»).
1573 in Luthers Tischreden 414*. ABL.
95
Asyl
Attacke
96
Astrologie, f.: Sternlmnst. Aus gr.-lat.
astrologia, gr. dcrpoXo-f ia f. « Sternkunde». 1531
bei Hedio Josephus, Yorw. 1^ Astrology, 1534
bei S. Franck Weltb. 235 ^ Astrologei, 1586
bei Fiscbart Bodin. 140 das Adj. astrologisch.
Astronom, m. {-en, PI. -en): Stemkundiger,
Steraseber. Aus gleicbbed. gi-.-lat. astronomus,
gr. cicTpov6)noc, subst. M. des Adj. dcTpovöiuoc
«die Sterne in Sternbilder verteilend, ordnend»
(äcTpov n. «Gestirn», -vo|noc zu v^ueiv «ver-
teilen»). ABL. Astronomie, f.: Stern-,
Himmelskunde. Aus gi'.-lat. astronomia, gr.
äcTpovojaia f. Scbon mbd. «sfo'OWomCe f., 1573
in Lutbers Tiscbreden 413^ Astronomey, 1586
bei Fiscbart Bodinus 137 Asfronomy und 139
das Adj. astronomisch.
Asyl, n. (-S, PI. -e): Freistatt. Aus dem
gleicbbed. gr.-lat. asylum, gr. äcu\ov n., eig.
N. des Adj. äcuXoc «unberaubt» (ä- «un-», cuXäv
«wegnebmen, nacb Kriegsrecbt berauben»),
dann «unverletzlich, sieber». Bei Heynatz 1775
nocb in der lat. Form asylum.
Atem, m. (-s): die eingezogene und aus-
gestoßene Luft. Mbd. ätem, mitteld. (mit
grammatischem Wecbsel) auch ädern, ahd.
äturrir ädiim m. ; dazu asäcbs. äf/iom, ndl.
ädern, afries. ethnia, ags. (Mm m. Verwandt
siad ai. ätma m. «Hauch, Atem, Geist»,
ir. athach «Hauch, Wind», aber nicht gr.
dTjLiöc «Dunst, Rauch», da dies wohl auf
deT.uöc zmückgeht. Luther bedient sich der
Formen Athem und Adern, sowie (mit mund-
artlichem 0 = ä) Odem, was als feierhche
Form später im Nhd. verblieben ist (bei
Dichtem auch abgeschwächt Oden, Dusch
Schoßbund 73, Goethe 6, 43, aber schon 1440
oten bei Diefenbach gl. 547^). ABL. atmen,
V., mbd. ätemen (auch cetemen), ahd. ätumön. i
atmig, adj. in kurz-, schwer- usw. atmig.
ZUS. atemlos, adj., mbd. atemlos. Atem-
zug, m., mbd. ätemzuc. \
Atheismus, m.: Gottesleugnung. Aus
neulat. atheismus m. Im Anfang des 17. Jh. |
gebraucht (Moseherosch Lasomnis cura par. |
126). — Atheist, m. {-en, PI. -en): Gottes-
leugner. Aus neulat. atheista m., einer Fort-
bildung von gl'. äOeoc «gottlos, die Götter
verwerfend» (d- «un-», Geöc «Gott»). 1617 im
teutschen Michel als modisches Fremdwort
angeführt, atheistisch, adj., 1673 bei Chr.
Weise Erznan-en 151, dafür früher im 17. Jh.
atheisch (Gombert 7, 7 vom J. 1622).
Äther, m. (-5, PI. wie Sg.): die Himmels-
luft; flüchtiger, geistiger Stoff (so 1730 von
Frobenius gebraucht). Aus gr.-lat. aether m.,
gr. aiGrip m. f. «die obere, reinere Luft, das
reine Himmelslichb. Li der poetischen Sprache
von Bodmer und Klopstock zuerst verwendet
(Gombert 6, 6, 7, 8). ABL. ätherisch, adj.
(1748 bei Klopstock).
Athlet, m. (-en, PI. -en): W^ettkämpfer,
körperkräftig ausgezeichneter Mann. Aus gr.-
lat. athleta, gr. dOXrixric m. «Kämpfer, Wett-
kämpfer», von dOXoc m. «Kampf». Im 18. Jh.
entlehnt. ABL. athletisch, adj. : die Körper-
kraft betreffend, riesig groß.
"^ Atlas, m. (Gen. Atlasses, PI. Atlasse und
Atlanten^. Landkartensammlung. Benannt
nach einem mauretanischen König Atlas (Gen.
Atlantis), der als Freund der Astronomie be-
kannt war. Nachdem Mercator 1595 das Wort
für eine Sammlung von Landkarten verwendet
hatte, setzte es sich in dieser Bed. fest und
erscheint bei Ludwig 1716 als eingebürgert
(dafür 1734 im math. Lex. Atlant).
"Atlas, m. (Gen. Atlasses, PI. Atlasse):
glattes, glänzendes, rauschendes Seidenzeug.
Spätmhd. Überkommen mit dem Handels-
artikel aus dem Morgenlande, wo türkisch,
persisch und m'sprünglich arab. atlas «glattes
seidenes Tuch», eig. s. v. a. «abgerieben, kahl»,
dann «glatt». ABL. atlaSSen, adj., im
16. Jh. atlassin.
atmen, s. Atem.
Atmosphäre, f. (PI. -n): die Erde um-
gebender Dunstkreis. Nach einem neulat.
atmosjihaera aus gi: OTiaocqpaipa f., zusammen-
ges. aus driuöcm. «Dunst» und cqpaipaf. «Kugel,
Erd-, Himmelskugel». Im 18. Jh. entlehnt
(Zachariä Renommist 3, 321).
Atom, n. (-5, PI. -e): L'rstofFteilcben. Aus
gr.-lat. atonius f., gr. otoiuoc «ürstoff, unteil-
bares Körperchen», dem F. des Adj. äroiuoc
«unteilbar» (d- «un-», -TO|ioc von x^iuveiv
«schneiden»). Der PI. wird auch als Atomen
gebildet (Goethe Nat. Tochter 1494).
Atout, n. (-S, PI. S-) (im Kartenspiel) : aus
frz. ä tont «für alles», zur Zeit des 30jährigen
Krieges aufgenommen, für deutsch Trwnvpf.
ätsch, Interj. der neckenden Verspottung.
Im 17. Jh. etsch! Gewöhnlich mit der Ge-
bärde, als wenn man eine Rübe schabte, da-
her auch ätsch, schabe Rübchen!
Attacke, f. (PI. -n): feindlicher Angriff.
Aus dem gleicbbed. franz. attaqne f., von
attaquer (s. d. folg.). — attackieren, v.:
feindlich angi'eifen. Aus dem gleicbbed. franz.
attaquer, ital. attaccare, eig. «anheften, be-
97
Att«
Auditorium
98
festigen», von ital. tacca, franz. tache f. «an-
haftender Flecken ;>. Als modisches Fremd-
wort (atiaquieren) 1617 im teutschen Michel
erwähnt, auch bei "Wallhausen Corp. mil. 220.
Atte, m. (-n, PI. -n): Vater. In oberd.
Mundarten (alem. ätti) in der Kindersprache
(in andern Gegenden nur jüdisch). ^Mhd.
ätte m., eine dimin. Bildung zu atte, ahd.
atto m., got. (das gewöhnliche Wort fiii-
«Vater») atta m., wovon als Dimin. der
Eigenname Ätiüa, e'ig. «Väterchen» (ahd.
Ezzüo, mhd. Eizel). Dazu gehört lat. atta,
gr. äxTa m. «Vater», ir. aite «Pflegevater»,
ablg. oüd m. (Demin.) «Vater», vgl. auch ai.
attä f. «Mutter» (nur bei Lexikographen
belegt).
Attentat, n. {-es, PI. -e): gewaltsame
Eechtskränkung des andern: gewaltsamer An-
griff auf andrer Leben. Aus dem gleichbed.
lat. attentatum n., dem N. des Part. Perf.
Pass. von attenfare, uiSTpr.ad-tentare «antasten,
angreifen». Schon in der Kechtssprache des
15. Jh. (attemptat Fontes habsburg. II, 2,
345, attentat Reichs-Ordn. 97^). ABL. Atten-
täter, m. (s, PI. wie Sg.): der ein Attentat
begeht. Xach 1844 aufgekommene Bildung,
mit Anlehnung an Täte^\ v^l. Hildebrand
Sprachunterricht S. 116, Ladendorf Schlagwb.
Attest, n. (-es, PI. -e): schriftliches Zeug-
nis, Bescheinigung. Im 18. Jh. gekürzt aus
dem gleichbed. Attestat n. (noch bei Hej--
natz 1775), das auf lat. attestatum «Zeugnis >
beruht, eig. N. des Part. Perf. von attestari
(s. d. folg.). — attestieren, v.: bezeugen,
besonders schriftlich. Aus lat. attestari, urspr.
ad-testari «bezeugen, durch Zeugnis kräftigen».
Im 17. Jh. entlehnt.
Attich, m. (-S, PI. -e): Ackerholunder,
sambucus ebulus. Mhd. atich, atech, ahd. atak,
atnh m. Mit Angleichung des et zu tt (vgl.
Dattel) von dem gleichbed. lat. acte (Plinius
bist. nat. 26, 73), von gr. dKxea, zusammengez.
üKTfi f. ''Holunderbaum».
attrapieren, v.: worüber ertappen. Aus
franz. attraper, ital. attrapare, eig. «in einer
Falle fangen», zusammenges. aus lat. ad und
ital. trappare, franz. trajyper, von franz. trappe,
mlat. trappaf. «Falle», das auf dem gleichbed,
ahd. trapa f. (auch trapo m.) beruht. Im
17. Jh. entlehnt.
Attribut, n. (-es, PI. -e) -. beigelegte Eigen-
schaft; Beizeichen. Aus lat. attributum eig.
«Zugeteiltes», dann auch s. v. a. Eigenschaft,
subst. N. des Part. Perf. Pass. von attribuere,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
urspr. ad-trxbuere «zuteilen, beüegen». Bei
, Sperander 1728.
I Atzel, f (PI. -n): traulicher Name der
: Elster; (wegen der verschiedenen Farben der
i Elster, ursprünghch mehr im Scherz) falsches
Scheitelhaar, Perücke (1788 bei Fulda). Mhd.
atzel f., eine dimin. Ableitung von ahd. agazza
f. «Elster» (s. d.).
ätzen, V.: abweiden; zu essen geben (in
diesen beiden Bedd. auch atzen ; dies auch refl.);
einfressen machen, von Säuren fschon zu Ende
des 15. Jh.). Mhd. atzen und etzen, ahd. azzön
und ezzen: dazu got. atjan in fraatjan «zur
Speisung austeilen». Faktitiviun von essen.
Atzung, f : was zu essen dargeboten wird.
Mhd. atzunge f, von atzen. S. ätzen.
au! Ausnif des Schmerzes. Mhd, ou!,
abgelöst von ouwe aus oice.
Au, s, Aue.
auch, Conj., die eine Vermehrung anzeigt.
Mhd. oucli, ahd. ouh; dazu asächs, ök, ndl,
ook, afi-ies. äTi, ags. eac, engl. eTie, anord. auk
«dazu», schwed. ock, dän. og, got. auk «denn,
aber», "Wahrscheinlich Imperativ (urgerm.
auke) zu dem neben ahd, ouhhon, asächs.
ökian, ags. eaeian stehenden st. V. got. aukan,
anord. auka «mehren», die der Lautverschie-
bung gemäß stimmen mit lat. augere, gr.
auEeiv, auEdv€iv «mehren, vermehren», vgl.
lit. äugfi «wachsen», ai. öjas n. «Kraft». Oder
auch zu gl", aö-fe «wiederum», lat. aut «oder»,
ai. Uta «und, aber, auch», zu stellen, vgl.
"Walde s. v. aut.
Audienz, f, (PI, -en)-. Gehör, das jemand
gegeben wird; Verhör, Aus franz, audience,
ital. audienza, lat. audientia f. «Gehör, An-
hörung», von aud.iens( Gen. audienti-s) «hörend»,
Part. Präs. von audire '< hören». In der Rechts-
sprache um 1500 eingebürgert (Reichs-Ord-
nungen 61^ von 1507, "Wüwolt von Schaum-
burg 96, Liliencron 2, 33 1» von 1493).
Auditeur, m. (-s, PI. -e): rechtsgelehrter
Richter beim Heerwesen. Aus dem gleich-
bed. franz. auditeur m., das auf lat. aiuUtor m.
«Hörer, Zuhörer», im Mlat. auch «Richter»,
beruht. Im Anfang des 17. Jh. entlehnt
(1622 bei Londorp Acta pubHca des Teutschen
Krieges 1, 1047'').
Auditorium, n. (PI. Auditorien): Hör-
zimmer, Hörsaal; Gesamtheit der Zuhörer.
Aus dem gleichbed. lat. au^itorium, subst. X.
des von auditor m. «Hörer, Zuhörer» abge-
leiteten Adj. aiuJitorius «zum Hören gehörig».
Im 17. Jh. entlehnt.
7
99
Aue
aufbiudeu
100
^Aue, Au, f. (PI. Änen): wasserumflos-
senes Land, Flußinsel; wasserdurchflossenes,
feuchtes, gewächsreiches Gelände. Mhd. oitive,
ou, ahd. omva f. «Wasser, Strom, Wasserland,
wasseiTeiches Gelände»: dazu ags. eg, ig f.,
anord. ey f., schwed. dän. ö «Insel», Mlat.
erscheint augia, avia (z. B. in Scadinavia).
Das vorauszusetzende got. *aivi (Gen. *aiijös)
steht mit Verlust eines Gutturals für "^agwi
und kommt von got. aJva f. «Fluß», ahd. aha
(s. -a), lat. aqi(a f. «Wasser».
-Aue, f. (PI. -n): Mutterschaf. Li obd.
Mundarten. 'Mh.d. (selten) oiiice, ahd. ou,
ouwi f.; dazu ags. eoivii, engl, eice f. «Schaf»,
got. nur in Ableitungen wie awistr n. «Schaf-
stall», awepi n. «Schafherde ». Dazu stimmen
lat. OVIS f., gr. öic m. f., air. öi, öe, lit. avls f.,
aind.ävis m. f., abg. abgeleitet ovica «Schaf»,
lit. äw««.s «Widder», lett. auns, apreuß. aivins,
abg. ovinü «Schaf», vgl. Walde s. v. ovis.
Auer, m. (-S, PI. wie Sg.): meist zu-
sammengesetzt Äuerochs m. Mhd. ahd. ür
m. (daher altertümlich Ur, s. d.), neben mhd.
ürohse, ahd. ürohso m; dazu ags. ür, anord.
ürr m. «Auerochse». Man vergleicht skr. usräs
m. «Stier», eig. «rötlich», germ.-lat. ürus m.
Auerhahu, m. (s, PI. Auerhähne, frtlher
Äuerhahieri). ]\Ihd. urhaa neben orhan m.,
ahd. kommt orlmoii, orrelmon f. «Auerhenne»
voi\ Auch frühnhd. noch orhan (voc. ine.
teut. p 1*), urhan (voc. theut. 1482 mm 5^),
1616 bei Henisch uhrhan, ohrhan, selbst noch
bei Voß TJrhahn (daneben schon im 16. Jh.
aurhan). Da im Altnord. Schwed. orre n.
«Birkhuhn» als selbständiges Wort vorkommt,
muß erst später Anlehnung an ür, ürohse
eingetreten sein. Das nord. orre bringt man
mit skr. vrsan «zeugungski'äftig, männlich»,
dann auch «Stier», ferner lat. verres (für
Verses) m. «Eber», lit. versis m. «Kalb», lett.
ve'rsis «Ochs, Stier», zusammen, so daß die
urspr. Bed. «männliches Tier» sein würde.
Auf,^ m. {-es, PI. -e): Xachteule, Uhu.
Weidmännisch, 1763 beiHeppe wohlred. Jäger.
^Ihd. üve, ahd. üfo, üvo m., dazu das gleich-
bedeutende ags. üf, anord. nfr, schwed. üf m.
auf, 1) adv.: zur Höhe; vonemander aus
dem Zustand des Zuseins. In auf! auf
und davon! und in Zusammensetzungen wie
frisch-, voll-, dar-, her-, hinauf, sowie in
Verbindung mit Verben und Nomina. Bei
der Verbindung mit Verben haben wir a) die
urspiüngl. Bedeutung in aufbrausen. Dann
die Bedeutungen b) anregen zu einer be-
stimmten Tätigkeit, aufmuntern, c) Wider-
hersteUung eines fiühern Zustandes, auf-
lüärmen, aufbraten, d) die Beseitigung des
Objekts durch die Tätigkeit, z. B. aufessen,
aufreiben, und schheßlich e) ganz abge-
schwächt den Eintritt einer Handlung be-
zeichnend aufblühen. Die Nomina schließen
sich in ihrer Bedeutung den entsprechenden
Verben an. 2) präp. a) mit Dat. (auf die
Frage «wo») in der Höhe von und zugleich
in Berührung mit — ; während. b) mit
Akk. (auf die Frage «wohin») zur Höhe; über-
hin; als Ziel habend; nach: die Art und
Weise bezeichnend. Dies auch in den ad-
verb. Verbindungen : aufs baldigste, aufs beste,
aufs neue usw. Mhd. ahd. üf adv. u. präp. ;
dazu asächs. up, ags. üp, upp, engl, tip, got.
(mit abweichendem Vokal) iup adv. «auf-
wärts». Verwandt mit oben und über (s. d.),
doch vgl. Zupitza Die germ. Gutturale 29.
aufbäumen, v. : auf einen Baum fliegen,
klettei'n, springen. Weidmännisch, 1763 bei
Heppe wohlred. Jäger.
aufl)äumeu, refl. v.: sich (baumähnlich)
zur Höhe biegen; sich auflehnen (urspr. von
Pferden gesagt). Friihnhd. (1482 bei Eych-
mann 0 3^ sich vffbeymen «insultare», mhd.
bloß sich boumen). Davon das Part. Prät. auf-
gebäumt «zur Höhe gerichtet, aufgehäuft».
aufbauscheu, v. : schwellend in die Höhe
gehen machen; (bildlich) etwas größer er-
seheinen lassen, als es in Wh-klichkeit ist.
Erst bei Campe 1807. S. bauschen. Früher
dafür aufbansen (Kramer 1719) oder auf-
pausen (Ki'ämer 1678) s. d.
aufbegehren, v. : trotzig auffahren. Erst
im 19. Jh. durch schweizerische Schriftsteller
aufgekommen (in der Schweiz in der Bed.
«sich auflehnen» schon 1582 nachgewiesen,
s. Schweiz. Id. 2, 404). Nicht zu gären.
aufbieten, v. : kundmachen, namentlich
Verlobte auf der Kanzel (mhd. üfbieten «in
die Höhe heben», dann, eig. durch Hochhalten,
«zur allgemeinen Kenntnis bringen»): zu einer
Leistung auffordern, namentüch zur Heeres-
folge (mhd. und älternhd.mitDat.): (bildlich) zu
Hilfe nehmen, z.B. seine Kräfte (Schiller 4, 38).
aufbinden, v.: in die Höhe binden (mhd.
üf binden): worauf festbinden (auch mhd.);
(bildlich) vom Auflnnden eines Geschenkes
auf den Ax'm oder Ärmel Unwahres glauben
machen (Schupp 394, 634 einem einen a.,
1691 bei Stielör einem eins a.); aus dem Zu-
stand des Gebundenseins befreien (auch mhd,).
101
aufbrechen
Aufgebot
102
aufbrechen, v. : 1 1 intrans. sich gewalt-
sam öffnen (z. B. 1. Mos. 7, 11); sich er- ]
heben zum Weg- oder Weitergehen, mhd. i
üfhrechen, auch refl. sich ufbreclien. 2) (ur-
spr. mit Gewalt) öffnen (auch mhd.). — i
Aufbruch m. (nach allen Bedd. von a.).
Mhd. üflyruch.
aufbringen, v.: in die Höhe bringen,:
mhd. üf bringen: großziehen, pflegen (auch
mhd.): durch Tätigkeit sich verschaffen (auch
spätmhd. ) ; finden und vorbringen (auch mhd.) ;
in die Mode bringen ; erregen, in Zorn bringen
(im 15, Jh. z.B. bei Janssen Frankf. Reichskorr. i
1, 459 V. J. 1487); aufgehen machen. Nach '
der vorletzten Bed. das Part. Prät. aufge-
bracht als Adj. (nm* prädikativ) «erzürnt», '
bei Gottsched, Reichel 7).
Aufbruch, s. aufbrechen.
auf daß, Absicht anzeigende Konj. ^Ihd.
(in mitteld.. Quellen des 14., 15. Jh.) üf da^,
urspr. üf da^ da^ (Mystiker 1, 376, 6), dann
bei Luther auff das.
aufdonnern, refl. v.: (von Frauenzim-
mern) sich aufputzen. Aus der Studentenspr.
in die neuere Umgangssprache gekommen.
aufdrieseln, aufdröseln (Goethe 18, 290.
24, 149 j, auch auftröselu (Goethe 6, 160j,
V.: auf- und umwinden; abwindend lösen.
dröseln geht zuiiick auf ein dialektisches
md. ndd. triseln (^auch trüsehi, z. B. schles.
und in ndd. Mundarten) v. «im Kreise drehen,
rollen», dazu trisel m. «Kreisel» (schon nind.
triseUn «rollen, kollera»), 1469 im mrhein.
Yoc. ex quo drisslichte «tomabilis»), die
wohl gehören zu mnd. trisse, tntse f. «Tau,
das sich um eine Drehscheibe windet und
diese selbst. Winde», trissen, tritsen (vgl.
triezen) «mit einer Winde aufziehen, hissen»
(dazu die gleichbed. ndl. trijsen, engl, trise,
dän. trid.se). Vgl. abtröseln.
aufdunsen, s. aufgedunsen.
aufeinander, Raum- u. Zeitadv., nach
seiner Bildung s. v. a. «ein auf das andere».
Schon bei Luther zusammengerückt.
Aufenthalt, m. (-s, PI. -e): Vei-weilen;
Oii; des Yerweilens. Spätmhd. üfenthalt m.
<: Aufrechthaltung, Stütze, Unterhalt, Woh-
nung», von mhd. üfenthalten «aufrecht halten,
erhalten, Nahrung, Wohnung gewähren», sich
üfenthalten «sich zuiiickhalten, verweilen».
auferstehn, v.: vom Tode oder aus tod-
ähnlichem Zustand sich erheben. Mhd. üf
erstän «sich erheben, entstehen, vom Tode
erstehen», ahd. üfarstantan. Ebenso sind ge-
bildet auferbaueu, mhd. üferbüwen, auf-
erregen (^Goethe 9, 278), auf erwecken,
mhd. üferwecken, auferziehen (bei Luther),
die alle das auf- in der Flexion von dem
übrigen Worte nicht trennen.
Auffahrt, f. (PI. -en)-. Fahrt zur Höhe,
besonders die Himmelfahrt : feierliche Schau-
fahrt. Mhd. üfvart f. «Himmelfahii. Fahrt
stromaufwärts», ahd. üffart f., zu auffahren
mhd. üfvarn, ahd. üffaran.
auffallen, v.: l) intrans. worauf fallen;
(mit Dat.j Anstoß geben, die Empfindung
des Ungewöhnlichen hervornifen (ei'st bei
Adelung 1774, doch schon 1753 bei Xierem-
berger der Wein fällt a^t/" «gewinnt Säui-e»).
2) trans. durch Fallen auf machen. ABL.
auffällig, adj. u. adv. (nach der 2. Bed.
von auffalleti). Bei Campe 1807.
aufflirren, v.: mit Flitterstaat aus-
schmücken (Voß Werke 228). Von ndd.
flirre f. ; Flitter, Kopfschmuck einer Frau».
auffretzen, v. : auffressen machen, ab-
füttern; ganz abweiden. Bei Luther (z. B.
4 Mos. 22, 4). S. fretzen.
aufführen, v. : in die Höhe richten,insWerk
richten (mhd. ü feueren «nach oben führen»):
zur Schau, zum Sehen, Hören usw. bringen
oder vorbiingen (bei Maaler 1561 in der Bed.
«feierlich einholen»); zur Wahrnehmung an-
fühi-en (Schiller 4, 271, 14). Refl. sich a.:
sich in den Lebensverhältnissen zeigen, sich
betragen (bei Frisch 1712;. ABL. Auf-
führung, f. (zu aufführen u. sich aufführen):
Vorstellung eines Theater- oder Musikstücks
(Lessing 7, 214); Betragen (Felsenbui-g 1, 87 i.
Aufgang, m. (-es, PI. Aufgänge): Gang
zur Höhe, besonders das Hervorkommen von
Sonne, Mond, Sternen über den Gesichtskreis,
Anfang von Tag oder Nacht; Ost; Anfang,
voniehmlich erfolgreicher: Eröffnung. Mhd.
ahd. üfganc m.
aufgeben, v.: zu erledigen, zu besorgen
geben, z. B. ein Rätsel a. (fi-ühnhd., auch
bei Luther); (mit Dat.j ein Lehen usw. in
die Hand eines andern übertragen, eig. bei
der symbolischen Handlung hochhalten mid
übergeben (mhd. üfgeben); sich entäußeni,
fahren lassen, unterlassen (auch schon mhd.).
aufgeblasen, adj., eig, Part. Prät. von
sich aufblasen: eine übertrieben hohe Mei-
nung von sich zur Schau tragend. Schon
mhd. üf geblasen.
Aufgebot, n. {-es, PI. -e): öffenthche Be-
kanntmachung z. B. einer zu schließenden
103
aufgebracht
aufkommen
104
Heirat (Lessing 1, 530); Einberufung von
Heeresmannschaft und diese Mannschaft selbst
(Luther 3, 355^ Jen. neben außot n. 356 b);
(übertragen) Zuhilfenahme z. B. der Kräfte.
Zu dem älternhd. V. aufgebieten (bei Luther),
= aufbieten (s. d.).
aufgebracht, s. aufbringen.
aufgedunsen, adj., eig. Part. Prät. des
verlornen V. sich aufdinsen: (von innen) ge-
haltlos ausgedehnt (Wieland 4, 102). -dinsen
geht zurück auf mhd. dinsen «ziehen», sich
dinsen auch s.v. a. «anschweEen», dazu ahd.
dinsan, asächs. thinsan, got. at-pinsan «heran-
ziehen» zu lit. t^sti «durch Ziehen dehnen»,
ai. tc{säjati «er schüttelt, bewegt hin und her.
Aus diesem aufgedunsen scheint ein V. auf-
dunsen «gehaltlos ausdehnen» (Maler Müller,
Schubart) entwickelt, doch schon bei Stieler
1691 dumsen, aufdumsen «anschwellen».
aufgehen, v.: in die Höhe gehen, mhd.
üfgän, -gen, ahd. ufgangan, üfgän; (von Ge-
stirnen) hervorkommen, sichtbar werden ; (mit
Dat.) deutlich werden ; sich öffnen : (von Geld)
verbraucht werden (schon mhd.); völlig in
ein gi-ößeres Ganze aufgenommen werden;
(rechnerisch) sich heben (bei Schupp 59).
aufgehoben, s. aufheben.
aufgeklärt, s. aufklären.
Aufgeld, n. {-es, PI. -er): das bei Aus-
wechslung von Münzen hinzugezahlte Geld,
Agio; bei einem geschlossenen Handel oder
Vertrag sogleich dargegebenes Geld, damit
er fest ist und nicht zurückgehen kann.
Spätmhd. üfgelt n.
aufgelegt, Pai-t. Prät. von auflegen: in
Stimmung etwas zu tun, wie ital. disposto,
franz. dispose. Um 1700 üblich geworden
(Günther 315).
aufgeräumt, adj.: in reiner, heiterer
Seelenstimmung. Eig. Part. Prät. von auf-
räumen, mhd. üfrümen, «wegschaffend Raum
machen; alles Unangenehme und Beengende
wegschaffen». Bei Krämer 1678 mit Adv. übel,
wol a. und urspr. (wie noch bei Stieler 1691)
mit persönKchem Dat.
aufgeweckt, adj.: lebhaften Geistes. Im
17. Jh. üblich (Fleming 136). Eig. Part. Prät.
von aufwecken in der Bed. «geistig ermun-
tern, anregen» (bei Luther).
aufhalten, v.: in die Höhe halten, mhd.
üf halten ; auf einem Punkte verweilen machen,
zurückhalten, hemmen (auch schon mhd.);
offenhalten. Refl . sich a. : verweilen (bei Luther,
neben sich aufenthalten); sich mißliebig über
etwas oder über jemand äu£em (bei Nierem-
berger 1753).
aufhängen, v.: in die Höhe hängen, mhd.
üfhengen neben üfhdhen, s. hangen; als Last
an jemand hängen; einem etwas a.: ihn zur
An-, Übernahme von etwas bringen (wie auf-
halsen, z. B. Lessing 3, 6), zum Glauben
an etwas bringen (wie aufbinden, bei Kind-
leben 1781).
aufheben, v.: zur oder in die Höhe
heben, mhd. üf heben, ahd. üfheffen; auf-
nehmen und wegbringen (mhd. üf heben «er-
gi'eifen»); zur BewahiTing wohin tun; auf-
hören machen, ungültig machen, abschaffen
(im 15. Jh. ein urtel uf heben, bei Luther
allgemein); {mit einem a.) abrechnen. Refl.
sich a.: sich gleichkommen, eig. beim Wiegen
zu gleicher Höhe heben. Das veraltete Part.
Prät. auf gehaben (dafür jetzt aufgehoben, s.
heben) kommt noch im 18. Jh. in der Bed.
«zm* Höhe gehoben, emporgehoben» vor (bei
Klopstock, Wieland, Lessing). Der subst.
Inf. Aufheben, n. hat auch die Bed.: schau-
tragendes Hervorheben vor andern (nament-
lich in Aufhebens machen), eig. Fechteraus-
druck von dem (oft mit prahlerischen Reden
verbundenen) Erheben der Waffen als Vor-
spiel des Kampfes (bei H. Sachs 4, 213 wird
das Aufheben als ein Teil der Fechtkunst er-
wähnt, vgl. Lessing 10, 239).
aufhören, v.: worauf hören (selten, 1691
bei Stieler); in einer Tätigkeit nicht fort-
fahren. Li der letzten Bed. im Mhd. zu-
nächst bloß hoeren, wohl im Sinne von «ge-
horchen, auf jemand hören», dann auch üf-
hcBren, völlig dui'chgedrungen im 15. Jh.
aufklären, v.: klar, hell machen (nament-
lich refl., so bei Stieler 1691); verständlich
und deutlich machen; (eine Gegend) aus-
kundschaften (in der neuern Heeressprache
nach franz. eclairer); im Geiste erleuchten.
Nach dieser Bed. das Part. Prät. aufgeklärt
als Adj. «erleuchtet im Geiste», namentlich
in religiösen Dingen (1752 von Wieland ge-
braucht, Suppl. 1, 414. 424, vgl. auch ReichelS).
ABL. Aufklärung: bei Adelung 1774, vgl.
Ladeudorf Schlagwb.
aufknüpfen, v. : eine Schlinge aufmachen ;
mittelst einer Schlinge, eines Stranges auf-
henken (bei Duez 1664, Fischart hat auf-
knipfen in beiden Bed., Garg. 76 u. 458).
aufkommen, v.: in die Höhe kommen,
mhd. üfkomen, ahd. üfqueman; zum Wachs-
tum, zur Gesundheit kommen (auch schon
105
aufkrampen
aufrecht
106
mhä.); zum Dasein kommen: üblich werden
(frühnhd.).
auf krampen, v.: die Krampe (s. d.) !
öffnen, um die Thüi' aufzumachen. Bei Toß
Luise 3, 203 aus dem Xdd.
auf krampen (bei Goethe 26, 299 auf- i
krempen i, v. : in die Höhe krümmen oder
biegen, z. B. den Hutrand. Aus dem Xdd. i
im 17. Jh. eingedrungen Tbei Rädlein 1711).
Mnd. upkrempen «sich in die Höhe biegen».
ABL. auf krämpeln, v. : in gleicher Bed.,
1793 bei Adelung.
aufkratzen, v.: durch Kratzen auf-
machen; durch Kratzen fiisch machen rfriih- ■
nhd.); aufputzen i namentlich sich a.): in gute :
Stimmung versetzen {aufgekratzt bei Kind- ■
leben 1781 als studentisch). i
Auflage, f. f PI. -n) : (im Kanzleistil) amt- 1
Ucher Auftrag Tfrühnhd. ) ; der Obrigkeit zu
Entrichtendes, namentlich an Geld i frühnhd ) ;
Zusammenkunft der Handwerker, eig. inso-
fern in ihr die Beiträge zu entrichten sind
(Adelung 1774); Beschuldigung (bei Luther 6,
6'' Jen.); die zusammen gefertigten Abdrücke
einer Schrift als aus der Presse hervorge-
cranofen und zum Verkaufe zur Messe auf-
gelegt (bei Frisch 1712j.
auf lassen, v. : in die Höhe lassen, mhd.
üflä^en: feierhch aufgeben (s. d.) und einem
andern übertragen, z. B. ein Lehen (mhd.,
auch mnd. upläten im Sachsensp.); (ein Berg-
werk) zu bearbeiten aufgeben, verlassen (Frei-
berger Bergi-echt des 14. u. 15. Jh.). |
Auflauf, m. {-es, PI. Aufläufe) : geschwin-
des in die Höhe Gehen; über und zugleich
unter Kohlen in die Höhe gehendes Gericht;
Zusammenlaufen von Menschen, besonders
feindseliges, Aufruhr, mhd. üflouf. '
auflaufen, v.: l) intrans. sich mehrend j
anwachsen, mhd. üfloufen-. aufkeimen: an-'
schwellen (auch schon mhd.) : ( in der Schiff-
fahrt) sich auf dem Grunde festfahren. 2)trans.
durch Laufen öffnen, wund laufen. ;
auflehnen, v. : von der senkrechten Rich-
tung auf einen Halt Gebendes abweichen.
Refl. sich a., auch in der Bed. «sich zum
Widerstand entgegenwenden». ^[hd. üßeinen,
in md. Quellen auch üflenen. Bei Luther
aufflehnen, bei Obd. bis ins 17. Jh. aufleinen,
vgl. ablehnen. '
aufmachen, v.: in die Höhe richten, mhd.
üfmachen: aufspielen ifiühnhd.); offen machen
(bei Lutherj. Refl. sich a.: sich erheben, auf
den Weg machen (schon mhd.).
aufmutzen, v.: (fi-üher) reines schönes
Aussehen geben, aufputzen, mhd. üfmutzen,
wie auch das einfache mutzen diese Bedeutung
hat rfi'ühnhd. namenthch von Waren, z. B.
1537 bei Dasypodius auffmutzen zum kauff):
(dann) als vorzüglicher (in die Augen fal-
lender) nennen, herausstreichen, doch auch
als ungut, zum Tadel herausstreichen ( Luther
Sir. 1-3, 27): (mit Dat.) einem etwas mit Xach-
dnick vorhalten oder zum Vorwurf machen
(schon fiühnhd.). S. mutzen.
aufnehmen, v.: l") trans. in die Höhe
nehmen, mhd. üfnemen (daher es mit einem
a. « es auf einen Streit mit jemand ankommen
lassen», eig. die Waffen erheben, um mit je-
mand Kampf zu beginnen, vgl. Aufhellen):
bei sich zulassen, Eintritt, Raum usw. ge-
währen (auch schon mhd.); an sich nehmen,
z. B. entliehene Gelder (mhd. üfnemen «in
Besitz nehmen, einnehmen »J : angreifen, um zu
beginnen, z. B. eine Arbeit: entwerfen, z. B.
ein Büd, eine ürkutuJe : geistig auffassen und
beurteilen, z. B. gut a. (bei den Mystikern
ist üfnemen '< erkennen//). 2) intrans. (ver-
altet) zunehmen, gedeihen (auch mhd.l Da-
von der subst. Inf Aufnehmen, n., nament-
lich in i)i A. bringen, woföi- jetzt gewöhnlich
in Aufnahme brvigen gesagt wird.
auf neu, v.: aufbringen, in die Höhe
bringen, bessera, mehren. Schweizerisch (bei
G. Keller, Schweiz. Id. 1, 123 seit 1424 be-
legt). Älternhd. auch aufen, mhd. v.fen, ahd.
üffan und üßn neben kiüffinm, ags. uppian.
Zu ahd. mhd. üf «auf».
aufpassen, v.: l) intrans. worauf acht-
habend warten: worauf achthaben. Früh-
nhd. (H. Sachs Fab. 196, 92). 2) trans. wo-
zu passend machen. S. passen.
aufpausen, v.: (die Backen) aufblasen
1678 bei Krämer. Zu pausest, oberd. pfausen
«blasen, pusten». Vgl. aufbauschen.
aufl'appelu, refl. v. : sich von sitzender
oder liegender Stellung empomchten, auch
bildlich. Seit dem 18. -Jh. übliches Wort
(bei Goekingk 2, 227) mit ndd. Lauten für
hd. aufraffeln (bei Luther), abgeleitet von
aufraffen (wofüi- Stieler 1691 aufrappen hat,
das auf mnd. uprappen beruht).
aufrecht, adj. und adv. : in die Höhe
gerichtet, in die Höhe gerade, mhd, ahd. üf-
reht (s. recht) : geradsinnig, offenherzig (auch
schon mhd.). In dieser 2. Bed. aber schon
im 18. Jh. völlig verdrängt durch aufrich-
tig, mhd. üfrihtic, das auch zuerst jene
107
aufreiben
Aufsehen
108
1. Bed. von aufrecht hatte (mhd, und bei
Luther Pred. 1, 30. Apostelg. 14, 10).
aufreiben, v. : durch Reiben öffnen ; durch
Eeiben verbrauchen; (dann, wie zermalmen)
zugrunde richten, vertilgen (friihnhd., z. B.
bei Murner Karr. 10, 31 und bei Luther).
aufrichten, v.: zur Höhe, emporrichten,
mhd. vfnhfen, ahd. üfrihtan; ins Werk setzen,
zu Dasein und Bestehen bringen; aus ge-
drückter Stimmung in eine das Gemüt er-
hebende versetzen. Refi. sich a. : sich empor-
richten; sich aus gedrückter in gehobene
Stimmung versetzen (J. Faul Hesp. 2, 168).
aufrichtig, s. aufrecht.
aufrücken, v. : in die Höhe rücken, höher
rücken, mhd. üfrücken, -rucken, ahd. (Notker)
üfrucchen: (mit Dat. der Person) beschwerend
und empfindlich bemerkbar machen (in md.
Quellen des 15. Jh. und bei Luther).
Aufruf, m. {-es, PI. -e): Ruf zur Erhe-
bung, Meldung usw., sowie ein diesen Ruf
enthaltendes Schriftstück. Erst bei Adelung
1774 als Handlung des Aufruf ens, doch schon
mnd. uprop m. «Berufung».
Aufruhr, m. {-s, PI. -e): heftige Bewe-
gung, besonders eine feindsehge Unterge-
ordneter gegen Übergeordnete. Im 15. Jh.
üfruor f., zusammengesetzt mit mhd. ruore,
ahd. hruora f. «Bewegung», s. Ruhr und
rühren. Älternhd. überwiegt noch das F.
(das M. zuweilen bei Luther und bei Alberus
Dict. dd 2^* voll vffrhurs), auch im 17. Jh.
voi'kommend (Gryphius Trauersp. 360) und
noch 1755 von Dornblüth S. 828 verlangt.
Bei Herder 24, 462 der seltene Plm\ Auf-
rühre. ABL. Aufrührer, m. (um 1480
im Yoc. ine. teut. b 2^ auffrurer). aufrüh-
risch, adj. (bei Luther auffrurisch), wofür
später aufrührerisch (Heynatz 1775).
aufs, zusammengezogen aus auf das. Schon
mhd. üfe^, ä/j, zusammengez. aus üf da^.
aufsagen, v.: der Reihe nach hersagen
(frähnhd.); als aufhörend ansagen, aufkün-
digen, mhd. üfsagen.
aufsässig, adj. und adv.: feindselig ge-
sinnt gegen jemand und nach seinem Schaden
trachtend. Mit Kürzung des Vokals von
einem nicht zu belegenden mhd. üfsäge f.
«Hinterhalt, Lauern auf jemand» (vgl. das
einfache säge f. in gleicher Bed. und mnd.
upsäte f. «Anschlag, hinterlistiger tlberfall»).
Frühnhd. (H. Sachs 13, 150, 27), aber spä-
ter durch aufsätzig (s. d.) zurückgedrängt;
Adelung 1793, Heynatz 1796 und noch Campe
1807 erklären a. für unrichtig.
Aufsatz, m. (-es, PI. Aufsätze) : (veraltet)
Nachstellung, lauernde Feindschaft, mhd. fif-
saz m.; auferlegtes Gebot (Luther Matth. 15,
2 usw., mhd. üfsaz ist «Gesetz, Festsetzung,
Bestimmung, namentlich schriftliche»); (dar-
aus abgeschwächt) in zusammenhängenden
Sätzen schriftlich Verfaßtes (bei Ludwig 1716);
zur Erhöhmig und Verzierung aufgesetztes Ge-
bilde (Kant 7, 187 H.). ^Biv-^aufsätzig,
adj.: feindselig gesinnt (nach der 1. Bed. von
A.). Spätmhd. üfsetzic «hinterhstig, ver-
schlagen», so auch 1482 im Voc. theut. c 1*
aufsetzig, im 16. Jh. dann «Nachstellung be-
reitend, feindselig», vgl. aufsässig.
aufschieben, v.: durch Bewegung zur
Seite oder aufwärts öffnen; zeitlich hinaus-
rücken, mhd. üfschiehen. — Aufschub, m.
{-es, PI. Aufschübe) : zeitliche Hinausrückung.
Mhd. üfscMqj m.
Aufschlag, m. [-es, PI. Aufschläge): auf-
treffender Schlag; klappenartig umgeschla-
gener Teil eines Kleidungsstückes (Krämer
1678); rasch öffnendes Voneinandei'legen ;
schnelle mit Schlagen verbundene Errich-
tung; rasche Bewegung in die Höhe; Stei-
gerung des Preises; Auflage durch Besteue-
rung, namentlich ei'höhte (mhd. üfslac m.
«Erhöhung einer Abgabe, des Preises»).
Aufschluß, m. {-sses, PI. Aufschlüsse):
Offnen mittelst eines Schlüssels; Aufkläning
über etwas (mhd. üfslug m. «Auflösung
eines Rätsels»).
aufschneiden, v.: zum Offensein schnei-
den; woi'auf einschneiden; (eig. mit dem großen
Messer a. d. i. wohl «mit dem Weidmesser»,
übertreibende Jagdgeschichten erzählen, oder
S.V.W, große Stücke auftischen, vgl. Borchardt-
Wustmann 32 mit Beleg von 1621, auch Mo-
scherosch Phil. 1, 149) in Reden lügenhaft
großtun. Davon Aufschueider, m. : lügen-
hafter Großtuer (1646 bei Moscherosch 2, 107).
Aufschneiderei, f.(Opitz 1, 251). aufschnei-
derisch, adj. (Grimmeishausen Simpl. 114).
aufschnoppern (bei Goethe 33, 168 auf-
schnohern), s. schnoppern.
aufschrecken, v. : furchtsam auffahren.
Mhd. üfschrecken «aufhüpfen». Dagegen
trans. aufschrecken, v. : furchtsam auffahren
machen, mhd. üfschrecken, s. schrecken.
Aufschub, s. aufschieben.
Aufsehen, n. {-s), substantivierter Inf.
des V. aufsehen: Schauen auf etwas, Auf-
109
aufsetzen
aufwerfen
110
merksatnkeit, Acht (Luther Weish. Sal. 3,
9, schon spätmhd. tifsehen n.j: die dm-ch
einen auffallenden Vorgang hei'vorgerufene
Aufmerksamkeit, staunende Verwundening
(namentlich in Ä. machen, bei Ludv?ig 1716).
In der 1. Bed. ist Aufsehen jetzt dm-ch Auf-
sicht f. verdrängt, das erst im 16. Jh. vor-
kommt (ßingwaldt laut. "Wahrh. 311).
aufsetzen, v. : in die Höhe setzen oder |
richten; worauf setzen, mhd. üf setzen, ahd, |
üfsezzan; aufs Haupt setzen; aufs Spiel i
setzen (spätmhd., noch bei Schiller Picc. 4,
1): (nach der 1. Bed. von Aufsatz) verleiten,
täuschen, eig. Nachstellung bereiten (Luther
2. Kön. 18, 29. 19, 10); "(nach der 2. Bed.
von Aufsatz) festsetzen, bestimmen, anordnen
(Luther Mark. 7, 13 und schon mhd.); schrift- ;
lieh entwerfen (bei Ludwig 1716).
Aufsicht, s. Aufsehen.
aufspielen, v.: ein musikalisches Spiel
beginnen (bei Stieler 1691). Refl. sich a.:
sich in einer angenommenen Eigenschaft zei-
gen (in der neuern Sprache, vom Schau-
spiel ausgehend).
Aufstand, m. {-es, PI. Aufstände): Er-
hebung vom Platz oder Lager, namentlich
mehrerer, spätmhd. üfstant m.: Erhebung
gegen die Obrigkeit (bei Duez 1664).
aufstecken, V.: in die Höhe stecken, mhd.
üf stecken-, worauf stecken; ein Ende machen
womit, aiifgeben (in der neuem üingangs-
sprache, wohl eig. Handwerkswort, eine Ar-
beit, die man nicht fortsetzt, in der Höhe
befestigen, vgL an den Nagel hängen, viel-
leicht auch vom Aufheben der Eßgeräte,
vgl. 1767 im Bremisch-ndsächs. Wörterb. den
lepel upstecken «sterben», Löffel am Hut bei
H. Sachs Fab. 855, 25).
aufstöbern (bei Luther aufsteuhern), s,
stöbern.
Aufstreich, m. (-es, PI. -e)-. öffentlicher
Zuschlag auf Meistgebot (Schiller Räuber 1, 2.
2, 1). Gegensatz Abstreich (s. d.). Von attf-
str eichen, v. : zu Mehrgebot ausrufen, ein
Mehrgebot schlagen.
aufstutzen, v. : äußerlich vor anderm zier-
lich machen (bei Adelung 1774). S. ^stutzen.
Bei Lessing 5, 324 usw. unrichtig aufstützen.
Auftrag, m. (-es, PI. Aufträge): was
aufgetragen wird: Befehl. Dies im 17. Jh.
(Zesen Jbr. 207) von auftragen in der Bed, j
«anempfehlen» (mhd. üftragen, bei den My-
stikern, ist « darbringen », dann in der frühnhd.
Rechtssprache «übertragen, verleihen», vgl.
aufgehen , auflassen).
auftreiben, v.: in die Höhe treiben, mhd.
üftrthen: aus der Ruhe, von der Stelle trei-
ben, z. B. Wild (mhd. uftriben ist auch «auf-
scheuchen, beunruhigen»); (darnach) durch an-
gestrengtes Suchen sich verschaffen (frühnhd.,
1618 bei Schönsleder;.
auftreten, v. : l) intrans. auf den Boden
treten, mhd. üftreten: sich öffentlich zeigen
(auch schon mhd.): sich in einer Ai*t und
Weise öffentlich benehmen (im 18. Jh.) 2) trans.
durch Treten öffnen.
Auftritt, m. (-es, PI. -e): Tritt in die
Höhe (mhd. üftrit «die Höhe selbst»); Tritt
auf den Boden: öffentliches Ei'scheinen; der
Unterabschnitt eines Bühnenstückes, die Szene
(seit Christian Weise j 1708, vgl. Aufzug) und
davon dann, wie franz. scene, «auffallender
Vorgang» (Ew. v. Kleist).
auftrumpfen, v.: (mit Dat.) durch ge-
wichtige Reden einem zusetzen (Schiller Kab. 1,
l), eig. einen Trumpf auf eine niedere Karte
werfen. Bei Rädlein 1711 (schon im 16. Jh.
aufdrumpfen Crecehus 64).
aufwägen, v.: in der Wage zur Höhe
biingen; gegen andi-es schwerer ins Gewicht
fallen. Dafür seit dem 18. Jh. auch aufwiegen
(s. u'iegen). Mhd. üfwegen ist intrans. «sich
in die Höhe bewegen», trans. «in die Höhe
heben, mittelst der Wage piüfend messen».
Aufwand, m. (-es): was aufgewandt wird,
besonders insofern es viel ist. Bei Steinbach
1784. Jange Bildung von dem V. aufwenden:
zu einem Zwecke verwenden, vgl. Versand
zu versenden.
aufwarten, v.: urspr. in die Höhe oder
auf etwas schauen, vgl. warten; (mit Dat.)
des Befehls gewärtig bedienen (so schon
spätmhd. üfwarten): zu Dienste sein, na-
mentlich bei Hofe (Opitz Poet. 8, Chr. Weise
Erzn. 113): besuchen, um seine Ehrerbietung
zu bezeigen ('Weise Erzn. 28). ABL. Auf-
wärter, m. : Diener, namentlich bei Tisch
(bei Fischart Garg. 201 auffwarter «höfischer
Diener, Hofmann»).
aufwärts, adv.: zur Höhe, in die Höhe.
Mhd. f(fwert, im 15. Jh. auch mit der ge-
nitivischen adv. Endung -es üfwerts vfwarts.
aufwerfen, v.: in die Höhe werfen,
heben oder ziehen, mhd. üf werfen; durch
Werfen öffnen (auch schon mhd.); aufstel-
len, zur Erledigung vorlegen (häufig bei
111
aufwichsen
Auge
112
Luther); zu hervorragender Stellung erhe-
ben (spätmhd.) Refl. sich a.: sich zu hervor-
ragender Stellung erheben, namentlich in
unberechtigter Weise (spätmhd.)
aufwichseil, v.: mit Wachs glänzend
machen, aufputzen; (in der Studentensprache,
übertragen vom A. der Kanonenstiefel, vgl.
Wichs) in die Augen fallend herausputzen
(bei Augustin 1795); (ebenfalls studentisch)
zu einem Zechgelage oder glänzender Be-
wirtung vorsetzen, auftragen lassen (bei J. M. '
Miller Walther 148 ein Hospiz aiifwixen,
bei Tieck in Musäus' Straußenfedern 4, 5
man h'auche das Geld um aufzuwichsen und
er wichste auf, bis das Geld alle war; schon
bei Kindleben 1781).
aufwiegeln, v.: zur Erhebung gegen
jemand vermögen; nach und nach heftig
aufregen, -wiegeln ist eine Ableitung von
icegen (s. wägen) und bedeutet eig. «in Be-
wegung bringen»; mhd. kommt einmal ein
intr. wiegelon «wanken» vor, vgl. auch ahd.
kewigilit «instruit». Das Wort erscheint am
Anfang des 16. Jh. und zwar zuerst in der
Kanzleisprache {aufwigler Reichsordnungen
148 V. J. 1529, aufwigeln bei Lilienci'on 4,
579, Mathesius Luther 49^, verzeichnet bei
Maaler 1561), vgl. auch die Adj. aufwegig
(Franck Chr. 26 ^'j Aventin), aufwegisch «auf-
rührerisch». Gleichbedeutend mit aufwiegeln
erscheint im 16. u. 17. Jh. auch aufwickeln.
aufwiegen, s. aufwägen.
aufziehen, v.: l) trans. in die Höhe
ziehen, mhd. ufziehen, ahd. üfziohan; her-
anziehen, bei der Entwicklung leiten, z. B.
Kinder (auch mhd.); zum Tanz auffordern
(16. Jh.); auf etwas ziehen; durch Ziehen
öifnen; hinziehen, aufhalten (schon mhd. und
bei Luther); (wohl nach der veralteten Bed.
foltern, eig. durch In die Höhe ziehen, vgl.
triezen) necken, verspotten (Ayrer 423*',
Opitz 1, 186). 2) intrans. sich erheben, in
der Höhe bewegen, z. B. der Mond zieht auf;
einhergezogen kommen (Opitz Ps. 75).
Aufzug, m. (-es, PI. Aufzüge) : das In die
Höhe ziehen und was dazu dient (mhd. üf-
zuc «Vorrichtung zum Aufziehen»); als Grund
eines Gewebes beim Weben aufgespanntes
Garn; (vom Aufziehen des Vorhanges der
Schaubühne) Hauptabschnitt eines Bühnen-
stückes, Akt (im 17. Jh. oft im Sinne unseres
Auftritt, z. B. bei Harsdörfer Gesprächsp. 2,
332. 3, 369, Andr. Gryphius) ; feierliches Auf-
treten von Personen in einer Schauhandlunar
(Zincgref Ap. 2, 96); äußere Erscheinung,
Bekleidung (Krämer 1678).
Augapfel, -braue, s. Auge.
Auge, n. (-S, PI. -n): Sehwerkzeug des
menschlichen und tierischen Körpers; Knospe
einer Holzpflanze (Hohelied 2, 18. 7, 12);
schwimmender Fettropfen; Zahlpunkt auf
dem Würfel (daher die Redensart: auf
seinen 5, 9, 11 usw. Augen stehen bleiben,
gleichsam «bei der geworfenen Zahl recht-
haberisch, eigensinnig beharren»). Mhd. ouge,
ahd. ouga n. ; dazu asächs. öga, ndl. oog,
afries. äge, ags. eage, engl, eye, anord. auga,
schwed. öga, dän. öie, got. augö n. Füi- ur-
verwandt hält man gewöhnlich abulg. oko n,
lit. akis f., arm. akn m., lat. oculus m., gr.
öcce (aus ÖK^e) Dual (auch öq)9a\|Liöc), aind.
aksi n. «Auge»; den für zu erwartendes a in
got. augö eingetretenen Diphthong au pflegt
man durch Anlehnung an ausö n. «Ohr» zu
erklären. Doch befriedigt dies nicht, und
die Gleichung ist daher besser aufzugeben.
Erklärungsversuche bei Osthoff' Btr. 8, 362;
Stokes KZ. 45, 151 f., Zupitza Germ. Gutt. 79
(stellen es tadellos zuir. uag f. «Höhle, Grab»
aus augä), Uhlenbeck Got. WB. s. v. (zu
aind. öhate «wahrnehmen, beachten», ebenfalls
möglich), Hirt Btr. 22, 231 (zu gr. ÖTTiUTrri)
u, a. Eine Entscheidung ist nicht zu treffen,
doch sollte man sich von dem Wahn los-
machen, daß äuge zu lat. oculus gehören
muß. Das Wort flektiert im Mhd. schwach,
■ doch im Sg. mit den Nebenformen Gen. ouges,
\ Dat. ouge, danach schon älternhd. fast aus-
j schließlich Auges, Auge. Der PI. bewahrt
I die schwache Flexion. ABL. äugeln, v. :
I freundlich, zärtlich zublicken, mhd. äugeln
j (als subst, Inf.) «Liebäugeln»; trans. «das
i Auge eines Baumes in die aufgeschnittene
Rinde eines andern setzen, okulieren» (bei
Stieler 1691 eiigelen). Nach der 1. Bed.
Augeier, m. : Augendiener (Goethe Reineke
9, 76 nach mnd. ögeler). äugeu, v. : blicken,
\ schauen (vom Wilde). Mhd. öugen ist trans.
! «sehen lassen», während vanä.ögen auch «sehen,
i schauen» ist (bei Stieler 1691 auseugen). Vgl.
aucheigen. -äugig,adj.: Augenhabend inein-,
j schwarz-, blau-, triefäugig usw. ZUS. 1) mit
I Aug- : Augapfel, m. : die häutige, das Licht
empfangende Kugel im Auge ; Liebstes, was
man sorgfältig schützt wie das Auge. Mhd.
ougapfel, ahd. ougaphul, auch bloß aphul m.;
' dazu ndl. oogappel, ags. eagappel m., engl.
eyeapple. Augbraue, -punkt, s. Augen-
113
Auge
Auktion
114
braue, Augenpunkt. 2) mit Augen- : Augen- 1
arzt, m.: in Vokabularen des 15. Jh. oug- \
arzet, augenarczt Diefenbach nov. gl. 270*. !
AugeuMick, m.-. Blick der Augen; kleinste, '
einem Blick der Augen gleiche Zeitdauer, j
Mhd. ougenUic m., im 12. Jh. noch ougon j
hlich, also Zusammensetzung mit dem Gen. !
>> • • I
PI. ahd. ougono. Davon das genetivische Adv. ;
augeu])licks, frühnhd., und das Adj.augen-
l)licklicll, mhd. ougenblicklich neben ougen-
hlickic. Augenbraue, Augeubraune, f.
(beide Formen bei Goethe), selten Augen-
braue f. (Herder krit. Wälder 1, 176), Augen-
braun n. (Schiller Räuber 4, 3) und Augen-
bran n. (Herder Humanität 6, 54), auch in
älterer Zusammensetzung Augbraue, Aug-
hraune f. und Aughraun n. (alle drei Formen
bei Goethe, die letzte Naturw. Sehr. 1, XTVT!):
Haarstreifen quer über den Augen. Älhd.
ongebrä, mich'ä, ahd. ouchrä f.; dagegen
anord. augabrün f. (s. Braue). Spätmhd. er-
scheint auch ougenhrä und in frühnhd. Glos-
saren neben aug-, augenbraw (mit Antreten
des n der obliquen Kasus) oug-, ougenbrähen,
-hrän, -brawen, worauf die spätem Formen
Äug-, Augenhraune, -hrane f., Aug-, Augen-
braun, -bran n. beruhen. Stieler 1691 führt
auch Augenhrame f. an, was später z. B.
Gesner gebraucht, aber schon 1615 bei Al-
bertinus Landstörzer 379 Augenbräm (Ver-
mischung mit Brame «Rand», s. d-)- Bei
Luther erscheint im PI. die augbrün (Hiob
3, 9), an den Augh-unen (3. Mos. 14, 9).
Augendiener, m.: Schmeichler. Fiühnhd.
(um U80 Voc. ine. teut. b 2*^). Augen-
glas, n.: verschärfendes Glas für die Augen,
BriUe, im 15. Jh. aug-, augenglas n. Augen-
licht, n.: Sehkraft; (dichterisch) Auge, im
17. Jh. Augenlid, n. : Augendeckel. Zu-
sammenges. mit mhd. lit (Gen. lides), ahd.
Mit n. «Deckel», mhd. ougelit n., engl, eyelid.
Augenmerk, n., auch m. (bei Goethe):
Ziel der Augen (Drollinger 66). Augen-
punkt, auch Augpunkt (Goethe 49, 1, 80,
schon bei Frisch 1712 verzeichnet), m. : Ziel-
punkt des Sehens, Gesichtspunkt. Augen-
schein, m. : das Voraugensein, Beschauen
(im 15. Jh.). Davon augenscheinlich, adj.
und adv.: vor Augen klar (1514 bei Keisers-
berg Trostspiegel 87*' ougen scheinlich). Au-
genstern, m.: der Sehfleck im Auge. Mhd.
ougesterne m. Augentrost, m.: die Pflanze
euphrasia, weü die Augen erfreuendes Wie-
senblümchen und von heilkräftigem Saft für
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
dieselben. In der 2. Hälfte des 15. Jh. (1471
bei der Hätzlerin und in Vokabularen, z. B.
Brack Voc. rer. 48^). Augenweide, f :
was die Augen dauernd anzieht und erfreut.
Mhd. ougenweide, selten ougeiveide f., eig.
«Umherschweifenlassen der Augen», dann
«Erquickung der Augen». AugeUTVlnk, m.:
(zunächst s. v. a. Bewegung der Augenwim-
pern und danach dann) wie Augenblick als
Zeitteil. Im 17. Jh. Dafür mhd. ougenicanc
m. Augenwinkel, m.: Eckpunkt, an dem
das obere und untere Augenlid verbunden
sind. In Vokabularen des 15. Jh., z. B. 1482
im Voc. theut. c 1^. Augenzahu, m., Be-
zeichnung der beiden Hundszähne im obern
Kinnbacken, deren Wurzeln nach dem Auge
zu gehen. Bei Maaler 1561 Augzan. Augen-
zeuge, m. : wer das zu Bezeugende mit eigenen
Augen wahrgenommen hat. Bei Stieler 1691.
Augit, m. {-es, PI. -e): schönglänzender,
meist dunkel-lauchgrüner Stein aus dem
Kieselgeschlechte. Aus gr. lat. augites m. f.,
von gr. aufii f. «Licht, Glanz».
^August, Mannesname. Aus \?ii. Au gustus,
dem Beinamen des ersten römischen Kaisers
Octavianus seit seiner Alleinherrschaft und
nach ihm aller römischen Kaiser. Das Wort
ist das als Subst. gesetzte Mask. des lat. Adj.
augustus «erhaben, geheiligt» von lat. auger e
«vermehren, erheben, verherrlichen».
"August, m. {-es): der achte Monat im
Jahr. Aus lat. augustus, d. i. mensis Augustus,
wie der Monat sextilis nach dem Kaiser
Augustus genannt wurde (Suetonius Octav.
31). Der ahd. von Karl d. Gr. eingeführte
Xame ist aranmanoth m., nhd. Erntemonat.
An SteUe der dem Lat. angenäherten Form
August findet sich älternhd. Äugst, mhd.
ougest (und ouivest) m. «Erntemonat, Ernt?»;
ahd. kommt augusto m. vor.
Auguste, Frauenname, abgeleitet von
dem Mannesnamen August (s. d.), eig. aus
lat. augusta, dem Fem. des Adj. augustus
« erhaben, geheiligt ». Davon das Dem. August-
chen, gekürzt Chistchen (oberd. Chistel, Schil-
ler Wall. Lager 124).
Auktion, f. (PI. -en) : Versteigerung. Aus
lat. auctio (Gen. auctionis) f. «Vermehrung,
Versteigerung» von augere «vermehren».
Schon bei Rot 1571. ABL. auktionieren,
V.: versteigern. Im 17. Jh. Aus lat. auctio-
näri «auf Mehrgebot ausbieten, versteigern».
Davon Auktionator, m. (-s): Versteigerer
aus nlat. auctionätor m.
115
Aiirikel
Ausdruck
116
Aurikel, f. (PI. -n)- Bergschlüsselblume.
Aus lat. aiiricula f. «Öhrchen» (Dem. von
lat. auris f. «Ohr»), wie man denn die von
den Gebirgen der Schweiz und Steiermark
stammende Pflanze, nach der Form ihrer
Blätter, im Deutschen auch genauer Bären-
öhrlein nannte. Im 18. .Jh. aufgenommen
(1736 bei Brockes 5, 32).
aus, 1) adv. und damit auch interj.: von
innen her, hervor, her (z. B. von Haus a.,
von Grund a.); hervor und fort (z. B. ein
und a., Trumpf a.!); fort, weg (z. B. a. mit
dir!); bis zu Ende, zu Ende (das Theater,
das Stück ist a.). Dies Adv. steht in Ver-
bindung mit andern Adv. wie hinaus, durch-
aus, garaus und mit Subst. und Verben, wo
es als erstes Wort den Ton hat. In der ver-
balen Zusammensetzung bezeichnet a. auch
die Beendigung einer Tätigkeit, z. B. aus-
hlühen, austoben, ausarbeiten, eine anhaltende,
zum Ziel kommende Tätigkeit, z. B. aus-
dauern, ausreichen, auslachen, ausbilden, aus-
prägen, sowie die Beseitigung des Objekts
durch die Tätigkeit, z. B. ausblasen, aus-
füllen, auslöschen, auswischen. 2) Präp. mit
Dat.: von innen hervor, von — her (im Ge-
danken an das Innere); entnommen (z. B.
einer a. dem Volke): hervorgegangen oder
veranlaßt durch — (a. Gottes Befehl, bei
Luther; a. Kummer, a. Not). Mit Übergang
von 5 in s (ältemhd. auch auß) aus mhd.
ahd. ü^ adv. und (ahd. noch selten) präp.;
dazu asächs. üt adv., mnd. üt auch präp.,
ndl. uit präp., ags. anord. üt adv. «her-, hin-
aus, außen, außerhalb», engl, out adv. ^ schwed.
ut adv. u. präp., dän. ud adv. u. präp., got.
üt adv. Im präp. Gebrauch hat mhd. ü^
das ahd. ar, ir, got. us verdrängt (s. er-);
fniher erscheint es zur Verstärkung vor an-
dern Präp., z. B. got. üt US, ags. üt of, ahd.
«5 fon. Verwandt ist vielleicht aind. ud als
Verbalpartikel «in die Höhe, heraus», air.
ud-, od- Verbalpräfix.
ausbaden, v.: fertig baden. Redensart
etwas a.: unfreiwillig abbüßen, eig. wohl s.
V. a. «das Bad austragen», was dem letzten,
der im Bad betroffen wurde, zufiel. Das
Gleichnis ist schon im 15. .Jh. geläufig, vgl.
Hermann v. Sachsenheim Mörin 660 ich hoff
es sol im werden laid e man das bad werd
giessen uß, 4170 ich vorcht zuo jungst es
bring in pin, so man das bad nsgiessen iverd.
ausbeißen, v. : durch Beißen wegschaffen,
mhd. ü^bigen; durch Beißen vertreiben, z. B.
ein Huhn aus dem Korbe; (bildlich) durch
Gehässigkeit verdrängen (schon bei Luther).
Ausbeute, f.: (ehedem z. B. Rieht. 5, 29)
dem Feind im Krieg Abgenommenes; (im
Gegensatz zu Einbuße) Gewinst als Ertrag
wovon, namentlich bergmännischer {Auspeute
1556 bei Agricola de re metallica, Äußbeute
1562 bei Mathesius Sar. 2*').
Ausbruch, m. {-es, PI. Ausbrüche): ge-
waltsames Herv'or- und Durchdringen, mhd.
Umbruch m. ; vorzüglichster "Wein, nämlich aus
Beeren, die als die reifsten und besten vor
den übrigen an den Stöcken ausgebrochen
wurden (urspr. vom Ungarwein zu Anfang
des 18. Jh., Brockes 5, 117).
Ausbund, m. (-es, PI. -e): das Muster,
Höchste, Ausgesuchteste seiner Art, eig. das
zur Probe, zum Muster für den Käufer her-
ausgebundene Schaustück an einer Ware als
das vorzüglichste Stück derselben. Frühnhd.
(bei Keisersberg und Luther). Mhd. kommt
dafür überbunt m. vor. ABL. ausbüudig,
adj. und adv.: musterhaft, höchst (außhündig
Städtechron. 3, 171 vom J. 1488).
Ausbürger, m. (-s, PI. wie Sg.) : wer an
anderm Orte wohnt, als wo er erworbenes
Bürgerrecht hat. Spätmhd. ußburger m.
Ausdauer, f.: die Fähigkeit, eine An-
strengung usw. auszuhalten. Junge Bildung,
noch nicht bei Campe 1807, deren sich Goethe
1809* bedient. Von ausdauern.
Ausdruck, m. (-es, PI. Ausdrücke): dem
Innern entsprechende bestimmte äußere Ge-
staltung; bestimmte wörtliche Bezeichnung.
Mhd. (bei Mystikern) u^fruc m., das aber
später unüblich wird; erst Ludwig 1716 ver-
zeichnet wieder A. neben Ausdruckung (letz-
teres schon bei Luther, aber spätmhd. ü^-
drückunge «Ausdünstung»). — ausdrücken,
V.: herausdrücken, mhd. Umdrucken; drücken
bis das Innere völlig heraus ist, z. B. eine
Zitrone; aufdrückend, äußerlich gestalten
(mhd. vereinzelt); dem Innern entsprechend
bestimmt oder doch erkennbar äußern, be-
sonders s. V. a. bestimmt erkennbar, wört-
lich bezeichnen (fnihnhd. z. B. 1501 im Voc.
opt. k 5*^ außdrucken «exprimere, manifes-
tare» imd bei Luther). Ältemhd. erscheint
dafür auch ausdrucken (noch bei Goethe 2,
160 usw. und bei Campe 1807), jetzt nur
noch in der Bed. «fertig drucken» oder «im
Druck abnutzen». S. drucken. ABL. aus-
drücklich, adj. und adv.: bestimmt und
entschieden. Frühnhd. (1514 bei Keisersberg
117
aiisecken
ansgeben
118
außirücklich, ußtrucklich, 1482 im Yoc. theut. :
c 2^ ausgefrucklich). ansdrnckSTOll, adj. '
und adv., Verdeutschung von franz. expressif
aus dem Ende des 18. Jh. (vgl. Gombert 7, 9). |
auseckeil, v. : alle Ecken wovon ermessen |
d. i. vmtersuchen oder ausarbeiten; sorgsam i
(bis ins einzelnste) untersuchen oder über-
denken. Im 15. Jh. (Erb 1, 82).
auseinander, ein die Trennung des einen
vom andern bezeichnendes, aus aus ein ander
statt ein aus dem andern, also mit vorge-
lückter Präp. zusammengeschobenes Adv., das
häufig in der Zusammensetzung mit Subst.
oder Verben erscheint.
auserlesen, v. : mit genauer Priifung aus-
wählen, mhd. überlesen. Davon das Part.
Prät. auserlesen und auserlesen, auch s. v. a.
«ganz vorzüglich», mhd. überlesen. Die Vor-
silbe aus- ist hier untrennbar, z. B. ich aus-
erlese. Ebenso auserkiesen (im Präs. ver-
altet), mhd. ü^erkiesen nur im Part. Prät.
ü^erkoren, «auserkoren, auserwählt, vorzüg-
lich»: ausersehen . (bei Duez 1642); aus-
erwählen, mhd. üßerweln usw. Dagegen
in auserzählen «bis zu Ende erzählen» ist
aus- trennbar, z. B. ich erzähle aus.
ausfallen, v.: l) intrans. aus einem Innern
herausfallen, mh(\.n^vallen: wegfallen, unter-
bleiben; einen Angriff nach außen machen;
mit Worten empfindlich angi'eifen (bei Campe
1807); geraten, ausschlagen (beiLudwig 1716),
eig. von dem Herausg-ehen des Züngleins der
Wage nach der einen oder andern Seite (s.
Ausschlag). 2) trans. durch Fallen beschä-
digen oder entfernen (auch schon mhd). ABL.
ausfällig, adj. (nach der 4. Bed. von aus-
fallen). Neue Bildung (Freytag Joum. 3).
ausfenstern, v.: tüchtig ausschelten. Eig.
mit Scheltworten abfertigen vmd zwar urspr.
den nachts unter dem Kammerfenster eines
Mädchens um Erhörung flehenden Liebhaber.
S. fenstern. Erst bei Adelung 1793 verzeichnet,
aber schon vorher in der Umgangssprache
(Schelmufsky 90, Gottsched, Lessing 7, 289).
ausfertigen, v. : zur Ausgabe, öffentlichen
Verbreitung fertig machen, z. B. eine Schrift,
eine Urkunde. Spätmhd. ti^vertigen «ent-
senden», vgl. abfertigen.
ausfilzen, v.: mit Filz besetzen oder aus-
stopfen; (dann da bei den Hutmachem ßXzen
«Filz walken», auch bildlich) derb ausschelten,
gleichsam mit Scheltworten vöUig bearbeiten
(schon bei Luther).
ausfindig, adj. u. adv.: durch Nach- und
Aufsuchen erkannt (besonders in der Redens-
art etwas a. machen). Richtiger ausfündig
geschrieben (so noch Adelung 1793), 1482 im
Voc. theut. c 2^ ausfündig machen «diffinire»,
abgeleitet von ältei-nhd. Äusfund m. «durch
Nachforschen gemachte Erfindung».
Ausflucllt, f. (Tl. Ausflüchte): (veraltet)
Flucht aus einem Orte (im 15. Jh. ußfluchi);
heimlicher Ausgang zur Entfernung; (ehedem
im Rechte) Wenden an ein höheres Gericht
um Recht zu suchen: Vorwand zur Verteidi-
gung (schon um 1500 in der Kanzleisprache,
z. B. Janssen Frankf. Reichskorr. 2, 625).
Ausflug, m. [-es, PI. Ausflüge): das erste
Fliegen aus dem Neste, dann überhaupt aus
einem Orte, mhd. ü^vluc m. ; kleine Reise von
einem Ort aus. In letzter Bed. hat Adelung,
auch Goethe 34,1,413 und schon 1731 Schnabel
Insel Felsenburg 1, 7. 46 Ausflucht f.
ausfolgen, s. verausfolgen.
Ausfuhr, f.: das Verfahren aus einem
Ort anderswohin, der Export. Bei Rädlein
1711: daneben (noch bei Adelung 1793) auch
Ausführe. Von ausführen in der Bed. aus
einem Orte führen», mhd. ü^vüe7-en, ahd,
(i^fuoran. Ndl. uifvoer m.
ausführlich, adj. und adv.: über alle
Teile des Ganzen sich verbreitend. Fiühnhd.
(um 1480 im Voc. ine. teut. b 3^ ausfurlich
«divertilis»). Von ausführen in der Bed. «bis
zu Ende führen».
Ausgabe, f. (PI. -»): das Von sich weg-
geben an jemand; (im Gegensatz zu Ein-
nahme) Betrag des Geldes, das man, ohne
, es "wäeder zu empfangen, von sich gibt, spät-
mhd. ü^gabe f.; das Ausgegebene und %o Aus^
' gäbe eines Buches, insofern dieses als in be-
stimmter Zahl von Abdrticken erschienen,
' zum Verkaufe geboten ward , vgl. Außage.
ausgattern, v. : heimlich ausspähen, urspr.
durch ein Gatter. Ein sächs.-thüi-. Wort, bei Räd-
lein 1711 verzeichnet, dann bei Weiße Jagd 1,2,
Lessing Nathan 1, 5 u. a. Vgl. ergattern.
ausgehen, v. : von sich weg, aus seiner
Gewalt geben, fortgeben, mhd. umgeben, ahd.
üggeban; eine Tochter verheiraten (l. Mos.
' 29, 26) : (eine Schrift, ein Buch) durch den
Druck zum Verkauf bringen; (im Gegensatz
zu empfangen) selbsttätig von sich geben,
produzieren (Goethe 28, 208): (jemand, etwas
, ICO für a.) eine Bestimmung davon geben,
j deren Zuverlässigkeit nicht gesichert erscheint
(schon bei Luther). Refl. sich a.: durch
119
Ausgeburt
Ausland
120
Geben des Geldes sich von diesem entblößen j
(Lessing 1, 514, Goethe 36, 175). Intr. als in
natürlicher Weise hervorgehenden Gewinst j
von sich geben (1697 bei Ettner unwürd. ;
Doctor 5), z. B. das Mehl gibt gut {viel Brot) \
aus. Oberd., von Dentzler 1709 verzeichneter ;
Ausdruck, nach Adelung 1793 nur im ge- '
meinen Leben einiger Gegenden. Davon das
Adj. ausgiebig (bei Adelung 1793).
Ausgeburt, f. (PI. -en): Erzeugnis, Pro-
dukt von etwas, namentlich im Übeln Sinn.
Bei Adelung 1793.
Ausgedinge, n. (-s, PI. wie Sg.) : das von
einem abgehenden Wirt ausbedungene Alten-
teil (s. d.). Erst bei Campe 1807.
ausgelassen, Part. Prät. von auslassen
als Adj.: lebhaften Empfindungen unein-
geschränkt hingegeben, eig. jedem Zwang
entrückt, freigelassen (ui'spr. vom Vieh, das
aus dem Stall auf die Weide gelassen ist,
1561 bei Maaler ausgelassen werden «laxari
a vinculis»). Schon im 16. Jh. (Kirchhof
Wend. 333^).
ausgenommen, adj., dann präp. mit Akk.
und adv.: nicht mitbegriifen. a. daß, wenn,
wo erscheinen als Konjixnktionen. Mhd. wj-
ge^iomen ist ziinächst Part, Prät. von ü^-
nemen, dann nach dem Vorbilde von mlat.
excepto, frz. excepte, im 15. Jh. Partikel und
zwar Präp. mit Akk., welchen Kasus bereits
ausnehmen ei-foi'dert, oder auch stan-e Par-
tikel, auf die jeder andre Kasus folgen kann.
ausgepicht, s. pichen.
ausgiebig, s. ausgehen.
Ausgleich, m. {-es, PI. -e) : Vergleichung,
Vereinbarung. Ganz junge Bildung von aus-
gleichen, «gleichmachen», eig. durch eine nach
außen gehende Tätigkeit (bei Stieler 1691,
der daneben auch eingleichen hat).
ausgrätschen (Goethe [Egmont] 8, 246):
auswärts spreizen. S. grätschen.
aushalten, v. : bis zu Ende durchmachen
(bei Luther); ausdauem; ausstehen, ertragen;
Unterhalt gewähren, mhd. ü^halten «ver-
pflegen».
aushändigen, v.: aus der Hand geben,
übergeben. Kanzleiwort, 1645 bei Zesen adr.
Kos. 19. Vgl. einhändigen.
ausheben, v. : durch Bewegung in die
Höhe aus seiner Lage bringen (bei Luther):
ausnehmen, z. B. ein Nest; (Soldaten) als
geeignet zum Kriegsdienst auswählen (bei
Adelung 1774): auswählen und vorbringen
(J. Paul Flegelj. 1, 72). Intr. sich heben
(vom Hammer der Schlaguhr). Mhd. nur
refl. sich ü^hehen «sich aufmachen.»
aushecken, v.: brütend aus den Eiern
schlüpfen machen (so 1482 außhecken im Voc.
theut. c 2^); dann überhaupt zahlreiche Junge
zeugend sich fortpflanzen (Jes. 34, 15); (nach
dem Sitzen des Vogels über den Eiern bild-
lich) darüber heimlich sinnend hervorbiingen
(Stieler 1691).
ausholen, v. : durch weithin reichenden
Schwung oder weites Ausstrecken führen, z. B.
die Axt (5. Mos. 19, 5), einen Schlag usw.;
(eine Person, Gedanken) dui'ch Herauslocken
ausforschen (Sir. 13, 14). Mhd. ü^Jwln ist
«auswählen».
aushunzen, v.: jemand mit Worten be-
handeln, daß nichts Gutes an ihm bleibt
(Lessing 12, 47). S. hunzen.
Auskehricht, n. (-s): das Hinausgekehrte.
Frühnhd. (1482 im Voc. theut. c 2^ außkerecht
«Feilspäne, Hammerschlag»). S. Kehricht.
ausklauben, v. : mit den Fingern müh-
sam auslesen (mhd. ü^klühen), auch bildlich
(im 15. Jh., Fastnachtsp. 988, 17). S. klauben.
auskneifen, v. : sich heimhch davon (hin-
aus) machen (eig. indem man den Köi-per zu-
sammenpreßt, um nicht gesehen zu werden,
vgl. sich drücken), nd. Utkmpen. In der neuem
Umgangssprache (urspr. wohl studentisch),
auskommen, V.: aus einem Innern heraus-
komrnen, mhd. u^komen, ahdi.ü^gueman; sich
nach außen verbreiten, z. B. von Feuer, einem
Gerücht (auch schon mhd.); bekanntwerden;
bis zuEnde kommen, (mit Geldmitteln) reichen
(schon frühnhd.) ; (mit einem a.) mit ihm fertig
werden, sich vertragen (frühnhd.). Dazu der
subst. Inf. Auskommen, n. (nach der 4. und
5. Bed. von a.) und auskömmlich, adj.:
ausreichend (von Adelung 1774 als obd. Wort
angeführt, früher auskommenlich).
auskratzen, v.: durch Kratzen austilgen,
mhd. abkratzen: (in der neuern Umgangs-
sprache) rasch weglaufen, eig. mit schan*enden
Füßen (bei Campe 1807), vgl. abkratzen.
Auskunft, f. : Weg und Kaum zum Heraus-
kommen aus etwas, Ausweg (Goethe Götz 2);
Bescheid, um sich in einer Sache zurechtzu-
finden (bei Adekmg 1774). J.BL. Auskunftei,
f.: Auskunftsamt. In neuerer Zeit gebildet
Ausland, n. {-es): Land außerhalb der
Heimat. Erst nach 1750 aufgekommen (z. B
bei Klopstock ,Oden 272, Goekingk 1, 186)
nach Adelung 1793 zwar im Ober- und Nieder
deutschen üblich, aber dem Hochd. fremd,
121
Anslant
anspntzen
122
dagegen von Heynatz 1796 empfohlen (mhd.
üglant n. ist «außerhalb der Gemarkung ge-
legenes Gut», mnd. rdland n. «Land außerhalb
des Deichs»). — Ausländer, m.: Fremder,
aus der Fremde stammender, spätmhd. u^-
lender m. ausländisch, adj., spätmhd. u^-
lendiscJi.
Auslaut, m. i-es): der Schlußlaut eines
Wortes. Wie Anlaut (s. d.) grammatischer
Kunstausdruck Jacob Grimms.
auslegen, v. : aus einem Orte nach vomen
legen, mhd. umlegen; aus zum Verkaufe legen
(auch schon mhd.); zum Verständnis bringen
(mhd. nach lat. exponere): für einen andern
bezahlen gegen Wiedererstattung (bei Ludwig
1716, ältemhd. ist a. überhaupt s.v. a. «aus-
geben, bezahlen», so schon 1501 im Voc. opt.
E 4** außgelecht «expensus», auch mnd. üt-
leggen, die jetzige Bed. hat sich aus für einen
a. entwickelt; dazu das Subst. Auslage f.:
ausgelegtes Geld (Gombert 7, 10 mit Beleg
von 1600); bei Kunstarbeiten von festem Stoff
eingegrabene Vertiefungen ausfüllen (im 1 5. Jh.
«verbrämen, schmückend besetzen»).
ausmachen, v. : zu Ende bringen, fertig,
vollständig machen, mhd. üpnachen (daher
das Part. Prät. ausgemacht «vollkommen»);
zur Entscheidung biingen, namentlich durch
Kampf; (es mit einem a., später auch einem,
einen a.) zur Vernichtung bringen (bei Luther,
vgl. Garaus); tüchtig ausschelten (frähnhd.^
noch Lessing 4, 411); durch Verabredung fest-
stellen (bei Stieler 1691); ergänzend zustande
bringen, entscheiden fSchupp 642); aus etwas
herausbringen (Goethe an Knebel Bß9).
ausmergeln, v. : völlig kraft- und saftlos
machen. Frühnhd. (z. B. Hug Schapler 48).
Vgl. Liebich Btr. 23, 223. S. mergeln.
ausmerzen, v.: (urspr.) unter der Schaf-
herde als untauglich ausscheiden (1562 bei
Mathesius Sar. 153* außmertzen): dann über-
haupt als untauglich ausscheiden und aus-
tilgen, vornehmlich Worte. Wohl von dem
Monat März, in dem die schwachen und die
zur Zucht untauglichen Schafe ausgeschieden
werden (vgl. bei Frisch Merzschaf «als un-
tauglich ausgeschiedenes Schaf»). So findet
sich auch z. B. im Spanischen marzear (im
März, Span, marzo m.) die «Schafe scheren».
Dieser Erklärung steht jedoch entgegen, daß
das Ausmerzen der Schafe hauptsächlich im
Herbst geschieht; deshalb verweist Neubauer
(Ztschr. d. Ver. f. Volkskunde 1903, S. 100),
von der Art und Weise aussehend, wie die
Schafe ausgesondert werden, nämlich von der
Kennzeichnung durch einen farbigen Strich,
auf bayr. Schafe merken d. h. zeichnen, wozu
merzen die Iterati\-form wäre, verkürzt aus
merkzen, wie blitzen aus Nickzen, schmatzen
aus schmackzen, vgl. auch engl, ynark out
«ausmerzen».
ausmitteln, v.: durch Mittel ausfindig
machen, ermitteln. Bei Adelung 1774 als
oberd. verzeichnet, auch in der Bed. «aus-
sondern».
ausmustern, v. : bei sorgfältiger Prüfung
auswählen; bei sorgfältiger Prüfung ausschei-
den. ]^amtl. militärisches Wort. Frühnhd. (in
der 1. Bed. schon 1507 bei Liliencron 3, 8),
S. mustern.
Ausnahme, f. (PI. -n)-. das Ausscheiden
und Absondern; Ausgeschiedenes und Abge-
sondertes. Bei Krämer 1678 Ausnahm.
ausnehmen, v. : heraus nehmen; des In-
halts benehmen: besonders herausnehmen,
hervorheben, auszeichnen; auserwählen, er-
wählen; von allem andern ausscheiden und
absondern. Mhd. ü^nemen in allen Bedd.,
ahd. üpieman «herausnehmen, ausscheiden und
absondern». Refl. sich a.\ sich auszeichnen,
sich in einer hervortretenden Eigenschaft zei-
gen (bei Klopstock 12, 218, Wieland 2, 245,
mhd. sich üpiemen, vom Heerführer, «aus
dem Heere heraustreten, um voraneilend sich
im Kampfe auszuzeichnen», Eolandsl. 209, 10,
Parz. 72, 29); (abgeschwächt) überhaupt «sich
zeigen, aussehen» (1783 bei J. Paul grönl,
Proc. 6). Nach der 1. Bed, das Part. Präs,
ausnehmend (und ausnehmend) als Adj. u.
Adv. : vor anderm sich hervorhebend, vor-
züglich. Seit der 1. Hälfte des 18. Jh. üblich,
nach Adelung besonders in Obersachsen (z. B.
bei Liscow 144, Geliert 4, 288) ; von Domblüth
S. 89 als Ei-findimg der Zeitungsschreiber be-
kämpft. S. ausgenommen.
ausposaunen, v.: laut verkündigen, eig.
mit Posaunenschall (nach Matth. 6, 2). Bei
Steinbach 1734.
ausputzen, V.: von allem, was hinwegmuß,
gründlich reinigen ; mit Schmuck, Flitterstaat
ein völlig glänzendes Aussehen geben (so bei
Luther) ; in wahren oder falschen Glanz setzen
{die Unwissenheit a. bei Goethe 23, 303) ; was
sich nicht gebührt, derb verweisen zu gründ-
licher Unterlassung (bei Keisersberg Bilg. 141
mitDat. im ußbützen). ABL. Ausputzer, m. :
derber Verweis. Bei Henisch 1616 Außhutzer.
123
ausrangieren
ausschweifend
124
ausrangieren, v.: jemand, etwas aus der
Ordnung ausscheiden. Das Pai-t. Prät. aus-
rangiert «ausgemustert». Rangier en aus franz.
ranger «ordnen». In der neuern Sprache.
Ausrede, f. (PI. -n): Rede, um sich aus
einer Verlegenheit zu ziehen, Ausflucht. Bei
Luther 7, 310 Weim.
ausreißen, v.: l) trans. durch gewalt-
sames Ziehen aus seiner Lage bringen, mhd.
v^ri^en. 2) intrans. ausbrechen (fiühnhd.,
z. B. 1501 im Voc. opt. K 2** außreissen «erum-
pex'e»): davonlaufen (bei Luther). ABL. Aus-
reißer, m.: der davonläuft/flüchtiger Soldat
(WaUhausen Corp. mil. 131).
ausreiten, v.: l) intrans. anderswohin oder
fortreiten, mhd. ü^riten. 2) trans. (ein Pferd)
ins Freie reiten; bis zu Ende reiten (Schiller
Rätsel 15); mit Reiten auf der Tenne aus-
treten machen, z. B. Hafer.
ausreuten, v.: bis in die Wurzel weg-
arbeiten und tilgen. Mhd. üpiuten. S. reuten.
Dasselbe bedeutet (mit md. ndd. d = t) aus-
roden, das aber nie abstrakt verwendet wird.
Mhd. in md. Quelle üpvden, mnd. Fctroden,
im 16. Jh. noch nicht bei Hochdeutschen, aber
im 17. Jh. schriftsprachlich geworden und bei
Stieler 1691 verzeichnet. S. roden. Dagegen
ausrotten: (jetzt nur abstrakt) mit Gewalt
völlig tilgen. Frühnhd. ausrutten (um 1480
im Voc. ine. teut. b3^ außrutten «eradicare»),
ausrotten (bei Luther) auch «ausroden», aus-
rodennnd ausrotten haben ausreuten allmählich
zurückgedrängt, Heynatz 1796 weist letzteres
nur der edlern Schreibart zu; noch Dornblüth
1755 S. 64 wollte es nur allein gelten lassen.
ausrichten, v.: durchaus gerade machen
(spätmhd. ü^rihten «schlichten, in Ordnung
bringen»); (eme Geldschuld u.dgl.) berichtigen,
bezahlen (mhd. und bei Luther); abfertigen
(bei Keisersberg) ; (spätmhd. «loben, rühmen»,
daher ironisch) verspotten, heruntermachen
(schon spätmhd.) ; ausführen, ins Werk setzen,
vollbringen (mhd. und bei Luthei", mit subst.
Objekt jetzt beschränkt, z. B. ein Mahl); (ab-
geschwächt) als Auftrag bestellen (bei Ade-
lang 1774). J-B-L. ausrichtig, adj.: gewandt
auszurichten oder etwas zu verrichten (z. B.
1. Kön. 11, 28), anstellig. Mhd. ü^rihtec.
ausroden, -rotten, s. ausreuten.
Aussatz, m, (-es): im Spiele zu Gewinn
oder Verlust gesetztes Geld ; ansteckender Haut-
ausschlag. Li der 2. Bed. um 1300 Umsatz
m. f. (Renner 21419), im 14. Jh. auch umsehe f.,
gebildet von dem subst. Adj. in schwacher
Form mhd.ü^setze{auch.ü^setzel), ahd.ü^sazzo,
ü^sa^^eo m.: der mit dem Aussatz Behaftete,
urspr. der wegen dieser ansteckenden ekel-
haften Krankheit von den andern Menschen
Abgesonderte, an einem besondern Ort Aus-
gesetzte, weshalb ein solcher auch bezeich-
nend mhd. sundersiech hieß und in dem vom
Ort abgesondert erbauten siecliliüs «Haus für
die Aussätzigen» leben mußte. Aussatz (bei
dem später nicht mehr an aussetzen gedacht
wurde ) verdrängte ältere Benennungen: mhd.
miselsuht, ahd. misalsuht f., ahd. kruf m. und
hriohsuht f., got. prutsfill n. eig. «Verdruß-
fell, Hautbeschwerde». ABL. aussätzig,
adj. und adv.: mit Aussatz behaftet. Mhd.
üßsetzic, gebildet von umsetze.
aussaugen, v. mit starker und schwacher
Flexion und in bildlicher Anwendung schon
im 16. Jh. (1557 bei Sleidanus übers, v.
Stamler 26 a).
Ausschlag, m. (-es, PI. Ausschläge):
was nach außen kommt; junger Baumschöß-
ling; aus dem Körper herauskommende Haut-
unreinigkeit (dafür bei Maaler 1561 auß-
schlecJit); Herausgehen des Züngleins der
Wage infolge der schwerern Belastung einer
Wagschale (schon im 15. Jh. großen oder
deinen ußschlag gehen, s. Diefenbach-Wülcker
132, auch Luther gebraucht Ausschlag mit
Bez. auf das Zünglein der Wage, ebenso
ausschlahen^; (danach bildlich) Entscheidung
(im 16. Jh. z. B. bei Maaler 1561, wie auch
in dieser Zeit ausschlahen als «geraten, eine
Wendung nehmen» vorkommt); Ergebnis,
Ende (Opitz 2, 20).
Ausschnitt, m. (-es, PI. -e): das Aus-
schneiden und Ausgeschnittenes; ellenweiser
Verkauf gewebter Ware (Reichsordnungen
175'' V. J. 1530), zu spätmhd. außsnülen «ellen-
weise abschneiden und verkaufen», davon
Ausschnitter m. -. Schnittwarenhändler, ( da-
für im 15. Jh. bei Beheim 16, 31 ausz Schnei-
der des geivants).
Ausschuß, m. (Gen. Ausschusses, PI.
Ausschüsse): das als vorzüglich oder minder-
wertig Ausgeschiedene (in letzter Bed. bei
KJi'ämer 1678); eine Anzahl ausgewählter
Personen (schon im 15. Jh., Basler Chron.
1, 72 ußschutz). Zu ausschießen in der
Bed. «aussondern» (spätmhd. von minderwer-
tigen Geldstücken), eig. «herauswerfen», mhd.
ü^schie^en. ,
ausschweifend, Adj. eig. Part. Präs, von
ausschweifen (s. schweifen): über die Grenzen
125
aussehen
aussetzen
126
der Sitt- und Schicklichkeit hinausgehend,
eig. unhäushch umher schweifend (bei Maaler
1561, dafür im 15. Jh. ußschweiffig, älternhd.
außschweiffig): zu -weit gehend, übertrieben.
aussehen, v. -. l) trans. u. refl. mit den
Augen auswählen, ausersehen: dui'ch Sehen
verderben. 2) intrans. hinausblicken, mhd.
umsehen: sich in einer bestimmten äußeren
Gestalt den Augen (übertragen dem Ver-
stände) zeigen (bei Schönsleder 1618). Dazu
der subst. Inf. Aussehen, n. (bei Duez
1642j. S. Aussicht
außen, adv. : von dem Eaume, der als
innerer bezeichnet oder gedacht wird, hinweg.
Aus mhd. v^en, ahd. ü^ana. ü^än; adv. und
auch präp. in der Bed. «außerhalb, ohne»,
mit der Endung -ana von ü^ (s. atis) ab-
geleitet. Dazu asächs. ütan adv., ags. ütan,
üton adv. und präp., anord. ütan adv. und
präp., got. fitana adv. und präp. Xdl. hat
sich das Wort mit vorgesetztem &e- in dem
Adv. und der Präp. hiiiten «außen, außer»
erhalten, a. erscheint in Zusaromensetzungen
wie Außending n., Außenseite f., Außenwelt f.
(Withof Acad. Ged. 1, 178 vom J. 1745), und
mit Verben wie aiLßenbleiben (Goethe 12,
90. 50, 256, jetzt gewöhnlicher ausbleiben),
außenlassen, mhd. ü^en lägen (jetzt aiis-
lassen), außensein, mhd. ügen sin.
außer, präp. mit Dat. (mit Gen. mir in
außer Landes, schon mhd. uger landes) : nicht
in, sondern vor oder weg von — . Aus gleich-
bed. mhd. üger, ahd. ügar: dazu asächs. Utar,
afries. fiter. Abgeleitet von üg (s. aus). Hier-
her auch a. sich sein «vor Aufregung seiner
nicht mächtig sein» (bei Ludwig 1716). a.
wird auch als Konj. verwandt s. v, a. «aus-
genommen» und mit andern Konjunktionen
verbunden: a. daß, a. wenn.
außerdem, adv. und Konj., zusammenge-
rücktes außer (/^w «mit Ausschluß davon noch».
äußere, adj.: außen befindlich (Gegensatz
zu innere); das Ausland angehend, z. B. die
äußern Angelegenheiten. Aus mhd. (ohne
Cmlaut, der erst im 15. Jh. hervortritt, bei
Luther eussere) ügere, ahd. ügaro. Dazu der
Superl. äußerste: entferntest (so daß räum-
Hch nichts weiter ist); dem Grade nach über
alles gehend; mhd. ügereste, ahd. ügarösto.
äußerst, als Adv. : in dem Grade, daß nichts
darüber geht (bei Lessing 1, 20. 22) ; dasselbe
bed. das adverbiahsche aufs äußerste (bei
Krämer 1678); zu äußerst, adv.: am ent-
legensten Ende (bei Aler 1727).
außerhalb, adv. u. präp. mit Gen., seltner
Dat.: vor, an, auf der äußern Seite. Aus
mhd. ügerhalp, Präp. mit Gen. und Dat., ahd.
(bei jS^otker) ngerhalb, auch getrennt ugara.
üzerun halb.
äußerlich, Adj. und Adv. : bloß das Äußere
angehend, bloß im Äußern. Mhd. (früher
ohne Umlaut) ügerlich «körperlich (im Gegen-
satz zu geistig), außer der Ordnung, uner-
laubt, fremd».
äußern, v.: (eig. außer sich geben, dann)
zu erkennen geben, besonders mit Worten
(erst bei Nieremberger 1753 verzeichnet, wohl
aus der nordd. Kanzleisprache). Vgl. mnd.
ütern «hinaustreiben, veräußern, herausfor-
dern, äußern, dartun», engl, utter «äußern,
entdecken, veräußern». Refl. sich a.: (ver-
altet) von sich abtun (Philipp. 2, 7 sich eus-
sern), sich wessen enthalten, spätnihd. (selten)
sich ügern (auch schon sich eussern), neben
sich u^enen, «sich entäußern, sich enthalten,
sich entfernen»; zum Vorschein kommen (bei
Ludwig 1716); mit Worten deutlich werden
(bei Adelung 1774). Mnd. sik ütern ist «sich
zeigen, versichern, sich entäußeni, enthalten».
ABL. Äußerung f. (nach der 2. u. 3. Bed.
von sich äußern). Bei Adelung, aber schon im
14. Jh. alemann, übrige f. «Äußerung, Rede» und
md. ügerunge f. «Entfernung, Ausweisung/,,
bei Luther eußerung «Lossagung, Trennung».
außerordentlich, adj. und adv.: außer
der abgeschlossenen Ordnung und über die-
selbe hinausgehend; über das, was Regel und
Gewohnheit ist, sich erhebend. Bei Stieler
169L
Äußerung, s. äußern.
außerwäl'ts, adv.: auswärts (Goethe an
Frau v. Stein 3, 140). Schon 1540 bei Al-
berus Dict. kk 3** aussericerts, mit genet. -s
gebildet von mhd. ugericert «auswärtig,
äußerlich».
aussetzen, v. : von einem Orte nach
außerhalb setzen, mhd. umsetzen-, (Töchter j
ausstatten und weggeben (^ Rieht. 12, 9, schon
mhd.) ; ans Land setzen : (ein Kind) ins Freie
setzen und hilflos zuräcklassen: preisgeben,
bloßstellen: zu einem Zweck bestimmen,
z. B. einen Preis oder anderes von Geldes-
wert (älternhd. ist a. überhaupt «bestim-
men»); tadeln, rügen (bei Rädlein 1711), vgl.
ausstellen: unterbrechen, ausfallen lassen (bei
Ludwig 1716). Li trans. stocken: (bei Aus-
führungen) von einem Punkte ausgehen
(bei Lessing, Goethe).
127
Aussicht
Ausweis
128
Aussicht, f. (PI. -en) : Blick nach außen ;
was vor Augen liegt; als bevorstehend zu
Ervrartendes. Um 1700 aufgekommen (bei
Dentzler 1709 und Ludwig 1716 erwähnt.)
aussöhnen, s. versöhnen.
ausspintisieren, v.: durch Nachgrübeln
ausfindig machen, nachgrübelnd herausbrin-
gen. 1551 bei Scheidt Grobianus 4366 auß-
spüntesieren. S. spintisieren.
aussprengen, v.: nach außen springen
machen; (Gerächte) überallhin verbreiten
(schon bei Luther).
ausstaffieren, v.: mit Zutaten versehen.
Mnd. ütstofferen, auch hd. schon am Ende
des 16. Jh., bei Duez 1664. S. staffieren.
ausstaken, v.: ein mit Lehm zu ver-
klebendes Fach vorher mit kurzen Stangen
verbinden. Bei Adelung und Heynatz 1796
als niedersächs. Wort aufgeführt. S. Staken.
Ausstand, s. ausstehen.
ausstatten, v.: mit dem versehen, was
dazu taugt oder gehört; (zur Heirat) als
Vermögen geben, um den neuen Hausstand
zu gründen. Zu statten. 1640 beiComenius 593.
ausstechen, v.: durch Stechen heraus-
nehmen oder entfernen, mhd. umstechen; von
seinem Platze verdrängen, um die früher inne-
gehabte Stellung bringen, eig. beim Turnier
mit der Lanze vom Pferde stechen (bei Krämer
1678).
ausstehen, v.: l) intrans. außerhalb sein,
namentlich von Geldforderungen, die noch
nicht eingegangen sind (vgl. spätmhd. ü^-
stant m. «ausständiges Geld»); außerhalb des
Dienstes sich befinden (dazu Ausstand m.:
«Entfernung vom Dienst», das Adelung und
Heynatz 1796 nur als obd. Wort kennen, vor
einigen Jahren nebst dem Adj. ausständig
von Süddeutschland aus allgemein üblich
geworden); öffentlich zur Schau stehen, sich
öffentlich zeigen. 2) trans. aushalten, er-
tragen (bei Luther).
ausstellen, v.: nach einem Orte außer-
halb stellen (frühnhd.) ; ausfertigen, z. B. eine
Urkunde (bei Stieler 1691); zur Schau stel-
len; der allgemeinen Beurteilung aussetzen;
auf etwas hinweisend tadeln (dies nach Ade-
lung, Heynatz 1796 und selbst Campe 1807
nur obd. Wort, doch bei Schiller Picc. 1, 4,
jetzt allgemein).
Aussteuer, f. : Mitgabe bei Verheiratung
zu eigener selbständiger Einrichtung; über-
haupt Mitgabe. Bei Ludwig 1716 Äussteur.
Von aussteuern, v.: ausmsten, mhd. ü^-
stiuren. S. Steuer.
Auster, f. (PI. -n): eßbare Seemuschel.
Mhd. (bei Megenberg) oster, ahd. aostar (in
aostarscala f.). Aus lat. ostrea f. und ostreum
n. «Meerschnecke, Muschel», auf dem gleich-
bed. gr. öcTpeov n. beruhend. Im Nhd. hält
sich die Form Oster bis um die Mitte des
17. Jh. (z. B. noch bei Harsdörfer Gespr.
3, 4, Schupp 1, 302), daneben kommt im
16. Jh. nach ndl. oester m. die Form üster
auf (z. B. Fischart Garg. 393), auf der dann
wieder das um 1600 auftretende Auster be-
ruht (bei Hulsius Schiffarten 14, 29, auch
bei Henisch verzeichnet).
Austrag, m. {-es): Schlichtung einer
Sache, wodurch diese zu Ende kommt, mhd.
ü^trac m; Schlußurteil, dem Folge gegeben
wird; (mit dem PI. Austrage, woraus der
mlat. PI. austregae) schiedsrichterliche Ent-
scheidung, aber auch Schiedsmann, der einen
Streit zu Güte oder Recht beendigt (Goethe
Tasso 2, 4); ausbedungene Nutznießung (wie
Auszug), daher Austrägler m.: Auszügler,
Altsitzer. Von jenem austregae die barba-
risch-deutschen Wörter Austrägalgerlcht
n. «Gericht zui- Schlichtung der Streitig-
keiten deutscher Fürsten»; Austrägalin-
stanz f. «Ani-ufung selbstgewählter (Aus-
tragungs-) Gerichte».
auswärts, adv.: nach außen hin; über
den Grenzen dessen, was als das Linere an-
gesehen wird ; nach außen gekehrt, z. B. a.
gehen. Mit angetretenem genetiv. -s für mhd.
ahd. Unwert. Dies a. zuweilen als Adj. ver-
wendet (z. B. bei Goethe Naturw. Sehr. 7, 62,
nach auswärtser Richtung). — auswärtig,
adj.: außerhalb befindlich, mhdi. ü^wertic, ahd.
üpoertig.
Ausweg, m. {-es, PI. -e): nach außen
führender Weg; Rettungsmittel. Mnd. Tit-
wech m. «nach außen führender Weg» (bei
Maaler 1561 ist außwäg s. v. a. «Abweg»), hd.
seit Rädlein 1711 (auch in der 2. Bed.) ver-
zeichnet.
ausweiden, v.: die Eingeweide heraus-
nehmen. Frühnhd. (1501 im Voc. opt. K 4*
außweiden «exinterare»). S. weiden.
Ausweis, m. (Gen. Ausweises, PI. Aus-
weise): deutliche Anzeige; schriftliche Aus-
kunft über eine Person. In der Kanzlei-
sprache (vgl.,Gombert 7, 10 v. J. 1619) von
austveisen gebildet, wie gleichbed. mhd. u^-
wisunge f.
I
129
auswendig
Anto-
130
auswendig, adj.: nach aoßen gekehrt;
auf der Außenseite befindlich, äußerlich. Mhd.
ü^wendec, worin -wendec zu wende f., nhd.
Wende (s. d.). Davon das Adv. a., «auf der
Außenseite; aus dem Gedächtnis». Diese Bed.
erscheint frülinhd. in der Verbindung mit
lernen (Mumer Geuchm. 53), können (Luther)
oder sagen (Maaler 1561). Ahd. entsprechend
ügana «außen» (Otfrid 1, 1, 109 ü^ana gisingan).
auswerfen, v. : aus etwas (einem Innern)
herauswerfen, sei dies durch Tätigkeit von
atißen (so z. B. vom Ausnehmen der Ein-
geweide bei Wild) oder von innen, mhd.
umwerfen, ahd. ü^werphan; verwerfend aus-
scheiden oder ausstoßen; (Geld) zu einem
Zweck bestimmen, aussetzen (im 17. Jh.);
intr. (vom Perpendikel) im Schwung einen
weiten Zirkelbogen durchlaufen.
auswirken, v. : (bei Handwerkern) durch
Arbeit herausbringen oder fertig machen;
(Wild) aus der Haut nehmen; erwirken, aus-
richten. Mhd. ü^ivürken.
auswischen, v.: durch Wischen besei-
tigen; durch Wischen reinigen, mhd. üg-
wischen; einen raschen Schlag geben (in
einem eins a. eig. ein Auge auswischen?);
intrans. davonlaufen, eig. rasch über den
Boden dahingleiten (Schiller 1, 351).
Auswuchs, m. {-ses, PI. Auswüchse):
krankhaft Herausgewachsenes an Körpern,
Bäumen usw., auch bildlich. Für .älteres
Auswuchs am 1750 gebildet. Vgl. Anwuchs.
Auswurf, m. (-es, PI. Auswürfe): die
Handlung des Auswerfens (Apostelg. 27, 18);
was ausgeworfen wird, spätmhd. mi^wurf va.
«das durch den After Ausgeworfene»; als
verabscheut ausgestoßener Mensch oder als
verabscheut ausgestoßene Menschen. ABL.
Auswürfling, m. (nach der letzten Bed.
von Auswurf), spätmhd. ü^ivurfelinc m.
auszehren, v. : l) trans. völlig verzehren
(frühnhd.). 2) intrans. völlig verzehrt wer-
den, erschöpft, im Schwinden begriffen sein;
mit dem Verzehren zu Ende sein (Sir. 14,
17), Davon Auszehrung f.: völlige Ver-
zehrung (1727 bei Aler); auszehrende Krank-
heit, Schwindsucht (1774 bei Adelimg).
Auszug, m. (-es, PI. Auszüge): Zug aus
einem Orte, Lande usw., mhd. ü^zuc m.; was
herausgezogen wird, Kraftauszug (Extrakt)
wovon, Feinstes, Bestes aus etwas (bei Opitz,
Fleming), namentlich Wesentlichstes aus
einer Schrift (bei Luther) ; (veraltet die recht-
liche Bed.) Angabe, um sich aus etwas her-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
auszuziehen (l. Macc. 8, 26), Aus- und Ein-
rede, Einwand, Ausflucht (mhd. ü^zuc m., lat.
exceptio); (jetzt in der Rechtssprache) was
beim Abtreten liegenden Gutes, vornehmhch
eines Hauses (airf Lebenszeit) ausgenommen
und vorbehalten ist (so schon spätmhd.).
Davon Auszügler, m.: der diesen Vor-
behalt gemacht hat.
aut: etwas (Gegensatz waw^« nichts»). Nur
in den mundartlichen Redensarten: aut oder
naut (entweder) «etwas oder nichts» (in der
Zimmerschen Chronik 1, 48, 31 weder ut noch
nut); man spricht von naut, es kommt von aut.
Vgl, engl, ou^ht or nought. aut geht mit der
westmd. Mundarten eignen Verwandlung von
iu in ü (später au) zurück auf mhd. iut (für
gewöhnliches iht), abgeschwächt aus iuwet,
iuiveht, ahd. eowiht, eig. «irgend ein Ding»,
ebenso naut auf mhd. niut (für gewöhnliches
niht), abgeschwächt aus niuwet, niuweht, ahd.
neowiht, eig. «nicht irgend ein Ding». S. nicht.
authentisch, adj. und adv.: echt, glaub-
würdig. Nach gi-,-lat. authenticus, gr. auOev-
TiKÖc «bestimmten Urheber habend», gebildet
von gr. auöevTTic m. «unumschränkter Herr,
Selbstherrscher». Schon im 16. Jh. entlehnt
(Fischart Garg. 153).
Auto-: erstes Glied vieler Zusammen-
setzungen, die in deutscher Form erst seit
dem 18. Jh. vorkommen und durchweg der ge-
lehrten Sprache angehören. So Autochthone
m. (-W, PI. -n): Ureinwohner (zu gr. x^^"^ ^^
«Erde, Land»), bei Campe 1813. — Auto-
didakt, m. (-e^i, PI. -en): durch Selbstunter-
richt Gebildeter. Aus gr.-mlat. autodidäctus,
dem als Subst. gesetzten M. des gr. Adj,
aÜTobibaKTOC «durch sich selbst unterrichtet»
(von -biboKToc zu bibdcKciv «lehren»). — Auto-
graph, n. (-es, PI. -en) : eigenhändige Schrift.
Aus gi'.-lat. autögraphum, gr. aürÖYpaqpov «Ur-
schrift», dem als Subst. gesetzten N. des gr.
Adj. aÜTÖYpacpoc «selbst (eigenhändig) ge-
schrieben» (zu -fpacpoc von YPÖqpeiv «schrei-
ben»). Bei Nehring autögraphum. — Auto-
krat, m. (-en, F\.-en): SelbstheiTscher. Aus
franz. autocrat m., gebildet vom gr. Adj,
aÖTOKpaxric «selbstherrschend» (-Kpaxric von
Kpareiv «obheri'schen»). Davon Autokratie,
f.: Selbstherrschaft. Ausgleichbed. franz. auto-
cratie f. (-cratie nach gr. -Kpäreia f. «Herr-
schaft»). — Automat, m. n. (-en, PI. -en):
sich von selbst bewegende Maschine, Selbst-
triebwerk. Aus gleichbed. gr.-lat. autömatum,
gr. aÜTÖiaaTov, dem subst. gesetzten N. des gr.
9
131
Autodafe
Azur
132
Adj. auTÖ|LiaTOC «von selbst handelnd». Bei
Nehring 1710 Äut07nataV\. — Automobil,
n. {-s, PL -e): Selbstfahrer, zu lat. mobile N.
des Adj, mobilis «beweglich», ganz junge
Bildung. — autonom, adj.: selbständig
(von gr. vö)uoc m. «desetz», eig. «sich selbst
Gesetze gebend»), bei Nehring 1710 mitonomia.
Autodafe, n. {-s, PI. -s): feierliche Hin-
richtung von Ketzern, aus portug. auto da fe,
Span, auto de fe d. i. Akte des Glaubens, lat.
actus fidei, ursprüngHch nur die öffentliche
Verkündigung der durch die Inquisition wegen
Ketzerei erlassenen Urteile, dann deren Voll-
streckung. Im 18. Jh.
Autor, m. (-S, PI. -en): Urheber; Ver-
anlasser; Verfasser, Schriftsteller. Aus lat.
autor, fiüher audor m., abgeleitet von augere
«vermehren, vergrößern, befördern». Im
16. Jh. üblich (bei Nas, J. Nasen Esel 31 '^
author), auch bei Rot 1571 verzeichnet. ABL.
autorisieren, v.: wozu die Macht geben,
ermächtigen; gültig machen, gutheißen. 1524
bei Emser (Germania 29, 347) auctonsiren.
Wie franz. autoriser aus mlat. auctorizare,
bekräftigen. Autorität, f. (PI. -en): das
persönliche gewichtige Ansehen: anerkannte
Glaubwüi'digkeit ; bewährendes Zeugnis; ge-
walthabende Behörde. Aus lat. auctoritas (Gen.
aucforitätis) f. «Gültigkeit, Gewähr, fördern-
der Einfluß». Schon im 15. Jh. autoriiet (Voc.
ex quo) und auctoritet (1461 bei Nicl. v. Wyle
121, 3), mhd. aiictoriteit t Autorschaft, f. :
Urheber-, Schriftstellerschaft. Erst bei Ade-
lung 1774.
autsch! derberes au! bei körperlichem
Schmerze. Bei Alberus (Barfüßer Eulen-
spiegel Nr. 558) ausch! Maaler 1561 kennt
ufsch als Spottwort, Frisius 52^ (1541) als
Klageruf eines betrübten Weibes.
auweh! Interj. des lebhaften, tiefen Klage-
rufes. Aus mhd. oiiwe, Nebenform von otve
(s. au). Das jüdische auweih! geht auf mhd.
ouivt, otoi zurück.
avancieren, v.: vorwärts kommen, na-
mentlich in der Berufsstellmig ; vorwärts
rücken. Aus franz. ai'aHce>' «vorwärtskommen,
vorwärts bringen», gebildet von avant «vor-
wärts», das auf lat. ah ante benäht. 1617
im teutschen Michel als modisches Fremdwort.
Aversion, f. (PI. -en) : Abneigung, Wider-
wille. Aus dem gleichbed. franz. aversion f.,
das auf lat. aversio (Gen. aversiönis) f. be-
luht, von avertere. «ab-, wegwenden». Im
17. Jh. entlehnt (1670 bei Leibniz 1, 225,
Guhrauer).
Avis, m. n. (Gen. Avises, PI. Avise): An-
zeige, Bericht, Meldung. Aus franz. avis,
ital. avviso m. «Ansicht, Gutachten, Meldung»,
abgeleitet von altital. viso «Meinung, Ansicht»,
aus lat. ad «an, zu» und visum Neutr. des
Part. Perf. Pass. von videre «sehen». 1664
bei Duez 1, 56^ Avis, 1, 471** die avisen oder
getruckte zeitunge. ABL. avisieren, v.:
anzeigen, benachrichtigen, aus franz. aviser,
ital. avvisare. 1565 avisirn (Notariat und
teutsche Rheloric 16*).
Aviso, m. (-S, PI. -s): Eilschiff zur Mit-
teilung wichtiger Nachrichten. 1712 beiHübner
Avis- Jagd (d. i. Jacht), «leichtes Postschiff»,
ital. harca d'aviso.
Axiom, n. (-S, PI. -e): keines Beweises
bedüi'ftiger Satz, unbez weif elter Lehrsatz. Aus
dem gleichbed. gr.-lat. axiöma, gr. ä£iuu|ua n.,
«unbezweifelter Lehrsatz», aber eig. «Würde,
«Ansehen», dann «Dafürhalten)^, von gr. äEioöv
«wüi'digen, nach voraufgegangener Würdigung
anerkennen». Im 17. Jh. entlehnt.
•Axt, f. (PI. Äxte): das aus einem schnei-
denden metallenen (eisernen) Keile, mit
längerm hölzernen Stiele, bestehende Hauwerk-
zeug. Mit angetretenem t aus mhd. ackes,
ax, seit dem 18. Jh. auch axt, ahd. acchus f.:
dazu asächs. akus, ndl. aakse, ags. cex, engl.
axe, anord. öx, schwed. yxa, dän. ökse, got.
aqizi f. Verwandt ist gr. ötEivr) f. «Axt, Streit-
axt» und lat. ascia (wohl aus ac-scid) f.
«Zimmeraxt, Maurerkelle». ZTJS. Axthelm,
n.: Axtstiel, frühnhd., s. " Helm.
Azur, m. [-S): die himmelblaue Farbe.
Aus franz. azuv, span. azul m., ital. azzurro
adj. mit Abfall eines (als Artikel betrach-
teten) l aus pers. läjvärd «lasurähnlich», wo-
raus arab. läzvärd. Im Anfang des 18. Jh.
entlehnt, mhd. sagte man lä^i^r (s. Lasur).
ABL. azurn, adj.: himmelblau.
133
Bachstelze
134
B
b, der zweite Buchstabe des Alphabets.
Redensart: wer a sagt (oder gesagt hat), muß
auch h sagen «wer einmal etwas anfängt,
maß darin, komme auch, was da wolle, fort-
fahren» fl716 bei Pistorius thesaur. paroem.).
babbeln, v.: (von kleinen Kindern) die
ersten Sprechversuche machen; viel und ge-
haltlos sprechen. Das Wort geht lautnach-
ahmend auf ba ha zuinick, womit das früheste
Sprechen und Plaudern des Kindes beginnt.
Entsprechende Worte sind weit verbreitet,
so ndl. habhelen, engl, babble, franz. babüler,
ital. babbolare, lat. babulus «Schwätzer». Schon
im 16. Jh. in der Form babbeln, bappeln, päppeln
vorkommend ; Henisch 1616 verzeichnet babelen.
Babe, Bäbe, f. (PI. -n) •■ ein Backwerk. In
Oljei-sachsen, Schlesien und Posen ein Asch-
kuchen, Gugelhopf, in einer Form gebackener
Kuchen mit einem von oben bis unten gehenden
Loche. Mhd. babe f. ist «Großmutter, altes
Weib» ( in letzterer Bed. noch bayrisch _Brt&ew f. )
und gehört zu slav. poln. baba «Frau» lit. boba
«altes Weib», vgl. ahd. Baba als Eigenname
Hebendem männlichen J5abo. Diese Bedeutung
könnte zugrunde liegen, da das Backwerk viel-
fach menschliche Formen nachahmt. Viel-
leicht aber auch Kinderwort, vgl. schwäb.
Babe «Brot», Schweiz. Babi «Gericht aus
Brotschnitten und Äpfeln».
Babusche, f. (gew. im PI. Babuschen):
leichter Hausschuh. Aus franz. babouche f.,
von türk. bahudsch, pers. päpüsch «leichter
Pantoffel zum Gebrauch im Hause».
Bacchant, m. [-en, PI. -en): wüster, sich
beti'unken umhertreibender Mensch (so bei
Rot 1571 j; wohlgenährter, vom Trinken im
Gesichte roter Schwelger; (im 15. bis 17. Jh.)
fahi-ender Schüler, ein nicht mehr zu den
untersten Schülern (den Schützen), aber auch
noch nicht zu den eigentlichen Studenten
gehöriger junger Mensch (in Vokabularen
zu Anfang des 15. Jh. bacimnt, bachante bei
Diefenb. 65''). Aus lat. bacchans, Gen. bac-
chantis, Part. Präs. von bacchari «wild um-
herschweifen», auch «sich übervoll saufen»,
eig. « das Bacchusfest feiern ». ABL. bacchan-
tisch, adj., frühnhd. (bei Luther).
Bach, m. (-es, F\. Bäche): kleines fließendes
Wasser. Mhd. bach m. (in nid. Quellen auch f.),
ahd. bah m.; dazu asächs. beki, biki, mnd.
beke f., ndl. beek f., ags. becc m., engl, beck,
anord. bekkr m., schwed. bück, dän. bäk.
Bugge Btr. 13, 171 f. vergleicht gr. T^r]v'] f.
«Quelle», doch stimmt die Lautverschiebung
I nicht. Nach Zimmer Z. f. kelt. PhU. 1, 98
I zu ah', büal (aus *bhogla) «Bachwasser». Von
I LTilenbeck Aind. WB. zu niss. bagnö, poln.
bagno «Sumpf», aind. bhagnas «gebrochen»
gestellt. Am ehesten ist es eine Ableitung zu
I einem Verbum «laufen», das in alg. bSzq «ich
fliehe», lit. begu «laufe», gr. qpeßojuai «fliehe»
vorliegt. Das Geschlecht ist bei Luther über-
wiegend Mask., seltner z. B. Hiob 6, 15 Fem.,
bei den mitteld. Schriftstellern des 16. und 17.,
selbst noch des angehenden 18. Jh. Fem. (^noch
bei Günther 141 und noch jetzt mundartlich
md. und ndd.), während die Grammatiker seit
Schottel das Mask. verlangen.
Bachauner (auch Bachüner, obersächs.
Bachömer), m. {-s, PI. wie Sg.): Schwein aus
dem Bakonyer Wald im westlichen Ungarn.
Bachbunge, f.: Name zweier in Bächen
und still fließenden Wassern wachsenden Ehren-
preisarten. Im 14. Jh. bachbiüige'fhexvlm'DiGiQw-
bach 12^, bei Dasypodius 1537 Bachpunge,
im 15. Jh. nd. bekebunge, woher neulat. becca-
bunga, ital. beccabungia f. -bunge wohl wegen
der Fruchtknöpf chen, denn mhd. bunge, spätahd.
pungo m. ist «Pflanzenknolle»: dies Wort ist
verwandt mit skr. bahüs (für *bhahu), gr.
naxüc (für *qpaxoc) «dicht», zu an. &m^?' «Haufen».
Bache, f. (Pl.-w): das wilde Mutterschwein.
Weidmännisch. Im Mhd. erscheint hache m., ahd.
baliho m. « Speckseite, Schinken» (noch Schweiz. -
schwäb. -bayr. Bachen m.; aus dem Deutschen
stammt afranz. bacon, engl, bacon), im 1 6. Jh. auf
das ganze Schwein übertragen (Eber oder Sau,
doch zunächst noch als Mask., wie selbst bei
Stieler 1691), im 17. Jh. dann auch das Fem.
Bache « Mutterschwein »(Harsdörfer Gespräch-
spiele 3, 115). Zur Etymologie vgl. ^Backen.
ABL. Bacher, m. {-s, PI. wie Sg.): zwei-
jähriger wilder Eber. Bei Stieler 1691.
Bachminze, f.: die Pflanze mentha aqua-
tica. Spätahd. bachminza (ZfdWf. 6, 189), 1482
im Nürnberger Voc. theut. pachmintz.
Bachstelze, f. fPl. -n): dünn- und hoch-
beiniges, au Bächen laufendes Vögelchen
9*
135
Back
backen
136
mit langem, wippendem Schwänze, motacüla.
Spätmhd. in md. Quellen (Schröers Voc. v.
J. 1420 No. 1577) lachstelze (auch 1482 im
Nüi-nberger Voc. theut. y 2^ pachsteltz und
1501 im Leipziger Voc. opt. K 3^), früher er-
scheint wa^^er stelze, ahd. waß^arstelza f., das
auch später im Obd. bleibt (noch von Adelung
erwähnt), -stelze ist eig. «Stelzengängerin»
(im 15. Jh. stelz m. «einer der mit einem
Holzbein gehen muß»), s. Stelze. Dafür mnd.
quek-, quakstert «der Vogel mit dem beweg-
lichen Schwänze» (s. queck und Sterz), jetzt
nd. wipstert (engl, wagtail).
Backen, {-es, PI. -e) : tiefe, hölzerne Schüssel,
in der einer bestimmten Zahl der Schiffsmann-
schaft die Speise aufgetragen wird; Vorder-
schanze (vorderer innerer Eaum) des Schiffes
(bei Ludwig 1716 angeführt). In der niederd.
Schiffersprache. Nd.??acA" «große tiefe (hölzerne)
Schüssel, Kumpf, Kasten, kastenartiger Be-
hälter»; ndl. lak m. «Trog, Mulde, Kasten»,
(bei Kilian 22) «Kahn»; engl, hack «Kufe,
niedriges Fahrzeug»; franz. hac «Trog, Bottich,
Fähre». Als Grundlage wird spätlat. hacca
«Wassergefäß» (bei Isidor) angesehen, dessen
Herkunft unbekannt ist,
Backbord, n. {-es, PI. -e): (vom Steuer-
ruder aus gesehen) die linke Hinterseite des
Schiffes (bei Ludwig 1716 angeführt). In der
ndd. Schiffersprache. Der Name daher, daß
der Steuermann beim Halten des Steuerruders
mit der rechten Hand der linken Seite des
Schiffes den Rücken (ndd. hack, s. Backen 1)
zukehrt (die rechte heißt nach dem Steuer-
ruder Steuerhord). Über den Ort, an dem
das Steuer angebracht ist, vgl. E. Werner
Gott. Anz. 1897, 361, Liebich Btr. 23, 224.
Bord (s. d.) ist hier Schiffsrand. Entsprechend
ndl. hakboord n., woher franz. häbord m.
^Backen, m. {-s, PI. wie Sg.), zuweilen
Backe f. (Bürger II. 5, 66): die fleischige
Erhöhung zu beiden Seiten des Afters, in
Ärsch-, Hinterhacken. Mhd. hacke in arshacke
m. (das ck ist nicht ndd., sondern erklärt
sich aus Assimilation eines w), das mit hache
«Speckseite, Schinken» (s. Bache) zurückgeht
auf ahd. bach n. «Rücken, Rückseite» (mhd.
nicht mehr vorhanden), dazu asächs. hak n,,
ags. hcec n., engl, hack, anord. hak n., schwed.
hak m., dän. hag «Rücken». Etymologisch
gehört ahd. hach wohl zu air. bacc «Haken,
Hacke, Krummstab», abg. hokü «Seite», vgl.
Zupitza KZ. 36, 234. Eine weitere Anknüpfung
bei Persson Wurzelerw. 190.
^Backen, m. (-s,Pl.wieSg.) und Backe, f.
(PI. -w) : Gesichtsfläche zwischen Auge, Nase,
Ohr und Hals. Mhd. hacke, ahd. hacko, hahho m.
«Backen», ursprünglich «Kinnlade» (häufig zu-
sammen ges. mhd.kinnehacke, -hache, ahd. kinni-
hahho, dazu asächs. kinnihako m., ndl. kinne-
hak f.). Mit dem vorigen Wort nicht verwandt;
nicht zu lat. huccaf. «Mund, Backe», sondern zu
gr. qpaYibv «lünnbacken» (Hesych), R. Much
ZfdW. 2, 283. Im altem Nhd., auch bei Luther,
herrscht dasMask.5acÄ:en (früherBacke, Back),
daneben dringt vom Ndd. aus das Fem. Backe
vor, schon bei Schottel (aber nicht bei Stieler,
Ludwig, Frisch, Steinbach); bei Adelung und
Heynatz als regelrechte Form. J._Biv.l)äckig,
adj. in dick-, rothäckig. ZUS. Backenbart,
m., erst bei Adelung 1793; dazu ndl. hakke-
haard m. Backenstreich, m., frühnhd. (1482
im Vocab. predic. B 1 '^ ), dafür mhd. hacken-
slac m. Backenzahn, älter Backzahn, m. :
einer der vier hintersten Zähne auf jeder Seite
des Kinnbackens, mhd. hackzan, -zant, ahd.
hacchozan, dazu ndl. haktand. Backpfeife, f. :
Ohrfeige (Immermann Münchh. 1, 203).
backen, v. (Prat. buk, häufig backte, Part.
gebacken): 1) in trans. durch Hitze (oder Frost)
fest aneinanderklebend hart werden, 2) trans.
durch Hitze in kui-zer Zeit fest und hart machen.
Mhd. hacken (das ck erklärt sich durch eine
Präsens -Verstärkung, wahrscheinhch assimi-
lierfes ti) und bachen, ahd. hacchan und bahhan ;
dazu ndl. hakken und (der 2. hochd. unver-
stärkten Form entsprechend) ags. bacan, engl.
hake, anord. schwed. haka, dän. hage und
mit Ableitung ndl. hakeren «wärmen». Ver-
wandt ist gr. qjiÜYeiv «braten, rösten», aber
kaum lat. focus m. «Feuerstatt, Herd», vgl.
Walde s. v. Im altern Nhd. findet sich in
obd. Quellen die Form bachen (noch von He-
nisch und selbst von Krämer 1678 neben backen
angefühi-t), hacken ist durch Luther herrschend
geworden. Das Prät. mhd. buoch erhält sich
auch im altem Nhd. als buch; diese Form
gibt noch Bödiker als die regelrechte (auch
noch beiHeynatz 1775), während sich Gottsched
für huck, Adelung für buk entscheidet. Das Part.
Prät. mhd. gebacken ist im Nhd. dem Präs. an-
geglichen worden (schon bei Luther gebacken).
Seit dem 18. Jh. kommt auch schwache Flexion
vor (namtl. bei dem intrans. backen). ABL.
Beck, m. {-en, PI. -en): Bäcker. Nur noch
süddeutsch , (als Familienname verbreiteter).
Mhd. hecke, ahd. hecko, heccho (in brothbecco).
Dafür jetzt Bäcker, m. (-S, PI. wie Sg.), im
137
Backpfeife
Bagger
138
altem Nhd. Becker. Mhd. (seit dem 12, Jh.)
hecker; dazu asächs. hakkeri, ndl. hakker, ags.
hcecere, engl, haker, anord. bakari, schwed. ha-
gare, dän. hager. Davon Bäckerei, f. (1482
im Voc. theut. y 4^ peckerey). ZUS. Back-
flsch, m.: Fisch zum Backen, aber zu jung
zum Absieden: noch unausgewachsenes Mäd-
chen (schon 1555 in Bebeis facetiae 393, vgl.
auch Alberus Fab. 40, 129, wo Backfisch für
Baccalaureus gesagt wird). Vgl. EickhoflF
ZfdU. 14, 213 f. Backofen, m.: gewölbter
Ofen zum Einschieben und Backen von Brot,
Kuchen usw., mhd. hachoven, hackoven m.
Backstein, m. : gebackener künsthcher Stein
aus Lehm oder Ton, gebrannter Ziegelstein
(Henisch 1616). Backwerk, n.: kleines fei-
neres Gebäck, mhd. hacwerc.
Backpfeife, -zahn, s. Backen 2.
Backschich, n.: Trinkgeld, in neuerer
Zeil entlehnt aus pers. bachschisch «Geschenk»,
arab. hachscMsch «Trinkgeld».
Bad, n. (-es, PI. Bäder): Reinigung des
Köi^persdui-chHineinsteigenin eine Flüssigkeit;
diese Flüssigkeit selbst; Ort mit heilkräftigen
Quellen und Anlagen zum Baden. Mhd. hat,
Gen. hades, ahd. had n.; dazu asächs. had, ndl.
had, ags. hced, engl, hath, anord. had, schwed. -
dän. had n. Altes to-Partizip zu höhen (s. d.);
verwandt ist abg. hanja «Bad», hanjati
«waschen, baden». Redensart: das Kind mit
dem Bade ausschütten «etwas ganzUnbedachtes
tun. das Gute mit dem Schlechten verwerfen».
Daher der Orts- und Landesname Baden,
eig. Dat. PL, ahd. Badun, urspr. aj hadun
«zu der Warmbädern». Vom Landesnamen
abgeleitet das Adj. l)adiscll, wofür auch
badenisch, hadnisch; Badner, m. : wer aus
Baden ist, auch mit fremder Endung Ba-
denser n. Vgl. ZfdW. 1, 60, 366; 3, 102. —
baden, v. Mhd. baden, ahd. hadön-, dazu
ndl. baden, ags. hadian, engl, hathe. ABL.
Bader, m. (-s, PI. wie Sg.) : wessen Geschäft
es ist, eine öffentliche Badstube zu halten und
(zunächst in dieser) zur Ader zu lassen und
zu schröpfen, dann auch Bart und Haare zu
scheren. Mhd. hadcere, hader; dazu asächs.
hathere. ZUS. Badehre, f.: Schamtuch,
Schürze beim Baden (Wieland 11, 221, schon
bei Dasypodius 1537 Badehr; noch Schweiz,
für «Badehemd»). Ehre war in ältrer Zeit Be-
nennung eines Schleiers oder Tuches, mit dem
man Gesicht (Keisersberg Postill 3, 46*) oder
andre Teile des Leibes (Dasypodius 318° ) sitt-
sam verhüllte. Badereise, f.: Reise zum
Besuch eines Badeorts. Erst bei Campe 1807,
mhd. dafür hadevart, älternhd. Badenfart.
Badestube, f. : mhd. hadestube f., dazu anord.
badstofa f.
Bafel, m.: nutzloses Gerede; wertloses Zeug,
oberd. Md. Babel. VieUeicht zu häbheln (s.d.).
baflf, s. pa/f.
bäifen, v. : mit schwachem kurzen Tone
bellen. Spätmhd. he/fen «zanken, schelten,
widerbellen», ui'spr. aber (wie 1541 bei Fri-
sius 579* und 388^, danach bei Maaler 1561)
«bellen» (vom Hund oder Fuchs). Zugrunde
liegt die SchaUinterj. baff vom bellenden
Laute des Hundes, s. paff. Auch ndl. baffen
«bellen», mengl. baffen. ABL. bäffzen, v.,
wie häffen (1541 bei Frisius 507* bäfftzen).
Bagage, f.: Reise-, besonders Heergepäck;
(nach dem übelbeleumdeten Heerestroß über-
tragen) Gesindel, Pack. Aus franz. bagage,
ital. bagaglio m., das auf dem gleichbed. mlat.
bagagium n. beruht, von mlat. baga f. «Ka-
sten, Sack», prov. hagua, afranz. hague f.
«Bündel», span. baga f. «Packseil, Last des
Saumtiers» (die vielleicht auf anord. haggi
m. «Bündel, Tracht, Last» zumckzuführen
sind, s. Johansson KZ. 36, 361, vgl. Pack).
Ein um 1600 ganz geläufiges Fremdwort
(vgl. Gombert 6, 9), das 1557 bei F. Platter
281 als hagaie, 1617 im Teutsehen Michel nr.
33 als Bagaschi und bei Wallhausen Coi-p.
mil. 131 als Bagage erscheint.
Bagatelle, f.: nicht zu beachtende Klei-
nigkeit. Aus dem gleichbed. franz. hagatelle
f., nach ital. hagatella f. «Kleinigkeit, Ta-
schenspielerei», was als diminutive Bildung
zu roman. baga (s. Bagage) anzusehen ist,
also eig. «kleiner Pack», dann «Lumperei,
Kleinigkeit». Im 17. Jh. entlehnt (Fischer 1,
575, Beleg von 1611.
bägern, v. : quälen, plagen (Wieland an
Merck 1, 108). Schwäbisch. VieUeicht als
Ableitung zu mhd. bägen, ahd. bägan «streiten,
zanken» anzusehen, das ühlenbeck Btr. 20,
37 zu air. bägim «ich streite», skr. hähate
«drängt, dmckt» stellt; oder aus dem Rot-
wälschen, wo sich pegern «krepieren, tot
machen» (zu hebr. pegei' '< Leichnam») findet
(daher Schweiz. ?)ei^ere «plagen»), i%YneY Paget'
«vergiftete Brocken zum Töten der Hunde».
Bagger, m. {-s, PI. wie Sg.): Werkzeug
zum Ausschöpfen und -werfen des Sandes
und Schlammes aus einem Wasserbette. Bei
Jablonski 1721 und Frisch 1741 Baggert.
Von baggern, v.: Sand und Schlamm von
139
bah
Bake
140
dem Grund eines Wasserbettes ausschöpfen
und -werfen. Dies ist das ndd. baggern, ndl.
baggeren von ndl. hagger f. «Schlamm auf
dem Grunde des Wassers», unsichrer Her-
kunft. Vgl. Franck s. v.
bah! Interj. der Geringschätzung und
Abweisung (bei Voß). Auch pah! (bei Pla-
ten 4, 197). Vgl. franz. hah!
bähon, V. : in Wärme erweichen ; am
Feuer gelind rösten. Mhd. bcßjen, bcen, ahd.
bäjan, bähan, bäen. Dazu Bad (s. d.), viel-
leicht zu lat. fovere «wärmen, warmhalten,
baden», also aus *bhwe, doch s. Walde s. v.
Bahn, f. (PI. -en) : gemachte ebene Fläche
zum Fortbewegen auf derselben : Linie, Rich-
tung einer Bewegung. Mhd. hane, ban f.
und ban m., dazu ndl. baan f., schwed. ban,
bana, dän.feane (entlehnt). Es gehört vielleicht
zu höhnen (s. d.), dann mit der Grundbed.
«Glätte, glatte Fläche» oder zu einer germ.
Wurzel ban «schlagen», ahd. bano «Mörder»:
dann wäre dieGnindbed. «diefestgeschlaffene».
Luther hat ban, bahn; sonst in altern md.
Quellen oft noch die vollere Form Bahne
(z. B. Zesen Helikon -"^ L7^, Fleming 342,
Lohenstein Ibr. 45, Günther 152. 222). ABL.
bahnen, v.: Bahn machen, zur Bahn ma-
chen. Mhd. banen, aber bei Luther benen,
behnen, wie auch bei den schlesischen Dich-
tern bahnen (noch bei Günther 393, auch
1775 von Heynatz und 1793 von Adelung
als obd, noch erwähnt), aber 1642 bei Duez
bahnen (so auch bei Gryphius Trauersp. 410).
ZUS. Bahnhof m., Bahnwart, Bahn-
wärter m. und andre Eisenbahnwörter seit
den 30 er Jahren dieses Jh.
Bahre, f. (PI. -n): langes wagerechtes
Gestell zum Tragen für zwei oder mehr
Personen; besonders ein solches Gestell, den
Sarg zum Grabe zu tragen: (daher, aber
selten) Sarg, z. B. bei Schiller Räuber 4, 6.
Mhd. bare, ahd. bära f.; dazu ndl. baar, ags.
bare, beer f., engl, bier, schwed, bar m,, dän.
baare; mit abweichendem Vokal anord. harar
PI. (weitergebildet auch in engl, barrow und
ndl. berrief.) «Bahre»; eine 3. Vokalstufe zeigt
bayr.-schwäb.-alem.-hess. bere f. (daher franz.
biere). Gehört zu got. bairan, ahd. beran
«tragen» (s. gebären), wie lat. feretrum n.
«Bahre» zu dem entsprechenden /erre« tragen»,
vgl. die gleichartige Bildung in aind. bhärns m.
«Bürde, Last» und auch wohl in lat. feralis
adj. eig. «zur Bahre, zum Toten gehörig». Bei
Luther bare; sonst im altern Nhd. oft ohne e
(Baar bei Duez, Krämer, Frisch, j5aÄr bei Lud-
wig, Frey er). ZUS. Bahrrecht, n. : Art Got-
tesurteil, das darin bestand, daß man, wenn
der Totschläger unentdeckt war, alle Ver-
dächtigen an die Bahre treten und den
Leichnam berühren ließ, indem man glaubte,
die Wunde fange bei dem Schuldigen an
zu bluten (vgl. Nibelungen 984 fg.). Bahr-
tuch, n. : Sarg-, Leichentuch, mhd. bärtuoch.
Bai, f. (PI. -en): weit in die Breite sich
ausdehnender Meerbusen: (mhd. beie, jetzt
veraltet) vorspringendes Fenster an den
Zinnen. Zugrunde liegt franz. baie, mit bei-
den Bedeutungen, entsprechend ital. baja
«Bucht, Hafen», alti'om. (bei Isidor) baja
«Bucht, Hafen», wahrscheinlich auf den Orts-
namen Bajae zuriickgehend, vgl. Schuchardt
Btr. 19, 541 ff. Ins Deutsche gekommen aus
engl, bay «Meerbusen», vermittelt durch das
Ndl. (baeye «Bucht, Hafen» bei Kilian 29^).
Ndd.-Hochd. erscheint Bay am Ende des 16.
Jh. bei Hulsius Schiffahrten 3, 9, daneben
früher auch Baye. ZUS. Baisalz (auch Boi-
Salz), n.: Meersalz. Nach engl, bay sali, 1546
bei Georg Agricola 484 Baisaliz (im 16. Jh.
nd. boisolt).
Bajazzo, m. (-s, PI. -s): der gemeine
Lustigmacher umherziehender Spieler und
Gaukler. Aus mailänd. pajazz (Chembini,
voc. milanese-ital. 3, 239''), entsprechend ital.
pa'gliaccio m. «Hanswurst, Gaukler», eig.
«Strohsack», von mailänd. pa;a, iial. paglia f.
«Stroh» abgeleitet, das auf lat. pal ea f. «Spreu»
zuinickgeht. Bei Campe 1811. Mundartlich,
z. B. obersächsisch, Baiatz, Baiäs m.
Bajonett, n. (-es, PI. -e): Flintenspieß.
Aus franz. baionette f., urspr. bayonnette,
weil (im 16. Jh.) zu Bayonne in Südfrank-
reich erfunden. Noch im 17. Jh. entlehnt.
Bake, f. (PI. -n): sichtbares Schiffer-
zeichen zu Anfurt und Hafeneinfahrt oder
zur Warnung vor Untiefen. Das ndd. bake
f., ndl. baak f., entlehnt aus fries. baken n.,
dazu asächs. bökan «Zeichen», ags. beacen n.
«Zeichen», engl, beacon «Bake, Signalfeuer,
Leuchtturm», ahd. bouhhan, mhd. bouchen n.
«Zeichen, Signal» (noch jetzt Schweiz. ^awcA^,
böche m. «Boje»), das wohl zu gr. iriqpaucKeiv
«erscheinen lassen, ein Zeichen geben» ge-
hört. Schon im Anfang des 17. Jh. auch
im Hochd. (Wallhausen Corpus mil. S. 107
hat Fewerbqacken, Stieler 1691 Bahk «pha-
rus»). Der Wechsel des Geschlechts erfolgte
vom Plur. aus (wie bei Wolke, mhd. wölken n.)
141
Bakel
Balg
142
Bakel, m. (s, PI. wie Sg.): Schulstock
zur Züchtigung. In der Schulsprache aus lat.
baculus m. «Stock». Bei Krämer 1618 Backel.
baken, v.: schlagen, z. B. Flachs nach
dem Dörren, Gerste usw. (Brockes 7, 571).
Aus mnd. hohen «klopfen, schlagen».
Bakkalanreus, m.: Gelehrter des nie-
drigsten akademischen Grades. Mit Anleh-
nung an laureits «Lorbeer» umgedeutet aus
mlat. haccalarius «Ritter, der einem andern
untergeordnet ist. Knappe», dann «Inhaber
der dem Doktorgrad untergeordneten aka-
demischen Würde» (1420 haccalerer Diefenb.
64 ^'j 1482 im Voc. theut. cS''' haccalari, «halb-
meyster der freyn kunst»), woher franz.
hacheliei' «Edelknappe, Bakkalaureus», engl.
harhelor «Junggeselle, Bakkalaui-eus». ABL.
Bakkalaureat, m. {-es, PI. -e): Wüi-de des
Bakkalaureus. 1520 bei Luther christl. Adel
L -3 '^ Baccalariat.
balancieren, v.: das Gleichgewicht hal-
ten. Aus dem gleichbed. franz. halancer, von
halance f., mailänd. venetianisch span. halanza
f. «Wagschale, Gleichgewicht, Schwebe», eig.
«Wage», mit Übergang des ursprünglichen
i in a (wie denn noch ital. hilancia f. «Gleich-
gewicht, Wage») hervorgegangen aus dem
Akk. Sing, hilancem von lat. hi-lanx «zwei
Wagschalen habend». S. auch Bilanz.
Baibier, s. Barbier.
Balche, s. Belche.
bald, (dichterisch wie älternhd. auch) bal-
de, adv. (Komp. hälder, Sup. häldest): ohne
Aufenthalt; in kurzer Zeit: in kurzer Ent-
fernung; beinahe; ohne Mühe. Gebildet vom
Adj. mhd. halt (Gen. haldes) «rasch, schnell»
und (ursprünglicher) «külm, tapfer, freimü-
tig, dreist», ahd. hat fast nur diese Bedeu-
tungen, ebenso asächs. hold-, dazu noch ndl.
houd (aus *hald) «trotzig, frech», ags. heald,
bald, engl, bohl, anord. ballr «kühn, tapfer,
frech», got. *balps (im Adv. balpaba «kühn,
dreist»). Hierher der Name des westgotischen
Adelsgeschlechtes der Balthae, d. i. got. hal-
ßai und des Gottes anord. Baldr, ahd. Paltar
(vgl. ags. bealdor, anord. haldr m. «Fürst»),
auch der Eigenname Balduin, mhd. Balde-
win, dessen zweiter Teil mhd. wine, ahd.
wm «Freund, Geliebter» ist, «kühner, schnel-
ler Freund» (im Tierepos der Name des
Esels). Verwandt ist nach einigen lit. hältas
«weiß», danach als Grundbed. wohl «licht,
hell, offen, freimütig» anzunehmen. Vgl. aber
Meringer IF. 18, 285, nach dem Verwandt-
schaft mit Bild, Bohle, engl, hill usw. vor-
liegt und von eiiier W. hei mit der Bedeu-
txmg «hauen» auszugehen ist. Das Adv. mhd.
holde, ahd. haldo bedeutet «ungestüm, keck-
lich lind schnell, sogleich». ABL. Bälde f.
(in Bälde «sogleich»). Der Form nach dem
mhd, beide, ahd. haldt, got. balpei f. «Kühn-
heit, Zuversicht, Dreistigkeit» entsprechend,
in Wirklichkeit aber Neubildung zu bald
(nach Heynatz 1796 nur in obd. Schriften).
baldig, adj. Schon 1420 (Schröer Voc. 2159)
baldig «sich überstürzend, schnell», als Ersatz
des Adj. bald erst in der neuern Sprache
üblich, von Adelung 1793 noch beanstandet.
Baldachin, m. {-s, PI. -e): Trag-, Thron-
himmel. Mhd. haldekin m. ist kostbarer, sei-
dener, mit Goldfäden durchwirkter Stoff,
Teppich von Baldac, entsprechend mlat.
baldakmus, ital. baldacchino. Baldac, ital.
Baldäcco, ist aus arab. Bagdad entstanden,
dessen Seidenstoffe berühmt waren. Die nhd.
Bed. daraus, daß die Thronhimmel mit sol-
chen Seidenstoffen bedeckt waren, sie kommt
schon im 14. Jh. vor (s. Diefenbach-Wülcker
S. 152), das der ital. Form angenäherte Bal-
dachin aber erst im 17. Jh.
Baldrian, m. (s, PI. -e): das Katzen-
ki-aut. Mhd. baldrian, mit Einschiebung eines
d aus dem mlat. Namen der Pflanze, Vale-
riana f., hervorgegangen. Im 15. Jh. finden
sich die deutschen Namen katzenkrüt, katzen-
lieh, weil die Katzen dem Wasserbaldrian
(Valeriana officinahs) des Geruches wegen,
der dem des Katzenharns ähnelt, nachgehen.
Balduin, s. bald.
Balg, m, {-es, PI. Bälge): aufgeschwellte
Fruchthülle; abgestreifte (aber nicht abge-
zogene) Tierhaut; (ehedem auch) Menschen-
haut, (dann verächtlich, auch als n. mit dem
PI. Bälger) Mensch, besonders unzüchtige
schlechte Weibsperson, böses Kind (1564
bei Glaser Gesindteufel E6^): schwellendes
Geräte zum Windausstoßen. Mhd. hole m.
(Fhbelge) «Blumenhülle, Hülse, Haut, schlech-
tes Weibsbild», ahd. bälg (PI. belgi) m. «Ge-
treidehülse, Haut, Blasebalg»; dazu ndl. balg
m., ags. hcelg m. «Balg», engl, belly «Bauch»
und bellows PI. «Blasebalg», anord, belgr m.
«Balg» fauch auf Menschen angewandt),
schwed.-dän. bälg «Balg», got. balgs m. (PI,
balgeis) «Schlauch». Zu dem Verbum ahd.
belgan «aufschwellen», meist (refl.) «aufge-
bracht, zornig sein», wie mhd. ndl. beigen,
asächs. belgan, ags. belgan, anord. Part. Prät.
143
Balge
Ballast
144
holginn «geschwollen». Vgl. auch Polster.
Verwandt ist lat. follis m. «lederner Schlauch,
Blasebalg», gall.-lat. bulga f. «lederner Ean-
zen», irisch holg «Blasebalg», altir. holgaim
«schwelle», preuß. po-halso «Pfühl», halsinis
«Kissen», slov. Uazina «Federbett», serb. hla-
zina «Kissen, Polster», aind, harhü n. «Opfer-
streu», upa-barhanam n. «Decke, Polster».
Vgl. Meringer Wiener SB. 144, 6 S. 102. ABL.
halgeUf V.: den Balg abziehen. Refl. sich
bälgen: die Haut oder Hülse von sich ab-
gehen lassen.
Balge, f. (PI. -n): Waschkübel. Aus
dem Ndd. halje, mnd. hallye, bälge «Tonne,
Kufe, Schöpfgefäß», mit ndl. balie f. «Zuber»,
schwed. balja f. «Eimer», entlehnt aus franz.
haille f. «Kufe», und dies wohl aus bret. bal
dss., vgl. Hatzfeld-Darmsteter.
balgen, v.: (veraltet, noch in obd. Mund-
arten) zornig reden, zanken. Reü.sicA &. «ringend
und zerrend die Leibeskraft aneinander ver-
suchen» (bei Luther). Gebildet von dem
älternhd. Balg m.: «Streit, Zank, Handge-
menge» (Fleming 112), zu beigen «zornig sein»
(s. Balg). ABL. Balger, m.: Zänker, Raufer
(bei Fischart Nacht Rab V. 1496). Davon
Balgerei, f. (Fischart Garg. 306).
bälgen, s. Balg.
Balken, m. (-s, PI. wie Sg.) : mittelst der
Säge oder Axt bearbeitetes Stück Bauholz,
sowie diesem Ähnliches. Mhd. balke, ahd.
balko, balcho; dazu asächs. balko, ndl. balk,
fries.-ags. halca m., engl, balk und (mit ab-
weichender Ablautstufe) anord. bjalki m.,
schwed. bjälke, dän. bjelke m. «Balken». Hier-
her auch ags. bolca m. «SchifFsgang», viel-
leicht auch Bohle (s. d.). Zu gr. cpäXajl
«Holzstamm, Glied», lat. sufflämen aus *sub-
flägmen «unter das Rad gelegter Balken»,
lit. balz'ena «Längebalken an der Egge», russ.
boJozyio «großes Brett», ai. bhunjäu «Schnitz-
bank». Vgl. Walde s. v. und unter fulcio.
Im Got. dafür ans m. Die urspr. schwache
Flexion ist nhd. der starken gewichen; doch
älternhd. noch Balke (Freyer 263), Balk.
Balkon, m. (s, PI. -e): erhöhter Balken-
vorsprung am Hause, zu Austritt und Sitz
im Freien. Nach ital. balcone, venezianisch
und paduanisch wie franz. (entlehnt) balcon m.,
gebildet aus ahd. balko m. «Balken», mlat.
balco (Gen. balconis). Im 17. Jh. entlehnt.
^Ball, m. {-es) : Anschlag der Jagdhunde.
Weidmännisch. Spätmhd. bal (Gen. balles) m.
«Gebelle, GekläÖ'e», zu bellen.
^Ball, m. (-es, PI. Bälle): kugeli-under
Körper. Mhd. bal (Gen. balles), spätahd. bal
(häufiger in arsbelli PI. «die Hinterbacken,
der Hintere»), daneben das schwache M. mhd.
balle, ahd. hallo (s. Ballen), aus dem aber
hal nicht hervorgegangen ist, das vielmehr
nach anord. böllr m. «Kugel, Hode», schwed.
boll, dän. hold «Ball» m. als M-Stamm (got.
*ballus) anzusetzen ist. Verwandt ist noch
Bolle (s. d.) und gr. qpaWöc, air. ball «mem-
biTim virile». Weiteres bei Johansson PBr.
Btr. 15, 225, Walde s. v. follis. Franz. balle,
ital. balla f. «Kugel», ist aus dem Deutschen
(ahd. balla f. neben hallo ra.) entlehnt. ZUS.
Ballspiel, n.: Spiel mit dem Ball. Zu An-
fang des 15. Jh. ballespil. Davon Ballspieler,
m., 1482 im Voc. theut. palspiler.
^Ball, m. (-es, PI. Bälle) : Tanzfest. Schon
mhd. vereinzelt für den mit Ballspiel ver-
bundenen Reigen (Athis 105, 94), in der
jetzigen Bed. im spätem 17. Jh. eingedrungen
(Stieler 1691 verzeichnet das Wort als N.,
als M. wird es z. B. gebraucht von Hagedorn
Oden 133). Aus ital. hallo, franz. hal m. «Tanz»
von ital. ballare, afranz. baller «tanzen» Dies
ist wahrscheinlich von germ. ball (s. ^Ball)
abgeleitet, da im Mittelalter das Ballspiel ein
nait Gesang und Tanz verbundenes Spiel war.
Andre knüpfen an das in Großgriechenland und
Sizilien übliche gr. ßaWiceiv «tanzen, hüpfen,
springen» (von ßdWeiv «werfen») an.
Ballade, f. (PI. -n): mit lyrischer Emp-
findung erzählendes Gedicht. Aus franz. hal-
lade f., das auf prov. balada, ital. ballata f.
«Tanzlied» beruht, dem substantivisch ge-
setzten F. des Part. Prät. von ital. ballare
«tanzen» (s. ^Ball). Nach dieser Bed. bei
Fischart Garg. 304. Der jetzige Begi'iff ist
nach dem Vorbilde der englischen und schot-
tischen ballads geltend geworden, aus denen
Bürger und andre schöpften.
Bällast und Balläst, m. (-es): Unter-
ladung im Schifte, damit es im Gleichgewicht
bleibe und tiefer gehe; Untaugliches und
Überflüssiges (eig. über Bord zu Werfendes).
Aus ndd. ndl. bailast m., woher auch engl.
hallast, schwed. barlast, dän. haglast m. «Bal-
last». Die Formen des Schwed. und Dän.
beruhen auf einer Ausdeutung des Wortes;
barlast (früher auch im Ndd.) als «bare, bloße
Last» (im Gegensatz zur eigentlichen Schiffs-
ladung) gen9mmen, haglast (hag = ist ndl.
\ hak, schwed. back «hinter», vgl. ^Backen) als
«Hmterlast, Last hinter oder unter der eigent-
145
Bailei
Balz
146
liehen Ladung. Mhd. sagte man bloß last m.
Falls hol- ursprünglich ist, so ist dies zu
ndd. ndl. hol-, asächs. talii-, ags. bealu-, ahd.
halu-, got. halwa- (in Zusammensetzungen)
«schlecht» zu stellen, also «schlechte, gering-
wertige Last» (im Gegensatz zui- wertvollen
Schififslast). Hochd. erscheint das Wort schon
in frühnhd. Glossaren (im md. Voc. ex quo,
auch 1501 im Voc. opt. Aa 3^), in der Lite-
ratur seit Anfang des 17. Jh. (vgl. Hulsius
Schiffart 9, 15).
Bailei, f. (PI. -en): ein Ordensbezirk der
deutschen Ritter. Mhd. hallte aus mlat. hällia
neben halliva,halHviat, «Bezirk eines hallivus»
d. i. dem Rechtspflege und Yerwallung eines
Bezirkes, einer Stadt usw. übertragen ist. Dies
hallivus (franz. hailli, ital. halivo) m. kommt
von mlat. hälius m. (d. i. hajulus) «Träger,
Geschäftsträgei-, Vorsteher, Vormund».
Ballen^ rn. (-s, PI. wie Sg.): rundlicher an-
einander haftender und meist weicher Körper ;
(mehr mimdarthch) Spielball (Goethe 11, 22);
rundliche Erhöhung an Hand und Fuß bei
Menschen und Tieren; in einem Umschlag
zusammengepackte Masse; Maß einer Wareu-
masse, z. B. ein B. Papier = 200 Buch. Mhd.
halle m., ahd. hallo m. und halla f. (daher
franz. halle, s. -Ball). Die m-sprüngliche
schwache Flexion ist im Nhd. der starken
mit dem X. Sg. auf -en gewichen.
ballen, v.: zu einem Balle machen. Mhd.
halleyi. Meist refl. sich hallen.
Ballett, n. {-es, PI. -e): Schautanz auf der
Bühne. Aus ital. haletto m., dem Dim. von
hallo m. «Tanz, Tanzfest» (s. '^Ball). Im Anfang
des 17. Jh. gebraucht, z. B. 1609 bei Gödeke
Grundr. ^ 2, 61, ^'"r. 17 und bei Weckherhn.
ballhornisiereii, besser verhallhornen v:
(eine Schrift) durch vermeinthche Verbesse-
rungen verschlechtem, verschlimmbessern.
Das Wort kommt von dem Namen eines vom
Jahre 1531 an tätigen Buchdruckers zu Lübeck
(nach Schuppius Schriften S. 588 zu Soest
in Westfalen) Johann Ballhorn, der in einem
Abcbuche, das er oft herausgab, mancherlei
ungeschickte Veränderungen anzubringen und
auf dem Titel beizufügen pflegte «vei'mehrt
und verbessert*, «auctior et cori'ectior», wes-
halb er im 17. Jh. allgemein sprichwörtlich
war. hallhornisieren zeigt die undeutsche
Endung -isieren, franz. -iser.
Ballon (spr. Ballung), m. {-s, PI. -s):
großer Ball, zum Schlagen usw.; mit Luft
gefüllter Ball zum Aufsteigen in die Luft,
Weigaud, Deutsches Worte rbnch. 5. Aufl.
, Luftballon. Aus franz. hallon nach ital. hallone
' m., dies mit der Vergrößemng ausdrückenden
, Endsilbe von halla f. (s. -Balt). Schon im
' 16, Jh. ndl. halloen, palloen (Küian 695 '*) und
am 1600 auch hochd. z. B. 1616 bei Henisch
und 1618 bei Schönsleder D 7^ (als Ballon
: bei Fleming 117).
ballotieren, v.: mittelst Stimmkugeln
wählen. Aus dem gleichbed. franz. hallotter.
\ von hallotte f. «Stimmkugel», dem Dim. von
, halle f. «Kugel, Ball». Bei Duez 1664 in der
Bed. «Ball spielen», in der jetzigen bei Adelung
11793 (Schweiz. Id. 4, 1156 Beleg von 1610).
I Ballspiel, s. -Ball.
\ Balsam, m. (-s, PI. -e): wohlriechender
i Saft aus destillierten Ölen; Wohlgeruch;
j linderndes Heilmittel. IVIhd. haisame, balsem,
ahd. balsamo m., entlehnt aus gr.-lat. halsa-
mum, gr. ßdXcaiuov n. «Harz des Balsam-
baumes». Dies stammt aus arab. hasäm,
halsam «Balsamstrauch». Got. halsan n.
<!; Balsam» zeigt auffallendes n. ABL. bal-
sanien, balsamieren, v., mhd. halsemen,
halsamieren. Balsamine, f. : das Springkraut,
impatiens noli tangere, das zu einem Wund-
balsam dient. Aus nlat. halsamina, das auf
gr. ßa\ca|Liivri f. «Balsampflanze» beraht, bal-
samisch, adj., bei Stieler 1691.
baltisch, adj.: die Ostsee betreffend, im
16. Jh. Zu lat.-germ. Baltia (Plinius 4, 13,
vgl. Belt).
Balustrade, f. (PI. -n)-. Brustlehne, Ge-
länder. Aus gleichbed. f)-anz. balustrade, ital.
halanstrata f., von franz. halustre, ital. ha-
laustro m. «Geländersäule», und dies von mlat.
halaustium, gr. ßaXaucTiov «Blüte des wilden
Granatbaumes», nach der ähnlichen Form auf
die Verzierung des Geländers übertragen.
Im 18. Jh. (1778 bei Amaranthes ^ 1, 316.)
Balz, f., seltener m. : Begattung des größern
Federwildes; Ort und Zeit der Begattung.
balzen, v. : sich begatten, vom größern Feder-
wilde, als Auer-, Birk-, Haselgeflügel, Fasan,
Kranich, Schnepfe usw. Daneben Falz, falzen
(s. d.). Mhd. erscheint halze m. als Ort, wo
das Federwild sich zu begatten pflegt (im
Salbuch des Klosters Engelthal in der Wetterau
1340 der Flurname ame hanen haltzen, in einer
Gerauer Urkunde v. J. 1355 bei Baur hess.
Urk. 1, 425 vf den haltzen). Unsichrer Her-
kunft. Die Ableitung von it. halzo «Sprung»,
halzare «hüpfen» wäre der Bed nach mög-
lich, doch wii'd halzare nie von der Begattung
der Vögel gebraucht, auch bleibt dabei die
10
147
Bambus
Bandit
148
Nebenform Falz unerklärt. Vielleicht mit
der urspr. Bed. «klopfen» zu dem 2. Teil von
nid. aanheld, mnd. anebelt, anibolt «Amboß»
zu stellen {Falz zu dem gleichbedeutenden
ahd. anafalz, ags. on/ilt, engl, anvil). Vgl.
ZfdPh. 38, 521.
Bambris, m. (Gen. wie Nom. und Bam-
busses, PI. Bambusse) : ost- und westindisches j
Knotenrohr zu Spazierstöcken; der Spazier-
stock davon. Aufgenommen zunächst aus '
ndl. hamboes m., dazu franz. baniboii, engl.
baniboo, span.-portug. bamhu, aus dem gleich- 1
bed. malayischen bambü. Im 17. Jh. entlehnt '
(Belege von 1668 und 1686 bei Gombert '
6, 10).
bammeln, v,: herabhangend hin- und her-
schwanken. Dafür auch bambeln (Maaler ;
MüUer 1, 165) und pampeln (Luther 3, 374^ \
Jen. und Mathesius Sarepta 73^ und 144*),
das man au.flat.pam2nnus, mlat. auchpampilus
m. «Rebschoß, Rebranke», älternhd. pampel,
banipel m. zui-ückgeführt hat. Es ist aber
wohl eher lautnachahmend neben bimmeln,
bummeln, baumeln, vgl. auch bimbam! Krämer
1678 verzeichnet bammelen neben bommelen.
bamsen, v.: (das Fell) durchklopfen. Nicht !
identisch mit wamsen (s. d.), sondern geht
auf mhd. bambas, bams (Grermania 23, 308) !
«dickes, haariges Fell an einem Sattel» zu- !
rück (Frisch 1, 54^).
banal, adj.: alltäglich = gemein. Aus
franz. banal «der Zwangsgerechtigkeit unter-
worfen, jedem zugänglich, (von Reden) ab-
gedroschen», beruhend auf mlat. bannalis
«dem Bann unterworfen», von bamius m.,
das das deutsehe Bann (s. d.) zur Grund-
lage hat. Erst um 1800 auftretend (Goethe
29, 85).
Banane, f. (PI. -n): Paradies-, Adams-
feige. Aus franz. banane, engl.-span.-port.
hanana, dem eine afrikanische Benennung zu-
grunde liegt. Als Bananas 1595 bei Hulsius
Schiffart 1, 24, Bonanas bei Münster Cos-
mogr. Asien Kap. 106.
Banause, m. (PI. -en): handwerksmäßig
Arbeitender, gemein Denkender. Aus gr.
ßdvaucoc adj. «handwerksmäßig, gemein». Um
1800 aufgekommen, vgl. ZfdW. 5, 257. ABL.
banausisch, adj.
'Band, m. {-es, PI. Bände): zusammen-
zubindender Teil eines Schriftwerkes; Buch-
schale, Einband. Abgezweigt von Band n.
(unter ndd. Einfluß, mnd. bant m.) und zu-
erst bei Duez 1664 verzeichnet.
-Band, n. {-es), PI. Bänder und (in der
Bed. Fesseln) Batvde: was zum Binden dient,
Bindungsmittel, eigentlich wie bildlich; Bin-
dungsmittel um Glieder des Gefangenen;
langes, schmales Gewebe zum Binden. Mhd.
bant (PI. bant und bender, md. bände), ahd,
bant n. (PI. bant und bentir): dazu asächs.
band (in höbidband «Diadem»), ndl. band m.,
afries. band n., engl, band, anord. band n.,
(PL band), schwed. band n., dän. baand n.
Zu binden. Mit andrer Ableitung got. bandi
f., afr. bende f., ags.-engl. bend.
Bandage, f. (spr. Bandäsche, PI. -n):
Verband einer Wunde. Aus franz. bandage f.
von bände f. «Binde, Band, Streif», das auf
das deutsche Band zuräckgeht. Bei Spe-
rander 1728.
^ Bande, f. (PI. -n): Rand (Einfassung),
z. B. einer Billardtafel. Aus franz. bände f.
(s. Bandage).
■Baude, f. (PI. -n): zu einem Zwecke
in Verbindung stehende Personen, mit dem
Nebenbegriff des Gemeinen und Schlechten. Im
18. Jh. aus franz. bände f., ital. banda f., hier in
der Bed. «Schar», die auf die von «Fahnen-
streifen, Fahne» zurückgeht (vgl. Fähnlein).
Schon langobard.- mlat. bandum (bei Paulus
Dia Conus 1, 20 quod vexillum bandum apel-
lant), auf dem deutschen band (nach andern
auf got, bandtva f. «Zeichen», das wohl zu
gr. qpttivuj aus *<pay7"iu «scheine, zeige», ge-
hört) beruhend. Im 16. Jh. erscheint (mit
Anlehnung an Band) Bände PL «Truppen-
massen», bei Henisch 1616 Bande als ^fänlin,
bände reufers». Vgl. Banner, Panier.
Bandelier, n. {-s, PL -e): Schultememen,
Wehrgehenke. Aus franz. bandouliere, it.
bandoliera f., und diese aus span. bandolera f.
Am Anfang des 17. Jh. auftretend, z. B. 1616
bei Wallhausen Kriegskunst zu Pferd 38.
bändig, adj.: durch das Band, urspr.
die Hundekoppel, festgehalten, (Günther 298),
mhd. bendec. Jetzt nur noch in unbändig.
ABL. bändigen, V.: durch ein Band zwingen,
durch Kraft bemeistern. Bei Henisch 1616.
Bandit, m, {-en, PL -en): Straßenräuber,
Meuchelmörder. Aus ital. bandito m., aus
mlat. bannitus «Verbannter», Part. Praet.
von ital. bandire, mlat. bannire «des Landes
verweisen», eig. wie mhd. ze banne tiion
«in den Bann tun» d. i. vogelfrei erklären.
(Andre verbinden bandire mit got. bandwjan
«ein Zeichen geben» von bandwa f. «Zei-
chen», also eiw. «durch Ruf ein Zeichen
149
Bandmesser
Bankeisen
150
geben», dann «entbieten, vor Gericht laden,
verui-t eilen, bannen»). Es zeigt sich zuerst
in der Bed. «Verbannter» in schweizerischen
Quellen f Schweiz. Id. 4, 1282 mit Beleg von
1517, auch bei Frisius und Maaler verzeichnet |,
seit Ende des 16. Jh. allgemein. Die Bed.
«Verbrecher, Straßenräuber» tritt nebenbei
hervor (z. B. bei Fischart Binenkorb 230,
Zincgref 1, 356) und verdrängt später völlig
die m'spriingliche Bed., die sich aber bis
ins 18. Jh. erhalten hat.
Bandmesser, n.: handbeilartiges Messer
zum Behauen der Faßbänder (Reife). Bei
Henisch 1616.
Bandwnrm, m. : ein langer, weißer Ein-
geweidewurm mit vielen Gelenken, der die
Form eines Bandes hat. Bei Adelung 1774.
bang, l)ange (Komp. bänger, Sup. hängst
auch banger, bangst), adj. und adv.: be-
engendes, beklemmendes Gefühl habend.
Mhd. (in' md. Quellen) bange, aber nur
als Adv., aus be-ange, dessen ange das Adv.
von enge (s. d.); dazu mnd.-ndl. bange.
Auch Luther gebraucht bange nur als
Adv., das sich später auch im Obd. ver-
breitet. Die schlesischen Dichter verwenden
das Wort dann auch als Adj. (wie schon
früher im Ndd. übUch), und so wird es schon
.von Krämer 1678 aufgeführt. ABL. Bange,
f., mhd. (md. ) bange m., auch benge, d. i. ahd.
bengt f. bangen, v. : «bange machen: bange
werden», dies auch unpersönhch mir (mich)
bangt. Mhd. bangen in beiden Bedd., später
aber verloren gehend und erst durch die neuere
Dichtersprache wieder aufgekommen. Ade-
lung 1793 kennt nur sich bangen («in einigen
gemeinen Mundarten»), erst Campe 1807 hat
hangen. Dies scheint durch Wieland einge-
führt, der es im Oberen in der Bed. «zagen»
und (nach etwas b.) «sehnsüchtig sein» ver-
wendet. Bangigkeit, f., spätmhd. CBech
Germania 18, 260) bangekeit, bänglich, adj.
und adv., mhd. bängliche, nm* adv.
Bangert, m. (-s, PI. -e): angelegter Obst-
baumgarten. Mit Übergang des m, in n aus
mhd. boumgarte m. Vgl. Wingert.
Banier, s. Panier.
^Bank, f. (PI. Bänke): langer erhöhter
Sitz (daher die Redensarten: durch die B.
ohne Unterschied, nämlich der Daraufsitzen-
den, schon mhd.; unter der B. liegen, als
verachtet (16. .Th.): auf die lange B. schie-
ben, im 17. Jh. bei Leibniz Unvorgreifl.
Gedanken § 109, wie uf die langen hanck
ziehen u. dgl. bei Keisersberg, 1574 bei Hö-
niger Narrenschiff 113^ au ff die lange hanck
sparen «auf die Gerichtsbank, die lange Bank-
tiTihe, in der man die Akten verwahrte, zu-
lücklegen, den langen Weg Rechtens gehen
lassen», dann «lang aufschieben überhaupt»:
von der B. fallen, sowohl «mit einer Frauens-
person ein uneheh dies Kind zeugen», als auch
«unehelich geboren werden» s. Bankert, die
Bank hier im Gegensatz zum Ehebett;
sich hinziehende seichte Sandstelle im Meer;
Tisch oder Gestell zu gewerblichen Zwecken
(daher die Redensart durch die B. ziehen,
eig. durch die Hechelbank, wie durchhecheln
«lästern», bei Schupp 535): Fleischertisch,
das Fleisch zum Verkauf auszulegen (daher
die Redensart zur B. hauen «öffentlich zer-
hauen, nichts Gutes an jemand lassen», bei
Luther) : Brustwehr eines Walles (spätmhd.),
daher über B. schießen, wenn keine Schieß-
scharten in der Bnistwehr sind (1757 in
Eggers Kriegslex. 1, 216). Mhd. banc m. und f.
(PI. henke), ahd. banch m. (PI. henchi); dazu
asächs. bank, ndl. bank, afries. benc, ags.bencf.,
engl, bench. anord. bekkr m., dän. bänk. Das
M. ist noch jetzt im Schwab. -Alem. üblich
(darnach Mörike 2, 222). Dunkler Herkunft,
vielleicht mit der Gnindbed. «Erhöhung» zu
anord. hakki, schwed. backe, dän. hakke m.
«Hügel» zu stellen. Vgl. aber Meringer
Wiener SB. 144, 6, 97.
^Bank, f. (PI Banken): öffentliche Kasse
für den Geldverkehr: das Gebäude dieser
Kasse : der Spieltisch und das ausgesetzte Geld
des Spielhalters im öffentlichen Geldwagespiel.
Aus ital. hanca (daraus franz. hanque f.), das
auf das deutsche Bank (vgl. mhd. ivehsel-
banc m. «Tisch des Wechslers», in gleicher
Bed. auch bloß banc m., Schweiz. Id. 4, 1383
von 1409) zui-ückgeht. Bei Henisch 1616. Da-
neben wurde auch ital. banco m. entlehnt in
der Bed. «Wechselbank, öffentliche Geldnieder-
lage», dann auch «^lünzfuß», nach dem bei der
Geldbank gerechnet wird (daher hamburgisch
Mark Banko). Banco «Bank» noch im
; Schelmufsky 61 und bei Ludwig 1716.
i Bankbrnch, m., eine von Campe 1795
vorgeschlagene Verdeutschung von Banke-
rott fs. d.). Das abgeleitete Adj. bank-
brüehig wird schon im 16. Jh. bei Fischart
Garg. 78 gebraucht.
' Bankeisen, n. : Eisen zur Befestigung einer
Bank, dann auch eines Gestelles, Schrankes
usw. an die AVand. 1741 bei Frisch.
10*
151
Bänkelsänger
Banner
152
Bänkelsänger, m. (s, PL wie Sg.):
wandernder Sänger oder Dichter, der zur
Belustigung vom Bänkel aus dem Stegreif
singt oder dichtet. Bänkel ist mundartliches
(südd, oder ost-md.) Dim. von Bank. Nach
ital. cantamhanco d. i. canfa im banco «sing
auf der Bank!» Wohl im 17. Jh. gebildet,
da nach Gombert 7, 11 schon 1709 Bänk-
leinsänger in übertragener Bed. (Neukirchs
Sammlung 6, 343 die gelehrten Bäncklein-
Sänger); Bänkelsänger zuerst 1730 bei Gott-
sched crit. Dichtkunst 13. 75.
Bankerott, Bankrott, m. {-es, PI. -e):
öffentlich erklärte Zahlungsunfähigkeit zum
Verluste der Gläubiger. Aus ital. hanco rotto
(rotto aus lat. ruptus «gebrochen») m. oder
banca rotta f, franz. hanqueroute f. (daher
die Form Bankrutt); der Name deshalb,
weil dem zahlungsunfähigen Wechsler auf dem
Foro (öffentlichen Gerichtsplatze) sein Wechs-
lertisch (Wechselbank) zerbrochen wurde.
In der 1. Hälfte des 16. Jh., zunächst in
ital. Form (z. B. bei Hans Sachs Fastn. 78,
2A:2 panca rotta, 1533 bei .Weller Dichtungen
des 16. Jh. 97 hanckarotten spilen), eingedrun-
gen; Henisch 1616 hat auch Banckerott.
Daher bankerott, bankrott, adj.: öffent-
lich zahlungsunfähig, 1741 bei Frisch. ABL.
Bankerottierer, Bankrottierer, m. : wer
Bankrott macht. Bei Pischart Garg. 186,
während 1562 bei Mathesius Sar. 224^ mit
deutscher Endung Panckerotter , 1540 im
Edikt Karls V. an die Plauderer a 3 '^ Bancka-
rotter. Vom V. hayikerottieren (l572beiFischart
Prakt, Großm. 14), woneben mit deutscher
Endung 1616 bei Henisch hanckerotten.
Bankert, m. (-s, PI. -e) -. unehliches Kind,
eig. auf der Bank (nicht im Ehebett) erzeugtes.
Spätmhd. hankart, hanchart, dessen -hart von
Eigennamen wie Geh-, Reinhart übertragen
ist, älternhd. hankart. Vgl. ndl. hankaard.
Alternhd. kommt in gleicher Bed. auch Bank-
kind, Bänkling, Bankhein (Lessing 1, 212)
vor, vgl. auch mlat. scamnifex «spui-ius» (zu
scanmum n. «Bank») und Fastnachtssp. 250,
32 mein vater machet mich auf einer penk.
S. Bastard.
Bankett, n. (-es, PI. -e): festliches Gast-
mahl. Aus franz. hanquet und dies aus ital.
hanchettom. «Gastmahl», eig. «Bank — Tisch —
Gelage», abgeleitet mit dim. Endung von
ital. hanco m., auf das deutsche Bank zu-
rückgehend. 1495 hancket bei Reuchlin De-
mosthenes 1. olynth. Rede S. 26 Poland,
dann bei Hans Sachs Fastn. 8, 346, Franck
Weltb. 131. ABL. bankettieren, v.: fest-
lich schmausen (hancketieren Franck Chr. 85,
hanckatieren Waldis 4, 96, 59, dafür bei
Luther 4, 440^ Jen. und im 15. Jh. bei
Ehingen Reisen 27 fg. mit deutscher Endung
hancketen). Nach franz. hanqueter, ital. han-
chettare.
Bankier, m. (-s, PL -s): Lihaber einer
Bank (s. Bank^), Wechsler. Bei Henisch
1616 als Banckier verzeichnet.
Banknote, f. (PL -n): schriftlicher, über-
all zahlbarer Schein (Note) einer Geld-,
Wechselbank, der statt baren Geldes dient.
Erst bei Adelung 1774.
banko, s. Bank.
Bann, m. (-es, PL -e): Gebot oder Ver-
bot unter Strafandrohung (z. B. der Heerh.
«Einberufung zum Heere»), sowie diese Strafe
selbst (z. B. der Kirchenh. «Ausschluß aus
der Kirchengemeinschaft»); dem geistlichen
oder weltlichen Richter ausschließlich zu-
stehende Gerichtsbarkeit (z. B. der Bluth.
«Recht über Leben und Tod»), sowie deren
Bezirk; abgegrenztes, gehegtes Gebiet; (über-
tragen) Zwang, Fessel. IVIhd. han (Gen.
bannes), ahd. han m.; dazu asächs. han, ndl.
han, afries. hon, han, ags. bann, engl, bann
«Aufgebot, Bann», anord. (entlehnt) bann n.
«Verbot, Exkommunikation», schwed. &awn n.,
dän. ba7id. Mlat. bannus, banmmi. Von ban-
nen, V.: den Bann ausüben und mit dem
Banne belegen (in allen Bedd. des Subst.).
Mhd. bannen (Prät. bien)^ ahd. hannan; dazu
ags. hannan, anord. (entlehnt) banna. Ins
Mlat. entlehnt bannire, woraus franz. bannir,
wohl auch ital. hanäire (s. Bandit). Ver-
wandt ist anord. bön f., «Bitte, Gesuch»; man
vergleicht noch gr. qprmi, cpäcKiu «sprechen»,
lat. färi, fämim, fäbula, arm. han «Wort» (nn
in hannan müßte dann Präsenssuffix — aus
nu-, nw sein). Im Germ, wäre das Wort
auf feierliche Aussprüche von priesterlicher
oder richterlicher Stelle aus beschränkt.
Auch an Zusammenhang mit got. handwa f.
«Zeichen», wofür ital.-span. ban(?o m. «Aufge-
bot, Bann», ital. bandire «entbieten, bannen»
(s. Bandit) sprechen könnte, läßt sich den-
ken (hannan aus *handnan).
Banner, n. (-s, PL wie Sg.): Heerfahne.
Spätmhd. hanner, aus mhd. haniere f. n.,
banier (s. Panier), zurückgehend auf franz.
hanniere f., von afranz. ban «Fahne», eig.
«Fahnenstreifen, Bande», vgl. -Bande, ital.
153
Bannmeile
Bär
154
handiera f., span. handera f., mlat. banderia
f. ZUS. Bannerherr, m.: mit fremdem
Bamier belehnter oder ein eignes Banner zu
führen berechtigter hoher Adeliger. Spätmhd.
hanyrherre «vexiUifer» Diefenbach Gl. 617*.
Bannmeile, f.: Weichbild (eine Meile
große Umgebung) eines Ortes als Gerichts-
bezirk; Stadtbezirk, innerhalb dessen kein
Fremder Handel oder Gewerbe treiben darf.
Mhd. hamnile. Danach franz. hanlieue f.
Bannwald, m.: gehegter Wald, der der
freien Benutzung entzogen ist. Frühnhd.
(vgl. das mhd. gleichbed. hanholz n. und mhd.
hanwart «Forstaufseher, Flurschütze x>X
Banse, f. m. (PI. -n)-. weiter Scheunen-
raum zur Seite der Tenne. Im 15. Jh. in
md. Quellen hanse m., später z. B. bei Tscher-
niüg Ged. Fiühling 124 belegt, bei Stieler 1691
aus dem Thüringischen als Bans, Banse m. ver-
zeichnet, ^uch im Nd. vorkommend. Dazu
ags. hös (aus *hans) m. «Krippe», nordengl.
höose, anord. häss (aus *hans) m. «Krippe
im Kuhstall», schwed. häs, dän. haas m.
«Ständerpfosten im Stall»; got. abweichend
hansts m. «Scheune». Vielleicht urspr. «Ge-
flecht zur Aufnahme von Getreide» und dann
zu binden zu stellen (band mit angetretenem
Suffix -ta- konnte hansa- ergeben), vgl.
franz. hanse f. «großer Korb». Windisch Idg.
Forsch. 3, 76 stellt das Wort zu air. bess,
hes m. «Gewohnheit, Sitte». Im ,aind. ist
bei Lexikographen hhäsa- «Kuhstall» über-
liefert. ABL. bansen, v.: in die Banse
schichten. Bei Stieler 1691.
bar (früher gewöhnlich haar), adj.: unbe-
deckt; den Blicken frei (z.B. bares Geld «vor
Augen aufgezähltes»); durch nichts andres ver-
deckt, nichts anders als bloß (z. B. bare Er-
findung): entblößt, gänzlich benommen (z. B.
aller Ehren h. Schiller Teil 2, 2). Das Wort
ist in der neuern Dichtersprache hauptsäch-
lich durch Wieland (vgl. sein Glossar zum
Oberon) wieder aufgekommen, während es
ältemhd. fast nur in bezug auf Geld gebraucht
wird. Mhd. bar (flektiert barer, md. verein-
zelt, durch Verwinaing der Schreibung, barwer),
ahd. bar (flektiert barer) ; dazu asächs. (in Zu-
sammensetzungen) bar, ndl. baar, ags. beer,
engl, bare, anord. berr, schwed.-dän. bar. Das
r geht auf s zurück (got. ist baza- zu vex*-
muten); verwandt sind abulg. hosü, lit. hasas
«barfüßig», urspr. «nackt», arm. bok aus
*boskos «nackt». Weiteres bei Walde s. v.
fänum.
-bar, Suffix für Adjektive in der Bed.
«tragend, an sich tragend, bringend», dann
auch die Möglichkeit bietend zu — , z. B.
achtbar, dankbar, fruchtbar, kostbar, lastbar.
Mhd. -beere, ahd. -bäri, urspr. ein selb-
ständiges Adj., von ahd. heran «tragen» (s.
gebären) gebildet, vgl. ai. -bharin- «bringend».
Die Form -bar (dafür älternhd. oft -her, aber
Luther -bar) hat sich unter Einfluß des Adv.
mhd. -bare festgesetzt. Die Endung tritt an
Subst. und Verba, kaum an Adjektive an
[offenbar geht von mhd. offen n., kündbar
von Kunde aus). Die Bildungen von Verben,
wie brauchbar, eßbar, trinkbar, zahlbar gehören
zum großen Teil erst der neuern Sprache an,
■"Bär, m. (-es, PI. -e): schwerer Klotz zum
Einrammen der Pfähle, Eammklotz. Bei He-
nisch 1616 (mhd. erscheint her f. «Schlag,
Streich»). Ableitung von mhd. bern «stampfen,
schlagen», ahd. feeriaw «treten, stampfen» i dazu
anord. herja «schlagen»), die zu lat. ferire
«stoßen, schlagen, hauen» stimmen.
"Bär, m. (-en, PI. -en): das vierfüßige
Raubtier, lat.ursus; dichtbehaarte Raupe (1721
bei Frisch Insekt. 2, 38 Bärenraupe) und deren
Schmetterling; die Sternbilder der große und
der kleine Bär, d. i. der große und der kleine
Himmelswagen, 1616 bei Henisch Großbär,
Xordbär nach griech.-röm. Uberheferung,
schon bei Homer 'ApKToc «Bär» und äuaEa f.
«Wagen» für das größere Sternbild. In
urspr. Bed. bei Dasypodius 1537 Bär, bei
Luther Beer, mhd. her {Gen. bern), ahd. hero
m.; dazu ndl. beer fGen. beers), ags. hera,
engl, hear, anord.-schwed.-dän. (mit ableiten-
dem n, urspr. nu-) hjörn m. Verwandt ist
wohl lit. beras «braun», Grundbed. also
«der braune», wie der Bär auch im Tierepos
den Namen Brün führt und weiter zu ai.
bhallas aus *hharlas «Bär», russ. berlöga «Wild-
lager, Bärenlager», vgl. Uhlenbeck Btr. 20, 37.
Seit dem 17. Jh. kommt vereinzelt starke
Flexion vor (besonders im Sg., Lessing 1. 108
auch PI. Bare). Redensart: einen Bären an-
binden, s. anbinden. ABL. Bärin, f., mhd.
herin, älter birin f.
^ßär, m. {-s, PI. -e): Zuchteber. Mhd.-
ahd. her m.; dazu asächs. her (in berswin n.
«Eber»), ndl. beer, ags. här m., engl, hoar
«Eber». Vgl. auch longobard. pahir, pair als
zweites Wort in einigen Zusammensetzungen.
Dunkler Herkunft.
*Bär, m. (-S, PI. -e): starkgemauerter
Querdamm mit scharfem Rücken in oder an
155
Baracke
Bardiet
156
fließendem Wasser. Wohl nicht entstellt aus
Wehr n., sondern eher aus mhd. har «Riegel,
Schranke» (s. Barre). Bei Henisch 1616 neben I
Barre angeführt (vgl. auch Schmeller'- 1, 257).
Baracke, f. (PI -n): Feldhütte der Sol- 1
daten; elendes Gebäude. Aus franz. haraquet
«Feldlagerhütte» und dies aus ital. haracca f.,
abgeleitet von provenz.-span.-ital. barra f.
«Querstange». Im 17. Jh. entlehnt.
Barbar, m. (-en, PI. -en): roher, wilder
Mensch. Spätmhd. harhar, harher (so auch
noch älternhd.) aus gr.-lat. bdrharus «Aus-
länder, Fremder», gr. ßdpßapoc «Nichtgrieche,
roher, ungeschliffener Mensch», dem substan-
tivisch gebrauchten Mask. des Adj. ßdpßapoc
«nichtgiiechisch». Im 17. und 18. Jh. ist B.
in engrer Bed. «Bewohner Nordafrikas» (bei
Stieler 1691), dafür jetzt Berber (s, Barber-
roß). Der Ton lag bis ins 18. Jh. (Uz, Ramler)
nach gr.-lat. Vorbild auf der ersten Silbe, dann
drang allmählich die fi'anzösische Betonung auf
der zweiten Silbe durch (bei Geliert 1, 139 W.).
Dazu der Name Barbara, volkstümlich Bärbel,
Bärbchen. ABL. Barbarei, f. A us lat. barbäria
f. ;< Ausland; üngebildetheit, Roheit». Spämhd.
barbarie hat nur die 1. Bed., während 1558
bei Lindener Katzipori Kap. 49 Barbarey im
abstrakten Sinne steht. Im 16. bis 18. Jh. in
engrer Bed. «das Land der Berbern, Nord-
afrika» (1530 bei Seb. Franck Cron. d. Türkey
L 2^, 1561 bei Maaler), auch die Barbareskeil,
pl. : die Raubstaaten Algier, Tunis und Tripolis
(aus dem ital. Adj. barbaresco «berberisch»).
barbarisch, adj.: ausländisch (spätmhd.);
roh und grausam (1648 bei Kemnitz schwed.
Krieg 1, 266^). Nach gr.-lat. barbaricus, gr.
ßapßapiKÖc «nichtgriechisch, ausländisch, un-
gesittet».
Barbe, f. (PI. -n): der Bartfisch aus dem
Karpfengeschlecht. Mhd. barbe f. ('?), ahd.
barbo m. aus dem gleichbed. lat. barbus (Au-
sonius Mosella 94. 134) von lat. barba f. «Bart»,
denn die Barbe zeichnet sich durch vier Bart-
fäden aus. Aus jenem lat. Wort auch gleichbed.
ital. barbo, barbio, span. barbo m. und franz.
barbeau m. (aus dem mlat. Dim. barbellum).
bärbeißig, adj.: zänkisch, auffahrend. Nach
Adelung 1774 ein Wort des gemeinen Lebens.
Wohl nicht zusammengesetzt mit Bär («bissig
wie ein Bär oder wie ein Bärenbeißer (?)»),
sondern entstellt aus bernbeißig, zu Bern m.
«Krippe», Nebenform von Barn (s. d,), also
eig. vom Pferde gesagt und s. v. a. Krippen-
beißer (s. d.).
Barberroß, n.: Pferd aus der Barbarei
(Schiller Jungfr. v. 0. 5, 11). Barber ist iden-
tisch mit Barbar (s. d.) und geht hier auf die
Bewohner der nordafrikanischen Küstenstriche
(dafür jetzt Berber). Heynatz 1775 kennt noch
das einfache Bai bar, Barber (mit Ton auf
der 1. Silbe) für «Pferd aus der Barbarei».
Barbier, m. (-s,P\.-e): Bartscherer. Aus
\ franz. barbier, ital. barbiere m., das auf mlat.
barbarius m. (von barba f. «Bart») beruht.
Spätmhd. barbierer, das von dem ebenfalls
spätmhd. Y. barbieren abgeleitet ist, erst
älternhd. Barbier. Im älternhd. und noch
jetzt mundartlich auch sehr häufig Baibier
m. und balbieren v. durch Dissimilation der
beiden r.
Barch, m. [-es, PI. Barche) : verschnittenes
männliches Schwein. Mhd. bare (Gen. barges)
und barch, ahd. barug und barh; dazu ndl.
barg, ags. bearg und bearh, engl, barrow,
anord. börgr m. Im Nhd. schwankt Barch
und Barg und außerdem Borch und Borg.
Nicht zu lat. porcus. Wie sich slav, bravü
«Schöps» oder « geschnittener Eber» dazu ver-
hält, ist unklar; beide gehören vielleicht zu
einer Wurzel bher «schlagen», lat. ferire, falls
die Bedeutung «verschnittenes Tier» die ur-
spriingliche ist.
Barchent, m. {-s, PI. -e): auf der einen
Seite rauhes Baumwollenzeug, dessen Kette
Leinen ist. Mhd. barchant, barchent, barchat,
barchet, urspränglicher barkän, aus mlat. bar-
canus, barracanus «Art Zeug aus Kamelshaaren»
(Camelot), abgeleitet von arab. barrakän «Art
langen schwai'zen Gewandes»,
bardauz, (bei Goethe 36,1 12 l.H. baradauz)
Interj.des schallenden Falles. Lautnachahmend,
vgl. ndl. pardoes, perdoes, schwed. burdus,
dän. bardus und weiter zu baiiz! gehörig.
Bei Lauremberg 2, 693 pardues, bei Grimmeis-
hausen Vogelnest 1, Kap. 20 pordutz. Ähnlich
lit. Imrdilngst (Idg. Forsch. 13, 190).
Barde, m. (-w, PI. -n): altkeltischer Dichter
und Sänger. Aus kelt.-lat. bardus, ir.-kymr.
bard. Schon im 17. Jh. auch auf deutsche
Dichter angewandt (vgl. Schottelius S. 1018
Barden sind die alten Tichfere oder Poeten
bey den Teutschen gewesen), seit den 60er
Jahren des 18. Jh. besonders durch Klop-
stock üblich geworden.
bärdeu, s. gebärden.
Bardiet, n. {-es, PI. -e): altdeutscher
Kriegsgesang. Durch Klopstock (und zwar
alsM.) mit der «; Herrmanns Schlacht» (^Ham-
157
Bärenbeißer
barmherzig
158
bürg u. Bremen 1769), wo zugleich auf dem
Titel Ein Bardiet für die Schaubühne (s. auch
daselbst die Anmerkung S. 138), eingeführt
(aber fälschlieh als «Bardengesang» genom-
men), aus germ.-lat. harditus m. «Sehlacht-
gesang der alten Germanen mit dem zur Ver-
stärkung des Schalles an den Mund gehaltenen
Schilde» (Tacitus Germ. 3).
Bärenbeißer, m. (-s\: Hund besondi-er
Art zur Bärenhatz. Bei Steinbach 1784.
Bärendreck, m. {-es}-. Lakritzensaft. In
der Schweiz, Elsaß, Schwaben usw. Kach
der Farbe des Arzneimittels. Fiühnhd.
Bärenhäuter, m. {-s): fauler Nichtstuer:
verächtlicher, fauler Mensch. Schon im An-
fang des 16. Jh. (bei Bebel). Der Ausdruck
beniht auf der Redensart auf der Bärenhaut
liegen (1579 bei Hans v. Schweinichen 2, 14)
«ein tatloses Leben führen», eig. von KJriegern,
di^, die kampflosen Tage auf Fellen hinge-
streckt, mit Nichtstun verbiingen. Bäreil-
klan, f.: Pflanzenart mit einer Bärenklaue
vergleichbaren Blättern oder bärenklauartiger
Blüte. ^[h.d. bernkläwe, mlat. «brancaursina».
Bärenlappe (Wieland 20, 216), s. Bärlapp.
Barett, n. (-es, PI. -e): schirmlose rimde
oder eckige Kopfbedeckung bei Geistlichen,
Doktoren usw. Im 15. Jh. harete (1469 voc.
ex quo), auch hirete, hiret(l4S2YOC. theut. 22**),
aus mlat. harretum, eig. hirrettum n., ital.
herretta, franz. barrette f. «Mütze», von lat.
birrus m., birrum n. «Oberkleid, Mantel, Bi-
schofskleid».
Barfrost, m.: Frost ohne das Land be-
deckenden Schnee. 1663 bei Schottel S. 1281
baarfrosf. Zu bar.
barfuß, adj. undadv. : an den Füßen bloß.
Mhd. barvuo^ xmd (mit Ableitungsendung)
barvüe^e; dazu mndd, barföt, afries. berföt,
ags. bcerföt, engl, barefoot, anord. barfätr.
Eine schon altgerman. Zusammensetzung aus
bar (s. d.) und dem adjektivisch verwendeten
Subst. Fuß, vgl. ahd. einfuo^i «einfüßig»,
fiorfuo^i «vierfüßig». ABL. Barfüßer, m.
(-S, PI. wie Sg.): in bloßen Füßen Gehender;
Mönch vom Orden des heil. Franziskus. Von
Luther gebraucht, mhd. dafür barvüe^e m.,
1482 im Voc. theut. c 6 * barfuß m. barfüßig,
adj., spätmhd. barvüe^ic.
Barg, s. Barch.
barhaupt, adj. und adv. : unbedeckten
Kopfes. Spätmhd. barhoubet. Eme Zusammen-
setzung, bei der wie in barfuß das Subst, ad-
jektivisch steht.
Bariton, m. (s, PI. -e): Singstinune
zwischen Tenor und Baß, tiefer Tenor, Hoch-
baß; (um 1700 erfundene j Art Baßgeige.
Aus dem gleichbed. ital. baritono m., dem M.
des xVdj. baritono, das auf gr. ßapüxovoc «tief,
betont» ( ßapüc «schwer, tief» und -tovoc von
reiveiv «spannen»j beruht. Bei Adelung 1774.
Barke, f. (PI. -n): kleines Wasserfahr-
zeug. Mhd. barke f., mit engl, bark und
anord. barki m. aus spätlat. barca, barica
(Ableitung von griech. ßäpic «Xachen», ent-
lehnt aus dem gleichbed. koptisch bari), wo-
raus auch ital. barca, franz. barque f.
Bärlapp, m. {-s): die Moosart lycopo-
dium, deren gelbhcher entzündbarer Samen-
staub Hexenpulver heißt. In Rößlins Kräu-
terbuch 1533 als berlapp, bei Alberus Dict.
EE4* als beerlapp vei-zeichnet. Zusammen-
ges. aus Bär und ahd. lappo m. «Euder-
schaufel, unterster breiter Ruderteil», eig.
xHand» und hier «vorderste Tatze». Dem-
nach s. V. a. «Vordertatze des Bären» nach
dem Aussehen der Pflanze, wie diese denn
auch Löwenfuß, Drudenfuß und neulat. ly-
copodium «Wolfsfuß» (dän. ulvefod) heißt.
Bärlatsche, f. (PI. -n): plumper Filz-
schuh. Obersächsischer Ausdruck, von Gel-
iert 1, 342 gebraucht. Eig. Latsche «Pan-
toffel», den man im Gehen am Boden hin-
schleift, wie der Bär seine Tatzen, von
latschen (s. d.) «die Füße beim Gehen am
Boden hinschleifen».
Barlaufen, s. Barre.
Bärme, auch Barme f.: Bierhefe; Bier-
schaum. Xiederd. Wort, frühzeitig auch schon
im Hochd. (^bei Schönsleder 1618 Bermen).
Mnd. berm, barm m., ndl. berm m., ags. beorma
(eo = ahd. e), engl. barm. Entweder zu ahd.
beran «tragen, tragen machen, sich heben»
(vgl. gebären), wie Hefe zu heben oder zu
lat. fermentum n. «Gärung, Sauerteig».
barmherzig, adj. u. adv.: mild gesinnt
aus innigem Mitgefühl bei fremdem Leiden:
solches Mitgefühl erregend (Lessing 1, 461).
Mhd. barmherzec, mit dem adj. Suffix -ec
abgeleitet von mhd. barmherze adj. Dieses
ist nicht zusammengesetzt mit mhd. -ahd.
barm «Schoß, Busen», sondern muß wegen
ahd. armherzi, got, armahairts adj. «barm-
herzig» (^^dazu auch got. arman sik «sich
erbarmen») aus bi-armherzi erklärt werden
(vgl, bange, binnen). Es liegen Nachbildungen
lateinischer Ausdrücke in der christlichen
Kirchensprache vor, got. arman sik ist zu
159
BärniTitter
Barsch
160
arms adj. «arm» gebildet, wie sich lat. misereri
«erbarmen» zu miser «arm» verhält; ahd.
arniherzi gebildet nach lat. misericors. Vgl.
erbarmen. ABL. Barmherzigkeit, f., mhd.
barmherzecheit
Bärmutter, f.: Gebärmutter; Mutter-
beschwerde. Mhd. bermuoter f., zu bern «tra-
gen, gebären».
Barn, m, (-s, PI. -e): Krippe, Raufe;
Abteilung der Scheuei-, wo das Futter auf-
bewahrt wird. Nur noch in obd.und md. Mund-
arten (s. auch Paar). Mhd. barn (in späten
md. Quellen auch hern, vgl. bärbeißig), barne,
ahd. barno m.; dazu ags. bern n., engl, barn
«Scheuer». Abzuleiten von dem im Adj.
barizeins ei'haltenen got. baris m. «Gerste»,
ags. bere m., engl, barley «Gerste», die zu lat.
far n. «Getreide, Spelt», abg. ferasfwo «Speise»
stimmen, also eig. «Gerstenfutterbehälter», vgl.
Banse oder einfacher zur Wz. ber «tragen».
ABL. Baruheißer, m.: s. v. a. Krippen-
beißer (s. d.). Vgl. auch bärbeißig.
harock, adj.: schiefrund; unregelmäßig,
seltsam, . wunderlich. Aus franz. baroque
«schiefrund» (von Perlen), dann «sonderbar»,
von portug. barroco m. «rohe, ungleiche
Perle», eig. «unebener Fels», span. barrucco
m. «ungleiche runde Perle», berrucco m.,
«Warze, Fels, nicht recht runde Perle»,
deren Herkunft bestritten ist (kaum zu lat.
Verruca f. «Warze, Auswuchs an Edelsteinen»).
Zuerst in der 2. Hälfte des 18. Jh. als ba-
rockisch.
Barometer, m. n. (-s, PI. wie Sg.):
Wetterglas. Aus einem gr.-neulat. barome-
trum n. «(Luft-) Schwermesser», gebildet
aus gr, ßdpoc n. «Schwere, Druck» imd gr.
la^xpov n. «Maß, Maßstab». Das Instrument
wurde von Evangelist a Ton-icelli (f 1647)
zu Florenz erfunden.
Baron, m. (-s, PI. -e): Freiherr. Aus
franz. baron, das mit ital. barone m. zunächst
auf mlat. baro (Gen. baronis) zuräckgeht.
Dies ist nicht das altlat. baro m. «Dumm-
kopf», dann «Troßknecht», sondern entstammt
dem German., daher häufig in den Volks-
rechten (auch bei Isidor durch Vermittelung
des Westgot.) in der Bed. «Mann, Krieger,
Lehensmann», vgl. mhd. bar «Mann», zu
anord. bei~jask «streiten», abg. borjq^ «streite».
Vgl. Uhlenbeck Btr. 19, 329. Mhd. erscheint
barün m., nur in ndrhein. Quellen baron;
Baron ist unter dem Einfluß des Nfranz.
seit dem 16. Jh. herrschend (z.B. bei Rollen-
hagen Froschm. 3, 1, 4). Der PI. wurde
fiüher auch schwach gebildet [Baronen bei
Goethe Reineke 4, 100).
Barre, f. (PI. -n): Stange; Querstange,
Riegel; Schlagbaum. Mhd. barre f. «Riegel,
Schranke» mit mhd. bar f. «Stange, Balke,
Schranke», ndl. baar, im 16. Jh. ndl. bei
Kilian 23^ baere f. «repagulum», aus franz.
barre f., ital.-span. &arra f., mlat. fcarra «Stange,
Querstange, Schlagbaum». Dies wird von
Walde s. v. als germanisch angesehen und
zu lat. forus «Schiffsgang, Sitzreihe, Gang
um ein Beet, Spielbrett» gestellt. ABL.
Barlaufen, n.: ein turnerisches Spiel, 1618
bei Schönsleder parlouffen «cursum certare»,
mhd. die b. loufen\ dazu 1597 ndl. bei Ealian
de baere jaeghen «cursu ad metas contendere»,
baerenspel «ludus gymnicus».
Barren, m. (-s, PI. wie Sg.): Stange;
Metallstange; (durch Jahn eingefühi-t) ein
Turngerät, das durch zwei Querstangen ge-
bildet wird. Aus Barre f. (s. d.) entwickelt
und schon frühnhd. vorhanden (Murner
Narr. 11, 106).
Barriere, f (PI. -n): Schlagbaum, Schutz-
gatter. Aus franz. barriere, ital. barriera f.
«Schlagbaum», dann «Pfahlwerk zum Schutz»,
aus dem F. eines auf lat. -arius ausgehenden
Adj., das abgeleitet ist von franz. barre,
mlat. barra f. (s. Barre). Bei Wächtler 1711.
Barrikade, f. (PI. -n): Straßensperre
mittelst Verschanzung. Aus dem gleichbed.
franz. barricade, ital, barricata f. «Schlag-
baum, Schutzgatter», span. barricada f, «Ver-
rammelung gegen feindlichen Angriff», ab-
geleitet von span. barrica f., franz. barrique
f. «mit Sand oder Erde gefülltes Schanzfaß
zum Schutz im Kriege, großes Warenfaß»,
das vielleicht von mlat. barra (s. Barre) aus-
geht. Im spätem 17. Jh. entlehnt.
Barsch, m. (-es, V\. Barsche und Barsche),
selten Bars, Bors (obd. nur weitergebildet
bärsich, bärsching usw.): ein schmackhafter
Raubfisch, lat. perca. Mit Dehnung des a und
Übergang des s nach r in seh aus mhd. (in
späten md. Quellen) bars, berse und (abge-
leitet) bersich, spätahd. bersih m.; dazu ndl.
baars, ags. bcers, bears m., engl, barse,
aschwed. zusammenges. agborre [rr aus rs,
Vokal abweichend urspr, u), nschwed. dän.
aborre m. Man knüpft an die mlat. Be-
nennung parca, perca an, gr.-lat. perca f.,
gr. Tt^pKri f. d. i. die Dunkelfarbige, denn
gr. TT^pKoc ist «schwärzlich, dunkelfarbig»,
161
I)arscli
Base
162
welches Adj. mlat, zu persus, ital. per so,
franz. pers wurde; doch ist das Wort wohl
germ. Ursprungs und zu Borste (s. d.) zu
stellen, der Fisch hieße also nach seinen
stacheligen Floßfedern «der Borstige».
barsch, adj. u. adv.: (mundartlich) von
scharfem Geschmack, ranzig : hart mit Wor-
ten anfahrend. Ein ndd. Wort (mnd. im
16. Jh. 'basch aus harsch, noch bei Overbeck
Ged. 155 hasch im Reim auf rasch, ndl.
harsch, schwed.-dän. harsk entlehnt), das
hochd. zuerst von Stieler 1691, dann 1716
von Ludwig angeführt wird, während es
Frisch 1741^ und Adelung 1774 (1793 führt
er es als ein niedersächsisches Provinzial-
wort in den Bedd. «scharf von Geschmack,
rauh zum Anfühlen, mürrisch» an) noch
nicht kennen. In übertragener Bed. wird
es von Bürger 392 und andern Niederdeut-
schen verwendet, aber von Heynatz 1796
noch als nicht schriftsprachlich bezeichnet.
Die Grundbed. ist jedenfalls «scharf», so
daß Zusammenhang mit Borste, Bürste, wohl
auch Barsch (s. d.), wahrscheinlich ist.
Barschaft, f.: bares Geld. AIhd. har-
schaft f. (Germ. 28, 360 vom J. 1363).
Bart, m. {-es, PI. Barte): Kinn- imd
Backenhaar; dem herabhangenden männlichen
Kinnhaar Ähnliches. Mit Dehnung des a aus
mhd.-ahd. hart m.; dazu ndl. haard m., ags.-
engl. heard m., afries. herd m. (anord. dafür
skegg n.). Vei-wandt ist abg. hrada, lit.
harzdä f. und (mit h für dh) lat. harha f.
«Bart». Vgl. noch Pedersen Idg. Forsch. 5,
72 f., Walde KZ. 34, 505. Redensart: um des
Kaisers Bart streiten d. h. um Dinge, die
sich nicht entscheiden lassen.
^ Barte, f. (PI. -«): Beil mit breiter
Schneide (Luther Ps. 74, 6, noch jetzt obd.
und md.). Mhd. harte, ahd. harta f., dazu
asächs. harda f., anord. barda f. «Axt». Ab-
leitung von Bart, weil das Eisen vom Stiel
in Bartgestalt herabhängt (ebenso anord.
skeggja f. «Barte» von skegg n. «Bart»); andre
Auffassung bei Walde s. v. fastigium. Vgl.
Helleharde.
^Barte, f. (PI. -w): Fischbeinzahn in der
oberen Kinnlade des Walfisches. Bes. im PI.
Barten, entsprechend ndl. baarden, schwed.-
dän. harder. Auch franz. les harhes, span.
las harbas zvi franz. harbe f., span. barba f.
«Bart». Der Xame, weil die aus der oberen
Kinnlade herabhängenden Zähne den Bart-
haaren verglichen wurden.
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 3. Anfl.
Barthel, Kürzung der Personennamen
Bartholomäus oder Barthold (ndd. füi- Bert-
hold, s. d.). Redensart: der weiß, wo B.
den Most holt (schon im 17. Jh.), d. h. er
versteht sich auf alle Kniffe. Aus der Gauner-
sprache vgl. DWB. s. V. Most.
Bartholomäus, Mannsname. Aus gr.-
lat. BartJiolomaeus, dies aus hebr. bar talmai
«Sohn des Furchen- oder Landreichen».
härtig, adj.: einen Bart habend. Dafür
mhd. hartoht.
Barütsche, Birütsche, f. (PI. -n):
halbbedeckter Wagen in Österreich. Aus ital.
harocdo m. «zweiräderiger Karren», aus dem
gleichbed. mlat. härrota f., lat. bhota f.
«leichtes zweiräderiges Fuhrwerk», eig. F.
des als Subst. gebrauchten Adj. birotus «zwei-
räderig». Bei Blumauer An. 2, 22 Pirutsch,
1, 14 Pierutsch n., bei Thümmel Reise 7, 250,
253 Perutsche f.
j Bas, m. : «Meister» als ehrende Anrede
I (des Gesindes an den Herrn, der Gäste an
den Wirt), auch ndl. haas, dän.-schwed. (ent-
! lehnt) has «Obmann». Im Friesischen und
j Westnd. heimisch, 1597 bei Kilian als baes
'«amicus, herus, paterfamilias» und 1767 im
brem. Wb. 1, 58 als Baas «Meister» ver-
zeichnet, später z. B. bei Immermann Münch-
hausen 2. Buch 5. Kap. Man bringt Bas
mit Base (s. d.) in Verbindung, so daß es
urspr. Kosewort für Vater oder Oheim wäre.
Basalt, m. {-es, PI. -e): dichte, aus Augit,
Labrador (einer Feldspatart) und Magneteisen
bestehende vulkanische Felsart. Aus gr.-lat,
basaltes m. (Phnius hist. nat. 36, 11), urspr.
afrikanisch. In deutscher Form erst im 18. Jh.
Basar, m. {-s, PI. -e), (früher Bazar ge-
schrieben) auch Bäzar (Schiller Br. v. Messina
V. 813): Reihe kostbarer Warenläden urspr.
an orientalischen Handelsplätzen. Aus frz.
bazar ra., das auf persisch häzär «Marktplatz»
beruht. Schon 1582 bei RauwolfF Reise 36
Batzar, bei Hulsius Schiffart 15, 61 Basart;
Jablonsky 1721 erklärt B. als eine aus Kauf-
mannsläden und Gewölben bestehende Straße,
später auch in erweiterter Bed.
hasch, s. barsch.
Base, f. (PI. -n) : Verwandte, Tante (auch
als ehi-ende Anrede üblich), Geschwisterkind.
Mhd. base, ahd. basa f. «Vaterschwester», wäh-
rend mhd. muome, ahd. muoma f. (?. Muhme)
«Mutterschwester». Doch schon 1482 im Voc.
theut. c 6 '"^ und bei Keisersberg J5ase «Vater- und
Mutterschvvester»,beiTrochusE2'^ eine medder
11
163
Base
Bastard
164
oder wasze, «soror matris», bei Luther Wase
«Vaters- oder Mutterschwester (7, 230 •"» Jeu.),
Frau von des Vaters Bruder» (3. Mos. 18, 14),
aber bei dem gleichzeitigen Alberus Dict. ee 3^
was f. «Vaterschwester» und überhaupt «Ver- ;
wandte» (lat. cognata), auch Fab. 46, 11 Wase,
Was f. Dies Wase findet sich schon im 10. Jli.
als wasa und mhd. (bei dem Hessen Herbort
V. Fi-itzlar) als luase: später noch öfter bei
"Mittel- und Niederdeutschen (Geliert 3, 335,
noch Heynatz 1775 erwähnt die Form). Base
und Wase gehören urspr. wohl der Kinder-
sprache an und sind vielleicht durch Kürzung j
aus ahd. faterswestar entstanden, vgl. ags. !
faäu, afries. fethe «Vaterschwester» zu Vater,
vgl. Bas. Anders, aber gar nicht überzeugend
Wiedemann BB. 27, 225.
Base, l)asiereu, s. Basis.
Basilikum, n. ( -s) -. das Königskraut. Das
gr.-mlat. hasilicum n., eig. das als Subst. ge-
brauchte N. des lat. Adj. hasiliais, gr. ßaciXiKÖc
«königlich» (von ßaciXeüc m. «König»). Der
Name wegen des edlen, gewürzhaften Duftes,
den das ganze Gewächs von sich gibt. Mhd.
finden sich die Formen hasilie f., hasilig m. f.
Basilisk, m. (-en, PI. -671): die fabelhafte,
Kopf, Flügel und Füße des Hahnes an sich
tragende Schlange, deren Blick tötet. Mhd.
hasiliske aus gr.-lat. basüisais, gr. ßaciXicKoc m,
«die asjatische Königseidechse» (von ßaciA,eüc
m. «König») und der Name daher, weil man
sie wegen eines weißen Flecks auf dem Kopf
als gekrönt ansah (Plinius bist. nat. 8, 33).
Basis, f. (PI. Basen): Fußgestell, Grund-
lage, Gnindfläche, Grundlinie, Grund, worauf
etwas beruht. Mhd. hasis f. aus gr.-lat. hasis f.
«Fuß-, Untergestell, Grundmauer», gr. ßdcic f.
«Schritt, Gang», dann «Fuß, Fußsohle, Grund-
lage, Grundgestell», von ßaiveiv «gehen». Dar-
aus auch franz. hase f. (das als Base «Scha&t-
Gesimse» 1716 in Wolifs math. Lex. und 1787
bei Goethe 31, 112 erscheint). ABL. basieren,
V.: worauf gründen. Aus franz. haser, einer
Ableitung von base. Erst um 1800.
Baß, m. (Gen. Basses, PI. Bässe): die
tiefste Stimme; dieser Stimme gemäßes großes
Streich-Tonwerkzeug. Aus dem gleichbed.
ital. basso m., das auf mlat. bassus «dick,
fett», dann «niedrig» zurückgeht. Im 15. Jh.
entlehnt. ABL. Bassist, m. (-ew, PI. -en):
Baßsänger (1517 bei Trochus prompt. C 4^
bassiste m.).
baß, altertümliches Adv.: besser; mehr,
leichter, eher; (als Positiv genommen) tüchtig,
sehr. Mhd. ahd. &aj: dazu asächs. bat, bet,
ags. bet, anord. betr: got. *batis (nach dem
Adj. batiza) ist nicht erhalten. Es ist (im
Westgerm, mit abgefallenem Komparativ-
suffis) das Adv. zu dem Adj. besser (s. d.),
als Positiv gilt wohl. Dazu mit Ablaut
Buße (s. d.). iVls verwandt stellt man hin-
zu skr. bhadräs «glücklich, vorzüglich», doch
ist dies wenig wahrscheinlich, da das ind. a
auf 71 zuiückgeht.
BaSSiu, n. (-S, PL -.9): Wasser-, Brunnen-
becken. Aus franz. bassin m. «Becken», das
mit ital. hacino m. aus dem gleichbed, mlat,
bacimim n. (s. Becken) beruht. Im 18. Jh.
entlehnt.
Bast, m. {-es, PI. -e), selten n. (Bürger 246) :
die unter der äußern Rinde liegende innere,
besonders insofern sie zum Binden und Flechten
dient; als Binde- und Flechtmittel taugliche
Pflanzenhaut: Haut des Menschen, bei den
Jägern des Hii-sches usw. ]Mhd. bast m. n.
(ahd. nicht belegt); dazu ndl. bast m. ags.
b(Bst m., engl, hast, anord.-schwed. hast n,,
dän. bast m. Dazu mhd.-ahd. besten «binden,
schnüren» und (mit Ablaut) &«<os^ «Baststrick»,
wozu auch gehört ital. imbastare, franz. bätir
(aus hastir) «mit weiten Stichen zusammen-
nähen, heften», ferner wohl auch span.-ital.
basto, franz. bat «Saumsattel», vielleicht auch
ital. bastone, franz. bäton m. «(geschälter, ent-
basteter) Stab». Vielleicht zu lat. fascia «Binde,
Band, Bandage», fascis «Bund, Bündel, Paket»,
ir, bask «Halsband», vgl. Walde s, v. Auch
ist ganz entfernte Verwandtschaft mit bmden
denkbar,
basta!: genug! genug davon! Der ital.
Imp. basta des ital.-mlat. bastare, span.-port.
bastar «genug sein, him'eichen». Schon 1617
im teutschen Michel augeführt,
Bastard, m, {-es, PI, -e): außerehliches
Kind, besonders das mit einer Uneben-
bürtigen erzeugte. Mhd. bastart und basthart
(diese Form auch noch ältemhd.) m. «un-
echtes Kind», besonders einerseits von hoher
Herkunft, dann auch unechtes Zeug. Das
Wort ist aus dem Roman, entlehnt (afranz.
bastard, jetzt hätard, ital.-span.-portug. bastardo
m.). Ällat. hastardus m. kommt zuerst in
der 2. Hälfte des 11. Jh. von Wilhelm dem
Eroberer, dem natürlichen Sohne des Herzogs
von der Normandie Robert II. (des Teufels)
vor. Afranz. bastard zeigt in zweiter Sübe
das auch sonst als Suffix verwandte deutsche
-hart, und bast erscheint als selbständiges Wort
165
Bastei
Batzen
166
in dem in Urkunden des 13. u. 14. Jh. für
B. vorkommenden Ausdruck fils de hast. Dies
afranz. hast «ungesetzliche Ehe» geht zuiiick
auf mlat. hastmn, franz. hat, ital. hasto (s. Bast)
« Saumsattel», also B. s. v. a. auf dem Saum-
sattel Erzeugter, denn Saumsättel dienten den
Maultiertreibern des Südens, wie z.B. Spaniens
und der Provence, in Wirtshäusern zu Betten,
auf denen Verkehr mit Mägden stattfand.
Vgl. Bankert in seinem Ursprünge.
Basteijf. (PI. -enj -. Bollwerk einer Festung.
Spätmhd. hastte aus ital. -mlat. hastia f. von
mlat. hastire, franz. hätir (fmher hastir) «bauen».
basteln, v. : kleine Handarbeit machen,
mangelhaft zurecht machen. Ein der Um-
gangssprache angehöriges Wort (bei Adelung
und Campe noch nicht verzeichnet), das aber
schon seit dem 1-5. Jh. vorkommt (Schmeller - 1,
297), fi-üher hästeln (hei Stieler 1691 hestelen),
eig. wohl -dimin. Bildung zu mhd. hesten
«binden, schnüren» (s. Bast), also «notdürftig
zusammenbinden, zusammenflicken, oberfläch-
lich arbeiten».
Bastion, f. (PI. -en): was Bastei (s. d.).
Aus franz. hastion nach ital. hastione m., das
gleichen Ursprungs mit ital. hastia (s. Bastei).
Im 17. Jh. entlehnt.
Bastonnade, f. (PI. -n): Tracht Prügel,
Stocksclaläge. Aus dem gleichbed. fi'anz.
hastonnade f., das auf ital. hastonata (von
hastone, franz. häton m. Stock) zurückgeht.
Schon 1617 im teutschen Michel angeführt.
Bataillon, n. (-s, PI. -e) -. Kriegsschar als
größte Abteilung eines Regiments. Aus franz.
hataillon m. nach ital. hattaglione m., abge-
leitet von franz. hataille, ital. hataglia f.
«Schlacht», das auf einem volksmäßig lat.
hattalia, eig. hatualia (PI. eines Ntr. hatuale
als Kollektiv) beraht, von lat. hatuere, mit
Verdoppelung des t später hatfere (woraus
franz. hattre) «schlagen, kämpfen». 1616 bei
Wallhausen Kriegsmanual 116.
Batengel, m. {-s, PI. wie Sg.): heilkräf-
tiger Gamander: Lachenknoblauch (teucrium
scordium); Schlüsselblume (primula veris)
u. a. Umgestaltet aus mhd. hatonie, hatenie,
batenge, das auf lat. hetonica beruht, viel-
leicht unter Einfluß eines Dim. hetonieida.
Die Form Bafhengel schon im 16. -Jh.
Batist, m. (-es, PI. -e) : feinste Leinwand.
Aus franz. hatiste f. Der Name soll auf
Batiste (Baptist) Chambray aus Cantaing zu-
rückgehen, der im 1.3. Jh. die Leinwandweberei
in Flandern sehr in Aufnahme brachte.
batten, V. : wozu helfen, wozu dienlich sein,
nützen. Unpersönl. es hattet mich «es nützt
mir». Nur noch mundartlich (in Nieder- und
dem westlichen Mitteldeutschland, im schwäb.-
alem. Gebiet, Bayern). Im 16. Jh. wird das Wort
noch gebraucht von Alberus (auch im Dict.
11 4* es hatt), Scheidt, Fischart. Mhd. hafen,
abgeleitet von hate f. (?) «Förderung, Nutzen».
Mnd.-ndl. baten «helfen, nützen», mnd. hate
f. n., ndl. haat f. «Vorteil, Gewinn» können
nur unter der Voraussetzung herangezogen
werden, daß das Wort aus dem Ndd. ins
Hd. eingedrungen ist, wofür spricht, daß es
im Mhd. eine geringe Verbreitung hat (hatten
bei dem Sachsen Albrecht v. Halberstadt,
bäte bei Herbort, im Passional und sonst ver-
einzelt, 1482 im Voc. theut. c 6* bathunge
«Nutzen» und daselbst qq 2^ das abgeleitete
hadmen). hatten würde dann zu haß gehören.
Doch erscheint schon ahd. unpata «unbehilf-
lich, langsam» und das asächs. gibada f. «Hilfe,
Trost» scheint für eine Wurzel had (mit hd.
Verschiebung hat) zu sprechen, vgl. auch nass.-
hess. unhädem m. «Unheil», hatten wäre dann
mit den ndd. -ndl., in der Bedeutung über-
einstimmenden Wörtern nicht verwandt. Ein
mundartliches (ostfränk.) harten aus *hearten
«gedeihen» ist fernzuhalten.
Batterie, f. (PI. -n): Geschützstand; die
Geschütze eines Geschützstandes; Pfannen-
deckel am Gewehrschlosse; Flaschenreihe zu
elektrischen Versuchen. Aus franz. batterie f.
eisr. «Schläcrerei, Gefecht, schlafende Kriegs-
schar», aus mlat. hatteria von mlat. hattere,
franz. hattre «schlagen» (s. Bataillon). 1617
bei Wallhausen Corp. mil. S. 210 Batterei und
S. 215 Batterie, 1616 im Kriegsmanual 76
Batteria und Batterie.
Bätz, s. Petz.
^Batzen, m. (-s, PI. wie Sg.): ehedem
Münze von 4 Kreuzern rheinisch; Geld über-
haupt, z. B. der hat B. «viel Geld». Früher
Batze, Gen, Batzen. Um 1492 als kleine
Münze zu Bern mit dessen Wappen, dem
Betz (s. Petz) d. i. Bären geprägt (1562 bei
Mathesius Sar. 234 ** Schweitzer patzen haben
vom bern oder petzen den namen), darum
auch früher Betzen. Vgl. Kreuzer, Pappen.
Doch ist fradich, ob nicht eig. mit "^Batzen
identisch als «dicke Münze», vgl. Groschen.
^Batzen, m. (-s, PI. wie Sg.): Klumpen
von Lehm oder sonst einer weichen, klebrigen
Masse. Mundartlich (schon frühnhd.), dazu
auch ein V. batzen «klebrig, weich sein,
11*
167
batzig
Baner
168
zusammenkleben». Vielleicht zu backen (aus
hackzen, hackezen).
batzig, s. patzig.
Bau, m. {-es, PI. Baue, Bauten [s. d.]):
Bearbeitung des Bodens zu Ertrag und Ge-
winst, Betrieb der Bergwerke, was gebaut,
d. h. zum Aufenthalt errichtet oder gemacht
wird; Handlung des Bauens usw.; (über-
tragen) Anlage, Gestaltung. ]\Ihd. hü (Gen.
huwes) m. n., ahd. hü m. : dazu asächs. hü n.,
ndl. houw m., anord. hU n. «Wohnung»,
schwed.-dän. ho n. Von hauen (s. d.).
Bauch, m. {-es, PL Bäuche): der den
Magen, übei'haupt die Eingeweide enthal-
tende Körperteil ; vortretende Wölbung. Mhd.
hüch (PI. hiuclie), ahd. hüh m. (PI. hühhi);
dazu ndl. hiiik m., ags. hüc m., anord. hükr
m. «Leib, Köi-per», schwed. buk m., dän. hug
«Bauch». Die Herkunft ist vmsicher. Viel-
leicht ist gr. q)ücKri «Magen, dicker Dai'm»,
aus *q)UTCKri verwandt. Anders Osthoff Bezz.
Btr. 29, 254 f., der als Urbedeutung «Gefäß
aus Buchenholz (s. Buche), rundes Gefäß» an-
sieht, vgl. zur Bedeutungsentwicklung Bottich,
engl, hody «Körper». ABL. baucheu, refl.
V.: sich wie ein Bauch biegen, bauchig, ad].:
bauchai-tig (in Zusammensetzungen häuchig,
z. B. dick-, großbäuchig), mhd. hücheht, bei
Stieler 1691 hauchig, beuchig. bäuchlings,
adv.: auf dem Bauche liegend, mhd. (mit der
adv. Endung -en) hiuchelingen. ZUS. bauch-
bläsig, adj.: schweratmend mit Husten ver-
bunden, von Pferden (1768 bei Moerbeek
38 <^). Bauchfluß, m.: Durchfall (bei Maa-
1er 1561). Bauchgrimmen, n.: Leib-
schmerzen. Mhd. in gleicher Bed. grimme
m., bei Luther grimmen n. Es liegt jeden-
falls Vermischung mit mhd. krimmen «knei-
pen» vor, wie auch daneben Bauchkrimmen
(noch bei Rückert 2, 141) vorkommt.
Bauche, f. (PI. -n)-. das Einweichen in
Lauge. Frühnhd. (bei Montanus 397, 28 die
Wäsche selbst). Von bauchen oder bau-
chen, V. : durch Lauge weichen. In Nieder-
und dem westlichen Mitteldeutschland, so-
wie im Schwäb.-Alemann. üblich. Spätmhd.
buchen, hiuchen; dazu rand. büken, engl, huck,
schwed. byka, dän. byge, böge. Da das Wort
den altgerm. Dialekten fehlt, denkt man an
'Entlehnung aus dem Roman. Vgl. afranz.
buer (mit Verlust eines Gutturals) «bauchen»,
eig. «durch ein mit kleinen Löchern ver-
sehenes Tuch seihen», zu ital. hucare «ein
Loch (ital. buca f.) stechen»; dazu noch
franz. huee f. «das Laugen» (dui*ch Durch-
laßlöcher), «Waschen mit Lauge», ital. bucato
m. «Wäsche». Entsprechend gehört Schweiz.
sechten,hajr. sechteln «laugen» znseihen. Andre
nehmen besser an, daß die roman. Wörter aus
dem ndd. büken entlehnt sind, und bringen
dies mit Bauch in Zusammenhang. Neuer-
dings geht Osthoff Besz. Btr. 29, 249 von
einem urgerm. *bük «Buche» aus (im Ablaut
zu gr. cpriYÖc «Eiche», lat. fägus stehend),
dessen Bedeutungsentwicklung zu «Gefäß aus
Buchenholz, Waschkübel» usw. führt.e.
Bauchfluß, -grimmen, bäuchig,
bäuchlings, s. Bauch.
Baude, f. (PI. -n): Hirtenhütte auf den
Gebirgen von Schlesien, Böhmen und Sachsen.
Nebenform von Bude (s. d.). Ein schlesisches
Wort, das Gombert 6, 12 aus schlesischen
Urkunden des 15. Jh. nachweist; verzeichnet
1734 bei dem Schlesier Steinbach. Vgl. noch
Lohmeyer Mitt. der Litauischen lit. Ges. 5, 57.
bauen, v. : (veraltet) wohnen, bewohnen;
zum Aufenthalt ei'richten oder herstellen;
durch Bearbeiten erzeugen, tragbar machen.
Mhd. hüwen, hiuwen, bouwen (Prät. schwach
hüte, bouwete, aber Part, stai'k gehüiven, ge-
bouwen), ahd. büan (Prät. hüta, Part, gi-
büan); dazu asächs. büan, ndl. bouwen, ags.
büan «wohnen», anord. büa (Prät. noch stark
ty'ö)j schwed.-dän. bo «wohnen», got. bauan
(Prät. bauaida, aber Part, stark bauans)
«wohnen». Das V. stimmt mit lat. fui «ich
bin gewesen», gr. qpüeiv «hervorbringen,
schaffen», qpövai «entstehen, werden», lit. büti,
aind. hhü «sein». Über die Grundbedeutung
vgl. Meringer Idg. Forsch. 18, 263 f Vgl. auch
hin. Das Part.-Prät. lautet älternhd. auch noch
gehauen (z. B. Moscherosch Phil. 1, 130), wie
noch jetzt obd., doch hat Luther gebawet.
■^ Bauer, m. und n. {-s, PI. wie Sg.):
gegitterter Behälter für sonst wilde Vögel.
Frtihnhd. Baur. Älhd. hur m. (PI. biure) schon
in jener Bed., aber ahd. bür m. (PI. büri) «auf-
erbauter Behälter, Kammer, Zelle, Haus»;
dazu asächs. hUr, ags. bür n. «Wohnung»,
engl, hotver «Laube, Hütte», anord. bür n.
«Gemach, Speisekammer», schwed. hur m.,
dän. hur n. «Gemach, Käfig». Mit ableiten-
dem r von bauen. Das N., das wohl eig.
dem kollektiven Gehauer (so z. B. schlesisch
für Bauer) zukommt, tritt erst im 17. Jh.
auf, doch bleibt das M. üblicher (Adelung
hat das B. und erklärt das M. für mund-
artlich).
169
Bauer
baumstark
170
^Bauer, m. (s, PI. wie Sg.): Bauender,
Noch in Äckerhauer, Erbauer. Mhd. hüwaere,
ahd. hnäri, mittels -er (s. ^-er) ahd. -äri
abgeleitet von ahd. hüan. Verschieden von
dem folgenden Bauer.
^Bauer, m. i-n, PI. -n): wessen Be-
schäftigung ist Ackerbau zu treiben ; Mensch
ohne feine Sitten: eine der geringsten Fi-
guren (der Soldaten) im Schachspiel. Früh-
nhd. Banr ( Gen. Bauren). ^Ihd. Mir, friiher
gehür, gebüre (Gren. gehuren, auch gebüres),
ahd. gibtiro und gibür «Einwohner, Mitbür-
ger, Landbewohner», gebüdet von gi- hier
«mit-» und ahd. bv.r <;Wohnung» (s. ^Bauer),
also eig. «Mit wohner, Dorfgenosse» (vgl. auch
Nachbar). Die mhd. neben der schwachen
vorkommende starke Flexion zeigt sich jetzt
noch im Sg. (Bauers Logau 1, 3, Dat. Bauer
Schüler TeÜ 2. 1 1. ABL ^Bäuerin, f., mhd.
gebiurinne.- bäuerisch, bäurisch, adj.,
mhd. gebiuriscli. l)äuerlich, adj., mhd. ge-
biurlich. Später veraltet, aber von Heynatz
1796 empfohlen. Bauersame, f.: Gesamt-
heit der Bauern als Gemeinde. Ein alem.
Wort, um 1.300 gebürsami (-sami wohl aus
-*samni entstanden ). Bauerschaft, f., mhd.
gebürschaft ZUS. Bauersmauu, m., mhd.
geburman und (Zusammensetzung mit dem
Gen. des stark flektierenden "Wortes) gebüres
nmn, PI. gebüres Hufe. Jetzt erscheint Bauers-
in der Zusammensetzung nur hier und in den
verwandten Bauersfrau, Bauersleute, sonst
Bauer- oder Bauern-, wobei letztere Form
vorgezogen wird, wenn die Abhängigkeit be-
zeichnet werden soU. z. B. BauernJwf (hei Da-
svpodiusl537 baurenhoff), Bauernstand (Grim-
melshausen Simpl. 12 Bauren- Stand), Bauern-
stolz (beiHenischl616), dagegen Bauerbiirsche,
Bauermädchen. Bauerwetzel, m.: eine (beim
Landvolk häufige ) Halsentzündung, die mit
Geschwulst der Ohr- und Speicheldrüsen ver-
bunden ist. -wetzet scheint eig. die Bed. von ;
«Schlag» zu haben (s. Watsche), vgl. mhd. \
orwetzelinn. «Ohrfeige» und im 15. .Jh. tanne-
wetzel m. (entstellt aus tinnewetzel? tinne
«Schläfe», also eig. «Schlag vor die Schläfe»),
«eine katarrhalische Seuche». i
baufällig, adj. u. adv.: mit Einsturz dro- !
hend. L'm 1400 pauvelUg von Feldgut s.v. a.
im Bau verwahrlost, aber 1482 bei Eychmann i
Aa 1^ buf eiliger «niinosus». |
Bauflucht, s. Flucht.
Baukunst, f. Bei Hulsius 1596.
baulich, adj. u. adv.: gut im Bau, wohl er-
halten (z. B. im baulichen Stand) ; das Bauen
betreffend. Mhd. bülicli. biulich ist «zum
Bauen geeignet, in gutem Bau stehend». Die
2. Bed. von baulich gehört erst der neuem
Sprache an. ABL. Baulichkeit, f.: was
aufgebaut wird, Gebäude, Gestelle (Goethe
Faust 9027. 16, 43 usw.). Xoch nicht bei
Adelung und Campe.
Baum, m. i-es, PI. Bäume): Holzstamm-
pflanze: Holzstamm. ^Ihä. boum (PI. houme,
wie auch noch bei Harsdörfer Gespr. 1, 214
Baume, aber schon Luther mit Umlaut
Beu-me), ahd. boum m.-. dazu asächs. böm,
ndl. boom (auch «Deichsel»), afries. bäm, ags.
beam, engl, heam «Balken, Deichsel x, anord.
(mit d für g) badmr, got. bagms m. «Baum»,
Die got. imd westgerm. Fonn lassen sich
vielleicht aus einer Grundform *bagwmü-
erklären, doch ist das nicht sicher: bauen
wäre im letzten Grunde verwandt, wenn
bäum zu gr. qpöua n. «Gewächs» gehört, vgl.
Johansson Btr. 15, 224. S. noch Grienberger
Wiener SB. 142, 8, 42. ABL. -bäumen,
-bäumeu, adj.: in bim-, kirsch-, nußbaumen
usw. Mhd. ahd. boumin.
Baumel, f. (PI. -n)-. Schaukel; frei sich
hin- und herbewegendes Ziergehänge, z. B.
an der Taschenuhr, am Ohr usw. (im 18.
Jh.). Von baumeln, v.: hangend sich hin
und her bewegen (Weise Erzn. 32, bei Stie-
ler 1691 baumelen). Wohl zu bammeln, bim-
meln, bummeln (s. d.) gehörig, aber an Baum
angelehnt, vgl. Damköhler ZfdW. 1, 271.
bäumen, v.: baumähnlich aufwärts bie-
gen ( Schiller Kab. u. L. -5, 7), gewöhnlich refl.
sich b. !Mhd. sich boumen. Vgl. aufbäumen.
-bäumen, -bäumen, s. Baum.
Baumgarten, m.: Garten mit Bauman-
lagen, besonders Obstbaumgaiien. Mhd. boum-
garte m. Vgl. Bangert.
Baumöl, n.: Öl aus Oliven d. i. der
Frucht des Ölbaumes gepreßt. !Mhd. boumöl
n., bei Luther (3. Mos. 24, 2) Baumöle n.
Baumschlag, m.: eine Anzahl Bäume;
die äußere Erscheinung der Bäume, des
Laubwerks und ihre Wiedergabe bei Malern,
Kupferstechern usw. In der 2. Bed. bei
Adelung 1774. S. Schlag.
Baumschule, f.: Anlage zur Zucht jun-
ger Bäume. 1640 bei Comenius Sprachen-
thÜT 93, 382.
baumstark, adj. und adv.: stark wie
ein Baum. Frühnhd. (1482 bei Eychmann
Z 8^ baumstarck machen «robui-are»).
171
Baumwolle
beben
172
Baumwolle, f.: die nacli Herodot 3, 106
aus Indien stammende, auf einer baumartigen
Staude wachsende Wolle. Mhd. im 12. Jh.
boumwolle, houmwol (Erec 7703) f. ABL.
baumwollen, adj., spätmhd. (1380 houm-
wollen Germ. 28, 360).
Bausback, s. Pausback.
Bausch, m. {-es, PI. Bäusche): ausge-
dehnter Wulst; dickgelegte Verbandleinwand;
Gebund Stroh. Redensart: in B. und Bogen
«eins mit dem andern, ohne auf mehr oder
weniger zu achten», eig. «mit auswärts sich
dehnender Grenzfläche [B.) und mit einwärts
biegender (Bogen)». Mhd. Msch m. ist «stump-
fer, schwellenmachender Schlag, Beule, Sat-
telschwulst». Von bauschen, v. : wulstartig
schwellen machen. Mhd. huschen, hiuschen
«schlagen, schwellen machen». Verwandt ist viel-
leicht russ. buchnuü «schwellen, sich werfen»,
neuslow. huhnoti «anschwellen», vgl. Wad-
stein Btr. 22, 240. Spätmhd. und älternhd. er-
scheint auch hüsen, baMse?? «aufschwellen, her-
vorstehen, schwelgen» (dazumnd. bilsen, engl.
house «schlemmen, zechen»), baus f. «schwel-
lende Fülle» und auch später gehen bausen
und bauschen nebeneinander (Stieler 1691
hat bausen und hausten, auch Adelung kennt
noch bausen, vgl. aufbauschen), huschen steht
neben hüsen wie mhd. krischen neben kri^en,
lüschen neben lü^en, Grundbed. wohl «schla-
gen», wie jetzt noch vielfach mundartlich,
vgl. noch mhd. hü^en «schwellen», Schweiz.
hüss «Schlag, Beule». ABL. bauschig,
adj.: irühnhä. bauschecht. Yg\. a-uch Bauschet
und Pauschal-.
Baute, f. (PI. -n): Aufführung eines
Baues; aufgeführter Bau. Adelung 1774
führt Bauten als niedersächsischen PI. zu
Bau an, ebenso Heynatz 1775 als ein kame-
ralistisches Wort; Jean Paul gebraucht 1801
den Sg. Baute, ebenso Goethe im Faust 11157.
Er geht auf mnd. hüwete f. «Bau» (büwete
n. «Gebäude») zurück, dagegen mhd. mit
Verschiebung des t gebüwege n. «Gebäude».
Bauwerk, n.: Erzeugnis der Baukunst,
Gebäude. Mhd. hüwerc n. (Altd. Pred. 1,
358, 30 Schönbauh).
bauz! Interj. des aufschlagenden Falls.
Aus der mittel- und nordd. ümgangsspi-ache
1781 bei Kindleben angeführt (1775 bei
Goethe Götz 3, bei Voß 1, 282).
baxen, refl. v.: ringend schlagen. Aus
nd. baksen d. i. baks (Schläge) geben. Aus
der Umgangssprache bei Kindleben 1781 an-
geführt (bei Bürger 59, Schiller Fiesko 5, 7,
Blumauer An. 2, 153, hinausbaxen bei Voß
1, 277). Vgl. boxen.
Bayer, m. [-n, PI. -n), Volksname. Mhd.
Beier, ahd. Baigari, Baigiri, mlat.-germ.
(seit 6. Jh.) Bajoarius, Bajuvarius, der aus
Baja oder Bohemum Stammenden, d. i. einer
von den früher dort angesessenen Marko-
mannen, auf die der Name des von ihnen
aus dem Lande vertriebenen Volksstammes
der Boji allmählich übergegangen war. Da-
von der Landesname Bayern, mhd. Beiern
für ze den Beiern, also Dat. PI. des Volks-
namens, und das Adj. bay[e]risch, mhd.
heierisch.
be-, eine untrennbare stets unbetonte
Zusammensetzungspartikel, die allseitige Ein-
wirkung, voUe Bewältigung, ein tätiges ein-
wirkendes Nahesein, endlich bloß Verstär-
kung des Begriffes des einfachen Wortes
ausdrückt. Mhd. he-, ahd. hi-, als abge-
schwächte Form neben bi- Präp. «bei»;
dazu asächs. hi-, ndl. he-, afries. hi-, ags.
bi-, he-, engl, be-, got. hi-, im nord. urspr.
fehlend. Li manchen Wörtern erscheint he-
zu bloßem h abgeschwächt, s. hange, harm-
herzig, Beichte, binnen, bleiben, Block. Die
mit he- zusammengesetzten Verba sind Tran-
sitiva und gehen zunächst auf Verba, dann
aber auch auf Subst. und Adjektive zurück,
indem das vortretende he- hier einerseits
das Vorhandensein oder Betätigen wovon
oder das Versehen womit, anderseits das
Wozumachen ausdrückt; viele der von No-
minibus gebildeten Verba nehmen nach dem
Muster der von Adj. auf -ig ausgehenden
die Endung -igen an, z. B. beschädigen, be-
kreuzigen, beköstigen. Allen mit he- zu-
sammengesetzten Substantiven liegen Verba
gleicher Zusammensetzung zugrunde.
Beamte, m. (mit adjektivischer Flexion
ein Beamter, der Beamte, Gen. eines, des
Beamten , PI. Beamte, die Beamten) : wem
1 ein Amt übertragen ist. Bei Henisch 1616.
Von beamt, der verkürzten Form des Part.-
j Prät. beamtet, von dem frühnhd. V. heamten
\ «mit einem Amt versehen».
bearbeiten, v.: Arbeit verwenden auf.
Spätmhd. erscheint sich h. «sich bemühen»,
was auch das ältere Nhd. noch kennt; Stieler
1691 hat auch bearbeiten «labores subire»,
die jetzige Bed. bei Frisch 1741.
beben, V. : in geschwinder Wellenbe-
wegung sein, besonders starker und nach-
173
Becher
bedenten
174
haltiger. Das e der 1. Silbe wird jetzt teils
oifen (z. B. in Sachsen, danach bei Adelung),
teils geschlossen gesprochen. Mit e für %
(bei Luther, fiiiher selten in md. Quellen)
aus nihd. hilien, ahd. hihen: dazu asächs.
hitön, ags. heofian, anord. bi/a, schwed. häfva,
dän. häve. Verwandt ist ai. hhls f. «Furcht»,
dazu das dem Deutschen genau entsprechende
reduplizierende V. htbheti «er fürchtet sich»,
abg. hojq^ sg «ich fürchte mich», lit. hijoti-s
«sich fürchten», häime f. «Furcht». Luthers
heben hat das früliere obd. hidmen (s. d.) ver-
drängt. ABL. beberu, v. (bei Bürger):
«heftig beben». Iterative Bildung, entsprechend
anord. hifm, dän. häire. Bebung, f. (Schiller
Kab. u. L. 4, 2).
Becher, m. (-s, PI, wie Sg.): Tiinkge-
schirr. Mhd. hecher, ahd. hehJiar, hehhari
m., dazu andd. hikeri, ndl. heker, anord.
hikarr m.,. schwed. hägare n., dän. hager n.
Aus mlat. hiccarmm n. (ital. hiccMere m.
«Glas»), das auf gr. ßiKoc m. «Gefäß» zurück-
geht. Auch Kelch (s. d.) ist entlehnt. ABL.
bechern, v. : den Becher weidlich leeren
(im 18. Jh.).
Beck, s. hacken.
Beckelhaube, s. Pickelhaube.
Becken, n.: flaches scheibenförmiges Ge-
fäß zum Aufnehmen einer Flüssigkeit; Me-
tallscheibe zum Aneinanderschlagen in der
Musik; rundliche Vertiefung zwischen erha-
ben,en Stellen. Mhd. heckin, hecken, hecke
n. , ahd, hecchin, hecchi n. Aus spätlat,
bacclnum n. «Becken» (bei Gregor v. Tours
9, 28 hacchinon n. «flache hölzerne Schale»,
ital. hacino, franz. hassin m. «Becken»), ab-
geleitet von bacca f, «Wasserfaß», s. Back.
bedacht, adj., eig. Part.-Prät. von be-
denken: gesammelter Gedanken worüber oder
worauf seiend. IVIhd. heddht. Davon Be-
dacht, m. IVJbd. heddht f. (in vor- heddht),
im 15. Jh. auch bedacht m. ABL. bedäch-
tig, adj. u, adv. jMhd. hedcehtic, ahd. hidäh-
tic. bedächtlich, adj. u. adv. Als Adv.
im 15. Jh. z. B. um 1480 im Voc. ine. teut.
p. 3^ pedechtlich «premeditative». bedacht-
sam, adv. u. adv. Friihnhd. (Fischart Binenk.
231 a).
Bedarf, m. (-es)-, das wozu Erforder-
liche. Aus dem Präs. von bedürfen gebildet.
Schon mnd. bedarf, hederf, aus der Kanzlei-
sprache von Henisch 1616 angeführt, nach
Adelung 1774 veraltet, doch von Campe Be-
reicherung 1795 empfohlen.
bedauern, v,: Leid worüber haben oder
äußern. Aus mhd. hetüren und (seltener)
betiuren (unpersönlich, mich hetüret, hetitiret
eines dinges), das zunächst «tiure (teuer) sein,
viel kosten, schätzen» bedeutet, dann «hoch
anschlagen, schwer drücken, verdrießen, Leid
verursachen». S. ^dauern. Bei den Mttel-
, deutschen des 17. Jh. gewöhnlich betauren,-
hetauern, so noch Lessing 2, 167. AJBL.
bedauerlich, adj., bei Stieler 1691.
Bede, f. (PI. -%): Abgabe, die ursprüng-
lich Freie bezahlten. Mit ndd. und westmd,
d für t entsprechend mhd. bete f, «Bitte»,
dann auch «erbetene Unterstützung, Abgabe»,
besonders der Freien, ahd. heta f. «Bitte»
zu bitten. Es erscheint z. B. 1417 als bede,
rente, stüre (Jansen Frankf. Reichskorr. 1,
305), 1540 bei Alberus Dict. G2^ als hed
(doch heet pp 4^ und xx 4^^), dann im
17. Jh. (Stieler Beede und Behte), wähi-end
hd. Quellen anfangs het, hett (1587 Dasypo-
dius) haben, das auch später noch vorkommt
(Goethe Faust 10947 BetW).
bedenken, v.: von allen Seiten in Ge-
danken betrachten; (einen) an ihn denkend
begaben. Refl, sich b.: von allen Seiten Über-
legung anstellen. ]VIhd. bedenken, ahd. biden-
chen (in der Bed. «beschenken» erst spätmhd.,
dann mhd. auch in der von «Verdacht auf
— befallen werden», vgl. Bedenken, bedenk-
lich). Der Inf, als Subst. Bedenken, n. : Über-
legung, zweifelnde Überlegung. In der Kanz-
leisprache des 15. Jh. ABL. bedenklich,
adj. u. adv.: in zweifelnder Überleguag be-
fangen; zweifelnde Überlegung hervorrufend.
Fiühnhd. (Rollenhagen Froschm. 331). ZUS.
Bedenkzeit, f. Frühnhd.
bedeuten, v.: zum Verständnis bringen;
wozu anweisen; Anzeichen wozu sein; Gel-
tung haben; von Wichtigkeit sein. Mhd,
bediuten «völlig zum Verständnis bringen,
geistig woraufhinzeigen, klar anzeigen». Das
Part.- Präs. bedeutend bed. als Adj. auch
«von erheblicher Wichtigkeit, ansehnlich»
(in dieser allgemeinen Bed. namentlich durch
Goethe aufgekommen, Adelung kennt es nur
als «Wichtiges anzeigend», wie auch noch
oft bei Goethe). Davon (mit ausgefallenem
d) Bedeutenheit f. (Goethe 46, lo 1. H.).
ABL. bedeutsam, adj. u. adv. Um 1770
aufgekommen und von Adelimg 1793 als
neugebildetes Wort verzeichnet; Goethe ver-
wendet daneben auch deutsam (27, 122).
Davon Bedeutsamkeit (Goethe 22, 132. 174,
175
bedienen
Beet
176
daneben Deutsamkeit N.W. 1, 266). Bedeu-
tung, f. Mhd. hedmtunge f. ist «Auslegung»,
im 15. Jli. im jetzigen Sinn.
bedienen, v.-. durch Dienstleistungen
sorgsam versehen. Frühnhd. Refl. sich wessen
&.: «ihn, es wozu gebrauchen». In dem älter-
nhd. bedient sein «dienlich sein» hat bedient
aktive Bedeutung. Daher Bediente, m.
(mit adjektivischer Flexion): Dienei'. Im
17. Jh. (Zesen Ibr. 451). Auch Bediente f.
(Geliert Lustsp. 273). ABL. Bedienung,
f., bei Krämer 1678.
Beding, n., auch m. (-s), fast nur in mit
dem B.: beschränkende Bestimmung. Bei
Luther, aus der Kanzleisprache (mhd, dafür
gedinge n.). Von bedingen, v. : durch Ver- j
handlung oder als Unterstellung festsetzen;
beschränkend bestimmen; als etwas Abhän-
giges, damit Verbundenes, daraus Hervor-
gehendes usw. notwendig machen. Mhd. &e-
(irngfew «Vertragsbestimmungen festsetzen», wo-
für ahd. gidingon oder auch bloß dingön, von
mhd.-ahd. dinc n. «rechtliche Verhandlung, Ver-
trag». Die Flexion ist ursprünglich schwach,
doch dringt seit dem 17. Jh. (bei der 1. Bed.
des Wortes) auch starke ein, Prät. bedang,
bedung, Part, bedungen, die Adelung ver-
langt. S. dingen. ABL. Bedingnis, n. und
f. (Schiller Kab. 3, 1). Nach Heynatz 1796
ebd., Adelung unbekannt. Bedingung, f.,
bei Luther.
bedrängen, v.: allseitig, sehr drängen.
Mhd. bedrengen und bedrangen. ABL. Be-
drängnis, f. und n. In der frühnhd. Kanz-
leisprache bedrengnisse.
beducht, s. betucht.
bedünken, v.-. den Umständen nach der
Ansicht sein, fast nur unpersönlich mich
bedünkt, bedeucht (s. dünken). Mhd. bedünken,
bedunken. Fiiiher, namentlich bei Oberdeut-
schen, auch bedunken (Rückert 3, 126). Da-
von der Inf. als Subst. Bedunken, n. {-s)\
Erachten, Meinung (schon mhd.). ABL. be-
dünkeln, v. mit dimin. Endung (Goethe 6, 95).
bedürfen, v. (Präs. bedarf, Prät. bedurfte,
Part, bedurft, s. dürfen): nötig haben, erfor-
derlich sein, besonders insofern aus irgend
einem Mangel der Zweck nicht erreicht werden
kann. Mlid. bedürfen, bedürfen, ahd. bidurfan.
ABL. Bedürfnis, n., früher auch f. (Les-
sing 6, 258). Frühnhd. (1482 im Voo. theut.
c 6^ bedurfnusse^ «indigentia»). bedürftig,
adj,, abgeleitet von dem älternhd. Bedurft,
f. (vgl. Notdurft). Spätmhd. bedurftic.
beduseln, reÜ. v.: sich ein Räuschchen
antrinken, s. duseln.
bedutzt, adj.: betroffen und bestürzt
wovon (Goethe Clav. 4, 1). Eig. Part.-Prät.
von dem mit Akk. der Person verbundenen
mhd. betützen (Frät. betutzte, Part, betutzt)
«betören, heimlich hintergehen». Yg\. verdutzt.
beeidigen, v.: eidlich verpflichten. 1618
bei Schönsleder B 2 ^ beaidigen , neben dem
schon früher (1580 bei Schwartzenbach Sy-
nonyma) vorkommenden beeiden.
beeinträchtigen, v.: (in die Quere
kommen und so) Eintrag tun. Von älternhd.
Eintracht (Luther 3. Mos. 13, 48 usw.) statt
Eintrag m. : ?: Querfäden des Gewebes». S,
Eintracht und Eintrag. Zuerst 1641 bei
Schottel S. 489; 1741 bei Frisch als ein
«seltsames Juristencompositum» verzeichnet,
auch Adelung 1793 schreibt es nur der
Rechtssprache Oberdeutschlands zu, dagegen
empfiehlt es Heynatz 1796.
beendigen, v.: zu Ende bringen. Bei
Adelung neben beenden als Kanzleiwort an-
geführt, von Heynatz 1796 noch beanstandet.
beerdigen, v.: der Erde übergeben,
begraben. 1663 bei Schottel S. 1310 be-
erdigen.
Beere, f. (PI. -n)-. kleinere fleischige
Samenkapsel der Pflanzen. Aus dem PI. des
mhd. N. ber (PI. diu ber, md. auch bere),
ahd. beri n. ; dazu asächs. beri (in unnberi
n.), anord. ber, schwed. dän. bär n., got. mit
dem ursprünglichen s basi (in weinabasi n.),
ebenso ndd. bes im Dim. besing, ndl. bes f,;
ags. mit Ableitung berie f., engl, berry, ndl.
bezie. Vielleicht zu ags. basu «rot», vgl.
Liden Idg. Forsch. 18, 416. Bei Luther er-
scheint Bee^-, Beere meist als PI., so noch
1741 bei Frisch, der einen Sg. Bee^~ n. an-
setzt [Beere als PI. nicht selten im 18. Jh.
1 und noch bei Uhland) ; daneben wurde (ver-
; einzelt schon bei Luther) Bee^', Beere als
I Sg. eines F. genommen und später dann ein
PI. Beeren neugebildet (z. B. bei Lohenstein
Rosen 100, dann 1716 bei Ludwig usw., Beere
als Sg. verlangt Adelung).
Beest, n. {-es, PI. -er), die ndd. Form
für Bestie (s. d.).
Beet, n. {-es, PI, -e): abgeteiltes Stück
Gai'tenland zur Anpflanzung. Das Wort ist
eins mit Bett n. (s. d.), geht aber auf die
in md. Quelle^ erscheinende Nominativform
mhd. bet (gleich asächs. bed) statt bette zu-
rück. Die Scheiduncr entstammt dem Md.
177
Beete
Beffchen
178
und wird 1640 von Comenius und 1645 von
Gueintz (Bette — Behte) gefordert (Beth in
der angegebenen Bed. bei Opitz 2, 28, Beet
bei Gryphius Tr. 482). Im 16. u. 17. Jb.
kommt öfter Beth für Bett vor, während
anderseits Duez, Ki-ämer, Stieler und selbst
noch Frisch für Beet auch Bett kennen
(bei Scbottel 1663 wird wie jetzt unter-
schieden). Bett bleibt auch später im Obd.
(bei Haller 63 Gartenbetter).
Beete, f. (PI. -n): Mangold, rote Rübe.
Aus lat. beta f. Die mhd. Form des früh
aufgenommenen Wortes war (mit Verschie-
bung des lat. t in ^) bie^^e, ahd. bie^a f.,
noch bayr. Bießen f., 1598 bei Colerus Behß,
1517 bei Trochus Kö*» beißkoel. Die Form
Bete stammt aus dem Xdd. (bei Frisch
1741 angeführt), vgl. ndl. beet m., ags. bete
f., engl. beet.
befähigen, v.: wozu fähig machen. 1807
von Campe als von ihm gebildetes Wort
angeführt. Das Part.-Prät. befähigt als
Adj.: Fähigkeiten habend.
befahren, v. (Prät. befahrte): in Gefahr,
besorgender Furcht wovor sein. Refl. sich
b. (mit Gen.): besorglich wovor sein, urspr.
vor Nachstellung, Gefahr. Veraltet, aber noch
bei Wieland, Bürger, Goethe, Schiller. Spätmhd.
(in md. Quellen) bevären, zu vären, ahd. fären
«nachstellen», s. Gefahr. Verschieden von b.
(Prät. befuhr): «über- und durchfahren», mhd.
bevarn «erfahren».
Befang, s. Bifang.
befangen (Prät. befing, Part, b., s. fangen),
V.: einschließend, engend umgeben; gefangen
nehmen. Refl. sich b. womit: sich damit be-
fassen, zu tun machen. Das Part. Prät. b.
als Adj. bedeutet auch «eingenommenen, un-
freien Geistes und dadurch verlegen» (früher
nur mit Subst., z. B. mit Furcht b., Heynatz
1796 kennt b. «fassungslos», das Adelung 1793
noch nicht verzeichnet). Mhd. bevähen, bevän,
ahd. bifähan «umfangen, einnehmen».
befassen, v. : dem Umfang nach um-
schließen und in sich aufnehmen. ]Mhd. be-
va^j^en «besitzen, befestigen». Refl. sich wo-
mit b. «sich womit abgeben» (erst bei Ade-
lung 1774).
befehden, v.: mit P'ehde, Krieg über-
ziehen, bekämpfen. Spätmhd. bevehden, von
Fehde (s. d.). Nach Adelung veraltet, aber
durch die Dichtersprache wieder aufgekommen.
Befehl, m. (-es, PI. -e): Willensäußerung
zur Befolgung. Spätmhd. bevelch m., in md,
W e i g a n d , Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Quellen bevel «Empfehlung, Übertragung, Ob-
sorge». Bei Luther befelh. Von befehlen,
Imp. befiehl (befelh Luther Ps. 37, 5, befehle
Goethe 13, 306), Prät. befahl, Konj. beföhle,
Part, befohlen: übergeben, zu eigen und zu
Gunst oder Geneigtheit; anvertrauen; als und
zum Geschäft übergeben oder übertragen;
seinen Willen äußern zur Befolgung, anheim-
stellen: durch eine zu befolgende Willens-
äußerung bestimmen. Bei Luther befelhen,
obd. im 16. Jh. auch bef eichen. Aus mhd.
bevelhen, in md. Quellen auch bevelen, ahd.
bifelahan, bifelhan, in einigen Quellen bifelan;
dazu asächs. bifelhan, ags. beßolan faus be-
feollian) «empfehlen, anvertrauen»; im Got.
ist anafilhan «übergeben, empfehlen». Das
mhd.-ahd. Wort bed. auch «begraben» (vgl.
mhd. bivilde füi- bivilhede f. «Begräbnis») d. i.
gleichsam der Erde oder ( beim Leichenbrande)
den Flammen zu bedecken oder verbergen
übergeben; auch asächs. bifelhan ist «der Erde
bergend übergeben, begraben». Beide Begriffe
aber «begi'aben» und «verbergen» sind die des
einfachen ahd. felahan, got. fiUian (auch af-,
ga-, usfilhan). Auf den Leichenbrand geht
ahd. valach «er schichtete Holz» (zum Scheiter-
haufen) und wittifelah «Holzschichte» (zur
Totenverbrennung). Auch anord. fela bed.
«verbergen, bedecken». Die Herkunft des
Wortes ist unsicher, vgl. noch E. Schröder
AfdA. 23, 156, Wiedemann Bezz. Btr. 28, 21 ff.
Das Prät. lautet ahd. bifelah, PI. bifiduhin,
mhd. bevalch, PI. bevulhen, in md. Quellen
aber auch mit Übertritt zu einer andern Klasse
(nach stehlen usw.) bevälen, im finihern Nhd
gewöhnlich befahl, PI. befohlen (o aus mhd. ä
wie von Schottel S. 579 verlangt wird (noch
bei Schubart 2, 52), später dann befahl, be
fahlen mit Ausgleichung, während der Konj
beföhle das umgelautete o festhält.
befehligen, v.: den Oberbefehl haben
dui'ch Befehl beauftragen. Wohl von Befelch
der obd. Form für Befehl, für die auch Be
fehlich erscheint, befehligen steht also zu
nächst für be fehlichen (dies kommt im An
fanor des 17. Jh. vor, s. Diefenbach-Wülcker
175), vgl. billig für bülich. Noch Adelung
bezeichnet befehligen als ein obd. Kanzlei-
wort; Steinbach 1734 verzeichnet es zuerst.
Befehlshaber, m. (-s, PL wie Sg.): Den
Befehl Führender. Bei Luther Neh. 11, 24
Befelhhaber, mhd. dafür bloß bevelher m.
Beffchen, n. (s, PI. wie Sg.): die zwei
länghchen weißen herabhangenden Läppchen
12
179
befinden
begegnen
180
unter dem Kanne des Geistlichen ; (danach seit
1812) auf beiden Seiten des Gesichtes steif
emporstehender Halskragen, auch «Vatermör-
der» genannt. In der 1. Bed. bei Yoß Luise
2, 99, aus dem Ndd. Mnd. heffe «Chorkappe,
Chorhut», im 16. Jh. ndl. bei Kilian 48^' leife
«fellener Mantel, Kragen», neundl. hef m.
«Kragen, Krägelchen». Vielleicht desselben
Stammes wie bayr. Beffel m. «vorstehende
oder überhängende Lippen», auch «Mundstück
einer IQarinette», älternhd. Befze f. «Lippe»,
ostfries. Beffe, Bef «über die Fensterrahmen
vorstehendes keilförmiges Gesims». Worte
mit solcher Bedeutung auch im Roman., spau.
tefo «mit dicken Lippen, Unterlippe eines
Pferdes», it. heffare «verspotten», frz. hafouer
«beschimpfen».
beflnden,v.: (Prät. befand, FaYt.befunden):
nach Untersuchung in gewissem Zustand oder
Verhältnisse wahrnehmen; nach Untersuchung
dafür halten. Mhd. hevinden, ahd. hifindan
«finden, erlangen, lernen, durch das Gefühl
wahrnehmen». Refl. sich h. «an einem Orte
(wo?) oder in einem Zustande (wie?) sein».
Frühnhd. Der Inf. als Subst. Befinden, n.
(-s): Dafürhalten (in nachB.), mhd. hevinden n.
«Wahrnehmung»; (zu sich b.) Zustand, Ge-
sundheitszustand (bei Ludwig 1716). ABL.
befindlich, adj.: an einem Orte sich be-
findend (im 17. Jh., vgl. Gombert 6, 13 vom
J. 1644, während im 16. Jh. die Bed. «wahr-
nehmbar, bemerkenswert» vorkommt, z. B.
bei Maaler 1561). S. Befund.
befleißen, v. (Prät. befliß, Part beflissen) :
mit allem FleLße worauf hin tätig sein. Nur
in beflissen sein und sich b., meist mit Gen.
der Sache. Mhd. dafür bloß vli^en, ahd. fli^an.
S. Fleiß. Daneben das auf das Adj. fleißig
sich gi-ündende üblichere sich befleißigen
(bei Luther, wie auch &., mhd. dafür vli^igen).
befremden, v. : fremdartig, sonderbar be-
rühren, auffallend erscheinen. In der Kanzlei-
sprache des 15. Jh. (Janssen Frankf. Reichs-
korr. 2, 152 v. J. 1461).
befrieden, gewöhnlich befriedigen, v. :
durch Umhegen, Umzäunen gegen andre ab-
schließen und so sicher stellen, schützen und
schirmen; zufrieden stellen. Mhd. bevriden
«Sicherheit, Schutz verschaffen, umzäunen»,
von vride m.; im 15. Jh. auch bevridigen.
befugen, v.: Zuständigkeit wozu geben,
jesonders rechtskräftige (Ftig), fast nur in
dem Part. Prät. befugt. Mhd. bevuogen oder
bevüegen (nur in md. Quelle sich bevügen
«Befugnis geben»). — - Befugnis, f. selten
n. (Goethe 47, 165). 1641 bei Schottel S. 334
Befugniß, aus Lehmanns Spejo". Chron. 1612.
Befund, m. (-es)-, das Finden wie etwas
ist. Neues Wort, nach Adelung nur «in einigen
obd. Gegenden», das aber Heynatz 1796 als
auch im nd. Geschäftsstil nicht ungewöhnlich
bezeichnet. Zu befinden.
begabt, adj. (eig. Part. Prät. von begaben,
mhd. begäben «mit Gaben ausstatten»): mit
Geistesgaben ausgestattet (in diesem Sinne
bei Ludwig 1716 hochbegabet).
Begängnis, n.:(Leichen-)Bestattung. Mhd.
begancnisse, begenenisse n. S. begehen.
begatten, refl.v.: sich geschlechtlich ver-
einigen (bei Henisch 1616). Mhd. begaten ist
«passend machen, einrichten, verschaffen», erst
nhd. (unter Einwirkung von Gatte) «sich vei'-
mählen, die Ehepflicht erfüllen».
begeben (Prät. begab, Part, begeben, s.
geben), v.: (als Trans, veraltet) hin-, über-,
aufgeben (Rom. 12, 1), mhd. begeben, ahd.
bigeban «wovon ablassen, hin-, aufgeben». Refl.
sich b.: sich hin-, dargeben (Rom. 6, 16); (mit
Gen. der Sache) das Wollen, die Verbindung
auf etwas hin aufhören lassen, aufgeben, mhd.
sich b. «sich entäußern», auch «in ein Kloster
gehen» d. i. die Welt aufgeben; sich wohin
bewegen und so daselbst gegenwärtig sein;
in der Zeit wirklich werden (diese beiden
Bedd. bei Luther). ABL. Begebenheit, f.,
von dem Part. Prät. begeben: das Wirklieh-
gewordensein in der Zeit (bei Duez 1664; mhd.
begebenheit f. ist dagegen «Hingebung»). Be-
gebnis, f. und n. Im 15. Jh. begebnuss. Von
Adelung als obd. Wort bezeichnet.
begegnen, v.: (mit Dat., zuweilen Akk.,
z. B. Lessing 6, 215. H. v. Kleist zerbr. Krug 72.
Goethe 24, 219) entgegen- und so zusammen-
kommen, zusammentreffen, eig. wie bildlich,
(mhd. begegenen, begagenen, ahd. bigaganen),
entgegenkommen, feindlich entgegentreten;
gegenüber abhaltend tätig sein, entgegen-
wirken; sich gegen jemand benehmen; zu-
kommen in der Zeit, vorkommen (bei Luther
mit Dat., seit Anfang des 18. Jh. auch ohne
Dat., was Heynatz 1796 als obd. bezeichnet).
In den 3 ersten Bedd. wird durch Einwir-
kung von frz. rencontrer auch Jiaben als Hilfs-
wort verwendet, z. B. Schiller Karlos 3, 3.
Jungfr. V. Orl. 3, 4 (mit Akk.); Lessing 1, 283,
Goethe 21, 258. ABL. Begegnis, f. und n.,
1641 bei Schottel S. 334 Begegniß; nach Ade-
lung und Heynatz 1796 obd.
181
begehen
begnaden
182
begehen (Prät. beging, Part, begangen, s.
gehen ), v. : worauf, worüber, woran Hngehen,
mhd. begän, begen, ahd. bigän, bigangan: (eig.
durch feierlichen Aufzug^ verherrlichend ver-
bringen, feiern (schon mhd.-ahd. ) ; (eine Leiche j
feierlich zur Erde besorgen, bestatten (auch \
mhd.): vollbriagen, ausüben (schon mhd.-ahd.):
(vom Hengste) bespringen. Eefl. sich b.: sich
zur Zeugung geschlechtlich vereinigen (im
17. Jh.); sich im Ungange benehmen. Mhd.
sich begen, begän «das Leben führen, sich er-
nähren». Vgl. Begängnis.
Begehr, n., fi-üher auch m. (-s): die
innere Regung wonach, sowie die Äußerung
dieser Regung. ^Ihd. beger f. fso auch ältemhd.,
während bei Luther n. ), in md. Quellen neben
begir f. n. Von begehren, v. : innere Regung
wonach haben oder äußern. Mhd. begern,
neljen einfachem gern, ahd. geron. S. G-ier,
gern. ABL. begehrlich, adj. u. adv.: Be-
gehr erweckend; Begehr zeigend. Mhd. be-
gerlich neben begirlich. In der 2. Bed. nach
Heynatz 1796 ein sächsisches Wort; es er-
scheint bei Geliert und TVeiße.
begeistern, v.: mit lebhaften Vorstel-
lungen erfüllen, die Einbildungskraft er-
regen. In diesem Sinne erst im Anfang
des 18. Jh. aufgekommen (1755 von Dorn-
blüth S. 154 noch angefochtenj , während
im 17. Jh. begeistern «mit Geist erfüllen»
ist (vgl. entgeistern), daneben begeisten (noch
bei Goethe). Von dem PI. Geister. ABL.
Begeisterung, f., 1730 in Gottscheds crit.
Dichtkunst 333 (vgl. Gombert, 7, 11).
Begier, f.: die innere sinnliche Regung
wonach. !Mhd. begir f. n., doch häufiger das
einfache gir f. (s. Gier). ABL. begierig,
adj. u. adv. Mhd. begirec neben dem ein-
fachen girec. begierlieh (Goethe 49, 1, 297),
adj., wie begehrlich (s. d.j. Begierde, f.
(PI. -n) : wie Begier. Mhd. begirde f. (auch n.)
neben girde, ahd. girida f., von gehren.
Begine, f. (-«): Nonne ohne Gelöbnis,
Laienschwester, auch mit übelm Nebensinn.
Schon mhd. aus dem gleichbed. ndl. begijn
nach franz. beguine, wohl benannt nach Lambert
Le Begue, dem Grtinder derartiger Gemein-
schaften (im 12. .Jh.).
Beginn, m. (-es): das erste AVirklich-
werden. Mhd. begin m. n., ahd. (bei Isidor)
bighin n. Von beginnen, v.: (in feierliche-
rer Rede) anfangen. Mhd. beginnen (Prät.
began neben begunde, begonde, md. auch be-
gonste, Part, begunnen), ahd. biginnan (Prät.
bigan, überwiegend bigunda, bigonda, bigunsta,
Part, aber bigunnan); dazu asächs. biginnan,
ndl. beginnen, ags beginnan (neben ä-, on-
ginnan), engl, begin, got. dafür duginnan.
Da als urspr. Bed. im Ahd. bei biginnan
(ebenso bei in-ginnan) noch «eröffnen, auf-
schneiden, spalten» (vgl. franz. entamer «an-
schneiden, anfangen») hervortritt, hat man
das V^'ort zu gähnen (s. d.), ahd. ginen ge-
stellt, also eig. «klaÖ'en machen». Bugge
Btr. 12,405 abg.pocina^ m. «fange an» (mit Ver-
schiebung eines idg. k zu gerra. g im Woi-t-
inlaut). Ausfühi'lich über unser Wort Wiede-
mann Bezz. Btr. 27, 193if., der es ansprechend
zu alb. zd «berähre, fange, fange an» stellt.
5. auch Walde s. v. recens. Das Prät. lautet
im Alternhd. überwiegend begunte, begonte,
bei Luther auch begunste, begonste. begunte
erscheint oft im 17. und im 18. Jh., z. B.
noch bei Freyer 1737, begonte, begonnte wird
noch von Adelung bevorzugt vor began (das
Gottsched vei'langt), es ist auch bei den Klas-
sikern sehi- gewöhnlich (Geliert, Lessing, Wie-
land, Goethe Faust 31 76, selbst noch Rückertl,
342). Das starke Prät. begann hat im PI. mhd.
begunnen, alternhd. begonnen, daraus erklärt
sich ein noch im 18. Jh. vorkommender Sg.
begonn (Wieland 21, 19. SchiUer Räuber 5, 1).
Der Konj. mhd. begünne lautet noch jetzt be-
gönne, seltener begänne. Das Part, fast nur
stark begonnen (füi- begunnen). Das Wort gut
schon im 17. Jh. als veraltet, wieder auf-
gekommen durch die neuere Dichtersprache.
beglanben (Goethe 3, 6), häufiger be-
glaubigen, V.: glaubwürdig machen, zu
Glauben bestätigen. Das Part.-Prät. beglaubt:
glaubwürdig gemacht, sicher zu glaubend;
Glauben bestätigt; im Glauben seiend (Wie-
land Idris 5, 115). beglaubigen schließt sich
an das Adj. glaubig an. Beide Verba er-
scheinen am Anfang des 17. Jh. (beglauben
bei Henisch 1616, beglaubigen von Gombert
6, 13 V. J. 1618 nachgewiesen).
begleiten, v.: mit und bei jemand oder
etwas zugleich sich fortbewegen; musikalisch
mitspielend ergänzen. Aus be-ge-leiten. Bei
Henisch 1616, während in gleicher Bed. mhd.
beleiten, ahd. bileiten, bei Luther geleiten.
begnaden, häufiger begnadigen, v.:
mit, aus Gnade begaben; über jemand Gnade
für Recht ergehen lassen. Das 1. Verb mhd.
begnaden, jetzt namentlich noch im Part.-
Prät. begnadet (Goethe 16, 324, hochhegnadet
bei Schiller 11, 252). Für begnadigen er-
12*
183
begnügen
behalten
184
scheint älternhd. begnadigen, abgeleitet von
dem Adj. gnädig (begnadigen bei Duez 1642).
begnügen, v. (mit Dat.): genug sein;
zufrieden stellen. IVIbd. begeniiegen, gewöhnlich
aber einfacher benüegen (auch bei Luther noch
häufig benügen). Jetzt fast nur refl. sich b.:
für sich genug haben oder sein.
begraben, v. : eingrabend mit Erde be-
decken: verbergend zudecken. Mhd. begraben,
ahd. bigraban, entsprechend asächs. bigraban,
ags. bigrafan, aber got. bigraban ist «mit
einem Graben umgeben». ABL. Begräb-
nis, n., selten f. (Job. 12, 7): Leichenver-
senkung in die Erde, Totenbestattung. Mhd.
begrebnisse f. u. n.
begreifen, v.: mit den äußersten Glie-
dern des Leibes (Händen, Füßen) fühlend
anrühren oder fassen (l. Mos. 27, 21); er-
greifen; umfassen; in sich fassen; geistig
fassen oder in sich aufnehmen. Mhd. be-
grifen, ahd. bigrifan «fühlend betasten, um-
fassen, in Worte zusammenfassen, in sich
fassen», mhd. besonders bei den Mystikern
auch «geistig auffassen» und «in sich auf-
nehmen», begriffen sein: die Ausführung
von etwas aufnehmen, daran sein es zu tun.
— ABL. begreiflich, adj.: geistig auf-
zufassend. Mhd. begrtfelich. Begriff, m.
{-es, PI. -e) : räumliches Umfassen, räumlicher
Umfang, mhd. begrif: Zusammenfassung: gei-
stige Auffassung; Umfang und Inhalt einer
Vorstellung (so schon bei den Mystikern, in der
neuern philosophischen Sprache wohl durch
Christian Woltf, f 1754, üblich gewoi-den); das
Daransein etwas zu tun [im Begriffe sein, erst
bei Steinbach 1734 verzeichnet.
begünstigen, v.: einem seine Gmist zu-
wenden. Ausgehend von dem Adj. günstig.
Bei Henisch 1616, älternhd. auch begunsten.
begüten (Goethe Faust 8276), häufiger
begütigen, v. : in gute Stimmung versetzen,
besänftigen. Mhd. begüeten ist «gut machen,
mit Gütern versehen» (wofür jetzt begütern),
das von dem Adj. gütig abgeleitete begütigen
erscheint frühnhd. zunächst in der Bed. «gut
machen», bei Dasypodius 1537 in der jetzigen.
behaart, adj.: mit Haaren bewachsen.
Ahd. dafür gihäret. Das V. behären bed.
im Mhd. «der Haare durch Ausraufen be-
rauben», dagegen kommt behär in der Bed.
von behaart vor. behaaret bei Duez 1642.
behaben, refl. v.: sich verhalten auf
jemand oder etwas hin, sich benehmen. Mhd.
behaben, ahd. bihaben ist «in sich fassen, be-
halten, fest halten, behaupten, in Bestand
erhalten», mhd. sich b. «an sich halten, sich
behaupten». Das nhd. sich b. gehört urspr.
nur der Umgangssprache an (Campe, der es
zuerst anfühi't, bezeichnet es als niedrig) und
ist von Goethe (28, 38, 4, 286) in die Schrift-
sprache eingeführt worden.
behäbig, adj. u. adv.: sich wohl haltend,
Wohlhabenheit zeigend. Von behaben. Spät-
mhd. bloß das einfache habig, hebig, auch
gehebig «besitzend, wohlhabend», ahd. in Zu-
sammensetzungen -habig «haltend, -haft», vgl.
auch ungahab «inops». Frühnhd. erscheint
behebig (auch beheb) als «fest-, zuräckhaltend,
karg» (doch bei Dasypodius 153 wolhäbig
«opulentus»), die jetzige Bed. von behäbig, die
jedenfalls in der Umgangssprache lebte, zuerst
bei Goethe 49, 1, 264, während sie Frisch,
Adelung und noch Campe nicht kennen.
behaft (Matth. 4, 24. Luc. 4, 38. Joh.
ö, 4), jetzt gewöhnlich behaftet, adj.: fest-
gehalten von etwas, eig. festgeheftet, daim
besessen. Mhd. behaft (mit Rückumlaut)
und beheftet (md. auch behaftet), ahd. bihaft
und beheftet (bei Notker), sind das Part.
Prät. von beheften, ahd. biheften «zusammen-
heften, fest heften, fest halten, zu etwas
verbinden oder verpflichten, womit beschwe-
ren», behaftet (als Part. Prät. von behaften)
schon bei Maaler 1561.
behagen, v.: (mit Dat. der Person) zu-
sagende, wohltuende Empfindung erregen.
Mhd. (namentlich in md. Quellen) behagen,
ahd. nicht vorhanden; dazu asächs. behagön
«günstig sein», mnd. behagen «gefallen» ndl.
behagen, afries. bihagia, ags. in andrer Zu-
sammensetzung onhagian «passen, gelegen
sein», anord. bloß haga «einrichten, geraten,
passen» (vgl. auch hagr «geschickt» und
das ablautende höegr «behaglich, angenehm»).
Das ahd. Part.-Prät. kihagan «gehegt», mhd.
behagen (ui'spr. starkes Part.-Prät.) «frisch,
freudig, stattlich», weist auf ein starkes V.
hagan in der Bed. «schützen, hegen» hin.
Verwandt sind Hag, hegen (s. d.); belmgen
ist also eig. «sich geschützt», dann «bequem
und fröhlich fühlen». ABL. behaglich,
adj. Mhd. behegelich, auch älternhd. behaglich
(behaglich bei Krämer 1678, doch wird be-
haglich noch bei Adelung und Heynatz er-
wähnt und von Goethe oft gebraucht).
behalten, v.: innehalten, nicht weg-
geben, in Bewahrung haben, geistig fest-
halten, nicht vergessen. Mhd. behalten, ahd.
185
behandeln
Behör
186
bihaltan (dazu asächs. hiJialdan, ags. bihealdan)
«für und in sich haben und bewahren, in
Obhut haben, rein erhalten, hegen und pfle-
gen, beobachten, bewachen», im Mhd. auch
«beherbergen, bewii-ten», ndl. hehouden «be-
wahren», engl. heJwld «genau schauen, be-
trachten». Die Bed. «im Gedächtnis bewah-
ren», erscheint bei Luther. ABL. Behälter,
m. (-S, PI. wie Sg.) selten n. (Goethe Faust
1473): Gerät, Ort etwas aufzunehmen und auf-
zubewahren. Spätmhd. beheiter. Verschieden
von Behalter «Bewahrer», mhd. hehaltcere,
ahd. bihaltäri m. Behältnis, n.: wie Be-
hälter. Um 1480 im Voc. ine. teut. p4^j)e-
haltniß «reservatorium», während mhd. hehalt-
nisse f. «Erhaltung, Gewahrsam, Sicherheit»,
ahd. bihaltnissi n. «Wahrnehmung» ist. he-
haltsam, adj.: fähig etwas im Gedächtnis
festzuhalten. Bei Henisch 1616, wähi'endmhd.
behaltsam «heilsam» bedeutet.
behandeln, v.: (veraltet) mit den Hän-
den beai'beiten; überhaupt bearbeiten, sich
womit beschäftigen; sich im Verkehr gegen
jemand zeigen. Bei Krämer 1678 behandelen,
in der 3. Bed. bei Adelung 1774.
hehändigen, v.: einem andern eig. in
seine Hand übergeben. Dafür mhd. behenden,
abgeleitet von Jiant; gegen Ende des 15. Jh.
erscheint in der Kanzleisprache behendigen,
das 1524 von Luther (Bindseil 7, 315) als
neues Wort angefochten wird.
behaupten, v.: (siegreich) abwehrend
einen Besitz festhalten ; beharrlich festhalten ; 1
eine Ansicht mit Entschiedenheit (und urspr. j
erfolgi'cich) vertreten. Mhd. behoubeten ist ,
«enthaupten», aber im 14. Jh. auch «fest-
halten» (vgl. das einfache houbeten «als Herrn I
anerkennen, ansehen»). Eig. «sich als Herr
{Haupt) von etwas zeigen». Das Wort ist von
Oberdeutschiand aus vorgedrungen, Luther
gebraucht es nicht, dagegen hat es Maaler
1561. In der 3. Bed. findet sich im 16. Jh. ein-
faches haupten (Fischart Binenk. 8^), Maaler
kennt behaupten in Beziehung auf Rechts-
händel {causam teuer e), bei Schönsleder, Duez,
Krämer ei'scheint es in der Bed. «dartun, be-
weisen», abgeschwächt dann zu «aufrecht
halten, verteidigen». Vgl. mnd. behoveden
«bekräftigen vor Gericht».
Behelf, m.: Hilfe Gewährendes in Er-
mangelung von Besserm. Spätmhd. behelf m.
«Ausflucht, Vorwand, Zuflucht», auch mnd.
behelp m. «Hilfe, Vorwand, Ausrede». Noch
von Adelung 1793 als Rechtsausdruck in der
I Bed. «Ausflucht» angeführt, später dann all-
gemeiner gebraucht. Vonbehelfen,v.: durch
\ Hilfe fördern, mhd. behelfen, jetzt nur refl.
j sich behelfen : womit ausreichen in Ermange-
, lung voü Besserm (mhd. sich behelfen «sich
einer Aushilfe bedienen»).
behelligen, v.: bemühen, beschwerlich
fallen. 1616 bei Henisch. Zusammenges. mit
; helligen, mhd. helligen, von heilig (s. d.),
behende, adj. u. adv.: geschwind mit
Leichtigkeit und Gewandtheit. Mhd. behende
I (von Sachen) «bequem zu handhabend», (von
1 Personen) «geschickt, gefügig, fertig wozu».
Nicht entstanden aus bihende «bei der Hand»,
j woraus allerdings auch mhd. behende wurde,
j sondern wie mhd. gehende «bereit» (gleich zur
Hand) zusammenges. mit einem von haut f.
abgeleiteten, in Zusammensetzungen übhchen
mhd. -hende, ahd. -henti. ABL. Behendig-
keit, f., mhd. behendecheit, beheyidekeit, abge-
leitet von demAdj.&eÄew(Zec, älternhd. fee/ie/u/«^.
beherzigen, v. : sich zu Herzen nehmen.
In der frühnhd. Kanzleisprache von Herz mit
angetretenem -ig- gebildet (1507 bei Wilwolt
V. Schaumburg 116, Janssen Frankf. Reichs-
korr. 1, 772 v. J. 1509), aber 1524 von Luther
(Bindseil 7, 315) angefochten. Älternhd. in
gleicher Bed. auch beherzen. Mhd. beherzen
aber ist «zu Herzen gehen, Herz haben, stand-
haft sein». Davon das Part. Prät. beherzt:
ein unei-schrockenes Herz, Mannheit besitzend.
Spätmhd. beherzt, daneben beherze, geherze.
behilflich, adj. u. adv.: wozu Hilfe lei-
stend. Spätmhd. erscheint in md. Quellen
behulfelich, behul flieh, dem behül flieh bei
Luther, Alberus (Fab. 18, 218) usw. ent-
spricht, abgeleitet von frühahd. Behülfn. (da-
zu mnd. behtdp) «Beihilfe» (in obd. Quellen
dafür Behilf m., wahrscheinlich mit Vertau-
schung von i und ü). behilflich erscheint
finihnhd. in obd. Quellen, findet aber in die
Wörterbücher keinen Eingang und hat erst
neuerdings behülflich (noch bei Adelung und
Campe allein angeführt) zuräckgedrängt.
Behör, f.: wozu gehörige Sache. Im
16. Jh. — Behörde, f. (PI. -n): wie Be-
hör; was gehörig, angemessen ist (vgl. mnd.
behörde f. «Gebühr», in dieser Bed. bei Frisch
1741, auch bei Adelung u. Heynatz); Ort wo
etwas hingehört; die zuständige Gerichts-,
Verwaltungsstelle. Das Wort scheint sich im
18. Jh. von den nordd. Kanzleien aus ver-
breitet zu haben; in der letzten Bed. ist es
Adelung und Heynatz ganz geläufig, während
187
Behuf
beide
188
es ältere Wörterbücher wie Ludwig und
Steinbach noch gar nicht aufführen. Von
älternhd.l)ehÖreil «gehören, gebühren», mhd.
heho&ren in zuo hehce^'en «zugehöreu».
Behuf, m. {-es, PI. -e): Erfordernis zum
Zwecke, fördernder Zweck, fast nur noch in
zum B. Mhd. (in md. Quellen) hehuof m.
«das zum Gelingen einer Sache Nötige», dann
«Geschäft» (für einen Zweck Betriebenes),
«Nutzen, Vorteü, Zweck, Absicht, Förder-
liches»; dazu mnd. hehöf f. n. «Notdurft»,
ndl. hehoefn., ags. heköf-lic «notwendig», engl.
tehoof «Vorteil». Zu dem V. mhd. beheben
(früher heheferi), ahd. Mheffen «erlangen, er-
werben». Vgl. Meringer Idg. Forsch. 18, 224.
Das Wort fehlt im 16. Jh. bei Luther und
in den obd. Quellen (doch kennt es Hans
Sachs), dringt aber im 16. u. 17. Jh. vom
Md. aus zunächst in die Kanzleien ein (1598
beim Herzog v. Braunschweig Susanna 4, 2
zu dero hehuff), 1678 bei Krämer. Der Gen.
Sg. behufs als Adv. und dann als Präp.
mit Gen. ist durch den Kanzleistil eingeführt
(von Heynatz 1796 erwähnt).
behülflich, s. behilflich.
behutsam, adj. u. adv.: sich hütend, vor-
sichtig. Frühnhd. Von dem älternhd. Subst.
Behut, f.: Vorsicht.
bei, Präp. mit Dat.: in der Nähe oder
in der Gegenwart von — , unfern von — ;
ohne Entfernung und selbst ungetrennt von —
(z. B. bei Gelde sein, Pfeiler bei Pfeiler zer-
borst) ; in zeitlicher Verbindung mit — , wäh-
rend: in Verbindung mit — , in fester Be-
ziehung auf — z. B. beim Kleide fassen, hei
Gott schwären). In der Volkssprache und
bei einigen nhd. Schriftstellei-n (Luther 1. Mos.
37, 18. 4. Mos. 1, 52. Matth. 26, 58 usw. Klop-
stockMess.r2, 173. Goethe 28, 38, l.H. Weimar
verändert, 43, 102) findet sich auch bei mit
Akk. (auf die Frage wohin): in die Nähe
oder in die Gegenwart von — . Bei Zahlen
ist bei s.v. a. «ungefähr, um und nicht ganz»
(gleichsam nahe an), z. B. bei 10 Gulden:
auch hier zuweilen mit Akk. (Apostelg. 19, 34).
Mhd. bi (mit Dat., zuweilen Akk., nament-
lich bei Md.), ahd. bi (mit Dat. und Akk.);
dazu asächs. bi (mit Dat. und Akk.), ndl. bij,
ags. bi (mit Dat.), engl, by, got. bi «ringsum,
in Beziehung auf, gemäß», selten «bei, an»
(mit Dat. und Akk.). Urspr. identisch ist
das in der Zusammensetzimg abgeschwächte
&e-, mhd. he-, ahd. hi-. Die Bed. des Wortes
im Got. weist auf Verwandtschaft mit orr.
äpLcpi, lat. ambi- «umher, um» hin und weiter
mit tcm, ahd. umbi, skr. abhi «zu, gegen, um»,
wahrscheinlich auch mit lat. o& «tresen, airf —
DO 7
hin», s. Walde s. v. amb. Li Zusammen-
setzungen ist bei Adv. und hat als erstes
Wort in Subst., Adjektiven vmd Verben, so-
wie als letztes in Adverbien den Ton.
Beichte, f. (PI. -n)-. Sündenbekenntnis.
Aus mhd. biht, zusammengezogen aus begiht,
ahd. bigiht, bijiht f. «Bekenntnis», vom 12. Jh.
an vorzugsweise «Sündenbekenntnis». Zu mhd.
bejehen, ahd. bijehan, bigehan «bekennen», von
mhd. jehen, ahd. jehnn, gehan «sagen» (s.
Gicht ^). Älternhd. meist Beicht; Beichte,
schon bei Luther, dann von Stieler 1691 an-
gesetzt und im 19. Jh. durchdringend (Ade-
lung 1793 kennt nur Beicht), scheint dem
abgeleiteten mhd. bihfe, begihte, ahd. (einmal)
higihti f. zu entsprechen. ÄBL. beichten,
V., mhd. bihten, für das veraltete bejehen ein-
getreten. Beichtiger, m. [-s, PI. wie Sg.):
der Beichte Hörende, mhd. hihtegoere, abge-
leitet von einem auf das Adj. bihtec, ahd.
bijihtic «sündenbekennend» zurückgehenden
Verbum. ZUS. Beichtkind, n.: der Beich-
tende. Fiäihnhd. (um 1480 im Voc. ine. teut.
p 4* peichtkind). Beichtstuhl, m., fiühnhd.
(ßingwald getr. Eckh. J 4). Beichtvater,
m.: Beichtiger, mhd. (bei den Mystikern)
bihtvater m.
beide, PI.: zwei zusammen. Ln N. auch
ein Sg. beides, doch nur alleinstehend. Mhd.
beide und bede, N. beidiu und bediu, ahd.
M. bede und beide, F. bedo und beido, N.
beidiu und bediu. Eine einfachere Bildung
zeigt got. bai, N. ba, ags. M. hegen, F. bä,
N. hü, dazu auch anord. Gen. heggja. Dies
entspricht der 2. Silbe von gr. äjuqpuj, lat.
ambo, abg. oba, lit. ahü, aiud. (Dual.) M.
ubhäu, F. N. MÖÄe' «beide». Ln deutschen beide
ist dies Pronomen mit dem Artikel verbun-
den (vgl. got. ha ßö skipa «beide Schifle») und
zwar geht beim M. bede auf be de, beim N.
beidiu auf bei diu zurück, durch Ausgleichung
dann auch beide, bediu : entsprechend (mit
Verallgemeinerung der Mask.-Porm) asächs.
bethia, N. bethiu, engl, botk (o aus a), anord.
M. bädir, F. hädkir, N. h(^di: ndl. wie nhd.
beide. In Mundarten findet sich jetzt noch
Unterscheidung der 3 Geschlechter, z.B.wetter-
auisch M. bid, F. büd, N. häd, bayr. M. hed,
F. böd, N. heid. Während sich ein F. hode
hterarisch nicht nachweisen läßt, ist das M.
in der ursprünglichen Form bede im älteren
I
189
beieinander
beilegen
190
Obd. häufig, bei Ölinger S. 28 angegeben,
noch im 17. Jh. bei Harsdörfer Gespr. 2, 17,
im 18. bei Schubart 2, 302: auch Dornblüth 262
giht bedeyoY beide denXovzug. ZUS. beider-
lei, adv. in beider Art. Bei Luther. S. -lei.
beiderseits, adv.: von, nach beiden Seiten.
Mit angetretenem -s (schon bei Luther) aus
mhd. heder, heider sit, das gekürzt ist aus
ze heder, heider Sit, auch in, üf beider Sit,
worin beder eig. der Gen, PI. ist. Von dem
altern heider seit das Adj. beiderseitig
(Gombert 7, 11 aus dem 17. Jh. bei Lohen -
stein und Caniz). Beiderwaud, m. (-s):
Zeug aus zwei Stoffen, aus Leinwand, die
den Zettel, und aiis Wolle, die den Einschlag
bildet. 1741 bei Frisch Beider- Wand, 1790
bei J. G. Müller Straußfedern 2, 16 Beier-
wand, noch mundartlich entstellt in Hessen
und Thüringen. Wand «Tuch», wie in Lein-
wand, Gewand, beidlebig, adj.: sowohl im
Wasser als auf dem Lande lebend. Nachbil-
dung des gr.-lat. amphibium. Bei Krämer 1678.
beieinander, adv. : das zusammengescho-
bene hei einander, mhd. bi einander, mit vor-
geiückter Präposition (vgl. auseinander).
beiern, v. : den Rand der ruhenden Glocken
mit den Klöpfeln durch befestigte Seile takt-
mäßig anschlagen. Bei Yoß Ged. 1, 11. Aus
dem Ndd., wo im 16. Jh. heyeren (ZfdA.
3, 91), ndl. beieren «mit dem Klöpfel (ndl.
beiaert) an die Glocke schlagen». Dunklen I
üz'sprungs. i
Beierwand, s. Beiderwand. i
Beifall, m. (-s): (urspr.) das Sichweg-
wenden von einer Partei zur andern: Zu-
stimmung. In beiden Bedd. bei Luther. ABL.
beifällig, adj. u. adv., im 17. Jh. :
Beifang, s. Bifang, m. I
Beifuß, m. {-es, PI. -e) : als Küchengewürz
gebrauchte Wermutart, artemisia. Mhd. (seit
dem 14. Jh.) bivuo^, ahd. (11. Jh.) bivo^,
bivu§ (ZfdWf. 3, 247), mnd. blföt, ndl. bijvote
m. Dagegen mhd.-ahd. bihdg m., was wohl
als die ui'sprängliche Form anzusehen ist,
zusammenges. mit dem auch in ahd. anahö^
«Amboß» (s. d.) vorkommenden böj zu bo^an
schlagen; also biboz eig. als Gewürz an Speisen
und Getränke zu schlagendes oder zu stoßen-
des Kraut. Das f scheint (mit Anlehnung an
Fuß, vgl. Schrader Reallex.) aus dem Ndd.
eingedrungen. Die Form Bi-, Beifuß findet
sich schon in den meisten hd. Glossarien des
15. Jh., ebenso bei Dasypodius (unter artemi-
sia), Frisius 123 '^j Maaler beyfüß, dagegen 1482
im Voc. theut. d 7*^ noch beypoß; diese Form
setzt sich auch noch in Volksmundarten fort.
Beige, ungut Beuge f. (PI. -n): aufge-
schichteter Haufe. Nur noch obd. Aus mhd.
bige, ahd. biga f. und btgo m. Dunkler Her-
kunft. ABL. beigen, v. : aufschichten. Im
16. .Jh. Schweiz, (bei Frisius, Maaler) bigeii,.
beiher, adv.: nebenher. Bei Stieler 1691
beyher. Ein md. Dialektwort, das Lessing,
Goethe u. a. verwenden.
Beikind, n. {-es, PI. -er): uneheliches
Kind. 1668 bei Schottel.
Beil, n. {-es, PI. e): keilartiges kurzge-
stieltes W^erkzeug zum Hauen des Holzes.
Mit Auswerfung eines h (dial. noch heichel)
aus mhd. bihel, zusammengezogen hfl, ahd.
bthal, bial n. Da im Anord. das gleichbed.
hllda f. (für hutla) hildr m. erscheint, muß
das h von ahd. bihal, urspr. bihl auf p zu-
rückgeführt werden, vgl. Gemahl. Verwandt
I ist wohl Bille (s. d.), vgl. Sievers Idg. Forsch.
'4, 339 (dagegen E. Schröder ZfdA. 42, 60)
und weiter lat. findo «spalten», ai. bhinädmi
«spalte», Gnindform *bhid-tlom.
Beilage, f.: was anderm zur Vei'voll-
ständigung bei- oder zugelegt wird, spät-
mhd. bilage f.; (ehedem auch) «das bei einem
■ zur Aufbewahrung Niedergelegte» (2. Makk.
' 3, 15).
Beilager, n. {-s, PI. wie Sg.) : Vollziehung
I der Ehe durch Beiliegen (Luther Tischr. 307 ^) ;
I Hochzeitsfeier vornehmer Personen (bei Duez
I 1664). Mhd. dafüi- bileger n. S. Lager.
beiläufig, adv. u. adj.: nebenhergehend,
nebenbei; (oberdeutsch) annähernd, ungefähr.
Das Wort erscheint um 1500 in der 2. Bed.
j (Jansen Frankf. Reichskorr. 1, 772), in gleicher
! Bed. auch heileufftig bei Luther und hey-
leifftig bei Hans Sachs Fastn. 25, 147 (noch
Steinbach 1734 verzeichnet heileufftig). In der
1. Bd. erscheint beyleufig bei Stieler 1691.
Die Bed. «ungefähr» noch bei Heynatz 1796,
doch mit Beschränkung aufs Obd.
beilegen, v.: neben ein anderes legen,
zur Seite legen, mhd. bilegen; (veraltet) bei-
seite, weglegen (bei Luther); beseitigen,
schHchten, z. B. einen Streit (vgl. spätmhd.
bilegunge «Schlichtung»); {das- Schiff h.) die
die Segel einziehen; (veraltet, vgl. Beilage)
hinterlegen, zumcklegen (bei Luther); (mit
pers.Dat.) zuweisen, zuerteilen. Intr. sich einer
Sache hingeben, eifrig sein (Schiller Teil 1, 1
reit zu! wenn ihr frisch beilegt, holt ihr ihn
noch ein).
191
beileibe
beipflichten
192
beileibe, s. Leib.
Beileid, n. (-s): mitempfundenes Leid,
mitempfundene Trauer. Seit dem 17. Jh. in
der Bed. «Mitleid», aber nicht allgemein ver-
standen (Dornblüth 288), bei Adelung in der
jetzigen Bed.
bellen, v.: (von den Jagdhunden) den
Hirsch durch allseitiges Anbellen zum Stehen
bringen, wobei er sich gegen die Hunde zur
Wehre setzt. Mhd. Mlen, jetzt nur noch in
dem weidmännischen verheilen. Der Augen-
blick wann, und der Platz wo der Vorgang
sich abspielt und das Jagdtier erlegt wird,
heißt mhd. hil m. (namentlich in ze hile sten
vom Wilde, schon im 10. Jh. pil gipit «sub-
stitit» vom Eber, Steinmeyer-Sievers Gl. 2,
667), womit Ortsnamen wie Beil-, Bilstein zu-
sammengesetzt sind. Diesem Ml entsprechend
wird franz. dboi, engl, tay, eig. das «Bellen»
verwendet (in etre aux dbois, engl, to stand
at iay von dem von den Hunden umstellten
Wilde), doch ist es nicht wahrscheinlich, daß
wir im Deutschen von der Bed. «bellen» aus-
zugehen haben. Vielmehr wird nach Sievers
Idg. Forsch. 4, 339 hü von ahd. Mdan «warten»
(bila- aus Mala-) abzuleiten sein, also eig.
«das Stehenbleiben des Wildes, die Erwartung
der verfolgenden Hunde». Anders E. Schrö-
der ZfdA. 42, 60, der es von heißen ableitet
«Augenblick, wo die Hunde beißen». Ein
Verbum hilen «bellen» (im 14. Jh. bayrisch,
bei Hans Sachs, auch mndl., noch bei Heppe
wohlred. Jäger 54 hauen) wird sich von bil
aus entwickelt haben, da die Hunde die Um-
stellung des Wildes durch Bellen kundtun.
beim, zusammengez. aus hei dem, schon
mhd. hime, zusammengez. aus hi deme.
beimessen, v.: (mit Dat. der Person)
durch Erwägung (geistiges Abmessen) einem
zurechnen. Mhd. erscheint einfaches me^^en
(mit Dat.) in der Bed. zuteilen, geben. Aus
der Kanzleisprache (1616 bei Sattler).
Bein, n. {-es, PI. -e): Knochen (allgemein
obd., schriftsprachlich namentlich noch in Zu-
sammensetzungen und Redensarten) ; das ganze
Geheglied (gleichsam die am längsten hervor-
stehenden Knochen). Mhd. ahd. hein n. in
beiden Bedd.; dazu asächs. ben, ndl. been,
ags. bann. «Knochen», engl, hone, anord. hein,
schwed. dän. hen n. «Knochen, Geheglied».
Dunkler Herkunft. Vgl. Wiedemann BB. 28,
60. Zusammenhang mit lat. femur «Ober-
schenkel» scheint möglich, da auch sonst i-
und e-Reihe wechseln. Redensarten: es friert
! Stein und Bein «stein- und knochenhart»; Stein
' und Bein schwören «auf Altar und Heiligen-
i knochen» (Reliquien). Der PI. findet sich im
altern Nhd. auch als Beiner (namentlich obd.,
aber auch Gryphius Trauersp. 34 Menschen-
i Beiner).
beinahe, adv.: nicht ganz. Fi-ühnhd. vor-
handen (Janssen Frankf. Reichskorr. 1, 750,
auch bei Luther, aber noch getrennt hey nahe).
Beiname, m. (-/?, PI. -n) -. Zuname. Mhd.
biname m.
I Beinbrecher, m.: eine die Knochen ge-
■ fangener Tiere brechende Adlerart, lat. ossi-
fragus ra., ossifraga f., 1482 im Voc. theut.
jy 3^ dafür paynprech.
j beinern, adj.: aus Knochen (Bein) be-
stehend. Mit dem bei Stoffadj. üblichen
Suffix -ern (nach eisern, s. d.) für mhd.-ahd.
i beinin, auch bei Dasypodius und Maaler
; heinin, sonst älternhd. heinen, während Luther
(1. Mos. 49, 14) heinern hat.
Beinhaus, n. (ses, PI. BeinMuser) : Haus
am Kirchhofe zur Aufnahme der ausgegrabenen
Totengebeine, Mhd. heinhus n. Ln altera
Nhd. findet sich auch in dieser Bed. Gerner
i (s. d.> ^
beinig, adj. : knochig ; Füße (Beine) habend
! in zicei-, langbeinig usw. Mhd. -beinec.
Beinkleid, n. {-es, PI. -er)-. Hose als
I Bekleidung der Beine. Der Ausdruck kommt
schon im 16. Jh. vor (1557 bei Mathesius
Syrach 3, 51^) und erscheint auch im 17. u.
18. Jh. in Wörterbüchern (z. B. bei Comenius,
Rädlein, Frisch), aber ohne sich zunächst recht
einzubürgern, da ihn noch Adelung 1793 als
neugebildet bezeichnet.
Beinling, m. (-s, PI. -e): Hosenbein (im
15. Jh., s. Diefenbach-Wülcker 227); der obere
Strumpf; (bei den Gerbern) der Teil der Tier-
haut, der unmittelbar über den obern Beinen
gesessen hat.
Beinschwarz, n.: Schwärze aus ver-
brannten Knochen. Bei Stieler 1691.
Beinwell, m.{-es): die Wallwurz, symphy-
tum. Ahd. heinwalla, heinwelle f. (ZfdWf. 3,
281), zu icallen, hier in der Bed. «zusammen-
heilen von Knochen bei Knochenbrächen»; die
Pflanze heißt auch Beinheil n.
beipflichten, v.: (mit Dat.) einem zu-
stimmen, eig. sich mit jemand verbinden, sich
ihm (seiner Meinung) anschließen. Mhd. bed.
das einfache ,phlihten, mit den Präp. m«^, an,
zuo «sich mit jemand verbinden», von phliht
(s. Pflicht), hier in der Bed. Anteilnahme, Vei--
193
beisammen
Beiwort
194
binduDg. Jedenfalls in der frühnhd. Kanzlei-
sprache vorhanden (Luther hat Beipflichter
m. «Zustimmender», das Adj. 'beipflichtig bei
Diefenbach-Wülcker 223 v. J. 1553).
beisammen, adv.: zugleich da. j^Ihd.
selten hesamen (aus Msamene). Frühnhd.
(Liliencron 3, 338 v.J. 1519, auch bei Luther).
Beisaß, m. (Gen. u. PI. Beisassen): wie
Hintersaß (s. d.); Ortsangesessener ohne Bür-
gen'echt. Mhd. Msä§e, Msce^e m., zusammen-
ges. mit dem als letztes Wort in Zusammen-
setzungen stehenden mhd. säße, ahd. säp,
s. ^Sasse.
: beiseit, beiseite, auch mit angetretenem
genet. -s beiseits, adv.: zur Seite. Mhd.
M Sit. Bei Luther heiseid (Hiob 6, 18), ge-
wöhnlich mit Abschwächung des hei- heseit,
auch heiseits, heseits.
beisetzen, v.: neben andi-es setzen; be-
statten, eig. den Sarg in der Gruft neben
andre setzen. In der 2. Bed. bei Krämer 1678.
Beispiel, n. (-es, PI. -e): (veraltet) zur
Belehrung erdichtete Erzählung, Fabel; Gleich-
nis, Begebenheit zui- Yeranschaulichung oder
Richtschnur des Verhaltens. Spätmhd. Mspil
(mit Anlehnung an spil «Spiel», mit dem das
Wort urspr. nichts zu tun hat), früher mhd.
ahd. aber Mspel (Gen. Mspelles) n. «belehrende
dichterische Erzählung, Fabel, Gleiclmis», zu-
sammenges. aus M «bei» und mhd. ahd. spei
n. «Rede, Erzählung, Sage», dazu asächs. ags.
spell n., engl, spell, got. spill n. (wovon ahd.
spellon, got. spillön «erzählen»). Eig. eine
neben der Lehre und zu deren Veranschau-
lichung gegebene Erzählung. Die Etymo-
logie von spell ist unbekannt. Vgl. E. Schröder
ZfdA. 37, 241, Kögel Idg. Forsch. 4, 318,
Fröhde Bezz. Btr. 19, 241 f.
beißen (Prät. hiß, Part, gebissen), v.: mit
den Zähnen fassen, durchdringen; die Emp-
findung eines stechenden, scharfen Durch-
dringens verursachen. Aus mhd. bi^en, ahd.
hi^an, dazu asächs. hUan, ndl. hijten, ags.
bUan, engl, hite, anord. Mta, schwed. hita,
dän. bide. In der altern Sprache auch vom
Einschneiden oder scharfen Durchdringen des
Schwertes. Entsprechend lat. findere, Perf.
/?dz «spalten», aind.ftÄZfZ «spalten, durchbohren».
Vgl. auch beizen, bitter. ABL. beißig, adj:
zum Beißen geneigt, mhd. M^ec. S. bissig.
Beißker, m. (-s, PI. wie Sg.) : ein kleiner,
eßbarer, im Schlamm und zwischen Steinen
lebender und an diese sich ansaugender Fisch,
cobitis fossüis. Auch Peißker. Mit Anlehnung
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
an heißen (denn der Fisch beißt sich scheinbar
an Steine an, heißt auch als von Schlamm oder
daiin Befindlichem lebend der Schlammbeißer)
aus poln. piskorz m., böhm. piskof m., russ.
piskär m., d. i. eig. Pfeifer, von poln. pisceö,
hohxn. piskati «pfeifen», abg.j^isÄ;a^^ «flöten»,
wohl nach einem Tone, den der Fisch mit dem
Maule hei-vorzubringen scheint. Das Wort
ist vom östlichen Mitteldeutschland ausge-
gangen, ist aber im 15. u. 16. Jh. schon weiter
bekannt, findet sich als peysker in einem
Glossar des 15. Jh. (Diefenbach 330*), als
Beißker bei Alberus Fab. 19, 151 und bei
Forer Fischb. 160^. In bayr.-österr. Quellen
(auch bei H. Sachs) erscheint dafür Bißgurre.
Beißzange, f. (PI. -n): eine vorn scharfe
Zange zum Kneipen und Festhalten kleiner
Gegenstände. Bei Stieler 1691 Beißzänglein.
Beistand, m. {-es, PI. Beistände): Hilfe
bei und für jemand; persönlich s. v. a. Hilfe
bei und für jemand Leistender, Spätmhd.
bistantm. in der l.Bed. ABL. beiständig,
adj.: hilfeleistend, behilflich. Mhd. btstendec.
— beistehen, v.: (mit Dat.) Hilfe leisten,
eig. neben jemand stehen (im Kampfe, vor
Gericht), um ihn zu unterstützen. Mhd.
bistän, histen, ahd. histantan, bistdn, auch
noch in der ursprünglichen Bed. wie got,
histandan.
Beistrich, m. {-es, PI. -e): das Komma.
Schottel Sprachk. S. 669 gab für dies die
Verdeutschung Bey strichlein, was auch von
Harsdörfer Gesprechsp. 4, 412, Bödiker u. a.
gebraucht wü'd.
Beitrag, m. (-s, PI. Beiträge): Beisteuer.
Bei Stieler 1691. Von beitragen, v.: her-
beibiingen, dann abgeben zui* Unterstützung,
mhd. hitragen «herzutragen».
beitreiben, v. : herbeiti-eiben ; (übertragen
von den herbeigetriebenen Zins-Tieren usw.
auf geforderte Gelder) einziehen, beischafifen
(bei Frisch 1741).
Beiwesen, n. (-.s) : das Zugegensein. Eig.
subst. Inf. zu mhd. hiwesen, ahd. biwesan «da
sein, zugegen sein». Als Subst. in der Kanzlei-
sprache des 15. Jh. vorhanden (Janssen Frankf.
ReichskoiT. 2, 161).
beiwohnen, v.: (veraltet) bei einem an-
dern wohnen; ehehchen Verkehr mit jemand
haben; wobei zugegen sein; (von Dingen)
wo vorhanden sein, (mit Dat.) innewohnen.
Mhd. btwonen (in der 2. Bed. erst bei Luther).
Beiwort, n. {-es, PI. Beiwörter): Adjek-
tivum. Schon in der mhd. Schulsprache aus
13
195
Beize
beklommen
196
dem Anfang des 14. Jh. begegnet Mwort für
Adverbium (Eckhart 271, 11), während sonst
mhd.-ahd. hiwort die Bed. «Sprichwort, Gleich-
nisrede» hat. Auch ndl. hijwoord ist «Adver-
bium» (schon 1719 bei Kramer). Dagegen
schlug Helvicus 1619 Beiwort für Adjektivum
vor, und diese Verdeutschung ist später viel-
fach angenommen worden, auch von Gott-
sched, aber schließlich doch durch andre zu-
rückgedrängt worden. S. Adjektiv.
Beize, f. (PI. -n) •■ Jagd mit abgerichtetem
Raubvogel oder auch einem andern Fang-
tiere; zur Zubereitung nötiges Durchdringen-
lassen und Mürbemachen von einer scharfen
Flüssigkeit, sowie diese selbst. Älternhd.
meist (auch bei Luther, noch jetzt dialek-
tisch) Beiße, mhd. beige, beize, ahd. beiga f.
(auch Alaun). Von beizen, v. : beißen machen,
sowohl einen Jagdvogel, einen Hasen usw.
durch emen abgerichteten Fansfvogel, als auch
etwas durch scharfe Flüssigkeit zum Mürbe-
machen usw. Älternhd. meist beißen. Mhd.
beigen, beizen, ahd. beigan; dazu ags. bcetan
«zäumen», eig. «beißen machen», anord. beita
«zäumen, füttern, beizen» (daher engl, bait),
got. wäre *baitjan anzusetzen, beizen ist das
Faktitiv zu beißen. Bei der Flexion mußten
sich Formen mit z und solche mit g ent-
wickeln, worauf dann Verallgemeinerung ein-
getreten ist ; im Mhd. überwiegen die Formen
mit j, in der Schriftsprache seit dem 17. Jh.
die mit z. Vgl. heizen, reizen, Weizen, mhd.
meist heigen, reiben, weige.
beizeit und beizeiten, adv.: früh in
Hinblick auf einen Zeitpunkt. Mhd. bi zite,
auch mit Schwächung des bi bezite und be-
ziten, bi mit dem Dat. Sg. oder PI. von zit.
beizen, s. Beize.
bejahen, v.: zu etwas ja sagen. Mhd.
dafür das auch von mhd. ja abgeleitete be-
jäzen (im 16. Jh. auch bejachzen), auch ein-
fach jäzen. bejahen zuerst bei Henisch 1616,
aber in der Bed. «bewilligen», später auf
«ja sagen» (auf eine Frage) beschränkt.
bejahrt, adj.: hoch in Jahren seiend.
Mhd. bejaret, eig. Part. Prät. zu dem V. be-
jären «die Jahre hinbringen». Vgl. betagt.
bekannt, adj.: zur Kenntnis gekommen;
nicht fremd, vertraut. Eig. Part. Prät, von
mhd. bekennen, ahd. bikennen in der im Nhd.
verloren gegangenen Bed. «kennen, erkennen».
Davon das substantivische Bekannte, m. f.
(mit adjektivischer Flexion). ABL. be-
kanntlich, adv. Im Mhd. erscheint bekant-
lich und bekentlich (von den beiden Formen
des Part. Prät. von bekennen gebildet) als
Adj., ebenso im altern Nhd. bekanntlich (noch
bei Steinbach 1734); bekanntlich als Adv. zu
bekannt wird von Adelung den Kanzleien zu-
gewiesen, aber von Heynatz 1796 empfohlen.
Bekanntschaft, f., bei Krämer 1678. ZUS.
Bekanntmachung, f.: Kundmachung, erst
1807 bei Campe.
Bekassine, f. (PI. -n)-. Wasserschnepfe.
Aus franz. becassine f., von bec m. (gallisch-
lat. becciis) «Schnabel». Neue Entlehnung.
bekehren, v.: vom Unrechten zum Rechten
wenden, besonders in geistlicher Beziehung.
Mhd. bekeren, ahd. bikeren «anderswohm wen-
den, umkehren», besonders in Hinsicht des
Glaubens und der Sitte. Nachbildung von
lat. convertere.
bekennen, v.: erkennen mid seine Er-
kenntnis aussagen ; nach Bewußtsein aussagen ;
ein Geständnis ablegen: kundgeben. Refl.
sich wozu b.: sich als Urheber oder als Zu-
getaner erklären. Mhd. bekennen, ahd. bi-
kennen ist zunächst «kennen, erkennen» (s.
bekannt), mhd. bekennen aber auch schon «zu
erkemien geben, eingestehen». ABL. Be-
kenntnis, n., selten f. (Liscow 446). Mhd.
bekantnisse, bekentnisse f. n., abgeleitet von
dem Part, bekannt, weshalb bis ins 18. Jh.
auch Bekänntnis geschrieben.
bekleiben, v. : woran fest haften, -hangen.
Veraltet, aber noch bei Lessing, Wieland,
Goethe, Rückert, Platen. S. kleiben.
bekleiden, v.: am Körper mit Kleidung
versehen ; kleidartig überziehen oder bedecken :
[ein Amt, eine Stelle b.) darin eingesetzt sein,
eig. für dasselbe mit den Zeichen der Amts-
würde bekleidet (investiert) sein. Mhd. be-
kleiden. Die 3. Bed. bei Stieler 1691.
beklemmen, v. : einengen und zusammen-
pressen, eig. wie bildlich. Mhd. beklemmen
«zusammenpressen», ahd. biklemmen «ver-
sperren, eindämmen, verstopfen»; dazu asäcbs.
biklem.mia7i «e'ms-perren», ags. beclemman «ein-
schließen, einsperren». Das Faktitiv zu dem
altern V. beklimmen (s. d. f.).
beklommen, adj.: angstvoll wie einge-
preßt, Mhd, in md, Quelle beklummen (vom
Herzen), das Part, Prät, des starken V, be-
klimmen, das wie das in md, Quellen er-
scheinende einfache klimmen und mnd, be-
klimmen «einengend zusammenziehen» be-
deutet (vgl, auch mhd. verklummen «krampf-
haft zusammengepreßt» und klamm. «Krampf»,
197
bekommen
Beleg
198
s. Klamm). beJclommen fehlt im altern Nhd.
(dafür in gleicher Bed. heklemmt) und ist erst
im 18. Jh., nach Heynatz 1796 aus Nieder-
sachsen, eingedrungen, es wird von Hagedorn,
Klopstock, Bürger gebraucht.
bekommen, v.: l) intrans. zum Gedeihen
gereichen, überhaupt s. v. a. gereichen, Wir-
kung haben. 2) trans. durch Überkommen
von außen haben. Mhd. fast nur intrans. «bei-
kommen, gelangen, hervorkommen, wachsen,
gedeihen, (mit Dat. der Pei'son) begegnen,
zukommen, (mit Gen. der Sache) erhalten,
gewinnen»; dies bei Luther schon häufig mit
dem Akk. Ahd. hiqueman auch mit Akk.
«überkommen, ergreifen»; vgl. asächs. hiku-
man, ags. hecmnan «zu etwas kommen, ge-
langen», engl, become «werden, zukommen»,
got. hiqiman «überfallen». ABL. bekömm-
lich, adj. : was wohl bekommt: was zu ei'-
langen ist. In der 2. Bed. bei Maaler 1561
bekömmlich, die 1. gehört der neuesten Sprache
an (noch nicht bei Campe). Mhd. bekomen-
lich, gebildet von ' dem Part. Prät. bekomen,
ältemhd. bekömmlich ist «passend, bequem».
S. auch bequem.
bekräftigen,v. : kräftig machen (Hiob4, 4) :
zuverlässig, sicher machen (auch bei Luther).
Gebildet von dem Adj. kräftig. Mhd. be-
kreften «stärken», gebildet von kraft.
bekümmern, v.: Kummer verursachen,
mit Sorge quälen. Reil. sich b.: Kummer
empfinden, sich sorgend mühen, sich umtun.
Mhd. bekumbern, bekümbern «in Not bringen,
belästigen, beschäftigen», (in derRechtssprache)
«mit Beschlag belegen », vgl. mndl. bekommer en.
Gebildet und zum Teil entlehnt von dem aus
lat. incumuläre gewordenen franz. encom'brer,
prov. encombrar, ital. ingombrare, mlat. in-
cumbrare «(durch Schutthaufen) den Weg
versperren, verhindern». S. Kummer. ABL.
Bekümmernis, f., mhd. bekumbemisse f.
beknnden, v. : kundgeben, ofienes Zeug-
nis womber geben. Erst bei Adelung 1793 als
der Rechtssprache Niedersachsens angehörig.
Belag, s. Beleg.
belagern, v.: durch ein Lager einschließen
und bedrängen. Spätmhd. belegern, auch
ältenihd. belegern (bei Luther), belägern (noch
bei Stieler 1691).
Belang, m. {-es): Bedeutung, Wichtigkeit,
eig. was weit reicht (s. belangen). Verschieden
von mhd. belang m. «das Verlangen, Sehnen
wonach», dagegen ist mnd. belang (substant.
Form eines Adj., das im Mndl. als belang ^zu-
gehörig, verwandt, gemäß, abhängig, darauf
ankommend» erscheint) «Bedeutung»; das Wort
diiogt in die Kanzleisprache ein und wird
nach der Mitte des 18. Jh. allgemein, von
Heynatz 1775 noch beanstandet, doch schon
vorher von Lessing und Klopstock gebraucht.
belangen, v.: l) impers. sich worauf er-
strecken, etwas betreft'en {himüger anbelangen).
2) trans. klagend vor Gericht ziehen eig. mit
der Klage erreichen. Mhd. mich, selten mir
belanget «mich verlangt», doch auch intrans.
«sich erstrecken» und trans. «erlangen, er-
reichen», älternhd. dann «betreffen» und «jem.
mit etwas angehen». Vgl. ndl. belangen «be-
treä"en, anbelangen», engl, belong «zugehüren,
betreffen».
belästigen, v.-. lästig, beschwerlich fallen.
Im 15. Jh. belestigen (Wyle 15, 1). Mhd. da-
für belesten, gebildet von last.
^Belebe, f. (PI. -n), auch Beleben m. (-s,
PI. wie Sg.): eine Salmart, salmo lavaretus.
Daneben auch Balche (schon mhd. balche),
Bolche und mit anderm Anlaut Felchen (s. d.).
Dunkler Herkunft.
^Belebe, f. (PI. -n): Wasser-, Bläßhuhn,
fulica atra. Älhd. belche, ahd. belihha f., da-
neben belihho m. Das laX.fulicai. ist verwandt,
auch gr. cpaXripic f. «Wasserhuhn». Der Name
von dem weißen Flecken auf der Stirn des
sonst schwarzen Tieres, denn ahd. belihha
gehört mit -ihha als Endung (vgl. Habicht,
Kranich) zu gr. cpaXöc, q)dA.ioc, abulg. belü,
lit. bältas «weiß»; mhd. erscheint Belche auch
als Name eines (weißen) Rosses. Vgl. Blesse.
Beleg, m. (-es, PI. -e): beigefügte be-
weisende Urkunde, beigebrachter Beweis, ur-
spr. namenthch die unter die Grenzsteine ge-
legten dauernden Zeichen der Markmeister
und Feldgeschworenen. Belege, n. (-s, PI.
wie Sg.): an den Rand des Kleides gesetzter
Streifen, um jenen steifer zu machen. Schon
1541 bei Frisius 502 '^ die belege eins kleyds
oder leyste. Aus diesem Wort (urspr. über-
haupt «das Beigelegte, Beigefügte») geht auch
Beleg hervor, bei Frisch 1741 und Adelung
1793 noch N. (doch kennt dieser das schon
bei Rädlein 1711 angeführte M. «aus einigen
Gegenden»); bei Heynatz 1775 Belege f. Da
das meist im PI. gebrauchte Wort auch Be-
läge geschrieben wurde, so folgerte man da-
raus auch fälschlich einen Sg. Belag, der
schon 1673 bei Mühlpforth Leichenged. 155,
sowie bei Lessing vorkommt. Von belegen:
(ehedem) ringsum legen, belagern (2 Sam. 11,
13*
199
l)elegeu
Bellhammel
200
1), mhd. belegen, ahd. hüeggen; auflegend über-
decken (auch mhd.-ahd.); zu urkundlichem
Beweise beilegen, beweisend beigeben (im
15. Jh. mit dem eide belegen); durch Auf-
legen eines Zeichens in Anspruch nehmen;
zu tragen bestimmen; (von Säugetieren) aus
Geschlechtstrieb besteigen.
belegen, adj.: gelegen, der Lage nach be-
findlich. Eig. Pai't. Prät. von beilegen, mhd.
beiigen «liegen bleiben, ruhen, fest woran
haften», auch «beiliegend umfangen» (so ahd.
büiggen).
belehnen, v. : mit einem Lehen versehen,
in ein Lehen einsetzen. Mhd, belelienen.
beleiht, adj.: feisten Leibes. Der Form
nach Part. Prät., gebildet wie behaart, bejahrt.
Älternhd. ist beleibt «mit einem Leib, Körper
versehen» (so bei Stieler 1691) in der Bed.
von «beleibt» erscheinen schwer b., ivohl b.
(dies aber bei Albertinus weibl. Lustg.2'2^ von
schönem Körper), das einfache beleibt, das
Adelung nicht kennt, bei Campe 1807.
beleidigen, v.: (veraltet) Leid zufügen,
(dann) in Schmerzgefühl versetzen: durch
Worte oder Handlungen verletzen. Mhd.
beleidigen, zusammenges. aus be- und leidegen,
ahd. (bei Notker) leidegön «betrübt machen,
betrüben», abgeleitet von ahd. (bei Notker)
leidig «leidig» (s. d.). ABL. Beleidigung,
f.: beschwerendes, Besorgnis erregendes Übel
(Apostelg. 27, 10); Kränkung durch Worte
oder Taten. Frühnhd.
belemmern, v.; dui-ch kleine Kniffe be-
trügen, übers Ohr hauen. So zuerst bei
Ludwig 1716. Die Angaben von Duez 1664
{belemmeln «sordidare») und Krämer 1678
{belemmeren «bedrecken», in gleicher Bed.
belampern bei Grimmeishausen Simpl. 3, 428,
Kurz) weisen darauf hin, daß die ursprüng-
liche Bed. «beschmutzen» ist (vgl. bescheißen).
Doch vgl. mnd.-ndl. belemmeren «hindern,
kraftlos machen», verlemert «verspielt» bei
H. Sachs Fab. 246, 62.
belesen, adj.: durch vieles Lesen viel
wissend. Eig. Part. Prät. des ältenihd. V.
belesen «durchlesen, gründlich lesen». Bei
Duez 1664, aber Wolbelesenheit schon bei
Fischart Garg. 7.
belfern, v.: schnell wiederholt bellen;
(bildlich) sich in vielen Worten und wieder-
holt scheltend auslassen. Mit der Frequen-
tativendung -ern abgeleitet von belfen «bellen»
(Goethe 2, 237), das durch Vermischung von
bellen mit dem gleichbed. beffen (s. baffen)
entstanden zu sein scheint. 1542 bei Luther
beluern (belvern) neben bellen.
belieben, v.: l) intrans. (mit Dat.) dem
Gefallen entsprechend sein. 2) trans. nach
Gefallen wofür geneigt sein; nach Gefallen
ausfuhren. Davon das Part. Prät. beliebt:
nach Gefallen getan (Günther 258); allge-
mein gefallend (17. Jh.) und der subst. Inf.
Beliehen, n. : Gefallen. Mhd. dafür das ein-
fache lieben (mitDai.) «gefallen», anth gelieben;
belieben ist erst finihnhd. (16. Jh., das Subst.
im 17. Jh.). ABL. beliebig, adj.: nach Ge-
fallen, behaglich, angenehm (bei Grimmeis-
hausen Simpl. 1, 78 Kurz); ganz dem Belieben
überlassen (bei Rädlein 1711).
bellen, v. : (vom Hund und Fuchs) den
ihrer Stimme eig'nen schallenden Laut hören
lassen; (bildlich) Worte und Töne heftig und
gellend herausstoßen. Mhd. bellen (Prät. ball,
PI. bullen, Part, gebollen), ahd. bellan; dazu
ags. bellan (grunzen, vom Schwein), engl, bell
(schreien, vom Hirsch). Als Grundbed. muß
etwa «tierische Töne von sich geben» an-
gesehen werden. Hierher noch ags. belgian,
engl, belloiv «bellen» und anord. belja «beUen»;
vgl. auch beilen. Man sieht aind. bhas (für
bhals) «bellen», lit, baisas m. «Stimme» als
verwandt an, dann müßte -II- aus -Is- ent-
standen sein. Der Übergang zur schwachen
Flexion begmnt im 17. Jh.: 1690 hat Bödiker
S. 04 schon im Prät. bellete und boll, im
Part, gebellet und gebollen, Gottsched setzt
die schwachen Formen an und Adelung be-
zeichnet sie als weit gewöhnlicher, die starke
Biegung als obd. ; doch kommt sie bei Dichtern
des 18. Jh. noch häufig vor (bei Goethe 2, 208
billt, 28, 77 boU).
Belletrist, m. {-en, PI. -en): wer sich
mit den schönen Wissenschaften (franz. les
belles-lettres), d. h. der Rede- und der Dicht-
kunst beschäftigt und sie ausübt. Um die
Mitte des 18. Jh. in Deutschland aufgekommen
(bei Goethe 19, 92, Werther). ABL. Belle-
tristik, f.: die auf die schönen Wissen-
schaften bezügliche Literatur, Schönschrift-
stellerei. belletristisch,adj. (Goethe28, 177).
Bellhammel, m. {-s, PI. Bellhämmel)-.
Leithammel, d. i. der Hammel der Herde,
der eme ScheUe am Halse trägt. Zu thü-
ringisch, ndd. belle «Schelle», ndl. bei, ags.
belle f., engl, bell, altnord. bjalla f. «Glocke»,
das unsicherer Herkunft ist. Bei Henisch
1616. Auch ndl. belhamel m., dafüi- engl.
bell-tcether.
201
Belt
benamen
202
Belt, m. (-es, PI. -e): ileerenge der Ost-
see zwischen Schleswig und Fünen, sowie
zwischen Fünen und Seeland, iihd. Ijeltemer
n. ist «Ostsee» (noch P. Fleming und Ramler
1, 43. 63 meinen mit Belt die Ostsee). Kaum
zu ags. helt m., anord. helti n. «Gürtel», son-
dern dem lat.-germ. Baltia (bei Plinius 4, 13)
entsprechend. S. haUisch.
beluchsen, v.: hinterlistig (luchsartig
spähend) übervorteilen. Am Anfang des 18. 'Jh.
belegt (1706 bei Menantes allem. Art 588
und bei Rädlein 1711 beUtxen, bei Adelung
fälschlich ielugsen). S. abluchsen.
belustigen, v.: lustig, heiter machen,
Vergnügen erwecken. Bei Dasypodius 1537
belustigen.
Belyedere, n.: Oi-t, von dem aus man
eine schöne Aussicht genießt. Das ital. bel-
vedere d. i. «schöne Aussicht». Um 1700 auf-
genommen "(Günther 728, auch bei Sperander
1 728 vei-zeichnet), aber in derBed. Schauspiel,
Schaustück schon 1607 bei Scheible Schalt-
jahr 5, 648 Bellvider n.
bemächtigen, refl.v.: sich wessen mächtig
machen, es in seine Gewalt bringen. 1616 bei
Henisch 277.
bemäkeln, s. mäkeln.
bemängeln, v.: Mängel in etwas finden.
Junges, bei Adelung und Campe noch nicht
verzeichnetes T\'ort, wohl aus der obd. Kanz-
leisprache stammend.
bemannen, v.: mit Mannschaft besetzen
oder versehen. Mhd. bemannen.
bemänteln, v. : einen Mantel (der im alt-
deutschen Recht als Sinnbild des gewährten
Schutzes gebraucht wirdj um etwas hängen;
verdecken und zugleich einen guten Anschein
geben. Frühnhd. (vgl. Gombert 6, 14 aus Emser
vom J. 1524, auch bei Luther), in gleichem
Sinne vermenteln fAlbei-us Barfuser Münche
Nr. 601, Mathesius Sar. 229 »).
bemeiern, v.: eig. ein Gut mit einem
Meier besetzen: jemand betrügen. In der
1. Bed. bei Campe.
bemeistern, v.: Meister werden über
etwas. Refl. sich b. «sich bemächtigen». Bei
Krämer 1678.
bemerken, v.: durch festes Richten der
Sinne auf etwas wahrnehmen; einen aus solcher
Wahrnehmung hervorgegangenen Gedanken
äußern. Mhd. bemerken «beobachten, beob-
achtend prüfen», ABL. Bemerkimg, f., bei
Stieler 1691.
bemitleiden, v.: Mitleid haben mit je-
mand. Zuerst bei Rädlein 1711 aufgeführt,
: noch von Adelung 1793 den niedrigen Sprech-
arten zugewiesen; nach Heynatz 1796 kommt
, es auch bei guten Schriftstellern in Aufnahme.
bemittelt, adj.: die Mittel habend, um
bequem leben zu können (bei Grimmeishausen
Shnpl. 4, 287 Kui-z). Eig. Part. Prät. eines
Y. bemitteln «mit ^Mitteln wozu versehen».
(1677 bei Butschky Pathm. 25).
Bemme, f (PI. -n) -. Brotschnitte, nament-
lich in Bidterbemme «Butterbrot». Im öst-
lichen Mitteldeutschland. Luther hat Putter-
pomme, Zehner 1622 Xomenclator S.408, Duez
1664 und Ki'ämer 1678 Butterbamme, dies
auch bei dem Sachsen Weise (Erznarren 71)
und dem Schlesier Stoppe, auch bei Ludwig
1716 und Steinbach 1734. Stieler 1691 hat
das einfache Bamwe, Bamm (daneben Barns
«Brei»). Etwa zu thüiing. bammen «essen;,
Schweiz, bampen «wohl behaglich und fast be-
ständig essen», ein lautnachahmendes Wort,
das eig. auf das Schmatzen mit den Lippen
beim Essen geht. Xach Heyne WB. auf
gr. ßduua n. «Brühe» zurückgehend und in
den Schülerkreisen der Humanistenzeit auf-
gekommen. Vgl. noch E. Schröder AfdA.
23, 154.
bemoost, adj.: (studentisch in bemoostes
Haupt u. dgl.) alt, eig. grau geworden wie ein
mit Moos bewachsener Stein. Wohl nicht vor
Anfang des 19. Jh. aufgekommen (bemooster
Herr bei Goethe Faust 6638j.
bemüßigen, v.: Muße wozu geben, in-
stand setzen, veranlassen Spätmhd. bemüe-
gegenist «erledigen, frei (mhd. müe^ec) machen» :
dieselbe Bed. hat b. in der älternhd. Kanzlei-
sprache (vgl. Schmeller - 1, 1678), später ist
das T. durch müssen beeinflußt worden. Im
17. Jh. in der jetzigen Bed.
benachteiligen, v.: in Xachteü bringen.
Xoch nicht bei Adelung. Xach Heynatz
1796 von einigen versucht (doch steht es
schon 1663 bei Schottel S. 624).
benamen, v.: mit einem Namen belegen.
Mhd. benamen. Außerhalb der Dicht^rsprache
veraltet. Im Ablaut dazu steht das von den
schlesischen Dichtern (noch von Günther,
Menantes) gebrauchte beniemen, urspr. be-
nümen, mhd. (in md. Quellen) benuomen, be-
niiemen, ndl. benoemen. ABL. benamsen:
wie benamen. Frähnhd. (Franck Weltb. 59 ''j.
Jetzt nui- noch in altertümelnder Rede Vgl.
namsen unter Nam£.
203
l)enaiieu
bequem
204
Genauen, v.: in die Enge bringen, hart
bedrängen, beängstigen. Aus dem Niederd.
(nind. henomven) ins Hochd. gedi-ungen, bei
Stieler 1691 verzeichnet. S. genau. Von
Heine (6, 355 henaut «beklommen») gebraucht,
bei dem auch 3, 179 das abgeleitete Subst.
Benauigkeit, f.: Beklommenheit.
Bendel, m. n. (s, PI. wieSg.): das kui'ze
Bindband, besonders das schmale. Mhd.
heiiäel, ahd. bentil m., mit Suffix -il von haut
abgeleitet, dazu anord. hendül, mengl. hendel.
beiie, adv. in sich h. tun (Bürger 168),
auch sich ein h. tun «sich etwas zu gut tun»,
ist das lat. Adv. hene «gut», das sich in der
Studentensprache in bestimmten Wendungen
festsetzte, wohl schon im 16. Jb. (vgl. Amadis
ed. Keller S. 8 ein h. erlangen).
benebelt, adj. (eig. Part. Prät. zum Yerb.
heneheln): von Nebel umhüllt (17. -Tb.); (bild-
lich) getrübt, tiiibe (bei Stieler 1691); tranken,
leicht bezecht, wie sich heneheln «sich be-
trinken» (im 18. Jh., z. B. bei Lichtenberg,
vgl. Stieler der Wein hat ihm seine Vernunft h.).
benebst, adv. : wie nebst. In der frühnhd.
Kanzleisprache als henehenst, henebest.
benedeien, v.: segnen, ürspr. kirch-
licher Ausdruck. Mhd. heneäien, entlehnt
aus dem gleichbed. lat. henedlcere eig. «wohl
sagen, Gutes wünschen».
Benediktenkraut, n.: die besonders in
ihrer Wurzel heilkräftige Pflanze herba be-
nedicta, d. i. gesegnetes Kraut. Spätmhd.
heneäictenkrüt n.
Benefiz, n. (-es, PI. -e)-. Vorstellung zu-
gunsten eines Schauspielers. Aus franz.
henefice m., das aus lat. heneficium n. «Wohl-
tat» stammt. Bei Campe 1813.
benehmen, v.: (mit Dat. der Person und
Akk. der Sache) hindernd oder abhaltend
wegnehmen; (mit Akk. der Person und Gen.
der Sache) dui-ch Einwirkung erledigen. Mhd.
henemen , ahä. hineman; dazu as.-ags.-got.
hiniman «wegnehmen». Eefl. sich h. «sich
aufführen» (erst bei Adelung 1793); {mit
einem) sich mit jemand verständigen. Der
Inf. als Subst. Benehmen, n. (nach Adelung
«in den Kanzelleyen»).
beneiden, v.: voll Neid auf jemand sein
(mit Akk. der Person oder Sache, im 18. Jh.
nach lat. oder franz. Vorbilde auch mit Dat.
der Person und Akk. der Sache, z. B. Lessing
6, 224. Schiller Braut v. Mess. 1243). Mhd.
(selten) heniden, gewöhnlich in gleicher Bed.
niden, s. Neid.
benennen, v. : mit einem Namen belegen;
namhaft machen; namentlich bestimmen. Mbd.
henennen. Das Part. Prät. im altern Nhd.
auch benennt (Lessing 12, 1 1), benennet (Goethe
30, 211), s. nennen. Benennung, f., mhd.
(Germ. 28, 360 mit Beleg von 1354).
Bengel, m. (-s, PI. wie Sg.): ein kurzes
stangenartiges Holz; naturwüchsiger derber,
dann grober Mensch. Mhd. hengel m., in der
1. Bed. als «Holz zum Schlagen», von einem
nicht belegten V. *hangen (dazu mit Ablaut
mhd. hunge f. «Trommel»), das dem engl.
to bang «schlagen, prügeln» (davon hangle
«Prügel»), anord. />a«<7a «schlagen» entsprechen
würde. Dies vielleicht zu lit. hüoze «Keule,
Klöppel am Dreschflegel». Die 2. Bed. er-
scheint frühnhd. (Lüiencron 4, 32 v. J. 1531
Milchbengel von Schweizer Bauern, auch bei
Hans Sachs Fab. 288, 112 Bengel von einem
Bauern). Auch ndl. hengel m. «Prügel»;
dän. beuget, schwed. hängel (entlehnt) als
Schimpfwort.
benlemen, s. henamen.
Benne, f. (PI. -n): Wagenkorb, -kästen,
Sitzkasten eines Schlittens. Oberd. (bei Dasy-
podius 1537 als henn angeführt). Nach franz.
benne f. «Wagenkorb, Tragkorb», ita\. bennat
«Korbschlitten», die auf gall.-lat. henna «Art
Wagen» (bei Festus) beruhen. Auch ndl.
ben i. «Korb», engl, bin «Kasten».
Benno, Mannesname. Aus ahd. Benno,
Koseform von Bernhard (s. d.), seltener von
Bernger, Beringär.
benötigen, v.: notleidend (mhd. ncetec),
bedürftig machen; nötig haben. Mhd. benö-
tegen (neben benceten) ist «in Not bringen,
bedrängen, zwingen». Das Part. Prät. be-
nötigt «bedürftig» (schon bei Luther), «nötig».
benschen, jüd. den Segen sprechen. Aus
lat. benedicere. Als Gaunerwort 1737 belegt.
Benzoe, n. (-s): gewürzhaftes Harz des
Benzoebaumes. Bei Franck Weltb. 1534 S.219b
Benzui, bei Lonicerus 1587 Benzoi, aus span.
benjui m., franz. benjoin m., ital. helzuino,
balgivi m., wohl aus arab. luhän dschäwl
«javanischer Weikrauch».
beobachten, v. : in Obacht nehmen ; streng
einhalten; anhaltend wonach sehen. Im 17. Jh.
(Harsdörfer Gespr. 1, 287).
bequem, dichterisch auch noch bequeme
(Goethe 2, 268), adj. und adv.: zukommend,
passend, nach Wunsch sich fügend; ange-
messen zum Gebrauch ohne Beschwerlichkeit;
Beschwerlichkeit scheuend. Mit Abfall eines
205
beramen
bereuen
206
e aus mhd. hequceme (obd. meist heJcceme,
hekoeme), ahd. biquämi, dazu mnd. bequeme,
ndl. hekivaam, vgl. ags. geaveme «passend». Zu
bekommen (Prät. ahd. biquam, PI. biquämun)
in devBed. «zukommen, passend sein». ABL.
bequemen, v.: passend machen. Meist refl.
sich bequemen, v.: sich leicht in etwas fügen.
Frühnhd. (1482 im Voc. theut. d2^ bequemen, J
bequem machen «aptare»). bequemlich, adj.,
mhd. bequcemelich und Bequenilichkeit, f.,
mhd. becj^ucemelicheit.
berameu, s. anberaumen.
berappen, v. : (studentisch) bezahlen, eig.
Rappen (s. d.) geben. Aus der Gaunersprache.
beraten, v. (Prät. beriet, Part, beraten):
womit versehen; worüber zu Rate gehen,
etwas mit jemand besprechen; an jemand
Rat erteilen. Mhd. beraten «mit rät (Gerät,
Von'at, Zuiüstung) versehen, ausmsten»; in
rät (erwägende Besprechung) ziehen, über-
legen, ahd. birätan, «mit etwas vollauf ver-
sehen, ganz anfüllen».
beräuchern, >.: woran Rauch gehen
lassen; schmeicheln. Bei Luther bereucliern,
während mhd. ohne das ableitende -ern. be-
r Glichen .
berauschen, v. : in einen Rausch ver-
setzen. Refl. sich b., davon das Part. Prät.
auch adjektivisch. Bei Krämer 1678.
Berberis oder Berberitze, f. (PI. -n):
der Saurach, Sauerdorn. Aus neugr. -lat.
berberis f., das auf dem gleichbed. arab. ber-
häris beruht. Im älteren Nhd. dafür Berber-
staude, während sich die Form Berberitze
nicht nachweisen läßt (doch vgl. mnd. beve-
ritte bei Diefenbach - Wülcker S. 230). Unter
den Entstellungen von Berberis im Munde
des gemeinen Mannes führt Adelung auch
Berivitzen auf.
berden (Jes. 61, lO), v.: sich gebaren,
sich benehmen. S. Gebärde.
berechtigen, v. : das Recht wozu geben. ,
Bei Luther. Spätmhd. berehtegen neben dem I
gewöhnlichen berehten ist «rechtlich anspre- 1
chen; vor Gericht entscheiden, richten».
bereden, v.: wovon reden; etwas durch
mündliche Besprechung festsetzen; jemand
durch mündliche Rede zu einem Glauben
bringen oder wozu vermögen. Mhd. bereden
«worüber reden», dann in den angegebenen
Bedeutungen, aber auch s. v. a. «beweisen,
dartun, überführen».
Beredsamkeit, f.: Fertigkeit in der Rede;
Redekunst. Von älternhd. beredsam, das von
bereden gebildet ist; früher auch (mit Anleh-
nung an beredt) beredtsam und Beredtsamkeit
geschrieben, was noch Adelung zuläßt. Um
1600 auftretend neben Beredtheit, das 1599
bei Albertinus Sendschreiben 2, 4* steht.
beredt, adj. und adv.: fähig zu bereden
(wozu durch Redefertigkeit zu bestimmen),
redegewandt. Eig. das Part. Prät. von bereden,
aber in der ältenihd. Form mit unterdräcktem
e der Endung (auch oft mit kui'zem Vokal
gesprochen). Mhd. beredet, bei Luther beredt
(fiüher auch bered, wie er auch gesand für
gesandt schreibt).
Bereich, m. (-es, PI. -e)-. Umki-eis, Raum,
so weit die Befugnis, die Macht reicht. Bei
Campe 1807 noch nicht verzeichnet; nach
Heynatz 1796 von ihm eingeführt und zuerst
gebraucht, dann auch von Goethe. Von älter-
nhd. bereichen «reichen bis an — , erreichen».
bereichern, v.: reicher (mhd. riclm')
machen. Erst um 1600 (Albertinus Ki-iegsleut
Weckuhr 2, 187). Frtiher bereichen, mhd.
berichen «reich machen».
bereit, adj. und adv.: gertistet, gerichtet
zur Tat: zu Diensten stehend. Mhd. bereite,
bereit, ahd. bireiti. Urspr. wohl «weg-, reise-
fertig», zu reiten gehörig (wie fei'tig zu fahren).
Vgl. in andrer Zusammensetzung ags. gercede,
(woraus engl, ready «bereit, feiiig»), mhd.
gereite, anord. greidr «bereitstehend, bequem»,
got. garaids «bestimmt, angeordnet». ABL.
bereiten, v. : wozu richten, anordnen, mhd.
bereiten.
Bereiter, m.: wer Pferde zureitet (bei
Henisch 1616), Kunstreiter; beaufsichtigender
reitender Beamte (in Land-, Forst-, Zoll-
bereiter).
bereits. Gen. des Adj. als Adv.: schon
(vgl. mit gleicher Bedeutungsentwicklung ndl.
reeds, alreeds zu reede, engl, already zu ready) ;
(in obd. Umgangssprache) beinahe. Bei
Luther und bis gegen Ende des 17. Jh. (z. B.
bei Lohenstein Hyac. 77) dafür bereit (auf
das mhd. Adv. bereite zuiückgehend) , was
auch Stieler 1691 noch anführt; bereits erst
bei Krämer 1678. Bereitschaft, f., mhd.
bereitschaft «Ausrüstung, Gerätschaft, bares
Geld» (in der jetzigen Bedeutung bei Krämer
1678). bereitwillig, adj. und adv. Bei
Krämer 1678.
bereuen, v.: Reue worüber empfinden.
^Ihd.beriuwen nur vmpersönlich (mich beriuwet
eines dinges), was auch älternhd. vorkommt.
Luther verwendet bere^ven auch als trans. V.
207
Berg
Berserker
208
Berg, ra. (-es, PI. -e): bedeutende Erd-
höhe. Mhd, herc (Gen. herges), ahd. berg,
herag m. ; dazu asächs.-ndl. herg m., ags. heorh
(Gen. beorges) m. «Grabhügel», anord. berg
und bjarg n., schwed. berg, dän. bjerg n., got.
*bairgs m. zu erschließen aus bairgahei f.
«Berggegend». Berg vielleicht zu bergen
(s. d.). Zunächst gehört es aber mit Burg,
arm. berj «Höhe», kymr. bry «hoch», altir.
bri, Akk. breg «Berg», zu aind. brJiant, awest.
bardzan- «Höhe», so daß als Grundbed. «das
Hohe, Erhabene» anzunehmen wäi'e. ZuBerge :
aufwärts, stromaufwärts (schon mhd.^e berge).
Dazu die Adv. bergab, bergan, bergauf
(schon mhd.). ABL. bergig, adj.^ mhd.
bergiht ZUS. Bergknappe, m., mhd.
bercknappe m. Bergmann, m., 1482 im Voc,
theut. y b^perckmann; dazu bergmänniscb,
adj., 1590 bei Albinus Meißn. Bergchron. 80.
Bergwerk, n., mhd. b&'cwerc.
Bergamotte, f (PI. -n): eine Birnenart.
Aus franz. bergamot, ital. bergamotta f. Aus
türk. beg-armiidu «Fürstenbirne». Im 17. Jh,
üblich (1652 bei Eist Parnaß 81 Bergamotten-
birne).
bergen (Imp. birg, Prät. barg, Part, ge-
borgen), V.: wovor wahrnehmend in Sicher-
heit halten; der Wahrnehmung entziehen.
Mhd. bergeniYxäi.barc, Vl.burgen, Konj.bürge,
Part, geborgen), ahd. bergan; dazu asächs.
bergan, ags. beorgan, anord. bjarga, schwed.
berga, dän. bjerge, got. bairgan «bewahren».
Mit Ablaut gehört hierher ags. byrgan, engl.
bury «begraben», asächs, burgisli, ags. byrgels
n., engl, burials (PI.) «Begräbnis». Aus dem
Slav. wird abg. bregq «bewahre, behüte» ver-
glichen, das aber vielleicht entlehnt ist. Be>'g
(s. d.) könnte verwandt sein, weim das Verbum
von dem Nomen abgeleitet ist. Vgl. noch
Meringer Idg. Forsch. 18, 262.
Bergfried, m. (-es, PI. -e): Kampftm-m,
der bewegliche hölzerne, wie der steinerne
zur Verteidigung. Mhd. bercvrit, mit Ausfall
des c bervrit m. «hölzerne Verschanzung auf
einem Berge, Bollwerk, Turm», zusammenges.
aus mhd. berc und vricle «Schutz». Aus dem
deutschen Worte das mlat. ber-, belfredus,
afranz. berfroi, beff roit «Wachtiurm-», ital. (mit
Anlehnung an battere «schlagen») battifredo ra.
bergig, Bergknappe, -mann, -werk,
s. Berg.
Bericht, m. (-es, PI. -e)-. (veraltet) be-
lehrende Zurechtweisung; mündhche oder
schi-iftüche Darlegung woiniber, namentHch
eines üntem an seinen Obern. Mhd. beriht
m. und f. (dies auch noch bei Luther) «Mit-
teilung, Belehrung, Versöhnung». Von be-
richten, V.: zurechtweisen, zui-echtweisend
belehren ; Kunde wovon oder woiüber geben ;
mündlich oder schriftlich darlegen. Mhd. be-
rihten «recht machen, in gehörige Ordnung
bringen, eimichten, bestellen, schlichten, unter-
weisen, belehren».
berichtigen, v.: richtig machen. Zuerst
bei Adelung 1774 verzeichnet. Früher erscheint
in gleicher Bed. berichteil (s. d.). Schon spät-
mhd. berihtigunge f. «Vertrag, Vergleich».
beritten, adj.-. zu Pferde sitzend; mit
einem Pferde zum Reiten versehen. Mhd.
beriten. Eig. Part. Prät. von bereiten, mhd.
beriten « (das Reittier) aufsitzend in Bewegung
setzen, (eine Fläche) reitend durchziehen».
Berkän, m. (-es, PI. -e): Zeug aus Ziegen-
haar und Wolle. Mhd. barkän m. s. Barchent.
Berline, f. (PI. -n): bedeckter Reise-
wagen, der zurückgeschlagen werden kann.
o ■ CO
Im 18. Jh. aus dem gleichbed., bereits 1712
vorkommenden franz. berline f, eig. «Berliner
(zuerst von Berlin nach Paris und da in
Gebrauch gekommener) Wagen».
Berlocke auch Brelocke, f. (PI. -n):
Uhrgehängsel. Im 18. Jh. aus franz. breloque,
hennegauisch berloquei., «zierliche Kleinigkeit
geringen Wertes, Anhängsel», das man aus
lat. iis und anord. lökr m. etwas «Herab-
hangendes» erklärt.
Bernhard, Mannsname, mhd. Bernhart,
ahd. Berinhart.
Bernstein, m. (-s): gelbes brennbares
Erdharz. Von ndd. bernen (mit Metathese,
vgl. bersten) «brennen, schmelzen», also eig.
Stein, der im Feuer schmilzt, vgl. börnen.
Älternhd. Nebenformen sind Bornstein, Barn-
stein (auch ndl. barnsteen m.). Schon im
13. Jh. erscheint mnd. bornsten, 1475 im
Teuthonista bern-, barnstein, auch in hd.
Glossaren des 15. Jh. schon bernstein (selten
brenn-, brennenstein). Bornstein im 16. Jh.,
z. B. bei Mathesius Sar. 61*, Fischart Garg.
397, auch noch bei Henisch 1616 neben Barn-
stein; 1598 bei Hutterus Dict. 792 Börnstein.
Schottel S. 512 hat nur Bernstein. Im Ahd.
heißt der Bernstein gismelzin., von schmelzen,
im Mhd. agestein eig. Magnet, auch älternhd.
oft Ägstein (s. d.). Vgl. auch Glas.
Berserker, m. (-5, PI. wie Sg,): von
Kampfeswut erfüllter Krieger (bei Goethe
29, 87 Berserkerwuth). EuÜehnt aus dem
209
bersten
Besanmast
210
ffleichbed. anord. herserkr m., eig. «Bären-
kleid» (her- «Bär», serkr «Kleid»), dann
«Männer in Bärengewand, die von tierischer
Wut befallen und mit unwiderstehlicher Ge-
walt sich auf alles Lebende stürzen, um es
zu vernichten».
bersten (Imp. hirst, Prät. barst, Part.
geborsten), v.: auseinanderbrechen. Mit Um-
stellung des r (entsprechend dem Md. Ndd.)
aus mhd. bresten (Prät. brast, PI. hrästen,
md, auch brüsten, Part, gebrosten), ahd. hrestan,
unpers. anch «mangeln, gebrechen» (s. Ge-
bresten): dazu asächs. hrestan, anord. bresta
und mit gleicher Umstellung wie im Xhd.
ndl. barsten, afries. bersta, ags. berstan, engl.
burst. Gehört zu brechen oder zu air. hrissim
«breche», gr. trepOuj «zerstöre». S. Walde
unter frustum. Das Wort ist von Luther
aus dem Md. eingeführt und dem Obd.
urspr. fremd (bei Dasypodius, Maaler und
selbst Dentzler nicht angeführt). Das Prät.
lautet ältemhd. auch borst (Schottel S. 581
erborst, auch noch Brockes 1, 151, Bürger 203),
davon noch jetzt der Konj. börste. Imp. birst,
Präs. birstet, birst auch schwach gebildet:
berste, berstest, berstet.
-bert, an Mannsnamen wie Ädelbert, Albert
(s. Adel), Hubert usw., bed. s. v. a. «glänzend,
leuchtend». Aus mhd. herht, ahd. beraJit
«glänzend, leuchtend»; dazu asächs. berht,
ags. beorht, engl, bright, anord. bjartr, got.
bairhts «offenbar». Weiter vergleicht man lit.
birsti «wird weiß», s. Wiedemann Idg. Forsch.
1,512, gr. cpopKÖv XeuKÖv, iroXiöv, ^ucöv Hes.,
Grienberger Wiener SB. 142, 43. Vgl. auch
-brecht. Davon der Frauenname Berta, mhd.
Berhte, ahd. Berahta, Berhta. Zusammenges.
mit bert ist auch der Mannsname Bertold,
mhd. Berhtolt, ahd, Berahtolt, in dem -olt
auf -walt zurückgeht.
Bertram, m. oder n. [-es, PI. -e): die
Geifensurz, lat.-gr. pyrethrum. Frühnhd. auch
noch berchtram, brechtram, mhd.ahd.herhtram
an den deutschen Mannsnamen Berhtram,
Bertram d. i. «glänzender Rabe, Glanzrabe»
angelehnt und so mit deutschem Klang aus
dem gr.-lat. Namen der Pflanze pyrethrum,
gr. TTÜpeepov n., abgeleitet voniröpn. «Feuer»
und nach dem scharfen brennenden Geschmack
der Wurzel benannt. Der Name Geifer- oder
Speichebcurz , weü die Wurzel gekaut den
Speichel stark zusammenzieht.
berüchtigt, adj.: worüber übles Gerede
(Gerücht) umläuft. Eig. das Part. Prät. von
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
beriichtigen «in übles Gerede bringen», das
aus dem Ndd. stammt (mnd. heruchtigen,
berochtigen neben der einfacheren Bildung
beruchfen), aber im 15. Jh. auch in md.
Quellen zu finden ist (1469 heruchtigen im
mittelrhem. Voc. ex quo «infamare», 1501 im
j Leipziger Voc. optimus, vgl. auch Diefenbach-
1 Wülcker 195). Über rüchtigen s. ruchbar
und Gerücht.
berücken, v.: Hstig täuschend fangen,
eig. das Netz über die gefangenen Vögel
rücken (Pred. 9, 12); unvermutet überfallen
und zu Schaden bringen, betören. Durch
Luther eingeführt.
berücksichtigen, v.: Rücksicht worauf
nehmen. Zuerst von Campe 1807 als Wort
der Umgangssprache angeführt.
Beruf, m. {-es, PL -e): (veraltet; Ruf,
spätmhd. feer?«?/ «Leumund»; Stellung, in die
man eingewiesen ist, Bestimmung, Amt fbei
Luther); innerer Antrieb. Von berufen, v.:
herbei, zusammenrufen, zu etwas rufen, mhd.
beruofen, ahd. hihruofen; zur Rede setzen,
tadeln (nxhd. beruofen mit Gen. oder von,
umbe): etwas unzeitig und zumUnheü nennen
(frühnhd., wie beschreien, eig. nur laut von
, etwas reden, vgl. mhd. beruofen «laut aus-
i rufen»). ReÜ. sichber-ufen (mit auf): jemand
anrufen, an jemand appellieren, jemand oder
etwas zm* Bekräftigung einer Behauptung
heranziehen (mhd, sich beruofen mit an, in,
auch inti*. beruofen). Davon das Part. Prät.
; berufen auch s.v.a, «berühmt» (bei Luther);
' bemchtigt, verrufen (bei Fleming 586).
berühmt, adj.: mhmlich bekannt. Bei
Luther. Eig. Part. Prät. von herühmen, mhd.
berüemen «rühmen» (später nur s-ich herühmen
mit Gen.).
Beryll, m. {-es, PI. -e): ein meergrüner
Edelstein. Mhd. herille fGen. berillen), harille
aus dem gleichheä.gv.-lAt.heryllus, gr. ßnpuXXoc
m.f., das ausprakYit.velurijam.veru^ijam. aind.
vaidürja stammt. S. auch Brille.
besabbern, s. sabbern.
besage, präp. mit Gen.: nach Wortlaut.
Im Kanzleistil, schon frühnhd., gekürzt aus
spätmhd.nacÄ besage, woraus sich ein spätmhd.
besage f. «Wortlaut, ausdrücklicher Lihalt»
ergibt, abgeleitet von besagen, ahd. hisagen
«aussagen».
, Besanmast, m.: Hintermast, Besänsegel,
In.: Hintermastsegel. Jenes das ndl. hezaans-
mast f., zusammenges. mit ndl. hezaan f.
«nächster Mast am Hinterteil des Schiffes».
14
211
Besatz
Bescheid
212
Das Wort ist wohl schon im 16. Jb, ein-
gedrungen, da Fischart im Garg. 117 hesanet
Schiff «mit der Besan ausgestattetes» bat:
Ludwig 1716 verzeichnet znerst Besaant Da-
neben erscheint eine Form mit anlautendem m
(im 16. Jh. bei Chytraeus Moysahn, bei
Fleming 584 Meysan «Besansegel»), die dem
ital, mezzana, franz. mizaine, engl, mizzen
entspricht und als urspiünglicher anzusehen
ist; zugrunde liegt lat. mediana «die in der
Mitte befindliche».
Besatz, m. {-es, PI. Besätze): das womit
etwas eingefaßt (besetzt) wird. Junge, bei
Adelung 1793 noch nicht verzeichnete Bil-
dung von besetzen (wie Verlag von verlegen,
Versand von versenden).
Besatzung, f. (PI. -en)-. die in einem
Orte liegende Mannschaft. Zu besetzen, mhd.
besetzen «mit der nötigen Mannschaft ver-
sehen, bevölkern», wie Bestallung znbestellen.
Spätmhd. besatzunge (neben besetzunge) f. ist
«Befestigung»; Besatzung in der jetzigen Bed.
erscheint bei Fronsperger Kriegsb. 1, 115, wäh-
rend Luther dafür Besetzung hat (l.Makk.4,2).
besaufeu, v.: (veraltet) völlig trunken
machen. Mhd. besüfen (Prät. besouf, Part.
besoffen) «versinken, ertrinken», vermischt
mit dem Faktitivum besoufen (Prät. besoufte),
ahd. bisoufen «ertrinken machen, ertränken,
eintauchen». Jetzt nur refl. sich b. (zuerst
bei Krämer 1678).
beschaffeil, adj.: nach den Merkmalen
erscheinend. Mhd. beschaffen, Part. Prät. von
beschaffen «erschaffen», ist «vorhanden, be-
findlich, existierend, durch das Schicksal be-
stimmt», während geschaffen, Part. Prät. des
einfachen schaffen, auch die Bed. von «ge-
staltet, gebildet» hat, die bei beschaffen im
17. Jh. hervortritt. ABL. Beschaffenheit,
f.: bestimmte Art des Erscheinens nach den
Merkmalen. Bei Henisch 1616. Mhd. be-
schaffenheit ist «Schöpfung».
beschäftigen, v.: tätig (geschäftig) ma-
chen. Gebildet von einem unbelegten, aber
nach ndd. besehe ftich «geschäftig» vorauszu-
setzenden md. Adj. bescheftic (belegt ist nur
in md. Quellen scheftic «geschäftig, tätig»
und gescheftic). Bei Krämer 1678. In mhd.
Zeit erscheint dafür md. besehe ften.
beschälen, v.: dieStute befruchten. ABL.
Beschäler, m. : Zuchthengst. U^lbescheler
im Voc. theut. d 3 ^^ neben scheler cc 4% wofür
mhd. einfacher sehet, ahd. scelo m. «Schell-
hengst» (s. d.).
beschaulich, adj. : auf innere Betrachtung
gerichtet. Spätmhd. beschouivelich (in der
deutschen Theologia), von beschourven, das
bei den Mystikern (nach lat. contempläri')
von der inneren seelischen Betrachtung ge-
sagt wurde.
Bescheid, m. (-es, PI. -e): genaue unter-
scheidende Kenntnis; genaue Auskunft wor-
über; schlichtende Erkenntnis in einer Rechts-
sache; zukommende Erwiderang (auch beim
Trinken, vgl. bescheyd thun bei Dasypodius
1587, Alberus Fab. 8, 60). Mhd. bescheit m. n.
und bescheide f. Von bescheiden, v. : (ehe-
dem völlig scheiden, dann) gehörig ausein-
andersetzen; worüber genauen Bericht geben,
bestimmt benachrichtigen ; ein die Rechtssache
schlichtendes Erkenntnis erteilen; vorladen;
zuteilen. Refl. sich bescheiden «zui* klaren
Erkenntnis wovon kommen, in einsichtsvoller
Weise sich in seinen Wünschen und An-
sprüchen beschränken». Mhd.bescheiden «völlig
scheiden, entscheiden, schHchten, einrichten,
bestimmen, benachrichtigen, zuteilen». Davon
das alte Part. Prät. bescheiden als Adj.
(aber sonst beschieden s. scheiden): 1) (ver-
altet) Bescheid wissend, erkenntnis-, einsichts-
voll (Schiller Teil 1, 4. 5, 1), mhd. bescheiden;
2) zum Refl. (ebenfalls veraltet) zurückhaltend,
maßhaltend, züchtig (so zuweilen schon mhd.,
z. B. Wigalois 155, 1, dann in friihnhd. Glos-
saren, z.B. 1482 im Voc. theut. d4^ bescheydener
«tranquillus», in andern Glossaren «modestus»,
bei Maaler 1561 «züchtig»); mäßig in Wunsch
und Anspruch (im 17. Jh.). ABL. Be-
scheidenheit, f. : Mäßigkeit in Wunsch und
Anspruch. Mhd. bescheidenheit ist dagegen
«richtige (alles wohl auseinanderlegende und
haltende) Einsicht und Beurteilung, Verstän-
digkeit» (so noch Luther, doch schon 1501
im Voc. opt. R 2^ «meßigkeit, modestia», bei
Maaler 1561 «moderatio, verecuudia»). be-
SCheidentlich, adj.undadv.: der Mäßigkeit
in Wunsch und Anspruch gemäß. Mit ein-
getretenem t aus mhd. bescheidenlich «ver-
ständig, den Umständen angemessen, ge-
bührlich, deutlich». -^?7<S. Besch eidessen, n.:
was man den Nachbarn von einem Schmause
oder Schweineschlachten zuschickt, dann was
Gäste beiseite legen und den Ihrigen nach
Hause senden oder bringen, damit sie gleich-
sam Bescheid tun d. h. nachessen. Im altern
Nhd. 1482 im Voc. theut, d4'^ und noch 1717
Abrahamisches Bescheidessen des P. Abraham
a. S. Clara.
213
bescheinigen
beschuppen
214
bescheinigen, v.-. einen Schein worüber
ausstellen. Bei Stieler 1691, aber noch in
der altern Bed. «offenbar machen, beweisen».
Nicht von Schein ausgehend, sondern Neben-
form (mit Anlehnung an das älternhd. Adj.
scheinig, mhd. schinec «leuchtend, glänzend,
in die Augen fallend, sichtbar») von älternhd.
hescheinen, mhd. hescheinen «sichtbar machen,
sehen lassen, zeigen, beweisen», dem Faktitivum
zu dem starken V. hescheinen (Prät. heschien),
mhd. heschinen, ahd. hisMnan «erleuchten, er-
hellen» ist. Die jetzige Bed. bei Ludwig 1716
(daneben hescheinen noch bei Adelung).
beSCheLßen, v.: mi^ Kot beschmutzen;
frech betmgen. Mhd. heschinen auch schon
in der 2. Bed., ahd. hisd^an nur in der 1.
bescheren, v, : ein Geschenk, als Geschenk
zuteilen. Mhd. hescheni (namentlich von gött-
licher Schickung) «zukommen lassen, verleihen,
bestimmen;^ eig. «zuteil gebeir;, ahd. hiscerjati
«abteilen» oder «absondern», besonders zur
Wegnahme «berauben»; dazu ags. hescyrian
hescyrtvan «berauben». Das einfache mhd.
schet-n, ahd. scerjan, asächs. skerian, ags.
scyrian ist «abteilen, zuteilen, bestimmen»
usw., abgeleitet von Sclmr (s. d.). Ein andres
Wort ist hescheren «beschneiden», s. scheren.
beschicken, v.: nach jemand schicken,
ihn holen lassen, mhd. heschicken: durch Ab-
cfesandte besuchen lassen: in Ordnung bringen,
versorgen (mhd. heschicken ist «im Testament
festsetzen»!, vgl. geschickt.
beschlafen, v.: beiliegend schwängern,
mhd. hesläfen: zum Überdenken eine Nacht
verziehen ffrühnhd.).
Beschlag, m. {-es, PI. Beschläge): wider
anderes Festgemachtes zu Festigkeit oder
Zierde (spätmhd. heslac m., daneben auch
heschläge u.); Hufeisen des Pferdes und dessen
Befestigung; äußerer Ansatz und Anflug,
der sich abwischen läßt; erhobener Anspruch
auf etwas, um es zurückzuhalten (erst bei
Steinbach 1734, wohl aus dem Ndd., schon
mnd. das V. heslän «mit Beschlag belegen»).
Von beschlagen, v. : wider etwas schlagen ;
fest anschlagen an etwas; befestigend womit
überziehen, einschüeßen, versehen z. B. das
Pferd an dem Hufrand mit einem Hufeisen
(in diesen Bedd. mhd. heslahen, ahd. hislahan) ;
( weidmännischj trächtig machen. Davon das
Part. Prät. beschlagen auch adjektivisch:
mit Kenntnissen wohl versehen, eig. durch
Eisenbeschlag stark tmd dauerhaft, wie franz.
fh-re, (bei Duez 1664).
beschleunigen, v.: rasch fördern (bei
Stieler 1691). S. schleunig.
beschmaddem, v.: voll schmieren, be-
schmieren, besudeln fWieland Lucian 1, 331j.
Bei Stieler 1691 heschmaderen. Aus dem Ndd.,
zusammenges. mit ndd. smadäern «beschmut-
zen, schmieren», wohl aus älterm smoddern,
i ndl. smodderen, das zu Schmutz (s. d.) gehört.
' beSChnäufeln, v.: (von Jagdhunden)
' schnaufend beriechen, abgeleitet von he-
I schnaufen, s. schnaufen. Bei Adelung 1774.
I beschneiden, v.: i-ingsum abschneidend
I schneiden; wegsehneidend der Vorhaut be-
nehmen. Mhd. hesniden, ahd. hisntdan. ABL.
beschneitein, v.: wie beschneiden (früh-
nhd.). S. schneiteln.
beschnellen, V. : betrügen. Veraltet, aber
noch bei Bürger, Voß. Wegen der Bedeu-
tungsentwicklung vgl. prellen.
beschnüffeln, v.: beriechend untei-suchen.
Bei Lessing 10, 176 ohne Umlaut heschnuffeln.
S. schnüffeln.
beschnuppern, v.: an etwas umhemechen.
In einem md. Glossar des 14. Jh. hesnoppern
«naschen». Bei Lessing 1, 126 heschnopern.
S. schnuppern.
beschönigen, v.: dui-ch Schönmachen
verdecken und entschuldigen. Dafür mhd.
heschoenen «schön machen, schmücken, ver-
herrhchen», dann s.v.a. «entschuldigen, recht-
fertigen». Auch im altem Nhd. heschönen (noch
1758 bei Nieremberger) ; das erweiterte he-
schönigen bei Steinbach 1734.
' beschränken, v.: in Grenzen (Schranken)
i fassen, einschließen, einengen. Eefl. sich h. :
j sich in Grenzen halten. Das Part. Prät. be-
schränkt auch adj.: begrenzt, allzu eng,
, geistig unfähig (bei Goethe). Mhd. hesehrenken
ist «um klammem, einschränken, verspen'en,
zu Fall bringen, überüsten», ahd. hiscrenken
«zu Fall bringen, verleumden».
, beschreiben, v.: voU schreiben; schrift-
j lieh aufzeichnen : schriftlich darstellen ; über-
j haupt darstellen, schildern (in diesen Bedd.
] mhd. heschrihen) ; eine Linie darstellen, eig.
I beim Zeichnen, dann aber auch durch eigene
Bewegung.
beschummeln, v.: in niedriger Weise
I betrügen. Bei Adelung als ndsächs. Ausdruck
für «durch Geschwindigkeit oder List be-
trügen» angeführt. S. schummeln.
beschuppen, v.: anführen, überlistend
betrügen. Das gleichbed. nd. beschuppen ; eig.
; hd. wäre heschupfen. Zusammenges. mit schup-
14*
215
Beschwerde
Besitz
216
/ew, md.-ndd. schuppen «durch einen kurzen
Schwung schaukehid in Bewegung setzen, hin
und wieder stoßen, überstürzen», (mundartlich
dann) «übertölpeln, zum besten haben» (s.
Schmeller - 2, 44 1 ), vgl. auch mhd. underschupfen
«ein Bein stellen und so zu Falle bringen,
mit, List verdrängen, überlisten». 1687 kommt
in der Gaunerspi'ache schuppen «betrügen»,
1750 beschuppen vor: Adelung 1774 führt
den Ausdruck als ndsächsisch an.
Beschwerde, f. (PI. -n): Schmerzempfin-
dung, Betmbnis worüber, sowie Äußerung,
Klage derselben; drückend Belästigendes. Mhd.
heswoerde f., zusammenges. mit ahd. swärida f.
«drückende Last», von schver; ahd. swäri. —
beschweren, v.; schwer d. i. schmerzlich,
drückend, lästig machen und sein. Mhd. be-
swceren, ahd. (bei Notker) beswären. Refl.
sich beschivere7i: sich eine Last aufladen; als
Last empfinden (Sir. 7, 39) ; über Drückendes
klagen (im 16. Jh. mit Gen. der Sache). ABL.
beschwerlich, adj.: drückend lästig. Früh-
nhd. (bei Luther). Beschwernis, f.: drückend
Belästigendes. Mhd. besivcernisse f.
beschwichtigen, v. : durch Zm-eden ruhig
machen. Aus dem Xdd., mit ndd. cht für hd. ft,
Ableitung von ndd. swichten, mhd. swiften
«stillen, dämpfen», das von mhd. sivift «ruhig»
gebüdetist; ahd.giswiftoyi «stille sein, schwei-
gen». Der zugrunde liegende Stamm wohl
auch in got. sweiban «aufhören, nachlassen».
Das von Adelung 1793 noch nicht angeführte
Wort braucht 1778 Hermes Sophiens Reise
6, 636: 1795 wird es von Campe Bereichei-ung
empfohlen; Wieland führt dann 1797 das schon
1774 von Klopstock gebrauchte schwicMigen
in die neue Bearbeitung der Belsora Suppl.
2, 65 ein (bemerkt aber S. 79, daß das Wort
1751 außerhalb Medersachsens unbekannt ge-
wesen sei), von da an wird b. oft gebraucht.
beschwören, v. : mit Beteuerungen bitten ;
durch Zauberspruch vergewaltigen, schwörend
bekräftigen. Mit Entwicklung eines e aus ö
(s.schivören) aus m]id.beswern, ahd. bisiverian;
got. (ohne J -Verstärkung im l*räs.) bisivaran.
besebeln, v. : betrügen. In der Gauner-
sprache. Schon frühnhd. auch literarisch (z. B.
besebeln Mathesius Sai-. 78'', 224*, bese feien
Fischart Garg. 302, davon dann Besebler «Be-
trüger» Mathesius Sar. 276% Beseffler Mo-
scherosch Phil. 2, 629). Eig. beseheißen (im
Lib. vag. sefeln «scheißen») zu hebr. arm. zebel
«Mist, Kot». Doch vgl. auch sabbeln, sabbern
«den Speichel fließen lassen, beschmutzen».
beseitigen, v.: auf die Seite, weg schaffen.
Weiterbildung eines altem beseiten, nach Hey-
natz 1796 nur in obd. Staatsschriften, dann
bei Campe 1807.
beseligen, v. : in hohem Grade beglücken,
eig. selig (s. d.) machen. Frühnhd. (auch bei
Luther), aber in der Bed. «begaben» (noch
bei Stieler 1691, doch daneben die jetzige Bed.).
Besemer, s. Desem.
Besen, m. (-s, PI. wie Sg.) : Kehrwerkzeug,
Rutenbündel zur Zucht; (studentisch)Mädchen,
namentlich niedem Standes (seit Ende des
18. Jh. nachzuweisen, doch jedenfalls weit
älter, Hausbäsem als Schimpfwort schon bei
Fischart). Mit Abschwächung des Suffixes zu
-en (doch Besem noch bei Steinbach 1734,
auch bei Goethe, z. B. 14, 308 auf Besmen)
aus mhd. besenie (Gen. besemen, dann auch
stark), ahd. besamo m. ; dazu ndl. bezem, ags.
besma m., engl, besom. Dunkler Herkunft.
Redensart: neue B. kehren gut «wer neu im
Amt oder Dienst, ist zu eifrig, ist übertätig»
(schon bei H. Sachs 21, 80 die newen Besen
keren ivol und im Vridanc 50, 12 der nimce
beseme keret rvol). Dim. Besenchen, n.,
bei Goethe auch noch Besemchen und gekürzt
Besehen (31, 99). ZUS. Besenstiel, m., mhd.
besemstil, bei Goethe (Faust 2308) auch s.v.a.
Hexenmeister, vom Ritt der Hexen auf Besen
(Ebd. 3835).
besessen, als Adj. gesetztes Part. Prät.
von besitzen (s. d.): von einem innewohnen-
den bösen Geiste ganz eingenommen oder
geplagt. So schon mhd, bese^^en.
besichtigen, v.: in Augenschein (Sicht)
nehmen. Im 15. Jh. tritt besichten, daneben
auch schon das weitergebildete besichtigen
(1507 bei Wilwolt von Schaumburg 80, auch
bei Luther) auf.
Besing, s. Beere.
besinnen, refl. v.: etwas durch feste
Richtung der Sinne im Geiste wieder gegen-
wärtig machen. Mhd. besinnen (mit st, u.
schwacher Flexion) «mit fester Richtung der
Sinne in Überlegung ziehen, zur Erkenntnis
bringen, erachten», refl. sich b. «nachdenkend
sich bewußt werden». Das Part. Prät. als
Adj. gesetzt besonnen: gefaßten Sinnes und
überlegt, mhd. hesunnen und besinnet (daher
auch älternhd. bis ins 18. Jh. besinnt). ABL.
Besinnung, f. : Überlegung ; Kraft der Über-
legung. Erst, bei Adelung 1793.
Besitz, m. {-es): Innehaben einer Sache
zu voUer Verfügung, Im 15. Jh. (1482 im
217
besoifeu
Bestand
218
Voc. theut. d 4^, aber in der Bed. Belagerung),
dann bei Lutber (5 Mos. 33, 23) in der Bed.
«Besitzung, besessener Grund und Boden» und
später, doch anfangs noch selten. Mbd. dafür
heseg m. n. Im 18. Jb. im Besitz sein «die
Macbt wozu haben, in der Lage sein» (Schiller
4, 117). Von besitzen, v.: innehaben zu
freier Verfüonns. Mhd. besitzen, ahd. hisizzen,
eig. «umsitzen», daher auch «belagern», dann
auch in der jetzigen Bed. ; dazu a.sAth.'i.hisittian,
ags. hesittan. S. auch besessen. ABL. Be-
sitztum, n., erst im 17. Jh. (Zesen Ibr. 427
Besitztuhm). Besitzung, f., mhd.besitzunget
besoflFen, als Adj. gesetztes Part. Prät.
von besaufe)i (s. d.): aus ünmäßigkeit völlig
betrunken (1697 bei Ettner unw. Doctor84l).
besolbern, s. besulbem.
besonder, adj.: für sich als Teil eines
Granzen von anderm getrennt ; als eigentümlich
auszuscheidend; vor anderm hei-vorzuhebend.
Das Adj. taucht erst im 14. Jh. spärlich auf,
gebüdet aus dem mhd. Adv. besunder «in Ab-
gesondertheit, im einzelnen, vorzüglich», ent-
standen aus be- als Abschwächung der mhd.
Präp. M «bei» und dem Adv. sunder, ahd.
suntar (s. sonder). Davon mit genetivi-
schem s das Adv. besonders. Frühnhd.
(bei Liliencron 3, 395 v. J. 1521 besunder s,
bei Luther besonders).
besorgen, v.: mit Sorge bedenken, mit
Sorge entgegensehn, mhd. besorgen, ahd. bi-
soragen (auch refl. sich b. mit Gen.): Sorge
um etwas tragen, die Sorge wofür über-
nehmen (auch mhd. ahd.); (abgeschwächt)
auszviführen übernehmen. Das Part. Prät.
besorgt adjektivisch: Sorge habend worum,
fürsorgend bedacht, angstbewegt, mhd. be-
sm-get. ABL. besorglich, adj. u. adv., früh-
nhd. Besorgnis, f., erst im 18. Jh. (Heynatz
1796 führt es als neues Wort auf, das von
verschiedenen guten Schriftstellern gebraucht
werde). Beide zu besorgen in der l.Bed.
besprechen, v.: geradezu ansprechen
('Schiller Zerst. v. Troja Str. 48j; in Anspruch,
in Beschlag nehmen (Goethe 21, 253; 29, 252.
Schiller Parasit 1, 5); verabreden (Goethe 86,
153); durch Hersagen von Spruch oder Formel
einwirken auf — ; mündlich be-, verhandeln.
Refl. sich b.: sich miteinander unterreden,
besonders worüber. Mhd. besprechen «an-
reden, bitten, beschuldigen, vei'abreden», auch
sich b. «sich durch Sprechen miteinander
beraten», ahd. bisprehhan auch «herabsetzen,
tadeln, rügen, verurteilen». Die Bed. «zau-
i berisch einwirken auf — » erst bei Adelung
1774 (doch schon mnd. bespreJcen), die Bed.
<•< mündlich verhandeln» ist ganz jung (noch
nicht bei Campe 1807).
besser, adj. u. adv.: anderm vorzuziehend,
vorzüglicher; noch mehr als anderes. Der
übliche Komparativ des Begriffes gut. Mhd.
be^^er, ahd. be^^iro (mit schwacher Flexion);
dazu asächs. betero, ndl. beter, ags. betera,
engl, better, anord. betri, schwed. bättre, dän.
bedre, got. batiza. Als Adverb steht mhd.
ba^ (s. baß, auch wegen der Etymologie),
nhd. aber besser. ABL. bessern, v.: besser
machen, refl. sich bessern «besser werden».
^Ihd.be^ßern, ahi.be^girön. Davon Besserung,
f., mhd. beg;^e)-unge, ahd. be^^irunga.
best, Superlativ zu dem Kompar. besser
(s. d.). Mhd. be^^est, be^^ist, meist verkürzt
(mit Schwinden des 55 vor s) best, ahd. beß^ist:
dazu asächs. betest, betst, ndl. best, ags. betest,
betst, engl, best, anord. beztr, schwed. bäst,
dän. bedst. Redensarten: zum Besten geben
eig. «bei einem Fest als Preis (das Beste)
aussetzen», dann «überhaupt für eine GeseD-
schaft spenden, preisgeben» (im 17. -Th. bei
A. Gryphius); zum Besten haben «verspotten,
anführen», eig. wohl «als Zielscheibe beim
, Preisschießen bestimmen», dann «zum Ziel
von Angriffen machen» (1715 bei Ettner
Hebamme 196; im 17. Jh. dagegen zum
Besten Imben «als Gewinn davonti'agen»).
ABL. bestens, adv., im 17. Jh.
bestallt, adj.: in ein Amt eingesetzt,
namentlich in dem kanzleimäßigen ivohlb.
Ein erstarrtes Part. Prät. mit Rückumlaut
\ von bestellen (s. d.), denn mhd. bestellen bildet
im Prät. bestalte, Part, bestalt und bestellet.
Zuweüen wird zu bestallt ein Inf. bestallen
gebildet (schon mhd. in md. Quelle bestallen
«besetzen»). — Bestallung, f.: Übertragung
einer Stelle; amtliche Stelle, sowie die damit
verbundene Besoldung. Im 15. Jh. bestallunge
f. Gebildet von bestellen, wie Besatzung von
besetzen.
Bestand, m. [-es, PI. Bestände): das
Standhalten, Festbleiben, Dauer; aUes zu-
sammen was ein Ganzes ausmacht; (obd.)
Pacht, Miete (das Sein worin für eine Dauer).
I Im 15. Jh. bestant m., namentlich «Waffen-
^ stillstand», dann auch «Dauer, anhaltendes
Sein, Pacht, Miete». Zu bestehen. ABL. Be-
\ Ständer fobd., auch Beständner), m.: Pächter.
(beständig, adj. u. adv.: festbleibend, un-
unterbrochen dauernd, mhd. bestendec. ZUS.
219
bestätigen
Besuch
220
Bestandteil, m., bei Adelung 1774 aus der
philosophischen Sprache.
bestätigen, v.: stetig (stätig) d. i. fest-
stehend, beständig, dauernd machen (sich h.
bei Goethe 35, 68); als giltig erklären, be-
kräftigend giltig machen. Mhd. hestcetigen
(daneben auch hestceten, s. Bestatter), ahd.
iiloQstätigm, von dem Adj.s^a% «stetig» (s. d.).
bestatten, v.: feierlich zu Grabe bringen.
Mhd. hestaten urspr. «an seine oder überhaupt
eine Statt bringen», dann «eine Statt geben,
mit allem Nötigen versehen», besonders «zur
Heii'at ausstatten, zu Grabe bringen».
Bestatter, m. {-s, PI. wie Sg.): wessen
Gewerbe es ist die Versendung von Gütern
zu besorgen, der Spediteur. Am Rhein. Von
bestatten «mit Leistung von Sicherheit ver-
bundene Versendung von Gütern besorgen»
mit Kürzung des Vokals aus mhd. hestceten
«beständig machen, festgesetzt machen», dann
«Sicherheit leisten für — ». Schon im 15. Jh.
in Frankfurt hesteder (Diefenbach-Wülcker
S. 209) ; Adelung hat noch richtiger Bestäter.
bestechen, v.: rings um etwas stechen;
in etwas stechen, einstechend versuchen (in
der Bergmannsprache, schon mhd.); durch
Geld zu einer unrechten Handlung verleiten,
die Vorteil bringt; (übertragen) für sich ein-
nehmen. Die 3. Bed. erscheint friihnhd. (Sallust
R 2), daneben auch einfaches stechen (z. B.
mit gelt gestochen Sallust S 2, stechen mit
geschenckenhut\ieTb,4:\S^ Jen., mit gelt stechen
Franck Chr. 66**); sie geht vielleicht von der
2. Bed. aus, bestechen also eig. «auf die Probe
stellen, versuchen » (in diesem Sinn auch mhd.
stechen). ABL. bestechlich, adj., erst bei
Adelung 1793.
Besteck, n. (-[e]5, PI. -e)-. das Futteral,
in das gewisse zusammengehörige Werkzeuge
eingesteckt und in dem sie getragen werden,
sowie diese Werkzeuge selbst; Messer und
Gabel (die früher oft in einem Futteral ge-
tragen wurden). Frühnhd. (Fischer 1, 937).
Bei Stieler 1691 auch Gesteck.
bestehen, v.: l) intrans. (worauf, worin)
Stand halten, fest bleiben, woraas gebildet
oder zusammengesetzt sein, überhaupt sein.
2) trans. feindlich entgegenstehen; kräftig
(fest stehend) unternehmen oder durchdauern ;
stehend räumlich einnehmen. Mhd. hestän,
ahd. histantan, histän «Stand halten, stehen
bleiben; bleiben; umstehen, stehend besetzen,
feindlich angreifen, überfallen», mhd. auch s.v. a.
«als Lehensträger oder Mieter übernehmen».
bestellen, v. : wohin zu festem Stand an-
weisen (Jos. 10, 18; 2 Kön. 7, 17); in ein Amt
einsetzen (2. Chron. 19, 5); wohin bescheiden
oder zu kommen laden; beauftragen zu fer-
tigen; in Stand setzen, bestimmt ordnen, zu-
richten; zur Besorgung befördern. Mhd. be-
stellen «rings umstellen, besetzen» (namentlich
mit Bewaifneten), «einsäumen, m den Stand
setzen, bestimmen, anordnen, Oi'dnen, als Ei-
gentum, zur Nutzung überweisen, zur Stelle
bringen, besorgen», ahd. histellen «rings um-
stellen, umgeben». S. auch bestallt.
bestens, s. best.
bestialisch, adj.: tierisch roh, viehisch.
Aus lat. bestiälis «tierisch wild, viehisch»,
von bestia f. (s. d. f.). Frühnhd. (1538 bei
Schaidenreißer Paradoxa 2 ^, 1 598 bei Albertinus
Sendschr. 1, 207"^). Bestialität, f.: tierische,
viehische Roheit. 1603 bei Albei'tinus Zeit-
kürzer 50*^ Bestialitet. Aus neulat. bestialitas
f. — - Bestie, f.: wildes Tier. Aus lat. bestia
f. «wildes (Wald-) Tier», bei Plautus auch
Scheltwort. Schon mhd. bestie, frühnhd. auch
als Scheltwort. Nd. früher Beest n., PI.
Beeste, jetzt auch Biest n., PI. Biester.
bestimmen, v.: durch die Stimme be-
zeichnen, entschieden bezeichnen, mhd. be-
stimmen «benennen, mündlich bezeichnen, fest
bezeichnen»; einem Gebrauche oder einer Auf-
gabe zuweisen; nach unterscheidenden Merk-
malen genau abgrenzen (bei Ludwig 1716);
entscheidend zu etwas veranlassen (bei Ade-
lung 1774, zunächst aus der philosophischen
Sprache). Davon das Part. Prät. bestimmt
in adjekt. Gebrauch «fest bezeichnet; genau
abgegrenzt; entschieden», wie franz. Meide
(erst bei Campe 1807).
bestreiten, V.: bekämpfen, mhd. bestriten;
in der Rede entgegentreten; bewältigen, An-
forderungen Genüge tun (bei Stiel er 1691),
namentlich in Bez. auf Kosten.
bestricken, v.: bei-ücken eig. im Stricke
fangen. Mhd. bestricken.
bestÜrzen, v.: durch Unerwartetes die
Geistesgegenwart verlieren machen. Mhd. be-
Stürzen, ahd. bistur zen «überstürzen, umwen-
den», dann «außer Fassung bringen, verwii-rt
machen». ABL. Bestürzung, f., 1626 bei
Zincgref Apophth. 1, 23.
Besuch, m. {-es, PI. -e): das Sichwohin-
begeben, um dort eine Zeitlang zu verweUen,
sowie die besuchenden Personen selbst. Mhd.
besuoch m. ist «das Gehen nach einem Orte,
um dort ein Recht (des Weidens, Holzsammeins
221
besudeln
Betreff
222
usw.) auszuüben, sowie dieser Ort selbst»;
ahd. besuch fbeiXotker) «HeimsuchuBg». Die
jetzige Bed. bei Henisch 1616. Von besucheo,
V.: (veraltet) durchforschen; wohin begeben,
um dort eine Zeitlang zu verweilen. Mhd. he-
suochen «suchen, aufsuchen, untersuchen, ver-
suchen, feindlich angreifen»; ahd. Msuohhen
«versuchen, auf die Probe stellen»,
besudeln, V. : beschmutzen. In Glossaren
des 15. Jh. hestidlen, bei Luther hesiiddeln.
S. sudeln,
beSUlberUjV.: ai-g beschmutzen. Mit Über-
gang eines lo in & aus mhd. fin md. Quellenj
besulwern, abgeleitet von mhd. hesuliven, he-
sülwen, dessen suliven, sühcen von ahd. sol n.
«Kotlache» (s. Suhle) abgeleitet ist.
betagt, adj.: in hohem Alter stehend.
Mhd. hetaget «in ein gewisses Alter getreten ;\
Eig. Part. Prät. von einem V. hetagen «mit
einem Alter versehen» (mhd. nur sich hetagen
«alt werden», während hetagen «Tag werden,
als Tag bescheinen, ans Licht kommen usw.»
ist). Vgl. bejahrt.
betätigen, v.: tätig zeigen, dm-ch Taten
an der Tag legen. Refl. sich h.: sich tätig
zeigen, namentüch in einer Eigenschaft. Zu-
erst bei Heynatz 1796 als ein "Wort der
Aftergeschäftssprache, dann bei Campe 1807,
seit 1805 oft von Goethe gebraucht.
betäuben, v.: empfindungslos, gehörlos,
unfähig zum Denken, dumpf an Sinn und j
Geist machen. Mhd. (meist ohne Umlaut) he-
touhen, eig. «taub machen», dann «besinnungs-
los machen, betören, entkräften, vernichten».
^Bete, s. Bede.
2 Bete, f. (PI. -n): Straf satz im Karten-
spiel. S. Labet.
beteiligen, v.: Anteil geben. Teilnehmen
lassen. Refl. sich h.: Anteil nehmen, dazu das
Part. Prät. beteiligt. Erst bei Campe 1807 als
ebd. Wort angeführt. Ältemhd. findet sich he-
teüen «Anteil woran geben», wie ndl. hedeelen.
Betel, m. (-s) : ostindisches Rankengewächs,
dessen rotsaftige, bittere, wohlriechende Blätter
gekaut werden. Aus franz. hetel m., engl, betle,
portug. betere und betete m., das aus dem Ma-
layischen abgeleitet wird. Es kommt als Betete
schon 1595 bei Hulsius Schiffahrten 1, 22 vor,
bei Münster Cosmographey Asien Kap. 88. 104
Betete, Bettele.
beten, v.: eine Bitte an ein höheres Wesen
aussprechen, überhaupt zu demselben feierlich
sprechen. Mhd. beten, ahd. beton (mit Akk.
der Person) eig. «bitten», dann «zu einem
I hohem Wesen bitten, zu demselben feierheh
sprechen», abgeleitet von mhd. bete, ahd. beta.
got.hida f. «Bitte, Gebet. Entsprechend asächs.
hedön.
beteuern, v. : hoch und teuer versichern.
Bei Henisch 1616. Xach den Lauten entspricht
mhd. hetiuren, das aber «zu kostbar dünken»
bedeutet, doch kommt spätmhd. beteurung
schon in dem Sinne «Beteuerung» vor.
Betonie oder Betunie, f. (PI. -n): GHed-
kraut, Schlüsselblume. Mhd. hatonie, ahd. he-
tonia, nach dem lat. Namen betonica f., nach
Plinius hist. nat. 25, 46 aus gallisch vettonica
nach dem am Tajo wohnenden Volk der
Vettones. VgL auch Batengel.
Betracht, m. (-es): Erwägung. Von
Adelung als obd. Wort den Kanzleien zu-
gewiesen, aber von Wieland 4, 10 gebraucht.
Vgl. Anbetracht. Mhd. erscheint hetrahte f.
«Bedachtsein worauf, Absicht, Erwägung,
tJberlegung». Von betrachten, v.: mit
Auge und Geist hingezogen sein oder ver-
weilen auf — . Mhd. betrahten, ahd. hitrahtön
«woraufhin denken, worauf achten, bedenken,
erwägen, ausdenken». ABL. beträchtlich,
adj, u. adv,: was in Betracht kommt, er-
heblich. Frühnhd., in der jetzigen Bed. aber
erst im 18. -Jh. üblich werdend (Lessing 7, SS)
und von Adelung 1793 verzeichnet. Betrach-
tung, f., mhd. hetrahtunge f.
Betrag, m. (-es, PI. Beträge): die Summe.
Bei Steinbach 1734 fmhd. hetrac m. ist «Ver-
gleich»), Von betragen, v.: voU tragen,
besonders mit edelm Metalle belegen, xnhd,
betragen; zusammengetragen (berechnet^ aus-
machen (bei Duez 1664). Refl. sich b.: sich
im äußern Verhalten zeigen. ^Ihd. sich be-
tragen (aber mit schwacher Flexion Prät.
hetragete, Part, betraget) ist «sich nähren,
sich behelfen, auskommen mit etwas», daim
auch «mit einem auskommen», diese Bedd.
auch noch ältemhd., die jetzige zuerst bei
Nieremberger 1753. Davon der substanti-snerte
Lif. Betragen, n. (Lessing 1, 430).
betrauen, v.: Treu und Glauben zu-
wenden; (einen mit etwas betrauen): es ihm
auf Treu und Glauben übergeben. Mhd. he-
triiiwen,betrüiven «in Treue erhalten, schützen»;
in frühnhd. Glossaren ist betrauen «trauen».
Stieler 1691 und noch Adelung 1793 bezeichnet
das Verb als unüblich bis auf das Part. Prät.
betraut.
Betreff, m. (-s) : Beziehung auf — . Aus
der Kanzleisprache bei Heynatz 1796 und
223
betreten
Bettler
224
schon 1755 bei Dornblüth S. 169 angefülirt.
Davon das genetivische Adv. betreffs (hei
Campe 1807 j. Von betreffen, V.: bei etwas
antreffen, namentlich bei etwas Schlechtem,
ertappen; befallen, zustoßen; angehen, Be-
ziehung haben auf — . In der letzten Bed.
ist das Wort frühnhd. (auch bei Luther).
Das Part. Prät. betroffen auch adjektivisch
«unangenehm bei-ührt, betreten». Im 18. Jh.
(bei Geliert, Wieland, Lessing).
betreten, v.: auf etwas treten; eintreten
in etwas, beschreiten; bei etwas antreffen,
ei'tappen, mhd. hetreteti «treffen, überraschen,
ergreifen»; befallen, zustoßen (bei Luther).
Das Part. Prät. betreten auch akjektivisch
«unangenehm berühi't, verwirrt» (bei Luther),
Betrieb, m. (-es, PI. -e): das Treiben
auf etwas, z. B. des Viehes; Ausübung einer
Tätigkeit (bei Adelung 1774); Antrieb (fiiih-
nhd.). Zu betreiben. ABL. betriebsam,
adj., bei Adelung 1774.
betroffen, s. betreffen.
betrüben, v.: trübe machen; (bildhch)
freudlos- machen und schmerzlich bewegen.
Mhd. betrüeben. Das Part. Prät. betrübt auch
adjektivisch. ABL. Betrübnis, f., spätmhd.
(md.) betrüebnisse f. u.
Betrug, m. (-es): Täuschung zu Nachteil
oder Schaden. Frühnhd. 1501 im Voc. opt.
L 5^ bedruck «fraus», dann bei Luther Betrug).
Mhd. dafür betroc m. «Betrug», ahd. bitroc
«Trugbild». — betrügen (Prät. betrog, Part.
betrogen), v.: zu Schaden oder Nachteil täu-
schen. Mhd. betriegen, ahd. bitriogan. Älter-
nhd. (auch bei Luther) betriegen und so noch
bei Gottsched und Adelung und im 18. Jh.
herrschend ; bei Goethe in der Ausgabe letzter
Hand durchgeführt. Daneben findet sich seit
dem 16. Jh. (im Anschluß an Betrug und
unter Einfluß von lügen) betrügen, das im
18. Jh. häufiger wird; Heynatz 1796 zieht
es vor und Campe 1807 führt es allein an.
S. trügen. ABL. Betrüger, m., 1482 im
Voc.theut.d6a betrieger. Davon Betrügerei,
f., spätmhd. betriegeri. betrüglich, adj. u.
adv.: zum Beträgen geneigt; Betrug mit sich
führend. Spätmhd. betrieglich, dann auch bei
Luther, sich mischend mit betrügelich, be-
trogelich, das von betroc (s. Betrug) gebildet
ist, ahd. bitrogalih «seltsam, scheußlich».
Betschwester, f.: dm-ch vieles Beten
sich auszeichnende weibliche Person. Mhd.
betschwester f. ist «Nonne», die jetzige Bed.
im 16. Jh. (Nas Pract, E7^).
Bett (-es, PI. -en), mundartlich und in
der Dichtersprache auch Bette, n.: Lager-
und Schlafstatt, sowie Schlafgestell und -gerät;
Gerinne für das Wasser. Älternhd. Bette
(so bei Luther), Bett, obd. auch Beth (s. Beet).
Mhd. bette, bet, ahd; betti, beti n. «Bett und
Beet»; dazu asächs. bed, ndl. bedde, bed, ags.
bedd, engl, bed, afries. bed n., anord. bedr m.
«Polster», schwed. bädd m. «Bett», dän. bed n.
«Beet», got. badi n. «Bett». Schwei'lich ist
die Bed. «Beet» als die älteste zu nehmen,
vgl. Braune Btr. 23, 250, aber man kann mit
Meringer Wiener SB. 144, 6, 107 doch an Ver-
wandtschaft mit lit. bedeti, lat. f ödere «graben»
(vgl. Walde s.v.), iQÜ.bedre «Graft» denken;
Bett wäre dann eig. die in die Erde einge-
wühlte Lagerstätte (der Tiere). Die 2. Bed.
liegt bei afranz. bied «Flußbett» zugrunde. Der
Plur. lautet mhd. und älternhd. bette, wie
noch Gottsched Sprachk. ^ 232 ansetzt, doch
daneben schon im 17. Jh. Betten (Zesen Jbr.
498, Weise Pol. Näscher 190), was Adelung
als herrschend bezeichnet, doch daneben noch
Bette (= Gebett) und als obd. Better; diese
Form wird auch 1772 von Goethe 39, 16 ge-
braucht, ABL. betten, v.: die Stätte zum
Liegen, Ruhen bereiten. Mhd. betten, ahd.
befton.
Bettel, m. (s): das Bettelngehen; ärm-
lich Geringfügiges. Im 15. Jh. (Wyle 161,3).
Von betteln, v.: anHegend demütig bitten;
um eine Armengabe bitten, Mhd, beteten,
ahd. betalön, betolön, abgeleitet von bitten-,
dazu ndl, bedeln. ABL. Bettelei, f. bei
Luther, bettelhaft, adj. 1691 bei Stieler.
Bettler, m., mhd. betelxere, ahd. betaläri m.
ZTJS. bettelarm, adj.: bis zum Betteln
arm. Bei Ludwig 1716. Bettelmann, m.,
mhd, betelman m. Bettelmönch, m., fiüh-
nhd. (Brant Layensp. M 3^ bettelmünich).
Bettelsack, m., mhd. bettelsac m. Bettel-
stab, m., mhd. betelstap m. Bettelvogt,
m.: Bettelrichter, im 17. Jh.
betten, s. Bett.
Bettlade, f.: Bettgestell, bei Dasypodius
1537. bettlägerig, adj.: krank im Bette
liegend, im 17. Jh. (Stieler 1691 hat dafür
bettlägericht). Bettstatt, f.: Bettstelle, mhd,
bettestat. Bettstelle, f. bei Adelung als
niedersächsisch (Bedstelle) aufgeführt. Bett-
stoUen, m,: Bettpfosten, mhd. bettestolle ni.
S. Stollen, ßettzieche, f.: Kissenüberzug,
mhd. bettezieche f., ahd. betteziohha. S. Zieche.
Bettler, s. betteln.
225
betuclieii
Beutel
226
betüclien und betüeht, adj. u. adv.-.
still nachsinnend, stül in sich gekehrt, ver-
steckt verschwiegen. Urspr. Gaunerwort für*
«leise, stül, verschwiegen, geheim» aus hebr.
bätUach «Vertrauen habend, sicher», dem
Part. (Pass.) von hätach «vertrauen», von den
deutschen Juden hetüche ausgesprochen. Auch
jüdisch-deutsch hetüches (bei Hebel) «still in
sich gekehrt», aus hebr. haftuchö, einer In-
finitivbildung aus hätach. In hetucht ist -t
angetreten. Doch scheint auch Mischung
eingetreten zu sein mit ndd.-ndl. heducht (cht
aus ft) «bekümmert, besorgt», md. (wetterau-
isch) hedüft, bayr.-österr. heduft, s. tüfteln.
betulich, adj.: sich tätig zeigend, rühiig:
gewandt und entgegenkommend im Verkehr
(bei Goethe z. B. Paläophr. 45). Von sich
hetun: sich geschäftig zeigen (bei Stieler 1691
auch «sich bequem ausbreiten»); im Verkehr
gewandt ujid entgegenkommend sein.
Betzel, f. (PI. -n): Haube oder Mütze,
besonders weibliche. In Hessen, Franken,
Preußen (thür. elsäss. hetze). Mhd. hezel.
Beuche, heuchen, s. Bauche, hauchen.
Beuge, f.: Krümmung. Mhd. bitige f.
heugen, v.: biegen machen; niederbiegen;
niederbiegen ziir oder in Demut; (gramma-
tisch) flektieren (von Adelung 1774 als un-
bequem abgelehnt). Mhd. hängen, ahd. (bei
Notker) hougen; dazu asächs. högian, ags.
hegan, hfgan, anord. heygja, schwed. höga,
dM. böie; got. haugjan fehlt. Faktitiv zu
biegen (s. d.). ABL. heugsani, adj. Bei
Krämer 1678.
Beule, f. (PI. -n) : knotenartig aufgelaufene
Erhöhung am Köi-per, besonders von Schlag,
Stoß u. dgl. Mhd. biule f., ahd. biulla, hülla
(aus *bulia) f. «Blatter»; dazu ndl. huil f., ags.
hyle, biß m. «Geschwiilst», engl, hile «Ge-
schwür», anord. höla (für *hühlön-) f. Diese
Form erweist, daß ein Guttural vor l verloren
gegangen ist; Beule gehört mit Bühel (s. d.)
zu biegen. Vei-wandt ist wohl noch (mit
Ablaut) got. ufbauljan «aufblasen». Doch
sind auch andre Erklärungen vorgeschlagen,
vgl. Uhlenbeck PBrBtr. 20, 327, Johansson |
KZ. 36, 364, E. Schröder ZfdA. 42, 62, Walde [
s. v. folium, fugio, furunculus.
Beunde, f. (PI. -w): umfassendes, urspr.
eingefriedigtes, von den Rechten der Ge-
meinde, besonders ihrem Viehtrieb befreites 1
und so zu ausschließlicher wie jeder be- ;
liebigen Nutzung des Berechtigten abge-
schlossenes Gnindstück. Mhd. hiunt, hiiinde
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
ahd. hiunt, hiunta f. Da im mnd. biivende
entspricht, dürfte das Wort als zusammen-
gesetzt aus mhd. bi und einer Ableitung von
icant anzusehen sein, eig. worum sich der
Zaun windet.
■^ Beute, f. (PI. -n): hölzernes Bienenfaß;
(in Hessen) Backtrog, Backtisch : hohler Holz-
kasten (in Leipzig Staarheute f. «Brätkasten
füi- Staare»). Spätmhd. biute f. «Backtrog,
Bienenkorb» (1470 hd.-mlat. hiota f. «weites
tiefes langes Gefäß, Ständer» bei Diefenbach
mlat.-hd.-böhm.Wb. 51), ahd. bi«f/a f. «Bienen-
faß». Dazu ahd. hiot, afränk.-mlat. beudus,
beodus (lex sal. 46, 2), got. hiuds m. «Tisch»,
(daraus abg. bljudo n. «Schüssel»), ags. beod
m. «Schüssel zum Auftragen», bayr.-schwäb.
biet f. «Kasten in der Kelter», Schweiz, biet m. f.
«Vorder- oder Hinterteü eines Kahns». Das
i Wort wird gewöhnlich zu bieten, got. biudan
«dar-, vorlegen», gestellt. Vgl. indessen
Meringer IF. 16, 159, Grienberger Wiener
SB. 142, 8. Die Grundbed. ist vielmehr
Holzblock; auf den Bienenkorb (urspr. ein
ausgehöhlter Baumstamm) wegen der Ähn-
I lichkeit der Form übertragen. Für diesen
j findet sich übrigens im 15. Jh. auch peicnte
j f., entsprechend jetzt wetterauisch beune (aus
I beunde) f. «Backtrog» (Crecelius 156).
I "Beute, f.: Kriegs-, Jagdgewinn. 'Mhd.
in ostmd. Quellen bute, biute f., nebst dem
V. hüten, hiuten «erbeuten, rauben, Beute
verteilen», aber auch s. v. a. «Worte wech-
j sein, sich unterreden und tauschen». Der
j Grundbegriff ist der des Wechsels, des Um-
I tausches, des Übergehens in andre Hände.
I Das Wort ist aus dem Ndd. mit unverscho-
; benem t ins Hd. gekommen, mnd. bute f.
! «Tausch, Verteilunsr, Beute» und hüten «tau-
sehen, verteilen, erbeuten»; dazu ndl. huit m.
«Beute», anord. hyti n. «Tausch, Beute» und
byta «tauschen, verteilen». Franz. butin m.
«Beute» aus dem Inf. &?<few «erbeuten». Wahr-
scheinlich zu sivc.büaid n. «Sieg». Nhd. findet
sich das Wort im Voc. theut. von 1482 (e4*
blähen, peuten «wechßeln» und jS^pewtnemer
oder pewtgeher «predator»), dann 1517 bei
Trochus hüte «preda» und bei Luther, durch
den es allgemein geworden ist. Obd. im
16. Jh. auch beugt, heigt mit Anlehnung an
Beige.
^Beutel, m. {es, PI. wie Sg.): eine Art
Meißel, auch in den Zusammensetzungen
Lochbeutel, Stechbeutel. Mit ndd. t für hd.
ß und eu für ei (bei Frisch Beisel). Es ent-
15
227
Beutel
bewegen
228
spricht ndl. beitel, mnd. hetel, heitel m. «Meißel,
Keil». Nicht identisch mit dem folgenden
Worte, sondern zu beißen (s. d.), lat, findere
zu stellen, da dies auch vom Eindringen
einer Schneide, z, B. des Schwertes, Scher-
messers gebraucht wird. Aind. entspricht
hhiduräs «spaltend», bheduram n. «Donner-
keil».
-Beutel, m. {-s, PI. wie Sg.): rundes
Holz zum Mürbeschlagen des Flachses vor
dem Brechen. Ins Hochd. aufgenommen (bei
Adelung 1774) aus ndd. bötet, dessen ö hier
zu eu wurde; dazu ags. bytel, engl, beeile,
anord. beytilt m. «Hammer». In hd. Form
würde es Bößel lauten (vgl. mhd. bo^el m.
«Prügel»). Zugrunde liegt mhd. bögeti (mit
urspr. starker Flexion) «schlagen, klopfen»,
ahd. bo^an, ags. beatan, engl, beet, anord. bmita.
Vgl. Amboß. ABL. beuteln, v.: mürbe
klopfen.
^Beutel, m. (-S, PI. wie Sg.): Säckchen,
besonders etwas darin zu tragen und aufzu-
bewahren ; als Mehlsieb in der Mühle dienender
wollener Sack ; der lang niederhangende Hoden-
sack mancher Tiere. Mhd. biutel m. n. (auch
vom Mehlbeutel), ahd. bUtil m. «Sack»; dazu
ndl. buidet, zusammengez. buil m. Dunkler
Herkunft, schwerlich zu bieten, auch nicht
aus mlat. buletellum, das vielmelir aus dem
Deutschen stammt. J.BZ/. beuteln, v.: zum
Durchstäuben des Mehles durch den Mühl-
beutel sieben; (obd. auch) schütteln. Mhd.
biuteln. ZUS. Beutelgarn, n. : sackförmiges
Fischnetz (s. Garn). Beutelratte, f.: die
ihre Jungen in einem Beutel am Bauche
tragende Rattenart. Beutelschneider, m.:
wer Geldbeutel abschneidet d. h. stiehlt, mhd.
biutelsnider; wer in die Beutel schneidet, d. h.
unmäßig hohe Rechnungen macht. Beutel-
tucll, n.: Siebleinwand .zu Mehlbeuteln und
Nähtereien, mhd. biuteltuoch.
Beutheie, f. (PI. ->?): Böttcherschlegel
zum Antreiben der Reife. Bei Adelung 1774.
Zusammenges. aus Beute f. «Ständer, hölzernes
zuberartiges Gefäß» (s. ^Beute) und ohä. Heie f.
«Ramme, hölzerner Hammer», mhd. heie, ahd.
heia f. «Sturmbock».
BeTÖlkerung, f. (Pl-en): die Besetzung
eines Landes mit einer Volksmenge; die
Volksmenge selbst. Bei Adelung 1774, der
die 2. Bed. aber nur einigen Neuern zu-
schreibt. Von bevölkern, v.: mit Volk
besetzen. Bei Stieler 1691 neben dem altern
bevolken, gebildet von dem PI. von Volk.
bevor, adv.: vordem, vormals, zuvor;
nahe zukommend; voraus. Dann im 17. Jh.
auch als Konj. verwandt («ehe»), wobei eig.
als hinter bevor zu ergänzen ist. Mhd. bevor,
ahd. bifora, adv. u. präp.: angesichts, früher,
in Zukunft. Zusammengerücktes bi «bei»
(zu bi-, be- geschwächt) und fora «vor». Vgl.
asächs. biforan, ndl. bevoren, ags. beforan, engl.
before.
bewahren, v.: worauf mit Sorge sehen,
daß es erhalten oder behalten werde. Mhd.
bewarn, ahd. biwarön. S. wahren. Der Konj.
bewahre auch als Ausruf «nicht doch,
keineswegs», eig. Gott bewahre mich.
bewähren, v.: als wahr, wirklich, gut
be-, erweisen. Refl. sich b. Mhd. bewceren,
ahd. biwären, biwärran (aus biwärian) «wahr
machen, als wahr, wirklich zeigen, beweisen».
Das Part. Prät. bewährt als Adj. gesetzt
in der Bed. «durch Erfahrung tüchtig ge-
funden» (schon mhd. bewceret).
bewahrheiten, v.: als wahr erweisen. Im
18. Jh. (bei Lavater, Goethe), wohl nach ndl.
bewaarheden. 1793 von Adelung als «albernes
Wort einiger Neulinge für beweisen» ab-
gelehnt.
bewältigen, v. : sich einer Sache mächtig
{geioaltig) zeigen, überwältigen. Im 15. Jh.
beweltigen und (ohne Umlaut) bewältigen, mhd.
dafür geivaltigen, geweitigen «in seine Gewalt
bringen».
bewandert, das Part. Prät. von bewan-
dern als Adj. gebraucht: aus eigner Anschau-
ung bekannt womit, eig. s. v. a. vielgereist.
Frühnhd. (Froschmeus. unbewandert, 1631 bei
Zincgref 2, 41 bewandert, dafüi- bei Maaler
1561 bewandelt).
bewandt, als Adj. erscheinendes Part. Prät.
von bewenden (s. d.): endlich beschauen, eig.
zu Ende gebracht oder gekommen. Mhd. be-
want «beschafleu», namentlich mit Adv. tvol,
bag, iibele bewant. ABL. Bewandtnis, f.,
im 17. Jh. (Harsdörfer Gesprechsp. 1, 283
Betvantniß).
■^bewegen (Prät. bewog, Part, bewogen), v.:
am-egend den Willen bestimmen, zum Ent-
schlüsse bestimmen. Mhd. beivegen (Prät. be-
wac, Pai-t. bewegen), fast immer refl. sich b.:
«sich wozu wiegen» d.i. «auf die Glückswage
legen und somit wozu hinneigen, sich aufs
Geradewohl wozu entschließen, seinen Willen
bestimmen», dann auch mit Gen. s. v. a. «sich
seitwärts bewegen, abwenden, sich eutschlagen»,
ahd. biwegan «aus dem Zustand der Ruhe
229
bewegen
bezeugen
230
bringen, wägend prüfen». Das nhd. stark flek-
tierte hewegen hat sich wohl nicht aus mhd.
sich h. entwickelt, sondern vielmehr aus dem
schwachen hewegen (s. d. folg.) abgezweigt,
unter Einfluß des nnnd. hewegen, das stark
und schwach flektiert. Luther hat ein starkes
hewegen «abwägen und zu einem Entschlüsse
bringen», doch flektiert in dieser Bed. das V.
auch schwach, wie öfter im altern Nhd. (noch
bei Schiller 11, 282); umgekehrt kommen von
hewegen «in Bewegung versetzen» älternhd.
auch starke Formen vor. Im Präs. ist die starke
Flexion überhaupt nicht durchgedrungen (nur
im 16. Jh. Formen wie heioiegst, heiviegt, he-
wieg, auch bei Luther). Das Prät. lautet schon
älternhd. hewog, das Part, hewogen, s. wägen.
"bewegen (Prät. bewegte, Part, bewegt), v.:
aus dem Zustand der Ruhe bringen (daher
refl. sich b. «außer dem Zustande der Ruhe,
in einer Veränderung -im Räume sein»); in
eine Stimmung versetzen, bei der das Gefühl
ergriffen ist (daher das Part. Prät. bewegt
«ergriffenen Gefühls»). Mhd. bewegen «wozu
aus der Ruhe bringen, antreiben», eig. be-
wegen machen, also das Faktitiv des vorher-
gehenden stark flektierenden b.; Refl. sich b.
«sich auf den Weg machen». ABL. h^W^g-
]ich,3idj.n.ai.dY.,mhd.bewegelich. Bewegung,
f , mhd. bewegunge. ZUS. Beweggrund, m.
Nach Gombert 7, 13 im Anfang des 18. Jh.
auftretend (dafür im 17. Jh. Bewegung^grund,
z. B. 1663 bei Gryphius Trauersp. 386).
bewehren, v.: mit Wehr d. h. Waflen zu
Schutz und Tx'utz versehen. Bei Henisch 1616.
Von Wehr (s. d.) gebildet, nicht das mhd.
bewern, ahd. biwerian, biwerran, «wovon be-
wahrend abhalten, verteidigen, verwehren»,
das mit wehren zusammengesetzt ist.
Beweis, m. (Gen. Beiveises, PI. Beweise) :
ausreichende Begründung und was dazu dient.
Frühnhd. Von beweisen (Prät. bewies, Part.
bewiesen), v.: belehrend, begründend dartun,
tätlich zeigen, Mhd. bewisen (urspr. m. Gen.)
«zurechtweisen, wessen kundig machen, be-
lehren, dartun, bestimmt zeigen, aufweisen» usw.
Die Flexion ist urspr. schwach, wie noch bei
Luther u. a., doch schon im 15. Jh. obd. auch
stark; Schottel setzt die starken Formen an.
bewenden, v., nur noch im Inf. gebräuch-
hch in der Bed. «verbleiben» und «beruhen».
Mhd. bewenden, ahd. biwenten «völUg weg-,
äih-, zum Ende wenden, zu Ende biingen und
kommen, um-, anwenden, verwandeln, ge-
stalten». Vcjl. bewandt.
bewerkstelligen, v.: werkstellig d. h.
ausführbar machen, zur Ausführung bringen.
Im 17. Jh. (1677 bei Butschky Pathmos 611).
Beruht auf einem mhd. ze werke stellen «zur
Ausführung bereiten».
bewilligen, v.: l) intians. sich willig
erklären, einwilligen. Im 15. Jh. und oft bei
Luther. 2) ti-ans. sich wozu willig erklären,
namentlich zur Erfüllung einer Bitte. Bei
Maaler 1561.
bewillkommen, V.: willkommen heißen,
als willkommen begriißen. Bei Krämer 1678.
Gebildet von mhd. willekome (neben wille-
komen), ahd. luillikomo, s. willkommen. Da-
für jetzt gewöhnlich (von tvillkommen aus
gebildet) bewillkommnen, das Campe 1807
noch nicht verzeichnet und Schiller, Goethe
nicht gebrauchen.
bewirken, s. wirken, bewogen, s. bewegen.
bewußt, adj.: wissend, geistig gegenwär-
tig. Das als Adj. gebrauchte Part. Prät. von
ahd. biiüi^^an «geistig inne haben», 1562 bei
Mathesius Sar. 201*^ sich hewissen «Bescheid
wissen». Mhd. beivist, bewest kommt wie das
V. bewi^^en nicht vor: Luther hat bewust,
S.Franck (Weltb. Vorr. a 2^ u.ö.) u. A. hewist.
ZUS. bewußtlos, adj., zusammenges. mit
dem substantivischen Betoußf m., älternhd.
und noch bei Adelung 1793 angeführt. Be-
wußtsein, n., 1720 bei Chr. AVolff Metaphys.
bezähmen.
nach Willen oder Gefallen
tun. Vex'schieden von bezähmen «willfährig,
lenksam machen». Bei Luther (der bezemen
schreibt), z. B. 2. Sam. 16, 11 in bezähmen
lassen. Schon im 12. Jh. in md. Quelle einen
bezemen lä^en, ndd. hetemen laten «einen tun
lassen was ihm ansteht, wie ihm gefällt».
Zusammenges. mit mhd. zemen (s. ziemen).
bezecht, das als Adj. gesetzte Part. Prät.
von bezechen: durch vieles Zechen trunken
geworden. Fiühnhd. (Wickram von guten
Nachb., Hans Sachs Fab. 256, 15).
bezeichnen, v.: das Zeichen wofür sein,
sich als sinnliches Zeichen worauf beziehen;
vorstellig machen: durch ein Zeichen merk-
bar machen. Mhd. hezeichenen «mit einem
Zeichen ausdiücken, bildlich vorstellen», ahd.
bizeihhenen und hizeihhinön, wofür häufiger das
einfache zeihhenen, abgeleitet von zeihhan n.
bezeigen, v.: zu erkennen geben. Mhd.
bezeigen «anzeigen, bezeichnen, kund tun».
bezeugen, v.: durch Zeugnis bewähren.
Mhd. beziugen «mit Zeug d. i. Waflen und
15*
231
beziehten
Bilberwnrz
232
Wehr versehen, ausrüsten», dann «durch Zeug-
nis erweisen», (mit Gen. der Sache) «durch
Zeugnis überfühi-en».
beziehten, v.: wie hezichtigen (s. d. folg.).
Bei Goethe Reineke 9, 112 dafür (mit An-
lehnung an Zucht) hezücliten. Abgeleitet von
älternbd. Bezieht, mhd. hiziht f. «Beschuldi-
gung», ahd. &m7i^f. «Kennzeichen der Schuld,
Verdachtszeichen», zu hezeihen, mhd. hezihen,
ahd. bizihan «als der Tat verdächtig und schul-
dig bezeichnen». — bezichtigen, V.: (mitAkk.
der Person und Gen. der Sache) als der Ur-
heberschaft, der Vollbringung von Straffälligem
verdächtig in Gedanken haben oder bezeichnen.
Finihnhd., wohl zunächst in der Kanzleisprache
(auch bei Luther), friih auch schon in der
Schreibung hezüchtigen (1524 bei Emser Anm.
z. K Test. 0 1 *), wie bei Schiller Karlos 3, 10.
Wohl auf ein ahd. Adj. hizihtic «beschuldigt»
zurückzuführen, wie ahd. ginziliticjön mit vor-
getretenem gl- auf ahd. inzihttc, mhd. inzihtec,
von ahd. inziht (s. Inzicht), zurückgeht.
beziehen (Prät. bezog, Part, bezogen), v.:
zum Darübersein ziehen auf — , zum Bedecken
ziehen über — , mhd. beziehen, ahd. biziohan;
zum Dasein sich bewegen auf —^ oder in —
(mhd.-ahd. kommen zu — , eiTeichen, got.
bitiuhan «umherziehen in — , umherführen»);
als regelmäßig sich wiederholende Einnahme
empfangen (mhd. an sich nehmen, einziehen);
woher durch Zusendung kommen lassen; wo-
rauf hin in gewisse Verbindung denken (im
18. Jh.); überlisten, fangen, eig. mit Netzen
überziehen (1690 bei Happel, noch 1770 bei
Lessing 12, 248). Refl. sich beziehen: (auf,
älter an einen) wofür beweisend usw. anführen
(seit dem 17. Jh., urspr. an einen Richter
appelüeren, dafür älternhd. sich ziehen auf
einen, bei S. Franck Weltb. Vorr. a4^, mhd.
an einen etw. ziehen) ; auf etwas hin in gewisser
Verbindung oder in gewissem Zusammenhange
stehen. Von dem Part. Präs. beziehend ist be-
ziehentlich (erst im 19. Jh.) als Übersetzung
von «respective» gebildet. J.BJ>. Beziehung,
f., bei Krämer 1678. Davon das Adv. be-
ziehungsweise (von Gombert 1, 14 aus d. J.
1755 belegt. Stieler 1691 bat dafür bezieh-
licher Weise).
Bezirk, m. {-es, PI. -e): das von einer Kreis-
linie Umschlossene, Gebietsumfang. Spätmhd.
bezirk m., zusammenges. mit mhd. zirc m.,
ahd. cirh in umbincirh, umbizirg m. «Kreis»,
dann «Kreisgebiet, Uniftmg», entlehnt aus lat.
circus m. «Kreis»; die Bildung geht zunächst
von dem Verbum spätmhd. bezirken «im
Umfang bestimmen» aus.
bezüchten, bezüchtigen, s. beziehten,
bezichtigen.
Bezug, m. (-es, PI. Bezüge): Auf- und
Darüberhinziehen ; Ziehen zum Darauf- oder
Darübersein (im Mhd. findet sich bezoc m.
«Unterfatter»); das Stehen des Einen zum
Andern in gewisser Verbindung und gewissem
Zusammenhange. Ei'st bei Adelung 1774.
ABL. bezüglich, adj. Von Campe 1807 als
neues Wort verzeichnet.
bezwecken, v.: zum Zweck haben. Von
Adelung 1793 als schlechte Bildung einiger
Neuerer bezeichnet, auch von Heynatz 1796
getadelt mit dem Bemerken, daß das obd.
Wort auch von vielen Niederdeutschen an-
genommen werde; von Campe 1807 nicht
mehr beanstandet.
Bibel, f. (PI. -7i) : die heilige Schrift alten
und neuen Testamentes. Mhd. bibel, ursprüng-
licher biblie f., aus dem gleichbed. kirchhch-
lat. biblia f., das urspr. gr.-lat. PI. von gr.
ßißXiov n. «Buch» (aus Blättern vom Bast
der Papyrusstaude) eig. «Büchlein». S. auch
Fibel. ABL. biblisch, adj., frühnhd. (1531
bei Hedio Josephus Voxt. 4 ^.)
Biber, m. (-s, PI. wie Sg.) : das am Wasser
lebende Bautier, gr.-lat. castor; (schon im 16. Jh.
auch) biberfellartiges Wollenzeug. Mhd. biber,
ahd. bibar, bibur m.; dazu ndl. bever, ags.
beofor, engl, beaver, anord. björr, schwed.
bäfver, dän. bäver m. Urverwandt mit lat.
fiber, gall. in Bibrax, kom. befer, bret. bieuzr
«Biber», lit. bebrus, abg. bebrü m., aw. baicra-
«Biber»; nach aind.&a&/fn?s «braun», alsM. eine
Ichneumon art bezeichnend, ist die Grundbed.
«braunes Tier» gewesen, s. braun, auch Bär.
Bibergeil, n. {-es): starkriechende ölige
Masse, die der Biber in zwei zusammenhängen-
den Beuteln unter dem Schwänze hat. Mhd.
bibergeil n., zusammenges. mit geil n. (neben
geile f.) «Hode», weil jene Beutel als die Hoden
des Bibers angesehen wurden, von denen man
glaubte, daß er sie bei Verfolgung abbeiße,
um zu entkommen. S. auch Biebertvurz.
Biberklee, -kraut, s. Bieber.
Biberneil, Bibernelle, f. (PI -n): die
Pflanze pimpinella L. Schon mhd, bibernelle,
mit Anlehnung an Biber deutsch geformt
aus mhd. bibinelle, ahd. bibinella f., die aus
dem unverständlichen mlat. Namen jener.
Pflanze pipi-, pipenella f.
Biberwurz, s. Bieber.
233
Bibliothek
biegen
234
Bibliothek, f. (Pl.-e«): Büchersammlung,
Bücherei. Aus gr.-lsit.hibliotheca, gr. ßiß\io6riKri
f. «Bücherbeliälter, -saal, -Sammlung» (ßißXiov
n. «Buch», BriKTi f. «Behälter»). Um 1500 auf-
genommen (ibZl bei Hedio Josephus Voit. 4^
Bibliothec). ABL. Bibliothekar, m, (s,
PL -e): Aufseher einer Bibliothek. Aus lat.
hihliothecärms. Im 18. Jh. noch oft in dieser
lat. Form.
Bickbeere, f. (PI. -n) : Heidelbeere. Mund-
artlich in Norddeutschi. Schon mnd. Inckhe^-e,
auch 1599 bei Kilian. Unbekaimter Herkunft.
'Biekel, Pickel, m. {-s, PI. wie Sg.),
auch Bicke, Picke, f. (PI. -n): Spitzhacke
mit langem Stiel. Mhd. bickel «Spitzhacke»
neben dem gleichbed. bicke m. ; dazu ags.
becca m. «Spitzhacke». Von mhd. hicken,
auch hecken «stechen, hacken, hauen», ahd.
bicclian «angreifen, wonach stechen». Die
Schreibung PzcÄ-e/, Picke steht unter Einfluß von
picken (s. d.), zu dem aber die Subst. nicht
unmittelbar gehören. Diese schließen sich viel-
mehr zunächst an gall.-lat. heccus, it. becco,
fi'anz. bec m. «Schnabel», it. beccare, franz.
becquer «mit dem Schnabel hacken», franz.
beche f. «Grabscheit», beclier «graben» u. a.
-Bickel, m. (-5, PI. -vvie Sg.): Schusser,
Schnellkügelchen. Mundartlich, z. B. in Hessen.
Mhd. bickel «Wüi^fel» in Zusammensetzungen
wie bickelspil n. «Würfelspiel», bickelsfein
«Würfel, Fangstein von Knochen beim Spiel».
Das nhd. Bickel also urspr. «Schnellküchelchen
aus Knochen gedreht»; auch ndd. bickel m.
«beinerne Spielkugel der Kinder», mnd. bickel
«Knöchel», ndl. bikkel. Die Bed. «Knochen»
auch in den Zusammensetzungen bickelfest,
adj.: knochen-, beinfest, bickelhart, adj.:
knochen-, beinhart (bei Frisch 1741). Ob Zu-
sammenhang mit ^Bickel besteht, ist zweifel-
haft, dies müßte dann eig. ein aus Knochen
hergesteUtes spitzes Instrument bezeichnet
haben und die Benennung dann auch auf
andre aus Knochen hergestellte Dinge über-
gegangen sein.
Bickelhaube, s. Pickelhaube. '
biderb, s. bieder.
bidmen, v. : beben. Veraltet, aber von
Goethe 2, 155 wieder gebraucht, nachdem
Wieland 18, 18 erbidmen verwendet hatte.
Mhd. bidemen, gewöhnlich auf ein mhd. hi-
benen, ahd. bibinon zurückgeführt, einer
Ableitung von beben (s. d.), was aber Be-
denken unterliegt. Eher geht es auf das
Subst. bideni zurück, das eine Ableitung von
der Wurzel bi «beben» sein könnte (schwäb.
steht biseni neben bidem).
Bieber, n.: Fieber, nur in Bieberklee
m. «Bitterklee», Bieberkraut n. «Tausend-
güldenkraut», Bieberwurz f «Aron», Auch
Fieberklee, Fieberkraut, Fiebericurz crenannt
(1482 byferkraut «centhauria» im Voc. theut.
d 8^). Mhd, steht biever n. neben vieber
(s. Fieber). Die Pflanzen dienten als Heilmittel
gegen das Wechselfieber und sind davon be-
nannt, also nicht von dem Tier Biber. Da-
gegen heißt die Osterluzei nach dem stai-ken
widrigen Geruch Biberwurz, ahd. bihiricurz,
lat. castoreuni, castorium (im 12. 13. Jh. auch
bibergeile).
bieder, adj. u. adv.: wahr und zuverlässig
in Wort und Tat; edeldenkend und treuherzig.
Aus mhd. biderbe und biderbe, ahd. biderbi,
bidarbi und biderbi, von Sachen s. v. a. «nütze»,
von Personen s. v. a. «wozu geschickt, tüch-
tig, treflPlich, edeldenkend», zusammenges. aus
dem betonten und daher ungeschwächt ge-
bliebenen bi- und -darbi, das zu ahd. durfan
«woran Not, Bedürfnis haben, nötig haben» ge-
hört, also eig. «einem Bedüi-fnis entsprechend,
ein Bedürfnis erfüllend». Die verkürzte Form
bider schon spätmhd., dann bei Luther bidder
(in bidderinann, bidderleute), in der spätem
Zeit selten. Erst nachdem 1759 Lessing 5, 309
in Anknüpfung an Logau das Schwinden des
Wortes bedauert hatte, wii-d es wieder auf-
genommen, 1767 von Bürger 25, dann nament-
lich von Dichtem des Hainbundes (auch in
Zusammensetzungen wie Biederstamm Joh.
Fr. Hahn im Gott. Musenalm. 1773 S. 177,
Biederzeit Fr. L. Stolberg Ged. S. 192, Bieder-
seele, Biederton Büi'ger usw.), von Lessing
selbst in der Em. Gal. 1, 4. Auch die auf
mhd. biderbe beruhende Fonn biderb wird
wieder vei-wendet. Während 1775 Heynatz
meinte, bieder sei kaum wieder einzuführen
konstatierte 1781 Kindleben, daß es wieder
anfange Mode zu werden, ABL. Bieder
keit, f. Nicht die Fortsetzung des mhd
biderbekeit, ahd. biderbecheit, sondern ein neu
gebildetes Wort, das 1796 Heynatz aus Mode
schriftsteUem neben Biederheit kennt. ZUS^
Biedermaun, m. {-es, PI. Biedermänner)
mhd. bider man aus biderbman, auch in der
spätem Zeit üblich geblieben.
biegen (Prät. bog, Part, gebogen), v. : von
der geraden Linie abweichen oder abweichen
machen; in seiner Wortform ändern zur Be-
zeichnung gewisser Verhältnisse (flektieren).
235
Biene
bieten
236
ReÜ. sich h. : von der geraden Linie abweichen.
Mhd. biegen, ahd. hiogan; dazu ndl. huigen,
ags. hügan, engl, low, got, Uugan. Urver-
wandt sind, aber mit g an Stelle des zu er- \
wartenden k (s. Bühel), aind. hhuj {j für g)
«biegen», femer gr. (peüreiv, lat. fugere
«fliehen», «eig. den Rücken wenden, aus-
biegen», (auch ags. Tmgon «sie flohen»), lit.
hügti «erschrecken», haugüs «furchtsam». Im
Präs. älternhd. Ind. Sg. 2. 3. beugst, beugt,
Imp. Sg. beug, die auch Grottsched Sprachk. 344
(bis auf Imp. bieg) noch verlangt, doch treten
schon früher die Formen mit ie öfters auf,
die in der Mitte des 18. Jh. völlig durch-
dringen. ABL. Biege, f.: Krümmung, bei
Stieler 1691. l)iegsam, adj. u. adv., bei Stie-
ler 1691. Biegung, f., bei Dasypodius 1537.
S. auch beugen.
Biene, f. (PI. -w) : Das Honig und Wachs
bereitende Insekt. Bei Luther Biene, Gen.
Bienen, sonst ältemhd. auch Bien. Mhd. bin,
bine f., ahd. aber bini n. Daneben ohne das
ableitende n (aus der schwachen Dekl. heiüber-
genommen?) mhd. bie (noch jetzt alem. bi),
ahd. Ua f.; dazu ndl. bij, ags. beo f., engl.
bee, anord. by (in by-fluga), schwed.-dän. bi n.
Endhch auch mhd. bin mit langem i (bayr.
bein neben beij). Mhd. bie n. ist «Bienen-
schwarm», dafüi* jetzt schwäb.-hess. der Bien.
Verwandt mit preuß. bitte, lit. bitis f. «Biene»,
lat. ßcus m. aus '^bhoikos «Brutbiene, Drohne»,
ir. bech «Biene». Vgl. Walde s. v. ZUS.
Bienenbrot, u.: von den Bienen bereitete
Nahrung außer dem Honig. I^Ihd. biebröt n.,
auch andd. bibrot, ags. beobread n., engl, bee-
bread. Bienenkönigin, f.: Weisel, dafür
spätmhd. bynenkunig. Bienenkorb, m., mhd.
binkorp, auch binenkorp m. Bienenschwarm,
m,, spätmhd. &mest^'arwtm. Bienenstock, m.,
urspr. hohler Holzklotz zur Aufnahme eines
Bienenschwarms, dann bevölkerter Bienenkorb,
mhd. binestoc m. Bienen vater, m. : Bienen-
pfleger, bei Frisch 1741.
Biensaug, m. n. (-es, PI. -e) : die Pflanze
stachys (Roßpolei). Mhd. binsüge, ahd, bini-
süga f. d. h. Pflanze, an deren Blüte die Biene
gern saugt, ist zunächst Benennung des Thy-
mians, der als Lieblingspflanze der Bienen
auch Inmienkraut heißt.
Bier, n. (-es, PI. -e): aus Getreide und
Hopfen gebrautes Getränk. Mhd. bier, ahd.
bior n.; dazu andd. bior, ndl. bier n., ags.
beor m., engl, beer; anord. entlehnt björr m.,
während das einheimische Wort öl n. (aus
*alu, engl, ale zu ht. aliis m. «Bier») ist. Die
Etymologie ist sehr umstritten. Vielfach wird
das Wort zu andd. beo, ags. bSow, anord. bygg
n. «Gerste» gestellt, also eig. «Gerstensaft».
Andre sehen eine Ableitung von brauen da-
rin (ahd. bior aus *brior) ; nach E, Kuhn
K. Zschr. 85, 313 ist es aus dem slav. pivo n.
entlehnt, vgl. dazu 0. Schrader Idg Forsch.
1 7, 32. Nach Wackernagel geht es auf ein roman,
bevere, lat. bibere «Trinken, Getränk» zurück.
AUes nicht überzeugend. ZUS. Bierbank, f.,
spätmhd. bierbanc f. Bierbrauer, m., spät-
mhd. bierbriuwer , gewöhnlich bierbriuwe,
m, (s. Bräu). Bierhaus, m., mhd. bierhüs.
Biese, s. Bise.
biesen, v.: (vom Rindvieh) mit aufge-
recktem Schwanz wie toU hin- und herrennen,
vornehmlich bei großer Sommerhitze, wenn
es von Bremsen {Bieswürmern) geplagt und
verfolgt wird. In obd. Mundai-ten (schweiz.
: mit i, entsprechend henneberg. beiern mit
j r aus s), auch ndd. (schon mnd.) bissen, .dän.
I bisse. Mhd. bisen, ahd. bisön, bisen «in
: Brunst hin- imd herrennen, voll Unruhe
1 hin- und herrennen».
Biest, m. (mundartlich auch) f. n. (-es)
oder Biestmilch, f.: die erste dicke un-
' reine Müch der Kuh unmittelbar nach dem
I Kalben. Mhd. biest, ahd. Most m.; dazu
I ndd. best m., ndl. biest f., ags. beost m., engl.
abgeleitet beestings PI. Daneben erscheinen
; Formen mit r, schweiz.-elsäss. briest, briesch,
bayr.-schwäb. briester, auch isl. ä-brystur PI.
j «Biestmilch»; falls diese ursprünglicher sind,
' würde das Wort zu Brust (s. d.), andd. b>-iost
, gehören. Doch sind auch die gleichbed. gr. itüöc
m., aind. pijüsa- m. n. (vgl. Bugge PBrBtr.
. 12, 421) zu berücksichtigen, mit denen aber
nur ein indirekter Zusammenhang durch Ent-
! lehnung aus einer dritten Sprache bestehen
I kann. S. auch Brös-chen.
biester, s. verbiestem.
Bieswurm, m.: Eier in die Haut des
j Rindviehes und Rotwildes legende stechende
! Bremse. Spätahd. bisetimrm m., 1482 im
! Voc. theut. d S'' bißwurm. Zusammenges. mit
biesen (s. d.).
bieten (Prät. bot, Part, geboten), v.: dar-
bringen, -geben, -legen; wofür als Preis dar-
■ zugeben erklären. Mhd. bieten, ahd. biotan;
[ dazu asächs. biodan, ndl. bieden, ags. beodan,
i engl, bid, anord. bjöda, schwed. bjuda, dän.
byde, got. biudan (in andbiudan «befehlen»,
farbiudan «verbieten»). Verwandt sind gr.
237
Bifang
Bill
238
iruvGdvoiaai (ir aus qp wegen des folg. ö) «fragen,
forschen, erfahren», abg. hüdeti, ht. hud£ti,
«wachen», aind, biidh «wachen, Acht haben,
beschenken». Die Bedeutungsentwicklung ist
nicht leicht klai-zulegen. Wahrscheinlich hatte
schon das Idg, eine verzweigte Bedeutung.
Ältemhd. erscheinen im Präs. Ind. Sg. 2. 3.
die Formen beutst, heut, Imp. beut, die noch
Gottsched Sprachk. 344 verlangt, während sie
Adelung füi* obd. erklärt; in der poetischen
Sprache auch später durchaus üblich.
Blfang (-es, PI. Bi-, Befänge), auch Be-
fang, m.: das schmale erhabene Ackerbeet
zwischen zwei Furchen. Mhd. bivanc, ahd.
hifanc m. «das Äußere was einen Eaiim ein-
fängt, Umfang, Umgrenzung, eingegrenztes
Ackerbeet», zusammeng. aus dem wegen der
Betonung ungeschwächten bi- und -vanc. Zu
mhd. bevähen, ahd. bißhan «umfassen, be-
grenzen ».
Bigamie, f. (PI. -h): Doppelehe. Aus ralat.
bigamia von lat- bi (bis) «zweimal, doppelt»
und dem gr. weiblichen Adj. fajAxa «ehelich».
Schon im 16. Jh. entlehnt.
bigott, adj.: streng fromm. Aus franz.
bigot «abergläubisch fromm», dessen Ursprung
bestritten ist; wahrscheinHch iaachs\:>an.hoinbre
de bigote «Mann von ernstem festem Charakter»,
eig. der einen Knebelbart (sTpan-bigote m.) trägt.
Vergl, Baist Roman. Forschungen 7, 407. Bei
Adelung 1774.
Bilanz, f. (PI. en): Rechnungsabschluß in
Einnahme und Ausgabe. Aus ital. biläncia f.
eig. «Wage», dann s. v. a. «Gleichgewicht»,
hier zwischen Einnahme und Ausgabe, von
lat. büanx (Gen. bilancis) «zwei Wagschalen
habend», vgl. balancieren. Im spätem 16. Jh.
entlehnt (Fischart Garg. 288).
Bilcb, f. (PI. -e) oder Bilchmaus, f.:
große Haselmaus, Siebenschläfer. Mhd. Mich,
ahd. hilih f. Verwandt sind afranz. bele (wo-
von nfranz. das Dim. belette) «Wiesel», kelt.
(kymrisch) bele «Marder», kaum aber russ.
belka «Eichhorn». Vielleicht ist auch lat.
ßles «Katze, Marder, Iltis» verwandt, vgl.
Walde s. v. Aus dem Deutschen stammt abg.
plüchü m. «Bilchmaus».
Bild, n. (-es, PI. -er): sichtbare Dax-- und
Vorstellung wovon; sich darstellendes Wesen,
Person, z. B. Frauen-, Manns-, Weibsbild.
Mit Abstoßung eines e (doch kommt Bilde
noch bis ins 17. Jh. vor, z. B. bei Harsdörfer,
Gespr. 3, 256) aus mhd. bilde, ahd. biladi,
bilidi n. ; dazu asächs. bilithi, ndl. beeld, afries.
bilethe n., im Engl.-Nord. nicht vorhanden
(schwed. bild, dän. billede n. sind aus dem
Deutschen entlehnt). WahrscheinHch ist in
ahd. biladi, bilidi bil- als Stammsilbe anzu-
sehen, sie hängt dann zusammen mit dem
Subst., von dem billig (s. d.) gebildet ist
und das urspr. «Ebenmäßigkeit, Gleichheit»
bedeutet hat, so daß die Grundbed. von Bild
«das Entsprechende» wäre, vgl. TJnbüde und
das mnd. abgeleitete büdelik «billig». Vgl.
Detter ZfdA. 42, 54. Anders Meringer Idg.
Forsch. 18, 286, der, wie früher Weigand, eine
1 Wurzel bil- mit der Bedeutung «spalten, be-
' hauen» ansetzt. Bild \\ äre dann « das Gehauene »
Kluge sieht in bilidi eine Zusammensetzung
aus bi- und einem Wort, das zu got. lipus m.
« Glied » gehört. Der PI. lautet bei Luther
Bilde und Büder, später nur die letzte Form.
ABL. bilden, v.: zur Dar- und Vorstellung
geeignet machen, ausgestalten, geistig ver-
edeln. Mhd. bilden, ahd. bilidön. bildern,
V. : in einem Bilderbuch blättern (bei
Adelung 1774); sich in Bildern ausdrücken.
bildlich, adj. u. adv., mhd. bildelich. Von
bilden sind abgeleitet: Bilder, m. (Schiller
11, 318), gewöhnlich Bildner, m.: der zu
sichtbarer Darstellung schaflende Künstler,
der geistig Veredelnde. Mhd. bildcere, auch
schon bildenaere m., ahd. bilidäri. Davon
Bildnerei, früher Bilderei (beiLuther) f. und
bildnerisch, fmher bilderisch (bei Stieler
1691) adj. Bildnis, n.: wiedergebendes Bild,
mhd. bildnisse n. bildsam, adj.: was sich
bilden läßt. Erst um 1750 gebüdet, Klop-
stock hat 1748 im Messias 2, 387 unbildsam
gebraucht, Wieland seit 1751 bildsam yer-
wendet (Gombert 7, 15). Bildung, f.: Ge-
staltimg; Gestalt (im 18. Jh., jetzt veraltet):
geistige Veredlimg (bei Goethe). Mhd. bil-
dunge f. «BUdnis», ahd. (bei Notker) bildunga
«Vorstellung, Einbildung». ZUS. l) mit Bild.
Bildhauer, m., in frühnhd. Glossaren (1495
; im voc. rerum f. 2* bildhamver). Bildsäule,
' f., bei Luther bildeseul. BildstOCk,m. : Stock,
; Säule mit der Statue eines Heiligen, spätmhd.
' büdestoc m. Bildwerk n., mhd. bildewerc n.
2) mit dem PI. Bilder. Bilderbuch, n.,
bei Stieler 1691. Bilderschrift, f., im 16. Jh.
(Fischart Garg. 189). Bilderstürmer, m.,
bei Luther bildstürmer.
Bill, f. (PI. -s): vor das Parlament ge-
brachter Gesetzentwurf. Das engl. &z7Z «Zettel,
Schein, schriftlicher Aufsatz, Parlamentsakte»,
zurückgehend auf mlat. hilla, bulla f. «Blase,
239
Billard
Binde
240
Knopf, Kapsel, Siegelkapsel, dann eine (urspr.
mit einem Siegel versehene) Schrift». Vgl.
Billett. 1703 im Zeitungslex. (Büle) und
bei Sperander 1728 (^«Y^ «Recht» bei Schottel
1663 und Stieler 1691 gehört nicht hierher,
sondern ist aus Unhill erschlossen).
Billard, n. (s, PI. -s, -e): Spiel mit Ku-
geln, die auf einer ebenen Tafel gestoßen
werden; diese Tafel selbst. Aus dem gleichbed.
franz. billard m., von franz. hille, ital. biglia,
span. billa f. «beinerne Kugel», die vielleicht
auf das deutsche Eichel (s. Bickel') zurück-
gehen. Bei Fischart Garg. 262.
Bille, f. (PI. -n): Hacke (Querbeil) zum
Schärfen der Mühlsteine. Aus mhd. hil (Gen.
hilles) n. «Spitzhacke», ahd. hül n. «Schwei-t»;
dazu asächs. hil, ags. fci7^ n.« Schwert», engl, j
hill «Axt, Hacke». Wahrscheinlich zu Beil ]
(s. d.) zu stellen, so daß also hill- mit Assi- '
milation auf hideJ- zui'ückginge, Sievers Idg.
Forsch. 4, 339, dagegen E. Schröder ZfdA.
42, 60; s. auch Meiinger Idg. Forsch. 18, 283.
ABL. l)illeil, V. : mit der Hacke Mühlsteine
schäi-fen. , Mhd. hillen, ahd. hillon «mit spitzem j
Werkzeuge hauen oder hacken».
Billett, n. (Gen. -es, PI. Billette, Billets):
Zettel, Handbrief chen. Aus dem gleichbed.
franz. hillet m., das von mlat. hilla (s. BilT)
abgeleitet ist. Bei Henisch 1616. Schon im
15. Jh. (Diefenbach-Wülcker S. 246) begegnet
ein gleichbed. Bollet (noch jetzt mundartlich
im Obd.), das auf ital. holletta f. «Zettel» zu-
lückgeht, einer Ableitung von mlat. hiilla.
l)illig, adj. u. adv. : verbindlicher Anforde-
rung, besonders der mildern des Rechtes eben-
mäßig ; im Verhältnisse des Wertes mäßig. Mit
Eintreten der Endung -kj (hillig schon bei
Stieler 1691, doch daneben hillich bis ins 18. Jh.)
aus mhd. hillich, ahd. (im 11. Jh.) hillich «eben-
mäßig, angemessen, geziemend», mit der En-
dung -lieh von einem Subst. gebildet, das als
hili- zu Anfang von Personennamen erscheint,
auch dem ags. hilewit «einfach, unschuldig»
(dem mhd. hileivi^, hilwig m. «Kobold, eig.
guter Geist» entspricht) zugrunde liegt und
wahrscheinlich zu gr. cpiXoc «lieb» gehört.
Ndl. hillijk. Vgl. auch Bild, Unhüde, Unhill,
Weichhild. J-ßL. Mlligeil, v.: der Anforde-
rungebenmäßig, für angemessen erklären. Mhd.
hillichen. Billigkeit, f., spätmhd. hillicheit f.
Billiou, f. (PI. -en): eine Million million-
mal. Das franz. nach million gebildete hillion
m. Im Anfang des 18. Jh. aufgenommen
(Brockes ird. Vergn. 4, 382).
Bilse, f. (PI. -n): Pflaumenschlehe, dicke
Schlehenart. Wetterauisch. 1540 bei Alberus
im Dict. Gg. 2^ der PI. Bilsen, aber schon
1471 im Grüninger Kirche nzinsbuch S. 13No.38
hylsenhecken. Dunkler Herkunft.
Bilsenkraut, n. : das Tollkraut hyoscy-
amus. Mhd. hilsenkrüt, auch bloß hilse, ahd.
hilisa f. Das s gehört einer Ableitung an,
wie sich aus der dialekt. Form Bilme mit
anderm Suffix ergibt; dazu noch mnd. hilene
(Steinmeyer-Sievers 3, 719, 36) und hille (in
hillensät f.), mndl. heelde f., ags. heolene f.,
dän. hulmeurt, schwed. holmört und weiter
russ. helend f., poln. hielun. Vgl. auch lat. felix,
filix «Farnkraut», s. Walde s. v.
bimmeln, v.: in feinem, hellem Tone (himl
himl) läuten. Ein lautnachahmendes Wort,
schon mnd. himmelen, dann bei Schottel 1663
verzeichnet.
Bims, m. (Gen. Binises, PI. Bimse) oder
Bimsstein, m.: leichte, löcherige Steinart.
Mit i für ü (schon bei Dasypodius 1537 Bimß-
stein) aus mhd. hümeg, ahd. punii^, die auf
dem gleichbed. lat. püniex (Gen. pümicis) be-
rahen. ABL. bimsen, v.: (mit Bimsstein)
reiben, abputzen. 1482 im voc. theut. dS**
himßen.
bin, s. sein.
Binde, f. (PI. -n): Streifen zum Binden.
Mhd. binde, ahd. hi^ita f. Von binden (Prät.
band:, Part, gebunden), v.: zusammenfügen,
woran fügen, wodurch festmachen ; durch
Bande unfrei machen. Mhd.hinden, ahd.bintan.
Dazu asächs.-ags.-got. bindan, ndl. binden, engl.
bind, anord.-schwed. binda, dän. bitide. Urver-
wandt ist aind. bandh (für *hhandh) «binden»,
lat. -fend- in offendimentum n. «Binde», gr.
-TTCvO- (für -qpevO) in ireiciiia (füi* *TT€v9c|Lia) n.
«Tau». Älternhd, lautet wie mhd. der Prät.
Plur. blinden (auch zuweilen Sg. hund), Konj.
bnnde, die jetzigen Formen bei Bödiker. ZUS.
Bindewort, n.: die Konjunktion, das Sätze
verbindende Wort. Schon im 17. Jh., (bei
Stieler 1691), dann von Gottsched verwendet.
Bindestrich, m.: der zwei zusammenge-
hörige Wörter verbindende Strich. Erst im
19. Jh. aufgekommen. Bei Adelung 1774
Bindezeichen n. Bindfaden, m., fi-ühnhd.
(1491 im Voc. rer. 15*^ bindt faden «licium»).
iSindrienien, m. Mhd. hintrieme, ahd.
hintriomo m. Redensart: es geht an die
Bindriemen «es wird Ernst mit der Sache»,
eig. es wird die letzte Hand an die Kleidung,
Rüstung gelegt.
241
Binetsch
Bischof
242
Biuetsch, m. (-es): Spinat (s. d.). Wie
dies Wort aus mlat. spinacea f., ital. spinaccio
m. Obd. In finihnhd. Glossaren (Diefenb. nov.
gloss. 345'^ vom J. 1466), dann auch 1537 bei
Dasypodius und 1533 in Rößlins Kräuter-
buch 290^.
Bingelkraut, n. : die Pflanze mercurialis.
Bingel- mit / statt ü aus mhd. hüngel, ahd.
hungil n., das aber Xame einer andera Pflanze,
und zwar einer mit knolliger Wurzel, der
Mauerraute, ist, von mhd. hinge, ahd. hungo m.
«Knollen». S. Bachhunge. Die Übertragung
auf mercurialis schon bei Maaler 1561, viel-
leicht wegen der FruchtknöUchen der Pflanze.
binnen, Präp. mit Dat., selten Gen.: in
den Grenzen von — . Fast nui- noch zeitlich;
räumlich jetzt als Adv. in Zusammens. wie
Binnenland usw. Mhd. (vorwiegend md.)
hinnen, wie mnd. und mnl., dazu afries. binna,
ags. hinnaiL Zusammeng. aus hi (mit Unter-
drückung des Vokals, vgl. hange) und imien.
Von Luther (aber nur räumlich) gebraucht,
während es dem altem Obd. fremd ist.
Binse, f. (PI. -n): Flechtpflanze mit mar-
kigem Schafte, juncus. Mit s für ß hervor-
secfancren aus dem Plural des gleichbed. mhd.
hineß, hin^, ahd. hinu^ m.; dazu asächs. hinit
(in dem Adj. hinitin), ags. heonet, engl. hent.
Älterahd. und jetzt in obd. Mundarten auch
hinz, hinze; Schottel 1663 hat Bintz und Bins
(PI. Bintzen, Binsen), Stieler 1691 nur Binz
m., Rädlein 1711 Binse neben Bintz (das Fem.
Binse schon bei Rollenhagen Froschm. 8, 2, 5).
Das Wort besteht wohl aus hi (wegen der
Betonimg ungeschwächt erhalten) und dem
Worte na^, das aber kaum zu nass, sondern
eher zu Netz, Xessel gehört. Xicht verwandt
ist das gleichbed. ndl. hies f. ABL. Bin-
sicht, n. Mit angetretenem t, da ahd. hi-
nugahi, hin^alii n. ZUS. Binsenwahrheit,
f.: selbstverständUche Wahrheit. Erst in
neuerer Zeit aufgekommen. Eig. wohl Wahr-
heit wie eine Binse dünn und dürftig. ZfdW.
5, 286. 6, 358.
Biograph, m. {-en, PI. -en): Lebensbe-
schreiber. Aus dem gleichbed. gr.-lat. hio-
graplms, gr. ßiöypaqpoc m., zusammenges. aus
ßioc m. Leben und --fpaqpoc «Beschreiber»-zu
Ypdqpeiv «schreiben». Im 18. Jh. aufgenommen
(Lessing 6, 298). ABL. Biographie, f.
«Lebensbeschreibung». Aus gi'.-lat. hiogra-
phia, gr. ßiOTpaqpia f.
Birke, f. (PI. -n): der Waldbaum lat. be-
tula. Mhd. birke, hirche, ahd. hircha, hirihha
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
f.; dazu ndl. herk m., ags. beorc und hirce f.,
engl, hirch, anord. björk, schwed. björk, dän.
hirk f. Urverwandt ist aind. hhürjas m. «Art
Birke», osset. bärz «Birke», abg. hreza f.,
lit. birzas m, «Birke», vielleicht auch lat.
fraxinus und farnus «Esche». Auch Borke ist
wohl verwandt. ABL. birken, adj. (auch
IQ Birkenholz usw.). Mhd. hirkin, ahd. hircMn.
ZUS. Birkhuhn, n.: Birkenknospen und
Zäpfchen gern fressendes Waldhuhn. Mhd.
birklmon, ahd. hirchuon, hirichlmon n.
Birne, f. (PI. -n) -. die Kernobstfrucht lat.
pirum. Hervorgegangen aus dem PI. (mhd.
bim) des mhd. hire, bir, ahd. hira f., von dem
PI. des lat. pirum n. Vgl. auch got. baira-
bagms m. «Maulbeerbaum». Während hier p
zu h geworden, ist in dem auf roman. (ital.-
span.) pera (franz. poire f.) beruhenden ndl.
peer f., engl, piear das urspr. ^j festgehalten.
Das ältere Bir findet sich im 16. Jh. (Luther
hat Bim- in Zusammensetzungen) und noch
jetzt mundartlich (alem.-schwäb.-rheinfränk.),
doch kommt Birne schon im 15. Jh. vor
(Diefenbach-Wülcker S.250). Die gewöhnliche
älternhd. Form (noch bei Adelung) ist Bir7i.
Ein PI. Bim 1774 bei Goethe (D. j. Goethe 8,
295). ZUS. Birnbaum, m., dafür mhd. bir-
houm, ahd. hiräboum m.
Birsch, f. (Pl.-e?i) oder Pirsch: Waldjagd
mit Spürhunden. Im 16. Jh. Von birschen,
V.: mit Spürhunden im Walde jagen. Mit
Übergang eines s in seh nach r aus mhd.
hirsen, das auf dem noch unerklärten afranz.
herser «mit Bolzen oder Pfeü jagen und
schießen» beruht. Auch pirschen und bürschen
(so bei Adelung), pürschen geschrieben.
""^bis, Imp. (altertümUch und dichterisch):
sei, s. sein.
^bis, den Zielpunkt in Raum oder Zeil be-
stimmendes Adv., dann Konj. Mit s füi* ß
aus mhd. hi^, Adv. Präp. und Konj., von Mittel-
deutschland aus vordringend und das echthd.
unze, unz allmählich verdrängend. Zusammen-
ges. aus bi und ahd. a^ «zu», das dem asächs.
at, ags. at, got. at, lat. ad entspricht, urspr.
also bi-az. Im Älternhd. auch bitze, das ähnlich
auf bi und ze zurückgeht.
Bisam, m. (-s): Moschus. Mhd. biseni
(so auch bei Luther), ahd. bisam, bisamo m.,
aus mlat. bisamum n., das auf hebr. besem,
syrisch besmö «Wohlgeruch, Salbe» beruht.
bis-chen, s. bißchen.
Bischof, m. {-s, PI. Bischöfe): höchster
Geistlicher: (seit der Mitte des 18. Jh., z. B.
16
243
Bise
bitzeln
244
1773 bei Amaranthes) eine Art Rotweinpunsch.
Mhd. hischof (PI. hisdwve), auch (wohl durch
Einwirkung von Namen auf -olf, wie Rudolf
usw.) Uscholf, ahd. hiscof m., nach ital. ves-
covo aus dem gleichbed. gr.-lat. episcopus m.
Dies beruht auf gr, eiricKOTroc m. eig. «Auf-
seher», dann «Obwalter», weiter kii'chlich
s. V. a. «Obwalter als Geistlicher, geistlicher
Vorgesetzter», zusammenges. aus gr. d-rri «auf,
über» und ckottöc «Schauer, Aufseher, Acht-
geber» von cKOTTCiv «schauen, spähen». Auf
dem Lat. beruht auch ndl. hisschop, ags. his-
cop, engl, hishop, anord.-schwed. hiskop, dän.
hisp m., got. mit engerem Anschluß an die
Grundform aipiskaupus m. ABL. bischöf-
lich, adj., mhd. hischo flieh.
Bise, f. (PI. -n): Nordostwind. Schweize-
risch, mit erhaltenem i (doch älternhd. Beis-
tvind) aus mhd. hise, ahd. hisa f., daher franz.
hise f. Vielleicht verwandt mit biesen (s. d.)
mit der Grundbed. «Sturm».
Biskuit, n, (-S, PI, -s, -e): Zuckerge-
backenes. Aus franz. hiscuit m. eig. «Zwie-
back», das auf mlat. hiscoctus «zweimal (pis)
gebacken (coctus)» beruht. Älternhd. ge-
wöhnlich das auf ital. hiscotto m. beruhende
Biskott (z. B. 1601 bei Albertinus Kriegsleut
Weckuhr 2, 164, Bißkotte 1598 bei Hutter
Dict. 300, Biscott 1574 bei Fischart Onoma-
stica 118^) oder das aus dem Dimin. his-
cottino m. hervorgegangene Biskotten (z. B.
1595 bei Hulsius SchifFart 1, 10, noch jetzt
ebd.), daneben seit dem Anfang des 17. Jh.
auch Biscuit, 1613 bei Hulsius Schiffart 11,
2, 154, 1672 bei Grimmeishausen Vogelnest 2,
6 Bisquit.
bislang, adv.: bisher. Norddeutsch, zu-
sammengezogen aus älternhd. hissolang (bei
Luther 8, 488 W. hissolange), das in der Kanz-
leisprache schon am Ende des 15. Jh. vor-
kommt, zusammengeiückt aus bis so lange.
Biß, m. (Gen. Bisses, PI. Bisse): Hand-
lung des Beißens; Spur vom Beißen. Mhd.
hi^, daneben mhd.-ahd. auch hiz m. Zu heißen.
hißchen: ein klein wenig. Eig. Dem. von
Bissen (s. d.). Seit dem 16. Jh., anfangs ge-
wöhnlich mit der obd. Dim.-Endung als biß-
lein (Ludwig 1716 hat ein bißgen, das schon
vorher von Weise u. a. gebraucht wird).
Bissen, m. (-s, PI. wie Sg.): soviel als
man auf einmal abbeißen kann. Aus mhd.
hi^^e, ahd. hi^p mit schwacher Flexion; da-
zu ags. bita, engl, bit, anord. biti m. Von
beißen.
hissig, adj.: gern beißend. Frühnhd.,
dafür mhd. bi^ec «beißig» (s. d.).
Bistum, n. {-s, PI. Bistümer): Gebiet
eines Bischofs. Mhd. bischtuom, bistuom, ahd.
biscetuom, gekürzt aus biscoftuom n.
bisweilen, adv. : von Zeit zu Zeit. Mhd.
bi^ wtlen kommt noch nicht vor, dagegen in
gleicher Bed. bi wilen und ze wilen, so daß
vielleicht bisweilen aus biziveilen zu erklären
ist; weilen ist der Dat. PI. von Weile (s. d.).
Das Wort tritt erst im 16, Jh., vorwiegend
bei norddeutschen Schriftstellern (Mathesius
Luther 90, Eingwald Eckh. E 7^^, Rollen-
hagen Froschm. 1, 2, 22), doch auch bei Fisch-
art (Binenk, 58) auf.
Bitte, f, (PI, -n) : ausgedrücktes Verlangen
an jemandes Güte, Spätmhd. bitte (Wyle
19, 8) neben gewöhnlichem mhd. bete, ahd.
selten bita neben beta, got. bida f. Von
bitten, v. (Prät. bat, Part, gebeten): an je-
mand ein Verlangen richten in Hoffnung
gütiger Gewährung. Mhd. biten, bitten, ahd.
bitten; dazu asächs. biddian^ ndl. bidden, ags.
biddan, engl, bid, anord. bidja, schwed. bedja,
dän. bede, got. bidjan. Man stellt es zu gr.
•nreieo) (ir für qp wegen des folgenden 6)
«durch Zureden wozu bestimmen, überreden,
erbitten», lat. fido «vertraue», so daß das
V. urspi'. der t- Reihe angehört hätte und
zur er Reihe übergetreten wäre (Osthoff Btr.
8, 140), besser aber zu ai. badhate «drängf,
verdrängt, bedrängt», lit. bädas m. «Hungers-
not, Hunger». Im letzten Grunde können
allerdings beide Wurzeln zusammengehören.
bitter, adj. u. adv.: beißend scharf. IVJhd.
bitter, ahd. bittar: dazu asächs. bittar, ndl.
bitter, ags. biter, anord. bitr, engl,- seh wed,-
dän. bitter, got. mit Ablaut baitrs. Zu beißen,
aber mit bewahrtem t, da t vor r nicht ver-
schoben wird, ABL. Bitterkeit, f., mhd,
bitterkeit f. bitterlich, adj. u. adv., mhd.
bitterlich.
Bitze, f, (PI. -n): Baum-, Grasgarten. In
der Schweiz, Schwaben, Hessen, der Wetterau,
Nassau, Spätmhd, bitze f,, abgeschwächt aus
biziune n,, ahd, bizüni n, und bizüna f, «ein-
gezäuntes Grundstück», zusammeng. aus dem
wegen der Betonung ungeschwächt gebliebenen
bi und einer Ableitung von z'ün, «Zaun».
bitzeln, v,: schnell wiederholte fein-
stechende Empjfindung haben. Frühnhd. (bei
Keisersberg, H. Sachs), abgeleitet von mhd.
ahd. biz m, «Beißen, Biß».
245
Biwak
Blase
246
Biwak, n. (s, PI. -s): militärische Feld-
wache, Feldlager. Aus dem gleichbed. franz.
hivouac m., das auf einem ndd. Mwake «Bei-
wache» beruht. Im 17. Jh. entlehnt.
bizarr, adj. u. adv.: auffallend seltsam
und wunderlich. Aus dem gleichbed. franz.
bizarre, dies aus span. hizärro «tapfer, mutig,
ritterlich, prächtig», dem baskisch hizarra
«Bart» zu gründe liegt. Vgl. higott. Im
17. Jh. entlehnt (1697 bei Thomasius Sitten-
lehre 455).
blach, adj.: weit und breit ohne Erhaben-
heit, namentlich in Blacllfrost «Frost ohne
Schnee», Blachfeld (bei Luther) «das flache
Feld». Mhd. selten hlach, identisch mit flach,
dessen Anlaut f hier weiter zu h verschoben
wurde.
Blackflsch,m. (-es, PI. -e) : Tintenschnecke.
1563 in Forers Fischbuch 112. Aus ndd. hlak-
fisk; ndd, hlak n. ist wie ags. Ucee, schwed.-
dän. hläk n. «Tinte» (auch älternhd. placke
1482 im Voc. theut. z3% ahd. Nach n.), zu
ags. hlcec, engl, hlack, ahd. hlah «schwarz»,
das vielleicht zu gv.jj.iXac «schwarz» gehört,
(germ. hla- aus mla-) Hirt PBrBtr. 23, 307.
blaff, interj. Knall und Fall! Lautnach-
ahmend, vgl. haff, paff. ABL. blaflfen, v. :
bellen (Lessing 10, 231). Spätmhd., auch ndl.
Uaffen, vgl. häffen.
Blähe, f. (PI. -n)-. großes grobes Leintuch
(zur Bedeckung von Wagen, zum .Trocknen
von Friichten, als Fenstervorhang usw.). Spät-
mhd. hlahe f. «grobes Leintuch, dann über
einen Wagen gespanntes Tuch». Auch. Flache,
Plane, Flaue (s. d.). Wohl nicht von hLplaga f.
«Jagdnetz, ausgespanntes großes Tuch, Teppich,
Bettvorhang». Die mundartlichen Formen
(auch Blähe mit Anlelmung an Mähen) führen
auf ein got. *hlahwa, *hlaiva; verwandt ist
anord. hlceja f. «gefärbtes Stück Tuch», schwed.
hlöja f. «Wickeltuch», dän. hie «Leintuch,
Windel».
blähen, v.: durch Luft ausdehnen. Refl.
sich blähen: dick (stolz) tun. Aus mhd.
hlcejen, hlcen, ahd. hldjan, hläen; dazu mit
urspr. reduplizierendem Prät. ags. hläwan
(Prät. Ueoio), engl, hlow (Prät. hlew) «wehen,
hauchen, blasen». Das Wort stimmt der
Lautverschiebung gemäß mit lat. fläre «bla-
sen», vgl. blasen, Blatter.
blaken, v.: flammen, qualmen. Ein ndd.
Wort (mnd. u. mnl. blaken), das Heynatz 1796
aus der Berliner Sprache anführt und Campe
1807 verzeichnet. Verwandt mit gr. (pAcreiv
«brennen, leuchten», qpX.öE f. «Flamme», lat.
flagräre (s. Walde s. v.) «brennen», fulgur n.
und fulmen n. «Blitz», aind. MräJ «leuchten»,
vgl. blecken. ABL. Blaker, m. (-s, PI. wie
Sg.): Wand-, Hängeleuchter. Das nd.-ndl.
blaker, von Frisch 1741 angeführt und von
Voß 1, 117 gebraucht; vgl. auch ags.blcecern
m. «Leuchter».
blamieren, v.: beschämen. Refl. sich h.:
sich der Beschämung aussetzen. Aus franz.
blämer, ital. biasimare, altsp. fcZasmar «tadeln»,
das auf mlat. blasimäre, blasmäre beraht, einer
Zusammenziehung des kirchlich-lat. blasphe-
inäre, das selbst wieder auf gr. ßXaccprmeiv
«von jemand ehi-enriihrig reden» zuriickgeht,
vgl. Blasphemie. Im 17. Jh. entlehnt, aber
zunächst in der Bed. «beschimpfen», die
jetzige Bed. wohl nicht vor der Mitte des
18. Jh. ABL. Blamage, f. (PI. -n). Im
18. Jh. mit der franz. Endung -age im Deut-
schen gebildet, vermutlich in der Studenten-
sprache, vgl. Renommage.
blank, adj. u. adv.: glänzend weiß; weiß;
glänzend rein. IVIhd. hlanc, ahd. Manch; dazu
ags. blanc, ndl.- engl, blank, anord. blakkr,
schwed.-dän. (entlehnt) blank. Ins Romanische
aufgenommen, ii'am.blanc, ital. &mwco« weiß».
Zu blinken. Mit Einfügung eines n zu der
Wurzel, auf die blaken, blecken zurückgeht.
blänkeln, s. plänkeln.
Blankett, n. {-es, PI. -e)\ leeres mit
Namensimterschrift versehenes Papier zum
Ausfüllen für einen Bevollmächtigten. Aus
dem gleichbed. franz. blanquet m., von blanc
«weiß», eig. weißes Papier. Schon im Anfang
des 16. Jh. entlehnt (Luther 7, 358^ Jen. &ZawÄ;e^).
Blankscheit, n. (-es, PI. -e): linealartiges
Miederbrettchen. Das durch Anlehnung
deutschverständlich gemachte gleichbed. franz.
planchette f. (gespr. plangschett) , das Dim.
von pZanc/ie f. «Planke». Um 1700 in Mittel-
deutschland üblich (1715 bei Amaranthes
Blanck- Scheit, bei Günther 537 Blanck- Scheit,
bei Gellei-t Lustsp. 317).
Blase, f. (PI. -n) : durch Luft oder Flüssig-
keit rundlich aufgeblähte Haut oder haut-
artige Fülle; (studentisch) freie Vereinigung.
Mhd. blase, ahd. bläsa f. «Harnblase» (jede
andre Blase heißt mhd. blätere, ahd. blätara,
s. Blatter); dazu ndl. Maas, schwed. bläsa f.
Von blasen, v. (Prät. Mies, Part, geblasen):
Luft forttreiben, stark, hörbar wehen. Mhd.
blasen, ahd. bläsan: dazu ndl. Mäzen, anord.
bläsa, schwed. Mäsa, dän. blase, got. blesan.
16*
247
blasiert
blau
248
Im Ags. hat bläican, engl, hlow (s. blähen) '
die Bed, von blasen: in diesem ist das s als [
ein Ableitungselement anzusehen, es gehört mit j
blähen zu lat. fläre. ABL. Bläser, m. (s, PI.
wie Sg.), mhd. bläsmre. ZUS. Blasebalg, m.
(vgl. Balg), mhd. bläsebalc m. Blasrohr, n., |
bei Schweinichen 1, 30 vom J. 1562.
blasiert, adj.: abgestumpft, teilnahmlos, j
In neuerer Zeit aus gleichbed. franz. blase
umgebildet, dessen Herkunft unbekannt ist.
blasonnieren, v.: ein Wappen kunst-
mäßig ausmalend schmücken; ein Wappen ^
kunstgerecht piiifen und erklären. Mhd. |
blasenieren aus franz. blasonner «Wappen
malen», von blason m. «Schild, Wappen,
Wappenkunde», dessen Herkunft unsicher ist.
Blasphemie, f. (PI. -;/) : Gotteslästerung.
Aus dem gleichbed. kirchlich-lat. blasphemia,
gr. ßXacqpriuia f. « ehrenmhrige Rede, gottes-
lästerliche Rede», von gr. ßXacqpri.ueiv (s. bla-
mieren). Früh im 16. Jh. entlehnt (z. B. ;
1524 bei Emser, vgl. Gombert 6, 17) und
bei Rot 1571 verzeichnet. I
bla£, adj. (Komp. blasse^', blässer, Sup.
blassest, blässest) : weißHch; schwach an Farbe.
Mhd. blas (flekt. blasser), ahd. blas «weiß, weiß-
lich, besonders an der Stirne» (ahd. blas ros);
«bleich, farblos» (bei Nicolaus v. Jeroschin und
Brun V. Schonebeck); «kahl, kahl an Ansehn,
Wert, gering» (vereinzelt seit dem 13. Jh.),
vgl. ndl. bles «kahl». In der jetzigen Bed. ist
blaß im 16. Jh. selten (Luther hat nur er-
blassen) und dringt im 17. Jh. von Mittel-
deutschland aus vor, Schottel 1663 verzeichnet
es. Der wahrscheinliche Gnindbegriff «schei-
nen, leuchten» (die Bedeutungsentwicklung
wie bei bleich, s. d.) zeigt sich in mhd.-mnd.
blas n., ags. blcese f., engl, blaze «brennende
Fackel». J-Bi^. Blässe, f.: Farbenschwäche,
erst im 17. Jh. zu blaß «bleich» gebildet |
und bei Stieler 1691 verzeichnet, blassen, v.: j
an Farbe schwächer werden oder machen. !
Im 17. Jh. Vgl. Blesse.
Blatt, n. (-es, PI. Blätter) : dünner ebener |
Pflanzenteil, der sich aus Wurzel oder Stengel
entfaltet; ähnlicher dünner breiter flacher I
Teil wovon; Papierblatt. Mhd. blaf (PI. blat
u. Meter), ahd. blat (PI. bletir), n.: dazu asächs.
blad, ndl. blad, ags. blced, engl, blade «Blatt- }
chen, Hälmchen», anord. blad, schwed.-dän.
blad n. Das Wort stimmt in seiner Wurzel
mit lat. folium, gr. qpüXXov n. «Blatt»; es ist
als eine partizipiale Bildung mit dem Suffix
-to- und schwacher Wurzelstufe zu blühen
anzusehen, doch sind auch andre Verglei-
chungen möglich, Hirt Btr. 23, 356. Luther
hat Blat, PI. Bletter, und die Form Blat
mit gedehntem Vokal ist auch später sehr
häufig, z. B. bei den schlesischen Dichtern
(Logau 3, 50, Fleming 93, Günther 148), sie
wird 1737 von Freyer S. 267 verlangt und
noch 1775 von Heynatz erwähnt. Redens-
arten: kein B. vor den Mund nehmen «gerade
heraus i'eden», eig. wohl vornen in den
Mund tun, um seine Sprache zu verstellen
(schon mhd.); das Blättlein ic endet sich «das
Glück schlägt um», wohl von den Kunst-
stücken der Gaukler ausgegangen (1534 bei
S. Franck Weltb. Vorr. a4^ das blätlin ^virt
sichumbkören). AB L. l) mit Blatt, blatten,
V.: Blätter zahli'eich abpflücken, durch Ab-
pflücken überflüssiger Blätter derselben ent-
ledigen; (weidmännisch) Wild durch Pfeifen
auf einem Blatt locken (bei Rädlein 1711,
oft blaten geschrieben). Mhd. blaten. 2) mit
dem PI. Blätter. blätterig, adj., mhd.
bleteroht. blättern, v.: Blätter umschlagen,
mhd. bleiern in Überbietern: wie blatten.
ZUS. Blattgold, n.: dünngeschlagenes Gold,
1678 bei Krämer. Blattlaus, f., 1730 bei
Frisch Insect. 8, 84.
Blatter, f. (PI. -n): kranker rundlich
aufgeblähter Hautfleck. Mit Kürzung des
Vokals (bei Luther Blatter) aus mhd. blätere,
bläter, ahd. blätara f. «Blase»: dazu ndl. (mit
ausgefallenem d) blaar, ags. blcedre, engl.
bladder, anord. blaära, schwed. blädra, dän.
bläre f. «Blase, Blatter». Aus einer Wurzel
mit blähen und blasen (s. d.). ABL. blatterig,
adj.: voll Blattern, mhd. Uäterec.
blätterig, blättern, s. Blatt.
blau, adj.: luftfarbig. Aus mhd, blä (flekt.
bläwer), ahd. bläo: dazu ndl. blaauic, ags.
bläiu, engl, blue (aus franz. bleu?), anord. blär,
schwed. bld, dän. blaa. Zusammenhang mit
bleuen (s. d.), so daß blau urspr. die Farbe
der Haut infolge einer Quetschung ausdrücken
würde, ist kaum möghch; ebensowenig der
mit lat. flävus «blond» wegen der ganz ab-
weichenden Bedeutung. Am ehesten zu gr.
iue\ac «schwarz», ht. melvias «blau», wenn
bl aus ml entwickelt ist. Redensarten: der
blatte Montag eig. «der (durch blaue Altar-
umhängung in den Kirchen ausgezeichnete)
Montag vor Aschermittwoch, an dem nicht
gearbeitet wurde, dann jeder Montag, den
die Handwerker zu einer Nachfeier des Sonn-
tags machen» (1719 bei Kramer, dafür im
249
Blänel
Bleiche
250
16. und 17. Jh. der gute Montag); ins Blaue
hinein reden eig. in die Bläue des Himmels,
in die unbestimmte Feme: einem einen blauen
Dunst vor die Äugen machen: (eig. von den
Dämpfen, die die Zauberer bei ihren Be-
schwörungen aufsteigen ließen) ihn durch
Vorspiegelungen betragen (schon 1492 ain
plahen tunst machen Liliencron 2, 197): eben-
falls von den Gaukelbildeni der Zauberer
herrührend sein blaues Wunder sehen (1645
bei Zesen adr. ßosemund 97). ABL. Bläne,
f., mhd. blcewe f. blauen, v.: blau werden,
bei Stieler 1691. bläueu, v.: blau machen,
mhd. blceiven. bläulich, adj. u. adv.: ein
wenig blau, frühnhd. blaulichf.
Bläuel, s. Bleuel, bläuen (schlagen),
s. bleuen.
Blaustrumpf, m. (-es, PI. Blaustrümpfe) :
Angeber, Verräter. Im 17. Jh. (Weise Cath.
260). Bei Schüler Räuber 2, 3 der höllische
Blaustrumpf «der Teufel». Eig. Spottname
der Gerichtsdiener, die vielfach verpflichtet
waren, blaue Strümpfe zu tragen. Erst im
19. Jh. B. «gelehrtes Frauenzimmer» nach
engl, blue-stocking; blue-stockings hieß ein
Kreis, der sich um 1750 in London im Hause
der Frau Montague versammelte, nach einem
Mitglied, das blaue Stiümpfe zu tragen
pflegte, später besonders die weiblichen Teil-
nehmer an den Zusammenkünften.
Blech, n.: dünn geschlagene .oder ge-
walzte Metallplatte; Geld; (seit etwa 1840
im gemeinen Leben nach dem studentischen
Blech reden) schlechtes Geschwätz. Mhd.
blech, ahd. bleh n.; dazu ndl. blik, blek, schwed.
bleck, dän. blik n. «Blech», aber anord. buk
n. «leuchtender Glanz», dann «Gold, Gold-
blech». Zu bleichen (s. d.), die ui'sprüng-
liche Bed. also «das Glänzende». Die 2. Bed.
nach den ehemahgen Hohlmünzen aus Gold-
oder Silberblech; sie findet sich schon im
16. Jh., und zwar zunächst im Kotwelschen
1510, dann bei Fischart Garg. 70 vil Ämter
und wenig Plech. ABL. blechen, v.: Blech
d. i. Geld geben, zahlen (Goethe Götz 2,
Schiller Kab. u. L. 5, 6 heraus blechen). Als
idiotischer Ausdruck bei Adelung 1774 und
Kindleben 1781 (fm- die Studentensprache)
angeführt, blechern, adj. und adv.: aus
Blech bestehend. Dafür spätmhd. blechen
aus urspr. blechtn, 1616 bei Henisch blechin
neben blechern, noch bei Voß Idyll. 16, 96
die blechene Dose. Blechner, m.: Klempner.
In Südwestdeutschland.
blecken, v.: sichtbar machen, bes. die
Zähne. Mhd. blecken (Prät. blacte) «sichtbar
werden, sich entblößen», sowie «bloßlegen,
sichtbar machen», ahd. blecchen «hervor-
leuchten, blinken, schimmern», b. gehört als
Faktitiv zu einem nach der e-KIasse flek-
tierenden nicht erhaltenen ahd. blehhan (vgl.
bleichen), das zu gr. qpXexeiv «brennen, leuchten»
und weiter zu lat. flagräre «brennen)., aind.
bhräj «leuchten» gehört. S. blaken, blicken.
'Blei, n. (-es, PI. -e): sehr weiches, schwe-
res, bläuhch weißes Metall; Richtblei, Lot.
Mhd. bli (Gen. bliwes) n. m., ahd. blio n.; dazu
anord. bly, sehwed.-dän. bly n. Dunklen ür-
spnings; Persson Bezz. Beitr. 19, 273 vergleicht
schwerhch mit Recht lit. blaivas «licht, klar»,
Braune Btr. 24, 195 stellt es wieder zu blaic.
Vgl. noch Hii-t Btr. 23, 354, der es auf
'^'mliwom zuiückführt und an einen durch
Entlehnung vermittelten Zusammenhang mit
gl-. ,u6\ißoc, lat. plumbum «Blei» denkt.
-Blei, m. (-[eis, PI. -e) : ein Fisch, s. Bleihe.
bleiben, v. (Prät. blieb, Part, geblieben):
an einem Orte verharren; in einem Zustand
vei'haiTen: von Dauer, Bestand sein; außerdem
da sein (übrigbleiben); unterlassen werden
(in bleiben lassen^, nicht mehr von der Stelle
kommen (das Leben vei'lieren). Mit Unter-
drückung des e in der Vorsilbe be- aus mhd.
belihen, bliben, ahd. biliban : dazu asächs. biUban,
ndl. blijven, ags. bellfan, got. bileiban, ent-
lehnt schwed. blifva, dän. blive. Das einfache
nicht vorkommende ahd. -liban gehört wohl
zu gr. XiTToc n. Fett, Xiirapöc «fett, glänzend»,
abg. lljmqti, Kt. Upti «kleben bleiben», so
daß sich also (wie in gr. XmapeTv «behan-en»)
die Bed. des Verharrens aus der des «Klebens»
entwickelt hätte. Vgl. noch Leib, leben. Das
Part. Prät. mhd. beliben im 17. Jh. noch sehr
häufig blieben (doch verlangt schon Schottel
1663 geblieben), auch noch im 18. Jh. dich-
terisch (Goethe 1, 112. 295), selten in Prosa
(Lessing 11, 84).
bl eich, ad j. u. adv. : matt glänzend : schwach
an Fai'be, weißlich. Mhd. bleich, ahd. bleih;
dazu ndl. bleek, ags. bläc, engl, bleak, anord.
bleikr, schwed. blek, dän. bieg. Zu ^bleichen.
ABL. Bleichsucht, f.: 1741 bei Frisch
bleiche suht.
'Bleiche, f. (PI. -n): Kunst zu bleichen:
Bleichplatz. Mhd. bleiche f. Zu ^bleichen.
"Bleiche, f.: bleiches Aussehen. Mhd.
bleiche, ahd. bleicht f.; dazu mndl. bleke f.
Zu bleich.
251
bleichen
Bleuel
252
^bleichen, v. (mit schwacher Flexion):
worauf wirken, daß es bleich, weiß wird.
Mhd. lleichen (entsprechend ags. blcecan, anord.
bleikja) «blichen machen», Faktitiv zu dem
starkbiegenden bleichen (s. '"^bleichen).
"bleichen, v. (mit schwacher Flexion):
bleich werden. Mhd. bleichen, ahd. bleihhen,
abgeleitet von bleich.
^bleichen, v. Prät. blich, Part, geblichen) :
matt glänzend, weiß werden. Mhd. blichen
«glänzen» (oheY erblichen ist «erblassen»), ahd.
(bei Notker) in erblichen «erbleichen» und
f erblichen «verbleichen»; dazu asächs. blikan
«glänzen», ndl. blijken «erheUen, oflenbar
werden», ags. blican «glänzen», anord. blikja
(Prät. bleik) «erglänzen, glänzen, leuchten».
Die Wurzel gehört zu abg. bliskati aus *blig-
skati «funkeln», bleskä m. «Glanz». Ygl.
auch Blech, bleich, blicken, blinken.
Bleichert, m. (-5, PI. -e): rötlicher (blaß-
roter, bleicher) Wein. Abgeschwächt aus
Bleichart, Bleichhart (vgl. -ert in Bankert),
bei Fischart Garg. 84 bleichart.
bleiern, adj.: von Blei; (bildlich) schwer-
fällig. Bei Luther, während sonst älternhd.
auch bleien (noch bei Yoß Shak. 2, 51), ent-
sprechend mhd. blijin, ahd. blnn, abgeleitet
von Blei (s. d.).
Bleifeder, f.: Bleistift. 1773 bei Ama-
ranthes (3. Aufl.).
Blei(h)e, f. (PI. -n), auch Blei m.: eine
Art breiter Weißfische. Aus dem Ndd., wo
mnd. bleie f., dazu ndl. blei, ags. blcege f.,
engl, blaij. Der Ursprung des Wortes mit
den Nebenformen (schweiz.) Bliegge (schon
ahd. blieka). Blicke liegt im Dunkeln. Schwer-
lich ist nach ahd. bleiclm, dem das anord.
bleikja f. entspricht, an bleich anzuknüpfen,
vgl. dän. biege {-eg- aus -eik) «Bleibe».
Bleilot, n.: Senkblei. Bei Frisch 1741.
Bleischnur, f.: Schnur unten mit Blei-
gewicht als Maß- und Richtschnur beim Bauen.
Bei Luther. Bleistift, m. {-es, PI. -e), südd.
auch n.: Schreib-, Zeichenstift aus Reißblei.
1653 bei Harsdörfer mathem. Erquickstunden
3, 179 Bleijstefft m. Bleiweiß, n.: ein aus
Blei zubereitetes weißhches Pulver, als Farbe,
Salbe usw. Spätmhd. bliwiz. Bleiwage, f. :
Setzwage mit einem Bleilot, um die senk-
rechte Richtung der Mauer zu messen. 1495
im Voc. rerum f 2^^ blywag. Bleiwurf, m.:
Bleilot, Senkblei. Bei Luther (Apostelg.
27, 28 Bleyiüurff).
Blende, f.: Vorrichtung, den freien Bhck
zu benehmen; Scheuleder beim Pferde; vor-
geschobene Anlage zur Verdeckung einer Be-
festigung dahinter (bei Ludwig 1716); blindes
Fenster, blinde Türe, Mauer-, Wandvertiefung,
Nische (bei Frisch 1741); glänzendes Mineral
ohne Erzgehalt (1546 bei Georg Agi-icola).
Von blenden, V.: blind oder wie blind machen.
Mhd. blenden (Prät. blante), ahd. bleuten; dazu
ags. blendan. Das V. ist ein Faktitiv, das
wohl unmittelbar vom Adjektivum blind ge-
bildet ist, da ein Verbum blindan nicht vor-
liegt (got. ist gablindjan «verblenden», anord.
blinda «blenden»).
Blendling, m. {-s, PI. -e) -. Tier gemischter
Rasse, Mischling; uneheliches Kind. Li der
1. Bed. als Jägerwort im 17. Jh. aufgeführt.
Von mhd. blanden (Prät. blient), ahd. blantan
«anstiften», urspr. «mischen», wie asächs.-ags.
blandem, engl, blend, anord. blanda, got. blan-
dan «vermischen» zeigt.
Blendwerk, n.: Vorrichttmg zum Blen-
den; Vorgespiegeltes zur Täuschung. Im
17. Jh.
Blesse, f. (PI. -w): weißer Stimfleck; Pferd
oder Kuh mit weißem Stirnfleck (vom Pferde
1691 bei Stieler Bläße f., 1575 bei Fischart
Garg. 206 Blasse m., 1447 bei Janssen Frankf.
Reichscorr. 2, 97 blessiger hengst): schwarzes
Wasserhuhn mit einem weißen Fleck über
dem Schnabel (auch Bläßhtihn). Spätmhd.
und im 16. Jh. blasse f. «(weiße) Stirn»; dazu
nd. bles, engl, blaze, anord. blesi m. «weißer
Stirnfleck» und (mit Übergang von s in r)
ndl. blaar f. «weißer Stirnfleck, Bläßkuh».
Ableitung von blaß, richtiger daher Blässe.
blessieren, v.: verwunden. Aus dem
gleichbed. franz. Messer, afranz, bieder, das
vielleicht auf das deutsche bletzen (s. d.)
zuriickgeht. Im 17. Jh. entlehnt (bei Nehring
1710). ABL. Blessür, f.: Verwundung.
Aus dem gleichbed. franz. blessure f.
bletzen, v.: handwerksgerecht flicken.
Südd. {wich. pletzen). Mhd. bletzen, abgeleitet
von dem im Obd. erhaltenen mhd. bletz, ahd.
blez m. (daneben mhd. bletze, ahd. blezzo m.)
«Fleck, Lappen zum Aufnähen», das mit dem
gleichbed. got. plats meist auf abg. platü m.
«Tuchfetzen, Lappen» zuräckgeführt wird.
Doch ist eher das umgekehrte Verhältnis
anzunehmen und got. plats von bletzen zu
trennen. Vgl. .Johansson KZ. 36, 372 f.
Bleuel, m. (-S, PI. wie Sg.): flaches Holz
mit Stiel zum Schlafen. Älternhd. auch Blauet.
253
Blick
Blitz
254
Mhd. hliuwel, ahd. hlüil m., dazu ndl. hlouwel
m. Yon l)leuen, v. : heftig schlagen. Mit An-
lehnung an hlau auch oft hläuen geschrieben
(bei Goethe 2, 89 hleien). Ältemhd. findet
sich namentlich in md. Quellen (wie brauen
für brauen, kauen für käuen) auch blauen
(1691 von Stieler angeführt. 1773 bei Goethe
Götz 1 planen, d. j. Goethe 2, 244 ). Aus mhd.
bliuwen (Prät. bloii, PI. blüwen, Vart.gehlüiven).
ahd. bliuwan, dazu ndl. blouwen «Flachs schla-
gen», engl, blow, got. bliggwan «schlagen».
Zusammenhang mit blau (s. d.) ist unwahr-
scheinlich, vielmehr ist das Wort zxi lat.
fligere «schlagen» zu stellen, vgl. Walde s. v.
An Stelle der starken Flexion ist die schwache
getreten, doch kommt ältemhd. (nicht bei
Luther) noch das Pai't, Prät. geblauen vor.
Blick, m. (-es, PI. -e): schnell auskom-
mender wie schwindender Schein ( z. B. mit
blicken des blitzes Luther Hab. 4, 1, den Blick
vom Pulver Goethe 19, 190); (bergmännischj
Aufleuchten des Silbers beim Schmelzen und
die Masse selbst; woraufhin schnell fahren-
der Augenstrahl. Mhd. blic (Gen. blickes)
«Glanz, Blick, Blitz», ahd. blicch, blic m.
«schnelles Glanzlicht, Wetterstrahl, Blitz».
Dazu ndl. blik m. «Blick» (früher «Blitz»).
Von l)lickeil, V.: Licht ausstrahlen, beson-
ders schnell schwindendes. Mhd. blicken, ahd.
blicchen «Licht ausstrahlen, leuchten, glänzen,
bhcken». Mit einer Ableitungsendung von
der Wurzel des ahd. blihhan «leuchten» (s.
^bleichen) gehMet, \gl. Blitz. ABL. Blick-
feuer, n.: auf leuchtendes Feuer. Schon ahd.
(bei Xotker) bligfiur n. Blicksilber, n.
(s. die 2. Bed. von Blick). Fiühnhd. (1562
bei Mathesius Sar. 90 '^ Blicksilber, 196^ Blick-
silber).
blind, adj.: aller Sehkraft unfähig; licht-
los; bloß scheinbar, nicht wirklich, des rech-
ten Wesens entbehrend, z. ß. blindes Fenster,
blinder Lärm. Mhd. blint (flekt. blinder),
ahd, blint; dazu asächs.-ndl.-ags.-engl.-schwed.-
dän, blind, anord. blindr. Dazu blenden (s. d.).
Verwandt ist anord. blunda «schlafen, die
Augen zutun» und vielleicht got. blandan
«mischen, trüben, der Klarheit benehmen»
(s. Blendling). Auch gehört lit. blista «es
wird dunkel» hierher. Weiteres bei Liden
Ups. Stud. 78. Vgl. noch blinzeln. ABL.
Blindheit, f., m)i(i.blintheit f. blindlings,
adv., im 17. Jh. (Zesen Ibr. 490j, dafür ahd.
blintilingön. ZUS. Blindschleiche, f.: eine
früher für blind gehaltene Schlangenart. Mit
Wechsel des Geschlechts (bei Luther 3 Mos.
11, 30 der Blindschleich und noch jetzt obd.)
aus mhd. blintsUche, ahd. blintslihho m.
blink, adj., als Ablautsbildung zu blank
von Bürger geschaffen (blink und blank 854).
blinken, v,: hellen Schein von sich geben:
blickweise winken. Mhd. nicht vorhanden,
aber mnl. mengl. blinken (daher engl, blink).
Aus dem Xdd. zunächst ins Md. eingedrungen,
wo es bei Luther und bei Alberus Dict. u
' 1* und Ki 3** erscheint; allgemein wird es
erst im 17. Jh. (bei Stieler 1691 verzeichnet),
fehlt aber noch den obd. Mundarten, b. ge-
hört zunächst zu blank, beide gehen mit
Einfügung eines n auf die Wurzel zurück,
der blaken, blecken zugrunde liegt. Andere
verbinden blinken direkt mit dem der i-Reihe
angehörigen bleichen, asächs. bUkan und be-
trachten das schon altgenn. blank als Neu-
bildung.
bliuzeu, V. und mit dim. Ableitung
blinzeln, v.: mit fast zugezogenem, win-
kendem Auge bhcken. Mhd. Minzen (daneben
auch schon blinzeln) geht mit Unterdrückung
des mittleren e zurück auf blindzen, blindezen
(abgeleitet von blind) oder eher auf blinkzen
(vgl. bayr. blinkezen Schmeller 1, 328).
Blitz, m. (-es, PI. -e): ausschießender
Glanzstrahl; Wetterstrahl. Mit Ausfall eines
k (doch ältemhd. auch noch blix, selbst bei
Luther, vgl, Schweiz, blitzg) aus mhd. blickeze,
blikze, auch schon blitze m. «Blitz» (ahd., auch
noch mhd, dafür blic, s. Blick). Dazu das
weitergebildete asächs. blicsmo, ndl. bliksem
m. « Blitz ». An Stelle der mhd. flachen Flexion
ist die starke getreten, doch bei Luther im
Sg. auch noch blitzen und durchgehend so
; im PI., auch im 17. Jh. kommen noch schwache
Formen vor (Hoffmannswaldau Held. 7 Akk.
Sg. den blitzen, Gryphius Trauersp. 149 PI.
blitzen). Von blitzen, v.: glänzend aus-
strahlen; den Wetterstrahl schleudern; unpers.
es blitzt «der Wetterstrahl zuckt durch die
Luft». Mhd. blitzen, früher blikzen, blekzen.
ahd. blecchazzen. bleckazen «schimmern, leuch-
ten, wetterleuchten, blitzen», ein mit der
Endung -azzen, got. -atjan (vgl. lauhatjan
«blitzen») gebildetes Frequentativ von mhd.
blicken (s. blicken). ZUS. blitzblau, adj.
ganz blau. Blltzbub, m. (Schiller Räuber 3,
2). Blitzmädel, n. (Lessing 1, 416j. blitz-
ist hier nur verstärkend (wohl vom Fluch
potz Blitz ausgehend), vne in vielen anderen
Bilduncren.
255
Block
Blume
256
Block, m. {-es, PI. Blöcke): roher Holz-
klotz; Holz zum Daranschließen der Füße;
rohe, unförmliche zusammenhangende Metall-,
Steinmasse. Älternhd. (auch bei Luther) Bloch,
mhd. Uoch n., gewöhnlich hergeleitet mit
Unterdi-ückung des e der Vorsilbe he- aus
ahd. hiloh, auch schon hloh n. «Ab-, Ein-,
VerschlieJßung, Eiegel», das zu ahd. hüühhan
(entsprechend asächs. hüükan, ags. helücan)
«schheßen» gehört. Die Grundbed. wäre also
«Absi^errung», dann zum «Absperren, Ein-
schließen dienender Balken», schließlich über-
haupt «Balken, Klotz» und dem ähnliches.
Doch erhebt E. Schröder AfdA. 24, 32 mit
Recht dagegen Bedenken. Die Form Block
(obd. meist hloch) braucht nicht aus dem
Ndd. (mnd. hlock m. n.) aufgenommen zu
sein, sondern kann sich durch eine angetretene
Ableitungsendung erklären ; sie begegnet schon
vereinzelt mhd. und bei Hans Sachs (plock
m. Fab. 308, 13). An Stelle des mhd. Neutr.
herrscht seit Luther das M. (doch noch das
Bloch Grimmeishausen Simpl. 56 und schweiz.-
elsäss. Uoch n.).
Blockade, f. (PI. -n) -. Einschließung durch
Besetzung der Zugänge. Aus dem gleich-
bed. ital. hloccata f., dem als Subst. gesetzten
Part. Perf. von ital. hloccare, franz. hloquer
(s. d. f.). Bei Stieler 1691, Simpl. 444 hloc-
quada. l)lockiereil, v. : belagernd ein- und
durch Besetzung der Zugänge verschließen.
Im teutschen Michel 1617 Nr. 7 hloquieren
als modisches Fremdwort angeführt (auch bei
Zincgref 1, 35). Aus franz. hloquer, abgeleitet
von hloc m,, das auf das deutsche Block(s. d.)
zurückgeht.
Blockhaus, n. : ein roh aus Baumstümpfen
und Pflöcken gezimmertes Haus. Spätmhd.
hlochhüs n. (Lüiencron 2, 259). Blockwageu,
m.: roh gearbeiteter Wagen mit großen un-
beschlagenen Rädern. Spätmhd. hlochivagen m.
blöde, adj.: zurückhaltend an Tatkraft
und Mut; schwach an Seh- oder geistiger
Kraft. Mhd. hloede «gebrechlich, schwach,
zart, zaghaft», ahd. hlödi; dazu asächs. hlödi,
ndl. hloode, ags. hleap, anord. hlaupr «schwach,
zart», schwed. hlöt, dän, hlöd (got. *hlaupus
ist aus *hlaiißjan «aufheben, abschaffen», eig.
«schwach, ungültig machen» zu erschließen).
Dunkler Herkunft, vielleicht zu aind. mlätäs
«erweicht», ii'. mläith, hläith «weich, sanft»,
wobei das germanische Wort hl- aus ml-
hätte und das ganze eine azi -Wurzel wäre.
ABL. Blödigkeit, f., mhd. hlcedecheit. ZUS.
BlÖdsinu, m., bei Adelung 1774, während
das Adj. blödsinnig schon am Anfang des
17. Jh. vorkommt (Gombert 7, 15 v. J. 1617).
blöken, v.: (von Rindvieh, Ziegen, Schafen)
schreien. Ein lautnachahmendes Wort, das
dem Obd. anfangs fremd ist; in md.-ndd. Glos-
saren des 15. Jh. hlecken (auch vom Bellen
des Hundes), bei Luther hlecken und blocken,
auch bei Schottel 1663 noch hleeken und
hlöcken (die Form hlecken, die von Gueintz
u. a. auf das Geschrei der Schafe beschränkt
wird, bei Hoffmannswaldau Schaf. 6), hlöken
bei Stieler 1691.
blokieren, s. blockieren.
blond, adj.: (vom Kopf haar des Menschen)
gelblich, hellfarbig. Aus dem gleichbed. franz.
Mond, ital. hiondo, mlat. hlundus, das deutscher
Herkunft ist undzuaiad. &rad/mas «rötlich gelb,
falb» gehört. Schon mhd. vereinzelt Munt,
doch setzt sich das Wort erst im 17. Jh.
dauernd fest, verzeichnet bei Krämer 1678.
Blonde, f. (PI. -n) -. feine seidene Spitzen. Aus
dem gleichbed. franz. Monde f., nach der Farbe,
denn das Wort ist Fem. des Adj. Mond. 1773
bei Amaranthes (3. Aufl.) 1, 472. Blondine,
f. (PI. -n) : blondhaarige Frau. Aus dem gleich-
bed. franz. hlondine f. Bei Rädlein 1711 ein
Blondinigen.
bloß, adj.: unbedeckt, unverhüllt; alles
ausschließend, was noch da oder dabei sein
könrite. Redensart: sich h. gehen, stellen,
urspr. Fechterausdruck. Mhd. hlo^; ahd. fc/öj
ist «stolz» (diese Bed. könnte sich aus der
von «leer» entwickelt haben, vgl. eitel); da-
zu ndl. hloot, afries. hlät «nackt, arm», ags.
hleat «arm, elend», anord. hlaiitr «weich,
frisch, zart». Dunkler Herkunft, vielleicht
verwandt mit Mode (s. d.), vgl. auch hlutt
Davon das Adv. bloß: nichts weiter als (mhd.
noch nicht vorhanden, erst in den Fastnachtsp.
284, 8 und bei Keisersberg). ABL. Blöße,
f.: Unbedeckt-, Nacktheit, unbedeckte Stelle,
mhd. Moe^ef. bloßen, v.: bloß machen, jnhd.
Müßten.
blülien, V.: die Knospe zur Befruchtung
entfalten; sich zu voller, frischer Schönheit
enfalten. Aus mhd. hlüejen, blüen, ahd. hluo-
jan, hluoen; dazu asächs. hlöjan, ndl. hloejen
und mit starker Flexion ags. hlöivan (Prät.
hleow), engl, hlow (Prät. Metv). Der Laut-
verschiebung gemäß stimmend zu gleichbed.
lat. flörere, s. Blume, Blust. Blüte, auch Blatt.
Blume, f. (PI. -n): die für Auge oder
Geruch entfaltete Knospe; Zierpflanze ihrer
257
Blnmenkolil
Blut
258
Blüte wegen; (bildlich) das Allerschönste,
Allerbeste: feinster Weinduft : f weidmännisch)
Schwanz oder Scbwanzspitze des Wildes. Mhd.
bluonie m. f., ahd. Vluomo na. und hluoma f,
(im Alem.- Schwab, noch jetzt vielfach m.);
dazu asächs. biomo m., ndl. hloem f., engl.
hloom, anord. hlömi m. und blöm n. fauch
weiter abgeleitet hlömstr m., schwed.-dän.
hlomster n.). Neben diesen Formen stehen
andre, in denen der Ableitungsendung ein
s vorausgeht, ndl. hloesem ra., ags. hlösma,
blöstma, blöstmm., engl.hIossom;sie teilen diese
Erweitening dui'ch s mit lat. flös m. (Gen.
flöris aus *flom) und flörere. S. auch Blust
mit der gleichen Ei-weiterung, dagegen blühen,
Blüte. J^L.MÜmeiljV.: mit Blumen versehen
(davon geblümt), mhd. blvenien. blumig,
adj., älternbd. auch blumicht, mhd. hluomeht.
Blumenkohl, m.: Kohl mit eßbaren
Blütenbüscheln. Nach ital. cavol fiore (cävolo
m. «Kohl»), Span, coliflor, vgl. auch Karfiol.
Pflanze und Name kamen nach Deutschland
um 1600 (1605 bei Hulsius Dict. Blumköl,
1616 bei Henisch Blumenköl), und zwar aus
Italien, wohin jene im 16. Jh. aus der Levante
gebracht worden war.
blümerant, adj. u.adv.: mattblau. Volks-
tümhche, an Blume angelehnte Umbildung
des franz. bleu mourant «sterbendes Blau»
d. i. blaßblau, die bis in die ^Mitte des 17. Jh.
zurücki-eicht (bei Grimmeishausen Vogelnest
1, 2 plümerant). Redensart: mir vird blü-
merant, d. h. schwindlig.
blumig, s. Blume.
Blumist, m. {-en, PI. -en) : Blumenzüchter
und -kenner. Aus ndl. bloemist m., mit latini-
sierender Endung von hloem «Blume». Bei
Adelung 1774.
Blust, m. f. n.: Blüte. Obd., besonders
alem.-schwäb. Mhd. bluostt., vgl. ags. blöstma
m. (s. Blume).
Blut, n. (-es): die Flüssigkeit in den Adern
des tierischen Körpers; (bildhch) Geschlecht,
Herkunft; Verwandtschaft; Mensch. 'Sihd.bluot
n. (auch schon s. v. a. Mensch, z. B. dag un-
schuldige bluot), ahd. blu^t n.; dazu asächs.
blöd, ndl. bloed, ags. blöd, engl, blood, anord.
blöd, schwed.-dän. blöd, got. blöp (Gen. hlöpis)
n. Dunkler Herkunft; Zusammenhang mit
blühen ist denkbar. In Zusammensetzungen
ist blut- vielfach verstärkend, wobei z. T.
wohl an blutt «bloß» (s. d.) anzuknüpfen ist,
vgl. mhd. bluttMcket; femer ist auch zu be-
rücksichtigen, daß beim Blut (nämlich Christi)
Weit, and, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
geschworen zu werden pflegte, so daß das
verstärkende kreuz- (kreuzbrav, kreuzfidel)
zu vergleichen wäre. ABL. bluten, v.: Blut
von sich geben : (in der Umgangsprache) Geld
hergeben (bei Kindleben 1781 als studentisch].
Mhd. bluoten, ahd. bluoten. blutig, adj.:
Blut an sich habend (dagegen in Zusammen-
setzungen, wo die Eigenschaft des Blutes be-
zeichnet werden soD, -blutig, z. B. kalt-, rot-,
vollblütig). Mhd. bluotec, ahd. bluotag; dazu
asächs. blödag, ndl. bloedig, ags. blödig, engl.
bloody, anord. blödugr. S. auch bh(tt. ZUS.
1) mit Blut-: blutarm, adj.: arm bis aufs
Blut, d. h. nichts als das Blut (Leben) habend,
sehr arm (oder zu blutt?), frühnhd.; arm
an Blut (noch nicht bei Campe ). Blut-
bad, n.: Metzelei, eig. Waten im Blut
fmhd. im bluofe baden), bei Luther. Blut-
bann, m.: Gerichtsbarkeit über Leben und
Tod, mhd. bluotban m. Blutdurst, m.:
Drang nach blutiger Tötung (vgl. mhd. nach
bZwofe(//ö-.sfe>i). BeiLuther, nebst blutdürstig
adj. Blutegel, m.: blutsaugender Wurm,
mhd. einfach egele, egel f., ahd. egala f., mnd.
egel m., bei Luther (Spr. Sal. 30, 15) Eigel
f.: später im 16. Jh. Blutegel (bei Fischart 2,
9 Kurz Plutägel) und seit dem 17. Jh. durch
Vermischung mit Igel Blutigel m. (Schupp
! 2, 52), was später allgemein geläufig wird,
! doch erhält sich daneben das z. B. von Ade-
I lung verlangte Blutegel, zuweüen selbst als
Fem. (Ägel f. Lohenstein Soph. 40). blut-
fremd, adj.: gänzlich fremd, im 17. Jh. Blut-
gang, m. : Abgang von Blut auf natürlichem
Wege, spätmhd. bluotganc «geschlechtliches
Abgehen von Blut», namentlich als Ki^ank-
heit (bei Luther). Blutgeld, n. : durch Blut
erworbenes Geld, bei Luther. Blutgericht,
n.: Gericht über Leben und Tod, bei Luther.
Blutgier, f.: wie Blutdurst, erst bei Ade-
lung 1774, während blutgierig adj. schon bei
Luther erscheint. Bluthund, m.: Schweiß-
hund; blutgieriger Mensch, Wüterich (im
15. Jh, bei Beheim Wien. 35, 26); dicke Blut-
wurst (Fischart Garg. 77, noch Schweiz.).
blutjung, adj.; gar jung, bei Steinbach 1734.
Blutrache, f.: Rache für vergossenes Blut,
: namentlich für Venvandtenmord, bei Stieler
1691 (aber schon bei Luther Blutrecher m.
«der für vergossenes Blut Rache nimmt»).
blutrünstig, adj.: vei-wundet, daß das Blut
fließt. Spätmhd. bluotrünstec (neben mhd.
bluotrunsec), abgeleitet von mhd. bluotrunst
neben bluotruns f. «Abrinnen des Blutes, blut-
17
259
Blüte
bocken
260
fließende Wunde», zusammenges. mit Runs
(s. d.). Älternhd. (auch bei Luther) meist
Uutrüstig, mhd. 1335 bluotristic (durch Ein-
fluß von mhd. bluotrisec «blutiünstig», -risec
zu risen «fallen»), blutsauer, adj.: sauer
bis aufs Blut, bei Luther. Blutschande,
f.: geschlechtliches Verbrechen bei Blutsver-
wandtschaft. Bei Luther. Blutsclireier,
m.: (im mittelalterlichen Gerichtsverfahren)
der Mordio hinter dem Totschläger und vor
dem Blutgericht ruft, 1741 bei Frisch. Blut-
schuld, f.: Schuld durch verbrecherisches
Blutvergießen. Bei Luther, blutwenig,
adj. u. adv.: sehr wenig. Um 1700 (Schel-
muffsky 116). Blutwurst, f.: mit Blut ge-
füllte Wurst. Fi-ühnhd. (1517 bei Trochus
Q 1* Uuetworst). Blutwurz, f.: blutstillen-
des Kraut, tormentilla, ahd. hluotwurz. Blut-
zeuge, m.: Märtyrer, im 17. Jh. 2) mit dem
Gen. Bluts-: Blutsfreund, m.: Blutsver-
wandter, bei Luther Blutfreund.
Blüte, f. (PI. -n): Entfaltung der Knospe
zur Fruchtbildung; eine solche aufgegangene
Knospe; (bildlich) Zustand ganz nach Wunsch.
Aus dem PI. (hlüete) des mhd. -ahd. hluot f.;
dazu ags. Med (aus *hlödi-) f. Zu hluhen. Bei
Luther Blüet, landschaftlich noch vielfach
Blut, z. B. obersächs. Baunihlut.
Blutegel, -gang, -geld usw., s. Blut.
blutt, adj. u. adv.: bloß, entblößt, ohne
alle Bedeckung, kahl (ühland 818 hlutt und
bloß). Mundartlich (bayr.- schwäb.- schweiz.-
elsäss., am Rhein und ndd.). Spätmhd. ver-
einzelt Mut, dann bei Keisersberg, Brant,
Murner u. a., auch von Dasypodius und
Maaler angeführt. Weiter scheint ein land-
schaftliches Mutig (Weise Erzn. 11, Schel-
muffsky 80 keinen Mutigen Heller) hierherzu-
gehören, wofür obd. Muttig vorkommt. Da-
zu ndl. Mut, Muts, Mutsch «kahl, leer», dän.
(entlehnt aus dem Nd.) Mot. Das Verhält-
nis zu Moß ist unsicher; wahrscheinlich ist
Mode (mit Ablaut) zunächst verwandt, das
ndd.-hd. Mutt könnte aus *Muppa- (assimiliert
aus *Mupna-) erklärt werden.
blutwenig, Blutwurst, Blutzeuge,
s. Blut.
Bö, f. (PI. -en): heftiger Windstoß. Aus
ndd. höe, unbekannter Herkunft; dazu ndl.
hui, schwed. hy, dän. byge f. «Regenschauer,
Sturm, Windstoß».
Bober^ll, Bobereile, f. (PI. -w) : Juden-
kirsche. Spätmhd. hoborell aus dem uner-
klärten mlat. Namen bohorella f.
Bocher, m. (-s, PI. wie Sg.): Jüngling,
Student. Im Judendeutsch, aus hebr. hächür
«Jüngling».
•'Bock, m. (-es, PI. Böcke) : das Männchen
der Ziege, dann auch der Gemse, des Rehes,
Schafes; den steifen Beinen des Ziegenbockes
vergleichbares Werkzeug oder Gerät; hoher
Kutschersitz am Wagen (Zachariä Renom-
mist 319); Balken oder Klotz zum Stoßen.
Mhd. hoc (Gen. hockes), ahd. bocch, bock m. ;
dazu ndl. hok, ags. hucca, engl, huck, anord.
bokkr und bokki, schwed. bock, dän. buk m.
Frühmlat. huccus m. Entlehnung aus dem
Kelt. (altir. bocc) ist ebenso möglich, wie um-
gekehrt des Keltischen aus dem Germanischen
(franz. bouc m. entstammt dem Kelt.). Doch
vgl. auch awest. bUza «Bock», armen, huc
«Lamm», mit denen das Wort urverwandt
sein dürfte. Vgl. auch Hahergeiß.
"Bock, m. (-es, PI. Böcke): unangenehmer
Verstoß. Einen B. schießen «einen Verstoß,
Fehler machen», aber auch, wie wohl ui'spr.
«zu Boden fallen», vgl. älternhd. Burzelbock
wie Burzelbaum. Zu mhd. bocken «zu Boden
fallen», buc m. «Sturz», die mit bücken zu
biegen gehören.
^Bock, m. (-es) und Bockbier, n.: eine
Art besonders starken Bieres in Bayern. Der
Name findet sich hier schon zu Anfang des
16. Jh., gekürzt aus Äimbock, d. i. (mit Ver-
derbnis des -beck in -bock) Bier aus Eim-
beck in Hannover. Man führte nämlich ehe-
dem von dort starkes Bier nach Bayern ein
und braute es hier allmählich auch. Zur
Entstehung mag mitgewirkt haben, daß auch
sonst Biersorten und Getränke mit Tiernamen
belegt werden, z. B. Broylian, Büffel, Ente,
Kalte Ente, Gause (zu Gans?), Geiß, Hähn-
chen, Hund, Kälberzagel, Kater, Schöps, vgl.
die reiche Sammlung bei Kluge Deutsche
Studentensprache 22.
bockbeinig, adj. u. adv.: wie ein Bock
die Beine steifend ; starr widerspenstig. Schon
im 16. Jh. in der 1. Bed.
^bocken, v.: wie ein Bock springen; nach
dem Bocke verlangen und von ihm bespningen
wei'den; nach dem Bock oder wie ein Bock
riechen (vgl. böckseln). Mhd. bocken «wie ein
Bock stoßen».
"bocken, v.: den Flachs auf der Bock-
d. i. Stampfmühle stampfen. Aus dem Ndd.,
1663 bei Schottel boken. Aus mnd. haken
«klopfen, schlagen», das mit pochen (s. d.)
identisch ist.
261
bockig
Bogen
262
l)OCklg, adj.u. adv.: wie bockbeinig: nach
dem Bocke verlangend; nach dem Bocke rie-
chend oder schmeckend. Älternhd. bockicht,
mhd. dafüi- böckisch (noch 1678 bei Krämer).
Bockpfeife, f.: Dudelsack mit Bocks-
hörnern. Bei Krämer 1678.
Bocksbart, m.: herabhangendes Kinnhaar
des Bocks; (nach der Ähnlichkeit) Name meh-
rerer Pflanzen (in tmhnhd. Glossaren).
^Bocksbeutel, m.: Hodensack des Bocks
(bei Stieler 1691): (nach der Ähnlichkeit)
Flasche zu Würzburger Steinwein.
-Bocksbeutel, m.: der steif bewahrte
alte Brauch, das steife Kleben an einmal vor-
handener Gewohnheit. Zuiiickgehend auf das
ndd. boksbüdel (zusammeng. aus dem Gen. Sg.
von bok «Buch» und büdel «Beutel»), das
als hamburgisch mehrfach in der Mitte des
17. Jh. bezeugt ist. Die Benennung stammt
daher, daß fi-üher die Hamburgerinnen an
der Seite einen Beutel hängen hatten, wo-
rin sie ihr Gesangbuch und andres trugen
und diesen Beutel hei'kömmlich anbehielten,
so daß er dann zum Sinnbild für- das Haften
an alter Gewohnheit wurde (vgl. Heitmüller
in seiner Ausgabe von Borkensteins Bookes-
beutel S. IX fg.).
l)Öckselll, auch böckseru, v.: bockartig
riechen oder schmecken. Statt böckzeln, ab-
geleitet von mhd. bockezen «stinken wie ein
Bock» (noch bei Schottel 1663, ßädlein 1711
bökzen, bei Duez 1664 und bei Stieler 1691
dafür bocke uzen, älternhd. auch böckeln, bei
Maaler 1561 böckelen).
Bockshorn, n.: Hörn eines Bocks; Name
mehrerer Pflanzen, namentlich des Johannis-
Ijrotes und der cassia fistula (beides schon
spätmhd.). Redensart: ins B. jagen «in Angst
versetzen, kleinmütig machen» zuerst bei Brant
Narrensch. 160 ''j im 16. Jh. sehr gewöhnlich).
Vielleicht eine Nachbildung der ital. Redens-
art dar Verba cassia (dafür altital. auch caccia)
a qualchedutio «jemand den Laufpaß geben, ihn
wegjagen», mit Beziehung auf caccia Jagd
(dergl.Wendungenmit Anspielungauf Pflanzen-
namen waren sehr gewöhnlich); im Deutschen
wäre cassia (cacdd) dnrch Bockshorn übersetzt,
außerdem noch durch jagen wiedergegeben.
Anders Borchardt -Wustmann 75. ZfdW.4,330.
Boden, m. (-s, PI. Böden)-, der unterste
Raum wovon als Unterlage ; Raum unter dem
Dach als Aufbewahrungsort. Mit Abschwä-
chung des Suffixes -ew zu -en (schon bei
Luther in der Bibel B., doch daneben Bodem
bis ins 18. Jh., sogar noch bei Rückert, so-
wie mundarthch) aus mhd. bodem, auch schon
boden, ahd. bodam m.; dazu asächs. bodam,
ndl. bodeni und (mit ITbergang des d in t)
ags. botniy engl, bottom, ferner mit einem n-
Suffix anord. botn, schwed. botten m., dän.
bund (aus budn). Urverwandt sind (ebenfalls
mit w- Suffix) lat. fimdus, aind. budhnäs, soAvie
gi\ TTueinriv (tt für qp wegen des 0) m. «Grund,
Boden». Ln PL ist Umlaut eingedrungen
(Luther hat noch J5.), doch nicht durch-
gängig; Adelung weist die Form B. haupt-
sächlich dem Niederdeutschen zu.
Bodmerei, f. (PI. -en) -. An- und Darlehen
auf den Iviel eines Schifles oder auf dieses
selbst zu hohen Zinsen, wenn das Schiff glück-
lich den Ort seiner Bestimmung erreicht, aber
zum Verluste der Anforderung des Darleihers
im unglücklichen Fall. Aus dem gleichbed.
ndd. bodmerü, ndl. bodemerij f., engl, bottomry,
von ndd.-ndl. bodem m., engl, bottom «Kiel
(unterster Boden, Grundbalken) des Schiffes».
Bofist, BoYist, m. (-es, PI. -e): zischend
platzender Staubschwamm. Gnindlage des
mundai'tlich in verschiedenen Formen auf-
tretenden Wortes ist wahrscheinlich das in
Glossaren des 15. Jh. belegte vohenfist, zu-
sammenges. aus vohen- (zu mhd. vohe f.
«Füchsin») und fist m. «leiser Bauchwind».
Derselbe Schwamm heißt gr.-neulat. lycoper-
don n. «Wolfsfist» (ndl. wolfsveest f.). Das
später unverständlich werdende vohen- wurde
mehi'fach umgedeutet, so entstand ndd. bo-
fist (zu bove «Bube»), das später ins Hochd.
eindrang, und poflst (zu po «Pfau»), beide
auch in hd. Form als Bubenfist (1546 bei
Bock 3, 1*^), Pfauenfisf.
Bogen, m. (-S, PI. Bogen u. Bögen) : Krüm-
mung als Abschnitt einer Kreislinie; Watte
mit solcher Kiäimmung; zusammengelegtes
(gebogenes) Papier von einer bestimmten
Größe. Aus mhd. böge, ahd. bogo m.; dazu
ndl. boog, ags. boga, engl, bow, anord. bogi,
schwed. bäge, dän. bue m. Zu biegen. An
Stelle der schwachen Flexion im Mhd. ist
die starke getreten; doch älternhd. N. Sg.
auch noch Böge (bei Luther, doch Hiob 20, 24
Bogen), Bog. Der PI. nimmt jetzt Umlaut
an, namentlich süddeutsch (auch bei Goethe,
Schiller), doch steht daneben das nicht um-
gelautete Bogen. ABL. bogig, adj.: Bogen-
form habend. Bei Stieler 1691 bögicht. Bog-
ner, m. : Verfertiger von Bogen zum Schießen,
mhd. bogencere m.
17*
263
Bohle
-hold
264
Bohle, f. (PI. -n): breites dickes Brett.
Mhd. (in md. Quellen) hole f.; dazu anord.
holr m. «Baumstamm, Rumpf». Dunkler Her-
kunft, vielleicht mit Balken (s. d.) verwandt.
ABL. hohlen, v.: mit Bohlen belegen.
Böhmen, mhd.-ahd. Beheim. Aus kelt.-
lat. Boioliemum n. Wohnsitz des keltischen
Volksstammes der Bojer. Davon Böhme
m. und höhmisch, adj., mhd. behemisch.
Redensart: höhmische Dörfer «fremde, unver-
ständliche Dinge», wie die slavischen Namen
böhmischer Dörfer einem Deutschen vorkom-
men (schon bei Rollenhagen Froschm. 1, 2, 15).
Boh^merweih, n.: Zigeunerin (bei Schiller
Jungfr. V. Orl. 1, 3), nach franz. Bohemien
m. «Zigeuner», eig. Böhme.
Bohne, f. (PI. -n) : längliche Schotenfrucht.
Mhd. hone, ahd. bona f.: dazu ndl. boon, ags.
hean, engl, hean, anord. baun f. Das Ver-
hältnis des Wortes zu den anscheinend ver-
wandten lat. fäba f., abg. hobü m. «Bohne»
oder gr. cpoKÖcm. «Linse» ist schwierig zu be-
urteilen, vgl. Hirt Btr. 22, 235, E. Schröder
ZfdA. 42, 71.
höhnen, v. ; mit Wachs glänzend reiben.
Dafür mhd. büenen «glänzend machen, mit
Glanz überziehen». Die nhd. Form kann aus
dem ndd. bönen abgeleitet werden ; dazu ndl.
hoenen, ags. bönian «eine Heizfläche blank
reiben». Doch kann auch nach obd. Laut-
gesetzen (s. versöhnen) höhnen aus einem nicht
uragelauteten mhd. buonen hervorgegangen
sein (ponen schon bei Hans Sachs Fab. 30,
229, hone «Getäfel» 1482 im Voc. theut. e l'').
Die Wurzel stimmt der Lautverschiebung ge-
mäß mit gr. q)aiveiv «leuchten», aind. bhänus
m. «Licht, Strahl», air. bän «weiß»; vielleicht
ist Bahn (s. d.) verwandt.
Bohnenlied, n. Redensarten: einem das
B. singen ihm sagen, daß er sich entfernen
soll, weil man seiner nicht mehr bedarf; das
geht übers B. «weit über Gebühr». Schon
in der 2. Hälfte des 15. Jh.: es ist mir übers
hohnenlied (Mone Schausp. 2, 406, 78. Fast-
nachtssp. 845, 28) d. i. «zu arg». Das, Bohnen-
lied ist ein weit verbreitetes Volkslied, in
dem allerlei Torheiten geschildert werden,
mit dem Kehrreim nu gang mir aus den
Bohnen (vgl. Uhland Volksl. 2, 614 fg.).
bohren, v.: stechen, daß es ein Loch
gibt; drehend stechen. Aus mhd. born, ahd.
borön: dazu ndl. hören, ags. borian, engl.-
' 7 O 7 0
dä,n. bore, anord.-schwed. hora. Der Lautver-
schiebung gemäß stimmt ]ni. foräre «bohren»,
gr.qpapdeiv «pflügen», aind. bÄ^{r^j' f. «Scheere».
ABL. Bohrer, m.: Bohrwerkzeug. 1482 im
Voc. theut. e l'' horer.
Boi, m. (-es, PI. -e): Wollenzeug, feiner
als Fries und gröber als Flanell. Aus dem
ndd. baje f., ndl. haäi f., engl, bay und baize,
schwed. boj n., dän. boi, hai n., die alle auf
franz. boie, afranz. baie f. zm'ückgehen. Bei
Henisch 1616 Bayh, Bay, bei Duez, Krämer
und Ludwig Bay und Boy.
Boie, f. (PI. -n) : Wiege. In Mitteldeutsch-
land, 1668 beiPrätoriusMagdetröster406Boije,
1752 bei Frisch teutsch-frantz. Wb. 136 Boye
f., obersächsisch auch Boheie f. Dazu hoien,
V.: wiegen, 1711 bei Rädlein hoyen.
Boileine, s. Boje.
Boisalz, s. Baisalz.
Bojar, m. (-en, PI. -en): adeliger Guts-
besitzer in der Walachei. 1585 bei Laur.
Müller polnische etc. Historien M. 4^^ Boiar.
Rumänisch ftoiarm «Edelmann», aus serh.boljär
der «Vornehme, Große», von bolji «besser».
Boje, f. (PI. -n): schwimmendes, mit einem
Seil an einen Anker befestigtes Stück Holz
oder Tönnchen, zum Zeichen, wo der Anker
liegt; dann auch wie Bake (s. d.). 1720 im
Robinson 1, 420 Boy. Aus dem gleichbed. ndd.
boje f., ndl. boei f., engl, buoy, die aus dem
Romanischen entlehnt sind, wo franz. bouee,
afranz. hoye, span. boya, port. boie f. Diese
aber stammen urspr. wie auch das bereits
entlehnte mhd.-mnd. boie s. v. a. «SeU, Kette,
Fessel», aus altlat.fcöja f. «Lederriemen, Fessel».
ZUS. Boileine f., Boiseil, n. : Leine, Seil,
woran die Boje befestigt ist.
^Bolch, m.: Belebe (s. ^Belche).
^ Bolch,m. (-es, PI. -e): Kabeljau. Als Fisch-
name begegnet bollich bereits 1329 (Diefen-
bach-Wülcker S. 275), ebenso in frühnhd.
Glossaren bullich (1482 im Voc. theut. e 4*
«polipus»), bulich, bolich, bolch mit verschie-
dener Bestimmung; 1561 bei Maaler Bolch
«Kahlen». Dazu mnd. bullik, bulik, bulk m.
«Kabeljau», ndl. bulk m. «eine Art Schell-
fisch». Kaum zum vorausgehenden zu stellen;
vielleicht von Bolle (s. d.) abgeleitet wegen
der rundlichen, massigen Form des Fisches,
vgl. engl.-dän. bulk «Klumpen, Masse».
-hold bezeichnet in Zusammensetzungen
die Person, die dem in dem ersten Worte
Ausgedrückten nachhängt oder so ist, wie
jenes anzeigt, e. B. in Rauf-, Trunken-, Tücke-,
Witzbold. Mhd. -holt in trunkenholt, wankelbolt
«Wankelmütiger», hetzebolt «Hetzhund», ent-
265
Bole
Bomhe
266
spricht dem in Hainen erscheinenden -holt und
geht zurück auf das Adj. mhd. halt, ahd. bald
«kühn». Daraus ist von Dichtern ein Subst.
Bold, m.: kleines Wesen (Rückert 3, 145)
geschaffen worden.
Bole (bei Voß), f. : Kumpf für Speise oder
Getränk, nach engl, ioivl (s. Boivle).
bölkcn, V.: schreien, biüllen (vom Eind-
vieh usw.). Aus dem gleicbbed. mnd. holken,
auch ndl. hdken und in Mitteldeutschland
im 15. Jh. hiilken; Henisch 1616 verzeichnet
holken und hölken. Lautnachahmendes Woii,
wohl Nebenform zu hlöken. Tgl. auch mhd.
bullen, hüllen, ahd. hullön «brüllen, bellen».
boll, l)Ollig, adj.: steif, ungeschmeidig (bes.
bei den Lohgerbern vom Leder). Aus dem
Ndd. (mnd. hol «hohl»), aus dem Henisch 1616
hol und Schottel 1663 boll «hohl, geschwollen,
aufgeblasen» verzeichnen. Wohl zu5o//e(s.d.).
^''S.Boll-eiseil, n. : ungeschm eidiges, sprödes
Stangeneisen. Bei Adelung 1774.
Bolle, f.: (PI. -n): Zwiebel, überhaupt
Wurzelknollen: Blütenknopf der Pflanze;
Samenknopf des Flachses: langrundes, mul-
denartiges Gefäß. Mhd, holle f. m. «Knospe
und oben wie unten enges, in der Mitte
weites Gefäß zum Auffüllen und Abziehen
des Weines», ahd. holla f. «Fruchtbalg oder
Knoten des Flachses» und m hirniholla f.
«Hirnschale»; dazu ndl. hol m. «Kugel, Ball,
Blumenzwiebel», ags, holla m. «Gefäß,.Becber»
und in heafodbolla f. «Hirnschale», engl, bowl
«Gefäß, Napf, Becher», anord. bolli m. «Schale».
Das Wort gehört zu mhd. boln, ahd. bolön «wäl-
zen», dann «schleudern» und bezeichnet urspr.
überhaupt einen rundlichen Gegenstand. Ver-
wandt ist Ball (s. d.).
Bolleisen, s. boll.
Böller, m. (-S. PI. wie Sg.): kleiner Mörser
zum Schießen. Älternhd. auch Böler (noch
bei Ludwig 1716, bei Duez 1664 und Krämer
1678 Böhler), obd. Polier. Spätmhd. boler m.
«Wurfmaschine, Schleuder», zu mhd. boln, ahd.
holön in derBed. «schleudern», ui'spr. «wälzen».
bolllg, s. boll.
Bollwerk, n. (-es, PI. -e); WaU und
Schanze zur Veiieidigung; Festvmgswerk vor
dem Hauptwalle. Mhd. holewerc, bolwerc n.
«Gerüste (Werk) zum Werfen oder Schleudern,
Wurfraaschine», dann «Gerüst oder Befesti-
gungsanlage zurVei'teidigung einer Feste» usw.,
gebildet von mhd. boln «schleudera, werfen»
und werc n. hier «Vorrichtung zuc Arbeit,
Maschine, Gerüst». Daher franz. boulevard m.
Bolz, m. (-es, PI. -e) und Bolzeu, m.
(-S, PI. wie Sg.): kui-zer dicker Pfeil (danach
auf ähnlich gestaltete Eisen übertragen, z. B.
Schließnagel, Plättstahl). Mhd. bolz, selten
bolze m., ahd. bolz m.; dazu mnd. holte «Pfeü,
Fußeisen», ndl. bout «Bolz, eiserner Schließ-
nagel», ags. holt m., engl, holt «Pfeil, Eiegel,
Fessel», schwed. bult, Island, holtiva. «eiserner
Schließnagel», dän. holt «Bolz». Man ver-
mutet ümdeutschung von lat. catapulta f,
«Wurfmaschine», dann auch «Wurfgeschoß»,
doch kann das Wort auch germanischen Ur-
sprungs sein, vielleicht zu ahd. bolön «schleu-
dern, abschnellen» (s. Böller), doch macht da-
bei die Ableitung Schwierigkeiten. Lit. heldu
«anklopfen, anpochen» ist kaum verwandt,
da dies zu poltern (s. d.) gehört. Bolzen
hat sich aus dem mhd. schwach flektieren-
den bolze entwickelt und hat Bolz jetzt fast
ganz verdrängt (dies z. B. bei Heine 1, 311).
Boml)ärde, f. (PI. -n): großes Steinge-
schütz, Donnerbüchse. Aus afranz. hombarde,
einerAbleitungvongr.-lat.&om?msm.(s.5om&e).
Bei Wächtler 1711. ABL. Bombardement,
n, (-S, PI. -s): Beschießen mit Bomben. Aus
gleicbbed. ft-anz. bombardement m. Bei Spe-
rander 1728. Bombardier, m. (-5, PI. -e):
Feuerwerker. Aus franz. bombardier , mlat.
hombardarius m. Bei Rädlein 1711 Bomhardir-
Gesellen. bombardieren, v.: mit Bomben
beschießen. Aus franz. hombarder, mlat.
honibardare. Bei Stieler 1691.
Bombasin, m. (-5): Art baumwollen-
seidenes Zeug. Aus dem gleicbbed. franz.
bombasin m., das mit ital. hombagino m. auf
ein mlat. bombaciniicm n. zurückgeht, einer
Ableitung von mlat. bombax (Gen. hombacis)
m. f. «Baumwolle», das seine Grundlage in
gr.-lat. bombijx (Gen. bomhycis), gi\ ßö|ußut
«Seidem'aupe» hat. Schon 1556 bei Frisius
S. 1425* Bombasin «xylinum» (mhd. kommt
dafür wammasin vor),
Bombast, m. (-s) -. Wortschwall, Schwulst.
Aus engl, bombast «Wortschwall, aufgeblähte
Rede», eig. mit Baumwolle ausgestopftes
Zeug, von mlat. homhax m. f, «Baumwolle»
(s, Bombasin). Im 18. Jh. entlehnt (Gott-
sched, Liscow 77).
Bombe, f. (PI. -n)-. große gefüllte Hohl-
kugel zum Schießen. Bei Krämer 1678. Aus
franz. bombe, ital.-span, bomba f., gleichsam
«summendes Geschoß», von gr.-lat. bombus, gv.
ßöiLißoc m. «dumpfer, tiefer Ton, Summen,
Rauschen».
267
Bonbou
Bordell
268
Bonl)011, n. (PI. -s): eine Art Zucker-
werk, aus franz. bonbon, dem doppelgesetzten
bon «gut». Im 18. Jb. entlehnt.
Boumot, n. (-S, PI. -s): Witzwort, wit-
ziger Einfall, aus franz. bon «gut» und mot
«Wort». Anfang des 19. Jli. entlehnt.
BÖllhase, m. (-n, PI. -n): Pfuscher, Un-
berechtigter zum Handwerk. Aus ndd. bön-
hase m. Handwerker, besonders Schneider,
der, weil er nicht Meister ist, heimhcb auf
dem obersten Hausboden (ndd, böne f.) ar-
beitet, wo ihn die Zunftmeister aufsuchen
oder wie man sagt, jagen (deshalb Hase).
Schon im 16. Jh. vorkommend (1568). Ent-
lehnt ndl. beunhaas, schwed. bönhas, dän.
bönhase m. Vgl. Walther ZfdW. 8, 191.
Bonne, f. (PI. -n): dienendes Mädchen,
namentlich zur Kinderwartung. Aus franz.
bonne f. «Dienstmädchen», eig. F. des Adj.
bon «gut», urspr. trauliche Anrede der Kinder.
Neue Entlehnung.
Boot, n. (-es, PI. -e, auch Böte): kleines
leichtes ofienes Wasserfahrzeug. Wie andre
Seemaunsausdrücke (s. Flotte, Tau) aus dem
Ndd. entlehnt. Mnd. bot m. n., mndl. boot,
entlehnt aus mengl. bot n. (nengl. boat), dies
aus ags. bat n.; dazu anord. beit n., häufiger
aber (nach dem Ags.) bätr m., schwed. bat
m., dän. baad. Auch franz. bateau m. «Fahr-
zeug, Boot» beruht auf dem ags. Wort.
Das anord. beit gehört vielleicht zu biti m.
«Balken» und weiter zu avra.phait «Balken»,
Liden Uppsalastudier 34. Im Hochd. zuerst
1595 in Hulsius Schiffart als Boot m. n.,
z. B. 1, 19, dann auch bei Henisch 1616 ver-
zeichnet, ferner 1657 bei Beilin S. 119 als
Boot n. «ein kleines schiflein», bei Schottel
1663, bei Stieler (als Bot m. n.), bei Ludwig
1716 (als Bot, Boot, Both n.) usw.; in der
Literatur z. B. bei Fleming 580 Both, häu-
figer im 18. Jh. Der PI. zuweilen als Böte
gebildet (wohl von dem älternhd. M. Boot
aus). Für die Zusammensetzungen Boots-
knecht, Bootsmann usw. «Schiffer» er-
scheint schon im 16. Jh. Boßknecht, Boß-
gesell, Boßleute, deren Boß- (beruhend auf
ndd. bös- aus bots-) allmählich durch Boots-
verdrängt wird (Potsgesell bei Fischart
Binenk. 103, Bootsmann bei Henisch 1616,
doch kennt noch Stieler 1691 auch Bosmann,
daraus entlehnt das gleichbed. frz. &ossewianm.).
Borax, m. (-es, PI. -e): die natürlich
vorkommende Verbindung der sogenannten
Borsäure mit Natron. Älternhd. Boraß (1562
bei Mathesius Sarepta 80^ Borros), schon
spätmhd. buras, aus mlat. borax f. (woher
ital. boracem.), das auf arab. hätiraq beruht.
Borch, s. Barch.
^Bord, m. (-es, PI. -e): umfassender
oberer äußerer Rand; Schüfsrand und damit
bildlich auch s. v. a. Schiff. Mit d durch
ndd. Einfluß (Adelung hat noch Bort). Mhd.-
ahd. bort m. n. «Rand, Schiflfsrand»; dazu
asächs. bord m. «Rand, Schiflfsrand, Schild-
rand, Schild», ndl. boord m. «Rand, Schiflfs-
rand, Ufer, Saum», ags. bord n. «Schiflfsseite,
Schild», engl, board «Rand, Schiflfsrand»,
anord. bord, schwed. -dän. bord n. «Rand,
Schiffsrand». Damit berühren sich Worte
mit br- im Anlaut, ahd. brort und brart m.
«Rand, Schiösrand, "\^orderteil des Schiffs»,
ags. brord m. «Spitze, Ährenstachel» und
breord m., anord. broddr m. «Spitze». Wahr-
scheinlich sind zwei Wörter zusammenge-
fallen, ein bord, das eigentlich «Brett» be-
deutet und mit diesem verwandt ist, und
ein durch Schwund eines r aus brord «Rand»
entstandenes bord, das zu abg. brazda f.
«Furche» gehört und «Rand» bedeutet. Vgl.
noch Borte.
■Bord, n. (-es, PI. -e): Brett. Rheinisch,
auch ndd., hd. eigentlich Bort. Aus dem
gleich bed. mhd. bort n. (selten, vgl. auch
Diefenbach-Wülcker S. 278 u. Alberus Dict.
BB*2^ bort «asser»); dazu ndl. -ags. feor(?, engl.
board, anord. 6or(f, schwed.-dän.feorcZn. «Brett,
Tisch, Tafel», got. -baurd in fötubaurd n. «Fuß-
brett, -bank». Jedenfalls zu Brett gehörend,
dem gegenüber B. Umstellung des r und ab-
weichende Ablautstufe zeigt. Vgl. ^Bord.
Borde, s. Borte.
Börde, f.: sich hinziehende fruchtbare
Ebene, besonders an einem Fluß, eine Fluß-
ebene, z. B. Soester, Magdeburger Börde.
Aus mnd. borde, boerde, auch geboerde f.,
das wohl nicht zu ndd. bord «Rand» (Fluß-
rand) gehört, sondern zu mnd. boren, ho&ren
«gebüliren», also eig. «Gebührlichkeit, Kom-
petenz», dann «Gerichtsbezirk».
Borden, n. (-es, PI. -e) : örtentliches Haus
zur Unzucht. Aus dem gleichbed. franz.
bordel, ital. bordello m., einer dimin. Bildung
von afranz. borde, span. horda f. «Bretterhütte,
Bude», die auf das deutsche -Bord (s. d.)
zurückgehen. 1475 findet sich klevisch im
Teuth. bordeel, dann bei Fischart Garg. 90
bordäl, 1615 bei Albertinus Landstörzer 401
Bordel, Henisch 1616 verzeichnet Bordeel.
269
bordieren
Borst
270
bordieren, bortieren, v.: den Eand
besetzen, einfassen. Aus dem gleichbed.
franz. horder, von hord m. «Eand, Saum»,
dem das deutsche Bord, Borte (s. d.) zu-
grunde liegt. Bei Krämer 1678 hordiren,
bei Erasm. Francisci 1668 hortiren.
■^Borg, m. (-es, Vl.Börge): Sehwein, s.Barch.
"Borg, m. (-es): Dargabe oder Annahme
auf Zurückgabe fin der Redensart auf Borg,
bei Schiller und Hebel auf Borgs durch
Vermischung mit einem adv. horgs. Mhd.
bore (Gen. horges) m.: was auf Zurückgabe
dargegeben oder angenommen wird. Von
borgen, v.: dargeben oder annehmen auf
Zurückgabe; auf spätere Bezahlung geben
oder nehmen. Mhd. borgen «bürgen, Bürge
sein», daneben aber in ursprünglicherer Bed.
«Nächsicht haben, schonen, Acht worauf
haben», ahd. boragen «sich wovor hüten, Acht
worauf haben, schonen»; dazu ndl. borgen,
ags. horgian, engl, borrow «borgen». Zu bergen
und abg. brega^ «ich sorge füi- etwas», falls
dies nicht aus dem Deutschen entlehnt ist.
Borke, f. (PI. -n) : die rauhe äußere Baum-
rinde. Aus dem 2s dd., wo mnd. borke f.;
dazu engl, bark, anord. börkr m. Dunkler
Herkunft. Häufig zu Birke gestellt, was
aber keineswegs sicher ist. Bei Henisch 1616
Borcke, Barcke.
Borkirche, f.: erhöhter ZuhöreiTaum oder
Chor in der Kirche. Spätmhd. borjcv'che f.,
zusammenges. mit ahd.-mhd. bor f. «Höbe,
oberer Eaum», das mit mhd. bürn, ahd. burian
«erheben» wohl zu ahd.&eraw «tragen» gehört;
ebenso Borscheune, f.: der Scheunenboden
über der Tenne, Borwisch, m. : runder
Kehrbesen mit langem Stiel, um damit hoch
hinauf wischen zu können. Vgl. empor.
Born, m. {-es, PI. -e): wie Brunnen,
Quell: Quellwasser. Dichterisch, auch mund-
artlich in Älittel- und Xiederdeutschland. Mit
Abfall eines -e aus mhd. (in md. Quellen)
bume, borne, dann auch born (so 1469 im
Voc. ex quo, 1482 im Voc. theut. e 1** neben
prun)\ entsprechend mnd.-mnl. &orne m., ndl.
born f., afries. burna m., ags. burn i., burna
m. und bume f. Identisch mit Brunnen (s. d. ),
nm- mit Umstellung des r. Luther gebraucht
Born neben Brun, auch ist es verzeichnet
1540 bei Alberus, dann 1616 bei Henisch. ,
Die urspr. schwache Flexion ist der starken
gewichen; Luther bildet den PI. Börne.
börnen, v.: brennen. Bei Luther (Hiob
30, 28j und mimdartlich in Mitteldeutschland.
Mhd. in md. Quellen bilrnen, börnen, auch 1482
im Voc. theut. e 1^ börnen oder brennen, 1540
bei Alberus Dict. Pp 4^ ich börn «brenne»;
entsprechend mnd. burnen (neben bernen), ags.
byrnan, engl. h.irn «brennen». Gegenüber
brennen (s. d.) zeigt b. Umstellung des r und
abweichende Ablautsstufe. \ ^.aMchBernstein.
borniert, adj.: beschränkt. Eig. Part.
Prät. von bornieren «begrenzen, beschränken»,
das aus dem gleichbed. franz. &orner von franz.
borne f. «Grenzzeichen, Ziel». Im 18. Jh. ent-
lehnt (von Campe 1795 besprochen).
Borretsch, m. (-es): als Salat und Ge-
müse dienendes Gartenkraut mit behaarten
Blättern und hellblauer Blüte, Gui-kenkraut,
borago officinalis. Spätmhd. burretsch, bor-
retsch m., aus ital. borragine, franz. bourrache
f., die auf der spätmlat. Benennung borägo,
borrägo f. beruhen ; dieser hegt das lat. burra f.
«zottiges Gewand», ital.-prov.-span. borra, franz.
bourre f. «ScheerwoUe» zugrunde. Der Xame
wegen der haarigen Beschaffenheit der Blätter.
Bors, s. Barsch.
Borsdorfer,m.: eine aus dem meißnischen
Dürfe Borsdorf stammende veredelte Apfel-
art. Schon bei Luther. Bei Musäus (Kinder-
klapper 79) verkürzt Borsterapfel.
Börse, f. (PI. -«): Geldbeutel; Versamm-
lungsort und Gebäude zur Besprechung im
Geldhandel usw. Spätmhd. burse f. ist «Geld-
beutel, Kasse» (1385 die Nebenform borse,
borsen Gombert6, 19), auch «zusammenlebende
Genossenschaft und deren Haus», ahä.burissa
f. «Tasche», dazu mndl. burse, ndl. beurs f.
Vgl. a.uch. Bursche. Zugi-unde liegt mlat. bursa,
ital.borsa, franz.boursef. «Beutel» (von Leder j,
diese aus gr. ßupca f. «abgezogenes Fell»,
dann «Leder». B. beraht in seiner Lautform
zunächst auf dem Ndl. (in Brügge bezeichnete
B. zuerst das Versammlungshaus der Kauf-
leute, vgl. WB. d. Volkswirtschaft - 1, 500)
und wird in dieser Bed. (aber auch als
Studentenhaus) als Bors zuerst von Schottel
1663 und Krämer 1678 verzeichnet, während
Henisch in gleicher Bed. noch Burs hat.
Börse «Geldbeutel» wird zuei-st von Adelung
1774 angeführt. Vgl. Bursche.
^ Borst, m. {-es, PI. -e): auseinanderge-
brochene Stelle. Aus dem Md. Ndd., mnd.
hurst, borst m.; dazu ags. byrst m., engl.
burst «Riß, Bruch». Zu bersten. Dafür bei
Luther Borste f.
■^ Borst, ra. {-es, PI. -e): Gesamtheit starrer
Haare. Oberdeutsch (Schubart 2, 53 mit dem
271
Borste
bosseln
272
B. der Wimper). In diesem Kollektiv hat
sich mhd.-ahd, hörst erhalten (s. d. folg.).
Borste, f. (PI. -n): ein starres Haar.
Mhd. horste, auch hürste, ahd. lursta f., da-
neben mhd. hörst m. n., ahd. hörst, hurst m. n. ;
dazu ags. hyrst n., anord. hnrst f., schwed.
hörst m. und mit weiterer Ableitung ndl.
horstet m., ags. hrystl f., engl, hristle. Urver-
wandt ist aind. hhrstisf. «Spitze, Zacke, Ecke»,
lat. fastigium aus *farstigium «Giebel, Spitze».
Das M. N. Borst verschwindet im ältei'n Nhd.
^SL. borsten, weiter gebildet borsteln, V.:
borstenartig emporrichten; refl. sich horsten,
horstein: die Borsten sträuben. ßeiFrischl741.
borstig, adj., im 16. Jh. horstig, hörstig, mhd.
horstoht.
Bort, s. -Bord.
Borte, f. (PI. -n): starkes, aus Seide und
Goldfäden gewirktes Band, zunächst ein den
Rand eines Kleides usw. zum Schmuck um-
fassendes Band. Mit Wechsel des Geschlechts
aus mhd. horte m. «Einfassung, Rand, aus
Seide und Goldfäden gewii'ktes Band für sich
oder als Besatz», ahd. horto m. «Besatz, Saum,
stark- und dichtgewirktes Band», zu mhd.-
ahd. hört m. «Rand» (s. ^Bord). Bei Luther
noch als M. Borte, ebenso bei Henisch 1616
und oft im 17. Jh. Borte, Borten, bei Stieler
1691 Borte f. In der Bed. Einfassung gern
Borde geschrieben (z. B. Schiller Räuber 2, 3),
vgl. hordieren.
bös, s. höse.
böseben, v.: abhängig machen. Davon
Böschung, f.: schräge Senkung, Abdachung.
h. ist urspr. s. v. a. mit Rasen belegen von
Schweiz. Bosch, Posch m. «Rasen, Rasenstück»
bei Maaler 1561 (auch graspösch), zu husch
gehörig. Böschung ist am Anfang des 17. Jh.
als militärischer Ausdruck geläufig (1599 bei
Speckle Architectui-a). In nordd. Aussprache
und auf der Bühne jetzt mit o.
böse, gekürzt bÖS (Goethe Iph. 1877),
adj.u. adv.: gehalt- und haltlos; nichts wert;
unnütz; nachteilig zuwider seiend; feindhch
mißgestimmt. Mhd. hüese, ahd. hosi; dazu
mnd. u. mndl. höse, nndl. boos, afries. häse.
Vergl. ferner engl, to hoast «prahlen, sich
rühmen», norw. haus «hitzig, heftig, über-
mütig», schwed.-dial. hös «wild, verwegen
daherfahrend» (Wadstein Btr. 22, 238). Für
die Grundbed. ist ahd. hosa f. und gibosi n.
«Possen», hoson «lästern, scherzen», sowie das
entlehnte prov. hauzaL «Betrug» zu beachten.
Herkunft noch nicht aufgeklärt. Vielleicht
zu ahd. hö^^an, engl, to heat «stoßen, schla-
gen», aus *bauttjo (s dann aus tt). AVadstein
geht von einer Bedeutung «schwellen» aus,
die in einigen Fällen im Slavischen vorliegt,
O 0 7
russ. huhnut' «schwellen, sich werfen» u. a.
ABL. boshaft, adj. u. adv., 1535 bei
Schwartzenberg Cicero 134, 1, älternhd. ge-
wöhnhch hoshaftig (auch bei Luther, schon
1470 im m]at.-hochd.-böhm.Wb.l75 hoßhafftig).
Bosheit, f., mhd.-ahd. hösheit f., auch in
der Bed. «Nichtigkeit, Gehalt-, Wertlosigkeit».
böslich, adj. u. adv.: auf böse, d. i. schlechte,
tadelhafte Weise, mhd. hoßsliche adv., selten
hoßslich adj. ZUS. bösartig, adj. u. adv.,
bei Dentzler 1709 hösärtig. Bösewicht, m.
{-es, PI. -e und -er): nichtswürdiger Ver-
brecher. Mhd. hoeseiviht (auch noch mit
Flexion von hoßse) m., zusammenges. mit wiht
«Wesen», dann «Elender» (s. Wicht). Der
PL lautet schon bei Luther auch Bösewichter.
böswillig, adj, u. adv., spätmhd. hoestvillic.
Boskett, n. (-es, PI. -e): Lustgebüsch.
Aus dem gleichheä.hanz.hosquet, ital. hoschetto
m., von ital. hosco m., das auf Busch (s. d.)
zurückgeht. Im 18. Jh. entlehnt.
böslich, s. höse.
Boße, m. {-n, PI. -n) u. f : Gebund Strohes,
Flachses u. dgl. Mhd. hö^e, ahd. hö^o, mnd.
hote m. «Büschel», dann s. v. a. «Gebund
Flachs». Davon BÖßel, m.: kleines Gebünd-
chen- Flachs, deren eine Anzahl einen Boßen
ausmachen, und bößeln, v.: den gerafften
Flachs in Büschel (Bößel) binden. Wohl zu
ahd. hö^an «stoßen», in Hinsicht auf festes
zusammenstoßendes Binden, ygl.Stoß «Haufe».
^bosseln, v.-. Kegel schieben, kegeln. Mit
Kürzung des Vokals aus älterm boßehi (bei
Stieler 1691 hoselen), von dem dialektischen
Boßel m. «Kegelkugel», abgeleitet von mhd.
hogen «Kegel schieben», eig. «stoßen» (s.Am-
hoß). Davon Bosselleich, m.: Kegelbahn.
Bei Luther Bosseleich, Bosleich. S. Leich.
^bosseln, v.: in Kleinigkeiten arbeiten,
zusammenflicken, künsteln. Vielleicht mit Kür-
zung des Vokals aus spätmhd. hobeln, hoßgeln
«klopfen, schlagen», Iterativ zu bogen «schla-
gen» (s. Amboß), im 16. Jh. auch in der Bed.
«künsteln, ausbessern, zusammenflicken, klein-
lich arbeiten» (z. B. Hans Sachs Fab. 193,24.
Scheidt Grob. 1528). Doch ist auch nd. pöseln
«sich mit Kleinigkeiten beschäftigen» zu be-
rücksichtigen. Davon BosSCl, m.: Haus-
knecht, eig. der kleinliche Arbeit macht
(Hans Sachs Fastn. 85, 143).
273
bosseln
brach
274
^bosseln, v. : halb oder ganz erhabene
Arbeit machen. Aus dem gleichbed. franz.
hosseler, von hosse f. «Beule, Erhabenheit»
(s. d. folg.).
bossieren, v. : in weicher Masse (Wachs,
Gips) erhaben formen. Mit fremder Endung
gebildet von franz. hosse, ital. hozza f. «Beule,
Erhabenheit», die mit ahd. bögan «schlagen»
als «durch Schlagen entstandene Geschwulst»
zusammengebracht werden. Schon frühnhd.
böswillig, s. höse.
Botanik, f.: Pflanzenkunde. Aus nlat.
hotanica, gr. ßoraviKr] «Pflanzen betreffende»
(nämlich ^iricTriuri «Wissenschaft»), von ßoxdvri
f. «Pflanze;^ Im 18. Jh. aufgenommen. Davon'
Botaniker, m. {-s, PI. wie Sg.): Pflanzen-
kundiger.— botanisch, adj. : pflanzenkundig,
zur Pflanzenkunde gehörig. Nach dem gr.-lat.
botanicus, gr. ßoxaviKöc. botanisieren, v. :
Pflanzen suchen zu wissenschaftlichem Zwecke.
1728 bei Stoppe Ged. 1, 151 hotanisireti.
Bote, rn. (-W, PI. -n): der zum Überbringen
oder Ausrichten Abgeschickte. Mit Dehnung
des Vokals (doch heißt es älternhd. im Obd.
Bott, noch bei Dentzler 1709) aus mhd. böte,
ahd. boto m. ; dazu asächs. bodo, ndl. bode,
ags. boda, anord. bodi m. Zu bieten. ABL.
Botin, f., erst im 18. Jh. gebildet (z. B.
Lessing 3, 316), bei Adelung 1793 noch nicht
verzeichnet. Botschaft, f.: übersandte Mit-
teilung, aus mhd. boteschaft, ahd. (bei Notker)
botoscaft, früher botascaf f.; dazu asächs.
bodskepi, a.gs.bodscipe m. Dazu Botschafter,
m.(-s, Pl.wieSg.): der im Auftrag eines Staates
Abgesandte. Von mhd. boteschaften «eine
Botschaft ausrichten oder verkündigen». Bei
Krämer 1678 Bottenschafter, allgemein «Bote»,
seit 1700 als «Staatsgesandter», dem franz.
ambassadeitr entsprechend, üblich werdend.
botmäßig, adj.: zu Dienst unter- oder
bloß ergeben. Spätmhd. potmce^^ig (in der
Kanzleisprache) «sich nach den Geboten zu
halten verpflichtet, Untertan», zusammenges.
mit mhd. bot n. «Gebot, Befehl». ABL.
Botmäßigkeit, f.: die Macht zu gebieten.
Botin, Botschaft, -schafter, s. Bote.
Böttcher, m. (-s, PL wie Sg.): wer
hölzerne Getäße mit nur einem Boden macht.
Gekürzt aus Bötticher, spätmhd. botecher.
Von Bottich, m. {-es, PI. -e): hohes höl-
zernes, oben oflenes, aus Dauben zusammen-
gesetztes Gefäß beim Bierbrauen. Aus mhd.
botech, boteche m., botecJie, bofege, botige f.,
ahd, bofuhha f., das auf mlat. buiica zurück-
Weigand, Deutsclies Wörterbuch. 5. Aufl.
geht, gebildet von buta f. (s. Bouteille). Der
Übergang zum M. erfolgte unter Einfluß von
mhd. botech, ahd. botah m. «Rumpf, Köi'per»,
dem ags. bodig m., engl, body entspricht.
Bottelier, m. (-s, PL wie Sg.): der die
Mundvorräte auf den Schiffen verteilt. Aus
ndl. bottelier, das mit engl, hutler auf franz.
houteillier m. «Kellermeister» (s. Bouteille)
zm-ückgeht. Bei Adelung 1774.
Bouillon, f. (PL -s): Fleischbrühe. Das
franz. houillon m., das eig. s. v. a. Aufkochen,
Wallen, von franz. bouillir faus lat. hullire)
«sieden, aufkochen». 1715 bei Amai-anthes246.
Bouteille, f. (PL -?i): gläserne Flasche.
Das franz. bouteille f., das auf das gleichbed.
mlat. buticida f. zumckgeht, das Demin. von
mlat. huta, hofa, span.-port. bota, franz. boute f.
«Faß, Kübel, Schlauch, Wassergefäß», die
wahrscheinlich gr. ßüric, ßoOxic «Flasche» zur
Grtmdlage haben. Vgl. auch Bottich, Bütte.
Im 17. Jh. entlehnt.
Bowle, f. (PL -«): PuDSchnapf; Punsch.
Aus engl, bowl «Kugel, Schüssel, Xapf».
S. Bolle. Bei Voß (Horaz. Sat. 2, 8, 86) in
deutscher Schreibung Bole.
boxen, v.: mit geballter Faust zu Leibe
gehen. Aus dem gleichbed. engl, box, einer
Ableitung zu dem unter pochen behandelten
Verbum für «schlagen, stoßen»; entsprechend
wird zu mhd. buc m. «Stoß, Schlag» spätmhd.
buxen «stoßen» gebildet. Vgl. auch haxen.
Boykott, m. i-s, PL -es) : Verruferklärung,
dazu boykottieren, v.: in Verruf erklären.
Nach James Boykott, einem Gutsverwalter
in Irland, über den im J. 1880 die üische
Landliga zuerst den Bann verhängte, was
die Folge hatte, daß jedermann den Verkehr
mit ihm abbrach.
brach, (sprich brach) adv. : nach der Ernte
umgebrochen ruhend, ohne bestellt zu werden.
Zuerst bei Henisch 1616, sonst älternhd. ge-
wöhnlich brache. Von Brache, f. (PL -n):
erstes Umgebrochensein und Ruhen des Bodens
nach der Ernte: Land, das nach der Ernte
umgebrochen ist und unbesäet ruht. Mhd.
hräche, spätahd. brächa f.; dazu mnd.-mul.
brake f., zu brechen. Aus in der Brache
oder im Brach liegen hat sich das Adv. brach
entwickelt; entsprechend ndl. braaÄ;, diin.brak.
ABL. brachen, v.: den Boden pflügen zum
Ruhen nach der Ernte. Bei Luther dafür
brochen (Hiob 39, 10). Mhd. brächen, ahd.
brähhön. ZC/'5.Brachfeld,n., mhd. u. spätahd.
brächvelt n. Brachmonat, m.: Juni (Zeit
18
275
Brachse
Brand
276
des Brachlegens), mhd. hrächmänot, ahd. hräh-
mänöt m. Im Schwab.- Alem. noch volks-
üblich, daneben Brächet m. BrachTOgel,
m., Nanae mehrerer sich geni auf Brache
und Saatfeld aufhaltender Vögel, mhd. Iräch-
vogel, ahd. hrähvogel m, j
Brachse, s. Brasse. \
Brack, n. (-es, PI. -e): Ausschuß, als un-
tauglich Abzusonderndes. Mit Übergang eines
w iah aus ndd. vjrak «untauglich, beschädigt»,
als Subst. jedes Untaugliche, als untauglich
Ausgeschossene, besonders durch Schiffbruch
untauglicher Schiffsrumpf (s. Wrack), Schiffs-
trämmer: entsprechend ndl. ?üraÄ;, ah-ies.ivrak
«schadhaft geworden, untauglich», entlehnt
ins Engl, als Subst. ?t'rec/[; «Schiffbruch, Wrack»
und schwed. vraJc, dän. wag u, «Ausschuß,
Wrack». Zuerst bei Steinbach 1734 verzeichnet.
ABL. hracken, v.: als untauglich ausson-
dern, z. B. Schafe. Aus mnd. wraken «für
untauglich erklären, ausschießen, verwerfen»;
entsprechend ndl. wraken, schwed. vraka, dän. ,
vrage. ZUS. Brackschaf , n. (dafür bei '
Auerbach .Brac/t- m.). Brackware, f.
Bracke, m. (-», PI. -w) : Leit-, Spürhund.
Mhd. hracke, ahd. hraccJw : dazu andd. hracka
(Eigenname eines Jagdhundes), mnd.-mnl.
hracke. Daraus entlehnt mlat. hracco, ital.
hracco, franz. brache m. Dunklen Ursprungs,
Die alte Yergleichung mit lat. fragräre «stark
riechen, duften», vgl. Walde s. v., scheint nicht
überzeugend.
Brackwasser, n. : in einen Fluß einge-
brochenes Seewasser, durch welches das süße
Flußwasser verdorben wird. Aus ndd.-ndl.
hrakwater n., zusammenges. mit ndd. hrak
(1475 im Teuthonista) «bittersalzig, salzig«,
dazu ndl. hrak «salzig», engl, hrack «Salz». :
Bei Ludwig 1716. Kaum zu hrechen (dann
m-spr. s. V. a. eingebrochen vom Seewasser
und später auf den Geschmack übertragen),
sondern eher zu Meer, also aus mrak-, Hirt
Idg. Forsch. 1, 475. Doch unterliegt auch
diese Ableitung Bedenken.
hrägeln, V. : mit hörbarem Geräusch sieden,
schmoren ; prasseln. Mundartlich in Ober- und
Mitteldeutschland. Auch prägein geschrieben
(bei Maaler 1561 präglen, 1562 bei Mathesius
Sai*. IM^pregeln). Schon mhd. hregJen «hräten,
schmoren», auch «schwätzen», später nament-
lich bei Obersachsen, auch bei Rädlein 1711.
Vielleicht verwandt mit mhd. -ahd. hraht m.
Lärm (s. Pracht), doch wohl eher lautnach-
ahmendes Wort.
Brahne, s. Brame.
Brakteät, m. (-e«, PI. -en): Hohlmünze
von Gold- oder Silberblech. Aus mlat. hrac-
teatus (nämlich nummus «Münze»), abgeleitet
von lat. hractea f. «dünnes Metallblech, Blech».
Bei Adelung 1774.
Bram, m, {-es, PI. -e) und Brameii, m.
(-S, PI. wie Sg.): Besenginster, Pfriemkraut.
Aus ndd. hräni «Ginster», entsprechend ags.
hröm m., engl, hroom «Ginster, Besen», während
mhd. hränie m., ahd. hrämo m. und hräma f.
«Dornbusch» bedeutet, s. Bromheere.
Bramarbas, m. (Gen. Bramarhasses, PI.
Bramarhasse): Großprahler mit Heldentaten,
Urspr. der Xame eines Großsprechers in einem
auon3'^men satirischen Gedichte, das Philan-
der von der Linde (Burkhard Menke) im An-
hang seiner „Vermischten Gedichte" 1710 mit-
teilte; danach gab Gottsched in der „Deut-
schen Schaubühne" der Dethardingschen Über-
setzung des Holbergschen Lustspiels „Jakob
von Tyboe" den Titel „Bramarhas oder der
großsprecherische Offizier". Bei Pfeffel4, 136
der PI. Bramarhen. ABL. bramarbasieren,
V.: mit Heldentaten gi-oßtun (Schiller 2, 36).
Brame und Bräme, f. (PI. -n)-. Rand,
Randbesatz ; mit Laubholz bewachsener Wald-,
Feld-, Wiesenrand. Bräme mit Wechsel des
Geschlechts (Stieler 1691 hat noch Bräm n,,
Schottel 1663 aber Bräm f,) aus spätmhd. hrem
n. «Randbesatz, Einfassung, Rand» (jetzt obd.
hram, hräm) ; dazu ags. hrimnie m., engl, hrim
«Rand» und (mit Ablaut) anord. harmr m.
«Rand, Kante, Ufer. Vgl. auch verbrämen. In
der 2. Bed. erscheint meist Brame oder Brane
(Brahne), deren Verhältnis zu Bräme nicht
aufgeklärt ist; vielleicht ist das seit dem 17. Jh.
auftretende Brane ganz von Bräme zu trennen
(kaum durch Einfluß von Brane «Braue» auf
Bräm, Bräme zu erklären, während allerdings
die Nebenform Augenhrame, s. d., auf Ver-
mischung mit Brame zurückzuführen ist),
Bramsegel, n. : Segel an der Bramstange.
Aus dem gleichbed. ndl. hramzeil n. Bei
Apinus 1728. Bramstauge, f.: der kleine
spitzzulaiifende Mast, der auf der ersten Ver-
längerung des Mastes steht. Aus ndl. hram-
stang f. Beide sind zusammenges. mit ndl.
hram n. «Bramsegel, Segel am Obermast,
d. i. dem Mast auf dem großen Mast», dessen
Herkunft dunkel ist.
Brand, m. ,(-es, PI. Brände): brennendes
Stück Holz; verwüstendes Feuer; Zustand
eines Gegenstandes, daß dieser brennt; (bild-
277
Brand
Brassen
278
licli) zerstörende Entzündung; zerstörendes
Schwai-zwerden an Pflanzen. Mhd. brant (PI.
brende), ahd. hrant (PI. brenti) m. in den bei-
den ersten Bedd.; dazu ndl.-afries.-ags. brand
m., engl, brand, anord. brandr («brennendes
Holzstück»), schwed.-dän. brand m. Mt einer
Ableitungsendung zu brennen (s, d.) gebildet.
ABL. branden, v. : (von Meeres- und Land-
seewellen) aufbrausen und sich brechen. Aus
dem Xdd., vgl. ndl. branden «in Brand stehen,
flammen, in Feuerwellen sich bewegen»; in
der jetzigen Bed. von den ndd. Dichtei'n
Klopstock (Oden 2, 54) und Voß eingeführt,
aber Adelung 1793 noch nicht bekannt. Schon
früher findet sich das abgeleitete Brandung,
f : Aufbrausen und Brechung der Wellen an
der Küste oder verborgenen Felsen. Aus ndd.
brandung f , entsprechend ndl. Iranding f. Im
Robinson (l720j 1, 420 und bei Stembach 1734
verzeichnet. Brander, m.(-s, Pl.wieSg.j: mit
Brennstoffen angefülltes Schiff zum Anzünden
feindlicher Schiffe. Aus dem gleichbed. ndl.
brander m. Bei Krämer 1678 (1613 bei Hul-
sius Schiffart 10, 38 begegnet dafür Brauner
oder Brandschiff). brandig, adj.: braad-
artig, älternhd. brandicht; den Brand habend
(prandig 1562 bei Mathesius Sarepta 176^ vom
Brand im Getreide). ZUS. Brandbrief, m. :
Brief, der mit Schädigung durch Brand droht,
spätmhd. (vom J. 1402) brantbrief m.: (bild-
lich) dringlich gehaltener Brief (Goethe Br. 1, |
104); Bettelbrief, eig. mit Berufung auf er-'
littenen Brandschaden (als studentisch bei
Kindleben 1781 angeführt). Brandfuchs,
m. : Fuchs mit schwarzem Bauche, schwarzer
Schwanzspitze und schwarzen Läufen; dunkel-,
fuchsrotes Pferd (1644 bei Duez 153); Student j
im zweiten Halbjahr (bei Kindleben 1781 neben
Brande^-). Brandmal, n.: Zeichen des Bran-
des. Bei Luther. Brandmark, n. u. Brand-
marke, f.: eingebranntes Zeichen. Dafür
älternhd. Bra-ndmerk (1616 bei Henisch, auch
noch 1678 bei Krämer Brandmärck , aber '
Brandmarck bei Ludwig 1716), vgl. ndl. brand-
merk n.; Brandmarcke bei Steinbach 1734.
Davon brandmarken, v.: mit einem ein-
gebrannten Zeichen kenntlich machen, insbe-
sondere als einen Verbrecher. Bei Krämer
1678. Brandmauer, f: feuerfeste Mauer. I
Bei Stieler 1691. Brandopfer, n.: ein bis
auf die Eingeweide zu verbrernendes Tieropfer.
Bei Luther, brandschatzen, v.: eine Geld-
auflage festsetzen zur Abwendung feind- i
liehen Niederbrennens, spätmhd. brantscMtzen.
I Brandsohle,f.: innere Sohle unter deräuüem.
, Bei Ludwig 1716 Brandsole. Brandstifter,
jm.: der einen Brand erregt. Friihnhd. (loOl
im Voc. opt. N5^ brantstiffter «incendiarius»),
entsprechend ndl. brandstichfer m.
Branke, s. Franke.
Branntwein, m. (-es, PI. -e): aus Wein-
hefen, Flüchten oder Gewächsen ab^ezofrene
geistige Flüssigkeit. Spätmhd. (^zuerst 1360
in Frankfurt a. M. erwähnt, s. ZfdA. 6, 269)
brantvnn, zusammengerückt aus brant (ge-
küi-zt aus gebrant) icin «der gebrannte Wein»,
urspr. mit Flexion des ersten Wortes (noch
bei Schiller Eäuber 2, 3 gebt mir ein Glas
Brandtemcein), dann in fester Verbindung
Branntewein (Goethe 12, 93) oder Brannt-
tvein. Die Nebenform Brandwein erklärt sich
aus dem Part. Prät. gebrand bei Luther, sie
findet sich im 16. Jh. (z. B. bei Rollenhagen
Froschm. 3, 1, 13) und wird noch von Frisch
1741 angesetzt. Bei Adelung Branntwein.
Entlehnt ndl. brandeicijn m., dän. brändeviin
m., schwed. brännvin u.
Braute, s. Pranke.
Bra£, m. {(jen. Brasses): Masse wertloser,
lästig fallender Dinge. Aus dem Ndd., wo
mnd. bras m. «Schmaus» (s. prassen), dann
«Lärm, Gepränge»; das Wort diingt gegen
Ende des 15. Jh. auch ins Hd. ein mid nimmt
hier auch die Bed. «Gemengsei», dann «Haufe
wertloser Dinge, Wust» an, bei Stieler 1691
verzeichnet und in der Umgangssprache des
18. Jh. sehr gewöhnlich. Auch nicht selten
Praß geschrieben (z. B. Weiße Lustsp. 1, 197,
Lessing 7, 234, Goethe Faust 10322j. Ferner
findet sich in gleicher Bed. Brast (Lessing 8,
168), Prast (Günther 698), wohl mit ange-
tretenem t aus Braß entwickelt (schon 1482
im Voc. theut. e3* brast «pompa»), zugleich
auch beeinflußt durch älternhd. und mund-
artlich Brast m. «Kummer, Sorge», zu mhd.
bresten «auseinanderbrechen, gebrechen, er-
mangeln». Li gleicher Bed. ndl. bras m.
Brasse, f. fPl. -n)-. Seil an dem Ende der
Segelstangen, um sie nach dem Winde zu
richten. Aus dem gleichbed. ndl. bras m.,
das auf das ebenfalls gleichbed. fi-anz. bras
m., urspr. «Ai-m» zuriickgeht. Bei Adelung
1774. brassen, v.: die Brassen oder (das
Segel) vermittelst der Brassen anziehen und
so richten. Aus dem gleichbed. ndl. brassen,
von dem gleichbed. franz. brasser, eig. «mit
den Armen oder einer Stange rühren».
Brassen, m. {-s, PI. wie Sg.) u. Brasse,
18*
279
Braten
brauen
280
f. (PL -n): ein karpfenähnlicher Fisch, cy-
prinus latus. Urspr. und noch mundartlich
im Obd. Brachsen, Brachsem (bei Dentzler
llOQBrachsmen), mit Abschwächung des m der
Endung zu n aus mhd. hrahsem, brasme m.
und hrahsme, hrahse f., ahd. hrahsenia, hralisa
f. ; dazu andd. hressenio, ndl. brasem m., engl.
brasse, schwed. braxen, dän, brasen. Aus
dem Deutschen entlehnt franz. breme f.
Dunkler Herkunft, kaum zu mhd. brehen
«glänzen».
^Braten, m. (-s, PL wie Sg,): zu braten-
des oder gebratenes größeres Fleischstück.
Aus mhd. brate (Gen. braten) «Fleisch,
Weichteile am Körper», ahd. hräto m. (auch
von Teilen des menschlichen Körpers, z. B.
den Lenden), lat. (entlehnt) brädo «Schinken»,
andd. brädo «Wade», daneben mhd.-ahd. brät
n.; dazu ags. brcede m., anord. bräd f. «rohes
Fleisch». Wahrscheinlich hat dieses Braten
nichts mit dem folgenden zu tun. Grundbed.
zunächst «Weichteil». Die urspr. schwache
Flexion ist der starken gewichen, doch N. Sg.
älternhd. noch Brate, Brat (PL im 17. Jh.
öfter Bräter, zu dem N. Brat?). Redensart:
den B. riechen «einen Anschlag merken»,
mhd. den braten smecken. ZUS. Braten-
rock, m. Rock, der bei Festlichkeiten ge-
tragen wird, wohl nach engl, roastmeetclothes.
'braten, v. (Prät. briet, Part, gebraten):
über, an, in Feuer dui'ch äußeres Hartwerden
oder Hartmachen mürbe und genießbar wer-
den oder machen. Mhd. braten, ahd. brätan;
dazu ndl. braden, ags. brcedan. Hierher ge-
hört noch anord. bräär «hitzig», sowie Brodem
(s. d.); verwandt mit brühen (s. d.), das Ab-
laut zeigt, brüten, und weiter vielleicht lat.
fretmn «Brausen, Wallen, Hitze», fretäle «Brat-
pfanne», gr. ßpoiccu) «siede, brause» mit an-
derem Wurzelauslaut, wenn germ. &r- aus
mr- entstanden ist. ABL. bräteln, v. :
langsam braten. Bei Voß. ZUS. Bratspieß,
m., zusamm enges, mit Spieß (s. '^ Spieß), urspr.
Spiß, mhd.-ahd. spi^ m. «Spitze, auch Brat-
spieß» (verschieden von Sjneß m. « Stech walFe»).
Bratwurst, f., mhd.-ahd. hrätwurst f.
Bratsche (mit ä), f. (PL -n): Arm-, Alt-
geige. Aus ital. viola da braccio; braccio ist
das lat. brachium n. «Arm». Bei Krämer 1 678.
Bratspieß, -wurst, s. braten.
Bratze, s. Pratze, jbratzeln, s. brotzeln.
Bräu, n. (-es, PL -e): eine bestimmte Menge
gebrautes Bier; Brauhaus. Aus mhd. briuive
f. n. «das Brauen und was auf einmal gebraut
wird». Älternhd. auch Brau; Bräu ist die
obd. Form, die sich von Bayern aus ver-
breitet hat. Von brauen (s. d.).
Brauch, m. (-es, PL Bräuche): (veraltet)
Verwendung wovon; herkömmliches Üblich-
sein. Ahd. (einmal heil^ otker) prüh m., mhd.
nicht nachzuweisen und erst im 15. Jh. (bei
Nie. V. Wyle) auftauchend. Von brauchen,
V. : im Genüsse wovon sein ; wozu verwenden ;
wozu nötig haben (im 17. Jh., bei Logau 3,
4, 92). Aus mhd. brüchen, ahd. hrühhan;
dazu asächs. brükan, ndL bruiken, ags. brücan
mit starker Flexion, «genießen, sich einer
Sache erfreuen, ertragen», engl, brook «er-
tragen, sich begnügen mit», schwed. (ent-
lehnt) bruka, dän. bruge, got. brükjan «wo-
zu anwenden, gebrauchen». Urverwandt ist
lat. frui, fructus «genießen». ABL. brauch-
bar, adj. Bei Henisch 1616. bräuchlich,
adj.: wie brauchbar; im Gebrauch. Bei Luther
breuchlich.
Braue, f. (PL -n), auch Braune, f. (PL -w) :
Haarstreifen über dem Auge; Wimper. Aus
mhd. bräwe, brä, ahd. bräwa, brä f. «Augen-
braue, Augenlid»; dazu asächs. bräwa, bräha,
ags. brcßw, anord. brä f. Mit abweichendem
A''okal acrs. brü, anoi'd. brün f., die der Laut-
Verschiebung gemäß mit aind. bhrfis, gr. 6q)püc,
abg. brüvi f. «Braue» übereinstimmen. Ahd.
bräwa zeigt Ablaut zu ags. brü usw. Über
die Nebenform Braune, sowie Bran (bei Schottel
1663), Brane, selbst Brame s. Augenbraue.
brauen, v. : über Feuer bei aufsteigendem
Wasserdampfe bereiten, zunächst Bier (auch
bildlich vom wallenden niedrigen Nebel, bei
Gökingk, Goethe). Mit Übergang eines in in
u, später au (doch älternhd. auch oft breuen,
noch jetzt obd.) aus mhd. briuwen (Prät. brow,
Part, gebrüwen), ahd. briuwan; dazu ndl. brou-
wen, ags. breowan (mit starker Flexion), engl.
breiv, anord. brugga, schwed. brygga, dän.
brygge. Auf die gleiche Wurzel gehen zurück
ahd. brod, ags. broß n., engl, broth «Brühe,
Suppe»; dazu lat. defrutum n. «Mostsaft»,
phryg.-thrak. ßpOrov «Bier, Obstwein», air.
bruthe «Brühe». Der urspr. Begriif des Wortes
scheint also «kochen» gewesen zu sein, vgl.
auch Brot. Man könnte auch braten, brüten,
Brühe, Brei u a. im letzten Grunde mit un-
serm Worte verbinden, da der gleiche Anlaut
einer Reihe von Worten, die alle auf die
Speisebereitung gehen, kaum Zufall sein kann.
Die starke Flexion findet sich älternhd nur
noch vereinzelt beim Part. Prät. gebrauen
281
l)raiui
bray
282
(Logau 1, 51). ABL. Brauer, m.: der Bier
braut, mhd. briuiver m., daneben hrmive m.
(daher jetzt bayr. Bräu m.). Davon Brauerei,
f., bei Duez 1664.
braun, adj.: aus Rot und Schwarz ge-
mischt. Aus mhd.-ahd. hrün: dazu ndl. hruin,
ags. hrün, engl, broivn, anord. hrünn, schwed.
brun, dän. bruun. Ins Romanische aufge-
nommen als ital. bruno, franz. bru7i. Auch
lit. br'Ünas nebst slav. hrunatmü «caeruleus,
fuscus» dürften entlehnt sein. Dagegen geht
auf die gleiche Wurzel zurück lit. beras
«braun ;>, aind. babhrü-s «braun» (dem das
deutsche Biber entspricht, s. d.), vermutlich
gr. q)pijvri f., qppövoc ra. «Kröte», vgl. auch Bär.
ABL. Bräune, f.: braunes Aussehen, mhd.
briune: erstickende (braunrote) Entzündung
der Luftröhre (bei Hans Sachs Fab. 144, 135
Preun). bräunen, v.: braun machen, mhd.
briunen. -bräunlich, adj.u.adv.: etwas braun,
bei liUihaY bräwiUcht ZUS. Braunkohle,
f., 1781 bei Jacobsson technol. Wb. 1, 283.
Braune, s. Braue.
Braus, m. (Gen. Brauses): rauschendes
Getöse. Mhd. ^rwsm. «Brausen, Lärm». Von
brausen (s. d.). Ndl. bruis n. «Schaum, Gischt».
Brausche, f. (PI. -n): mit Blut unter-
laufene Beule. ]VIhd. (selten) brüsche f., ndd.
brüs, brUsch. Vielleicht mit schwäb. brausch
«spröde, brüchig», ndl. &roos (ausmndl.brösch),
anord. breyskr «gebrechlich, schwach» zu ags.
brysan «brechen», engl, bruise «quetschen»;
die urspi-ün gliche Bedeutung müßte «schla-
gen» gewesen sein. ABL. brauschig, adj.:
(Goethe 18, 324) geschwollen, wulstig.
Brause, f. (PI. -w): der das Wasser brau-
send durchlassende seihartige Aufsatz am Rohr
der Gießkanne und diese selbst; Dusche. Mhd.
vereinzelt brüscheL «Dusche», älternhd. kommt
Brause nur in der Bed. «Gärang» vor, die
jetzige bei Voß Ged. 1, 44. Von brausen,
V.: als heftig bewegte Luft oder Flüssigkeit
stark hörbar sein. Aus mhd. brüsen (auch
brüschen): dazu ndl. bruisen (iriiher britischen,
auch ndd. brüsken) «schäumen, brausen»,
aschwed. brüsa «einherstürmen». Die Bed.
«rauschen» hat sich wahrscheinlich aus «sieden,
wallen» entwickelt, so daß brausen eine «-Er-
weiterung der Wurzel von brauen wäre.
Braut, f. (PI. Bräute): durch Ehever-
sprechen Gebundene. Aus mhd. brüt (PI.
briute), ahd.brütf. «Verlobte, Neuvermählte»;
dazu asächs. brüd, ndl. hruid, ags. bryd, engl.
brüle «junge Frau», anord. hrüdr, schwed. -dän.
brud f. «Verlobte», got. brüßs f. «Schwieger-
tochter». Lis Mlat. entlehnt bruta f., woher
afranz. bruy, franz. bru f. «Schwiegertochter».
Die Etymologie war umstritten, vgl. Wlede-
mann Bezz.Btr. 27, 205ff. Nach den Auseinander-
setzungen von Braune aber, Btr.32, 30 ff. ist lat.
/riTfas «Beinahme der Aphrodite» zu vergleichen.
ABL. bräutlich, adj., mhd. briutelich, ahd.
brv.tWi. ZUS. Brautbett, n., mhd. brütbette,
ahd. brüthetti n., entsprechend ags. brydbed,
n., engl, bridebed. Brautführ er, m., fiühnhd.
(Albertinus weibl. Lustg. 99*^). Bräutigam,
m. (-.s, PI. -e) : Mann der Braut. Bei Luther
Breutigam, Breutgam, aus mhd. briutegome,
entstellt briutegoume, briut€game(davau.s Bräu-
tigam, da e vor g in unbetonter Silbe zu i
wird), ahd. brütigomo m.; dazu asächs. brüdi-
gumo, ndl. briiidegom, bruigom, ags. brydguma,
engl, bridegroom (mit Anlehnung an groom
«junger Mann»), anord, brudgumi, schwed.
brudgum, dän. brudgom, zusammenges. mit
ahd. gomo, asächs. gunio, anord, gunii, ags,-got.
guma m. «Mann» (verwandt mit lat. homo m.):
im Got. dafüi' brüßfaßs m. (-faps stimmt der
Lautverschiebung gemäß mit gr. iröcic (aus
*iTÖTic) «Gatte», aind. ^a^?s «HeiT, Gatte», lit.,
patis m. «Ehemann»), Der PI. wird zuweüen
als Bräutigams (Goethe Götz 1) gebildet.
Brautlauf, m. (Schiller Teil 4, 3 nach dem
Schweiz.): Vermählungsfest, Hochzeit. Mhd.
brütloufm.f., brütlouft m.f.n., ahd. brütlouftm.
n., brütloufti f.; dazu ags. brydhlop n. anord.
brüdlaup n., schwed. bröllop n., dän. bryllup n.
«Hochzeit», ein gemeingerm. Wort, das wohl
urspr. die feierliche Einholung der Neuver-
mählten bezeichnet.
bray, adj. u. adv.: tatkräftig, tüchtig; sitt-
lich vorwurfsfrei. Aus franz. brave, ital.-span.
bravo (daher bravo ! als Ausruf, aus der ital.
Oper stammend) «tapfer, wacker», die wahr-
scheinlich auf lat. bärbarus «barbarisch», dann
«wild, unbändig» zumckgehen. Das Wort ist
in den ersten Jahrzehnten des 17. Jh. auf-
genommen worden (ndl. schon 1599 bei Kilian),
und zwar zunächst in der Bed. «tapfer», (1617
bei Opitz Aristarch 93) auch «ungestüm, un-
bändig» (z.B. Logau 1,100), dann auch «wacker,
tüchtig» (vereinzelte Belege aus dem 16. Jh.
bei Fischer 1, 1376). ABL. brayiereu, v. :
Trotz bieten, mit Verachtung begegnen. 1615
bei Albertinus Landstörzer 470 braviren. Aus
ital. bravare, fi-anz. braver «trotzen». Davon
Brayäde, f. (PI. -n): Großsprecherei. Aus
franz. bravade, ital. bravata f. «ig. «Trotz-
283
bravo
Bremse
284
bieten». Im 17. Jh. entlehnt. BraTÖur, f.:
Tapferkeit. Aus dem gleich bed. franz. hra-
voure f. Bei Wächtler 1711.
brayo! s. hrav.
Breche, f. (PI. -n): Werkzeug zum Brechen
des Flachses oder Hanfes. Mhd. breche f.,
von ^brechen.
^breclieiijV. (Prät. hrach, Växi. gebrochen):
sich auseinandertun; entzweigehen oder ma-
chen; auflösend vernichten. Refl. sich h.:
sich mit Gewalt zerteilen; aus dem Magen
durch den Mund gewaltsam von sich geben.
Mhd. brechen, ahd. brehhan; dazu asächs. hre-
kan, ndl. breken, ags. h'ecmi, engl, break,
schwed. (entlehnt) bräcka, dän. bräkke, got.
brikan. Es stimmt der Lautverschiebung ge-
mäß mit dem gleichbed. lat. frangere, dessen
n, wie das Peif. fregi zeigt, Präsensverstärkung
ist. S. brach, Brocken, Bruch. ZUS. Brech-
stange, f., 1663 bei Schottel 532.
"brechen, v. (Prät. &rec/i^e, Fart gebrecht) :
brechen maich.en(^Flachs,Hanfb)'echen). Früh-
nhd. (1482 im Voc. theut. e 3^ brechen, flachs-
prechen), abgeleitet von Breche.
brechlich, adj. (Claudius 6, 52 u. ö.):
gebrechlich. Aus dem Ndd., wo mn<l. brekelik
«gebrechlich».
-brecht in Eigennamen, eine Nebenform
von -bert, s. d.
Bregen, m. {-s)-. Gehirn. Niederdeutsch,
namentlich in Bregenwurst «Hirnwurst». Aus
mnd. bregen n., dazu ndl. brein u., ags. brcegen
n., engl, brain. Man vergleicht gi'. ßp^xMoc
m. «Vorderkopf» unter Ansatz von *mregh,
vgl. Osthoff Morph. Unters. 5, 92.
Brei, m. (-es, PI. -e): dick ge- und zei--
kochte Speise. Aus mhd. brie, bri (Gen. brieti,
spätmhd. auch mit starker Flexion), ahd. brio,
bri m. ; dazu ndl. brij, ags. brnv m. Die Her-
kunft läßt sich nicht sicher ermitteln, da ein
genau entsprechendes Wort in einer andern
idg. Sprache fehlt. Man kann es zu lat. friäre
«zerreiben, zerbröckeln» stellen, aber auch
zur Wz. von lat. frlgo «rösten, dörren ». Da
neben diesem gr. qppÜYUj in derselben Be-
deutung steht, also ein Wechsel von i und ü
vorliegt, so kann man auch brauen, brühen,
braten heranziehen. Im Nhd. nur- mit starker
Flexion, doch bayr. mit Eintreten des n der
schwachen Dekl. in den Nom. Brein. ABL.
breiig, adj., älternhd. breiicht.
breit, adj. u. adv.: ausgedehnt im Gegen-
satz der Länge. Mhd.-ahd. breit; dazu asächs.
bred, ndl. breed, ags. hräd, engl, broad, anord.
breidr, schwed.-dän. bred, got. braips. Dunkler
Herkunft. ABL. Breite, f., mhd. breite,
•dhd. breiii, dazu got.braideit breiten, v.:
auseinanderdehnen, mhd.-ahd. breiten; dazu
asächs. bredian, ags. brcedan, anord. breida,
schwed. breda, dän. brede, got. h'aidjan.
Breitling, m.: eine Art Weißfische (1564
Forer 167*^ ist Breiitele «die Bleie»); eine
Äpfelart (1517 bei Trochus J6^ breydeling).
^Bremse, f. (PI. -n)-. die große Stechfliege.
Älternhd. Breme (auch bei Luther, noch bei
Adelung und Campe als Bräme erwähnt,
mundai'tlich obd. und md. erhalten) f., mit
Wechsel des Geschlechts aus mhd. breme,
brem m. (selten f., wie andd. bremmia mit
Umlauts -e, auch brceme ist vorauszusetzen,
vgl. Schweiz. Id. 5, 605), ahd. bremo m., zu
brummen, ahd. breman und verwandt mit
lat. fremere dss., gr. ßp^iuoi «brause», vgl.
Osthoff Morph. Unters. 5, 93 ff., wonach dann
Breme s. v. a. «Brummer, Bnimmfliege» aus-
drückt, vgl. elsäss. Brums. Es kann aber
auch zu ai. bhramaräs m. «Biene » zu bhrämati
«er schweift umher» gehören. Die weiter
abgeleitete Form Bremse stammt aus dem
Ndd., wo andd. brimissa, dazu ags. brinise f. :
in ndd.-md. Glossaren des 15. u. 16. Jh. er-
scheint bremse, bromse (1517 bei Trochus H 5^
brom.szen), brumse, während die obd. Wörter-
bücher die Form noch nicht kennen; 1616
verzeichnet aber Henisch B. neben Bremme
und 1663 Schottel neben Bräm Brämse,
Brömse, Brumse, auch Duez, Krämer haben
B. (Stieler, Ludwig dagegen nicht).
^Bremse, f. (PI. -n): Nasenklammer zur
Bändigung wilder Pferde; Vorrichtung zum
Hemmen an einem Räderwerke mittelst eines
Kurbelrades. Älternhd. auch Bremes (Alberus
Dict, R 3*), Brems n. Spätmhd. bremse f. in
der 1. Bed., zuinickgehend auf mnd.j^/n/iesef.,
premes n., das mit einer s- Ableitung gebildet
ist von mnd. -ndl. pra^nen «pressen, klemmen»,
dazu mnd.-mndl. prame f. «Druck, Zwang»,
das weiter mit got. anapraggan «bedrängen»,
Tühd. pfrengen «in die Enge bringen, zwängen»
verwandt ist. In gleicher Bed. findet sich
bei Kilian bremer, bei Maaler 1561 bremen.
Die 2. Bed. zunächst im Bergbau (1673 bei
Berward Berg-Phrases 13 Brems f., Brems-
rad, 1556 hei G. Agricol-A prembsschuch «har-
pago»), im 19. Jh. auf Maschinen und Eisen-
bahnwagen angewendet. ABL. bremsen, v.
Spätmhd. (bei N. v. Jeroschin) prempzen (für
bremsen) «zwängen, bändigen».
285
Brenke
Brett
286
Brenke, s. ^Brente.
brennen, v. (Fr'ä.t.bra7mte, Ysirt. gehrannt) :
dui'ch Feuer versehren; durch Feuer ver-
zehren machen; Empfindung wie von Feuer
mitteilen; von Feuer oder wie von Feuer
ergriffen sein; flammend oder feuerglänzend
sein. Mhd.-ahd. h. ist nur Faktitiv; dazu
and. brennian, mnd. (mit Umstellung des r)
herneii, ags. (ebenso) hcernan, anord. brenna,
schwed. bränna, dän. brande, got. brannjan.
Nhd. b. hat aber auch das Intransitivum
mhd. brinnen (Prät. bran, Part, gebrunnen),
ahd. brinnan in sich aufgenommen: dazu
asächs. brinnan, ags. (mit Umstellung beornan,
uuurd. brinna (dafür- meist brenna), schwed.
brinna, got. brinnan. Das zweite n ist präsens-
bildend und wohl aus iv entstanden, Grund-
form also *brinwö. Es gehört vielleicht zu
air. brennini «sprudele» und im letzten Grunde
(mit w-Infix) auch zu lat. fervere. Vgl. auch
hörnen. Wäkrend Luther brennen auch als
Intrans. gebraucht (unter ndd. EinfluJJ, schon
mnd. ist bernen auch intrans. verwendet, ver-
einzelt auch md. z. B. Elisabeth2239), findet
sich sonst im 16. u. 17. Jh. noch oft brinnen,
namentlich bei Oberdeutschen (yerbrunnen
Opitz 1, 42, entbran Logau 2, 243, gebrunnen
2, 69, selbst noch entbronnen bei Goethe
ew. Jude). Das Prät. von brennen lautet
bei Luther brandte, Part, gebrand, später
brannte, gehrannt, daneben aber bis gegen
Ende des 18. Jh. auch brennte, geh'ennt
(brennte Wieland 18, 123, verbrennt Bürger
132, gehrennt Goethe 8, 177). ABL. Brenner,
m. (-6-, Plur. wie Sg.): der absichtlich Feuers-
brunst verursacht, mhd. brenncere; der etwas
brennt, z.B. Branntwein; Hii'schkäfer (Luther
2. Mos. 8, 21 am Rande), weil er angeblich
Kohlen auf seinen Hörnern in Gebäude trägt;
Brand in Getreide, an Pflanzen, Bäumen (auch
bei Luther); Gegenstand an Beleuchtungskör-
pern. S. auch brenzeln. ZUS. Brennglas, n.,
bei Stieler 1691. Brennessel, f., bei Brunfels
1530, mhd. dafür eiterne^^el d.i. «Giftnessel».
Brennpunkt, m., von Harsdöi-fer gebüdet
(Mathemat. Erquickstunden 1651 1, 301).
^Brente, f. (PI. -n): kufenartiges hölzernes
Gefäß mit niedrigem Kande. S]^ätmhd.brentei.
(auch um 1480 im Voc. ine. teut. d 2'' hrenten
oder potung [Bottich], «Faß, Kufe, Maß»), ent-
lehnt aus ital.-mlat. brenta f. «Art Weinfaß».
Daneben auch Brenke f. und Brenkel (im Voc.
ine. teut. c 2^ als * vulgariter» neben Brente) n.,
jetzt am Mittel- und Oberrhein.
-Brente oder Brinte, f. (PL -n): vier-
eckiges, aus gerösteten Mandeln und Zucker,
Mehl und Eiweiß bereitetes Gebäck mit ein-
gedruckter Figur, in Frankfui-t a. M. An-
gelehnt an brennen «rösten»; aber in Aachen
(Müller -Weitz 188) Prent, Print {. «Abdruck
von Blumen oder Figuren», wie ndl. und engl.
print, dann Pfeflerkuchen , der eine Figur
j darstellt, zu a&ch. prente «Leinwand diaicken»,
\ ndl. prenten, engl, print, aus airani. preindre,
von lat. preniere «drücken».
brenzeln, v.: nach Breimen schmecken
oder riechen. 1537 bei Dasjpodius hrentzelen
\ und hrenselen, das Dimin.von älternhd. brenzen
{ (1664 bei Duez), das von brennen gebildet
I ist. Daneben bei Stieler 1691 brinzelen.
ABL. brenzlich, adj. u. adv.: dem Gerüche,
Geschmack nach angebrannt. Bei Stieler 1691
hrenzeliclit und hrinzelicht.
Bresche, f. (PI. -n) -. gewaltsamer Mauer-
j oder Walibruch einer Befestigung. Aus franz.
I breche f. «Bruch, Lücke, Scharte», das auf
ahd. -hrehlia in mürbrehha f. «Mauerbrecher»
zui'ückgeht. 1617 bei Wallhausen Cox-p. mil.
189 (vgl. auch Gombert 6, 21); daneben im
I 17. Jh. Presse f.
1 Brestel, f.: Erdbeere (Rückert Ges. Ged.
4, 301). Schwäbisch Bröstel f. und Bräst-
I ling m.., spätmhd. bresteling «Gartenerdbeere»
1616 bei Henisch Breßling «weiße Erdbeere»;
j bei Schmeller- 1, 46 Pröhstling m. «große
Erdbeere».
bresthaft, adj.: mit Leibesgebrechen be-
haftet. Auch preßhaft (s. d.). Mhd. bresthaft
«mangelhaft», gebüdet von mhd. brest m.
«Mangel», das auf mhd. bresten «gebrechen»
beruht. Vgl. Geh esten.
Brett, n. (-es, PI. -er) : aus einem Baum-
stamm geschnittenes Holz, das mehr breit
, als dick ist; Tisch (in den Redensarten:
ans B. kommen, hoch am Brett sein); Brett-
spiel (daher die Redensart einen Stein im B.
haben, d. h. zu seinem Vorteil). Mhd.-ahd.
I bretn.; dazu ags. bred n., dän. (entlehnt) brcet.
i Von gleicher Wurzel, nur mit andrer Ab-
lautsstufe gebildet, -Bord (s. d.). Daneben
mit Dehnung des Vokals Bret (Goethe Tasso
3199. 12, 93. Schiller 11, 362. Wall. Lager
1036 im Reim); die Form ist früher nament-
lich bei Mitteldeutschen sehr häufig und
findet sich bei Stieler, Rädlein, Steinbach,
Adelung angegeben, dagegen hat Luther
Bret, aber Bretter, die südd. Wörterbücher
Brett und im 18. Jh. wird diese Form auch
287
BreTC
Brille
288
verlangt von Frey er 1737, Gottsched Sprachk.
^^240 und Heynatz, bei Campe erscheint sie
als die herrschende. ABL. 'bretteln (Schiller
Eäuber 2, 3): den langen Puff spielen, bret-
tern, adj., spätmhd. bretenn (Germ. 28, 361
von 1432), bei Luther (2. Kön. 4, 10) hrettern
und (Sir. 29, 29) hretern. ZUS. Brettspiel,
n., mhd. hretspü n.
Breve, n. (s, PI. -n und -s): minder
förmhcher päpstlicher Erlaß. Im 15. Jh. i
aus mlat. hreve «kurzes Schreiben», besonders |
«ein päpstliches», dem als Subst. gesetzten!
N. des lat. Adj. brevis «kurz». Vgl. Brief. \
Brevier, n. (-s, PI. -e): Betformelbuch i
des katholischen Geistlichen. Im 15. Jh.
hreviere n., aus lat. hreviärmni n., eig. «kurzes
Verzeichnis», dem als Subst. gesetzten N.
des lat. Adj. breviärius «kurz gefaßt», ab-
geleitet von dem auf lat. brevis «kurz» zu-
mckgehenden lat. breviäre «kurz fassen».
Brezel, f., Prezel, Bretzel (PI. -n): Back-
werk in der Gestalt zweier armartig zueinander
geschlungenen länglichen Ringe. Mhd. brezel
(auch gedehnt brcezel?), p-ezel, ahd. p-icella f.,
daneben auch breze f. (daher bayr. die Bretzen,
Schwab. Bretz, Brefzg) und broßzte, ahd.
brezita, precita f. (daher schwäb. die Bretzet,
Bretzget), sowie ahd. prezitella f. (daher elsäss.
die Brettstell). Zugi-unde liegt lat. bracMolum
n. «Ärmchen», Demin. zu brachium n. «Arm»,
das im Mlat. zu bracellimi, sowie bracitum
und bracitellum (vgl. ital. bracciatello m.
«Brezel», franz. brechetelles PI.) umgebildet
worden sein muß. Xeben Bretzel steht mit
langem e Brezel, wie von Heynatz Handb.
und Adelung verlangt wird, außerdem nordd.
mit anlaut. p Bretzel (so von Freyer 381
verlangt), Prezel. Südd. und westmd. nur
mit kurzem Vokal.
Bricke, f. (PI. -n) -. Art Neunauge. Auch
Pricke. Aus dem Ndd., wo mnd. pricke f.,
dann auch 1469 im mrhein. Voc. ex quo
pryecke «cirtis», 1475 im Teuth. pryeke, ndl.
prik m. Dunklen Ursprungs.
Brief, m. {-es, PI. -e): schi-iftliche Ur-
kunde; Zuschrift; zusammengefaltetes Papier-
blatt. Mhd. brief (Gen. brieves) «Brief, Ur-
kunde», überhaupt «Geschriebenes», ahd. brief,
briaf, mit einem (aus lat. e hervorgegangenen)
ie aus lat. breve n. (s. Breve). Entsprechend
ndl.briefm., anord. brefw. «Urkunde», schwed.
bref, dän. brev n. ABL. brieflich, adj. u.
adv,: mittelst eines Briefes. Ahd. brief lih
«in Form einer Urkunde, eines Schriftstückes»
(ebenso 1616 bei Henisch), in der jetzigen
Bed. aber erst im 18. Jh. Briefschaften,
PI.: mehrere Briefe oder Schreiben. Bei
Frisch 1712. ZUS. Briefsteller, m.: der
Briefe entwirft (bei Stieler 1691); Anweisung
zum Briefschreiben (Volck v. Wertheim der
auf neue Manier abgefaßte und allezeit fertige
Briefsteller 1722). Brieftasche, f., 1491
im Voc. renim e5". Briefträger, m., mhd.
brieftreger, m. Briefwechsel, m.: Aus-
tausch von Briefen. 1644 bei Harsdörffer
Gespr. Bd. 1, Schutzschrift S. 22.
Bries, s. Brös-chen.
Brigade, f. (PI. -n): gi-ößere, von einem
besondera Generale befehligte Heeresabteilung
von zwei Regimentern (so zuerst in Gustav
Adolfs Heer). Aus franz. brigade f. und dies
aus ital. brigata f., eig. «Gesellschaft», dann
«Trupp, Rotte, Heerschar», gebildet von ital.
brigaf. «Zank, Streit, Ungelegenheit, Mühe»,
brigare «zanken, streiten, eifrig streben,
woraufhin bemüht sein». Zur Zeit des
30jährigen Krieges entlehnt (Gombert 6, 22
vom J. 1639).
Brigänt, m. {en, PI. -en), s. d. folg.
Brigantine, f. (PI. -n): leichtes Schnell-,
Jagdschiff. Aus ndl. brigantine (1599 bei
Kilian), engl, brigantine, franz. brigantin, zu-
rückgehend auf ital. brigantino m., urspr.
wohl «Raubschiff», von ital. brigante (daraus
franz. brigand m.) «unruhiger, gefährlicher
Mensch, Räuber», das im 18. Jh. ins Deutsche
entlehnt wurde, Part. Prät. von brigare (s.
Brigade). Im 16. Jh. entlehnt (1596 bei
Fronsperger Kriegsb. 1, 128^ die Bergandten,
1, 135^ Bergantin, 1567 bei Schmidel Reis.
55, 12 Bergentinschißein).
Brigg, f. (PI. -s): zweimastiges Kriegs-
und Lastschiff. Aus dem gleichbed. dän.-
schwed. brigg m., engl, brig, das aus brigantine
gekürzt ist.
brillant, adj. u. adv.: glänzend; prächtig,
ausgezeichnet. Als Subst. Brillant, m. [-en,
PI. -en) : eckig geschliffener Edelstein, Glanz-
edelstein. Aus dem franz. Adj. brillant, eig.
Part. Prät. von briller, ital. brillare «glänzen,
funkeln», von gr.-lat. beryllus (s. auch Brille),
dem Namen eines Edelsteines, dessen Glanz
und Durchsichtigkeit gerühmt wurde, gr.
ßrjpuWoc m. f. «ein meergrüner indischer
Edelstein». Das Adj. und das Subst. 1717 bei
Nehi'ing.
Brille, f. (PI. -n)-. verbundene Sehgläser
füi" beide Augen. Älternhd. bis ins 17. Jh.
289
Brimborium
Brodem
290
(z. B. Schupp 1, 72) und noch jetzt mund-
artlich auch Brill m. Brille f. ist aus dem
PI. hervorgegangen und kommt schon seit
dem 15. Jh. (auch bei Luther neben dem M.)
vor. Mhd. herüle, harille m., im 15. Jh. auch
hriUe, hrül, ist zunächst der Name eines
durchsichtigen Edelsteines (s. Beryll und
brillant). Dazu ndl. bril m. ZUS. Brillen-
schlange, f.: giftige Schlange mit brülen-
ähnlicher Zeichnung auf dem Halse. Bei
Adelung 1774.
Brimborium, n. (s, PI. -s) -. nichtswerte
Kleinigkeit, Lappalie (Goethe Faust 2650).
^lit latinisierter Endung aus dem gleichbed.
franz. hritnhorion m., nach Hatzfeld-Darmsteter
Umbildung von lat. breviärium, s. Brevier.
bringen, v. (Prät. brachte, Part, gebracht) :
von einem Orte zum andern schaffen, an
einen Ort tragen oder führen. Mhd. bringen
(Prät. auch stark branc, PI. brungen, Part.
gebrungen, häufiger Prät. brähte, Part, bräht).
ahd. bringan: dazu asächs.bringan, ags.bringan
(Prät. brang und bröhfe), engl, bring, schwed.
(entlehnt) bringa, dän. bringe, got. briggan
(Prät. brähtd). Daneben mit abweichender
Präsensbildung asächs. brengian, ags. brengan,
ndl. brengen, auch md. bis in die nhd. Zeit '
brengen, von dem das schwache Pi-ät. (got.
brähta aus *branhta) ausgegangen zu sein \
scheint. Zu kymr. he-brwng «herbeibringen», ;
he-bryngiad «der Herbeiführer», körn, hem- i
bronk «er wird herbeibringen». Nach Brug-
mann Idg. Forsch. 12, 154 eine Vermischung
der Wurzeln idg. bher «tragen», lat. fero,
gr. qpepiu, got. bairan und enk, gr. ^verKeTv
«bringen». Das Part. Prät. lautet bei Luther '
und noch sehr häufig im 17. Jh. bracht (doch '
verlangt Schottel gebracht), dann auch wieder
bei Kückert 1, 541.
Brink, m. (-es, PI. -e): erhöhter Gras-
platz; Grasrain; feuchte Stelle auf einer ^
Wiese. Aus dem Xdd., wo mnd. brink m.
«grasiger Hügel», überhaupt «Hügel, Gras-
platz, Grasrain»; dazu engl, fcn'wft «äußerster
Kand, Ufer», schwed. (entlehnt) brink m.
«steiler Berg», dän. brink «sanft angehender
Hügel», anord. (mit Assimilation des n an k)
brekka f. «Hügel» neben bringa f. «gi-asiger j
Hügel». Da br auf vir zuräckgehen und j
der Nasal eingeschoben sein kann, läßt sich
gall. brogae «Acker», Ällobroges, ir. mruig, !
bruig «Mark, Landschaft» und mit Ablaut
lat. rnargo «Rand», d. Mark «Grenze» ver- j
gleichen, vgl. Walde s. v. Anders Wiede- !
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
mann Bezz. Btr. 27, 231. Verwandt ist noch
Brunkel (s. d.). Goethe gebraucht die Foi-m
Brinken (in Sandbrinken). ZUS. Brink-
sitzer, m.: Angerhäusler, Halbbauer, Hinter-
sasse. Aus nd. Brinksitter m. In gleicher
Bed. Brinkköter, Brinklieger, Brinksasse.
Brise, f. (PI. -n): kühler (Nord)wind.
Aus dem gleichbed. franz. biise, span. brisa f.,
ital. brizza, engl, breeze, deren Herkunft un-
sicher ist. Moderne Entlehnung.
Brite, m. {-n, PI. -n): Einwohner Eng-
lands. JIhd. Britte, ahd. Pretto, aus lat.
Brito, Britto und diese aus dem Keltischen,
kymrisch Pnjdain, selten Bryt oder Brydein,
Stammesname, davon das Adj. britisch,
englisch. ABL. britten, v. : die Engländer
nachahmen (Goethe 6, 110), dafüi- im 18. Jh.
auch brittenzen.
Britsche, f., s. Pritsche.
Brocke,! (Lessing 1,. 394), meistBrocken,
m. (-S, PI. wie Sg.): abgebrochenes dickeres
Stück. Aus mhd. brocke (Gen. brocken), ahd.
broccho m. , dazu ndl. brok m., mit Ablaut
zu brechen gebildet. Im Got. das gleichbed.
gabruka f. An Stelle der schwachen Flexion
im Mhd. jetzt starke, doch Nom. Sg. älternhd.
noch Brocke, Brock. ABL. brocken, v.:
Ln Brocken brechen. Mhd. brocken, ahd.
brocchön. Davon die dimin. Bildung bröckeln,
V.: zu kleinen Brocken brechen (bei Frisch
1712), mit dem Adj. bröckelig, älternhd.
bröckelicht (1616 bei Henisch bröcklet).
Brod, s. Brot.
brodeln, bru (lein (Wieland 19, 362), auch
prudeln (Goethe Faust 5255 j v.: kochend auf-
wallen: langsam kochen (intrans.). Aus mhd,
brodelen, brudelen, das zu spätmhd. (noch jetzt
hayr.) prod n., ahi.prod, protn. «Brühe», früh-
nhd. brod «aufsteigende Wasserblase» (1429 hb.
ord. rerum Bl. 3*) gehört, dazu ags. brodn.
«Brühe», engl, broth «Fleischbrühe». Ahd.
prod entspricht ziemlich genau lat. defrntum
«der eingekochte Most, Mostsaft», thrak.
ßpöToc, ßpüTov «eine Art Gerstenbier» und
gehört wohl zu der unter brauen bespro-
chenen Sippe. B. kann aber auch mit Sprudel,
sprudeln verwandt sein (vgl. Siebs Kuhns
Zeitschr. 37, 307), wie denn auch im 17. Jh.
Brudel als «Sprudel» vorkommt. Ablautend
schließt sich dann Schweiz, bradle «wallen,
schmatzen, schwätzen» an.
Brodem, auch Brodeu, m. (-5, PI. wie
Sg.): dicker Dunst aus heißer, kochender
Flüssigkeit; dicker Dunst überhaupt. Die
19
291
Brokat
Bruch
292
Form Broden mit Schwächung des -em zu
-en auch bei Goethe 1, 214. Nat. Tochter
1985 u. ö. Mit Verwandlung des ä in 5
(doch wird Braäem noch 1722 von Freyer
S. 268 verlangt) aus mhd. brädem «Dunst»,
ahd. hrädam m, «Hauch, Hitze». Verwandt
ist zunächst ags. brced f. «Dunst, Hauch»,
engl, hreath «Atem» und weiter braten (s. d.).
ABL. bradmen, v.: dick dunsten, mhd.
brädmen, ahd. hrädamon.
Brokat, m. {-es, PI. -e): mit Gold- und
Silberblumen durchwirktes schweres Seiden-
zeug. Aus ital. broccato m. (daher franz.
brocat, brocart m.) von broccare, franz.
hrocher «stechen, sticken», das auf ital. hrocca,
iranz. brocke f. «Spieß, hölzerne Nadel, Stick-
nadel» zurückgeht. 1717 bei Nehring Brocat,
1721 bei Jablonski Broccat. ABL. Bro-
katen, adj.
Brombeere, f. (PI. -w): schwarzblaue
Frucht des Brombeerstrauches ; dieser Strauch
selbst, rubus fruticosus. 1537 bei Dasypodius
Bromheer. Mit Verwandlung des ä in (später
gekürztes) o aus inhä.bräniber N.Pl. (s. Beere),
ahd. brämberi «Beere des Brombeerstrauches
(mhd. bräme m., ahd. bränio m. und bräma f.,
die auch überhaupt «Dornstrauch» bedeuten,
dazu ndl. braam m. und mit weiterer Ab-
leitung ags. bremel m., engl, bramhle «Brom-
beerstrauch»). Vgl. auch Bram.
Bronnen, Bronn, m. {-s, PI. Bronnen):
wie Brunnen. In der Dichtersprache seit
dem Ende des 18. Jh. gebraucht: die Laut-
entwicklung wie bei Sonne mhd. sunne, ge-
ronnen mhd. germinen.
Bronze, f. (PI. -n): bräunliche Metall-
mischung aus Messing, Zinn und vornehm-
lich Kupfer; Kunstwerk aus Bronze. Aus
franz. bronze und dies aus ital. bronzo m.,
das man auf aes Brundisium d. h. Erz aus
Brindisi, dessen Metallarbeiten berühmt waren,
zurückführt. Vgl. Berthelot Revue archeo-
logique 1888, 294, Schrader Reallexikon 203.
Im Anfang des 18. Jh. entlehnt (1734 bei
Wolff math. Lex.).
Brosam, m. {-es, PI. -e), Brosame, f.
(PI. -n): das inwendige Weiche vom Brote.
Obd. und dichterisch, fast nur im PI. (das
M. Brosam von Klopstock u. a. gebraucht).
Mhd. hrosme (die mundartlichen Formen er-
weisen langes ö), ahd. hrosania, hrösma f.,
dazu asächs. brosmo m. «Brocken». Zu ags.
brysan «zen-eiben», brosnian «gebrochen wer-
den», also eig. «Bröckchen» und weiter zu
lat. frustuni n. «ein Brocken, Stückchen,
Bissen», s. Walde s. v.
Brosche, f. (PI. -n): Vorstecknadel. Aus
franz. brocke f. «Spieß, Nadel» (s. Brokat).
Moderne Entlehnung. — hrOSChieren, v.:
ein Buch nur heften. Aus franz. hrocker
«stechen, durchstechen». ABL. Broschüre,
f. (PI. -n): bloß geheftetes Buch mit Um-
schlag; Schrift von einem oder wenigen Bogen.
Beide gegen Ende des 18. Jh. entlehnt.
Brös-chen, n. (-s, PI. wie Sg.): Bmst-
drüse des Rindes, Kalbes, Lammes. Aus
dem Md., dafür schwäb. Brüsle, bayr. Brüsel,
Briesel n., auch nur Bries und verkleinernd
Bries-cken. Vgl. auch die gleichbed. dän.
hrissel, schwed. bress in kalvhress. Falls u
der ursprüngliche Vokal ist, vielleicht mit
Brosame zu ags. brysan nach dem bröckeUgen
Aussehen der Drüse.
Bröselein, n. (Goethe 1, 178. Faust 9592) :
Brotbröckchen. Aus dem Obd. (1616 bei
Henisch Brösele), das Dim. zu Brosame, mhd.
brosemlin n., bei Luther Brosemlen. bröseln,
V. : bröckeln. Schon im 16. Jh.
Brot, u. (-es, PI. -e): der aus Mehl und
Wasser bereitete und gebackene Teig als
tägliches Nahrungsmittel des Menschen ; (bild-
lich) Nahrungsbedarf, Nahningspflege; Bienen-
brot (s. d.). Auch häufig Brod geschrieben;
das d kann aus westmd. u. ndd. Mundarten
erklärt werden, beruht aber vielleicht auch
auf grammatischem Wechsel. Luther hat
Brot, was auch sonst im Älternhd. über-
wiegt (doch Brod 1540 bei Alberas Dict.^:
Brod steht bei Rädlein, Frisch und dann
bei Adelung, bei andern Brodt. Mhd. brof,
ahd. hröt, hrötk n.; dazu asächs. hröd, ndl.
brood, ags. bread, engl, bread, anord. braud,
schwed.-dän. hröd n., im Got. dafür klaifs
(s. Laib). WahrscheinUch zu brauen (s. d.)
zu stellen und im Ablaut zu dem unter
brodeln besprochenen Brod stehend. ZUS.
brotlos, adj., bei Henisch 1616. Brotneid,
m., bei Adelung 1793.
brotzeln, s. brutzeln.
Broyhan, m. {-s, PI. -e): Art Weißbier,
aus Weizen gebraut. Angeblich von Kurt
Broykakn oder Brnkan 1526 in Hannover
erfunden. Fischart Garg. 86 führt Brükan
als ein werdisches Bier auf.
brr! Interj., Laut zum Stillstehen der
Pferde ; Laut , des Schauders.
^ Bruch, m. {-es, PI. Brücke): Handlung
des Brechens: Gebrochensein: Stelle, wo et-
293
Bruch
brüllen
294
was gebrochen ist; Abgebrochenes; Teil eines
Zahlenganzen (schon 1514 bei Böschensteyn).
Mhd. bruch, ahd. brüh m., zu brechen. ABL.
brüchig:, adj., mhd. brüchic.
■Bruch (mit ü), n., häufiger m. (-es), PI. Bril-
cher und Brüche) : Sumpfboden ; Sumpfwiese.
Mhd.bruochn. m., ahd. bruohn., dazu mnd. brök
n., ndl. broek f., ags. bröc «Bach, Gießbach»,
engl.brook «Bach». Dunkler Herkunft; kaum
zu brechen, als Ort wo Wasser hei-vorbricht
oder zu brack (s. d,). Redensart: in die
Brüche gehen «verloren gehen», eig. «in den
Sumpf geraten» (vgl. in die Pilze gehen).
ABL. bruchig, adj., spätmhd. bruochig und
bruochehf.
■^ Bruch (mit ?7), f., auch n. (PI. Brüche):
Art Hosen. Nur noch mimdartlich (Schweiz).
Mhd. h'uoch f. n., ahd. bruohha f. und bmoh n. ;
dazu mnd. brök, ndl. broek, ags. bröc f., engl.
breeches -{ein ¥1.), ariord. brök f., schwed. brok,
dän. brog «Hose». Dazu ags. brec «Steiß».
Übereinstimmend mit gall.-lat. bräca f. «Hose»,
afranz. braies, ital. brache PL, das wahrschein-
lich auf das deutsche Wort zuriickgeht.
Weiter vergleicht Schrader ZfdW. 1, 238
lat. suffrägines «Hinterbug der Tiere», so
daß die Bedeutimg des ags. Wortes am ui--
sprünglichsten wäre. Unsicher.
Brüche, f. (PI. -n)-. Vergehen (Gesetzes-
bruch); Buße in Geld dafür. Nach dem
ndd. bröke f., mnd. broke m. (bei J. Moser
Brüchte m.) «Vergehen, Geldstrafe dafür», das
zu ^Bruch gehört. Bei Schottel 1663 bruchig.
brüchig, s. ^Brvch.
Bruchstück, n. Als Verdeutschung des
lat. fragmentum in den ersten Jahrzehnten
des 17. Jh. aufgekommen; schon bei Duez 1642.
Brücke, f. (PI. -w): über einen Fluß,
Graben oder eine Schlucht gebauter Weg
von Holz oder Stein. ]VIhd. brugge, brücke
und brügge, brücke, ahd. brucka f.: dazu ndl.
brug, ags. brycg, engl, bridge, anord. hryggja
«Landungsbrücke, Hafendamm», schwed.
brygga f., dän. brygge «Bräcke». Im Nord,
existiert außerdem eine Form ohne Guttural
anord. brü f. «Brücke», schwed.-dän. bro. Diese
ist zu abg. brfwi «Brücke, Augenbraue» zu
stellen, wozu weiter gr. öq)püc m. «Augen-
braue», und führt auf eine Grundform *brmvi-;
die Form mit Guttural (got. "^In-ugja) hat
sich aus dieser entwickelt. Das Wort ist
also mit «Braue» zu verbinden, wobei aller-
dings die Bedeutungsentwicklung nicht klar ist.
Oder es ist als Grundbed. nach dem verwandten
Schweiz, brügi (brnge bei Maaler 1561) «er-
höhter Bretterboden, Brettergerüst», die von
«hölzernes Gerast» anzunehmen (obd. Brück
auch «breite Liegestatt von Brettern am Ofen,
Gestell» u. dgl.), vgl. noch Prügel. ABL.
brücken, v.: eine Brücke oder als Brücke
bereiten; mit einer Briicke versehen. Mhd.
brücken, ahd. bnickon; ags. brycgian ist
«pflastern».
brudelu, s. brodeln.
Bruder, m. (s, PI. Brüder): Person
männlichen Geschlechts, die mit einer andern
dieselben Eltern oder denselben Vater, die-
selbe Mutter hat; Person gleichen Amtes oder
Ordens. Mhd. bruoder (PI. bruoder, erst spät
brüeder), ahd. bruodar: dazu asächs. bröthar,
ndl. broede^; ags. brödor, engl, brother, anord.
bröthir, schwed.-dän. broder, bror m. Über-
einstimmend mit lat. fräfer, gr. qppdxuup (Mit-
glied eines Geschlechts), ir. bräthir, aind.
bhrätä, abg. bratü, lit. bröterelis, arm. eibair
m. Neben der starken Flexion findet sich
älternhd. auch die schwache, noch häufig bei
den Dichtern der schlesischen Schule. ABL.
brüderlich, adj. u. adv., mhd. bruoderlich.
brüederlich, ahd. bruodarlih; dazu Brüder-
lichkeit, f., 1778 bei Lavater Aussichten 4,
22. Brüderschaft, f. Altemhd. (vom Sing,
gebildet) Bruderschaft , mhd. bruoder Schaft,
ahd. bruodar scafi., dazu asächs. bröderskepi m.
Brühe, f. (PI. -n): zusammengesetzte
Flüssigkeit, besonders gekochte. Mhd. h'üeje f.
Von brühen, v.: mit heißer Flüssigkeit be-
gießen, daß sie einbrennt: (älternhd.) bi-üten
(bei Luther ausbrüen «ausbrüten» Hiob 39,
14, auch bei Alberus Dict. Wa2^ und HH 2'').
Mhd. brüejen, brüen «mit heißem sengen»:
dazu ndl. broeijen «erwärmen, brüten». Ver-
wandt mit braten (a. d.), Brodem und brauen.
S. auch Brut.
Brühl, m. (-es, PI. -e): mit Gras und
Büschen bewachsene tiefe Fläche; bebüschte
tiefe, nasse Sumpfwiese: Sumpf lache. Mhd.
brüel, ahd. pruil, proil m., dazu mnl. proiel
«Tiergarten». Aus dem Romanischen, wo ital.
broglio m. «Küchengarten», prov. bruelh, franz.
breuil m. «Gebüsch», mlat. broilus, brogilus
«umzäuntes Gebüsch oder Baumstück, Wäld-
chen», die wahrscheinlich aus dem Keltischen
(vgl. breton. bro «Gegend») stammen.
brüllen, v. : erschütternd schreien, in
tiefem Ton erschütternd schallen. Mhd.
brüelen, daher auch älterahd.-obd. brülen und
noch jetzt mundartlich: im Ablaut zu dialek-
19*
295
brummen
Brtisch
296
tischem hrallen «schi-eien» (s. prahlen) stehend..
Die Form mit kurzem ü stammt aus dem
Md. (1470 in Diefenbachs mlat.-hochd.-böbm.
Wb. Sp. 186 prüllen, 1482 im Voc. theut. t3*
prullen, bei Luther hrUllen), dazu ndl. brüllen.
Nach Bugge Btr. 21, 421 zu lit. Uiäuju
«brüllen», indem r aus l durch Dissimilation
entstanden ist.
brummen, v.: dumpfen Ton von sich
geben; (in der neuern Umgangssprache) im
Gefängnis sitzen. Mhd. brummen, dazu ndl.
bromnien, das zu dem starken V, mhd. brimmen
(Prät. brani, Part, gebrummen) gehört, zu
dem es urspr. nur eine abweichende Präsens-
bildung darstellt, weiter auch zu dem ein-
faches m zeigenden mhd. bremen, ahd. breman
«brummen, bmllen» (s. ^Bremse). Man ver-
gleicht damit lat. fremere «bi-ummen, dumpf
tönen», gr. ßp^ineiv «dumpf, hohl tönen,
rauschen», ai. marmaras «rauschend», indem
man mr als Anlaut annimmt. Vgl. Osthoff
Morph. Unters. 5, 93 ff. S. auch Bnmft ABL.
brummein, v., frühnhd. brumlen. brum-
mig, adj., .1691 bei Stieler fcrMmmicM ZUS.
Brummeisen, n.: die Maultrommel. Bei
Eädlein 1711.
Brunelle, f. (PI. -n): Braunwurz oder
Gottheil, ein Heilmittel, namentlich gegen
die Bräune. Spätmhd. brunelle aus franz.
brunelle f., von ital.-span. bruno, franz. brun
«braun».
brünett, adj.: braunhaarig, eig. bräun-
lich. Substantiviert Brünette, f. (PI. -n):
Braune, Bräunliche von Gesichtsfarbe und
Haar. Aus dem franz. brunet (F. brünette),
ital. brunetto, das mit Diminutivendung ab-
geleitet ist von franz. brun, ital. bruno «braun».
In der 1. Hälfte des 17. Jh. entlehnt (1646
bei Moscherosch Philander 2, 208 Brünette).
Brunft, f.: Äußerung des Begattungs-
triebes beim Rot- und Schwarzwilde. Mhd.
brunft f. «Bninstzeit des Hirsches» (ein an-
dres brunft «Brand» gehört zu brennen).
Mit Entwicklung eines f (vgl. Zunft, Kunft,
Vernunft) zu dem unter brutmnen erwähnten
mhd. brenien, ahd. breman «brummen, brüllen»,
hier vom verlangenden lauten Schreien des
Wildes zu verstehen. ABL. brunften, v.:
den Begattungstrieb äußern.
Brunkel, m. n. (-s): wässeriges Gelände
mit Graswuchs. In Hessen, am Rhein, im
Elsaß. Verwandt mit Brink (s. d.).
Brunn, m. {-es, PI. -en), meist Brunnen,
m. (-S, PI. wie Sg.): aussprudelnde, zutage
kommendeQuelle;Quellwasser;Behälter, worin
sich ausbrechendes Quell wasser sammelt; Harn.
Mhd. brunne (Gen. brunnen), ahd. brunno m.;
dazu asächs. brunno, ags. (mit Umstellung
des r) burna, got. brunna m. Vgl. auch Born.
Wohl zu brennen zu stellen, als «das Wal-
lende, Siedende» (vgl. mhd. sot m. «Brunnen»,
zu sieden), oder wurzelverwandt mit gr.
qpp^ap, Gen. qppdaroc «Brunnen», aus *qppeFap.
Das urspr. schwache M. hat sich früJmhd.
in Brunn, Gen. Brunns und Brunn, Brunne,
Gen. Brunnen geteilt, Luther hat übei-wiegend
die starken Formen (auch mit dem PI. Brünne),
seltener die schwachen (im PI. als Mischform
auch Brünnen). Sonst überwiegt älternhd.
Brunn, Gen. Brunnen oder Brunnens, in den
andern Kasus Brunnen; die Form Brunnen
im Nom. Sg. dringt erst im 18. Jh. durch
und ist bei Adelung allein angegeben. Jetzt
ist Brunn, Gen. Brunns (aber im PI. nur
Brunnen) fast nur poetische Form. ZUS.
Brunnquell, m. {-s, PI. -en): QueU, woraus
ein Brunn entsteht; (bildlich) Ursprung. Da-
für spätmhd. brunnenquelle, bei Luther brunne-
quelle f., dagegen um 1480 im Voc. ine. teut.
cd^ brunquel «scaturigo».
Brünne, f. (PI. -n): Harnisch, Im 19. Jh.
wieder aufgenommen aus mhd. brünne, brünje,
brünege, ahd. brunna, brunnia f.; dazu ags.
(mit Umstellung des r) byrne, anord. brynja,
got. brunjö f. Wahrscheinlich aus air. bruinne
«BiTist» entlehnt.
Bruno, Mannsname. Ahd. Bruno «der
Braune», das schwach dekl. Mask. des Adj.
braun (s. d.),
Brunst, f. (PL Brünste) : großes verzehren-
des Feuer; innere Glut, Hitze im Menschen;
Heftigkeit des Geschlechtstriebes. Mhd.-ahd.
brunst f.; dazu ndl. bronst, got. (nur in Zu-
sammensetzung) -brunsts f. Zu brennen mit
Entwicklung eines inneren s (vgl. Grinst,
Kunst). ABL. brünstig, adj. u. adv., mhd.
brünstec.
brunzen, v.: den Harn gehen lassen.
Nur noch südd. Mhd. brunzen aus älterm
brunnezen, einer verstärkenden Ableitung von
mhd. brunnen «harnen», von brunne m., hier
in der Bed. «Wasser, Harn».
Brüsch, m. {-es, PL -e): der Mäusedorn,
ruscus aculeatus. Spätmhd. brüsch, aus franz.
brusc, ital.-span. brusco ro., die wohl mit vor-
gesetztem b (vielleicht unter Einwirkung von
lat. biniscus, bruscum, s. unter brüsk) neben
ital.-span. rusco m. aus dem lat. Namen rus-
297
brüsk
Bnbe
298
cum n. neben ruscus f. hervorgegangen sind
(andre denken an Zusammenhang mit anord.
bniskr m. «Haarbüschel»),
brüsk, adj. u. adv.: barsch, heftig, rück-
sichtslos. Aus dem gleichbed. franz. hrusque,
ital. hrusco, die auf ein lat. Adj. hniscv.s
«knollig» zurückgeführt werden, das aus hrus-
cum n. «schwammiger Auswuchs am Ahorn-
baum» erschlossen wird. Bei Sperander 1728
h~usque.
Brust, f. (PI. Brüste): Vorderteil des
Leibes vom Halse bis zum Magen; die Milch-
drüse der Frau. Mhd.-ahd. b)~ust f.; dazu
mnd. hurst, borst, ndl. hörst f., got. hnists f.
PI. (nait konsonantischer Flexion). Femer mit
andrer Ablautform asächs. hreost, ags. breost
n., engl, breast, anord. brjöst, schwed. hröst,
dän. hryst n. Das Wort scheint urspr. die
Form eines Duals gehabt zu haben. Her-
kunft unsicher; häufig, aber kaum richtig,
stellt man Brust zu mhd. brieten «an-
schwellen, knospen», ags. breotan, anord. brjöta
«brechen», asächs. &rasftan «knospen», Grund-
bed. danach «die schwellend Yorbrechende».
Eher ist air. brü, Gen. bronn (aus *brusö)
«Bug», bruinne «Brust» vei-wandt. ABL.
brüsten, refl. v.: eig. die Brust vorstrecken,
dann (wie «sich in die Brust werfen») stolz
tun. Mhd. sich brüsten, brüstig, adj. in
eng-, hoch-, vollbrüstig. Brüstung, f.: bis
zur Brust reichende Schutzwand. Erst bei
Adelung 1774. ZUS. Brustbild, n.: Bild
bis zur Brust, 1557 bei Sleidanus übers, v.
Stamler 202». Brustfleck, m.: Brustleder,
Schurzfell. Ahd. brustflech m. «ein die Brust
bedeckendes priesterliches Gewand», mhd.
nicht zu belegen, dann bei Henisch 1616 im
jetzigen Sinn. Brustkern, m.: der stoff-
haltige, ausgesuchteste Teil an der Brust des
geschlachteten Rindviehes. Bei Henisch 1616.
Brustwehr, f.: Schutzwehr, die den Mann
bis über die Brust, also bis an die Zähne
deckt. Mhd. brustwer f. n., ahd. brustweri f.,
zusammenges. mit Wehr (s. d.).
Brut, f. : Hitze zur Ausbildung des Jungen
im Eie, dann das belebende Sitzen über dem
Eie; das Ausgebrütete. Mhd. bruot f. (auch
überhaupt «Hitze»); dazu ndl. broed n., ags.
bröd f., engl, brood «Brut». Von brühen (s. d.)
mit Dentalsuffix gebildet. ABL. brüten,
selten brüten (auszubrüten Uhland 73), v.:
wärmen, belebend erwärmen d. h. in Hitze
z\ir Belebung des Eies über diesem sitzen.
Mhd. brüeten, ahd. bruoten: dazu ndl. broeden,
ags. bredan, engl, hreed «erzeugen» und brood
«briiten». Alternhd. und mundartlich dafüi*
auch brühen (s. d,). brütig, adj.; brütend,
bebrütet; dumpf, schwül. Mhd. brüetic heißt
«entbrannt», ags. hrödig, engl, broody «brütend^.
brutal, adj. u. adv.: ungeschliffen, roh
und grob im Benehmen. Aus dem gleich-
bed. franz. brutal, ital. brutale eig. «viehisch,
unvernünftig», aus vulg.-lat. brUtälis, abge-
leitet von lat. brütus «imvernünftig». Um
1600 entlehnt. ABL. Brutalität, f.: Pioh-,
Grobheit, Flegelei. 1598 bei Albertinus Send-
schreiben 2, 5^. Xaeh mlat. brutaXitas (Gen.
brutalitatis) f.
brüten, brütig, s. Brut
brutzeln, v.: l. intrans. langsam kochend
oder bratend leise tönen, 2. trans. in leisem
Tönen langsam kochen oder braten. Mund-
artlich in Mitteldeutschland und Schwaben,
auch prutzeln (Weise Cath. 267 und schon
im 16. Jh.), brotzeln (Goethe Urfaust 1431,
Eückert 2, 220), protzein. Das Wort hängt mit
brodeln (s. d.) zusammen, wie schnitzen mit
schneiden. Im Obd. dazu das ablautende
bratzeln (Mörike2, 154), bretzeln ^Tprasseln».
l)St! Interj., durch die Aufmerksamkeit er-
regt (Lessing 1, 236) oder Stillschweigen her-
i vorgerufen werden soll (Maler Müller 1, 801).
bubbeln, V.: Blasen aufwerfen. Bei Voß
Ged. 1, 179. Scheinbar lautnachahmendes
Wort, entsprechend ndl. bobbelen, engl, hubble,
, schwed. buhhla, dän. hoble, wahrscheinlich aber
i eine reduplizierte Büdung zu bullern.
Bube, m. {-n, PI. -n): noch nicht aus-
gewachsene männliche Person; zuchtloser
Mensch; nichtswürdiger Mensch. Mhd. (noch
selten und-erst gegen 1300 auftauchend) buobe,
I in md. Quellen auch buofe (auch bei Luther
' friiher Bufe und noch im 18. Jh. Büfchen,
z. B. Hagedorn Od. 100) m. «Knabe, Diener,
Troßknecht, zuchtloser Mensch, Spieler»; friih-
nhd. in der Bed. «zuchtloser, schlechter
Mensch» sehr gewöhnlich (auch bei Luther),
in obd. Quellen außerdem in der Bed. «dienen-
der Knabe», später auch (z. B. bei Fischart)
in der Bed. «Knabe» schlechtweg, «Sohn»,
die jetzt in der südd. Umgangssprache herrscht
I (mundartlich auch «Geliebter»). Dazu ndl.
' boefm. «Schelm», engl, boy «Knabe», schwed.
bof m. «Spitzbube». Das Wort muß trotz
seines späten Auftretens als germanisch an-
gesehen werden (im Ahd. erscheint Bitobo
als Eigenname), es ist urspr. Kosewort der
Kindersprache und steht im Ablaut zu mhd.
299
Buch
Buchstab
3Ö0
hähe «alte Frau», Schweiz, häbi «Mädchen»,
engl, haby «Kind», Grundform böbö oder bäbä.
ABL. (von Bube «zuchtloser Mensch» aus-
gehend) buben, v,: sich wie ein Bube be-
nehmen, namentlich in kuren und buben.
Prühnhd. (spätmhd. in verbuoben), auch bei
Luther. Davon das Demin. bübeln, v.:
(Schiller 1, 344). Frühnhd., z. B. Murner
Schelm, 17, 39 bieblen, bei Seb. Brant mit
fremder Endung bubelieren. BÜbin, f., spät-
mhd. büebin. bÜbisch, adj., spätmhd. büe-
bisch. Büberei, f., mhd. buoberie. ZUS.
Bubenstück, n., frühnhd. (z. B. Murner
Geuchm. ml^ (Y. 1645), Luther 8, 348 W).
Buch, n. {-es, PI. Bücher): zu einem
Ganzen zusammengeheftete Pergament- oder
Papierblätter; Hauptabteilung eines Werkes;
24 Bogen Papier. Mhd. buoch (PI. buoch, erst
später büeclier) n., ahd. buoli n., auch f.; da-
zu asächs. bök f. n., ndl. boek n., ags. böc f.
(PI. bec), engl, book, anord. bök f. (PI. boekr),
schwed. bok f., dän. bog. Ln Got. bedeutet
der Sg. böka f. «Buchstab» und der PI. bökos
«Buch, Schrift, Brief»; auch im Ahd.-Asächs.-
Ags.-Anord. hat öfter der PI. noch die Bed.
«Buch», die dem Sg. urspi*. nicht zukommt.
Dieser bezeichnet vielmehr das aus Buchen-
holz geschnitzte Stäbchen zum Einritzen von
Runen (s, Buchstab), dann auch das Schi'ift-
zeichen, den Buchstaben selbst; der PI. nimmt
die Bed. «Schriftstück» an, die später auch
auf den Sg. übergeht. Nach Tacitus Germ.
10 wui'den in der ältesten Zeit unseres Volkes
die zunächst zu Los und Weissagung ge-
brauchten geheimnisvollen Runenzeichen in
Zweigstücke eines fruchttragenden Baumes
eingeritzt, und zu den fruchttragendenBäumen
gehörte der Eckern wegen ganz vorzüglich
die Buche. ABL. buchen, v.: in ein Buch
eintragen. Neues, erst bei Campe 1807 ver-
zeichnetes Wort (vielleicht nach dem gleich-
bed. engl. book). Mhd. buochen «dui-ch ein
Buch lehren». Bücherei, f.: Büchersamm-
lung. Bei Krämer 1678, wohl in den Sprach-
gesellschaften für «Bibliothek» aufgekommen.
ZTJS. 1) mit dem Sg. Buch: Buchbinder,
m. Buchdrucker, m. Beide in der 2. Hälfte
des 15. Jh. (z. B. puchpijifer Städtechron. 11,
641, Svom J. 1501, buchtrucker Mone Zeitschr. 1,
311 vom J. 1478). Buchführer,m.: (flüher)
Buchhändler (so schon 1489, Germ. 28, 361):
(jetzt) Führer des Geschäftsbuches. Buch-
halter, m., im 16. Jh. (1562 bei Mathesius
Sar. 238^). Buchhandel, m., im 17. Jh.
: (Gombert 7, 16 v. J. 1627). Buchhändler,
m., 1575 im Theatrum diabolorum am Schluß
der Vorrede. Buchmacher, m.: der die
j Aufforderung zur Eingehung von privaten
Wetten bei Pferderennen (das Buchmachen)
gewerbsmäßig betreibt, in neuester Zeit nach
engl, bookmaker. 2) mit dem PI. Bücher:
Bücherwurm, m., auch Mensch, der sich
immer mit Büchern beschäftigt (1668 bei
Erasmus Francisci Oriental. Staats- und Lust-
garten 1, 1617 'i).
Buche, f. (PI. -n); der Waldbaum fagus.
Mhd. buoche, ahd. buohha f.; dazu ndl. beuk
m., ags. böc (in böctreow) und (mit einer
Ableitung und damit verbundenem Umlaut)
bece n, engl, beech, anord. bök f., schwed. bok
f., dän. bog. Der Lautverschiebung gemäß
übereinstimmend mit lat. fägus f. «Buche»,
gr. qpriTÖc und cpayöc f. «Speiseeiche». Weiter
gehört dazu wahrscheinlich kurd. büz «Ulme»,
abg. büzü «Holunder» und bauchen, vielleicht
auch Bauch. Vgl. Osthoif Bezz. Btr. 29, 249 ff.
ABL. Buchel oder Büchel, f.: Fx-ucht
der Buche, Bucheichel, mhd. büechel f. Vgl.
Eichel, buchen, buchen, adj.: aus Buchen-
holz bestehend. Mhd. buochm, büechin, ahd.
bughhin. Auch in den Zusammensetzungen
Buchenholz, Buchenlatih, mhd. buochm loup.
ZUS. Buchecker, f.: Buchel. In Glos-
saren des 15. Jh., bei Diefenbach nov. gl. 339^
bucheck'ir vom J. 1420, um 1480 im Voc. ine.
teut. t7^ puchacker (s. Ecker). Buchfink,
m.: der sich gern in Buchenwäldern auf-
haltende Fink, spätmhd. buochvinke m,
Buchs, m. [-es, PI. -e): immergrünes
Gartengewächs zur Einfassung der Beete;
Buchsbaumholz. Mhd. buhs m., aus gr.-lat.
buxus, gr. TTÜSoc f. «Buchsbaum und Buchs-
baumholz». ZUS. Buchsbaum, m., mhd.-
ahd. buhsboum m.
Büchse, f. (PI. -n): walzenförmiges hohles
Gefäß als Behälter; Feuergewehr mit ge-
zogenem Laufe. Mhd. bühse (in der Bed.
Feuerrohr zum Schießen erst in der 2. Hälfte
des 14. Jh.), ahd. buhsa f., aus mlat. buxis
f., gr.-lat. pyxis, gr. ttuEic f. «Büchse aus
Buchsbaumholz», von gr. ttüEoc, s. Buchs.
Buchstab und Buchstabe, m. (Gen.
Buchstabens, PI. Buchstaben): Lautzeichen.
Mhd. buochstabe (Gen. -stoben), meist aber
stark buochstap m., ahd. buohstap m.; dazu
asächs. bökstaf und bökstabo m., ndl. boekstaf
f., ags. böcstcef, anord. bökstafr m., schwed.
bokstaf m., dän. bogstav n. Urspr. nichts
301
Bncht
Bückling
302
anderes als Stab (Zweigstüok) der Buche,
auf denen ein Runenzeichen zu Los- und
Weissagung eingeritzt war. Solche Stäb-
chen wurden aufs Geratewohl über ein aus-
gebreitetes weißes Gewand gestreut, sodann
aufgelesen und jenen Zeichen gemäß gedeutet,
entweder indem man, wie die Stäbchen nach
und nach aufgelesen wurden, aus ihnen ein
Wort zusammensetzte oder auch dem Namen
jedes Zeichens (Buchstabens) einen Bezug auf
den fraglichen Gegenstand gab. Im Anord.
findet sich neben hökstafr auch das einfache
stafr, wie im Ags. stcef für Buchstabe. Vgl.
Buch, lesen. Das zugrunde liegende schwache
M. wird durch Antreten eines s im Gen.
Sg. zur starken Dekl. übergefühi-t, der Nom.
Sg. erhält sich im altem Nhd. meist mit
abgeworfenem e als Buchstah (füi* diese Form
tritt noch Adelung ein ), während jetzt Buch-
stabe das Gewöhnliche ist, nm* selten mit
Antreten des n von den andren Kasus als
Buchstaben (doch schon vereinzelt bei Luther
2. Kor. 3, 6); starke Flexion von Buchstah
kommt vereinzelt vor. ABL. buchstabieren,
V.: die Buchstaben einer Silbe, eines Wortes
einzeln aussprechen und zusammensetzen.
Schon frübnhd. (z. B. bei Luther 8, 294^
Jen.), doch daneben ohne die fremde Endung
auch buchstahen, wie schon mhd. buoch-
stdhen. buchstäblich, adj. Bei Ludwig 1716,
ältemhd. dafür huchstabisch.
Bucht, f. (PI. -en) : Einbiegung des Meeres
oder eines Sees ins Land; hohlrunde Ein-
biegung. Aus dem Xdd., mnd. hichf, mnl.
bochf «Einfriedigung füi's Vieh»*. In der
1 . Bed. erscheint das Wort zuerst bei Apinus
1728 und wird dann im 18. Jh. mehrfach, zu-
nächst als ndd., dann von Adelung als hd.
(doch voi-züghch in Niedersachsen übliches)
Wort verzeichnet; die Bed. «Krtimmung,
Biegung», dann (urspr. i-under) «Verschlag»
(namentlich in Schweineh.) ist noch jetzt ndd.
Dazu ndl. bocht f. '< Bucht, Krtimmung/>, engl.
hought und hight «Bucht, Bug, Krümmung»,
schwed. bukt, dän. btigt m. «Krümmung, Bucht».
Zu biegen mit Dentalsuffix gebildet, wie Flucht
zu fliehen. ABL. buchtig, adj.
Buchweizen, m. (s): MehLfrucht aus
dem Geschlechte des Wegebreites, das Heide-
kom (s. d.). Die Pflanze kam erst im 15. .Jh.
nach Europa und wurde Buchweizen genannt,
weil die Frucht in ihrer Gestalt der Buch-
ecker und nach ihrem Geschmacke dem Weizen
ähnelt. Die Benennung stammt aus dem
nördlichen Deutschland, sie kommt schon im
15. Jh. in L'rkunden vor (v. Fischer-Benzon
altd. Gartenflora S. 170), 1517 verzeichnet
Trochus zuei-st Buchweiß, 1537 Dasypodius
Butziceyß, 1561 Maaler Butzweissen, im 17. Jh.
steht Buchweifzen bei Duez, Krämer u. a.
^Buckel, f. (PI. -n): erhabene Metallver-
zierung. Mhd. buckel f. m. «erhabener Erzbe-
schlag in der Mitte des Schildes», aus dem
gleichbed. afranz. bocle, nfranz. boucle f., die
zurückgehen auf lat. buccnla «Backen», dann
«Erhabenheit, Erhöhung», das Dimin. von
lat. bucca f. «der (volle, aufgeblasene) Backen».
"Buckel, m. (-S, PI. wie Sg.): Rücken-
auswuchs; der Rücken selbst. Früher auch
Puckel geschrieben, namentlich bei nordd.
Schriftstellern. Zu hucken ^bücken «biegen»,
also eig. «Krümmung» (nach andern aus
^Buckel geflossen). Erst frühnhd,, zunächst
in der 1. Bed. (um 1480 im Voc. ine. teut,
d4^ bickel. verdinickt für buckel «Höcker»,
1515 bei Hüpfutt" buckel, 1561 bei Maaler das
Dim. bügkele n. «kleiner hoger»), dann auch
in der 2. (1546 bei Liliencron 4, 391 der
puckel Mt sie gejuckt). Das Wort scheint
aus dem Obd. zu stammen, hat sich später
auch im Norden festgesetzt, wobei für das
anl. stimmlose b p gesetzt worden ist. Vgl.
auch Bühel. ABL. buckelig, bucklig, adj.,
ältemhd. bucklig (um 1480 im Voc. ine. teut. 17'')
und huckelicht, spätmhd. pugklocht «höckerig».
Buckelörum, m. : Buckliger (Goethe 1.3,300).
Aus der rheinischen Umgangssprache, eig.
Gen. PI. von einem halblat. buckelus.
bücken, v. : vorwärts niederbiegen. Mhd.
hucken, bücken. Als Intensi^nim zu biegen
gebildet.
Bücking, Bückling, m. (-s, PI. -e): ge-
räucherter Hering. Spätmhd. bücking (Nümb.
Polizeiordn. 168 pücking, 14. .Jh.), auch schon
bückling (um 1480 im Voc. ine. teut. d4*'
buckling), wie das ndl. bokking m. abgeleitet
von Bock, weü der Fisch einem Bockshorn
ähnelt, weshalb er mnl. neben buckinc auch
boxhoren heißt. 1616 bei Henisch 440 Böck-
ling (auch Gargantua 80), Bockshering. Mit
geschwächtem Vokal 1537 bei Dasypodius
Bicking, 1616 bei Henisch 368 Bickling, Pick-
ling, in md. Mundarten auch Bittling und
Bittlich. Vgl. Pickelhering.
bucklig, s. Buckel.
Bückling, m. (-S, PI. -e): Verbeugung.
Von sich bücken. Erst im 17. Jh. l'bei Grim-
melshausen Simpl. 304).
303
buddeln
Buhle
304
buddeln, s. pufteln.
Bude, f. (PI. -n) : Bretterhütte ; Kramladen ;
Zimmer (student.). Mhd. (in ostmd. Quellen)
hüde,buode; dazu mnd.&ö^e, mengl. böße, nengl.
hoofh «Bude», schwed.-dän. hodf. «Kramladen».
Zu haue7i, aber mit auffallendem germ. 6 für ü,
dagegen anord. büä f. «Wohnung, Aufenthalt,
Zelt, Hütte». Im Nhd. anfangs wenig üblich,
zuerst bei Krämer 1678. Vgl. auch Baude. |
ABL. Büdner, m. (s, PI. wie Sg.) : Inhaber 1
einer Bude; (in Norddeutschland) Häusler. !
Büfett, n. (-S, PI. -e) : Kiedenztisch, An- 1
richte. Schon 1556 Schweiz, puffet n. «An-
rieht mit silbernen und goldenen Geschirren »
(Frisius 1347*', Dictionariolum 182^, huffet^o-
menclator 109^), aus dem gleichbed. franz.
hu ff et, ital. huffetto m. Unbekannten Ur-
sprungs, kaum von ital. huffare «aufblasen»,
also eig. pomphaftes, prunkhaftes Ding.
Büffel, m. (-S, PI. wie Sg.): eine Art
wilder Ochsen. Spätmhd. hüffel m., aufge-
nommen aus franz. hufle, das aus ital. Mfolo,
Mfalo stammt, mlat. Mifalus, gr.-lat. Mibalus,
gr. ßoüßaXoc m., welches letzte eig. eine afrika-
nische Ga^ellenart, später eine Art wilder
Ochsen bedeutet. ABL. büffeln, v.: sehr
angestrengt arbeiten. Wohl eigentlich Dim.-
Bildung zu mhd. buffe7i (s. puffen) «schla-
gen» (vgl. 1571 bei Mathesius Sar. 40** hart
und lang püflen und schlagen), später aber
an Büffel angelehnt, was dann auch die Nach-
bildung ochsen hervorgerufen hat. Schon bei
Luther hüffelerbeit«h.a,vte, mechanische Arbeit».
Bug, m. (-es, PI. Büge und Buge) : Stelle,
wo eine Krümmmig ist; Körperteil mit Wirbel-
knochen ; breites Vorderteil des Schiffes. IVIbd.
buoc (PI. büege), ahd. buog m. «das obere Ge-
lenk des Armes (die Achsel) und der Vorder-
beine bei den Tieren, das obere Gelenk des
Schenkels (die Hüfte)»; dazu ndl. boeg «Schiffs-
bug», ags. bog, böh «Schulter, Arm, Ast»,
engl, bough «Ast» und boio «Schitfsbug»,
anord. bögr «Bug», schwed. bog, auch «Schiffs-
bug», dän. bov und boug m. «Schiffsbug».
Übereinstimmend mit aind.&äMs (Jüv^bhäghu)
«Arm», aw. bäzav- «Arm», gr. irf|xuc m. (für
*q)rix»Jc) «Bug zwischen den beiden Hörnern
des Bogens, Ellenbogen, Unterarm», armen.
bazuk «Ellenbogen». Die Bed. «Schiffsbug»
stammt aus dem Ndl. (sie beruht wohl auf
einem Vergleich des Schiffes mit einem Pferde)
imd ist von hier aus ins Deutsche, wie Eng-
lische und Skand. gedrungen, sie findet sich
hd. schon bei Duez 1642.
Bügel, m, (-S, PI. wie Sg.): ringförmig
Zusammengekrümmtes. Dem Hd.urspr. fremd,
mhd. (vereinzelt) bügele f. «Steigbügel», dann
um 1480im Voc.inc.teut.c4^ &M^eZ«armillus»,
bei Luther bügel und bögel m. «Reif eines
Kranzes», bei Henisch 1616 bügel, bigel usw.
Dazu mnd. bogel, ndl. beugel m. «großer me-
tallner Ring, Steigbügel». Zu biegen. ABL.
bügeln, V.: (Wäsche, Zeug) glätten durch
Daräberhinfahren mit dem heißen Glätteisen
{Bügeleisen). Bei Krämer 1678 bögelen, pögelen,
bei Stieler 1691 biegelen (biegein auch noch
bei Goethe 1, 304), bei Steinbach 1734 bügeln.
Bei Krämer 1678 auch Bögel- oder Pögeleisen
«Bügeleisen», nach der ringförmigen Krüm-
mung des Glätteisens benannt.
bugsieren, v.: (ein Schiff) durch Ruder-
bote an Tauen vorwärts ziehen. Aus dem
Ndl., wo jetzt boegseeren, aber bei Kilian
1599 boechseerden, entlehnt aus portug. puxar
«ziehen, schleppen», Liebich Btr. 23, 226. Bei
Ludwig 1716 bogsiren.
Bugspriet, n. {-es, PI. -e): die über dem
Vorderteile des Schiffes schräg in die Höhe
ragende Stange. Aufgenommen aus ndl. boeg-
sjn'iet f. (auch ins Engl, entlehnt als bow-
sp'it, ins Schwed. als bogspröte n.), das zu-
sammengesetzt ist aus boeg «Vorderteil des
Schiffes» (s. Bug) und spriet f. «schräg gehende
Segelstange am Mäste» (s. sprießen). Im Hd.
erscheint das Wort als Buchsbred bei Hulsius
Schiffarten 11, 85 und ist bei Ludwig 1716
als Boogspret und Bugspreet verzeichnet.
Bühel, Bühl, m. {-s, PI. wie Sg.): natür-
liche Erhöhung des Bodens in einer Ebene,
mäßiger Hügel ; (bildlich) Auswuchs an Leibes-
gliedern (bei Musäus Volksm. 4, 106 Ulrich
mit dem Bühel d. i. der mißwachsenen ver-
renkten Schulter; schon mhd. Flore 6911).
Oberdeutsch; Luther und den meisten Wörter-
büchern fehlend, aber von Wieland gebraucht
(auch von Goethe 2, 36). Mhd. bühel, ahd.
buhil m. Mit grammatischem Wechsel zu
biegen gehörig, s. auch Beule und Buckel.
Eine oberd. Nebenform ist Pohl m.
Buhle, m. (-n, PI. -7i): Geliebter. Mhd.
buole m. «geliebte männliche Person, z.B. naher
Verwandter, Bruder, Gatte, lieber Freund,
dann auch auf eine Person weiblichen Ge-
schlechts bezogen, Gehebte, Beischläferin» (hier-
für erst spätmhd. auch buole f.); dazu mnd.
böle m. trauliche Bezeichnung von Verwandten
oder sonst durch Beruf nahestehenden oder
befreundeten Personen, Dim. böleken «leib-
305
Bnlme
bnm1)s! bnms!
306
liehe Geschwister». Man sieht ia B. eine
Koseform zu Bruder, die später überhaupt
in der traulichen Anrede verwandt wurde
und schließlich die Bed. «Geliebter» (im ge-
schlechtlichen Sinn) annahm. Entsprechend
nH.hoelm. undlett. hälelin's, hälin's «Brüdei--
chen». ABL. buhlen, v.: mit jem. ein
Liebesverhältnis haben, dann sich um eine
Gunst bewerben. Mhd. huolen (auch umh
eine huolen «sich um ihre Gunst bewerben»).
Davon Buhler, m. mhd. huolcere, Buhle-
rin, f. (bei Luther Bulerin) und bnhlerisch,
adj. (bei Luther hulerisch), sowie Blllllerei,
spätmhd. hnolrle f.. Blllllscliaft, mhd. huol-
schaft f. ZUS. Buhldirue, f., 1730 bei Gott-
sched crit. Dichtkunst 14.
Bnhne, f. (PI. -n, Goethe Faust 11545):
gegen das Wasser emchtete Schutzwehr aus
HolZj Reisig u. dgl. (danach Ufermauerwerk,
Kai und in Seestädten ein umschlossener Hof,
in dem die gelöschten Waren so lange auf-
gehoben werden, bis man sie in den Speicher
bringt, 1793 bei Röding Wb. der Marine 1,
411). Mittel- und norddeutsch. Zu hd. Bühne
«Brettergeiüst». Mnd. hune f. «Fischwehr»,
ndl. hun f., im Hd. vor dem 17. Jh. nicht
ZU belegen (1641 bei Zesen D. Helikon J. 4^,
1781 bei Ejndleben aufgeführt).
Bühne, f. (PI. -n): erhöhter Fußboden
von Brettern; Brettergerüste; erhöhter Schau-
platz im Theater und dieses selbst; (dialek-
tisch auch) Zimmerdecke, Bodem-aum, Spei-
cher. Mhd. hüne, hün f «erhöhter Fußboden,
Decke eines Zimmers», um 1480 im Yoc. ine.
teut. t 8^ pun «solarium», 1482 im Yoc. theut.
aa'Z'' puny «solarium», puny in einem schiff
«tabulata»; dazu mnd. hone f. «Fußboden,
Decke, Söller, Speicher», ndl. heun f. «Fuß-
boden, Fischbehälter». Vielleicht mit Boden
verwandt, falls Ausfall eines d vor n ange-
nommen werden darf. Vgl. Bönhase. ABL.
bühnen, v. : mit Brettern belegen. Mhd. in
verhilnen.
Bukett, u. (-5, PI. -s): Blumenstrauß.
Das franz. houquet m. «Blumenstrauß», eig.
«kleiner Busch», Demin. von franz. hois, ital.
hosco m. «Busch, Wald, Holz», die auf das
deutsche Busch (s. d.) zurückgehen. Bei
Wächtler 1711.
Bulge, f. (PI. -71): Wasserbehälter von
Leder. Mhd. hulge, ahd. hulga f «lederner
Sack» (mhd., ebenso mnd. und noch bei Luther
auch «Woge»). Nicht entlehnt aus dem gleich-
bed. gall.-lat. hulga, sondern mit diesem Worte
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
luwerwandt und zu Balg (s. d.) zu stellen:
also eig. «Schwellung». Dazu noch engl, hulge,
hilge «Bauch eines Fasses, Schitfsbauch», anord.
hylgja, schwed. hölja, dän. hölge f. «Woge».
^Bulle, m. (-n, PI. -n): Zuchtstier. Nord-
deutsch. Aus dem Ndd., wo mnd. hülle m.:
dazu ndl. hui, engl, hüll (erweitert hullock
«junger Ochse», ags. hulbic), altn. holi m.
Lit. hid'us m. stammt wohl aus dem Deutschen.
Weitere Anknüpfungen bieten sich mannigfach.
Von Schulze KZ. 29, 293 zu gr. qpdUoc «Ghed»
gestellt, vgl. ferner Bezzenberger Bezz. Btr. 19,
248, Johansson Btr. 15, 225, LTilenbeck Btr. 26,
290. Abgeleitet ist wohl mhd. hüllen, ahd. huUdn
«briülen». 1616 bei Henisch verzeichnet. Bei
Schiller Fiesco 2, 8 Bulle für Bullenheißer (s. d.).
-Bulle, f. (PI. -n): angehängte Siegel-
kapsel, dann die damit versehene Urkunde;
Verordnung mit dem päpstlichen Siegel. Mhd.
hidle f., aus lat. hullaf. eig. «Wasserblase», dann
«Knopf, Kugel, Kapsel». Vgl. auch Bill.
^ Bulle, f: Flasche, s. PuUe.
Bullenbeißer, m. {-s, PI. wie Sg.): Art
großer Hunde, die gegen Stiere gehetzt wird
(bei Steinbach 1734 Bullenheißer , 1719 bei
Fleming teutscher Jäger 170 Boll-Beißer), nd.
hullenhiter •. bildUch auf einen grimmig bissigen
Menschen angewandt (beiLessing 1, 286, Bollen-
heißer 1729 bei Stoppe Ged. 2, 161).
Bulleuflnke, m. {-n, PI. -n)-. Ochsen-
ziemer. 1779 bei Schummel Spitzbart 168.
Schles. Bullfinke f., zusammenges. aus Bulle
i «Zuchtstiei"» und nd. Finke «männliches Glied».
bullern, v.: Blasen werfend geräuschvoll
aufwallen: ein dumpfes Geräusch machen.
Wohl nicht entlehnt aus lat. hdläre «Blasen
werfen, aufsprudeln», sondern lautnachahmen-
des Wort, zu poltern (s. d.) gehörig, spätmhd.
hollern neben holdem. Erst bei Heynatz 1795
und Campe 1807 verzeichnet.
Bult, m. [-en, PI. -en) und Bülte, f.
(PI. -n), Bulten, m. {'S, PI. wie Sg.): be-
wachsener Erdhaufe. Aus dem Ndd., wo mnd.
hidte m. «Haufe, Hügel, Bündel», ditmars. und
mark. Biüt, BiUten: dazu ndl. Indt m. «Höcker,
Geschwulst, Erdhügel». Dunkler Herkimft.
Ins Hochd. von Voß eingeführt.
bumbs! bums! Interj. des dumpf schal-
lenden Aufschiagens oder Falles auf etwas (bei
I Schiller Kab. 1, 2 humhs, 1767 imBrem.Wb. 1,
162 hums). Lautnachahmend. Vergleichen läßt
sich gr.-lat. homhus, gr. ßö|ußoc m. «tiefer,
dumpfer Ton», das aber nicht als Grundlage
anzusehen ist. Vgl. 2?Mrnp, Pumpes, auch plump.
20
307
bummeln
Burg
308
bummeln, v. : hangend hin und her schwe-
ben; im Nichtstun umherschlendern, Ablaut-
bildung zu bammeln (s. d.). In der 1. Bed.
von Ludwig 1716 und Frisch 1741 verzeich-
net, von Voß Ged. 1, 13 gebraucht. Die
2. Bed. findet sich im 18. Jh. mehrfach in
ndd. Dialektwörterbüchern und ist erst in
neuerer Zeit allgemein geworden. Davon
Bummel, f. (PI. -n): hin und her schwe-
bendes Anhängsel und Bummel, m.: ge-
mächlicher Spaziergang, beide der neueren
Sprache angehörig, wie auch Bummler, m.
«umherschlendernder Nichtstuer».
Bund, m. (-es, PI. Bünde): Vereinigung
zu einem Zwecke; Bindemittel, Kopf binde;
Kuchen in Form eines Turbans; (gewöhn-
lich als n.) miteinander Verbundenes. Mhd.
hunt m. (Gen. hundes) «Fessel, Zusammen-
gebxmdenes, Bündnis»; dazu ndl. hondva.. Zu
linden. ABL. Bündel, m. n. {-s, PI. wie
Sg.): Zusammengebundenes zum Tragen. ]\Ihd.
hündel n. (auch gehündel, ahd. gibimtili n.);
dazu ndl. hundel m., ags. hyndele f., engl.
hundle. Älternhd. auch m. (1541 bei Frisius
776^ der püntel, auch Stieler und noch Hey-
natz 1775 setzt das M. an, das Adelung auf
das Obd. beschränkt, bei Goethe der und das
Bündel), bei Luther dafür das Bnndlin.
bündig, adj. : verbindend, fest überzeugend,
kurz zusammengedrängt und kräftig. Mhd.
hiindec «verbündet», frühnhd. bündig «ver-
bindend, kräftig». Bündnis, n.: feste Ver-
bindung zu einem Zwecke. Spätmhd. bunt-
nisse n.
Bundschuh, m. {-es,F\.-e): grober derber
Schnürschuh mit langen Riemen (Bundriemen),
Bauernschuh; Meuterei, Empörung. M.h.ä.bunt-
schuoch m.; da dieser Schuh schon um die
Mitte des 15. Jh. von den Bauern bei Auf-
i'uhr als Standes- und Feldzeichen aufge-
hangen wui'de, so entstand die Bed. «Em-
pörung» schon am Ende des 15. Jh.
^Buuge, f. (PI. -n): Trommel; trommel-
ähnliche Fischreuse. Mhd. bunge, auch mnd.
bunge, aschwed. bunga f. «Pauke, Trommel».
Im Ablaut stehend zu engl, bang, anord. banga
«schlagen». S. Bengel.
^Bunge, f. (PI. -n): Pflanzenknolle, s.
Bachbunge.
Bunkel, m. (-s, PI. wie Sg.): gedrungene,
kurze, dicke Person. Mhd. bunkel m. Schlag,
Stoß, Beule, woraus sich die Bed. «bauschige
Masse,Bündel» und «Kind von kurzem, dickem
Körperbau» (schweiz. Id. 4, 1380, Schmeller ^ 1,
394) entwickelten. Von obd. blinken «klopfen,
stoßen, pauken». Dafür schwäb. Bimkes.
bunt, adj. u. adv.: mannigfarbig. Bei
Luther und sonst älternhd. bund, bundt. Mhd.
bunt (flekt. bunter, nicht blinder) «schwarz
und weiß getüpfelt oder gefleckt, schwarz
und weiß gestreift»; dazu nd. bunt, ndl. bont.
Wegen des in der Flexion beibehaltenen t
als entlehnt anzusehen, und zwar aus lat.
pmictus, Part. Perf. Pass. von pungere «ste-
chen», also eig. «gestochen», dann «punktiert,
getüpfelt»; ein entsprechender Ausfall eines
c vor t auch in Tinte (s. d.) aus tincta.
Nach Heyne stammt es aus den Klöstern,
wo punctus das mit verschiedenen Farben
Gestickte bezeichnete. Als Subst. bezeichnet
mhd. buntn. «mehrfarbiges Pelzwerk» (ebenso
mnd. bunt n.) im Gegensatz zu grä n. «graues,
einfarbiges Pelzwerk», weshalb häufig grä
unde bunt verbunden vorkommt. ZUS. bunt-
scheckig, adj.: überladen bunt. Gegen
Ende des 17. Jh. (bei Weise Erzn. 88 bund-
scheckigt), zunächst wohl von einem mehr-
farbigen Pferde (Stieler 1691 hat Buntschack
«buntes Pferd» neben dem Subst. Bunt-
schäckigkeit, Ludwig 1116 Buntschack «hxmtes
Pferd»). Buntwerk, n. : geflecktes Pelzwerk,
mhd. buntiverc n.
Buuzen, s. Punzen.
Bürde, f. (PI. -%): Hebe-, Traglast; (bild-
lich) 'Schwerzutvagendes. Mhd. bürde, ahd.
burdi f.; dazu anord. byrdr, schwed. börda,
dän. byrde, got. baurpei f. und mit weiterer
Ableitung asäcbs. burthinnia, ags. byräen, engl.
bürden f. Mit Dentalsuffix zu. ahd. beran «tra-
gen» gebildet, s. Bahre und gebären. ABL.
bürden, v. : als Last aufladen, mhd. bürden.
Büre, f. (PI. -"): Bett-, Kissen-, Polster-
überzug. Aus dem Ndd,, wo mnd, bure
«Kissenzieche». Das Wort wii'd 1775 von
Heynatz als Büre verzeichnet und von Voß
(z. B. Ged. 1, 45) öfter gebraucht.
Bureau (spr. Büro), n. {-s, PI. -s) : Schreib-
tisch oder -pult zur Besorgung der Geschäfte ;
Schreib- und Geschäftsstube. Aus franz. bureau,
afranz. burel m., urspr. «grobes wollenes Tuch,
Teppich», dann «ein mit einem solchen Tep-
piche gedeckter Tisch», weiter «Geschäfts-
tisch und -stube», abgeleitet von franz. bure f.
«grobes, wollenes Tuch», das auf lat, btira
(für burra) f. beruht. Um 1700 entlehnt.
Burg, f. (P|. -en): befestigter Ort; (früher)
Stadt (vgl. Bürger). Mhd. bure (PI. bürge),
ahd. burug, bürg f. «mit Mauern umschlossener
309
Bürge
Bursch
310
Ort, Stadt»; dazu asächs. burug, hurg, ndl. hurg,
ags. hurh (PI. hyrg), engl, horough, anord.-
schwed.-dän. borg, got. baurgs f. Das spätlat.
burgus m. nebst ital. horgo, franz. hourg ist
aus dem (jrerman. entlehnt. Burg entspricht
den Lauten nach genau air. bri, Akk. brigh
«Berg, Hügel», das wieder in der Bedeutung
zu d. Berg stimmt, so daß also Berg und
Bnrg im Ablaut stünden. Der Bedeutungs-
wandel erklärt sich daraus, daß man die
Niederlassungen gern auf Bergen des Schutz-
bedürfnisses wegen anlegte. Andre, vgl.
Heyne Deutsche Hausaltertümer 1, 66, stellen
btirg zu bergen, es wäre dann eme Abstrakt-
bildung mit der Bedeutung « Schutz, Bergmig».
Der PI. lautet älternhd. wie mhd. Bürge,
noch Adelung verlangt diese Form, doch
kommt schon früher das von ihm als obd.
bezeichnete schwach flekt. Burgen vor.
Bürge,- m. (-n, PI. -n): der wofür Sicher-
heit Leistende. Mhd. bürge, ahd. burigo,
burgo m.; dazu ndl. borg, ags. borg m. Mit
borgen zu bergen gebildet, Bürge daher urspi'.
«wer wofür stehend schont, erhält, vor Schaden
hütet». ^-BL. l)ürgen, V. : wofür Sicherheit
leisten, mhd. bürgen. Bürgschaft, f., mhd.
bürgeschaft f.
Blirgeiiieister, s. Bürgermeister.
Bürger, m. (s, PI. wie Sg.): Vollbe-
rechtigter einer Stadt (Burg), Ortschaft, eines
Staates; Staatsangehöriger außer dem Adel
und der Geistlichkeit. Mhd. bürgcere, burgcere,
ahd. burgäri m. «Stadtbewohner»; aus dem
Deutschen entlehnt ndl. burger, schwed. bor-
gare, dän. borger m. Got. mit andrer Endung
&aurgr/am. «Stadtbewohner». Älternhd. auch
oft (obd.) Bürger (noch bei Frisch 1741).
ABL. bürgerlich, adj., spätmhd. bürgerlich.
Bürgerschaft, f., spätmhd. burger schaft f.
Bürgertum, n., erst im 19. Jh. gebildet.
ZUS. Bürgerkrieg, m., im 17. Jh. (Gry-
phius Trauersp. 424) nach lat. bellum civile.
Bürgermeister, m., spätmhd. (auch bei
Luther) burgermeister, daneben aber mhd.
(mit Burg zusammengesetzt) bürge-, burge-
meister, die auch älternhd. oft vorkommen
(Stieler 1691 führt Bürgemeister, Rädlein 1711
Burgemeister an) und noch von Goethe
{Burgemeister Faust 846, Herm. u. Dorothea
4, 21) gebraucht werden. Entlehnt ndl.
burgemeester, engl, burgomaster. schwed. borg-
tnästare, franz.bourgmesfre m. Bürgerrecht,
n., mhd. burgerreht n. Bürgerschule, f.,
bei Campe 1807 als ein neugebildetes Wort,
die erste Leipziger Bürgerschule wurde 1804
eröffnet. Bürgerworthalter, m.: Stadt-
verordnetenvorsteher. In Holstein.
Burgfriede, m. (-ns, PI. -n): Vertrag
zu Sicherheit und Rulie des Burggebietes,
sowie diese Sicherheit und Ruhe selbst; der
nach seinen Grenzen bezeichnete Burgbezh'k.
jVIhd. burcvride m.
Burggraf, m. (-en, PI. -en): erwählter
Oberherr eines Ganerbenschlosses; Schloß-
pfleger; (ehedem auch) Stadtvogt. Mhd.
biircgräve, ahd. burcgrävo m. ZUS. Burg-
grafschaft, f., mhd. burcgräveschaft f.
Bürgschaft, s. Bürge.
Burliliard, Mannesname. Ahd. Burchari.
burlesk, adj.: possen-, spaßhaft, kui'z-
weilig. Aus franz. burlesque und dies aus
ital. burlesco, von ital.-span. burla f. «Posse,
Spaß, Spott», das auf einem lat. burrula f.
beruht, Dimin. zu biirra «zottiges Gewand»,
PI. «läppisches Zeug, Possen». BeiSperander
1728 burlesque.
Burnus, m. (Gen. Burnusses, PI. ohne
Endung und Burnusse): Mantel ähnlichen
Schnittes wie die maurischen weißen wollenen
Mäntel mit Kappe. In den dreißiger Jahren
dieses Jh. entlehnt aus franz. btirnous m.,
dies mit span.-port. albornoz (cd ist der arab.
Artikel) aus arab. burnus «längliche Kappe
muhamedanischer Mönche, Kleid mit Kapuze».
Bursch {-en, PI. -en und -e), Bursche
(-«, PI. -n), m : jrmger lediger Mensch ; Student
nach dem ersten Studienjahre. Früher auch
Pursch (Günther 162, Schiller 11, 314). Mit
Übergang des s in seh nach r, in ähnlicher
Begi'iffsentwicklung wie bei Frauenzimmer
(s. d.) hervorgegangen aus Burs, Bursch f.
«beisammen wohnende Genossenschaft männ-
licher Personen», das aus mlat. bursa f. (aus
gl", ßüpca «Fell, Leder», s. Börse, mit dem
Bursche eig. identisch ist) «Geldbeutel», dann
«Stiftungskasse zu gemeinsamem Unterhalte
vornehmlich der Schüler in den königlichen
Schulen, der Hochschule in Frankreich» (ein
solcher Stipendiat hieß deshalb ein bursarius),
endlich s. v. a. zusammenlebende Genossen-
schaft, besonders eine solche, deren Mitglieder
aus gemeinsamer Stiftungskasse Unterstützung
empfangen. Daraus dann schon in der 2. Hälfte
des 13. Jh. mhd. burse f. «Geldbeutel», dann
«Kasse», im 15. Jh. auch «zusammenlebende
Genossenschaft, namentlich studentische, und
gemeinschaftliches Haus derselben»; im 16. Jh,
bezeichnet Burs überhaupt eine Schar zu-
20*
311
Bürste
Büse
312
samraenlebender oder auch nur gelegentlich
zusammengekommener, namentlich junger
Leute (Dasjrpodius 1537 hat Burß «contu-
bernium, kriegsleut», ebenso Maaler 1561,
Berghur ß bei Mathesius Luther 105^, sonst
ist Btirs auch oft «eine Zechgesellschaft»). In
der 2. Hälfte des 17. Jh. wird das kollektive
die Burs, Bursch auch mit dem Prädikat im
Plural verbunden, z. B. bei Opitz Judith 2, 4,
Moscherosch Phil. 1, 383, Grimmeishausen
Simpl. 84, und daraus dann ein Sing, de^^
Bursch gefolgert, z.B. Moscherosch Phil. 2, 208,
neben dem aber die Biirsch sich lange er-
hält; Duez, Schottel und Krämer kennen nur
das kollektive Burs, Bursch (doch verzeichnet
letztrer Burschgen n. «giovanetto»), während
Stieler 1691 Burs vulgo Bursch als Ehren-
name der Studenten, dann aber allgemein
für junger Mensch in Handtverks- , Jäger-
hursch etc. anführt. Die Flexion ist anfangs
stark und schwach, PI. meist Bursche, wie
auch von Adelung und von Heynatz 1775
verlangt wird (noch bei Goethe Faust 2150),
jetzt häufiger Burschen. ABL. Burschen-
schaft, f., die 1815 zur Pflege vaterländischer
Gesinnung geschlossene Studentenverbindung.
Davon Burschenschafter, m. hlirschikös,
adj. u. adv.: studentisch-flott. Um 1700 zu-
nächst als Adv. mit giiech. Endung -ikoic als
halbgelehrte Bildung aufgekommen (ältester
Beleg von 1720 bei Meier Studentenspr. S, 27,
bei Heynatz 1775 besprochen), dann auch als
Adj. gebraucht; früher mehr in übler Bed.
«studentisch-liederlich», Wallensteins Lager
459, wie studenticos lehen bei Eädlein 1711.
Bürste, f. (PI. -n): Reinigungswerkzeug
aus Borstenbüscheln. Mhd. hürste f., von
Borst, Borste (s. d.) abgeleitet. ABL. bürsten,
V., auch s. V. a, trinken, gleichsam die Gurgel
putzen, zugleich unter Einfluß von Burs^=
«Zechgesellschaft». Schon im 16. Jh., dann
bes. schwäbisch, z. B. bei ühland 53. 270.
Eine obszöne noch jetzt übliche Bed. bei
Kindleben 1781. ZUS. Bürstenbinder, m.
Redensart: saufen wie die Bürstenbinder (im
Anschluß an bürsten «trinken»), schon bei
Fischart Barf. 2255.
bürtig, adj.: woher der Geburt nach
seiend (Goethe 11, 66). Noch in eben-, voll-
bürtig, sonst üblicher gebürtig. Mhd. bürtec,
ahd. burtig von mhd.-ahd. burt f. «Geburt».
^Bürzel, m. (-s, PI. wie Sg.): die Pflanze
portulaca. Mit Wechsel des Geschlechts aus
mhd. burzel, purzel, ahd. hurzela, purzela f.,
von lat. portulaca, das auch umgestaltet zu
porcilaca (an porcus «Schwein» angelehnt),
porcellana (so ital.) erscheint.
^Bürzel, m. (-s, PI. wie Sg.): kleiner
dicker Mensch, s. Purzelbaum.
Bürzel, m. (-S, PI. wie Sg.:) Steißende
mancher Tiere. Bei Luther 8, 85 Jen. Pirtzel,
bei Maaler 1561 Bürtzel. Von südd. borzen,
bei Hans 8acbs pürtzen «hervorstehen», wahr-
scheinlich abgeleitet von mhd. bürn, ahd.
burian «in die Höhe halten oder recken».
(Daher bedeutet B. mundartlich auch «Erd-
erhöhung»).
Busch, m. {-es, PI. Büsche) : Strauchwerk,
sowie diesem vergleichbares. Alternhd. auch
Pusch (bei Luther, den schlesischen Dichtem
des 17. Jh., Steinbach 1734, noch jetzt im
schles. Dialekt). Mhd. husch, bosch, md. auch
pusch m., ahd. nur in brämälhusc m. «Brom-
beerbusch»; dazu ndl. bosch n. und bos m.,
engl, bush, schwed, huske m., dän. husk. Ent-
lehnt aus mlat. buscus, boscus m. «Strauch-
werk», woher ital. bosco, span.-port. bosque,
franz. bois m. «Gehölz, Wald», Redensart:
auf den B. klopfen «Nachrichten etc. aus
jemand herauszulocken versuchen», eig. «das
Wild durch Klopfen aus seinen Schlupf-
winkeln auftreiben». ABL. BÜSChel, m.
(-5, PI. wie Sg.), bei Luther auch Pusschel
(2. Mos. 12, 22), mhd. huschet m. buschicht,
buschig, adj., spätmhd. puscheht. ZUS.
Buschklepper, m.: wegelagernder Räuber.
Bei Zesen Jbr. 1, 417 mit ö für e Busch-
klöpper (so noch bei Frisch 1741), bei Schupp
1, 305 mehr hd. Buschklöpffer. Es bezeichnet
eig. den, der durch den Wald reitet, den
Heckenreiter, denn Klepper (s. d.) ist urspr.
sowohl «Pferd» als «Reiter».
^Buse, f. (PI. -n), auch Dim. Bus-chen,
u,: feine kurze wollige Härchen wie Flaum;
Pflanzenwolle an den Weidenkätzchen. Ober-
sächsisch, dazu das gleichbed. Schweiz, busi,
büseli (Schweiz. Id. 4, 1740) und wohl auch
nd. Pose f. «Feder».
"Buse, f. (PI. -n): Katze. Mundartlich,
so Schweiz, das Demin. Busi, Büsi n., schwäb.
Busi f. Dazu näd. jms, nd.\. poes, engl, puss,
dän. puus, norw. puse. Nach dem Lockruf
für die Katze. ZUS. Busekatze, f.
Büse, f. (PI. -n): leichtes Fahrzeug, bes.
zum Heringsfange. 1703 im Zeitungslex. Aus
ndl. buis f. «Fischerboot»; dazu engl, buss,
altnord. büza, auch schon mhd, (im Rolands-
lied) hü^e f. «eine Art Schifl'», ahd. few^o m.
313
Büsel
Butte
314
«Seeräuberschiff». Zugrunde liegt mlat. huza
«größeres Fahrzeug», woher afranz. Jmce,
husse f., altspan. huzo m. «Ruderschiff».
Büsel, n. (-S, PI. wie Sg., Goethe Dicht.
u. Wahrh. 27, 265): kleines Geldstück. Für
Biesel, Bezeichnung einer franz. Silbermünze
im Elsaß, aus franz. piece f. «Stück».
Busen, m. (-s, PI. wie Sg.): Vorderteil
des menschlichen Leibes vom Halse bis zum
Magen; Öffnung und bauschiger Teil des
Kleides davor; Meer-, Seearm. Bei Luther
hosam, hosem, hosen, bei Alberas Dict. Dd2'^
huosam, im 17. Jh. häufig Busem (so noch
bei Ludwig 1716). Mhd. huosem, auch schon
huosen, a.h.ä.huo»uni, huosam m., auch «Schoß»;
dazu asächs. hösom, hösm, ndl. hoezem, afries.
hösm, ags. hösm «Schoß» m., engl, hosom, im
Xord. u. Got. fehlend. Dunkler Herkunft.
Zusammenhang mit Btig ist kaum möglich.
ABL. busig, adj. in hoch-, vollbusig. ZUS.
Buseufreund, m.: vertrauter Freimd. Bei
Ludwig 1716 Busemfreund.
Bu£, m. (Gen. Busses, PI. Busse): Kuß.
In der Kindersprache. Bei Luther 5, 268^
Jen., schon etwas früher begegnet hussen
«küssen». Im Bayr. ist Kiiß durch Büß
ganz verdi'ängt worden. Vgl. engl, huss, \
schwed. puss «Kuß», Mit lat. bäsiäre, franz. 1
haiser besteht kein Zusammenhang, vielleicht
aber mit ir. hus «Lippe», gäl. hus «Mund».
Bussard, m. (-s, PI. -e) -. der Mäusefalke.
Mit engl, huzzard, ndl. huizert m. aus franz.
husard m., das von lat. hüteo m., dem Namen
einer Habichtsart, mit der dem deutschen
-hart nachgebildeten Endung -ard abgeleitet
ist. Im Mhd. dafür hüsant m. Bei Maaler
1561 in halbdeutscher Foi^m Bußhart (so
noch bei Rädlein 1711), bei andern in An-
lehnung an Aar Bußaar (bei Henisch 1616
Bußarn, noch Adelung setzt Bußaar an).
Buße, f. (PI. -n): (kirchliche oder recht-
liche) Genugtuung wofür. Mhd. huo^e, huo^,
ahd. huo^a f. «Besserung, Heilung, Abhilfe,
Vergütung, Buße, Strafe»; dazu asächs. höta
«Besserung, Heilung», ndl. hoete, afries. höte,
ags. höt f. «Besserung, Ersatz», engl, hoot
«Nutzen, Vorteil», anord, höt f. «Besserung, i
Buße», schwed. hot m., dän. hod, got. höta f.
«Nutzen». Im Ablaut zu haß, hesser, hest :
(s. d.) stehend. ABL. büßen, v.: ein Übel,
heben oder wegschaffen ; wieder cmtmachen, i
bessern (z. B. die Lücken hiißen) ; genugtun, ;
namentlich durch Erduldung von Strafe; zur j
Genugtuung mit Strafe belegen. Mhd. hüe^en, \
ahd. &«02fen, auch «ausbessern, flicken, heilen»;
dazu asächs. hötian, ndl. hoeten, ags. hetan,
anord. höeta, schwed. höta, dän. höde, got.
hötjan «nützen». Davon Büßer, m., spät-
mhd. hüe^er, auch «FHcker», schon ahd. scuoh-
htw^äri «Schuhflicker». ZUS. bußfertig,
adj. u. adv.: Buße zu tun bereit; über Be-
gangenes mit der Absicht dafür genugzutun,
schmerzerfüllt, mhd. huogvertic. Bußtag,
m., bei Stieler 1691.
Bussöle, f. (PI. -«): Magnetbüchs-chen,
Seekompaß. Das franz. houssole, ital'. hüssola
f., welches aus mlat. huocula «Büchs-chen»,
von mlat. huxis statt gr.-lat. pyxis, gr. iruEic
f. «Büchse». 1 7 1 6 in Chi-. Wolffs math. Lex. 268.
Büste, f. (PI. -n) : aus Stein, Gips, Wachs
usw. geformtes Brustbild ; Oberkörper bis zur
Brust. Aus dem gleichbed. franz. huste, ital.-
span. busto m., die, wenn das Wort urspr.
das auf dem Grabmal aufgestellte Brastbild
bedeutet hat, aus lat. hustum u. «Leichenbrand-
stätte, Grabmal» abgeleitet werden können.
Im 18. Jh. entlehnt (Wieland Am. 2, 27).
Butlke, f. (PI. -n): Bude; elende Hütte,
Das franz. houtique f. «Kramladen», ital. hodega
f., mit Abfall des anlautenden Vokals aus
gr.-lat. apofheca f. «Vorratskammer» (s. Apo-
theke). Im 17. Jh. entlehnt.
butt, adj.: stumpf; km-z und dick; unan-
sehnlich klein; stumpfsinnig, dumm. Aus
dem Ndd., wo hutt «stumpf, plump» und das
Subst. Butt «kui'zes, dickes Ivind»; ndl. hot
«stumpf, plump, dumm». Fischart gebraucht
hott von den Holländern, ebenso führt Henisch
hot als ndl. Wort an, dagegen Stieler 1691
und Rädlein 1711 hutt als hd. Wohl zu ahd.
hö^an, ags, heatan «schlagen» (s, Amboß) zu
stellen, eig. also «abgeschlagen, abgestoßen».
Vgl. noch Meringerldg. Forsch. 16, 155, Zupitza
KZ. 36, 243. Die bedeutungsverwandten span.
hoto «stumpf», franz. hotte f. «Klumpen», ital,
hottone, franz. houton m. «Knopf, Knospe»
gehen auf das Germ, zuiiick. S. auch Butzen.
ABL. butten, v., auch verhütten (Voß Horaz
Sat. 1, 3, 46) «im Wachstum zuiückbleiben,
verknorzen, verkommen».
^Butte, f. (PI. -n): plattleibiger stumpf-
köpfischer Seefisch. Bei G. Agricola putte,
bei Forer S. 50^ Meei'hutt, aus der ndd, Be-
nennung butte f., ndl. bot f., engl. but. Wohl
von ndd. hutt, ndl. hot «stumpf».
^ Butte in Hagebutte, s. d.
^ Butte und Bütte, f. (PI, -n) : oben offenes
Daubengefäß; hohes Rücken- Traggefäß von
315
Büttel
büxen
316
Dauben. Die umlautlose Form jetzt nament-
lich in Mitteldeutschland (hei Luther Buffe7i);
zuweilen wird zwischen Bütte «größrer Zuber»
und Butte «kleinres Daubengefäß mit Hand-
griff», namentlich «Rücken- Traggefäß» unter-
schieden. Mhd. hüte, gekürzt aus hüten, ahd.
hutin, hutinna f.; dazu ags, hyden f., daneben
hytt f. «Schlauch», engl, hutt «Faß», anord.
hytta «Butte», schwed. bytta f., dän. hotte.
Mit ital. hotte f. «Faß», span.-port. hofa f.
«Schlauch», franz. hotte f. «Weingefäß» aus
gr.-mlat. hntina f. «Flasche»; gr. iruTivri, taren-
tinisch ßurivri f. Vgl. dazu Meringer Idg.
Forsch. 16, 155. Vgl. auch Bottich, Bouteille.
Büttel, f. (PI. -n): Flasche. Aus dem
Ndd., "WO Büttel, Buddel: wohl mit ndl. hottel
f. aus engl, hottle, das auf mlat. hotilia f.
(statt *huticula) beruht, woher auch franz.
houteille f. S. auch Bottelier.
Büttel, m. (-S, PI. wie Sg.): niedriger
Gerichtsbote, Häscher. IMlid. hütel, ahd. hutil
m. «Gerichtsbote, entbietende Gerichtsperson»;
dazu ndl. he\d (aus beudel), ags. hydel m., engl.
headle. Mit Bote zu hieten.
l)Utteln, V.: schäumend sprudeln (Goethe
33, 73). Aus dem Ndd. (1767 im bremisch-
ndsächs. Wörterbuch verzeichnet), vielleicht
lautnachahmend.
Butter, f. : das aus Milchrahm durch Ab-
sonderung des Wässerigen gewonnene Fett.
Im Obd. Butter m. Mhd. huter m. f., spät-
ahd. hutera f., dazu ndl. hoter f., afries. hutera,
ags. hutere f., engl, hutter. Entlehnt wohl
durch Vermittlung der Klöster aus dem gleich-
bed. gr.-lat. hutyrmn n. (zuerst bei Columella
6, 12), gr. ßouTupov, das nach Plinius bist,
nat. 28, 9 aus dem Skythischen stammt und
an ßoöc f. «Kuh» und xupöc m. «Käse» an-
gelehnt wurde. Ins Hd. drang das Wort
von Norden ein und verdrängte die echtahd.
Benennungen anko m., anka f. (s. Anke),
kuosmero m. «Kuhschraeer», mhd. auch milch-
smalz n. ABL. buttern, v.: Butter machen.
1482 in außputtern (Voc. theut. aa 1 *). ZUS.
Butterbemnie, s. Bemme. Butterbrot,
n., bei Duez 1664. Buttermilch, f., mhd.
hutermilch f. Butterschnitte, f., von Gom-
bert 7, 16 aus dem J. 1627 belegt. Butter-
VOgel, m.: Schmetterhng, von dem man
glaubte, daß er Butter stehle (1517 bei Tro-
chus H 6* hottervogel); vgl. ndl. hotervlieg
f., engl, hutterfly. Butterweck, m.: Butter
in Weck- d, i. Keilform. Mhd. huterivecke
m. ■ Butterwocbe, f.: die fette Woche vor
den Fasten; (übertragen) Flitterwoche der
Neuvermählten.
Büttner, m. (-s, PI. wie Sg.)-. Böttcher,
Küfer. In Thüringen, Franken, Oberpfalz usw.
Mhd. hütencere m., von hüten f. «Bütte» (s. d.).
Butzen, m. (s, PI. wie Sg.): Klumpen;
verdickte Feuchtigkeit in Nase, Auge, einem
Geschwüre; Schnuppe am Licht; Kerngehäuse
im Obst. Mhd. hiitze m. (selten) «Klumpen»,
dazu auch gehütze n. «Eingeweide», dann 1482
im. Voc. theut. z 8^ putz in der nasen, putz
am ohß. Wohl mit der hochd. Verschiebung
zu ndd. few^^ «abgestumpft, stumpf, kurz und
dick». Vgl. noch Zupitza KZ. 36, 248. ZVS.
Butzensclieibe, f. (PI. -n)-. runde, gewöhn-
lich grüne Fensterscheibe, die in der Mitte
eine ziemlich starke schlackenartige Erhöhung
[einen Butzen) hat. ürspr. in Nürnberg ge-
bräuchliche Bezeichnung.
Butzenmanu, m. [-es, F], Butzenmänner) -.
gespenstische, vermummte Schreckgestalt.
Mhd. das einfache hutze m. «Polter-, Klopf-
geist, ausgestopfte Menschengestalt, Lai-ve»;
das zusammenges. Wort erscheint bei Luther
als Potzmann, bei Alberus Dict. p 1 ^ hutzen-
man und Hb 3* hotzenman. Mhd. hutze viel-
leicht zu ahd. hö^an «schlagen» (s. Amboß),
also «Klopf-, Poltergeist» oder wohl eher
mit dem vorausgehenden identisch, also eig.
«kurze, dicke, verkrüppelte Gestalt» (auch das
schw'eiz. bök ist «Butzenmann» und «Butzen»)
wie noch nhd. Bützel m., obersächs. und
Schweiz. BUz m. «kleines, unvollkommen ge-
staltetes Geschöpf», mhd. bützel m. «Wichtel,
Zwerglein»,
butzig (Rückert 1, 110), s. putzig.
Butzkopf, m. [-es, PJ. Butzköpfe): der
Nordkaper (Walfisch). Benannt nach der ab-
gestumpft aussehenden Schnauze, zu ndd.
hutt «stumpf».
Buxe, f. (PI. -n): Hose. Aus dem Ndd.,
wo hoxe, büxe, ndl. bokse f.: daraus entlehnt
Island, (im PI.) huxur, schwed. byx, ^dän.
buxe. Von Bock abgeleitet, also eig. «Hose
von Bocksleder», vgl. engl, buckskins «bock-
lederne Hose». Helvig 1611 hat Buchsen als
ndsächs. Wort, ebenso verzeichnet Adelung
Büchse als ndsächs., 1616 bei Henisch Bixen
« Pluderhosen, Schitferhosen ».
büxen, v.: behende heimlich entwenden.
Aus dem gleichbed. ndd. huxen, ndl. hoksen,
eig. wohl s, v.^a. «behende ungesehen in die
Hose (Hosentasche) stecken». Bei Schiller da-
für bixen in iveggehixt (Räuber 2, 3).
317
CslU
Charivari
318
AVörter, die man hier nicht findet, suche man unter K und Z.
Cafe, s. Kaffee.
Canaille, f. (PI. -n): niedriger Pöbel; ver-
ächtlicher Mensch. Aus dem gleichbed. franz.
Canaille nach ital. canaglia f., eig. «Hunde-
volk», Kollektiv zu lat. canis «Hund». Im
17. Jh. ganz geläufig (bei Schupp 1, 427 Canalie,
bei Stieler 1691 Kanalje); die persönliche Bed.
schon bei Wächtler 1711.
CailCan, m. (-5): ein unzüchtiger Tanz.
Aus franz. cancan, das aus lat. quanquam
«obwohl». Zunächst wurde es in der Be-
deutung einer «Universitätsanrede» gebraucht,
weil diese meist mit quanquam begannen.
Neue Entlehnung.
Cerevis, n.: kleine runde Studentenmütze,
die bei Bierkommersen getragen wii'd. Aus
lat. cerevtsia, urspr. cervisia f. «Bier». In
der neuern Studentensprache, abgekürzt aus
Cerevismütze.
Chaise, f. (PI. -w): Halbkutsche. Aus
franz. chaise f. eig. «Stuhl», das urspr. Pariser
Aussprache statt chaire f. «Lehrstuhl, Stuhl,
Sessel» aus gr.-lat. cathedra f. (s. Katheder).
Im 17. Jh. entlehnt.
Chalzedöu, m. {-s, PL -e) oder Chalce-
donier, m. (s) : milchbläulicher Halbedelstein.
Mhd. calcedon, aus gr.-mlat. chalcedonius, d. i.
lat. achates chalcedoyiius «Achat von Chal-
cedon» in Kleinasien.
Chamäleon, n.: farbenwechselnde Ei-
dechse; (bildlich) ungetreuer Yerstellungs-
künstler. Aus g]\-lat. chamaeleon, gr. xctM"i-
Xeoiv m. d. i. «Erdlöwe» (xaiaai «an der Erde»,
\eujv m. «Löwe»). Im 16. Jh, entlehnt (1571
bei Heyden Plinius 173 Chameleon m., 1595
bei Hulsius Schiffahrten 1, 17 Chamelion).
Früher auch als M. (Hagedorn Oden 55,
Goethe 1, 62).
Champagner, m. (-s): Schaumwein aus
der Champagne. Nach franz. vin de Cham-
pagne, auch bloß Champagne m. Um 1750
eingebürgert (Goethe Br. 2, 105, bei Aler 1727
Champagnier wein) .
Champignon, m. (s, PI. -s): eßbarer
Feld-, Rasenschwamm. Das franz. Champignon
m., aus neulat. campinio m., von lat. campus
m. «Föld». 1715 bei Amaranthes Sp. 1474.
Champion, m. (s, PI. -s) -. Kämpe, Meister.
Aus gleichbed. franz. Champion, das auf ein
vulg.-lat. campio «Kämpfer», abgeleitet von
campus m. «Feld», zurückgeht. 1710 bei
Nehring.
Chaos, n. : verworrene gestaltlose Urmasse
zur Weltbüdung; Wirrsal. Das gr.-lat. chaos,
gr. xöoc n. eig. «der gähnende leere maßlose
Raum», von gr. xaiveiv «gähnen». Im 17. Jh.
entlehnt. Vgl. Gas.
Charakter, m. {-s, PI. Charaktere)-, (auf-
geprägtes) Kennzeichen; eigentümliche Ge-
sinnungsweise;" Gesinuungsfestigkeit; Titel,
Rangstellung. Aus gr.-lat. charäcter, gr.
xapaKTrjp m. «Eingegrabenes, Eingeprägtes,
Kennzeichen, aufgeprägte Eigentümlichkeit»,
von gl". x«P"cceiv «einritzen, einprägen»; da-
her schon mhd. kar acter m. «Buchstabe,
Zauberschrift, Gepräge, Mei'kmal». In der
2. und 4. Bed. bei Wächtler 1711. ABL.
charakterisieren, v.: kennzeichnen; be-
titeln. Aus franz. caracteriser , von gr.
XapaKxripiZieiv «mit einem Merkmal oder Ge-
präge versehen, schildern», charakteri-
stisch, adj. Nach dem gr, Adj. xapaKTripi-
cTiKöc «bezeichnend». Beide im 18. Jh. auf-
genommen (1749 bei P^yra und Lange 400
characteristisch).
Charge, f. (PI. -n): dienstliche Stellung.
Aus franz. Charge f. eig. «Last», zu charger
(s. d. folg.). Im Anfang des 17. Jh. ent-
lehnt. ABL. chargieren : laden ; belästigen :
einen Angriff unternehmen. Aus dem gleich-
bed. franz. charger, von einem mlat, *carri-
care «auf den Wagen laden, belasten», das
auf carrus m. «Wagen» zurückgeht. Schon
1617 im teutschen Michel 8 als charschieren
angeführt. Das Part, als Subst. der Char-
gierte, studentischer Würdenträger, bei
Kluge Wb. d. Studentenspr. aus dem J. 1831
belegt, dafür 1795 Chargenträger.
Charivari, n.: Katzenmusik, Aus dem
gleichbed. franz. charivari m., eig. s. v. a.
«Polterabend», afranz. (14. Jh.) caribari, chali-
vali, mlat. charivarium, chalvaricum n. «un-
harmonische Musik, die einer zur zweiten
Ehe schreitenden Person gebracht wurde».
319
Chaussee
Chor
320
Dunklen Ursprungs (1664 bei Duez franz.
charivari «Koi^fschmerz», aus dem gleichbed.
gr. Kapnßapia f., eig. «Schwere des Hauptes»).
Bei Wächtler 1714.
Chaussee, f. (PI. -n): Kunststraße. Das
franz. chaussee aus mlat. calciata «mit Kalk
gemauerte Straße», dem als Subst. gesetzten
F. des Part Perf. Pass. von mlat. calciare
«mit Kalk (lat. calx, G. calcis) aufmauern».
Um die Mitte des 18. Jh. aufgenommen (1779
bei Goethe Br. 4, 94) und bei Adelung 1793
verzeichnet.
Chauvinfemus, m. : übertriebener Natio-
nalstolz. Nach franz. chauvinisme m., ein Aus-
druck der eig. die Schwärmerei für Napoleon
bezeichnet; er soll auf den Veteranen Nie.
Chauvin aus Eochefort zurückgehen.
Chef, m, (-S, PL -s): Oberhaupt, Vorge-
setzter. Das franz. chef m. , von lat. caput
n. «Kopf, Haupt». -Im Anfang des 17. Jh.
entlehnt (1616 bei Wallhausen Kriegsmanual).
Chemie, f.: Scheidekunst. Aus gr. xn^^i«,
Nebenform von x"|Lteia f. «Vermischung», das
auf X'JMoc m. «Saft, Flüssigkeit» zurückgeht.
Älternhd. meist Chimie, Chyniie (dies noch
bei Adelung). Vgl. auch Alchimie. ABL.
Chemiker, m. Aus gr. x^^miköc «die Säfte
betreifend», chemisch, adj.
Chemisette, f. (PI, -n): Vorhemdchen.
Das franz. Chemisette f.. Dem. zu chemise f.
«Hemd» aus lat. camisia f. 1773 bei Ama-
ranthes^ 1, 717.
-chen, Verkleinerungsendung des Sub-
stantivs. Nach ch und g steht, um den Miß-
klang zu vermeiden, -eichen, z. B. Bächelchen,
Trögelchen, vgl. Wilmanns Deutsche Gramm.
2, 319. Im 16., 17. Jh. auch -ichen, -ichin,
mhd. -ichin, aber nur in md. Quellen. Da-
neben auch hd. das unter flämischem Ein-
fluß eingedrungene -ekin, z. B. gehürektn
«Bäuerlein». Im altern Nhd. tritt -chen über-
all hinter -lein zurück, Luther hat in der
Bibel nur Caninichen und Saltzirichen (Rand-
glosse zu 4. Mos. 7, 14) «Salzfäßchen», häufiger
Bildungen auf -ichen in seinen Briefen. Auch
sonst bei Mittel- und Norddeutschen erscheinen
anfangs solche Bildungen nur ausnahmsweise
(Opitz Seelichin, Wäldichin, die Schlesier
haben sonst fast durchaus -lein, öfter -chen,
-gen bei Rist, Dach, dann bei Chi'. Weise
u. a.); unter den Grammatikern hält sie
Schottel (S. 820 -ichen mag etiva spielweis
oder sonst im gemeinen Reden schertzivegen
gebrauchet werden) noch fern, während 1690
Bödiker S. 132 -chen für die im Hd. üb-
Hchste Endung erklärt.
Chenille, f. (PI. -n): Samtschnürchen.
Das franz. chenille f. «Raupe», dann wegen
der Ähnlichkeit jene Schnur. 1715 bei Ama-
ranthes Sp. 344 Chenellen, deutsch Schönellgen.
Cherub, m. {-s, PI. Cherubim): Thron-
träger Jehovas. Das hebr. cherüb. Mhd. ent-
lehnt (aus dem PI.) cherubm m.
Chiffre, f. (PI. -n)-. Namenszug; Geheim-
schrift. Das franz. chiffre m. «Zahlzeichen»
(s. Ziffer), Geheimschrift. Bei Nehring 1710.
ChigUOn,m. {-s, PI. -s) -. hinaufgeschlagenes
Nackenhaar; Haarwulst. Das franz. chignon
m., das auf franz. chaine aus lat. catena f.
«Kette» zurückgeht. Im spätem 18. Jh. auf-
genommen (1773 bei Amaranthes'^ 1, 720).
Chiragra, n. (Schiller Wall. L. 488): Hand-
gicht. Aus gr.-lat. cMragra, gr. xexpd'xpa f.
«Handgicht».
Chirurg, m. (-en, PI. -en): Wundarzt.
Aus gr.-lat. chirurgus, gr. xeipoupYÖc m. eig.
«mit der Hand arbeitender Arzt», das als
Subst. gebrauchte M. des Adj. x^ipoupT^^c
«mit der Hand arbeitend» (xeip «Hand» und
eine Bildung von ^pyov «Werk»). Im frühern
Nhd. meist in lat. Form. ABL. Chirurgie,
f.: Wundarzneikunst. Aus lat.-gr. chlrurgia,
gr. xe'poupYia f. «Arbeit mit der Hand, Wund-
arzneikunst». Schon frühnhd. (Mumer Narr.
30, 1 Cirurgy). chirurgisch, adj., nach
gr.-lat. cMrurgiais, gr. xeipoupYiKÖc «zur Hand-
arbeit, Wundarzneikunst gehörig oder ge-
schickt». Bei Fischart Bodinus (1586) 137.
Chlodwig, s. Ludwig.
Chlothar, s. Lothar.
Cholera, f. : Brechruhr. Das gr.-lat. cholera,
gr. xo^^pa f. «Galle, Gallensucht», von gr.
Xo\r| f. «Galle», Schon spätmhd. colera f.
«Ruhr», 1727 bei Aler Choler f., vgl. auch
Koller. ^5L. cholerisch, adj.: zornsüchtig.
Nach gr.-lat. cholericus, gr. xo^ep"<öc «gallen-
süchtig». Bei Henisch 1616 cholerisch, 1615
bei Albertinus Landstörzer 440 kolerisch.
Chor, m. (-es, PI. Chöre): Sängerkreis;
vollstimmiger Gesang; hintrer Teil der Kirche;
Eraporkirche; Schar. Aus gr.-lat. chorus, gr,
Xopöc m. «Rundtanz, Reigen, Sängerschar»,
im Mlat. auch «Kirchensitz der singenden
Geistlichen», woraus schon mhd. kör, ahd.
chor m. «Sängerschar, Geisthchenschar in der
Kirche, der Kirche hintrer Teil als Sitz der
singenden Geistlichen». In der neuern Sprache
321
Chrestomathie
Conr
322
auch zuweilen Xeutr., namentlich in der letz-
ten (übertragnen) Bed. ABL. Choral, m.
(-S, PI. Choräle): "Weise eines Kirchenliedes.
Aus mlat. choralis «zum Chor gehörig». Früh-
nhd. (Ringwald getr. Eckh. D 4^), auch bei
Rot 1571 verzeichnet. Als Xeutr. bei Hage-
dom Fab. 185. Dazu Choralhuch, 11., 1562
bei Mathesius 147^ Coralbuch. Chorist, m.
(-en, PI. -en): zum Singechor eines Theaters
Gehöriger. Aus mlat. cliorista m. «Chor-
sänger». Bei Adelung 1774. ZUS. Chor-
rock, ni.: langes geistliches Amtskleid, ur-
spr. im Chore der Kirche getragen, iihd.
korroc m.
Chrestomathie, f. (PI. -n): Mustersamm-
lung aus Schriften. Aus gl*. xPn<^T0,ud9eia f.
«Sammlung des Brauchbarsten aus Schrift-
stellern», von gr. xpncTÖc «brauchbar» und
laaGeiv «lernen». Im spätem 18. Jh. aufge-
nommen.
Chrisam, n.m. (-5): geweihtes kirchliches
Salböl. Mhd. krisem, kresem, ahd. chrisamo,
chresamo m. aus kii-chlich-lat. chrisma n. «Sal-
bung», im Mlat. «geweihtes Salböl», gr. xpicua
n. «Salböl».
^Christ, m. (-es): Christus; Weihnachts-
geschenk (als Geschenk von Christus). Mhd.
nach der Aussprache Krist, ahd. Christ,
asächs. Krist, ags. Crist, anord. Kristr «Chri-
stus», aus dem kirchlichen gr.-lat. Christus,
gr. XpicTÖc eig. «der Gesalbte», d. h. der
vom Königsstamme Davids hei'vorgegangene
König, von xpieiv «salben». ZUS. Christ-
abend, m.: der Abend vor "Weihnachten,
mhd, kristähent m. Christkind, n.: Chri-
stus als neugebomes Kind; Weihnachtsge-
schenk. Bei Luther. Christmette, f.: Messe,
dann Gottesdienst zur Feier der Geburt Christi
mit AnbiTJch des Christtages. Spätmhd. krist-
mettin f. Christmonat, m. : Monat des Festes
der Geburt Christi, Dezember, späimhd.christ-
män, -mänet. Christtag, m.: Tag zur Feier
der Geburt Christi, mhd. krisftac m.
^Christ, m. {-en, PI. -eii): der in Chiisti
Namen Getaufte. Ältemhd. auch Christe
(noch Lessing 4, 59, Schiller Räuber 4, 2),
im 16. Jh. mitunter noch Christen (l. Petr 4,
16). Mhd. kristen, kristcene, ahd. christäni
m,, eig. Adj. aus dem kirchlichen gr.-lat.
christiänus gr. Xpicriavöc «Bekenner Christi»
(daher die Eigennamen Christian und Chri-
stine), abgeleitet von gr. Xpicröc (s. ^ Christ).
Als Adj. asächs, kristin, ags. cristen, anord.
kristinn. Das "Wort ist im Mhd, zur schwachen
Weigand, Deutsches Wörterbuch, ö. Aufl.
Dekl. Übergetreten. ABL. Christenheit,
f., mhd. kristenheit, ahd. christanheit f., dazu,
andd. cristinhed i. «Christlicbkeit, Taufe».
Christentum, n., mhd. kristentuom m. n.,
dazu anord. kristindömr m. Christin, f.
Mhd. dafür kristen f., doch auch schon kri-
steninne f. christlich, adj. u. adv., älter-
nhd. auch christenliclt. Mhd. kristenlich, ahd.
christanlih.
Chronik, f.: Zeitbuch. Mhd. krönike,
kronik f., aus dem gr.-lat. PI. chronica, gr.
XpoviKci (wobei ßißXia «Bücher», zu ergänzen
ist) «Zeit- d. i. Geschichtsbücher», PI. des
Xeutr. von xpoviKÖc «die Zeit betrefiend»,
abgeleitet von xpövoc m. «Zeit», — Chronist,
m. {-en, PI. -en): der die Zeitereignisse ver-
zeichnet. Aus nlat. chronista m. Frühnhd.
(Albertinus weibl. Lustg. 35). — Chrono-
logie, f.: Zeitkunde. Aus gx*. xpovoX.OYia f.
«Zeitrechnung», abgeleitet von xpovoXÖYoc
i «die Zeit berechnend» (-Xotoc zu Xe'-feiv hier
«berechnen»). Bei "Wächtler 1711. Davon
chronologisch, adj.
Chrysolith, m. {-es, PI. -e): gelblich-
grüner Edelstein. Mhd, chrysolit, crisolit,
\crisolt m, aus gr.-lat, chrysolithus m, f., gl-.
XPucöXieoc f. «Goldstein», zusammenges. aus
xpucöc m, «Gold» und XiOoc m. «Stein».
Chrysopras, m. {-es, PI, -e): apfelgrüner
Halbedelstein. Eig. gold-, lauchgi-üner Stein,
Mhd. crisoprassis , crisoprasse, crisopras m.
n, aus gi\-lat, chrysoprasiis, gr. xpucöirpacoc,
zusammenges. aus gr. xpucöc m. «Gold» und
einer Bildung von irpdcov n. «Lauch».
Clique, f. (PI, -w): Spießgesellschaft, Das
franz. clique f., das von cliquer «klatschen»
(wie cJaque von ciaquer). Im spätem 18. Jh.
aufgenommen.
Coupe, n. {-s, PI. -5) : Halbkutsche ; Wagen-
abteilung. Das franz. coupe m., von couper
«schneiden, abteilen, hauen», abgeleitet von
coup m. «Streich, Schlag», das auf gr.-lat.
colaphus, gr. KÖXaqpoc m. «Faustschlag, Backen-
streich» zurückgeht. — Coupon, m. {-s,
PI. -s): Zinsschein, Zinsleiste. Das fx'anz.
coupon, ital, cupone m., von couper «schnei-
den». Beides neue Entlehnungen.
Cour, f.: Hof, Hoftag, Aufwartung bei
Hofe; höflichkeitsvolle Gunstbewerbung {die
C. machen). Das franz. coiir f., dies wie ital.
Corte m. «Hof» zeigt, aus mlat. cortis f,
«fürstlicher Hof», lat, cors (Gen, cortis) «Hof-
raum, Hof», füi' älteres cohors f. Bei "Wächt-
ler 1711.
21
323
Courage
Dackel
324
Courage, f.: Herzhaftigkeit, Mut. Das
franz. courage, ital. coraggio m,, das eine Ab-
leitung von franz. coeur, ital. cuore m. (aus
lat. cor n.) «Herz» ist. Um 1600 entlehnt
(Wallhausen Corp.mil. 67, Coraß'va. einem Lied
von 1619 bei Hartmann bist. Volksl. 1, 122).
Cousin, m. {-s, PI. -s): Vetter. Das franz.
cousin, ital. cugitio m., zusammengez. aus lat.
consoh'inus. Cousine, f.: Base. Das franz.
Cousine, ital. cugina f., aus lat. consobrma f.
Beide in der ^Vlitte des 17. Jb. aufgenommen
{Cousin bei Schupp 1, 274).
D
^da 1) demonstratives räumliches Adv.:
an dem Orte. 2) relatives räumliches Adv.:
wo, nur noch altertümlich und dichterisch.
Mhd. da, mit Abfall des ausl. r aus dar
(wie in e «ehe», wä «wo»), ahd. dar; dazu
asächs. tliar, ndl. daar, afries. ther, ags. pmr,
engl, there, anord. par, schwed. ther, dän. der,
got. par. Von dem Stamme des Demonstr.
der; in der Bildung ist zu vergleichen aind.
tär-Tii «damals». Älternhd. auch do (durch
Vermischung mit dem folg. Wort) ; eine Form
dar (unter Einfluß der Zusammensetzungen
daran, darauf usw., in denen sich vor Vokal
das urspr. r erhielt) findet sich nicht nur
im 17. Jh., z. B. Gryphius Travxersp. 41.
Lohenstein Rosen 97, sondern noch im 18.
in hier und dar (Drollinger 44, auch bei
Rückert Ged. 3, 478), femer von dar (Lessing
3, 35. Bürger 194).
"da l) demonstratives Zeitadv.: zu der
Zeit. 2) relatives Zeitadv.: zu welcher Zeit,
im Anschluß an Substantive und dann auch
als Konj.: indem, als. 3) als kausale Konj.:
weil. Mhd. -ahd. dö und duo; dazu asächs.
thä, ags.-anord. pä, schwed. da, dän. da. Von
dem Stamme des Demonstr. der. Die Form
da setzte sich fest, weil Zusammenfall mit
dem lokalen ^da eintrat, ältemhd. aber auch
do, noch im 17. Jh. bei Tob. Hübner.
dabei, Adv., das auf ein ^S^ahesein hin-
weist. Älternhd. auch darbei (noch bei
Steinbach 1734), mhd. därht, däU, ahd. darin,
asächs. fhärhi, ndl. daarbij , engl, thereby.
Zusammengerückt aus ^da vmd bei.
Dach, n. {-es, PI. Dächer): Bedeckung,
unter der man sich aufhalten kann. Älter-
nhd. (noch oft im 17. Jh.) auch Tach, mhd.
dach, später tach, ahd. dah n.; dazu ndl. dak,
ags. pcec, engl, thatch «Strohdach», anord.
Jjak, schwed. tak n. Zu lat. tegere «decken»,
wozu tectum n. «Dach» und (im Ablaut mit
Dach übereinstimmend) toga f. eig. «Hülle»,
gr. T^-foc «Dach», air. tech n. «Haus», ferner
von einer anlaut. s zeigenden Wurzel, gr.
' CT^Y^iv «bedecken», c^i^oc n. ct^yi f. «Dach»,
lit. stögas m. «Dach». Redensart: einem zu
Dache, aufs Dach steigen (bei Kindleben 1781
I als studentisch verzeichnet) «ihm zu Leibe
j gehen» (früher zu Dache sein oder sitzen).
ABL. dachen in ab-, bedachen, mhd. dachen.
j S. auch decken. ZUS. Dachreiter, m.:
auf dem Dache sitzendes Türmchen. 1781
! bei Jacobsson techn. Wb. 1,385^ Dachreuter.
! Dachstuhl, m.: Dachgebälke, Frühnhd.
Dachtraufe, f., mhd. dachtroufe f., meist
dacht rouf m. n.
Dachs, m. (Gen. Dachses, PI. Dachse
und seltner Dachse). Mhd.-ahd. dahs, ndl.
das m. Ins Mlat. entlehnt als taxus, daher
ital, tasso, span. texon, franz. taisson m. Ge-
wöhnlich zu mhd. dehsen «den Flachs schwin-
gen», urspr. aber «schlagen, hauen» gestellt;
dazu femer aind. taks «behauen, zurecht ma-
chen», täksä m. «Zimmermann», gr. t^ktujv
m. «Zimmermann». Das Tier würde dann
seinen Xamen von seinen kunstvollen Bauten
erhalten haben. Doch kann natürlich auch
etwas ganz andres darin stecken. Vgl. auch
Palander Memoires de la soc. neophil. ä
Helsingfors 2, 99.
Dächsei, m. {-s, PI. wie Sg.): Hundeart
zum Dachsfange. 1719 bei Fleming teutsch.
Jäger 185'', bei Adelung 1774 Tächsel. Von
dächsein, v.: nachts den Dachs hetzen und
fangen. 1763 bei Heppe wohlred. Jäger 91*.
Dachstuhl, s. Dach.
Dachtel, f. (PI. -n): Schlag mit flacher
Hand an den Kopf. Frühnhd. (LTilands
Volksl. 41, 23), auch Tachtel. Das mhd.
tahtel, Nebenform von tattel f. «Dattel», in
spottender Anwendung, wie Feige in Ohr-
feige, Kuß (wenn auch nui- im Anklang an
die Frucht) in Kopfnuß, ndl. muilpeer f.
(Maulbirne), «Maulschelle».
Dachtraufe, s. Dach.
Dackel, s. Teckel.
325
dadnreli
Dambocli
326
dadurch, adv. Mhd. dar durch, da durch,
ahd. dar durh.
dafür, adv., bis ins 17. Jh. auch noch
darfür. Mhd. dar mir, der vür, da vür, ahd.
dara fiiri, dar furi. ZUS. d. halten, v.:
von etwas meinen, wie es sei. In der frühnhd.
Kanzleisprache (Janssen Frankf. ßeichskorr.
1, 764). Der Inf. als Subst. Dafürlmlten, n.
dagegen, adv., älternhd. auch dargegen
(noch bei Steinbach 1734). Mhd. dar-, der-
gegene, da gegen, ahd. dara gagani.
daheim, adv. : zu Hanse. Älternhd. auch
noch daheime, erweitert daheimen (l. Sana.
18, 10). Mhd. da heime, ahd. dar keime, s.
heim. Nach Hejnatz 1796 veraltet und nur
für die scherzhafte Schreibart zu empfehlen,
jetzt aber wieder durchaus schriftsprachlich,
wenn auch in der Umgangssprache nicht
überall gebräuchlich.
daher,' adv.: zu dem Orte her (in dahe)'!
und in der Verbindung mit Verben, aber
oft mit Zuriicktreten der lokalen Beziehung,
z. B. daher fahren); von dem Orte her; in-
folge und durch Wirkung dessen. Mhd.
da her «bis zu diesem Orte, Zeitpunkte»:
das auf den Ursprung und Grund hinwei-
sende daher bei Luther. Älternhd. auch
daher 0, s. hero.
dahier, adv. : hier am Orte. Nach Adelung
1774 oberdeutsch, im Hochd. ungewöhnlich.
dahin, adv.: von dem Orte weg, mhd.
da hin (nur noch in der Verbindung mit
Verben, meist mit Zurücktreten der lokalen
Beziehung, z.B. d. sein «weg, verloren sein»,
d. schwinden, sterben usw.); zu dem Orte
hin; zu dem Ziele.
dahlen, v. : einfältig, albern reden; spiel-
haft tun, zwecklos tändeln (Goethe 19, 64),
In der 1. Bed. frühnhd. dalen (Hans Sachs
Fastn. 83, 109), auch dallen (Seb. Franck
Sprichw. 2, 80^); hochd. urspr. mit anlaut. t,
tollen bei Seb. Franck mor. encom. 29^,
Tallmann \XTi.({ Tallmatz m. «inaniloquus» 1727
bei Aler 1873% schles. thalen (Günther 241. 436)
und tallen (Scherffer Grob. 84. 213, Steinbach
1734); daneben älternhd. im 16. Jh. talmen,
bei Stieler 1691 dalmen, Schweiz, talmen,
dalmen neben talen, dalen «einfältig reden»,
thüring. dalmen «tändeln». Vgl. engl, dally
«tändeln». Dazu im Ablaut ein tillens tellens
und unnütz gepleuder bei Luther 3, 446* Jen.
Vielleicht wurzelverwandt mit got. dwals
«töricht», dwalipa f. «Torheit», dwalmön
«töricht, verrückt sein», ahd. gitwola f. «Be-
törung, Ketzerei», ahd. toi, asächs.-ags. dol
«töricht» (s. tolV).
Daktylus, m. (PI. Däktylemmä Daktylen) :
der Versfuß ~^ ^■. Das gr.-lat. däctylus,
gr. bciKToXoc m. eig. «Finger», weil der Vers-
fuß den drei Finsrercrliedern versflichen wm-de.
ABL. daktylisch, adj.
Dälle, s. Teile.
Dalles, m.: Unglück, Verderben, Armut.
In der Judensprache. Eig. «das Totenkleid»
(als talles schon 1534 bei Franck Weltbuch
153*'), das am großen Yersöhnungstage an-
gelegt wurde. Aus hel)r. talith, oder von
hebr. dallnth «Armut».
Dallinger, m. (auch Dollinger, Dalcher):
Henker, Schai-frichter. Ein bereits im An-
fange des 16. Jh. im Liber vagatonam vor-
kommendes Gaunerwort, von hebr. täläh
«aufhängen».
damalig, adj. Im 17. Jh. (bei Grimmeis-
hausen Simpl. 10). Von dem älternhd. Adv.
damal «zu der Zeit», wofür jetzt damals,
mit mals, mhd. mdles, dem adverbiell ge-
brauchten Gen. von mhd. mal n. «Zeitpunkt»:
schon in der frühnhd. Kanzleisprache (donials
Reichs-Ordnimgen 140^ vom J. 1527).
Damast, m. {-es, PI. -e)-. Zeugstoff mit
eingewebten Bildern. Aus ital. damasto neben
daniasco m., franz. damas ra., d. i. geblümtes
Seidenzeug von Damaskus (ital. Dawasco,
franz. Damas) in Syrien. Danach im 15.,
16. Jh. die Formen Damast (dammasf Murner
Narr. 19, 63), Damaseh (schon um 1400),
Damascht (bei Mathesius), Damask (mnd.,
bei Ringwald Wahrh. 92 Damaschke), 1596
bei Fronsperger Kriegsb. 3, 214^ Damaßkat,
noch bei Schott el 1663 Damaskt. Auch be-
tont Damast {Dänmast bei Voß Luise 2,
82. 107). ABL. damasten, adj. Im 16. Jh.
auch damasken.
Damaszener, m.(-s): Stahl von Damaskus.
Abgeleitet von gr.-lat. Damascenus «damas-
zenisch», von Damaskus in S^^ien. — da-
masziereu, v. : (vom Stahl) flammend ätzen.
Nach dem gleichbed. franz. damasquiner, ital.
damaschinare, abgeleitet von Damascenus, da
in Damascus zuerst Stahl flammig geätzt
wurde. Bei Henisch 1616 damaskeneren, bei
Duez 1664 damaßkieren und damaßkenieren
(bei Fischart Garg. 295 Damascanirer m.).
Damhock, m. {-es, PI. Damhöcke): Männ-
chen des Damw^ildes. Dam- ist mhd. täme
m. und tum n., ahd. tämo m. und tarn n.,
verkürzt ags. da f., engl, doe «Rehkuh», dän.
21*
327
Dambrett
Dämmer
328
äaa. Von gleichbed. lat. dama m. f., woraus
mit Wandlung des m in n afranz. daine m.
(nfranz. daine f. «Damhirschkuh»), ital. daino
m. «Damhirsch» und daina f. «Damhirsch-
kuh». Auf diesen roman. Formen beruht
mhd. tenisch n. «Leder von der Haut des
Damwilds», im 16. Jh. Tänlein, Dänlein
(Schmeller ^ 1, 512) «Damhirsch», sowie das
■/Mssunmenges. Deuhock, auch Dannhock, später
dui'ch Dambock verdrängt.
Dambrett, auch Damenbrett, n. {-es,
PI. -er): Brett zum Damenspiel (s. Dame).
Bei Duez 1664 Dambrett, hei Rädlein 1711
Damenbret.
Dame, f. (PI. -w): vornehme weibliche
Person; zwei übereinander gesetzte Steine
im Spiel auf einem in 64 Felder abgeteilten
Brett (bei Duez 1664 daher D. spielen, eig.
in oder auf der D. spielen, Goethe 37, 53,
bei Duez im dam spielen); die Königin in
der Karte und im Schachspiel. Aus franz.
dame f. (woraus ital. dama f.), das auf lat.
domina, mlat. domna beruht. Das Wort
kommt im Anfang des 17. Jh. auf, wird
schon 1617 im teutschen Michel 19 als mo-
disches Fremdwort aufgeführt, 1629 von Opitz
Ged. 2, 217, 1638 von Zincgref 2, 126, 1642 von
Homburg Clio C 6, dann von Rist, Logau u. a.
gebraucht und von Schottel 1663 als deutsch
verzeichnet. Anfangs daneben auch das ital.
dama {madamahei Albertinus weibl. Lustg. 131).
dameln, dämelll,v.: sich kindisch, töricht
benehmen; im Kopfe verwirrt, unklar sein.
Aus dem Ndd. In den Wörterbüchern vor
Campe nicht verzeichnet, aber schon im 16. Jh.
als dammein belegt, kommt dann seit der
Mitte des 18. Jh. durch die nordd. Umgangs-
sprache auf (döm,eln, auch Dömelei bei Hermes
Sophiens Reise 1, 413, zusammendämmehi bei
Goethe Jery u. Bat. 18, 20, dammein bei Voß
Ged. 2, 218; in Norddeutschland unterscheidet
man heute dämeln in obiger Bed. und dammein
«spielen, tändeln, scherzen, schäkern»). Ver-
glichen wird aind. tämjati «ermatten, betäubt
werden», lat. temulentus «trunken», ahg. tomiti
«mühen, abquälen», ir. famam« ruhe». ABL.
dämelig, dämlig, adj.: töricht, gedankenlos.
Bei Frisch 1741 dämlich. ZUS. Dämelack,
m. (-s): Dummkopf, Träumer. Verstärkend
statt der einfachen Bildungen Dämel m. und
Lack m. «dummer Mensch» (Fulda Id. 249),
fränk. Lacks m. «ungeschickter großer junger
Mensch», westf. Lacks m. «LafFe», östr. Lackl
m. «unbeholfner Mensch».
Damenbrett, s. Damhrett.
Damhirsch, m., wie Damhock (s. d.).
Bei Maaler 1561 Damhirtz, sonst älternhd.
auch DannJiirsch (noch 1773 von Goethe im
Götz gebraucht, d. j. Goethe 2, 316).
damisch, adj.: betäuben, unklaren Geistes
seiend (dann in übertragener Bed. «unbe-
holfen, plump und groß» ein damischer Kerl).
Im 15. Jh. im Oberd. erscheinend (Osw.
V. Wolkenstein 122, 24 tämisch, Schmeller-
1, 603 tämisch, temisch neben daumisch, um
1480 im Voc. ine. teut. r6^ tämisch «hebes,
ineptus, stultus»), noch jetzt im Baja-. als
«betäubt, schwindelig, nicht recht bei Sinnen»,
daher wohl nicht zu dem md.-ndd. dämeln,
dämelig gehörig, doch frühzeitig damit ver-
mischt, deshalb auch dämlich geschrieben.
Abgeleitet von mhd.-ahd. toum m. (ou zu ä,
vgl. Bahm, mhd. roum), vgl. Taumel.
damit l) adv. : mit dem, mit welchen],
womit, mhd. da mite, ahd. dar miti 2) konj.:
in der Absicht daß (bei Luther). Älternhd.
auch darmit.
dämlig, s. dameln.
Damm, m. {-es, PI. Dämme): in die
Länge aufgeschüttete Erde usw., besonders
zum Abhalten des Wassers. Älternhd. meist
Tamm (1507 bei Wilwolt von Schaumburg 80
tarn, tamh, bei Luther Tham, bei den schle-
sischen Dichtern Tha^nm, Tamm, diese Form
auch* bei Stieler 1691, während Schottel 1663
Damm hat); die Form mit d wird hier aus
dem Ndd. stammen, findet sich aber auch
obd. im 16. Jh. Redensart: auf dem Damme
sein «sich wohl befinden», eig. geschützt
sein gegen Wassergefahr. Mhd. tarn (Gen.
tammes) m., dazu mnd.-fries.-engl. dam «Damm»,
anoi'd. dammr m. Von E. Schröder ZfdA.
42, 66 aus *dahma- erklärt und zu tapfer (s.d.)
gestellt. ABL. dämmen, v.: dui-ch einen
Damm aufhalten, hemmen, hindern. Mhd.
temmen,dLaza ags.demman, got. in faurdammjan
«verhindern». ZUS. Dammerde, f. (dem
Damme Festigkeit gebende) fette Erde zu
Pflanzenwuchs. Bei Frisch 1741.
dammein, s. dameln.
dämmen, s. Damm.
Dämmer, m. (-s), selten n: Übergangs-
zustaud von Licht zu Dunkel oder von
Dunkel zu Licht, Zwielicht. Mit dem urspr.
e entspricht mhd. (bei Nie. v. Jeroschin)
demere f., ahd. demar n.; das nhd. Wort
setzt indes wohl nicht diese Formen fort,
sondern ist in der neuern Dichtersprache
329
Dämon
dappeln
330
von dämmern npu gebildet TGoethe hat das
bei Adelung und Campe noch nicht ver-
zeichnete Wort seit 1776 gebraucht [d. j.
Goethe 3, 142, Faust 395], Morgenäämmer
bei Claudius 4, 121). Verwandt ist zunächst
asächs. thimm «dunkel» und mhd. dinster,
ahd. dinstar «finster» (s. d.), weiter noch
aind. tamräs «finster», tämas n. «Finsternis»,
tämisräf. «Xacht», ]it.famsä f. «Dunkelheit»,
ir. temel «Dunkelheit», lat. fenebrae (aus
*tenesrae) PI. «Finsternis», dämmern, v.:
Zwielicht werden. Bei Schott el 1663 demmern,
früher nicht zu belegen. Davon Dämmerung,
f. 3»Ihd. (bei Nie. v. Jeroschin) demerunge f.,
ahd. dafür demenunga f.
Dämon, m. (-s, PI. Dämonen) : böser Geist.
Von gr.-lat. daemon, gr. bai.uuuv m. «Geist»,
besonders kirchlich s. v. a. «böser Geist».
Bei Sperander 1728. dämöniscll, adj.: von
einem bösen Geiste besessen, teuflisch. Nach
gr.-lat. daemonicus.
Dampf, m. (-es, PI. Dämpfe): dicker
Rauch; dick aufsteigende nebelartige Feuch-
tigkeit: (bUdlich) Bedrängnis, Pein, Angst.
Mhd. dampf, tampf, ahd. damph m.: dazu
ndl. daynp, engl, damp «Feuchtigkeit, Dunst»,
anord. dampi m... dän. damp. ^lit Ablaut zu
dem starken V. dimpfen CPräX. dampf, Part.
gedumpfen) «rauchen», von Brennendem, wie
auch von erhitzten Menschen, Tieren usw.
Die Herkunft ist unsicher. Das .deutsche
Verb könnte man auf idg. *iemh zurückfühi-en
und zu gr. äxeußuj «betöre, schädige» stellen.
Dann müßten aber die nicht hochdeutschen
"Worte davon getrennt oder als entlehnt an-
gesehen werden. Ist der Anlaut germ. ä,
idig.dh, so ließe sich aind. (?a&A«ö^i «beschädigt,
versehrt, betrügt y^ vergleichen (aus *dhubh),
doch stimmt dann der auslautende Konsonant
nicht. Vielleicht liegt eine Vermischung
zweier Wurzeln vor. ABL. dampfen, v.:
Dampf von sich geben; Dampf hervorbringen ;
mittels eines dm-ch Dampf getriebnen Schiffes
oder Wagens fahren. In der 1. Bed. mhd.
dempfen, ältemhä. dämpfen. Davon Dampfer,
m.: Dampfschiff", dampfig, adj., spätmhd.
temphig (um 1430 tampfg -vaporosus» im
Voc.inc.teut.reb). Zt^S. Dampfnudel, f.,
bei Stieler 1691 Dämpfnudel. Dampfschiff,
m. Dampfwagen, m. Neue Bildungen.
dämpfen, v.: rauchen oder (Feuer) er-
löschen machen; ersticken machen; unter-
drückend schwächen; durch Dampf kochen.
Mhd. dempfen, fempfen, ahd. demphen, femphen
«erlöschen, ersticken machen, den Atem be-
nehmen, würgen». Das Faktitiv zu dem
starken V. mhd. dimpfen (s. Dampf ■. Davon
Dämpfer, m.: Homspitze oder Blechnapf
mit Stiel zum Löschen der Lichter (bei
Adelung 1774): ein Werkzeug, den Ton musi-
kalischer Instrumente zu mildem, zunächst
die auf den Steg der Violine gesteckte kleine
Klammer (1781 bei Jacobsson techn. Wb. 1,
396*), daher bildlich einen Dämpfer aufsetzen.
dämpfig, adj.: engbrüstig, schweratmend.
In frühnhd. Glossaren. Von mhd. dempfe f.
«Engbrästigkeit», wofüi- frühnhd. auch dampf.
Dampfnudel, -schiff, -wagen, s. Dampf
Damwild, n. : Rotwildart mit etwas schau-
feligem Geweih. S. Damhock.
danach, darnach, adv.: nach diesem.
i Mhd. dar nach, da nach., ahd. dara näh, dar näh.
danieder, darnieder, mhd. da nidere,
dernider, ahd. dar nidare.
Daniel, Mannesname, aus hehr. Dämel,
d. i. «mein Richter ist Gott», zusammenges.
aus hehr, däm «mein Richter» und el «Starker,
Gott».
Dank, m. \-es, PI. -e): anerkennender
AusdiTick der Verpflichtung wofür. Mhd-
ahd. danc m.: dazu asächs. thank, ndl. dank,
afries. thank, ags.ßanc, engl, thanks PL, anord.
pakkir PL, schwed. tack, dän. tak, goi.ßagks m.
Die urspr. Bed. ist «Gedanke, Meinung, Ab-
sicht» (noch in der veralteten Redensart
ohne meinen D. d. i. Willen), wie sie bei
denken zugnmde liegt , vgL noch dünken.
ABL. danken, v., mhd. danken, ahä.danchön:
dazu asächs. thankön, ndl. danken, ags.pancian,
engl, thank, anovi. ßakka, schwed. tacka, dän.
takke. dankhar, adj. u. adv., mhd. danchcere,
\ ahd. danchäri. Zl'S. danksagen, r., zu-
sammengeschoben aus mhd. danc sagen.
dann, adv., weist auf eine Folge in der
Zeit, der Ordnung. !Mhd. danne imd denne,
gekürzt dan, den, ahd. danne und denne,
selten denni; dazu ndl. dan, ags.ßonne.ßcenne,
engl, fhen «damals». Von dem Stamme des
demonstrativen Pron. der gebildet. Von denn
( s. d.), das mit dann urspr. eins ist, scheidet
sich dieses genauer um die Mitte des 18. Jh.
dannen, demonstr. Pronominaladv., nur
! noch in V07i d. «weg von dem Orte, weg
von da». Mhd. dannän, meist dannen, danne,
dan, ahd. danana, danän ; dazu asächs. thanan,
ags. ßanon, engl, (weitergebildet) thence. Von
dem Stamme des demonstr. Pron. der.
dappeln, (Goethe 1, 180), s. tappen.
331
dar
dasig
332
^dar, altertümliche Nebenform von ^ da
(s. d.). Außerdem in der Zusammens. mit
vokaUsch anlautenden Lokaladv., z. B. dar-
aus, mhd. dar mj, da üß, ahd. dar ng; darin,
mhd. dar in, da in, ahd. dar in; darunter,
mhd. dar under, ahd. dar untari. Dies dar-
erscheint dann auch vor konsonantischem An-
laut, z. B. ältemhd. darhei, darmit.
"dar, adv.: dahin, jetzt nur noch in Zu-
sammensetzungen. Mhd. dare, dar, ahd. dara,
dazu asächs. fha.r, engl, there. Von dem
Stamme des demonstr. Fron. der. Mit Verben
zusammenges.: darhieten, -hingen, -geben usw.
(mit ausgelassenem Y. bei Schiller Eäuber 1, 2
auf mich dar). ]\Iit Lokaladv. zusammenges. :
daran, mhd. dar ane, ahd. dara ana; darein,
mhd. dar in, ahd. dara in: darüber, mhd.
dar über, ahd. dara ubiri. Vor konsonan-
tischem Anlaut ist meist da- dafür einge-
treten (durch Mischung mit da = ^dar), so
dagegen, danach, dawider, dazu, dazwischen,
die älternhd. aber noch mit dar- begegnen,
wie noch jetzt darnach.
darben, v. : das Notwendigste entbehren,
Mangel leiden. !Mhd. darben, ahd. darben;
dazu asächs. tharbön «entbehren», ags. ^ear-
fian «ermangeln», got. in gaßarban «sich wo-
von enthalten», neben dem Adj. ßarbs be-
dürftig. Zu dürfen.
Darge, f. (PI. -n): Angel von Messing,
an die zum Fange der Hechte ein roter Lappen
gesteckt wird, den dieselben für ein Rotauge
halten (1692 bei Canitz 118. 59). In der Mark
Brandenburg, Auch Derge, Terge. Von dar-
gen, V.: mit der blinkenden Angel und dem
roten Lappen reizen und fangen, das aus ndd.
targen, tergen, hd. zergen «reizen, necken»,
von zerren abgeleitet.
darinnen, drinnen, adv. Am Ende des
15. Jh. weitergebildet aus drinne, mhd, dar
inne, ahd. dar inne.
darlegen, v.: wohin legen, offen wohin
legen, mhd. dar legen, auch noch bei Luther;
eröffnen, klarmachen (bei Luther).
Darlehen, Darlehn, n. (-.s, Fl. wie Sg.) :
zu Wiedergabe in Benutzung gegebenes Geld.
1663 bei Schottel 626 Darlehn. Von dar-
lehnen, wofür jetzt gewöhnlich darleihen,
das schon in der frühnhd. Kanzleisprache vor-
kommt (Janssen Frankf. Reichskorr. 1, 781
vom J. 1509), aber von Adelung 1774 noch
für obd. erklärt wii'd.
Darm, m. {-es, Fl. Därme): häutiger
Schlauch im Leibe zur Aufsaugung des Nah-
ningssaftes und Abfühning des Unrats. Mhd.
darm, ahd. darm, daram m.; dazu ndl. darm,
afries. therm, ags. pearm, anord. Fl. parniar,
schwed.-dän. tarm m. Verwandt ist gr. Tpfma
n. «Loch», Tpäjuic f. «After». ZUS. Darm-
gicht, f.: Leibgrimmen. Mhd. darnigiht f.
S. Gicht.
darnach, s. danach.
daroh, droh, adv.: dar-, worüber, des-,
weshalb. Mhd. dar obe, da obe, ahd. thär
oba «darüber».
Darre, f. (Fl. -n): Ort und Vorrichtung
(Horde) zum Dörren; Handlung des DöiTcns:
Krankheit des Ausdorrens (Darrsucht). Mhd.
darre, ahd. darra f. S, Dörre.
darstellen, v.: offen wohin stellen (auch
refl. sich d. «sich öffentlich zeigen»); vor
Augen stellen (refl. vor Augen sein); zum
Ausdruck biingen; vergegenwärtigen, schil-
dern. Bei Luther in der 1. u. 2. Bed.
dartun, v.: (veraltet) wohin tun; auf-
wenden, ausgeben (bei Luther); beweisen,
klarmachen (auch schon fiühnhd.).
darüber, adv., s. -dar.
darum, adv.: im Kreise von etwas; in
Beziehung dar- oder worauf; aus dem Grunde.
ÄIhd. dar umbe, da umbe, ahd. dar umhi «in
Beziehung darauf, deshalb».
darunter, adv., s. ^dar.
das, Neutr. zu der, eig, identisch mit der
Konj.* daß (s. d.).
Dase, f. (Fl. -n): Bremse, blinde Stech-
fliege. Niederdeutsch. Auch Dassel f. Dunk-
ler Herkunft, vielleicht zu mhd. dase f. «Un-
holdin».
Dasein, n.: Gegenwart, dauernde Wirk-
lichkeit. Der substantivische Inf. sein mit
^da. Von Christian Wolff' gebildet.
daselbst, adv.: an dem Orte. Spätmhd.
da selbes, daselbs, vereinzelt auch schon da
selbest, um 1480 im Voc. incip. teut. d 2"^
daselbst (Luther hat noch daselbs).
dasig, adj.: an dem Orte befindlich. Von
der Partikel da mit einem zwischen den Vo-
kalen eingeschalteten s gebildet, vgl. hiesig.
Die Bildung tritt gegen Ende des 15. Jh.
auf (Decameron 272, 19; 406, 30, vgl. Gom-
bert 7, 17), bürgert sich aber wenig ein, da
sie von Stieler 1691 und noch Frisch 1741
als neugeschaffen bezeichnet wird; Adelung
und Campe weisen sie den gemeinen Sprech-
arten, Heynatz 1796 in der schon früher
vorkommenden Bed. «derselbe» den hochd.
schreibenden Juden zu. Daneben auch daig.
333
daß
Danm
334
daß, konj. !Mlid. da^, ahd. da^, dazu
asächs. fhat, ags. Jjcef, engl, that, got. ßafa
mit angetretener Pronominalpartikel ei ßatei.
Die mit dem Xeutr. das (zu der) identische
Konj. wird auch in der Schreibung von ihm
frühnhd. nicht gesondert (für beide das oder
daß). Die Grammatiker Clajus und Ölinger
haben ohne Unterscheidung das. Dagegen
unterscheidet 1561 Maaler das Pronomen und
den Artikel das von der Konj. daß in der
Schreibung, die dann entschieden für dieses
mit ß und jenes mit s 1629 von Werner
Rechtschreibung S. 74 und 1641 von Schottel
Sprachkunst S. 212 in der Grammatik fest-
gesetzt wii'd.
datieren, s. Datum.
Datir, m. {-s, PI. -e) -. Fall auf die Frage
wem? Aus lat. datlvus (nämlich casus) eig.
c< Geben anzeigender Fall».
Battel, f. (PI. -n): süße Frucht einer
Palmenart. Mhd. tatele, tatel f. Wie ital.
dattüo, Span, datil m, aus gr.-lat. dacfylus,
gr. bdKTuAoc m. eig. «Finger» und dann der
fingerartigen Gestalt wegen die «Dattel». Im
16. Jh. auch Dactel (z. B. 1574 bei Fischart
Onomastica 85^ Dattilen, Dacteln) und mhd.
tahtel, woraus unser Dachtel (s. d.).
dattern, s. tattern.
Datum, n. (-S, PI. Daten): Zeitangabe
eines Schreibens. Im 14. Jh. mhd. datum
n. m. aus lat. datum «gegeben», das ehedem
in gerichtlichen Aktenstücken vor die An-
gabe des Tages gesetzt wurde. ABL. da-
tieren, V. Aus franz. dater, mlat. datare.
Bei Rot 1571.
Daube, f. (PI. -n)-. Seitenbrett eines höl-
zernen Gefäßes. Aus franz. douve, mailändisch
dova, ital.-mlat. doga f., die auch «Graben»,
sowie «Fassung des Grabens, Seitendaram»,
im Ital. selbst «rings als Einfassung des Kleides
umlaufender Streifen » bedeuten. Danach wäre
Daube zunächst «Einfassung des Gefäßes»,
urspr. aber ist mlat. doga geradezu «Gefäß»
und geht so wohl auf gr. boxr\ f. «Behälter,
Gefäß» zurück. Auf ital. doga geht mhd. düge,
Schweiz, (bei Maaler 1561) Dauge, schwälj.
Faßtauge (württemb.Zollordn.von 1661 Tit. 10,
vgl. auch Fischer 2, 111), ndl. duig f. «Faß-
daube» zurück, auf franz. douve «Daube»
(schon bei Luther, aber bei Keisersberg tauwe,
bei Mathesius Sar. 119^ taube, bei Aventin
5, 290, 20 nach dem Bayr.-Öst. taufeJ f ) unser
Daube. Die Ableitung von mlat. doga be-
zweifelt Fischer a. a. 0.
däuchteil, v.: dünken. Hei-vorgegangen
aus dem Konj. Prät. von dünken, mhd. diuhte,
gekürzt diuht, was dann als Ind. Präs. ge-
nommen wird. So schon spätmhd. mich (mir)
deucht und häufig im 16. Jh. (bei Luther in
der Bibel nui" Sir. 3.3, 14), zuweilen sogar
deuchtet. Der Inf. deuchten, däuchten 1616
bei Henisch und dann häufig in Gramma-
tiken und Wörterbüchern, da der Zusammen-
hang mit dünken nicht mehr empfunden wird.
Daudistel, f.: Gänsedistel. 1429 düdistel
(lib. ord. rer.), spätahd. düdistel m., dazu ags.
püßistel m.
däuen,v. (Claudius 4, 47): verdauen (s. d.).
^ Dauer, f : Fortbestand. Mhd. vereinzelt
(bei Xic. V. Jeroschin) dür f., bei Krämer
1678 Daur, bei Stieler 1691 dagegen Taure,
bei Christian WolflF Daure. Von dauern, v.:
fortfahren zu sein. Mhd. (zuerst im 12. Jh.
und nicht allgemein) türen, düren, wie ndl.
duren, afries. dv.ria, engl, dure, schwed. dura
entlehnt aus lat. düräre «fortbestehen». Im
altem Xhd. nicht häufig, 1562 bei Mathesius
Sarepta 284^ außtauren, von Henisch 1616
als dauren verzeichnet, von Stieler 1691 als
tauren, auch Ludwig 1716 kennt noch tauern.
ABL. dauerhaft, adj., bei Stieler 1691 tauer-
haft, dafür 1562 bei Mathesius Sar. 2^ thauer-
hafftig, bei Henisch 1616 daurhafftig.
"Dauer, f.: mitleidige Stimmung worüber.
Xhd. ungewöhnhch (bei Maler Müller 1, 299),
mhd. türe f. Von dauern, v.: zu Unlust
und mitleidiger Stimmung bewegen, unper-
sönlich mich dauert. ^Yhä. mich türet, ver-
wandt mit tiure «kostbar», also eig. «viel
kosten, kostbar sein, allzu kostbar sein», was
dann in die Bedeutungen des «An-dem-Herzen-
liegens» und dann des «Schmerzlichseins» hin-
überspielt. Ndd. duren, mengl. douren, sonst
im Germ, nicht vorhanden. Bei Luther noch
tauren, während schon Maaler 1561 dauren
hat; tauern hält sich namentlich bei Schle-
siem und Obersachsen und \\"ird noch von
Lessing (l, 133; 6, 107) gebraucht.
Daum, m. (-es), gewöhnlich Daumen,
m. (-.s, PI. wie Sg.): der erste Finger. Mhd.
düme, ahd. dümo m.; dazu ndl. duim, afries.
thüma, ags.püma, engl, thinnb, schwed. tumme
m., anord. abgeleitet pümall, ßümalfingr m.
(dän. tommelfinger). Gewöhnlich als «derstarke,
dicke» erklärt, zu lat. tumere «schwellen»,
tumulus m. «Hügel», aind. tütumas «stark»,
tumräs «fett». Das urspr. schwache M. hat im
Nom. Sg. n angenommen, daneben mit Ver-
335
Danne
Decke
336
kürzung und Übergang ziir starken Flexion I
Daum, das im altern Nhd. häufiger, jetzt j
wesentlich auf die poetische Sprache be-
schränkt ist. ABL. Däumling, Däumer-
ling (Goethe 16, 64 u. ö.), m.: Daumen (früh-
nhd.); Überzug über den Daumen, Finger-
hut (bei Henisch 1616); daumengroßer d. i.
allzu kleiner Mensch; Zaunkönig. Entsprechend
ndl. duimeling, anord. pümlungr m.
Daune, f. (Fl. -n): weichste Flaumfeder.
Aus ndd. (schon mnd.) dune f., das mit engl.
doivn auf anord. dünn m. (schwed. diin, dän.
dun n.) zumckgeht. Bei Schottel 1663 noch
mit dem ndd. Vokal Dunen (und Donst),
das noch heute in der bayrischen und öster-
reichischen Rechtschreibung gilt, bei Stieler
1691 auch als Daunen. S. Eiderdaune.
■"Daus, m.: in Redensarten wie ei der
Daus!, ivas der Daus!, wie ein Daus, bei
denen die Bed. «Teufel» durchschimmert.
Entsprechend nd. de Düs! «der Teufel!»,
engl, the deuce! (deuse), die man entweder
auf lat. deiis «Gott» oder auf gall.-mlat. dusius
«aufliegender diu ckender Geist» zurückführt;
vielleicht ist das Wort aber wie dithmars.
Deusen, nd. Dukes, Duks, Düker, Deuker,
hd. Deuster, Deixel u. ähnl. nur eine ver-
hüllende Entstellung für Teufel. Zuerst im
16. Jh. bei Ringwald (laut. Warb. 368 gleich-
wie ein D.) vorkommend.
^Daus, n. (Gen. Dauses, PL Däuser) : je ein
Aucre auf einemWürfel; die Zwei der deutschen
Spielkarte; das As. Alternhd. auch Taus.
Mhd. tüs, düs, spätahd. düs n., entlehnt aus
afranz. doues, prov. duas, nfranz. deux «zwei».
David, Mannsname, aus hebr. David d. i.
«Geliebter».
davon, adv. Alternhd. (noch bei Stein-
bach 1734) auch darvon, mhd. da von. Dazu
ndl. daarvan.
Däz, m. (-es, PI. -e): Kopf. Niedriger
Ausdna ck in Nord- und Mitteldeutschland,
bei Kleist zerbr. Ki-ug 980 Detz. Wohl aus
ital. testa, frz. tete f. «Kopf».
dazumal, adv.: wie damals (s. d.). Aus
einem mhd. da ze male. In der fmhnhd. Kanzlei-
sprache {dozemal Janssen Frankf. Reichskorr.
1, 284 V. J. 1473), auch von Luther gebraucht.
-de, Ableitungssilbe für Substantiva. Schon
mhd. -de, das entspricht 1. einem ahd. -ida
in den Fem. Begierde, Behörde, Beschwe^'de,
Freude, Gebärde, Gefährde, Liehde. 2, einem
ahd. -idi in den Neutr. Gebäude, Gehöfte, Ge-
lübde, Gemachte, Gemälde, Getreide.
Debatte, f. (PI. -n): Wortgefecht. Aus
dem gleichbed. franz. debat m., von debattre
«bestreiten, verhandeln». Im Zeitungslex. 1703
(noch bei Nieremberger 1753) erscheint wie
im Franz. Debat, bei Sperander 1728 aber
mit dem PI. Debatten, aus dem der Sg. De-
batte als F. gebildet ist. ABL. debattieren,
V. : in Worten hin- und herstreiten. Schon
im 17. Jh. z. B. Weise Erznarren 154.
Debit, m. (-s): Warenabsatz, Vertrieb.
Aus franz. debit m. «Verkauf», von lat. de-
bitum «verpflichtet», im Mlat. s. v. a. «Be-
trieb ». debitieren, v. : verkaufen, vertreiben,
absetzen. Aus franz. debiter. Bei Nehring 1694.
Debüt, m. n. {-s, PI. -s): das erste Auf-
treten auf der Bühne usw. Aus gleichbed.
franz. debut m. Schon bei Nehring 1710 «d^r
erste Schuß oder Anfang zu schießen nach
der Scheibe».
Dechanef, f.: Amtsbezirk, Wohnung des
Dekans. Mhd. techanie, techenie f., aus mlat.
decaniat «Amtswürde eines Vorgesetzten über
10 Mönche», von lat. decänus (s. Dekan). —
D^chant oder Dechänt, m. (-en, PI. -e»):
Obergeistlicher eines Stiftes, Bezirkes. Mhd.
dechent, techant, ahd. techant m., mit ange-
tretenem t aus lat. decänus.
Dechärge, f.: Entlastung, Anerkennung
der Richtigkeit einer Rechnung. Aus franz.
gleichbed. dechärge f., zusammengesetzt aus
de hier soviel wie «ent» und charger «laden».
Bei Campe 1813.
Decher, m. {-s, PI. wie Sg.): 10 Stück
Felle (aber 40 Stück bei russischen Rauch-
waren). Mhd. techer, mnd. deker, engl, dicker
m., aus lat. decuria f. «Zehnt».
Dechsel, f. (PI. -n): Breitbeil, Queraxt,
Krummhaue. IVfhd. dehse und dehsel, ahd.
dehsa und dehsala. Obd. meist mask., nd.
Dessel f. Die Formen Deichsel, Dächsei und
Dachsbeil beruhen auf falscher Anlehnung an
Deichsel und Dachs (daher deicliseln, v.:
mit der Dechsel bearbeiten, zurecht hauen).
Zu mhd. dehsen «den Flachs schwingen» eig.
«schlagen», ai. täksati «behaut», lat. texo
«webe», gr. t^ktuuv m. «Zimmermann».
Deck, n. (-s) : Verdeck (s. d.). Aus dem
Ndd.-Ndl. Zuerst 1716 bei Ludwig verzeichnet.
Decke, f. (PI. -n) -. über etwas Befindliches,
das es dem Blicke, der Kenntnisnahme ent-
zieht. ]\Ihd, decke, ahd. decchi, decki f. Von
decken, V. : zu Entziehung für Wahrnehmung,
zum Schutz etwas damber oder davor machen.
Wcidi. decken (Vr'üi.dacte, Vari.gedact, gedecket),
337
dedizieren
degradieren
338
ahd, decchen, decken; dazu ndl. deJcken, afries.
thekka, ags, ßeccan, engl, thatch, anord. ßekja,
schwed. täcka, dän. däkke. Zu Dach (s. d.),
mittelst eines ^-Suffixes gebildet. Das Prät,
dackte (bei Luther deckte, decket) kommt noch
im 16.U. 17. Jh. zuweilen vor; das VdA'i. geduckt
hat sich als technischer Ausdi-uck (bei den
Orgelbauern) erhalten. ABL. Deckel, m.
(-S, PI. wie Sg.), spätmhd. Deckung, f.,
von Adelung 1793 noch nicht angeführt.
ZTJS. Deckbette, meist Deckbett n., 1482
im Voc. theut. e 7*^ deckpef. Deckmantel,
m., mhd. deckemantel m., auch schon über-
tragen (vgl. hemänteln).
dedizieren, v.: \\ädmeu, jemandem zu-
eignen. Aus dem gleichbed. lat. dedicäre.
1531 bei Hedio Josephus Ant. 188^ dediciern.
ABL. DedikatiÖn,f.: Widmung, Zueignung.
Im 16. Jh. bei Fischart 2, 284 (Km-z) dedi-
cation, aus lat. dedicätio f.
deduzieren, v.: durch Schlußfolgerung
herleiten und dartun. Aus lat, dedücere, eig.
«herabführen». Schon bei Rot 1571 deducirn.
ABL. Deduktion, f.: Herleitung dui-ch
Schlüsse; Beweisführung (Script, rer. Siles.
4, 256 vom J. 1579 deduction). Aus lat.
deductio f.
Defekt, ni. {-es, PI. -e): Mangel worin.
Aus dem gleichbed. lat. defectus m., von defi-
cere «fehlen». Bei Rot 1571 Defect (Ger-
mania 28, 364 ein Beleg von 1531), — De-
fizit, n. : Ausfall an Geld, Fehlsumme. Aus
der 3. Sg. Präs. Ind. deficit von deficere. 1729
in Stoppes Ged. 2, 121 bereits in bildlicher
Anwendung (Mangel an Körperfülle).
defensiv, adj.: der Verteidigung dienend.
Aus dem gleichbed. mlat. defensivus, abge-
leitet von lat. defensio f. «Verteidigung», von
defendere «verteidigen». Frühnhd. (1541 bei
Liliencron 4, 180 defensiven weis). Defen-
sive, f.: Verteidigung, 1626 bei Stettier
Schweizerchronik 2, 189^. Defensivkrieg,
m., 1617 bei Wallhausen Corp, mil. 4,
defilieren, v.: reihen-, zugweise vorbei-
marschieren. Aus franz. defiler «in einer
Reihe hintereinander gehen», von file m. «Fa-
den, Reihe», das aus lat. filum n. «Faden».
1703 im Zeitungslex. Davon Defil^e, n. (-s,
PI. -s): Enge, Engpaß. Aus franz. defile m.
1703 im Zeitungslex. defilees «enge, verhauene,
schlammigte Wege».
definieren, v.: unterscheidend erklären,
einen Begriff bestimmen. Aus lat, deflnire
«ab-, begrenzen, im Begriffe bestimmen», wor-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
aus schon mhd. diffinieren «bestimmen, fest-
setzen». Definition, f. : Begriffsbestimmung.
Aus lat. definUio f. Frühnhd. (Luther 5,
276 *> Jen.), definitiv, adj.: abschheßend,
unwiderruflich. Aus lat. deßmtnms « bestimmt,
begrifi'sbestimmt». Bei Wächtler 1711.
Defizit, s. Defekt.
deftig, adj.: tüchtig, trefflich. Aus dem
Xdd. in die hd. Umgangssprache eingedrungen,
auch ndl. deftig. Zu ags. gedceft «passend»,
engl, deft «niedlich, geschickt», abgeleitet von
dem V, got. gadahan «passen». Bei Schottel
1663 verzeichnet.
^ Degen, m. (-s, PL wie Sg.): tüchtiger
Kriegsmann. Mhd. degen, ahd. degan m.
«männhches Kind, Knabe, Diener, Gefolgs-
mann, tapfrer Kriegstnann, Held»; dazu asächs.
thegan m. «Knabe, Diener, Mann», ags. ßegn
«Diener, Mann, Ritter», engl, thayie «Frei-
herr», anord. ßegn m. «freier Untertan, freier
Mann». Das Wort bedeutet urspi-. «Knabe»
und stimmt der Lautverschiebung gemäß mit
gr. xeKvov n. «Erzeugtes, Kind», zu TiKxeiv
«erzeugen, gebären». Xicht zu -Degen. Es
wurde im 15. bis 18. -Jh. nur selten gebraucht
und Stieler, Steinbach, Frisch führen es nur
als veraltet auf; 1759 wurde es aber von
Lessing im Anschluß an Logau empfohlen
und von ihm (Em. Galotti 1, 4), sowie von
Wieland, Bürger, Goethe, Schiller (Jungfr.
V. Orl ProL 3), Uhland, E. M. Arndt usw.
wieder als edler Ausdruck aufgenommen.
Aus der Anlehnung an -Degen erklären sich
Bildungen wie Hau-, Raufdegen.
^ Degen, m. {-s, PL wie Sg.): Ehren- und
Standes waffe. Zuei'st im 15. Jlo., aber in der
Bed. «Dolch», 1507 bei Wilwolt von Schaum
bürg 124 langer legen; auch von Luther ge
braucht, aber nicht in der Bibel (Rieht, 3
16 änderte er stoßdegen in Schwert), bei Dasy
podius 1537 als dägen «gladiolus» verzeichnet
Entsprechend franz. dague, ital.-span. daga
engl, dag, mlat. dagga f., deren Herkunft un-
sicher ist. Im Älternhd. auch Dege, Deg
(Tag Gryphius Trauersp, 40).
degenerieren, v.: ausarten. Aus dem
gleichbed. lat. degeneräre, vom Adj. degener
«entartet». Schon bei Rot 1571.
degradieren, v.: der Würde entsetzen.
Mhd, degradieren, digradiei'en «der Würde
entsetzen», namentlich bei Geistlichen, «der
Weihe benehmen», aus dem gleichbed. mlat.
degradare, dessen gradare von lat. gradus m.
«Stufe, Rang».
22
339
dehueu
deklinieren
340
dehnen, v. : in die Länge ziehen, ausein-
ander ziehen. Mhd. denen, auch dennen, ahd.
dennen; dazu asächs. thenian, ags. penian,
anord. J>enja, schwed. tänja, got. panjan (in
ufpanjan). Verwandt mit gr. reiveiv «spannen»,
aind. tanöti «dehnt, spannt», lat. tendere,
«spannen» usw. mit reicher Verzweigung.
S. auch dinsen, Dohne, dünn. ABL. dehn-
bar, adj., bei Adelung 1774. Dehming, f.,
bei Henisch 1616.
Deich, m. (-es, PI. -e): Schutzdamm gegen
Wasser. Mhd. tich, dich m. aus dem gleich-
bed. mnd.-mnl. dik m. (schon andd. dik), da-
zu afries. dlk, ags. dik m., engl, dike (auch
ditch «Abzugsgraben»), anovd. diki n., dän. dige.
Eig. identisch mit Teich (s. d.), aber in halbndd.
Lautform (doch älternhd. auch oft Teich, so
noch beiLudwigl716 und Frisch 1741, während
das reinndd. Diek bei Schottel 1663 steht
und auch Ludwig 1716 bekannt ist). ABL.
deichen, v. : einen Schutzdamm errichten.
Mndl. diken. ZUS. Deichgraf, Deichgräfe,
m.: Oberaufseher über das Deich wesen einer
Landschaft, Deichhauptmann. Norddeutsch,
1591 bei Spangenberg Adelsspiegel 1, 323
Teichgrave. Mnd. dikgreve m. S. Graf.
Deichsel, f. (PI. -n)-. Wagenstange zwi-
schen den Zugtieren. Mhd. dihsel, ahd. dih-
sala f.; dazu andd. tMsla, ndl. dissel m., ags.
ßixl, ßlsl, anord. ßisl f. Grundform *pinhslä
und daher zu lat. temo (aus *tenxmo) m.
pr. teansis «Deichsel», aus *tenksis. Vgl.
noch Osthoff Idg. Forsch. 8, 36. Im altern
Nhd. die Nebenformen Deistel (auch bei
Luther) und Deisel.
deichseln, s. Dechsel.
^dein, erweitert deiner: Gen. Sg. von
du (s. d.). Mhd.-ahd. din, asächs.-afries. thin,
ags.-anord. ßin, got. peina. Seiner Bildung
nach zu dem possessiven '^dein gehörig. Das
erweiterte deiner, schon mhd. vereinzelt diner,
ist bei Luther noch selten (in der Bibel nur
5. Mos. 13, 17), doch führen es die Gram-
matiker Ölinger und Clajus neben d. an und
Schottel gibt der längern Form den Vorzug.
^dein, besitzanzeigendes Pron, der 2. Per-
son. Mhd.-ahd. din, asächs.-afries. thm, ags.
ßin, engl, thy, thine, anord. J)in7i, schwed.-dän.
din, got. ßeins. Von du (s, d.) abgeleitet.
deinesgleichen, erstarrte Genetivform,
mhd. di7ies geliehen. Im Mhd. ist in dhi geliche
«der dir gleich ist» sowohl das Possessiv als
das substant. geliche mit Flexion versehen,
z. B. er vant dinen geliehen.
deinet- in deinethalhen , -wegen, -willen,
hervorgegangen aus dem im Frühnhd. noch
vorkommenden deinent-, mit angetretnem t
aus deinen, das in deinethalhen (aus deinen
halben) und deinetwegen (aus deinen ivegen)
als Dat. PL, in deinetivillen (bei Luther noch
vmh deinen tvillen) als Akk. Sg. anzusehen ist.
deinig, adjektivische Bildung, die immer
den Artikel vor sich hat. Am Ende des 16.
Jh. entstanden; 1663 bei Schottel S. 541 an-
geführt,
Deise, f. (PI -n): Gestell im oder am
Schornsteine zum Trocknen von Holz oder
Fleischwaren. Im 15. Jh. thüring. und 1469
mittelrhein. (Voc. ex quo) deyse, auch mnd,
deise (Crecelius 260). Jetzt in Hessen, Elsaß,
Kärnten usw.
Deist, m. (-en, PI. -en): Gottgläubiger
ohne OiFenbarungsglauben. Aus engl, deist,
franz. deiste m., abgeleitet von lat, deus m.
«Gott», Bei Sperander 1728. Vgl. Ladendorf
Hist. Schlagwb. 47. ABL. deistisch, adj.
Deixel, m., Entstellung aus Teufel (s. d.)
Schon im 17. Jh.
Dekade, f, (PI. -n): Zahl von 10. Aus
dem gleichbed. franz. decade f. von gr. bcKclc
(Gen. beKöboc) f. «Abteilung von 10». Im
spätem 18. Jh. entlehnt.
Dekagramm, n,: lO Gramm, Deka-
meter, n,: 10 Meter. Durch Reichsgesetz
von 1868 eingeführte Benennungen, entlehnt
aus franz. decagramme m. und decametre m.,
deren deca aus gr. biKa «zehn».
Dekan, m. (-s, PI. -e): Obergeistlicher;
Fakultätsvorstand. Mhd, und spätahd, dechan.
techan m., aus lat. decänus m. «Vorgesetzter
von 10, z. B. 10 Mönchen». S. auch Dechant.
ABL. Dekanat, n.: Amt und Amtsbezii'k
des Dekans. Aus mlat. decanatus m. Bei
Wächtler 1711.
deklamieren, v.-. im Redeton laut vor-
tragen. Aus lat. declämäre. Schon bei Rot
1571 declamirn. ABL. Deklamation, f,:
Redevortrag. Aus lat. declämätio f.
deklarieren, v.: sich woi-über erklären.
Schon mhd. declariren (Mon. Boica 43, 401
vom J. 1381), von lat. decläräre. ABL. De-
klaration, f. Aus lat. declärätio f. 1495
Declaration (Reichsordn. 19^).
deklinieren, v.: nach Zahl (Numerus)
und Fall (Kasus) biegen. Schon mhd. de-
cliniren, aus lat. decHnäre eig. «abbiegen».
ABL. Deklination, f. Aus lat. decllnätio
f, Frühnhd. (Luther 7, 20^ Jen.).
341
dekolletieren
Demut
342
dekolletieren, v.: den Hals entblößen.
Aus franz. äecolleter, zusammengesetzt aus de,
lat. dis «weg von, ent-» und collet «Kragen»,
von lat. Collum u. «Hals». Xeue Entlehnung.
dekorieren, v.: verzieren, schmücken.
Aus dem gleichbed. lat. decoräre. Schon bei
Rot 1571. ABL. Dekoration, f.: Verzie-
rung; Ehrenzeichen. Aus dem lat. decorätio
f. «Ausschmückung». — Dekorum, n.:
Wohlanständigkeit, Anstand. Das lat. de-
cörum n., das Neutr. des Adj. decönis «zier-
lich, fein, wohlanständig». Im spätem 18. Jh.
üblich geworden und bei Campe 1811 ver-
zeichnet.
Dekret, n. (-es, PI. -e) : gerichtlicher Be-
scheid; obrigkeitliche Verordnung. Schon
mhd. decret n., aus lat. decretum n. «Ent-
scheidung», dem Neutr. des Part. Perf. Pass.
von decernere «entscheiden». ABL. dekre-
tieren,-v.: Bescheid erteilen, beschließen.
Aus mlat. deo'etare. Frühnhd. decretiren
(Script, rer. Siles. 4, 252 vom J. 1579).
delektieren, refl. v.: sich woran erfreuen.
Aus dem gleichbed. lat. deledäre. 1643 im
Sprachverderb er als modisches Fremdwort
angeführt.
delikat, adj.: fein und wohlschmeckend;
zartfühlend; heiklig. Aus dem gleichbed.
franz. delicat, das auf lat. delicdfus «üppig,
verzärtelt, wählerisch» beruht. In der l.Bed.
1653 bei Harsdörffer mathem. Erquickstun-
den 3, 563, in der Bed. «heikel» 1598 bei Al-
bertinus Sendschreiben 1, 114^. ABL. Deli-
katesse, f.: Leckerei (1668 bei Erasmus
Francisci ost- u. westind. Staats- und Lust-
garten 1, 318*); Zartgefühl (bei Weise Erz-
narren 123). Aus franz. delicatesse f.
Delinquent, m. {-en, PI. -en): verhafteter
Verbrecher. Aus lat. delinquens (Gen. delin-
quentis), dem Part. Präs. von delinquere «sich
vergehen ». 1626 bei Stettier Schweizerchronik
2, 496* Delinquant, 1655 bei Abele Gerichts-
händel 252 Delinquent.
Delle, s. Teile.
Delphin, m. (s, PI. -e): eine Walfisch-
art. Schon mhd. delfm, telfhi, aus gr.-lat.
delpMnus, gv. be\qpiv m. Bei Schiller 11,
.270 Neutr.
Demagög, m. (-en, PI. -en): Volksführer,
Volksverführer. Aus gr. brmafuuYÖc (bfnuoc
ra. «Volk», -aYUj-foc zu äyeiv «führen, leiten»).
Im 18. Jh. entlehnt (bei Heynatz 1775j. ABL.
Demagogie, f. Aus gr. briua-fuj-fia f. «de-
magogisch», adj.
Demant, s. Diamant.
demnach, adv., das eine Folge anzeigt.
Fiühnhd., zunächst wohl in der Kanzlei-
sprache (im 15- Jh. bei Nicl. v. Wyle 352,
27, ferner 1509 bei Janssen Frankf. Reichs-
kon-. 2, 763), auch in temporaler «nachher,
nachdem» und kausaler. Verwendimg «weil»,
doch bei Luther schon in der jetzigen «des-
halb, mithin, folglich».
demnächst, adv.: unmittelbar danach;
in kurzer Zeit. Im 16. Jh. aufkommend
(Galmy 1588 demnechst).
demohngeachtet, s. demungeachtet.
Demokrat, m. (-en, PI. -e«): Anhänger
der Volksherrschaft. Aus dem gleichbed.
franz. deniocrate m., das aus gr. briuoRpoireia
(s. d. folg.) gebildet ist. Im 18. Jh. ent-
lehnt (Klopstock Oden 171). — Demokratie,
f.: Volksherrschaft. Aus franz. democratie.
das auf gr. briuoKpdTeia (bfjiuoc m. «Volk»,
-Kpareia zu Kpareiv «herrschen») beruht. Bei
Wächtler 1714. demokratisch, adj.
demolieren, v. : niederreißen, schleifen.
Aus dem gleichbed. franz. demolir oder auch
wie dieses aus lat. demö Irre. Bei Krämer 1678
und fiiiher.
demonstrieren, v.: hin-, erweisend ver-
anschaulichen. Aus lat. demonsträre «vor
Augen stellen, dartun, zeigen, weisen, be-
haupten». Schon bei Rot 1571 demonstrirn.
^-Bi. Demonstration, f.: Darlegung; Droh-
bewegung. Aus lat. demonstratio f. Im 18. Jh.
entlehnt. demoUStratlT, adj. Aus lat.
demonsträtivus. Im 18. Jh. entlehnt. Daher
das Demonstrativ, lat. (pronomen) demon-
strätivum, das hindeutende Fürwort.
demungeachtet, Konj., die einen Gegen-
satz anzeigt «trotzdem». Älternhd. auch in
der entstellten Form demohngeachtet (noch
bei Lessing 2, 559). Wohl friih im 17. Jli.
aufgekommen.
Demut, f.: Selbsterniedrigung. Mhd. die-
miiete, diemuot, demuot (mit demselben Laut-
übergang wie in Demant, s. Diamant), ahd.
diumuoti, deomuoti f., von dem Adj. ahd. diu-
muoti, deomuoti, mhd. diemüete, diemuot. de-
muot, eig. «die Gesinnung eines Dienenden
habend, demütig, herablassend», das zusammen-
ges. ist aus ahd. deo, got. pins m. «Knecht,
Diener» (s. dienen, Dirne) und dem von ahd.
mMO^« Mut» abgeleiteten Adj. -muoti <!.-vaviiig-».
Das Wort ist durch das Christentum ge-
schaffen worden. Die Form Demut (für De-
müte, Diemüte) dringt xmter Einfluß von Ar-
22*
343
denen
Depositen
344
mut dmch. ABL. demütig, adj., mhd.
diemüetic, demüetic, spätahd. diemuottg. Da-
von demütigen, v., mhd. diemüetegen, de-
müetegen (neben den von dem Subst. abge-
leiteten diemüeten).
denen. Dat. PL des demonstrativen und
relativen der, die, das. Eine im 15. Jh. auf-
gekommene Erweiterung des mhd. den, ahd.
dem,, an das die Endung des Dat. PI. noch-
mals angetreten ist. Vom Demonstr. wird
jetzt nur noch denen gesetzt, wenn der Dat.
allein, also substantivisch steht, während älter-
nhd. bis tief ins 18. Jh. auch mitunter denen
als Dat. PI. des Artikels erscheint.
dengeln, v.: kaltes Eisen durch wieder-
holtes Hämmern schärfen. Mhd. tengeln, auch
überhaupt «zuschlagen, klopfen», ahd. begegnet \
tangeläri m. «Kaltschmied». Zu ahd. tangol m. j
«Hammer», ferner mhd. tengen (in widertengen)
«schlagen, klopfen», ags. dencgan «stoßen»,
engl. Ägr «schlagen», anord.dengja «schlagen», i
aschwed. diunga, schwed. dänga «heftig klop- [
fen», dän. dünge «bläuen, prügeln», aus denen
ein starkes V. ahd. *dingan zu erschließen
ist. Die zu erwartende Form tengeln noch
bei Frisch 1741, dengeln (mit der üblichen
Yertauschung von d und t wie in Daus usw.)
schon frühzeitig im Obd.
Denkart, s. denken.
denken, v. (Prät. dachte, Konj. dächte,
Part, gedacht): geistestätig sein. Mhd. denJcen
(Prät. dähte, Konj. dcehte, Part, gedäht), ahd.
denchen, denken; dazu asächs. thenkian, ndl.
denken, afries. thenkia, agä.pencan, engl, think,
&nor ä. ßenkja, schwed. tänka, dän. tanke, got.
ßagkjan. Mit einem j- Suffix zu derselben
Wurzel gebildet, zu der auch dünken (s. d.)
gehört und genau entsprechend lat. tongere
«nosse, scire», osk. tanginüd «sententia». ABL.
denkbar, adj. Erst bei Adelung 1793 an-
geführt. Denker, m. Bei Adelung 1774,
aber als gezierter Ausdruck empfunden. ZUS.
Denkart, f.: Eigentümlichkeit des Denkens
über die sittlichen Verhältnisse, um 1750
aufgekommen (Wieland Suppl, 2, 106. Her-
der 1, 15 u. a.), daneben auch Denkungsart
(1739 bei Liscow 803, bei Lessing 1, 283),
das von Heynatz 1775 als gewöhnlicher be-
zeichnet wird, und im 18. Jh. Denkensart
(Gombert7, 18). Denkfreilieit, f., 1739 bei
Liscow 809 fg. Denkmal, n. (PL Denk-
mäler), bei Luther. Denkmünze, f., bei
Adelung 1774. Denkschrift, f., im 17. Jh.
gebildet (1716 beiLudwig vei-zeichnet). denk-
würdig, adj., frühnhd. (Rollenhagen Froschm.
3, 1, 4). Davon Denkwürdigkeit, im 17. Jh.
gebildet (vgl. Gombert 7, 19). Denkspruch,
m., 1663 bei Schottel S. 428. Denkzettel,
m. Bei Luther Denkzedel noch im urspr.
Sinn, daneben im 16. Jh. auch schon bildlich.
denn, Konj., die 1) die Gedankenfolge,
den Erläuterungsgrund anzeigt, 2) zur Ver-
gleichung dient, wie «als» nach Kompara-
tiven, 3) eine Ausnahme bezeichnet in Sätzen
wie es sei denn. Eig. eins mit dann (s. d.)
und daher urspr. die Zeitfolge bezeichnend.
Von dann wird denn um die Mitte des 18. Jh.
geschieden.
dennoch, eine den Gegensatz nachdrück-
lich hervorhebende Konj. Mhd. dannoch, den-
noch, zusammengeflossen aus ahd. danne noh
«noch zu dem Zeitpunkt, dann noch, da noch»,
woher schon in mhd. dannoch die Bezeichnung
des Gegensatzes.
denunzieren, denuuziieren, v.: zur
Anzeige bringen. Aus lat. denunciäre an-
zeigen. Frühnhd. (Reichsordnungen 71 v. J.
1512). ABL. Denunziant, m. {-en, PL -en):
Angeber. Aus dem lat. Pai't. Präs. denun-
cians (Gen. denunciantis). Ein Beleg von
1703 bei Gombert 8, 3. Denunziation, f.:
Angeberei, aus dem J. 1554 belegt bei Gom-
bert 8, 3. Aus lat. denunciätio f.
Depesche, f. (PL -n): Eilbotschaft, Eil-
schreiben. Aus dem gleichbed. franz. depeche
f., ital. dispaccio m., von franz. depecher,
ital. dispacciare «losmachen, abfertigen». Bei
Nehi'ing 1710; 1703 im Zeitungslex. Depeches.
deponieren, v.: niederlegen, bes. zur Auf-
bewahrung. Aus lat. depönere «ab-, nieder-
legen». Schon bei Rot 1571. Deponieren
und Deposition f. waren Ausdrücke für die
ehemals auf Universitäten übliche Einweihung
der jungen Studenten in das akademische
Leben, schon im 16. Jh. als alter Brauch be-
zeichnet (0. Schade im Weim. Jahrb. Bd. 6).
— Depositen, PL: in gerichtliche Ver-
wahrung niedergelegte Gelder; gegen Zinsen
aufgenommene Handelsgelder. Aus dem PL
von mlat. depösituni, subst. Neutr. des Part.
Perf. Pass. depösitus von depönere. Bei Wächt-
ler 1714 Depositen- Gelder.
Deportation, f.: Landesverweisung, Ver-
bannung. Aus lat. deportätio f., von depor-
täre «verbannen», eig. «wegschaffen». In der
frähnhd. Rechtssprache (Brant Layenspigel
dd 10).
Depositen, s. deponieren.
345
deputieren
dermalen
346
deputieren, v. : abordnen. Aus lat. dipu-
täre «einem etwas bestimmen». Im 16. Jb.
entlehnt (kursäcbs. Schulordnung von 1580).
ABL. Deputat, n.: als Anteil Zukommen-
des, besolduDgsmäJßiges Einkommen. Aus lat.
deputätmn, dem substantivisch gesetzten Xeutr.
des Part. Perf. Pass. von äeputäre. Im 16. Jh.
Deputation, f.: Abordnung; Gesamtheit von
Abgeordneten. Im 16. Jh. (Germania 29, 350
ein Beleg vom J. 1569), aus mlat. deputatio f.
der, die, das, demonstratives und rela-
tives Pronomen, sowie bestimmter Artikel.
In der 1. Anwendung mhd.-ahd. der, diu, da^;
dazu asächs. fhie, thiu, that, ndl. die, die, daf,
afries. thi, thiu, thet, femer mit abweichen-
der Form des Xom. Sg. M. und F. ags. se,
seo, thcet (engl, für alle Geschlechter und
Kasus unverändert tha{), anord. sä, sü, ßaf
(schwed.-dän. den M. F., det X.), got. sa, so.
[pata (in- relativer Verwendung mit -ei ver-
banden: saei, söei, ßatei). Wie in diesen
Sprachen ergänzen sich verschiedene Stämme
in gr. 6 (für *so), x] (für *se, *sä), t6 (aus
*TÖb), awest. haut', Jiä, tat, aind. sa, sä, tad, da-
gegen wird wie im Deutschen der eine Stamm
durchgeführt in lit. täs tä tai, abg. tu, ta, to,
auch lat. is-te, ista, istiid. S. auch das, denen,
deren, dero, dessen, deß.
derart, adv.. Zusammenrückung der Gen.
«der Art» erst neuerdings als ein Wort er-
scheinend. ABL. derartig, adj.. Am An-
fang des 19. Jh. aufkommend (vgl. Gombert
7, 19), bei Campe 1807 noch nicht ver-
zeichnet.
derb, adj. und adv.: zusammengedrängt
und fest; (bildlich) voU Gewicht und Kraft
einwirkend, iihd.-ahd. derp ist «ungesäuert»,
ebenso meist ags. peorf, anord. pjarfr: da-
gegen ist afries. /Äer/" «heftig» (von Schlägen).
Die jetzige Bed. stammt aus dem Xdd. (mnd.
derf ist «schlicht»), und erklärt sich durch
Vermischung mit einem Wort, das dem
asächs. derii «feindlich, ruchlos» entspricht,
sie findet sich bei Schottel 1663, dann bei
Rädlein 1711 und Ludwig 1716, dagegen bei
Adelung 1774 «nur im gemeinen Leben».
dereinst, adv.: in später Zukunft. Ver-
bindung des Gen. der mit einst, wohl unter
dem Einfluß von dermaleinst, derweil, derzeit,
oder aus dar eins mit Beschränkung des
Sinnes auf die Zukunft. Schon bei Luther
als dereins (auch noch 1722 bei Freyer S. 81),
dann dereinst (Gryphius Trauersp. 384), Vgl.
ZfdU. 11,211. ABL. dereinstig, adj., bei
Adelung 1793 als obd., 1761 bei Moser Herr
u. Diener 315.
deren. Gen. Sg. F., sowie Gen. PI. des
demonstrativen und relativen der, die, das.
Daneben im Gen. PI. demonstrativ derer.
Schon in der 2. Hälfte des 15. Jh. erschei-
nende Ei'weiterungen von der, die aber Liither
noch nicht gebraucht: derer steht bis ins
18. Jh. auch für den Artikel, jetzt werden
beide Fonnen mix substantivisch gesetzt, und
zwar steht derer für den Gen. Plur., an den
sich ein Eelativpron. anschließt, und in
Wendungen wie (?erer von Quitzoiv, deren
in den übiigen Fällen.
derenthalben, derentwegen, adv., Zu-
sammensetzung der erweiterten Form des
Gen. Sg. F. und des Gen. PL von der, au
die t angetreten ist, mit den Präp. halben
und wegen. Schon im 16. Jh.
derer, s. deren.
dergestalt, adv.: Ln der Weise, Ver-
bindung der Gen. Sg. der Gestalt, zunächst
wohl in der Kanzleisprache (z. B. Janssen
Frankf. Reichskorr. 2, 802 von 1510).
dergleichen, Verbindung des Gen. der
mit dem Adv. gleichen (mhd. geliche mit an-
getretnem n), demonsti'ativ und relativ, als
Adv. sowie un biegbares Adj. gebraucht. Seit
dem 15. Jh. (früher auch dergleich), auch
bei Luther.
derhalben, Verbindung des Gen. PI. der
mit der Präp. halben (s. d.). Frühnhd. (auch
derhalb). iMhd. derhalb, derhalben «auf dieser
Seite» ist Verbindung des Aiükels mit dem
Dat. Sg. von mhd. halbe f. «Seite».
deri vieren, v.: (ein Wort ab-, herleiten.
Aus lat. derwäre. Schon bei Rot 1571. ABL.
Deriratiön, f.: Herleitung. Aus lat. derh
vätio f.
der-, die-, dasjenige, Verbindung des
Artikels mit dem von jene)- abgeleiteten
jenige. In der frühnhd. Kanzleisprache (Reichs-
ordnungen 67 V. J. 1507), dann auch bei Luther.
Das einfachere derjene findet sich im 15. (z. P..
bei Xic. V. Wyle) und 16. Jh.
derlei, aneinandergemckte Gen. Sg. F.
oder PI., in dem Sinne von «dergleichen»,
doch etwas geringschätziger. Schon mhd.
der leie (s. lei).
dermaleinst, Verbindung der Gen. PI.
der male mit einst. Bei Luther der mal eins
und der mal einst (Sir. 6, 3). Vgl. noch dereinst.
dermalen, adv.: zu gegenwärtiger Zeit,
zusammengerückte Gen. PI. der male mit
347
dermaßen
desto
348
angetretenem n. Bei Ludwig 1716. ABL.
dermalig, adj., 1757 in Meiers Metaphysik
3, 126, häufig bei Wieland.
dermaßen, adv.: in der Weise, in dem
Grade, zusammengerückte Gen. Sg. der maßen
(in schwacher Flexion), mhd. der mä^e. In
der frühnhd. Kanzleisprache (Janssen Frankf.
ReichskoiT. 1, 624) und bei Luther üblich.
dero, in höfischer Anrede erhaltner alter-
tümlicher Gen. PI. von äe^' und die. Ahd.
dero, im Alemann, in dieser Form erhalten
und um 1500 in die allgemeine Kanzleisprache
eingedrungen (z. B. Janssen Frankf. Reichs-
koiT. 1, 908), anfangs demonstrativ und relativ,
später in seinem Gebrauch beschränkt.
der-, die-, dasselbe: der, die, das und
kein andrer, keine andre, kein andres. Mhd.
der selbe, diu selbe, da^ selbe, ahd. de^' selbo,
diu selba, dag selba, got. das 2s eutr. pafa silbö.
Die erweiterte Form derselbige kommt seit
dem 15. Jh. und bei Luther vor.
derweil, adv.: während der Zeit, zu-
sammengerückte Gen. Sg. mhd. der wtle.
Derwisch, m. (-es, PI. -e): mohammeda-
nischer Mönch. Das pers. derwesch, das eig.
«arm» bedeutet. Bei Hagedorn raoral. Ged.
154 Dervis, wie ndl. dervis m., aber schon
1530 bei Seb. Franck Cronica der Türekey
H 3 ^. J 2 * Dermschler.
derzeit, adv.: zu der Zeit, zusammen-
gerückte Gen. Sg. mhd. der zite. ABL.
derzeitig, adj., erst im 19. Jh.
Desem (auch Desemer), m. (-s): Schnell-
wage. Aus dem Ndd. bei Voß 1, 165. Da-
neben und urspr. besemer, mnd. auch bisemer,
mit altn. bisniari m., schwed. besman, dän.
bisnier aus dem gleichbed. russ. bezmen m.
desertieren, v.: fahnenflüchtig werden.
Aus dem gleichbed. franz. deserter von mlat.
desertare, abgeleitet von lat. deserere «ver-
lassen». Im 17. Jh. ABL. Deserteur,
m. (-S, PI. -e): Fahnenflüchtiger. Das franz.
deserteur m. aus lat. desertor m. Desertion,
f.: Fahnenflucht. Aus franz. desertion, f. von
lat. desertio f.
desfalls, adv.: in diesem Fall, zusammen-
gerückte Gen. Sg., von Gombert 8, 4 aus
dem J. 1545 nachgewiesen. J.BL. desfallsig,
adj. In der neuern Kanzleisprache.
desgleichen, Verbindung des Gen. des
mit dem Adv. gleichen (mhd. geliche mit an-
getretenem w), als Adv. und (wie dergleichen)
auch als Adj. verwendet. Schon im 15. Jh.
des glichen.
deshalb, adv.: eig. von selten (s. halb)
des im Vorhergehenden Ausgedrückten, in
der Rücksicht. Ältemhd. deshalben (Nicl.
v.Wyle 352, 28). Die Form deshalb kommt
schon im 15. Jh. vor (Janssen Frankf. Reichs-
korr. 1, 149), dringt aber erst im 18. durch.
designieren, v. : jemand wozu bezeichnen.
Aus lat. designäre «bezeichnen». Im 17. Jh.
despektierlich, adj. und adv.: gering-
schätzig, verächtlich. Zusammenges. mit
despektiereu <scliimpfen, verachten», das im
17. Jh. aus lat. despectäre «herabsehen» ent-
lehnt wurde (bei Nehring 1694). Bei Spe-
rander 1728.
desperat, adj.: verzweifelt. Aus lat.
desperätus, dem Part.Perf. Pass. von desperäre
«ohne Hoffnung sein». 1575 bei Fischart
Garg. 266. ABL. DesperatiÖn, f.: Ver-
zweiflung. Aus lat. d esper ätio f. Bei Rot 1571.
Despot, m. [-en, Fl.-€7i): Gewalt-, Zwangs-
herrscher. Aus gr. becTTÖTJTC m. «Gebieter,
Herr, unumschränkter Gebieter». Bei Henisch
1616, als Herrschertitel 1562 bei Mathesius
Sarepta 116^. ABL. despotisch, adj., bei
Leibniz deutsche Schriften 1, 231 vom J. 1670.
deß. Gen. Sg. von der, in der poetischen
Sprache öfters gesetzt, wo sonst dessen (s. d.)
gebraucht werden muß. Eig. identisch mit
des, aber mit Rücksicht auf dessen mit ß
geschrieben. Fiüher auch meist deßhalb,
deßivegen usw. und indeß, unterdeß (s. d. d.).
dessen. Gen. Sg. des alleinstehenden und
so substantivische Geltung habenden demon-
strativen und relativen der, das. Im altern
Nhd. (noch nicht bei Luther) eingetretene
Verlängening der Form des. Auch in den
Zusammenschiebimgen dessenthalben, dessent-
wegen, dessentwillen mit eingeschaltetem /.
Dessert, n. (-.s, PI. -s, -e)-. Nachtisch.
Das gleichbed. franz. dessert m. von desservir
«die Speisen abtragen». In der 2. Hälfte
des 18. Jh. eingedrungen und bei Kindleben
1781 aufgeführt.
destillieren, v.: flüchtige und flüssige
Teüe wovon durch Wärme in verschlossenem
Gefäße absondern. Aus lat. destilläre «ab-
träufeln». Im 15. Jh. (wie auch noch später)
distillieren (bei Nicl. v. Wyle 88, 9, im Voc. ex
quo 1469 distileren). ABL. Destillation, f.
desto, den Verhältnisgrad vor Kompa-
rativen bezeichnend: um so. Mhd. deste
(mit komparativischer Endung deste}'), auch
noch des de, des die, ahd. des diu, was der
das "Verhältnis des (ji-undes anzeisrende Gen.
349
deswegen
Dezember
350
des und der das Verhältnis des Maßes ein-
schließende Instrumental diu ist. Während
Luther sich noch der Form deste bedient,
findet sich sonst im 16. Jh. auch desto, das
Henisch 1616 aufführt.
deswegen, adv.: aus dem Beweggrunde,
Verbindung des Gen. Sg. des mit dem prä-
positioneilen i.cegen (s. d.). Bei Henisch 1616.
Deul)e, f.: Diebstahl. Veraltet. 'Slhd.diuhe,
ahd. diuha f., im Got. piuhi n. S. Dieb.
Deut, m. (-es, PI. -e): kleinste Münze.
Aus dem ndl. duit m. \/g Stüber (in Cleve
"/. Pfennig preuß.), das auf anord. pveit
«eine kleine Münze» (von ßiita «schneiden»)
zurückgeführt wird. Zuerst bei Ludwig 1716
(Schottel 1663 hat Dütge, Rädlein 1711 Dwfgre«).
Vgl. Scherf.
Deute (Goethe Herm. 7, 202), f., s. Tüte.
deuten, v. : etwas verständlich machen:
(erklärenrl) zeigen. Mhd.-ahd. d.iuten; dazu
ndl. duiden, afries. thioda (in hithiodd), anord.
ßyda, schwed. fyda, dän. tyde. Urspr. s. v. a.
volksverständlich machen, in der Volkssprache
auslegen, abgeleitet von ahd. diof m.n., diota f.
«Volk» (s. deutsch). ABL. deuteln, v.:
m gekünstelter Weise auslegen. Bei Luther,
wie auch Deutelei f Deuter, m. in Stern-,
Traumdeuter usw . ^Ihd.dädcerem. deutlich,
adj. und adv.: leicht zu erkennend und zu
verstehend. Mhd. nur als adv. dudliche (auch
diutecliche), dazu ndl. du idelijk, während Luther
auch das Adj. verwendet. Deutung, f., mhd.
diutunge f.
deutsch, adj. und adv., dazu substantivisch
Deutscher m., Deutsche f., sowie Deutsch
n. «die deutsche Sprache». 'Mhi.dmtischjdiutsch
u. tiutisch, tnitsch, tiuscJi, dazu asächs. thiudisk,
ndl. duitsch (daher engl, dutch «holländisch»),
a.gs.ßeodisc, schwed. (entlehnt^ tysJi, dän. tydsk.
Im Got. findet sich das Adv. piudiskö «heid-
nisch» (nach gr. ^Gviköic). Abgeleitet von
ahd. diot m. n., diota f., asächs. thiod, thioda f.,
ags.peod f., got.piud.at «Volk, Volksstamm»;
dazu lit. tatitä f., ah*, tuath, osk. touto f. «Volk».
Die ursprüngliche Bed. des Wortes ist daher:
dem Volke eigen, volksmäßig, national, und
zwar st^ht es im Deutschen von dem, was
unserm Vaterland angehört, zunächst von
unsrer Sprache als der Volkssprache gegen-
über der in der Kirche nnd bei den Ge-
lehrten gebrauchten lateinischen, dann auch
von unserm Volke (asächs. thiudisca liudi
«Gennania»). Das auf ahd. diniisc beruhende
nilat. theodisais. theotiscns kommt schon seit
788 vor. Vgl. J. Grimm Gramm. 1=^, 13 tf.,
H. Fischer Btr. 18, 203 ff. Im altern Nhd.
wird deutsch (bei Luther deudsch) und teuf seh
geschrieben, dies besonders bei Oberdeutschen,
doch auch bei Mitteldeutschen; teutsch wird
von Duez, Klrämer, Stieler, Ludwig, Frisch
angesetzt, während Schottel, Gottsched und
Adelung sich für deutsch entscheiden. Die
Schreibung teutsch erhält sich bis ins 19. Jh.
hinein, verschwindet aber dann, nachdem sie
J. Grimm (irrtümlich, da doch mhd. tiutsch
zugrunde liegt) als falsch bekämpft hatte.
ABL. deutschen, v.: auf deutsch sagen
(mhd. tiutscheri, noch bei Stieler 1691 teutschen,
dann durch verdeutschen verdrängt; bei Goethe
6, 110 teutschen = deutschtümeln). Deutsch-
heit, f. Bei Stieler 1691, aber erst nach
1750 in der Bed. «deutsche Art» recht üblich
geworden (im 15. Jh. bei Osw. v. Wolken-
stein tiiitschecheit). Deutschtum, n. Erst
nach 1815 aufgekommen. Dazu (in herab-
setzendem Sinn) deutsch tibn ein v. und Deutsch-
tilmelei f. ZUS. Deutschland, n. Im 15. Jli.
als Zusammensetzung TiutschJand (früher dag
tiutsche lant, daneben derPlur., z.B. diatsche
laut im Annolied), doch auch öfter noch mit
Flexion des 1. Bestandteils (auch bei Luther).
Vgl. Hildebrand Kleine Sehr. 217.
DCTlSe, f : Wahl-, Sinnspnich. Aus franz.
devise, ital. divisa f. «Abteilung, Wahl, Wahl-
spmch, Unterscheidungszeichen», von lat.
divisiis, dem Part. Perf. Pass. von lat. dwidere
«teilen, unterscheiden». Im 16. Jh. entlehnt
(1564 in der Zimmerschen Chronik; beiFischart
Garg. 185 nach dem Ital. Divis).
dCTÖt, adj.: fromm, ergeben. Aus dem
gleichbed. lat. devötus, eig. Part. Perf. von
devovere «als Opfer weihen, dahingehen».
Im 17. Jh. entlehnt. DcTOtiÖn, f.: Frömmig-
keit, Hingebung. Aus lat. devötio f. Im
17. Jh. (Grimmeishausen Simpl. 101).
Dezem, m. f-.s): der Zehnte als Abgabe
an den Geistlichen. Aus mlat. decimwn n.
«Zehntabgabe :-, dem Xeutr. des lat. Adj.
decimus «der zehnte». Schon ohd. dezem^'} m.
Daher md. Däzen m. «Anteil».
Dezember, m. (-s): der letzte Monat
im Jahre. Aas lat. December d. i. «der
zehnte Monat vom Mäi-z an», von lat. decem
«zehn». Dafür ahd. (nach der Benennung
Karls d. Gr.) heilagmanöth, spätmhd. christrnan
«Christmonat», auch hartmän «Hartmonat»
(wegen des gefrornen Erdbodens) slahtmun
«Schlachtmonat» (wegen des Schlachtens der
351
Dezennium
dicht
352
Schweine) und wolfmän «Wolfmonat» (weil
die Wölfin im Winter läufig ist).
Dezennium, n. (s, PI. Dezennien) : Jahi--
zehnt. Baslatdecenniumn. Bei Nehring 1694.
dezent, adj.: geziemend, wohlanständig.
Von lat. decens (Gen. decentis), dem als Adj.
gesetzten Part. Präs. von lat. decere «ge-
ziemen, gebühren, wohlanstehen». Im 18. Jh.
entlehnt. Dezeuz, f.: Wohlanständigkeit.
Aus dem gleichbed. lat. decentia f.
Dezigramm, n. (-s, PI. -e): ^lo Gramm.
Durch Reichsgesetz von 1868 aufgenommen
aus franz. decigramme m., dessen deci- nach
lat. decimus «der zehnte».
dezimal, adj.: die Zahl 10 (lat. decem)
betreffend. Aus mlat. decimalis. 1716 bei
Wolff math. Lex. Sp. 172 Decimal-Rechnung.
dezimieren, v.: den zehnten Mann töten.
Aus dem gleichbed. lat. deciniäre von lat.
decimus «der zehnte». Im 18. Jh. entlehnt.
Diadem, n. (-5, PI. -e): Kopf-, Stirnbinde
als Zeichen der höchsten Würde, Mhd.
diadem m. Aus gr,-lat, diadenia, gr, bidbrnua n.
«Binde, Band, persische Binde um den Turban,
diese Binde als Zeichen königlicher Würde»,
von gr. biabeiv «umbinden».
Diakon, m. [s oder -en, PI. -en): Hilfs-
prediger. Aus dem kirchlichen gv. -lat. diäconus
m, «Kirchendiener, -gehilfe», gr. bicxKovoc m.
«Diener», Schon mhd. (mit Abschwäehung)
diaken m. ABL. Diakonissin, f. : Kirchen-
dienerin zu (Armen- und) Krankenpflege. Aus
kirchlich-lat, diaconissa f. «Kirchendienerin».
Dialekt, m, {-es, PI. -e)-. Mundart, Aus
gr.-lat. dialedus f, «Mundart», gr. bidXeKToc f.
«Unterredung, Ausdruck, Landessprache,
Mundart», von biaX^jecGai «sich unterreden,
redegewandt sein». 1634 bei Spee Trutznachti-
gall Vorr. der PI. Dialecten. — Dialektik,
f.: die Kunst gelehrten Streites; Wissenschaft
der Denkformen, IMhd, dialectike f, aus gleich-
bed, gr.-lat, dmZed-ica (zu ergänzen ars «Kunst»),
gr. bia\eKTiKri (nämlich x^x^n «Kunst»), dem
Fem. des gr.-lat. Adj. dialedicus, gr. bia\eK-
TiKÖc «zur Unterredung, zum Disputieren
gehörig». Davon Dialektiker, m,: Kenner
und Lehrer der Dialektik.
Dialog, m, (-S, Pl,-e): Wechselgespräch.
Aus gr.-lat. diälogus m., gT, bidXoYoc f. «philo-
sophische Unterredung, Zwiegespräch», von
bxaXiyecQai (s. Dialekt). Beleg von 1621 bei
Gombert 8, 4.
Diamant, m, {-s oder -en, PI. -en), ver-
altet und dichterisch Demant, m. {-s, PI. -e):
der härteste Edelstein. Mhd. diamant, diemant
(wora^^s demant hervorgegangen, wie denmot
aus dienmot) aus ital.-span. diamante, franz.
diamant m,, die auf gr.-lat. ädamas (Gen.
adamäntis) beruhen, woher auch mhd.-ahd.
adamant m. Bei Luther Demand, später setzte
sich wieder die dem Franz. näherstehende
Form Diamant durch, ABL. diamanten,
denianten, adj.
Diarium, n. {-s, PI. Diarien): Tagebucb,
Kladde. Aus lat, diärium n. «Tagebuch»,
einer Ableitung von dies «Tag», 1703 im
Zeitungslex.
Diarrhoe, f, (PI. -n): Durchfall. Aus
dem gleichbed, gr.-lat. diarrJioea, gi', bidß|)oia f,,
von bia^^eiv «durchfließen». Bei Wächtler 1711
Diarrhee.
Diät, f.: Lebensordnung; schmale Kost.
Mit fi-anz. diete, ital. dieta f. aus gr.-lat. diaeta,
gr, biaira f. «Lebensart, ärztliche Vorschrift
zur Erhaltung der Gesundheit», Schon früh-
nhd., in Brants Narrenschiff 38, 3 dyget, im
Grobianus 3904 Diet, auch bei Bot 1571 ver-
zeichnet. Auch adjektivisch ein diätes Leben
bei Nehring 1710, hervorgegangen aus diät
leben «nach der Diät leben» (1719 bei Fleming
Jäger 1, 92^).
Diäten, PI. : Taggelder, Taggebühren, Mit
franz, diete, ital, dieta i. «Reichstag» von mlat.
dimta oder dieta f. «Tagreise, Tagsatzung, Tag-
geld» von lat. dies «Tag» (vgl. mlat, dietim
«täglich»). 1773 bei Amaranthes'* 1, 862.
dihbern, v.: reden, angelegentlich be-
sprechen. Auch döl)ern. Jüdisch-deutsch
aus hebr. dibber «reden».
dicht, poetisch auch noch dichte (Goethe 1,
115, 4, 101), adj. u, adv.: eng zusammenge-
drängt. Mhd. (bei Nie. v. Jeroschin) dthfe
(daher bei Burkhard Waldis 3, 94, 165 deicht,
jetzt noch preuß.-livländ.-estländ.), häufiger
(auch in obd. Quellen) gedihte als adv, «in
einem fort, häufig», daraus dann mit ge-
kürztem Vokal (aus dem Md,) dicht,' bei
Luther ticht; dazu mnd.-mnl, dichte «stai-k,
tüchtig», anord. pettr (aus *J)ihtr), dän, tcet,
engl, tight «dicht». Ob das Wort zu ahd.
dihan «gedeihen» gehört, das wie gediegen
(s. d.) zeigt, auch dieBed. «reif, fest, hart und
so eng beisammen (dicht) werden, trocknen»
hatte, scheint zweifelhaft. Nach Stokes Bezz.
Btr. 25, 47 zu ir. techt «geronnen ». Gewöhnlich
vergleicht man auch lit. tänkus «dicht, dicht
zusammenstehend», arm. thanjr «dicht» und
stellt diese zu ai. tanäkti «zieht zusammen,
353
dichten
Diemen
354
gerinnt». ABL. Dichte, f., bei Krämer
1678. dichten, v.: dicht machen, im 16. Jh.
Dichtigkeit, f., bei Henisch 1616.
dichten, v.: Yerse machen; überhaupt
schöpferisch hei-vorb ringen: worauf sinnen
(in d. und trachten). Mhd. tihten «schriftlich
abfassen, schriftlich in Yerse fassen, ersinnen
und zwar künstlerisch», ahd. dihton, tihton
«in Versen erfinden und schaffend hervor-
bringen»; dazu ndl. dichten, schwed. (ent-
lehnt) dikta, dän, digte. Aus lat. dictäre «zum
Nachschreiben vorsagen (diktieren), nieder-
schreiben lassen, vorsagend anfertigen, dich-
ten». Bei Luther noch mit urspiünglichem
t tichten, ebenso bei den schlesischen Dich-
tem (noch bei Günther). ABL. Dichter,
m. (-S, PI. wie Sg.), mhd. tihtcere. Davon
dichterisch, adj. u. adv. (von Zesen ge-
braucht, z. B. 1645 in der Adriat. Rose-
mund 123, s. Gombert 7, 20) und Dichter-
ling, m.: schlechter Dichter (von Christian
Wemicke 1697 gebildet). Dichtung, f. mhd.
tihtunge f. ZUS. Dichtkunst, f., bei Schottel
S. 447 Tichtekunst.
dick, adj. u. adv.: stark an Masse. Ver-
kürzt aus dicke (so noch gewöhnlich bei
Luther), mhd. dicke (das Adv. auch «oft»,
wie noch jetzt mundartlich), ahd. dicchi, dicki;
dazu asächs. thikki, ndl. dik, afries. thikke,
ags. picce, engl, thik, anord. ßykkr, pjokkr,
schwed. ijok, dän. tyk. Verwandt ist altir.
tiiig (aus Higu) «dick». Kaum zu gedeihen,
ahd. dihan, also etwa «zu größerer Körper-
lichkeit angewachsen», was wegen der Form
Schwierigkeiten macht. Auch Verwandtschaft
mit dicht ist nicht sicher. ABL. Dicke, f.,
mhd. dicke, ahd. dicchi, dicki f. dicken,
V. : dick werden, mhd. dicken, ahd. dicchen,
dicken ; dick machen (auch in er-, verdicken).
Dickicht, n. Nach Frisch aus der Jäger-
sprache aufgenommen, aus der es zuerst 1719
bei Fleming (teutsch. Jäger 1, 42 Dickigt)
erscheint, anfangs auch als M. gebraucht
(Hagedom poet. W. 2, 231, noch 1775 bei
Heynatz) ; eig. substantivierte Form eines Adj.
dickicht «etwas dick», bei Henisch 1616 dickigt.
ZUS. Dickkopf, m.: Kopf großen Umfangs
(bei Duez 1664) ; Mensch oder Tier mit solchem
Kopfe ; geistig beschränkter Mensch (im 17. Jh.
bei Wecklieriin 1, 511); unnachgiebiger, störri- ;
scher Mensch.
Dickbein, n.: das Bein von der Hüfte
bis zum Knie. Bei Stieler 1691. Mit An-
lehnung an dick entstellt aus Diechbein (im
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
] 14. Jh. diechpain bei Megenberg 144, 35 ist
«Schenkelknochen»); mhd. diech, ahd. dioh
I n. «Schenkel» ist sonst veraltet, aber noch
im Bayr. vorkommend, entsprechend nd. de,
j ndl. dij, afries. thiach, ags. ßeoh, engl, thigh,
I anord. ßjö. Es gehört zu lit. taukai «Fett»,
apr. taukis «Schmalz», abg. tukü m. «Fett».
Didaktik, f.: Lehrkunst; Lehrdichtung.
Von gr. bibaKTiKri (nämlich xexvri «Kunst»),
Fem. des Adj. bibaKxiKÖc «zum Unterricht
gehörig, belehi'end», von bibdcKeiv «belehren».
I Im 18. Jh. entlehnt, didaktisch, adj.: lehr-
j haft (Lessing 6, 254).
Dieb, m. (-es, PI. -e): heimlicher Ent-
wender fremden Eigentums. Mhd. diep, ahd.
diob, diub m.; dazu asächs. thiof, ndl. dief,
afries. thiaf, ags. ßeof, engl, thief, anord.
pjöfr, schwed. tjuf, dän. tyv, got. piufs, ßiicbs
m. Dunkler Herkunft. S. auch Deiche. ABL.
Dieberei, f., mhd. dieberte f. diebisch,
adj., fiühnhd. (bei Kaisersberg), mhd. dafüi-
diepHch. diebjo! als Ausmf: haltet den
iDieb! Mit angetretener Interjektion wie
I mhd. -ä, z. B. in tüäfenä «Waffen herbei!»
Ln 15. Jh. ZTJS. Diebstahl, m., mhd. da-
für diepstäle, diupstäle f., zusammengesetzt
aus Dieb (ahd. und mhd. dialektisch auch
diup) und dem im Ahd. erhaltenen stäla f.
von stelan «stehlen». Das Mask. Diebstahl
1482 im Vocab. predicantium A a 2^ (geist-
licher diehstal) und bei Luther.
Diecb, s. Dickbein.
Diele, f. (PI. -w): langes Brett; Fußboden;
Zimmerdecke; Hausflur; Dreschtenne. Mhd.
dil m, f. und mit J-Suffix abgeleitet dille,
ahd. dil, dilo m., dili n. tmd dilla (aus *dilja)
f. «Brett, Bretterwand, Seitenwand des Schiffes,
brettei'ner Fußboden», mhd. dille auch s. v. a.
obere Decke des Hauses; dazu mnd. dele f.
«Brett, Fußboden, Flur», ndl. deel n. «Brett»,
ags. pel n. und abgeleitet ßille f. «Brett»,
anord. pil, pili n. «Bretter-, Scheidewand,
Getäfel» und ßil ja f. «Ruderbank». Verwandt
sind lit. tUe f. «Kahn diele», abg. tilon. «Boden»,
die man weiter zu aind. talam n. «Fläche»
und lat. teliüs f. «Erde» stellt. Die Bedd.
«Hausflur, Dreschtenne» sind aus dem Ndd.
aufgenommen ; zuerst bei Ludwig 1716. ABL.
dielen, v.: (den Fußboden) mit Dielen be-
schlagen. Mhd. dafür dillen, ahd. dillön (in
gadilWn), abgeleitet von mhd. dille, ahd. dilla f.
Diemen, m. oder Dieme, f.: Haufen von
Stroh oder Getreide. Ndd. (bei Schottel 1663
Dient f.). S. Feim.
23
355
dieueu
diesseit
356
dienen, v.: jemandes Befehl untergeben
sein; zu jemandes Zweck oder Nutzen tätig
sein; als Mittel wozu brauchbar sein. Mhd.
dienen, ahd. dionön-, dazu asächs. thionön,
ndl. dienen, afries. thiania, anord. pjöna,
schwed. tjäna, dän. tjene. Es ist eine Ab-
leitung von ahd. dio, deo (Gen. diuwes), ags.
peow, got. pius (Gen. ßiiois m.) «leibeigner
Diener, Knecht, Sklave», wovon mhd. diu,
ahd. diu (Gen. dimvi), asächs. thiu, thiuwi,
ags. peowe, peoiven, anord. ßyr f. «Magd,
Sklavin». S. auch Demut und Dirne. ABL.
Diener, m., mhd. diencere. Davon Diene-
rin, f., mhd. diencerinne, und Dienerschaft,
f. (bei Henisch 1616). dienlicll, adj.: nütz-
licb. Bei Luther.
Dienst, m., mhd. dienest m. n., ahd. dio-
nost n,; dazu asächs. thionost n., ndl. dienst
m., anord. ßjönusta f., schwed. tjänst m., dän.
tjeneste. Von ahd. dionön abgeleitet (wegen
des Suffixes vgl. Angst). Mhd. dienest be-
zeichnet auch «die Dienerschaft» und «den
einzelnen Diener», wie noch jetzt schweize-
risch (Plur. Diensten, auch nd. Denst m.
«Diener», bei Voß Dienstin f.). ABL. dienst-
bar, adj., mhd. dienestbcere. dienstlich,
adj. u. adv.: dienstbefdssen, mhd. dietiestlich;
den Dienst betreffend (noch nicht bei Ade-
lung). ZUS. Diensthote, m.: Knecht oder
Magd. In frühnhd. Glossaren (Diefenb. 127 '',
auch Reichs-Ordnung. 72^ v. J. 1512). dienst-
fertig, adj., bei Krämer 1678. Dienstmann,
m. [-S, PI. -en), in der altern Sprache mhd.
dienestman, ahd. dionostman «der dem Ge-
folgsherm zu Dienst Verpflichtete, Vasall,
Ministeriale»; dagegen erst nach 1860 (PI.
Dienstmänner odier Dienstleute) «Packträger».
dienstwillig, adj., im 16. Jh. (1640 bei
Comenius 878, aber DienstimlUgkeit schon
bei Fischart 2, 285 Kurz).
Dienstag, m. (-s, PI. -e): der dritte Tag
der Woche. IVIh. spät und selten dienstac,
dinstac, gewöhnlich zistac, ziestac (daher bei
Hebel Zistig); dazu afries. tiesdei, ags. ti-
wesdceg, engl, tuesday, anord. tysdagr, schwed.
tisdag m., dän. (entstellt) tirsdag. Dies be-
deutet: der dem Kriegs- und Siegesgott, ahd.
Zio, ags. Tirv, anord. Tyr geweihte Tag und
ist eine Nachbildung des lat. dies Martis (wo-
her franz. mardi). Zio gehört zu gr. Zeüc,
lat. Juppiter, aind. Djäus «Himmelsgott» (zu
aind. div «Himmel»). Nach früherer Annahme
ist Dienstag aus der ndd. Form tiesdag für
ziestac entstellt (mit Anlehnung an dienen,
wie auch schon mhd. ziestac zu zinstac ent-
stellt wurde), doch sprechen dagegen die
Formen mnd. dingsedach, dinschedach, mnl.
dinxendacli, dinsendach, mit denen D. jeden-
falls in Verbindung zu bringen ist. Man
führt das Wort auf einen Beinamen des
Zio zurück, den er als Beschirmer der Ge-
richtstage fühi'te, in latinisierter Form Thingsus
(zu ahd. dinc «gerichthche Verhandlung», s.
Ding), dann also aus Dingestag, Dingstag
(was auch in md. Quellen des 14. bis 16. Jh.
erscheint). Es hätte sich dann zunächst Dins-
tag entwickelt, wie auch Luther hat, weiter
mit Anlehnung an dienen Dienstag. Dafür
bayr. Ertag, Erclitag, nachweislich im 13. Jh.
eritac, heritac und erigtac, bei Berthold
V. Regensburg 1, 54, 16 ergetac, im 14. Jh.
eretac, ertac und eryntag (mon. ZoD. 3, ur. 187).
dienstbar, Dienstbote usw., s. Dienst.
dieser, diese, dieses oder dies (auch
dieß), das Demonstrativ -Pronomen. Mhd.
diser (durch Assimilation meist dirre), Fem.
disiu, Neutr. ditze oder di^ (im 15. Jh. auch
schon dises), ahd. deser (und therer, diser),
desiu (disiu), dizi, diz; dazu asächs. these,
thius, tJiit, ndl. deze, dit, afries. this (thes),
thius, thit, ags. pes, peos, pis, anord. pessi,
petta, schwed. denne, denna, detta, dän. denne,
dette. Aus zwei Stämmen zusammengeflossen,
dem Demonstrativstamm, der auch in der ent-
halten ist und emem ebenfalls demonstrativen
Stamm sa- in got sa, so «der, die» usw. (s. der).
diesfalls, adv. : in diesem Falle. Zusammen-
gerückt aus dies Falls, worin dies aus dieses
gekürzt (wie auch mhd. dis, diss für dises
steht). 1570 disfals, 1531 ditzfals bei Gom-
bert 8, 6. diesfällig, adj., ein Kanzleiwort,
von Gombert 8, 6 aus dem J. 1708 belegt.
diesjährig, adj.: von diesem Jahre seiend.
Abgeleitet von dem Akk. Sg. dies Jähr. Schon
1537 bei Dasypodius dißjärig.
diesmal, adv., aus dem Akk. Sg. dies Mal.
Frühnhd., bei Luther dis mal. ABL. dies-
malig, adj., bei Adelung 1774 als obd.Wort
(doch schon bei Stieler 1691 dißmalig).
diesseit, diesseits, adv., dann präp. mit
Gen.: auf dieser Seite. Mhd. dissit, der Akk.
Sg. von Seite mhd. ^te mit dem Demonstr.
diese zusammengeschoben; spätmhd. auch
schon mit angetretenem genetivischen -s dis-
seits. Bei Luther disseid (als Präp. mit
Gen., seltener mit Dat.) und disseids. ABL.
diesseitig, a'dj., 1626 bei Londorp acta
publica 2, ISlö''.
357
Dietrich
dingen
358
Dietrich, m. (s, PI. -e): Nach-, Diebs-
schlüssel. Schon spätmhd. dieterich, beiLuther
dietrich, bei Alberus Dict. Bb. 2^ dietherich.
Wohl von dem Mannsnamen Dietrich, mhd.
Dieterich, ahd. Diofrih, latinisiert Theoderi-
cus (zusammengesetzt aus mhd. diet, ahd. diot
«Volkx, s. deutsch und -rieh «Herrscher», s.
rieh), zumal da der Nachschlüssel im Ndd.
neben Dierken (von Dierk, der ndd.Diminutiv-
und Koseform von Dietrich, daher schwed.
dyrk und dän. dirk m. «Nachschlüssel») auch
Peferketi, d. i. Peterchen heißt. Spätahd. sagte
man aftershi^el m., mhd. miteslüg^el m., auch
im 14. Jh. diehslüsseh
die weil, adv. u. konj.: in der Zeitdauer
daß; aus der Ursache daß. Die zusammen-
gerückten Akk. Sg. die wile, ahd. dia ivUa,
die zunächst als Adv. der Zeitdauer gebraucht
wurden. Verstäx-kt mhd. alle di-e wile. al die
wile, woraus miser veraltetes alldieiceil.
differieren, v.: verschieden sein. Aus
dem gleichbed. franz. differer, das auf lat.
diff'erre «auseinandertragen» beruht. Im 16. Jh.
entlehnt (Rot 1571 hat differirn in der Bed.
«aufschieben»). ABL. Differenz, f.: Unter-
schied. Aus lat. differentia f. Schon spätmhd.
diktieren, v.: in die Feder sagen, zum
Nachschreiben vorsagen; befehlend zuerkennen.
Aus lat. dictäre «wiederholt sagen, vorsagen,
befehlen», abgeleitet von dicere «sprechen».
Frühnhd. (Reichs-Ordnungen 82 » v. J. 1512).
ABL. Diktator, m. (-5, PI. -en): unum-
schränkter Machthaber. Aus lat. dictätor m.
Frühnhd. (1534 bei Franck Weltb. 75*j. dik-
tatorisch, adj., Beleg von 1735 bei Gom-
bert 8, 5. Diktatur, f.: Machthaberwüi-de,
Hochgewalt. Aus lat. dictätura f. Frühnhd.
(Sallust M 2»).
Dilettant, m. (-en, PI. -en): Kunstlieb-
haber. Aus ital. dilettante, eig. Part. Präs.
von dilettare «ergötzen, vergnügen», das aus
dem gleichbed. lat. delecfäre. Um 1750 auf-
gekommen (bei Wieland Amadis 257, Idris 8
Dilettante, bei Hermes Soph. Reise 3, 52 als
* neumodisch» bezeichnet j.
Dill, ra. (-es, PI. -e): starkriechende, als
Zutat an Speisen dienende, in Gärten gezogene
Doldenpflanze, anethum. Mit d für ursprüng-
liches t (bei Luther noch Till) aus mhd.
tille f. m. (n.?), ahd. tilli n.: dazu ndl. dille
f., ags. dile f., engl, dill, schwed. (entlehnt)
diu m., dän. dild. Dunkler Herkunft. Im
18. Jh. meist Dille f. (1722 bei Freyer 271
noch Tille), so bei Heynatz 1775 und Ade-
lung, der das Mask. Dül (das bei Frisch 1741
angesetzt ist) für dialektisch erlärt. Das
Fem. ist heute noch bayr.-österreichisch.
Dille, f.: Schloßbeschlag um das Schlüssel-
loch, s. Tnlle.
Dimension, f. fPl. -en): Ausdehnung.
Aus lat. dlmensio f. «Abmessung». Bei
Wächtler 1711.
Diner, n. {-s, PI. -S): Mittagsmahl. Aus
dem gleichbed. franz. diner, eig. subst. Inf.
des V. diner, afranz. disner, disgne); ital.
disinare, desinare «zu Mittag essen», das
wahrscheinlich auf ein mlat. *disjejunare «das
Fasten brechen» (von lat. dis- und jejnnus
«nüchtern» gebildet j zurückgeht. ABL.
dinieren, v. : ein Mittagsmahl einnehmen.
Von franz. diner. Beide im spätem 18. Jh.
entlehnt.
Ding:, 11- (-^S, PI. -e, auch -er): (veraltet)
rechtliche und gerichtliche Verhandlung; An-
gelegenheit; Gegenstand. Mhd.-ahd. dinc (Gen.
dingt'S) n.: dazu asächs.-afries. thing, ndl. ding,
ags. ping n., engl, thing, anord. ping nui-
«Gerichtsverhandlung, Volksversammlung >-,
schwed. ting, dän. ting, thing n. (auch in
Storthing und Folkething ;< Reichstag in Nor-
wegen und in Dänemark»j; dazu auch lango-
bard. f/iiw.'c «rechtliche Schenkung». Das Woii:
wird zu got. peihs n. (aus *pinhs) «Zeit;> zu
stellen sein, so daß die Bedeutungsentwick-
lung: Termin, Tagsatzung, rechtliche und ge-
richtliche Verhandlung gewesen sein ^vird. Es
würde dann zu lat, tempus n. gehören können,
wenn man das unregelmäßige j? (für ^w) durch
Entlehnung des Wortes aus dem Sabinischen
erklären könnte. Die Bed. < Verhandlung»
schimmert noch bei dingen (s.d.) durch. Wegen
der weitern Bedeutungsentwicklung vgl. >SacAe.
Vgl. auch Dienstcuj und verteidigen. Der PI.
lautet bei Luther auch Dinger (Luk. 20, 26),
jetzt nur, wenn das Wort die Bed. «gering-
wertiger Gegenstand» hat oder herabsetzend
von Menschen (bes. Mädchen) gebraucht wird,
z. B. Lessing 1, 222, Wieland 21, 203, Goethe 6,
258, Schiller 13, 368. Das Dimin. lautet meist
Dingelchen (bei Rädlein 1711 Dingelgen), im
PI. auch Dingerchen. S. Dings.
dingen, v.: woniber verhandeln, insbe-
sondere über den Preis von etwas; vertrags-
mäßig für Lohn in Dienste nehmen. Mhd.
di)igen, ahd. dingön und dingen «vor Gericht
wofüi- reden, gerichtlich verhandeln, unter-
handeln, besprechend emen Vertrag schließen,
vertragsmäßig festsetzen, vertragsmäßig für
23*
359
dingfest
diskret
360
Lohn in Dienste nehmen»; dazu asächs. thingon
«verhandeln», ndl. di7igen (Prät. dong, Part.
gedongen «dingen»), afries. thmgia« gerichtlich
verhandeln», ags. pingian besonders «schlich-
ten, einen Streit beilegen» und pingan «einen
Vertrag schließen», anord.pmga «verhandeln»,
besonders «gerichthch». Abgeleitet von Di7ig
(s. d.). Das V. hat früher nur schwache Flexion,
im 17. Jh. dringt nach der Ähnlichkeit von
singen, springen usw. auch starke ein, die
aber Schottel 1663 noch nicht kennt. Stieler
1691 indes verzeichnet ich dünge und dingte,
gedungen und gedingt. Adelungsetzt die starken
Formen (Prät. düng, jetzt auch dang) als regel-
mäßig an, doch haben sich die schwachen
daneben erhalten.
dingfest, adj.: rechtlich (gerichtlich) in
Haft gesetzt; überhaupt s. v. a. haltbar fest.
Wie es scheint, nicht vor 1830 und aufge-
nommen im Gegensatz zu dem Adj. ding-
fiüchtig «sich durch Flucht dem Gericht oder
einer Vertragserfüllung entziehend», mhd.
dincflühtic.
dinglich, adj.: was einer Sache zukommt
im Gegensatze der Person. Erst bei Ade-
lung 1793. Mhd. dingelich, ahd. ditidih ist
«gerichtlich»,
Dings, m. f. n., als unbestimmte Bezeich-
nung einer ungenannten Person oder Sache,
eines ungenannten Ortes. Hervorgegangen
aus dem Gen. Sg. von Ding, wenn dies bei
einem andern Subst. steht, z. B. ein stück
dings, vil dings. Schon bei Henisch 1616
als selbständiges Wort angesetzt.
dinieren, s. Diner.
Dinkel, m. (-s, PI. wie Sg.): eine Weizen-
art, Spelz. Mhd. dinkel, ahd. dinchil, dinkil
m. Dunkler Herkunft.
Dinte, s. Tinte.
Diözese, f. (PI. Diözesen): Kirchsprengel,
Bezirk. Aus gr.-lat. dioecesis f. «Landbezirk»,
im 5. Jh. n. Chr. auch s. v. a. «Kirchsprengel»,
gr. bioiKricic f. «Land-, Gerichtsbezirk». 1703
im Zeitungslex. Dioeces.
Diphtliöni?, m. (-es, PI. -e): Zweilaut.
Aus gr.-lat. diphthongos, gr. bicpBoYToc f. «Zwei-
laut, Doppelvokal», dem als Subst. gesetzten
Adj. bicpOoYYoc «zweifach lautend» (b(c «zwei-
mal» und einer Ableitung von qpGdYT^ceai
«einen Laut von sich geben»). Schon um
1522 in Ickelsamers Grammatik p. 44 der PI.
Diphthongen nach der früher übUchen schwa-
chen Deklination, 1478 bei Nicl. v. Wyle 351,
14 des diptongons ai.
Diplom, n.: Emennungs-, Bestallungsur-
kunde. Aus gr.-lat. diplöma, gr. biTrXiu^a n.
«Beglaubigungsschreiben, Gnadenbrief» eig.
«doppelt Zusammengelegtes», von gr. biTrXoOv
«doppelt zusammenlegen, falten». Bei Wächt-
ler 1711, früher Diploma. ABL. Diplomat,
m. (-en, Ph-en): Staatsgeschäftskundiger, eig.
der mit Urkunden iimzugehen weiß. Aus
franz. diplomate m. Davon Diplomatie, f.,
aus franz. diplomatie f., und diplomatisch,
adj. nach franz. diplomatique. Alle im 18. Jh.
aufgenommen.
Diptam, m. (-s, PI. -e): zitronenartig
riechende Pflanze. Mhd. diptam neben dictam
m. Aus mlat. diptamus m., verderbt aus gr.-
lat. dictämnus m., dictamnum n., gr. biKxaiuov
n., biKTOiLivov n. und biKxaiavoc f.
direkt, adj. u. adv.: in gerader Richtung
worauf, stracks, geradezu. Aus lat. directus,
dem Pai't. Perf. Pass. von dlrigere «gerade
richten, lenken, leiten». Bei Rot 1571 (bei
Fisch art Garg. 29 dir echt). Direktion, f.:
Richtung, Leitung. Aus lat. dnectio f. Direk-
tor, m. (-S, PI. -en): Leiter, Vorsteher. Aus
nQviai. director m. Bei Rot 1571. dirigieren,
V. : lenken, leiten. Aus lat. dirigere (s. oben).
Bei Rot 1571 dirigirn.
Dirne, f. (PI. -w): dienende weibliche
Person; junge unverheiratete weibliche Per-
son; leichte, feUe Weibsperson. Mit Kürzung
des Vcrkals (schon bei Luther) aus mhd. dierne,
ahd. diorna f.; dazu asächs. thiorna, ndl. deern,
anord. (aus dem Deutschen) perna f. Jeden-
falls von ahd. deo, got. pius m. «Knecht»
(s. dienen) abgeleitet; ein vorauszusetzendes
got. *piwairnö (nach widmvairna m. «Waise»,
eig. «Witwensohn», zu widmvö f. «Witwe»)
könnte die Bed. «Knechtstochter» gehabt
haben. Nach Adelung im Hochd. fast ver-
altet, aber von Niederdeutschland und Bayern
aus, wo es volksüblich ist, gegen Ende des
18. Jh. wieder in die Schriftsprache einge-
di'ungen.
Diskant, m. (-es, PI. -e): höchste Sing-
stimme. Mhd. discante m. aus mlat. discan-
tus m., ursprünglich wohl Gesang von zwei
Stimmen und dann auf die obere beschränkt.
Diskont, m. und Diskonto, m, (-es),
Abzug bei Zahlung vor dem Ziele. Aus ital.
disconto, jetzt sconto m. «Abrechnung, Ab-
zug», aus einem mlat. discomputus m. (s.
Konto). La der 1. Hälfte des 17. Jh. entlehnt.
diskret, adj. u. adv.: besonnen unter-
scheidend, rücksichtsvoll, zurückhaltend. Aus
361
disknrieren
dito
362
lat. discretus, dem Part. Prät. Pass. von dis-
cernere «absondern», Wohl schon im 16. Jh.
entlehnt (im 17. z. B. bei Logau 2, 14). ABL.
Diskretion, f.: Eücksichtnahme; Zurück-
haltung; Gutbefinden. Aus lat. discretio f.
«Absonderung». Im 16. Jh. (Script, rer. Siles.
4, 274 vom J. 1581 Discretion).
diskuri ereil, v. : hin- und heiTeden. Aus
franz. discourir, das aus lat. disairrere «aus-
einanderlaufen, sich woiüber ergehen». Um
1600 gebraucht (Albertinus Kriegsleut Weck-
uhr 2, 16% aber das Adj. diskuri erlich schon
bei Fischart Garg. 275). — Diskürs, m.
(Gen, Diskurses, PI. Diskurse): Untei-redung.
Aus fr'anz. discours m. «Unterhaltungsge-
spräch», das aus lat. discursus m. «Bün- und
Herlaufen». Um 1600 fAlbertinus weibl.
Lustg. 200 b).
Dispens, m. (-es, PI. -e): Erlassung. Aus
'franz. dispense f. Erst im 18. Jh. dispen-
sieren, v.: austeilen, wovon freisprechen,
entbinden. Schon mhd. dispensieren, aus lat.
dispensäre eig. «austeilend abwägen». ABL.
Dispensation, f.: Erlassung. Aus lat. dis-
pensätio, woraus schon im 14, Jh. dispen-
säcie, bei Luther christl. Adel 60 Dispen-
sation.
disponieren, v.: anordnen, bestimmen.
Aus lat. dispönere «in Ordnung bringen, ein-
richten, bestimmen». Schon bei Rot 1571.
ABL. Disposition, f.: Anordnung; Stim-
mung, Geneigtheit. Aus lat. dispositio f. Im
16. Jh. (Fischart Garg. 169).
Disput, m. i-es, PI. -e): Wortwechsel,
Woi-tstreit. Aus franz. dispute, ital. disputa
f. 1694 bei Nehring (fiüher erscheint dafür
Disputat, z. B. Albertinus weibl. Lustg. 196).
disputieren, v. : wissenschaftlich besprechend
kämpfen: Worte wechselnd streiten. Schon
mhd. disputierest aus \a.t. disputdre «mit Worten
auseinandersetzen». ABL. Disputation, f.:
gelehrtes Streitgespräch. Aus lat. disputätio
f., woraus schon mhd. disputäzie f. und in
Ottokars Reimchronik 91352 disputacion.
Dissertation, f. (PI. -en): Erörtemngs-,
gelehrte Streitschrift. Aus lat, dissertätio f.,
abgeleitet von dissertäre «auseinandersetzen».
Bei Rot 1571 Dissertation «lange red».
Dissident, m. (-en, PI. -en): der nicht
der Staatskirche angehört. Aus lat. dissi-
dens, Part. Präs. von dissidere «nicht über-
einstimmen, getrennt sein». Zuerst 1573 von
den beiden sich streitenden Religionsparteien,
seit 1632 Benennung der Nichtkatholiken.
Dissonanz, f. (PI. -en) : Mißklang. Aus lat.
dissonantia f., woraus im 15. Jh. dissonantz f.
Distanz, f. (PI. -en): Abstand. Aus lat.
distantia f. Bei Rot 1571,
Distel, f. (PI. -n): eine stachlige Pflanze.
I Mhd. distel m., ahd, distü m. und distila f. :
, dazu ndl. distel f., ags. pistel m., engl, thistle,
' anord. pistill m., schwed. tistel m., dän. tidsel.
' Wenn distil aus *dihstil entstanden ist, könnte
I man es zu aind. tiktäs «scharf», gr. cjiZew
I «stechen» d. stechen stellen. Got. dafür deinö
f. (in wigadeinö «Wegedistel»). Alternhd.
auch als Mask. (bei Luther, sowie Rollenhagen
Froschm. 3, 1, 5). ZUS. Distelfink, m. (-en,
1 PI. -en) : der Distelsamen fressende Fink, mhd.
distelvinke, ahd. distilvincho , distilvinko m.,
dazu ndl. distelvink f. Distelkoll)en, m.:
Blüte und Samenkapsel der Distel, mhd. distel-
kolhe m.
Distichon, n. (-s, PI. Distichen): aus
einem Hexameter und einem Pentameter be-
stehendes Yerspaar. Das gr.-lat. distichon,
gr. bicTixov, X. Sg, des Adj. bicxixoc «zwei-
zeilig». Im 18. Jh.
I distinguieren, v. : mit Auszeichnung be-
handeln. Aus lat. distinguere «absondern,
] ausschmücken». Im 16. Jh. (1524 bei Emser
j Annot. Ji 7^ in der Bed. «unterscheiden», 1593
: bei Helber 16 das Part. Prät. disfm^tVf «unter-
schieden»). Distinktion, f.: Unterscheidung:
Auszeichnung, Rang, Stand, Aus lat, distinc-
tio f. «Absonderung, Unterscheidung». Bei
Luther 8, 135^ Jen. Distinction «Unterschei-
dung», (vom J. 1543) und schon 1524 bei
Emser Annot. R 5*.
Distrikt, m. (-es, PI, -e): Gebiet, Land-
bezirk. Aus mlat. districtus m. «Gerichts-
zwang, -gebiet», abgeleitet von lat. distrin-
' gere. Schon bei Rot 1571.
Disziplin, f. (PI. -en) : Lehrzweig, Wissen-
schaft; Zucht und Ordnung, besonders Manns-,
Schulzucht. In der 1. Bed. 1520 bei Luther
chnstl. Adel L2% in der 2. Bed. schon mhd.
discipline f. «geistliche Züchtigung, geistliche
; Zucht». Aus lat. disciplina f. «Lehre, Wissen-
schaft, Zucht».
Dithyrambe, f. (PI. -n): begeisterungs-
voller Lobgesang. Aus gr.-lat. dithyrämhus,
gr. biöüpaußoc m., urspr. ein Gesang, dessen
Gegenstand Bacchus war. Im 18. Jh. (Wil-
lamov Dithyramben 1763).
dito, adv.: desgleichen, als Subst.: das
eben Genannte, Mit franz. dito aus ital. detto
eig. «das Gesagte», Part. Perf. Pass. von dire
363
divers
Docke
364
«sagen». Am Anfang des 16. Jh. üblich (in
der Augsburger Chronik des W. Kern).
divers, adj.: verschieden, mancherlei. Aus
lat. diversus eig. «nach mehreren ßichtung'en
gekehrt», von divertere. 1703 im Zeitunglex.
Dividende, f.: Verhältnisanteil an dem
zu teilenden Gewinste. Aus franz. dividende
m., das beruht auf lat. dwidendus, dem Part.
Fut. Pass. von dividere «zerteilen». Im
spätem 18. Jh. entlehnt, dividieren, v.:
eine Zahl durch eine andre teilen. Neben
addieren, multiplizieren 1514 in Böschenstayns
Rechenbuch A4^ (schon spätmhd. dividieren
als musikalischer Ausdruck). Aus lat. dwi-
dere. Division, f.: Zahlenteilung durch
Untersuchung, wievielmal eine Zahl in einer
andern enthalten ist: Heei-esteil. Aus lat.
dwisio f. «Teilung», von dwidere «teilen».
Die 2. Bed. (nach franz. division f., das am
Anfang des 18. Jh. aufkam) bei Ludwig 1716.
Diwan, Divan, m. (s, PI. -s,.-e): (per-
sischer) Gerichtshof; geheimer Staatsrat des
Sultans; (morgenländischer) Polstersitz, Sofa.
Aus franz. divan, ital. divayio m., dies aus arab.-
pers. diwän «Buch von mehreren Blättern,
Rechnungsbuch, Schriften Sammlung (Samm-
lung von Gedichten bei Goethe), Ratsver-
sammlung, Prachtzimmer mit niedrigen Sofas».
Im Zeitungslex. 1703 in der 2. Bed., bei Neh-
ring 1710 «großes Zimmer», die 3. findet sich
erst im 19. Jh.
^DÖbel, m. {-s, PI. wie Sg.): dickköpfiger
Weißfisch. Bei Albems Fab. 19, 154. Im
Altpreußischen kommt schon im 15. Jh. dube-
lis «Halbfisch» vor. Vielleicht verglich man
den dicken Kopf des Fisches einem Zapfen
(s. d. folg. Art).
"Döbel, m. (-S, PI. wie Sg,): eingefügter
Pflock, Zapfen; (mundartlich) Klotz. Obd.
dafüi- dühel, bayr. düpel. Mit d für ur-
sprüngHches t und md. ö für ü aus mhd.
tühel m., ahd. tuhila f., tuhili n. (auch in
gituhila, gitubüi n.) «Zapfen, Zapfenverbin-
dung»; dazu engl, dowel und (mit anderm
Suffix) ndl. deiivik m., vgl. auch schwed. duhh
m. «Zapfen». Verwandt mit gr. rüqpoc (für
*0uq)oc) bei Hesjch m. «Keil». Ins Lit. ent-
lehnt als dnbelis m. «Nagel».
döbern, s. dibhem.
doch, Adv. u. Konj. zur Hervorhebung
einer Entgegensetzung. Mhd. doch, ahd. doh
mit Küi-zung eines urspr. langen Vokals; da-
zu asächs. thoh, ndl. doch, ags. ßeah, engl.
though, anord. ßö, dän. dog (entlehnt), got.
ßauh «wenigstens, etwa, wohl». Dies ist
aus der Partikel fau «oder, doch, wenig-
stens» mit angehängtem h entstanden, das
dem lat. que, gr. re, ai. ca «und» entspricht.
Docht, m. (-es, PI. -e): der zum leuch-
tenden Brennen mit F«tt getränkte Körper
im Lichte. Mit Verkürzung des zu o ver-
dumpften Vokals aus mhd.-ahd, täht n. m.;
dazu anord. ßättr (tt aus hf) m. «Faden,
Lichtfaden». Man erwartet daher ahd. däht.
Dazu vielleicht Schweiz, tägel, dägel «brennen-
der Docht, Licht, Lampe». Dunkler Her-
kunft. Bei Luther Tocht n. (auch noch
bei Zachariä Renommist 2, 12), bei Günther
Dacht, Tacht n., auch jetzt noch zuweilen
Docht n. Auch die Lautform ist im altem
Nhd. schwankend: die Länge zeigt sich noch
in Daacht bei Henisch 1616, auch jetzt noch
mundartlich Docht; mit dem ursprtinglichen a
noch im 18. Jh. Dacht (Brockes 9, 55; Lessing
1, 171 ; 2, 562; Thümmel, Göekingk) und Tacht
(Günther 379; Haller 5: Voß Ged. 2, 59;
Büi'ger 124); noch Heynatz 1775 entscheidet
sich fiii- Dacht, während Adelung nur Docht
zuläßt. Dacht, Tacht, Tocht aber für mimd-
artlich erklärt.
Dock, n. (-S, PI. -s): gemauerter Wasser-
behälter in einem Hafen oder bei einer Schifi's-
werft zum Bauen und Ausbessem der Schiff'e.
Das engl, dock, ndl. dok, dän. dokke, schwed.
docka f., das vielleicht zurückgeht auf mlat.
doga, doha f. «Graben, Grabenmauer, Ein-
fassung eines Wasserbehälters», von gr, bcxn
f. «Wasserbehälter, Gefäß» (vgl. Daube). Auch
als Fem. Docke (bei Adelung).
^Docke, f. (PI. -n): Puppe; (übertragen)
junges Mädchen; puppenartiges Gewundenes,
Bündel; rund Gedrechseltes, kurze dicke Säule,
Zapfen. Mit d für ursprüngliches t aus mhd.
tocke (auch in der 3, u. 4. Bed.), ahd. toccha,
tocka f, «Puppe»; dazu mnd. docke, schwed,
docka f. Dunkler Herkunft; auch die Grund-
bed. des Wortes ist unsicher,
^ Docke, f. (PI. -en): Art eines sehr hohen
weiblichen Kopfputzes. Mhd. tocke f. aus
franz. toque f. «Haube, Mütze», ital. tocco m.
«Reisehut», span. toca f. «Haube». Ob das
gleichbed. kymrische toc die Grundlage oder
nicht vielmehr selbst aixs dem Franz. entlehnt
ist, bleibt unklar.
^ Docke, f. (PI. -n): Tastenharamer des
Klaviers. AVohl von ital. tocchare, älterfranz.
toquer berühren, hier vom Anschlagen an die
Saiten. Bei Adelmicr 1774.
365
Dogge
Bolman
366
Dogge, f. (PI. -n): Art großer englischer
Hetzhunde. Aus engl, dog, woher auch ndl.
(log, schwed. dogg, dän. dogge. In der 2. Hälfte
des 16. Jh. entlehnt, anfangs als schwach-
flekt. Mask. (Docke bei Fischart Garg. 295,
341, Dogg' m. noch bei Voß Id. 16, 151) und
m der Schi-eibung schwankend (Docke noch
bei Adelung 1793, auch z. B. bei Schiller 11,
277, während Henisch 1616 dog, dogg, doggen
m., Schottel 1663 dogge neben dokk m. hat
und Heynatz 1775 Dogge verlangt).
Dogma, n. (-S, PI. Dogmen) : Lehrmeinung,
Lelirsatz. Das gr.-lat. dogma, gi\ böyiaa n.,
abgeleitet von boKeiv «meinen». ABL. Dog-
mätik, f.: Gebäude der Lehi-satzungen, bes.
des christlichen Glaubens. Aus gr.-lat. dog-
ynatica, dem Fem. des gr.-lat. Adj. dogma-
ticus, gr. boTMctTiKÖc «die Lehrsätze betreffend».
Beide im 18. Jahrb.
Dohle, f. (PI. -/i): ein krähenartiger Vogel.
Mit d für urspi-üngliches t aus mhd. takele,
zusammengez. täle, ahd. tahala f. (davon ital.
taccola f; «Elster» zu obd. dachet), abgeleitet
von dem einfachen (in obd. Mundarten er-
haltenen) mhd. tahe, ahd. taha f., das wohl
zu apreuß. doacke «Star» gehört. Daneben
erscheint mhd. tul, auch fi-ühnhd. häufig
Tul, Dul. An Zusammenhang von mhd. tul
mit dem zweiten Bestandteil von lat. mone-
dula darf man nicht denken, vgl. Niedermann
Idg. Forsch. 10, 235. Das nhd. Dohle scheint
beiden Formen zu entsprechen, es kommt
schon im Spätmhd. als tole, dole f. vor, bei
Luther als Thole, Dole, 1537 bei Dasypodius
88^ doli und 316 a Dohl, 1540 bei Alberus
Dikt. z2*' dol. Doch erhält sich daneben
die Form mit a (bei Schottel 1663 als Dale,
Duez 1664 als Thale, Dohle, bei Ludwig 1716
als Dale, bei Steinbach 1734 als Dahle).
'Dohne, f (PI. -n): Bügel mit Schlinge
zum Vogelfange. Eig. gespannter Zweig;
die Zweiggeschosse an Waldbäumen werden
zu Bügeln umgebogen, in die man Schlingen
hängt. Mhd. do7ie, don f. ist «Spannung»,
spätahd. done f. «Spannader, Nerv» (davon
donen, ahd. donen «sich spannen, strecken»),
ahd. dona f. «Rebschoß, Schoß, Ranke»; da-
zu ags. pona m, ßone f. (in celfpona m., odf-
ßone f. «Alpranke, Geißblatt»). Zu dehnen
(s. d,). Vgl. die zu gr. xeiveiv «spannen» ge-
hörigen gr. T^vujv m. «Sehne», lat. temis n.
«ausgespannte Schnur, Dohne», aind. fäntus
m. «Schnur», abg. teneto «Strick», lit. tinklas
«Netz»,
-Dohne, f. (PI. -n)-. Zimmerdecke und
, bes. Tragebalken derselben. Nur mimdart-
lich (wetterauisch, oberhessisch usw.). Von
mhd. don, ahd. dono m. «Ausgespanntes, Decke»
in mhd. Überdon, ahd. uhardono m. «überge-
breitetes Tuch, Totentuch». Mit mhd. don
■ f. «Spannung» (s. ^ Dohne) zu dehnen.
Doktor, m. (-S, PI. -en): mit der höchsten
von einer Fakultät erteilten Gelehrtenwüi-de
Bekleideter ; Arzt. Aus lat, doctor m. « Lehi-er ;>,
von docire «lehren». In der 2. Bed. schon
im 16. Jh. (Scheidt Grob. 1259). ABL. dok-
; torn, V. : den Arzt gebrauchen ; ohne Arzt
zii heilen versuchen.
Dokument, n. (-5, PI. -e): urkundhches
j Beweismittel, Beweisschrift. Aus lat. docu-
I mentum n. «Beweis», von docere. 1703 im
' Zeitungslex., der Plur. bei Ludwicr 17 16
Documenten.
Dolch, m. [-es, PI. -e): messerartige zwei-
schneidige Stichwaffe. Um 1500 tolch. tolchen
(bei Dasypodius 1537 dolch, bei Hans Sachs
dollich), dazu ndl.-dän. -schwed. dolk m., nicht
i entlehnt aus dem gleichbed. böhm. und poln.
j (veraltet) tulich m., vgl. Mikkola Bezz. Btr. 25,
; 74, vielleicht aus lat, dolo «Art Stock degen»,
I das ins Niederländ, (mndl. dol) und von da
■ weiter vordrang. Doch macht auch das
Schwierigkeiten. Eher vielleicht unter dem
Einfluß des lat. Wortes aus einem deutschen
i umgestaltet, das in aisl. dälkr m. «Nadel um
I den Mantel über der Achsel zu befestigen:
; Dolch Messer», ags. dale, dolc m. vorliegt.
Alternhd. auch mit schwacher Flexion.
Dolde, f.: Blumenbüschel. Mit d für
ursprtingHches t aus mhd. tolde f. m., ahd.
toldo m. Wohl eines Stammes mit ahd. tola f.
j «Weintraubenkamm», das -d ist also ableitend.
I Verglichen wird noch gl", GöXoc f. «Kuppel-
dach» oder GoiWu) «blühe», GciXoc n. «junger
, SprößUng, Zweig». Frtihnhd. häufig weiter-
gebildet tolder, dolder m. (jetzt schwäb.-alem.),
Dole, f, (PI, -n): unterirdischer Abzugs-
! graben, Kanal, Im 15. Jh, dol (1482 im Voc.
theut. f 1^) «Mine», ahd. dola f. «Röhre, Erd-
röhi'e». Zu gr.cuj\r)v ra. «Rinne, Röhre, Kanal»,
i abg. tulü m. «Köcher», ai. tünas m. «Köcher»,
' vgl, Ehrismann Btr, 20, 60,
Dolman, m. {-s, PI. -s): schnürenbesetzte
; Jacke unter dem Pelze des Husaren. Aus
türk. dölämän «Unterkleid von Tuch». 1645
bei Zesen Ibrahim 3 Doliman, aber schon
um 1500 in Quellen zur Geschichte Sieben-
bürgens (s. Gombert 8, 7).
367
Dolmetsch
Donner
368
Dolmetsch, m. [-en, PI. -en, -e): Über-
setzer. Mit d für ursprüngliches t aus spät-
mhd, (schon gegen 1300) tohnetsche, tulmet-
sche m., aufgenommen aus dem gleichbed.
poln. tiumacz, böhm. tlumad, abg, tlüniaci,
das auf das Tüi-Msche zurückgeht, dol-
metschen, V.: aus fremder Sprache in eine
bekannte übertragen; dui'ch Rede verständ-
lich machen. Spätmhd. tolmetschen, tulmet-
schen. Davon Dolmetscher, m. (schon bei
Luther). Das gleichbed. mhd. tolJce m. geht
auf lit. tulkas m. «Dolmetscher», abg. tlükü
m. «Dolmetschung» zurück.
Dom, m. (-es, PI. -e): bischöfliche Haupt-
kirche; Kuppelturm. Wie franz. dorne, ital.
duomo m. entlehnt aus lat. domus f. «Haus»,
hier von Gottes Hause (domus dei), dem
Tempel, verstanden. Die echtdeutsche Form
ist Thuni, mhd.-ahd. ttioni, ebenfalls aus lat. !
domus entwickelt, aber schon in ahd. Zeit.
Im altem Nhd. wechseln Thum und Dom j
(Luther hat nur Timm, aber Henisch 1616
Dom), noch Frey er 1722 S. 273 setzt Thum
an. ZUS. Domherr, m. Dafür mhd. tuom-
herre m. Dompfaffe, m.: (veraltet) Dom-
geistlicher, mhd. tuompfaffe m.; Blutfink oder
Gimpel (wegen seines schwarzen Scheitels,
der der Kappe eines Domgeistlichen ähnelt).
1557 bei Heußlin 21 ^^ Tlmmpfaff.
Domäne, f. (PI. -n)-. landesherrliches Gut,
Krongut. Aus franz. domaine m., das aus
lat. dominium n. «Hen'schaft worüber, Eigen-
tum», abgeleitet von dominus m, «Herr, Ge-
bieter, Besitzer». ImZeitungslex.1703 Domaine.
Domestlk(e), m. (-n, PI. -n): Diener,
Dienstbote. Aus franz. gleichbed. domestique,
das des lat. domesticus «zum Hause gehörig»
ist. Im 17. Jh.
Domherr, s. Dom.
dominieren, v.-. beherrschen. Aus lat.
dominäri, von dominus m. HeiT. Schon bei
Rot 1571.
Dominikaner, m. (-s, PI. wie Sg.) : Mönch
von dem 1215 gestifteten Orden des heil.
Dominicus (von lat. dominus «Herr», d, i.
dem Herrn [Jesu] gehörig).
Domino, m. (-s, PI. -s): das lange Mas-
kenkleid; eine Art Spiel. Das ital, und span.
domino m. «seidener Mantel zum Maskieren,
eig. verhüllende Winterkleidung des Geist-
lichen», von lat. dominus m. «Herr», im Mlat.
auch s. v. a. höherer Geistlicher. Um die
Mitte des 18. Jh. aufgenommen (Zachariä
poet. Sehr. 1, 135).
Domizil, n. (-s, PI. -e): Aufenthaltsort,
Wohnsitz. Aus lat. domicilium n., von domus
f. «Haus». Bei Wächtler 1711, Sperander 1728
noch in lat. Foi-m.
Domniel (Goethe Faust 4334), s. Rohr-
dommel.
Dompfaffe, s. Dom.
Donlage, Donlege, f. (PI. -n): abhängige
Richtung eines Ganges, einer Fläche. Berg-
männischer Ausdi-uck 1562 bei Mathesius
Sarepta52* danleg, 51^ danlag, 204^ dohnlege,
bei G. Agricola 1546 donlege). Zusammen-
gesetzt aus l) dan, don, das wohl mhd. dane,
ahd. dana in danatrib m. «Forttreiben, Schei-
dung», dananww/if f. «Hinausnehmen, -tragen»,
das mit dannen zusammenhängt. 2) mhd.
lege f. «Legung, Lage, Niedersenkung» (bei
Stieler 1691 Läge f. «Bodenneigung» und das
Adj. Adv. läge «abwärts sich neigen», mnd.
lege).
Donner, m. (-s, PI. wie Sg.): heftig
schallende Lufterschütterung. Mhd. donei;
ahd. donar (auch als Name des heidnischen
rotbärtigen Blitz- und Donnergottes Donar)
m.; dazu asächs. thuner (nur als Name des
Gottes Thuner belegt), ndl. donder, afries.
thuner, ags, panor, engl, thunder, anord. J5örr
(nur als Name des Donnergottes), dän. (ent-
lehnt) dunder m. Von einem V., das im Ags.
ahpunian «donnern» erscheint; vei'wandt mit
Idt.tonäre «donnern», dazutonitrusm. «Donner»,
weiter aind. tan «tönen, rauschen». ABL.
donnern, v., mhd. donern, ahd. donarön.
ZUS. Donnerhart, m.: Hauswurz (die, auf
das Dach gepflanzt, vor dem Einschlagen des
Gewitters schützen soll). 1538 in Rößlins
Ki-äuterbuch \U^ und 1546 bei Bock 142»
donderhar «barba Jovis». Donnerheseii,
m.: auf Bäumen gewachsenes (angeblich vom
Blitz erzeugtes) wirres Strauchwerk, im 17. Jh.
DonnergUge, m.: Hirschkäfer, nach dem
Aberglauben, daß in ein Haus, in das ein
solcher Käfer (schweiz. guege) getragen wird,
der Blitz schlägt. Dounerkeil, m.: keil-
förmiger Stein, den das Volk sich vom BHtz
geschleudert denkt; Blitzstrahl. Bei Luther.
Donnerschlag, m., mhd. donreslac m.
Donnerstag, m.: der fünfte Wochentag,
eig. der dem Gott Donar geweihte Tag.
Mhd. donerstac, ahd. toniris (d. i. donares)
tac m.; dazu ndl. donderdag, ags. _piinresd.(Bg,
engl, thursday, ßchwed.-dän. torsdag m. Eine
Nachbildung des lat. di&s Jovis. Dafür bayr.
Pfinztag m., im 13. Jh. bei Berthold v. Regens-
369
doppel
Dorre
370
burgl, 58, AipMnztac; durch kirchlich-byzant.
(got.) Einfloß aus gr. -rreuTTTri (fjuepa) der
fünfte (Tag). Vgl. Ch-ündonnerstag.
doppel: eins und das Gleiche mitein-
ander verbunden (s. doppelt), nur noch in
Zusammensetzungen wie Doppeladler, m.
(bei Adelung 1774): Doppelbier, n.: stärker
gebrautes Bier (im 17. Jh. i: Doppelgänger,
m.: ein an verschiedenen Orten zugleich er-
scheinender Mensch (von Jean Paul gebildet,
Siebenkäs 1, 66); Doppelhakeil, m.: große
Hakenbüchse, Wallbüchse, die beim Abfeuern
aufgelegt wurde, im 16. Jh. (^bei Fronsperger
2, 106*): Doppelpunkt, m.: das Satzzeichen :
(1641 bei Schottel Sprachkunst 526): Doppel-
sinn, m.: mehrfacher Sinn (bei Adelung 1774,
aber das Adj. doppelsinnig schon bei Gry-
phius Trauerspr. 57); doppelzüngig, adj.:
von mehrfacher, sich widersprechender Rede
(bei Heniseh 1616). Davon doppeln, v.,
1475 clevisch diibhelen (Teuthonista 84), 1537
bei Dasyijodius doppeln, bei Luther u. a.
dupeln, dvppehx.
doppeln, V. : mit Würfeln im Brett spielen ;
im Spiele beträgen. Mhd. toppein «würfeln»,
von toppel m. «Würfelspiel», das aus fi'anz.
doublet m. (von double «doppelt», s. d.) «Wurf
mit gleichen Augen». Entsprechend ndl. dob-
belen, aisländ. dubia, dän. doble.
doppelt, adj., älterahd. doppel (s. d.). Aus
franz. double, das auf lat. duplus «zweifach»
beruht; mhd. vereinzelt daraus dublin (in
Wolframs Willehalm 410, 21). 1475 clevisch
im Teuthonista dobbel, dubbel und sonst in
niederrhein. Quellen, am Anfang des 16. Jh.
auch hd. dopel, doppel, dupel, duppel (so auch
bei Luther 6, 846 W), doppel bei Mumer Schelm.
5, 29. Auch in der Kanzleisprache (Reichs-
Ordnungen 78* V. J. 1512 duppel). Daneben
findet sich die Fonn doppelt (wohl tmter
Einfluß des Part, gedoppelt) schon 1537 bei
Dasypodius und wird dann z. B. von Ring-
wald, Rollenhagen, Albertinus gebraucht. Die
beiden Formen doppel (duppet) und doppelt
(duppeli) erhalten sich lange nebeneinander:
die schlesischen Dichter gebrauchen meist
duppel, auch duppelt; Rädlein 1711 führt noch
doppel an, Ludwig 1716 dagegen nur doppelt,
doch ist doppel auch noch später, z. B. von
Voß, gebraucht worden.
Dorf, n. {-es, PI. Dörfer) : Ortschaft ohne
höhern Rang. Mhd.-ahd. dorfn.; dazu asächs,-
afries. thorp, ndl. dorp, ags. ßorp (auch prop,
prep), engl, thorp (in Eigennamen) «Dorf»,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. .\afl.
in der Bed. abweichend anord. porp «Ge-
höft» (auch «Menschenmenge»), schwed. torp
«Landgut»; got. ßaftrp n. ist «Bauland, Feld».
Verwandt sind lat. trdbs f. «Balken», osk.
tritbüm m. «Gebäude», air. treb «Dorf», umbr.
trebeit&er verweilt», lit. tröbä f. «Gebäude» mit
ganz gewöhnlichen Bedeutungsübergängen,
nämlich von «Haus» zu «Niederlassung», dann
«die Menge im Dorf». ÄJBL. Dörfer, meist
Dörfler, m. (-s, PI. wie Sg.): Dorfbewohner.
Mhd. dorfcere, im 16. Jh. auch dörfler. Vgl.
auch Tölpel, dörflich, adj., frfihnhd. dorflich.
Dorfschaft, f., mhd. dorfschaft.
dorlen, v. (Goethe 5, 179): sich im Kreise
herumdrehen. Aus dem Thüringischen. Wahr-
scheinlich mit Ausfall des m aus mhd. tur-
mein (auch schon turlen), tilrmeln «schwin-
deln, taumeln». Davon Dorl, m. (-s, PI.
-e): Kreisel, bei Goethe Drehdorl (5, 193).
Dorn, m. (-.s, PI. -e?i): stechende Spitze
an einer Holzpflanze; stachlige Holzpflanze;
jener Spitze Alinliches. Mhd.-ahd. dorn m;
dazu asächs.-afries. thorn, ndl. doorn, ags.-
anord. ^orw, engl, thorn, dän. torn, got.paumus
m. Der Lautverschiebung gemäß entspricht
abg. trünü m. «Dom», aind. tJTia- m, n.
«Grashalm». Der PI. mhd. dorne, ahd. dorna
lautet im Nhd. seltner Dome (namentlich
in der poetischen Sprache, z. B. bei Uhland,
Rückert); Luther, der einmal (Micha 7, 4)
' den Sg. Dome hat, bildet den PI. Domen
; (vereinzelt Dornen) und diese Form bleibt
I auch später gewöhnlich; daneben tritt im
16. Jb. Dörner auf (Hans Sachs Fastn. 8,
892; Ringwald tr. Eckh. B%^; Opitz 2, 17
und die andren Schlesier). ÄJ3L. dornen,
adj., mhd. dürnin, ahd. durnin: dazu ags.
pyrnen, got. ßaurneins. doruiclit, adj. mhd.
nur weitergebildet dornehtic, ahd. dornohti.
Bei Luther dörnicht, jetzt durch dornig ver-
drängt, dornig, adj., mhd. dornec, ahd.
domac, dazu ndl. doomig. Dornicht, n. :
Domgebüsch. Mit angetretenem t aus mhd.
dorruich, spätahd. thornahe n.
Dorothea, Frauenname, aus gr.-lat. Doro-
I thea, gr. AuupoGea «Geschenk Gottes», von gi\
\ büjpov «Gabe, Geschenk» und öeöc m. «Gott».
i Verkürzt Dortchen.
Dörre, f. (PI. -n) -. Vomichtung zum Trock-
I nen. 1469 derre (voc. ex quo). Von dörren,
•V.: dürr, d. i. ausgetrocknet machen. Mit ö
I für ursprüngliches e (bei Luther noch derren)
aus mhd. derren, ahd. derren, darren (aus
darjan); zugleich geht aber dörren auch auf
24
371
Dorsch
Douane
372
dürren zuiiick, das in md. Mundarten dörren
ausgesprochen wird, dörren erscheint obd.
schon im 16. Jh. und findet sich bei Henisch
1616 angegeben, während Stieler kein dörren
kennt und Eädlein und Ludwig unter dörren
avd dürren verweisen; Schotte! 1663 und Frisch
1741 aber setzen dörren an. Ahd. derren ist
Faktitiv zu einem starken V., das im Got.
als pairsan (in gapairsan) «ausgetrocknet
sein» erscheint. Dies stimmt zu gr. x^pcccGai
«trocken werden», auch lat. torrere (aus tor-
ser e) «dörren». Weiter sind verwandt aind.
frsjati «dürstet», awest. tarsav- «trocken»,
ir. fir, tirim «trocken» u. a. S. auch Darre
und Durst. — dorren, v.: dürre werden.
Mhd. dorren, ahd. dorren; dazu asächs. thor-
rön, ndl. dorren, im Got. dafür gapaursnan,
eine Inchoativbildung.
Dorsch, m. (-es, PI. -e): Art Schellfisch
in der Ostsee. Aus dem Ndd., schon mnd.
dorsch, dors, 1610 bei Colerus Hausb. 3, 260
dorst m.; dazu ndl. dorsch, anord. porskr,
schwed.-dän. torsk m. Dunkler Herkunft, viel-
leicht zu russ. treskd «Stockfisch».
Dorsche, f., auch m. (PI. -n) : Kohl-, Salat-
stengel. MundartHch am Rhein, Schwaben,
Bayern. Mhd. torse, turse, ahd. torso, turso
m. «Stengel», wohl entlehnt aus roman. (ital.)
torso m. «Strunk», das aus gr.-lat. thyrsus,
tursus, gr. öüpcoc m. «Stengel, Strunk».
Dort, m. (-es): ährentragendes Unkraut
im Getreide. Mit d für urspmngliches t aus
mhd. turt, ahd. turd m.; dazu asächs. durth n.
dort, vei'längert dorten, demonstratives
Pronominaladv.: an jenem Orte. Mhd. dort,
ahd. dorot, in älterer Form darot [tliarot im
Ludwigslied) «dorthin, dahin»; entsprechend
asächs. tharod, afries. tJiard «dorthin», sonst
nicht vorkommend. Das Adv. mhd. dar,
ahd. dara «dorthin» mit angetretenem -ot,
das vielleicht zu lat. uta in alnita «irgend
anders» gehört. Die verlängerte Form dorten
kommt schon um 1500 vor (Fastnachtssp. 4,
22). ABL. dortig, adj. Frühnhd. (Aven-
tin 1, 448, 18 vom J. 1511), aber erst bei
Adelung 1774 verzeichnet.
Dose, f.: Büchse mit Deckel zu Tabak,
Zucker usw. Aus dem Ndd. -Ndl.; schon 1475
clevisch im Teuthonista dose f. «Behälter zum
Tragen, Lade, Koffer», ndl. doos und dooze f.,
dazu dän, daase. Schottel 1663 führt Doos
«capsa» als ndd. an. Stieler 1691, Rädlein
1711 usw. als Schriftdeutsch Dose. Daneben
oribt Frisch 1741 Dese «Waschfaß auf drei
Füßen» an, Adelung Döse: die Form findet
sich in bayi'.-öst. Mundarten für «Holzgefäß».
In ostmd. Dialekten deise, teuse «Schachtel,
Dose». Ursprung und Entwicklung der For-
men dunkel.
dösen, v.: in Betäubung sein, gedanken-
los dasitzen, schlummern. Mit d für urspr.
t Frühnhd. dosen (Schm eller ^ 1, 548), schon
im 14. Jh. verdcesen «überhören»; dazu ndd.
dösen, dän. döse, engl, doze «schläfrig sein,
schlummern». Obd. dosen, auch dosein, dos-
men. Verwandt mit Dusel (s. d.). In den
Wörterbüchern ist das nur der Umgangs-
sprache angehörige Wort nicht verzeichnet.
ABL. Döserei, f. (bei Lessing 10, 86 Töse-
rey). dÖsig,adj. gedankenlos, halb im Schlafe.
Dosis, f. (PI. Dosen): Gabe Arznei. Aus
gr.-lat. dosis, gr. böcic f. «Gabe», von bibövai
«geben». Im 17. Jh.
Dost, m. (-es) und Dosten, m. (-s) : eine
majoranartige Pflanze, gr.-lat. origanum ge-
nannt. Mhd. doste, ahd. dosto, tosto m. u.nd
tosta f. Urspr. wohl s. v. a. buschartig wach-
sende Pflanze, denn spätmhd. doste m. «Strauß»
und bayr. Dosten «Busch, buschartig sich
Ausbreitendes» sind wohl verwandt.
Dote, s. Tote.
dotieren, v. : ausstatten; mit Einkünften
versehen. Schon mhd. dotieren, aus lat. dö-
täre «ausstatten», abgeleitet von dös f. (Gen.
dötis)'«Gahe, Mitgift». ABL. Dotation, f.:
Ausstattung durch Schenkung; Schenkung.
Aus mlat. dotatio f.
■^Dotter, m. (-S, PI. wie Sg.), seltner n.:
das Gelbe im Ei. Mit d für m-sprünghches
t (bei Luther noch totter) aus mhd. totere,
ahd. totoro m. und zusammengesetzt tutarei,
dazu andd. dodro, ndl. dooier, ags. abgeleitet
dydring m. Die Grundbed. scheint «Verdickung,
Klumpen» zu sein; dazu gehört ndl. dot f.
«Knäuel», ags. dott m., engl, dot «Punkt,
Fleck» und wohl auch mhd. tutte m. f., ahd.
tutto m. und tutta f. «Brustwarze». ZUS.
Dotterblume, f., Name mehrerer dotter-
gelb blühenden Pflanzen, der Caltha palustris
(1546 bei Bock 54^), des Löwenzahns (bei
Bock 100 b), der Trollblume.
"Dotter, m. (-s): flachsartiges Unki'aut.
1482 im Voc. theut. gg 7* todter. Dazu engl.-
dän. dodder, schwed. dodra f. Kaum mit
^Dotter verwandt (etwa wegen des kleinen
gelben Samens),
Donane, f.: Maut: Zollhaus, Zollamt; Ge-
samtheit der Zollwächter und -beamten. Das
373
dozieren
Drang
374
franz. douane, ital. dogäna, span.-port. aduana
f., das zurückgeht auf arab, dlvän, addlvän
«Reclinungsbuch, Bureau, Kanzlei, Maut-
bureau». Bei Sperander 1728.
dozieren, v.: vorti-agend lehrend. Aus
lat. docere «lehren». Bei Rot 1571. ABL.
Dozent, m. i-en, PI. -en): vortragender
Lehrer einer Hochschule. Aus lat. docens
(Gen. docentis), dem Part. Präs. von docere
«lehren».
Drache, m. : fabelhafte fliegende Schlange :
Kinderspielzeug. Mit d für urspininghches t
(durch Einfluß des gi'.-lat. Grundwortes) aus
mhd. trache, ahd. frahho m., auch mhd. tracke,
ahd. traccho m.; mit ndl. draak, ags. draca,
schwed. drake m., dän. drage, entlehnt aus
gi-.-lat. draco (daneben dracco), gr. bpctKuuv
m. «fabelhafte große Schlange», lat. auch
«Kohortenzeichen» in Form eines Drachen,
vgl. Dragoner.
Drachme, f. (PI. -n)-. 7^ Lot (4 Gramm).
Aus gr.-lat. drachnia, gr. bpaxuri f. «Be-
nennung eines sehr kleinen Gewichtes».
Dragoman, m. {-s, Pl.-s, -e): Dolmetscher
bei den Tüi'ken. Aus franz.-span. dragoman,
ital. dragomanno, mlat. dragumanus, droga-
mundus (woraus mhd. Trougemunt), die zu-
inickgeheu auf arab. tardschumän «Ausleger»,
von iardsclianm «übersetzen, dolmetschen».
Bei Spei'ander 1728. Gleichen ürspiiings, aus
roman. trucheman, im 14. und 15. Jh. trüfzel-
niann m. «Dolmetscher».
Dragoner, m. (-.s, PI. wie Sg.): Art
leichter Reiter, urspr. ein Fußsoldat, der das
Pferd zum schnellen Fortkommen braucht.
Gebildet von franz. dragon m. «Drache» (s. d.),
also D. eig. Angehöriger einer Schar, in deren
Standarte sich ein Drachenbild befand. Um
1600 aufgekommen (1617 bei Wallhauseu Corp.
mil. 10 Dragoens, im teutschen Michel 22 Tra-
goner), wähi-end in Frankreich die Arkebusiere
zu Pferd schon im 16. Jh. dragons hießen.
Dragün, m. (-s): Kaisersalat, Schlangen-
kraut, eine als Gewürz an Speisen dienende
Pflanze. Mit wallen, dragonn, franz. targon
(daneben estragon ra. aus port. estragqp m.),
ital. targone m., span. taragona, taragontea,
dragontea von lat. draco m. «Drache» in der
Bed. dracünculus wie unsre Pflanze bei Plinius
heißt. 1712 bei Hübner Naturlex. 430.
Draht, m. (es, PI. Drähte): zusammen-
gedrehter dicker Faden; (Gaunersprache) Geld.
Mit Dehimngs-Ä zu mhd.-ahd. drät m.; dazu
ndl. draad m., afiies. thred, ags. ßr(ed m.
«Faden», engl, thread, anord.prädr m., schwed.
träd m., dän. traad. Zu drehen, formell ge-
nau gr. xpriTÖc «durchbohrt» entspi'echend.
ABL. drähtig, adj., in zwei-, dreidrähtig.
drall, adj.: wohlgedreht; elastisch fest
(Lessing Nathan 2, 5); hurtig; rasch, munter,
kräftig und gedrungen aussehend. Aus dem
Xdd. (schon mnd. dral «rasch sich drehend,
rasch»), in die Schriftsprache von Lessing
eingeführt; Adelung erwähnt das Wort nur
gelegentlich als ein niedersächsisches, Hey-
natz 1796 spiicht sich dagegen aus, während
Campe es empfiehlt. Fmher erscheint das
auch von Adelung verzeichnete ndd. drell,
z. B. bei Caniz 124 hey deiner liebsten Dr eilen,
wobei in einer Anmerkung gesagt wird, daß
man in der Mai'k z. B. sage eine drelle Dirne,
das ist «ein frisches, derbes Mädchen», auch
bei Hermes Sophiens Reise 4, 166. Zu
^drillen.
Drama, n. (-s, PI. Dramen) : BühnenspieL
Aus dem gleichbed. gr.-lat. dränia (Gen, drä-
matis), gr. bpä|ua n., das urspr. s. v. a. «Tat,
Handlung», abgeleitet von bpäv «tun». In
der Mitte des 18. Jh. aufgekommen. ABL.
dramatisch, adj. Xach gr.-lat. drämaticus,
gr. bpaiiOTiKÖc. Bei Gödeke Giiindriß ^ 3, 226,
75 vom J. 1676.
dran, gekürzt aus daran, wie drauf, draus,
drein, drin, droh, drüben, drüber, dnmter usw.
aus darauf, daraus, darein usw. AUe diese
Adverbien sind urspr. Zusammenschiebungen
des dar, mhd. dar «dahin», oder des dar,
mhd. dar (vor Adverbien geschwächt dar),
da, da mit einem Präpositionaladv. Jene dar-
gingen mhd. auch in tonloses der- über und
wurden endlich bloßes dr-. So findet sich
bereits mhd. drane, dran aus derane, darane,
ahd. därana wad dara ana; drüfe, drüf aus
dar üfe, dar üf, ahd. dar uf usw.
Drang, m. {-es): Zudringen, Bedrängnis;
starkes Getriebensein wozu. Mhd. dranc m.
«Gedi'änge, Bedrängnis»; dazu ndl. drang m.
«Gedränge, Drang», ags. ßrong (in geprong
n.), engl, throng «Gedränge», anord. pröng f.
«Gedränge», dän. trang «Gedränge, Bedräng-
nis». Zu dringen. Die 2. Bed. erst bei Ade-
lung. ABL. Drangsal, f., seltenern. (Bürger,
Schiller, Goethe usw.), spätrahd. drancsal m.,
wohl von dem später verschwTindenen mhd.
drangen « drängen» abgeleitet. Davon drang-
salieren, V. Neue Bildung mit der fremden
Endung -ieren (nach dem Muster von tribn-
lieren u. dgl.).
24*
375
drängen
drei
376
drängen v. : di-ingen machen, Drang aus- i^eÄ;Är m., schwed. träck m., dän. dräk n.
üben. Älternhd. drengen (wie Preyer 1722 Vielleicht verwandt mit gr. xpuE (Gen. rpuföc)
vorschreibt und noch Lessing 2, 180 hat), mhd. f. «Hefe, ünreinigkeit». Sehr ansprechend
drengen (häufiger drangen, ahd. drangön, engl, vergleicht Sommer Idg. Forsch. 11, 91 spätlat.
thronq). Wie anor ä. ßrengja, schwed. ^rängra, , froia «Sau» aus *fro^ja mit unserm Wort. Doch
dän. tränge das Faktitiv zu dringen. ABL. ; hat gi\ Tpäyoc «Bock» fernzubleiben. Eedens-
drängeln, v. in frequentativer Bed. Bei art: Dreck am Stecken haben: Unsauberes,
Campe 1807. Hinterhaltiges in geheimer Absicht. ABL.
drapieren, V.: mit Gewändern bekleiden. drecMg, adj. Friihnhd. (bei Dasypodius
Aus dem gleichbed. franz. draper, von drap, 1537, Alberus A A2* hat dreckicht, 1475 cle-
spätlat. drappus m. «Tuch». ABL. Dra- visch im Teuthonista dreckich).
perie, f.: Bekleidung der Figuien. Aus drehen, v.: im Kreise bewegen; mittelst
franz. draperie f. Beides 1712 bei Hübner Kreisbewegung eines Werkzeuges und durch
Naturlex. 430. Ursprünglich Malerausdruck. Meißel rund formen (drechseln). Mit e für
drastisch, adj. u. adv.: kräftig wirkend, urspr. öß (schon bei Luther drehen, obd, an-
Mit -isch gebüdet nach dem gr.-neulat. Adj. fangs dafür dräjen, dräen, drähen, noch bei
drasticiis «geschwind wii-kend, kräftig wir- Ludwig 1716 drähen), aus mhd. drcejen, drcen,
kend», gr. bpacTiKÖc urspr. «tätig», dann «kräf- ahd. dräjen, dräen; dazu ndl. draaijen, ags.
tio- wirksam», abgeleitet von bpäv «tun», prätvan (mit starker Flexion), engl, throw,
Früher (noch bei Campe 1811) nur von Arz- schwed. (aus dem Deutschen) drej'a, dän.dreje.
neien crebraucht. | Verwandt sind gr, cuvTpfjcai «durchbohren»,
dränen, s. drohen. ' Tpfiua n. «Loch», xepeTv «bohren, drechseln»,
drauf, draus, s. dran. lat. terehra f. «Bohrer», ir. tarafhar «Bohrer»,
dräuschen, V. : heftig rauschen, besonders abg. treti «reiben». ABL. drehbar, adj.
von Regen u. dgl. Ein md.-ndd. Wort, ober- Junge Bildung, noch nicht bei Campe 1807.
Sachs, dreschen, Prov, Sachsen (^räs'cAew, schon Dreher, m. {-s, PI. wie Sg.): Drechsler (in
bei Hans Sachs dreussen «heftiges Geräusch frühnhd. Glossaren des 15. Jh. bei Diefenb.
machen», auch ndl. drMWCÄen «rauschen». Viel- 588^); Türgriff (ndd.); langsamer Walzer,
leicht zu got. driusan, asächs. driosan, ags. drei, Zahlw. Mhd. drt (Xeutr. driu), ahd.
dreosan «fallen, niederfallen», so daß das V. dri, drte (F. drio, N. drm); dazu asächs. thria,
urspr. das durch Fallen (z. B. der Eegen- \ ndl. drie, ags. pri, preo, engl, three, anord,
tropfen) verursachte Geräusch bezeichnete, prlr, schwed.-dän. tre, got. preis (F. prijös,
Doch wohl eher laut nachahmend, vgl. trat- IST. prija). Der Lautverschiebung gemäß stim-
schen. Bei Stieler 1691 dreuschen. mend mit lat. tres (N. tria), gr. xpeic, aind.
draußen, adv.: außerhalb. Gekürzt aus tri- (Xom. M. träjas), abg. trije, lit. tris,
daraußen, mhd. dar uzen, ahd. dar üg^ana, altir. tri. Bei substant. Gebrauch wird das
daneben mhd. dar ü§e, ahd. dar üga, woher Wort flektiert N. A. drei, seltner dreie, G.
unser drauß (auch zusammengezogen mhd. ' dreier, D. dreien; steht es attributiv ohne
dü^e, daher das volksübliche dauß, 1593 bei Artikel vor einem Subst., so ist beim Gen.
Helber 30 daussen). die flektierte Form üblich, beim Dat. dagegen
drechseln, v. : Dreherarbeit machen. Mhd. jetzt veraltet (zu dreien malen Schiller Jungfr.
drcehseln, mit gekürztem Vokal drehsein, ab- Prol.). Davon Drei, f. : Dreizahl ; 3 Augen
geleitet von drcehsel, drehsei, ahd. drähsil m. im Würfelspiel; die Ziffer fiü- drei. Schon
«Drehhandwerker». Dies kann nicht zu (Zre/iew mhd. (in den beiden ersten Bedd.) drie f.
gestellt werden, dem, wie mhd.-ahd.flra^ zeigt, ABL. Dreier, m. (-5, PI. wie Sg.): Drei-
urspr. kein h zukommt, sondern gehört zu pfennigstück. Im 15. Jh. Dreiheit, f., mhd.
einer sonst nicht im Germanischen vertretenen, driheit f. Dreiling, m. (-5, PL -e):ein Maß,
aus drehen erweitei-ten Wurzel, die lat. tor- der dritte Teil von etwas oder das Dreifache
gwere «drehen», gr. xp^TTecGai« wenden» zeigen, von etwas (Luther zu Jes. 40, 12 «ein Maß
ABL. Drechsler, m., spUtmhd. drehsler m. dreier Finger breit»), spätmhd. drUinc m.;
Dreck, m. {-es, PI. -e, -er) : Um-einigkeit ; Dreipfennigbrötchen. Vgl. auch Drell, Drü-
als wertlos Verachtetes. Mhd. drec (Gen. lieh, Drilling,, dritte. ZUS. Dreieck, n.
dreckes) m. «ausgeworfener Unrat von Men- i Mhd. driecke als Adj. dreieinig, adj.: als
sehen oder Tieren: dazu ndl. drek m., anord. 'ein Wesen, in drei Personen bestehend. Im
377
drein
drillen
378
17. Jh., während das dazu gehörige Dreieinig- 1
Jceit schon mhd. als drieinekeit vorkommt.
dreierlei, aneinandergerückte Gen. PI. als
Adv. (s. -lei). dreifach, adj., bei Luther, j
dreifaltig, dreifältig, adj., mhd. dnval-
fec. Davon Dreifaltigkeit, mhd. drivalte- j
keit f. Dreifuß, m.: dreifüßiges G-estell.
mhd. driinio^ m. Dreimaster, m.: Schilf
mit drei Masten ; steifer länglich dreieckiger ''
Hut (bei Campe 1807). dreißig, Zahlw. ,
(s. -zig), mhd. dri^ec, dri^ic, ahd. dri^uc; da- |
zu asächs. thrltig, ndl. dertig, afries. thntich, '
SLgs.prüig, engl.thirty, anord.ßrjätigi, schwed. .
trettio, dän. tredive, got. ßreis tigjus. Davon '
dreiiSigste, Ordinalzahl, mhd. dri^igeste, ahd. ;
dripcgösto. dreizehn, Zahlw., mhd. drizehen, \
ahd. drizehan, ndl. dertien, ags. preotyne, engl.
thirteen, anord. ßrettän, schwed. tret&n, dän.
treten. Davon dreizehente, Ordinalzahl,
mhd. driz-ehende.
drein, adv. Mhd. drin aus dar tu, ahd. ■
dara in. [
dreißig, s. drei. |
dreist, adj. u. adv.: aus Zuversicht und
Selbstvertrauen fui'chtlos. Aus dem Ndd.,
schon mnd. driste, drtst, asächs. thristi, ndl. j
driest, ags. priste. Von Kluge unwahrschein- '
Hch zu lat. trlstis «traurig» gestellt, vgl. !
daorecren Osthoff Parercra 1, 163. Im Hochd.
erscheint das Wort zuerst 1616 bei Henisch
760, 59 als dryste, driest, 751, 57 fg. als drieß, j
dries, driessig, 1663 bei Schott el als driest, I
dreist, 1691 bei Stieler als drüst, dreist, driest
(dies ndd. driest noch bei Frisch 1741). Im
18. Jh. häufig in der Form dreust (zuerst
1711 bei Rädlein), die von Lessing 3, 307,
Herder 1, 23, Weiße, Thümmel, Musäus,
Schiller Fiesko 4, 14 gebraucht wird (auch
noch bei Goethe Faust 6688 im Reim e7'- ;
dreiisten); Adelung 1774 und Heynatz 1775^
haben dreist. ABL. Dreistigkeit, f. Mnd. j
dristicheit, gebildet zu dem von drist ab-
geleiteten Adj. dristich. Stieler 1691 hat
Driestigkeit, Rädlein 1711 Dreustigkeit. \
dreizehen, s. drei. \
drell, s. drall.
Drell, m. (-S, PI. -e): leinenes Gewebe i
aus dreifachen Fäden. Aus dem Ndd, (mnd.
im 15. Jh. drei). Vgl. Drillich. D. ist nach [
Bnigmann Abb. Sachs. Ges. d. Wiss. 25 No. 5
S. 34 aus drinal entstanden, entsprechend
einem ahd. zwinal, zwinel, zivenel «gemellus».
dreschen, v. Prät. drasch und drosch, |
Part, gedroschen: mit dem üblichen Werk-
zeucre die Frucht aus den Hülsen schlafen.
Mhd. dreschen, ahd. drescan; dazu ndl. dor-
schen, ags. perscan (beide mit Umstellung
des r), engl, thrash, thresh auch «prügeln»,
aisl. pryskua, schwed. tröska, dän. tärske,
got. priskan. Verwandt sind ht. tresinti
«schlagen» oder trasketi «rasseln», abg. treskü
«Ki'ach». Vgl. auch die entlehnten ital. tres-
care, afi-anz. trescher «tanzen», span.-port.
triscar «mit den Füßen unruhig sein». Die
Grundbed. scheint also «lärmend mit den
Füßen stampfen» gewesen zu sein ; das Ge-
treide wu-rde früher ausgetreten. Das V.
wird von Voß dröschen geschrieben. Das
Prät. lautet mhd. drasch, PI. dräschen, da-
neben (vgl. das im Ahd. belegte dhruscun)
druschen, nach diesem PI. schon älternhd.
neben drasch, drusch {drusche Schupp 1, 397)
und drosch, Schottel S. 582 setzt drasch und
drosch an, ebenso Stieler und Bödiker, Gott-
sched und Adelung geben der Form drosch
den Vorzug, doch hat sich drasch daneben
erhalten. Zuweilen auch schwache Flexion
des V., bei Luther im Präs. (Imp. dresche
Mich. 4, 13), später manchmal im Prät. {dreschte
Haller Ged. 106). ABL. Drescher, m. {-s,
PI. wie Sg.), spätmhd. dr escher m. ZUS.
Dreschflegel, s. Flegel.
dressieren, v. : abrichten, einschulen.
Aus franz. dresser, ital. dirizzare, eig. «gerade
richten, wohin richten», abgeleitet von einem
aus lat. directus «gerade» abgeleiteten, aber
nicht nachweisbaren mlat. directiare. Bei
Sperander 1728. ABL. Dressur, f. Bei
Campe 1813.
Driesch, m. n. f. {-es, PI. -e): zu Gras-
wachs undHutung ungepflügt liegendes Acker-
land, auch als Adj. driesch «brach». Ein ndd.
u. rhein. Wort mit anlaat. d für hochd. t
und schwankendem Vokal. Mndl. driesch,
1475 clevisch dryesch, mnd. drisch, drisch,
auch in mrhein. Quellen (Diefenbach-Wülcker
369, Crecelius 297) drisch, dris, jetzt hessisch
dreisch (ei aus ie), drisch, schwäb. dreisch,
nd. dresk, dresch (im brem. Wb. 1, 263 drusk).
Dunkler Herkunft. ABL. Drieschliug, m.:
Champignon. \A:loc\ex\^ch.dryeslyng. Häufiger
Drüschling (1546 bei Bock Druschling «daruml:)
das sie auff den druschen gern wachsen»).
d rieseln, s. auch aufdrieseln.
Drift, s. Tnft.
^drillen, v.: kreisend hemmbewegen.
Frühnhd. Ein mhd. *drellen ist aus dem
starken Part. Prät. gedr ollen «rund gedreht.
379
drillen
droheu
380
drall» zu erschließen; es ist wahrscheinlich !
aus dredl- entstanden und gehört zu drehen. '
Doch ist in drillen wohl noch ein andres
Wort eingeflossen, das dem däu. trille, schwed.
trilla «rollen, wälzen», engl, trill entspricht
(s. Triller) ; dies ist wahrscheinlich aus trizl- <
entstanden und gehört zu nd.-md. triseln,
s. aufdrieseln. Häufig trillen geschrieben ;
(bei Bürger, Voß, Schiller, Rückert). S. auch |
drall und drollig.
"drillen, v.: bohren; überlästig plagen,
quälen, necken. Auch trillen (bes. in der
2. Bed.). Aus ndd.-ndl, (schon mndl.) drillen
«bohren», dazu engl, tlirill «bohren», dän.
(aus dem Nd.) drille, schwed. drilla. Eig.
mit ^drillen identisch. Die 2. Bed. schon
im mnd. drillen (auch ndl. und dän.-schwed.);
sie könnte auch aus drillen «drehen» abge-
leitet werden, indem sie vielleicht urspr.
eine Strafe für oferinffe Versfehen, das Ge-
drehtwerden im Drehkäfig, dem Driller
(Triller), bezeichnete. ZUS. Drillbohrer,
m. (-s): mittels einer Schnur in Bewegung
gesetzter Bohrer der Stein- und Metallarbeiter.
Aus dem Ndd., auch ndl. drillhoor f.
^drillen, v.: zum Soldaten einüben. Wohl
aus ^drillen hervorgegangen. Schon am An-
fang des 17. Jh. (Soltau Volksl. 2, 298
V. J. 1606.) So auch ndl. drillen.
Drillich, Drilch, m. (s, PI. -e): leinenes
Gewebe aus dreifachen Fäden. Spätmhd.
drillich m., aus dem mhd. Adj. drillicli, drilch,
ahd. drilih «dreifach, dreifädmig», das Nach-
bildung des gleichbed. lat. trilix (Gen. tri-
licis) ist, vgl. Zwillich. S. auch JDrell.
^Drilling:, m. (s, PI. -e): zu gleicher
Zeit mit zwei andern Kindern von einer
Mutter geborenes Kind; dreiläufiges Jagdge-
wehr. Nach Zwilling gebildet, bei Stieler 1691,
während früher Dreiling gesagt wurde, vgl.
ndl. drieling. Schwed.-dän. trilling wird direkt
von anord. ßrennr «dreifach» abgeleitet.
"Drilling, m. (-s, PI. -e): zweischeibiges
Triebrad einer Mühle. Von ^drillen. Bei
Adelung 1774.
drin, adv. Mhd. drin, gekürzt aus dar in,
ahd. dar inne. Vgl. drein.
dringen, v. (Prät. drang, Part, gedrungen) :
mit treibender Gewalt sich bewegen, dann
sich bewegen machen (wie drängen). Mhd,
dringen, ahd. dringan; dazu asächs. dringan,
ndl. dringen, ags. pringan, anord. pryngva,
got. preihan (aus *ßrinhan). Der Lautver-
schiebung gemäß übereinstimmend mit lit.
trenkti «dröhnend stoßen», tranksmas m.
«dröhnendes Getümmel». Das Prät. mhd,
dranc, PI. drungen kommt im 17., 18, Jh.
auch als drung vor. ABL. dringentlicli
(von dem Part. Präs. gebildet), bei Wieland
18, 64, von Adelung 1793 noch nicht er-
wähnt, dringlich, adj. u. adv. Frühnhd,
(1482 im Voo. theut. f2a).
driune, adv. (Luther Jer, 32, 43. Goethe
31, 208). Mhd. drinne, gekürzt aus dar inne,
ahd. dar inne. Vgl. ^dar und inne, sowie drin.
drinnen, adv. (schon bei Luther), ge-
kürzt aus darinnen. Vgl. ^dar und innen,
mhd. innen, ahd. innana, vinän.
Drischel, m. {-s, PI. wie Sg.) und f.
(PI. -n): Dreschflegel. Veraltet (noch jetzt
obd.). Mhd. drischel, ahd. driscila f., dazu
ags. perscel m. Von dreschen.
dritte, Ordnungszahlwort zu drei. Mhd,
dritte, ahd, dritto; dazu asächs. thriddio, ndl.
derde, ags. ßridda, engl, third, anord. ßride,
schwed.-dän. fretZie, got.ßridja. Es entspricht
genau lat. tertius (aus Hritjos) (gr, rpiToc,
aind, trtljas weichen etwas ab), oder lit.
trei'as, abg. tretiji «dritter». Davon drittens,
adv. Hervorgegangen aus dem schwachen Gen.
dritten mit angetretenem adverbialischen s.
Zuerst bei Nieremberger 1753, von Adelung
aber noch als ein Wort des gemeinen Lebens
bezeichnet. ZUS. drittehalb, dritthalb
2^/.,, 'spätmhd. drithalp. Dritteil, gekürzt
Drittel, n., mhd. dritteil n.
droben, Raumadv., gekürzt aus dar oben
(voc. ex quo 1469, dar oben noch bei Herder
zur Lit. 15, 77). Bei Luthei-, Goethe (l, 93
da d., 16, 59 dort d.). Dafür mhd. dar obe,
drobe (s. oben).
Droge, f. (PI. -n): Spezereiware. Aus
dem gleichbed. franz. drogue, ital.-span.-port.
droga f., das gewöhnlich mit engl, drug auf
das ndl. droog «trocken» zurückgeführt wird,
also eig. «getrocknete Ware». Um 1600
entlehnt (Hulsius Schifi'. 9, 42 Drogen). ABL.
Drogist, m. [-en, PI. -en): Spezereiwaren-
händler. Aus franz. droguisfe, ital. droghista
m. Um 1600 {Drogist Hulsius Schift'. 3, 19,
Triigist Moschei'osch Phil. 1, 344).
drohen, v. : zu erkennen geben, daß man
etwas Übles antun wolle. Mit der Nebenform
dräuen, mhd. drömcen, dreuwe^i, dromoen,
ahd. drewen, drottwen: dazu asächs. thröön
(in githröön), ags.prean. Die alte Verbindung
mit lat. torvus «wild, finster» ist unsicher.
Eher gehört das Wort zu gr. TirpöiCKeiv
381
Drohne
Drossel
382
«verwunden, schädigen». Ygl. noch Karstea
Beiträge zur germ. Wortkunde 1 ff. Neben
dieser altem Form wurde auch in engrer
Anlehnung an das Subst. mhd. (^neben drouwe)
drö, ahd. (neben drawa, drouwa) drö, droa f.
(danach bei Rückert 1, 458 altertümelnd
Drohe f.), mhd. dron, auch schon ahd. dröan
geschaffen. Luther gebraucht nur dreiven,
dräuen, was auch sonst im 16. Jh. das ge-
wöhnliche ist; dron, drohen sind selten (bei
Dasypodius, Maaler nicht angeführt); Henisch
kennt auch drohen und im 17. Jh. wird
diese Form die übhche, doch erhält sich
dräuen in der poetischen Sprache. ABL.
Drohimg, f. Mhd. dafür drmicunge f.,
ahd. draivunga, dröunga f.
Drohne, f. (PI. -n)-. Bienenmännchen,
Bi-utbiene. Mit o für urspmngliches a aus
dem Xdd., schon asächs. drän, ags. drän f.,
engl, drone, dän. (aus dem Xdd.) drone. Das
"Wort kommt schon im 16. Jh. bei Nord-
deutschen vor (Thronen Eollenhagen Froschm.
2, 3, 7) und wird von Schottel 1663 als Drone f.
angesetzt; Stieler, Ludwig, Rädlein, Frisch
aber kennen diese Form nicht und noch
Adelung bezeichnet sie als ndd. Die urspr.
hochd., noch in Österreich und Sachsen üb-
liche Form des Wortes ist Trene f. (bei
Das3'podiusl537 tren, bei Maaler 1561 tränm.,
noch bei Adelung Thräne), mhd. trene, tren,
ahd. treno m., mit asächs. drän ini Ablaut
stehend. Zu griech. revöprivri f. und xevGpribibv
m. «eine Bienen- oder Wespenart», dvöprivri
f. und dvöprjbdiv m. «wilde Biene», lakon.
öpüjvaE m. «Drohne».
dröhnen, v.: erschütternd tönen. Aus
dem Ndd., schon mnd. dronen: dazu ndl.
dreunen, anord. drynja, das zu drynr, got.
drunjus m. «Schall» gehört. Weiter ver-
bindet man gr. Gpfivoc m. «Totenklage, Klage-
lied», aind. dhränati «tönt» (im Dhätupatha).
Das Wort dringt im 17. Jh. ins Hochd. ein
(drönen bei Schupp 1, 20, auch von Schottel
1663 verzeichnet), ist aber im 18. noch nicht
völlig eingebürgert: nach Adelung ist es
nur im Niedersächsischen einheimisch, und
Kindleben 1781 nimmt es als mundartlichen
Ausdruck mit auf.
Drohnng, s. drohen.
drollig, früher droUicht (Lessmg 1, 106),
adj. u. adv.: wegen Sonderbarkeit ergötzlich.
Aus dem gleichbed. ndd. drullig, ndl. drollig,
abgeleitet von ndl. drol m. «Kegel, Klumpen,
Knirps, Possenmacher», zu ^drülen «drehen».
Daraus sind auch entlehnt engl, droll «Schalk»,
franz. dröle «possierlich». Zuerst bei Schottel
1663 und Krämer 1678 verzeichnet. Ein
älteres nhd. drollicht {drollet bei Hans Sachs)
bedeutet «mnd gedreht, rundlich, drall» (^so
noch bei Geliert 3, 279). Das mhd. trolle,
trol m. «plumper Mensch, Tölpel, Ungetüm»,
dazu anord. troll, troll n. «Dämon» scheint
nicht dazu zu gehören, s. auch Trulle.
Dromedar, m.n. (-s, Pl.-e): einhöckeriges
Kamel. Mhd. tromedar, dromedar m., aus
lat. dromedärius m. eig. «Schnelläufer» von
gi\-lat. dromas (camelus) «Dromedar», gr.
bpoudc «laufend». S. Trampeltier.
Drommete, f.: Trompete. Alt und
dichterisch, bei Luther Dromete, s. Trompete.
ABL. drommeten, v.: die Trompete blasen.
Bei Luther.
Droschke, f. (PI. -n): vien-äderiges Miet-
fuhrwerk. Aus gleichbed. xnass. droski, poln.
drozka f. um 1800 übernommen. Ygl. ZfdW.
8, 124. 879.
Dröselei, f. (Goethe 5, 178): Tiftelei.
Von dröseln, s. aufdrieseln.
Drossard, m. (-s): Drost (s. d.). Das
ndl. drossaard m. Bei Schiller 7, 217.
^Drossel, f. (PI. -/*): Art größerer Sing-
vögel. In der jetzigen Form aus dem Ndd.
Rhein., schon im 11. Jh. in andd. Glossen
drossela, mittelrhein. im 11. — 12. Jh. drosla
(ZfdA. 6, 331. 277), im 15. Jh. im Voc. ex
quo drossel, drussel, druyssel, 1475 clevisch
droissel. Die gewöhnliche mhd. Form ist
droschet, ahd. dröscala f., abgeleitet von ahd.
drösca f.; hierzu mit abweichendem Vokal
ags. Prysce f., engl, thrush. Eine 3. Form ist
mhd. drostel (1482 im Voc. theut. f 3* trostel)
f., dazu ags.pröstlet., engl. throstle(aus*ßramst)
vmd ohne das ableitende l (mit abweichendem
Vokal) anord. pröstr ( Ans'prastu-) m. Im Nhd.
überwiegt zunächst Drostel (bei Oberdeut-
schen) und Dröschet, Henisch 1616 hat auch
Drossel, Schottel 1663 und Stieler 1691 Drossel
neben Droschel, Ludwig 1716 Drossel neben
Droschel, Drostel: doch setzt noch Frisch
1741 Drostel (bei einigen Drossel, Droschel)
an, das auch noch von Voß (Horaz Ep. 1,
15, 41) gebraucht wird, während Adelung
nur Drossel zuläßt. Es besteht wohl Ver-
wandtschaft mit lat. turdus m., mlat. turdela f.
«Drossel», lit. sträzdas m. «Drossel». Ver-
wandtschaft mit gr. CTpoüGoc m. «Sperling»
ist zweifelhaft. Doch vgl. Solmsen Idg. Forsch.
13, 138. Indes ist nicht völlig klar, in welchem
383
Drossel
drum
384
Verhältnis die deutschen Formen zu diesen
Worten und untereinander stehen.
2 Drossel, f. (PI. -n): Kehle. Veraltet.
Mhd. dru^^el, drü^^el m., von dem gleiehbed.
mhd. dfOßße f. m., ahd. drog^a f.; dazu ags.
ßrofu f., engl, throat, auch wie im Hd. weiter-
gebildet throttle «Kehle». Daneben steht mit
anlaut. s mhd. stro^ge f. «Kehle», dazu andd.
strota, ndl. stroot f., auch entlehnt ins Ro-
manische (ital. strozza f. «Kehle»). ABL.
drosseln, v. (Lessing 2, 237, Goethe 16, 176.
49, 1, 88), häufiger erdrosseln, v.: an dem
Halse würgend töten. Um 1480 im Voc.
ine. teut. d 5^ droßlen.
Drost, m. {-en, PI. -enj : Amtshauptmann,
Landvogt (früher in Hannover). Das ndd.
droste, spät-altndd. drossete, ndl. drost, afries.
drusta, latinisiert drossatus, auch anord.
dröttseti m., übereinstimmend mit dem hd.
Truchseß (s. d.). S. auch Drossard. ABL.
Drostei, f.: Bezirk oder Wohnung eines
Drosten.
drüben, adv., zu dem gleiehbed. altern
drüber gebildet nach dem Verhältnis von
drunten zu drunter. 1711 bei Rädlein.
drüber, adv., gekürzt aus darüber (s. "dar).
Druck, m, {-es, PI. -e): Wirkung durch
Schwere, drängende Kraft; das Auftragen
einer Schrift mittels der Presse, sowie das
Aufgetragene selbst. Mhd. druc (Gen. druckes,
PI. drücke), ahd. druc (Gen. drucches) m. ; dazu
ndl. druk m., ags. prycc m., schwed. tryck,
dän. tryk n. Von drücken, v.: durch
Schwere, drängende Kraft einwirken. Refl.
sich drücken auch s. v. a. «sich zurückziehend
gering machen»; «sich still wegbegeben» (aus
der Studentensprache bei Augustin 1795).
Daneben drucken, jetzt nur noch vom Auf-
tragen einer Schrift, von Figui-en, Bildern
u. dgl. mittels einer Presse (also Bücher,
Zeuge u. dgl. drucken). Beide Verba gehen
zurück auf mhd. drucken (obd.), drücken,
spätmhd. (wie älternhd.) auch trucken, trücken
ahd. drucchen ; dazu ndl. drukken, ags. ßryccan,
anord. prykja, schwed. trycka, dän. trykke.
Drucken ist eine Intensivbildung (vgl. schmü-
cken zu schmiegen) zu anord. ^r%a «drücken»,
das wohl mit lit. trükti «entzweireißen,
entzweigehen», träukiti «zerren» zu ver-
binden ist. Von Büchern steht drücken seit
1460 — 70 und hat sich in dieser Bed. in
der obd. Form festgesetzt (daneben anfangs
drücken), weü die ältesten Druckorte meist
auf obd. Gebiet gelegen sind. Auch in andrer
Bed. wird obd. anfangs drucken (trucken)
gebraucht, md. aber meistens drücken. So
hat Luther in der Bibel meist drücken, aber
Prät. druckte, Part, gedruckt, wie auch Clajus
Gramm. 162 ansetzt. Drucken in der Bed.
von drücken erscheint noch bei Rädlein 1711,
Ludwig 1716 und Nieremberger 1753, während
Frisch 1741 und Adelung wie jetzt unter-
scheiden. Doch hat noch Goethe öfters
drucken = drücken gebraucht, altertümelnd
auch noch Rückert (z. B. 1, 297. 3, 13). ABL.
1) von drücken: Drücker, m. (-s, PI. wie
Sg.): Werkzeug zum Drücken. Bei Stieler
1691, 2) von drucken: Drucker, m. (-s,
PI. wie Sg.). Bei Brant im NarrenschiflE"
65, 64 drucker. Davon Druckerei, f. (bei
Brant 103, 99 truckery f.).
Drucker, m., als Malerausdruck: Pinsel-
strich von tiefer, starker Farbe zur nachdrück-
lichen Hervorhebung, aufgesetzter Schatten.
Bei Sulzer 1773.
drucksen, v. (Goethe Jery 12): zurück-
haltend langsam wozu sein. Als Frequen-
tativ von drucken = drücken gebildet. Von
Adelung 1774 als neues Wort aufgeführt.
ABL. Druckser, m., bei Goethe 1, 143.
Drude, f. (PI. -n): Hexe, Zauberm, Un-
holdin. Spätmhd. irute f. (dazu dän. drude,
goÜänä.druda «liederliches Frauenzimmer»?),
älternhd. drute, drutte. Falls das anlaut. t
des mhd. Wortes auf d zuiückgeht (wie in
tausend) könnte Verwandtschaft bestehen mit
anord. ßrüdr f. «göttliches Wesen, Walkyre,
Jungfrau», eig. «gewaltige», zu prüd- (in
Zusammensetzungen) «Kraft, Macht», ßrüdugr
«gewaltig», ags.ßrydt «Kraft, Stärke» (auch
in Zusammensetzungen). Verwandtschaft mit
traut ist nicht recht wahrscheinlich, ZUS.
Drudenfuß, m.: dreifaches ineinander ver-
schlungenes Dreieck als Fünfwinkelzeichen.
Spätmhd. trutenvuoß m.
Druder, f. (PI. -n): wie eine Latte zu
gebrauchende Stange; Dachlatte; Querlatte
im Weinberg. Am Mittelrhein. Mit d für
ursprüngliches t aus mhd. truoder (auch drudel
Weisth. 1, 453 v. J. 1449, bei Alberus Dict.
Nn. S'' der PL trudeln). Vielleicht aus lat.
trudis f. «Stange».
Druide, m. (-w, PI. -n): altkeltischer
Priester. Aus dem kelt.-lat. PI. drüidae und
drüides, von keltisch (gälisch) draoi, draoidh,
druidh «Druide».
drum, adv., gekürzt aus darum (s. d.),
schon mhd. drumbe, drumme.
385
dnmten
Duckmäuser
386
drunten, adv., gekürzt aus daninten (bei
Luther 6, 393* Jen. darunden, Jes. 14, 9 drun-
den), mhd. derunden und ohne auslautendes n
dar unde, spät.-ahd. diruntini, s. ^dar.
drunter, adv., gekürzt aus darunter (s.
^dar\ schon mhd. drunder.
Drusch, m. {-es, PI. -e und Dräsche):
Handlung des Dreschens; das Ausgedroschene.
1776 bei Krünitz 9, 563.
^Druse, f. (PI. -n) : löcheriges, yei-wittertes
Erz, leerer Raum im Gestein, dessen Wände
mit Kristallen bedeckt sind. In der Berg-
mannsprache des 16. Jh. (1546 bei Georg
Agricola drusen «Höhlchen der Adern und
Klüfte», 1562 bei Mathesius Sar. 45^ usw.).
Wohl zu Drüse gehörig, vgl. Liebich Btr.
23,226. .-LBi^. drusig, adj. 1557 bei Bechius
vom Bergkwerck 56 drußig.
"Druse, f. (PI. -n): in Gestalt kleiner
Kristalle angeschossenes Gestein, czech. di-uza
f. 1727 bei Hübner.
^Druse, f. (PI. -n)-. Geschwüi-; Drüsen-
geschwulst mit Xasenausfluß des Pfei'des (so
auch ndl. droes m.). S. Drüse.
Drüse, f. (PI. -n): schwammiger Körper-
teil zur Absonderung gewisser Feuchtigkeiten.
Mhd.-ahd. druos f. (daher unser Druse) imd
mhd. drüese, ahd. druosi f., auch s. v. a.
«eichelartige Geschwulst, Beule, Geschwür»
(daher die Verwünschung daß dich die Drüs!
«daß dich die Pestbeule, die Pest befalle!»).
Dunkler Herkunft. JJBL. drüsig, adj.
Drusen, PI.: Bodensatz, Hefe. Veraltet,
noch im Alem. Mit d für ursprüngliches t
aus mhd. truosen, ahd. truosana f. «beim
Keltern zuerst abfließender Schaum», dann
«Bodensatz, Hefe»; dazu ndl. (/roesem m., ags.
drösne f. «Bodensatz, übriggebliebner Rest
von Gekeltertem, Trester». Verwandt mit
Trester, s. d. Das gleichbed. engl, dregs,
apreuß. dragios scheint Ausfall eines h zu
erweisen. Eine 3. Ablautstufe neben Druse
und Trester zeigt Schweiz, trost «Überreste
im Bienenstock», schwäb. tros, trost «Hefe»,
preuß. dross, drost «Hefe, Wachs»,
drusig, s. Druse, drüsig, s. Drüse.
Dschonke, f. (PI. -n)-. SchiflF. Aus dem
Chines. 1703 im Zeitungslex. Juncke.
Dschungel, m. (-s, -n), eigentlich nur
im Plural Dschungeln. In neuster Zeit durch
das Englische aus dem indischen jangalas m.
«menschenleere Gegend» entlehnt.
du, Personalpronomen der 2. Person.
Mhd. du (betont du, duo), ahd, du; dazu
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
asächs.-afries. thu, nöl.du, ags.-anord.-got. ^,
engl, thoii, schwed.-dän. du. Der Lautver-
schiebung gemäß stimmend zu lat. tu, gr. cu
(dorisch Tü), aind. tvam, lit. tu, abg. ty. Die
übrigen Kasus sind: Gen. dein (s. d.); Dat.
dir, mhd.-ahd. dir (mit r aus s), got. ßus:
Akk. dich, mhd. dich, ahd. dih, got. ßuk.
Dual, m. (-5, PI. -e): Bezeichnung des
Numerus, der die Zweizahl ausdrückt. Aus
lat. duälis «von zweien, zwei enthaltend»,
zu ergänzen numerus «Zahl». Neuere Ent-
lehnung. Von lat. duälis ist abgeleitet
Dualismus, m.: HeiTSchaft von zweien.
Bei Kant.
Dublette, f. (PI. -71): Doppelstück, z. B.
zweimal in demselben Besitze befindliches
I Stück (Buch usw.), zwei auf einmal erlegte
I Stück Wild. Aus dem gleichbed. franz.
doublet m., von double (s. doppel). Im 18. Jh.
entlehnt.
Duhlone, f. (PI. -n): eine Goldmünze,
. Doppeldukaten. Aus dem gleichbed. franz.
doublon, und dies aus span. doblon m., von
double (s. doppel). Um 1600 entlehnt (Do-
I hlone Albertinus weibl. Lustg. 46, Dublone
1 Zincgi-ef 1, 309). Goethe gebraucht dafür
I auch Double (12, 8) oder Duhbel (12, 35).
' Ducht, f. (PI. -en): Ruderbank. See-
männischer Ausdruck, aus dem Xiederd. ent-
I lehnt, wo er im mnd. belegt ist. Das cht
j ist aus ft entstanden. Die hd. Form ist
I Duft, aus ahd. dofta f. «Ruderbank» (mhd.
• nicht belegt): dazu mndl. dofte, dochte, anord.
ßopta f, und die Zusammensetzimgen ahd.
gidofto, ags. gepofta, an, ßofti m. «Genosse
I auf der Ruderbank, Genosse». Nach Schade
I zu lit. tupeti «hocken». Unsicher.
ducken, v. : jemand niederdrücken; sich
j niederwärts zusammenbiegen. In dieser Bed.
häufiger refl, sich d. Mit d für urspriing-
liches t (noch bei Frisch 1741 tucken) aus
mhd. tucken, tUcken «eine schnelle Bewecrunor
j machen, besonders nach unten». Verwandt
I mit mhd. tüchen «tauchen» (s. d.), zu dem
j d. Intensivbildung sein wird. Luther ver-
j wendet ducken und tucken, und auch sonst
; erscheint ältemhd. oft ein umgelautetes
ducken, tucken: noch Freyer 271 verlangt
\ ducken, Adelung hat nur ducken.
Duckmäuser, auch Tnckmäuser, m. (-s,
I PI, wie Sg.): hinterlistig Heimlicher; Kopf-
hänger. Bei Brant NarrenschifF 105, 19 ducket-
I muser, von dem spätmhd, Verb tockelntüsen
! «Heimlichkeit treiben», zusammenges. aus
25
387
Duckstein
dnmm
388
dem mit tuckeln (s, d.) zusammengehörigen
tockel- und einem mhd. mnsen «langsam und
leise gehen» (s. -mausen). Im 16. Jh. er-
scheinen die Formen dockmeuser (z. B. bei
Hans Sachs Fastn. 6, 183) und (mit Anleh-
nung an Tücke) tückmeuser (Alberus Dialog.
E 3^), Henisch 1616 hat duckmauser: du ekel-,
dockehnäuser u. ä. noch jetzt im Schwäb.-
Alem. ABL. duckmäuserig, auch duck-
mäiisig, adj. (1669 bei Giimmelshausen Simpl.
476 dockmäusig). Dafür duckmäusisch bei
Fischart die Gelehrten 638, tockmeuserisch
1697 bei Thomasius Schlitten 1, 367. duck-
mäusern, v., fi-ühnhd. duckmausen {dock-
mawsent bei Hans Sachs Fab. 204, 104).
Duckstein, m.: Tuffstein, s. Tuff.
dudeln, v.: auf einem Blasinstrumente
schlecht blasen. Wohl gebildet nach poln.
dudliö «dudeln», von dem PI. dudy «Sack-
pfeife», 1651 bei Mich. Franck dudeln, bei
Stieler 1691 dudeln. ABL. Dudelei, f. Im
18. Jh. Dudeldei, m. {-s): unbedeutende
Kleinigkeit, Spottgeld. Im 18. Jh. ZUS.
Dudelsack, m.: Sackpfeife, bei Stieler 1691.
Duell, n. (-S, PI. -e): Zweikampf. Aus
dem gleichbed. lat. duellum. In der 1. Hälfte
des 17. Jh. entlehnt (Moscherosch Phil. 1, 109;
bei Schottel 1267 als m.). ABL. duellieren,
refl. V. Aus mlat. duellare. Bei Krämer 1678.
Duellant, m, (-en, PI. -en): Kämpfer in
einem Zweikampf. Aus duellans (Gen. duel-
lantis, dem Part.-Präs. von duellare. 1694
bei Nehring.
Duett, n. (-es, PI. -e) : Gesang zu zweien.
Aus dem gleichbed. ital. duetto m., abgeleitet
von due «zwei». Bei Adelung 1774.
duff : matt, glanzlos, dumpf. Bei Campe.
Niederdeutsch. Dazu ndl. dof. Wahrschein-
lich mit toben verwandt (s. d. und Duff).
Düffel, m. (-S, PI. wie Sg.): ein zottiger
WollenstoflF. Neue Entlehnung aus dem
gleichbed. ndl.-engl. duffel, das von dem Orte
Düffel bei Antweqjen seinen Namen hat.
Duft, m. {-es, PI. Düfte): gefromer Dunst;
feine Ausdünstung; feiner Geruch. Mit d
für ursprüngliches t (Rädlein 1711 kennt
noch tufft f.) aus mhd. tuft m., seltener f.
«Dunst, Nebel, Reif, an Bäumen usw. han-
gender gefromer Dunst», alid. einmal duft
«Frost»; ins Ndd. eingedrungen duft «übler
Geruch», woher dän. duft «Geruch». Dazu
anord. dupt n. «Staub», norweg. duft, dyft f.
«Mehlstaub». Das Wort ist wohl weiter
verwandt mit aind. dhüpas m. « Rauch ei" werk.
Rauch»; kaum gehört das Wort zu ndl. dof,
ndd. duffig «dumpfig, feucht, matt». Vgl. Much
ZfdW. 2, 286. ABL. duften, früher auch
duften, V. Mhd. tiiffen (noch bei Rädlein 1711
tüfften). duftig, adj. Finihnhd. tüftig, düftig.
düfteln, s. tüfteln.
Dukaten, m. (-s, PI. wie Sg.): Gold-
münze. Aus spätmhd. ducate m., von mlat.
ducatus, ital. ducato m.; der Name daher,
weil ein italienischer Herzog (ital. duca m.),
man sagt der König Roger II. von Sizilien,
als Herzog von Apulien zuerst, und zwar
1140 diese Münze mit der Inschrift sit tibi,
Christe, datus, quem tu regis, iste ducatus
prägen ließ. Früher auch Ducat f. (Giimmels-
hausen 4, 134 Kurz).
dulden, v.: -näUig oder ergeben zu- oder
auf sich lassen. Mhd. dulden, diäten, ahd.
dulfen, dazu ndl. dulden: abgeleitet von mhd. -
ahd. dult f. (s. Geduld). Dies geht zurück
auf mhd. doln, ahd. dolen, dolon «dulden»;
dazu asächs. tholian, tJiolon, afries. tholia,
ags. polian, engl, thole. anord. ßola, schwed.
täla, dän. taale, got. Jmlan. Diese stimmen
in der Wui'zel überein mit lat. toleräre «er-
tragen», tuli «ich habe getragen», gr. T\f|vai
«auf sich nehmen», aind. tuldjati «hebt auf»,
lit. tiUti «schweigen»: die Grundbed. ist
«tragen, ertragen». ABL. Dulder, m. (-s).
Erst in der Dichtersprache des spätem 18. Jh.
(bei Klopstock), bei Adelung 1793 (noch
nicht 1774) als von einigen neuern Schrift-
stellern versuchtes Wort angeführt, duld-
sam, adj. Bei Henisch 1616 dultsam. Dul-
dung, f. Bei Henisch 1616.
Dult, f.: Jahrmarkt. Bayrisch. Urspr.
durch ü-gend ein örtliches Fest (z. B. Kirch-
weih) veranlaßt oder mit einem solchen in
Verbindung stehend. jVIhd. tult, ahd. tidd f.,
dazu got. dulps f. «Fest, Feier». Wie sich
apreuß. tuldlsnan «Fest» dazu verhält, ist
unklar.
Dulzinea, f. (PI. Dulzineen und- -s):
Liebchen, GeUebte, eigentüch der Name der
Geliebten des Don Quichotte Dulcinea von
Toboso. Im 18. Jh. eingebüi-gei't.
dumm, adj. (Komp. (/»»imer, ^vi^.dümmst):
an Verstand imkräftig, zu Einsicht und
Kenntnis unfähig; kraftlos, verdorben (Matth.
5, 13); ärgerlich, unangenehm. Altemhd.
meist mit ursprünglichem t tumm (tumb)
imd tJmmm (thumb, bei Luther thum); Stieler,
Steinbach, Frisch setzen tumm an, das auch
noch bei Günther 18, Brockes 1, 158, Haller 67
389
dninpf
dunkel
390
und zuweilen selbst bei Lessing steht. I»a-
gegen spricht sich Bödiker Sprachl. für duuim
aus, dem Rädlein, Ludwig usw. folgen. Mhd.
himp fflekt. tumher) «unklug, uneirfahi-en
(ohne Welt- und Menschenkenntnis), unge-
lehrt», ahd. tump «stumm, taub, stumpfsinnig,
töricht»; dazu and. ditmfe « dumm, unnütz '>, ndl.
domh, ags.-engl. dumh, anord. dumbr, schwed.-
dän. dum, got. diimhs (stummj. Die vertretenen
Bedd. «taub, stumm» lassen an «stumpfsinnig»
als Grundbed. denken; als verwandt haben zu
gelten taiih, toben (s. d.). Aus dem Griech.
■«-ird TuqpXöc (für *euq)\öcj «blind» verglichen
(xg\. dazu anord. dumha f. «Xebel, Finsternis»,
eig. Blindheit?). Doch sind auch andere Er-
klärungen möglich, vgl. J. Schmidt Kritik 65,
Siebs KZ. 37,^311. ABL. Dummheit, f.
Mhd. tumpheiti., and. dunqihed. Dümmling,
m. (-S-, PI. -e). Spätmhd. tummeUng m. ZTJS.
Dummfeart, m.: Dummkopf (Bürger 323).
Aus dem Xdd. (1755 bei Richey Idiot. 46 ange-
führt). Dummerjan, Dummrian, m.:
Dumiukopf. Bei Seb. Franck Spricbw. 2, 49^^
noch in zwei Worten dummer Jan. Jan ist
die ndd. Form von Johann. Dummkopf,
m. Bei Nieremberger 1753.
dumpf, adj. u. adv.: feucht moderig: den
Schall beengend, tief und gedämpft; (bezüg-
lich des Gefühlslebens^ ohne klare Besinnung.
Erst im 17. Jh. (1678 bei Krämer der Komp.
dumpffer, aber noch nicht bei Schottel 1663
und Stieler 1691), hervorgegangen aus dem
altem Xd}. dumpfig, dumpficht, schon im 15. Jh.
dumjjfig «engbiüstig», 1668 bei Schottel, 1691
bei Stieler s. v. a. «schimmelig», 1711 bei
Rädlein «engbrüstig, feucht, schimmeHg», 1716
bei Ludwig «betäubt, feucht, muffig, heiser»,
auch ndl. dompig «enge, finster, feucht». Dies
Adj. gehört zu mhd. (bei X. v. Jeroschin)
dttmpfe m. «Dampf» (vom warmen Blut), '
nmd. dumpe «catarrhus», bei Schottel, Stieler
Dumpf m. «Schimmeb, sowie zu mhd. dumpfen,
dumpfen «dampfen, ersticken». Zu mhd.
dimpfen, timpfen und dampf, tampfd. Dampf ).
Die Grundbed. ist wohl «durch Rauch, Dunst
beengend, feucht riechend, feucht», dann «eng-
brüstig», weiter mit IJbertragung auf das
Gehör «heiser, hohl»; diese Bed. ist Adelung i
bei dump ficht geläufig, während er sie bei
dumpf nur aus der neuern Dichtersprache
kennt. ABL. Dumpfheit, f. Xoch nicht
bei Adelung 1793, aber von Goethe öfter
gebraucht, dumpfig, früher auch dumpficht, |
adj., s. oben. 1
Dune, s. Daune.
Düne, f. (PI. -n): Sandhügel an der
Meeresküste. 1616 bei Henisch Duni. Auf-
genommen aus dem ndd. düne f., mnd. saiit-
dune f., ndl. duin m. «Sandhügel»; dazu ags.
dün f. «Hügel», engl, down «Sandhügel».
Schon ahd. aus dem Xd. entlehnt düna f.
«Vorgebh-g». Verwandt ist air. dün «Hügel»
(aus dem dann zäun [s. d.] entlehnt wii-d i
und vielleicht gr. 9ic, Gen. öTvöc f. «Sand-
hügel am Meer».
Dünung, f. (PI. -en): starke Wellenbe-
wegung des Meeres bei verhältnismäßig stillem
Wetter. Aus dem ndd. und weiter aus fries.
dining «starker AVeUengang der See», ndl.
deining f. «Brandung, heftige Bewegung der
See». Herkunft unbekannt. •
Dung, m. (-es, PI. -et: Stoß' zur Besserung
des Bodens und zui- Pflanzennahrung. Älter-
nhd. auch mit dem ui-spiiinglichen t tung. ]Mit
Wechsel des Geschlechts aus mhd. tunge (auch
tünget), ahd.tungaf. und tungln f. «Düngung»,
vgl. auch mhd.-ahd. tunc f. «im Wiiiter mit
Mist bedeckte miterirdisehe Webstätte/ ; dazu
afries.-ags. düng f., engl, düng «Dünger». Her-
kunft unsicher. VieDeicht zu gr. Tctqpoc «Grab»
(aus *9d(poc), lit. dengti «bedecken», vgl. Zu-
pitza Gutt. 99. Das M. erst bei Steinbach
1734 (neben dem F. Dung) imd Frisch 1741,
fi-üher Dung f. (bei Henisch 1616, bei Grim-
melshausen Simpl. 31 Tung) und das um-
gelautete Dünge f. (1540 bei Alberus Dict.
AA2^ düng, noch Rädlein 1711 hat Düng,
Ludwig 1716 Dünge, das noch von Heynatz
1796 angefühlt wird). Auffallend ist die
obd. Nebenform Dumm. ABL. düngen, v.,
ältemhd. auch tüngen (Lohenstein Cleop. 6 ),
mhd. tungen. tüngen; dazu ags. dyngan, engl.
düng. Dünger, m. (-s), spätmhd. tunger.
dunkel, adj. u. adv.: des Lichtes er-
mangelnd. Bei Luther und sonst ältemhd.
mit dem ursprünglichen t tunkel (z. B. bei
den schlesischen Dichtem, noch bei Ludwig
1716). Mhd. tunkel, ahd. tunchaJ. tunkal:
dazu anfr. dunkal, schwed.-dän. (entlehnt)
dunkel. Daneben mit andrem Suffix älter-
mhd. tunker wie asächs. dunkar, mnd. dunker,
ndl. donker, afries. diunker, und ohne Ab-
leitung und mit abweichendem Vokal afries.
diunk, anord. d^kkr (urspr. dinkwa-). Dunkler
Herkunft. Vielleicht wurzelvenvandt mit
aind. dhväntds ::dunkeL , gr. öcivaroc m. «Tod».
Davon substantiviert Dunkel n., bei Luther
tunckel n., mhd. dafür tunkel f., ahd. tunchali.
25*
391
Dünkel
düpieren
392
fiiukaU f. ABL. Dunkelheit, f , mhd.
funkelkeit f. dunkeln, v.: dunkel werden,
mhd. ttmkeln, alid. tunclmlen.
Dünkel, m. (-s): herabsehende hohe
Meinung von sich. Bei Luther diinckel und
(hmckel, funckel «Bedünken, Einbildung»;
auch bei Henisch 1616 Dunckel. Die jetzige
Bed. zuerst bei Schottel 1663, aber erst um
die Mitte des 18. Jh. allgemein üblich. Ge-
bildet von mhd, dune m. «Bedünken» (da-
neben auch dunkel- in dnnkelbilde n., vgl.
mnd. dunkelgöd «dünkelhaft»), zu dünken (s.d.).
ABL. dünkelhaft, adj. u. adv. Noch nicht
bei Adelung 1793, aber 1774 von Klopstock
gebraucht. dunkeln, v. (Goethe Faust
2630).
Dunkelheit, dunkeln, s. dunkel.
dünken, v. (Prät. auch däuchte, Part.
gedäuclit): nach Ansehen und Bedenken wahr-
scheinlich sein, nur unpers. mich (mir) dünkt
imd refl. sich d.: von sich der Meinung sein.
Mhd. dünken (im Obd., auch noch frühnhd.),
dünken, ahd. dünken; dazu and. thunkian, ndl.
dünken, ags.pijncan, engl, fhink, anord.pykkja,
schwed. tycka, dän. tykke, got. ßugkjan. Mit
mhd. dune m. (s. Dünkel) im Ablaut zu denken
und Dank (s. d.) stehend; verwandt ist lat.
tongere «kemaen», pränest. tongitio «Kenntnis»,
osk. tanginüd «Meinung». Das Prät. lautet
mhd. dühte, Konj. diuhte, Part, gedüht, daneben
auch dünkte, gedünkt Nhd. entwickelt sich
aus dem Konj.-Prät. deuchte ein Präs. deucht
(s. däuchten); als dessen Prät. gilt dauchfe,
das im 18. Jh. veraltet, aber noch von
Klopstock, Voß, Bürger gebraucht wird, da-
für dann däuchte, das auch noch als Prät.
von dünken (neben dünkte) empfunden wird,
uiid das Part, gedäucht
dünn, unverkürzt (bei Luther, jetzt na-
mentUch noch poetisch) dünne, adj. u. adv.:
von geringer Dicke, von geringemUmfang; (von
Flüssigkeiten) leicht fließend. Mhd. dünne, ahd.
dunni; dazu and. thunni, ndl. dun, ags. pynne,
engl, thin, anord. Jtunnr, schwed. tunn, dän.
fynd. Der Lautverschiebung gemäß über-
einstimmend mit lat. tenuis «dünn, zart»,
gr. Tavu- (in Zusammensetzungen) «gestreckt,
lang, schlank», ravaöc «lang», air. tana, abg.
tinükn, aind. tam'is «lang, schmal, dünn».
Zu dehnen (s. d.), also Grundbed. «ausge-
dehnt». ABL. Dünne, f., mhd. dünne, ahd.
dunni f. dünnen, v., mhd. dünnen «dünn
machen» (daneben «dünn sein», ahd. dünnen).
Duns, m. (-es, PI. -e) : von Gelehrsamkeit
Aufgeblasener, eig. sich in Grübeleien und
überfeinen Spitzfindigkeiten gefallender Ge-
lehrter. Wohl von dem Philosophen Joannes
Duns Scotns (f 1308), der die auszeichnende
Benennung doctor suhtüis erhielt. Vgl. engl.
dunce «Dummkopf», das ebenfalls auf Duns
Scotus zurückgeht. Ei'st gegen die Mitte
des 18. Jh. vorkommend.
dunsen (Voß Ovid Nr. 49, 201), s. auf-
gedunsen.
Dunst, m. {-es, PI. Dünste): feine auf-
steigende in der Luft schwebende Flüssigkeit;
dicke verdorbene Luft; feinstes Schrot (1727
bei Hübner); feinstes Mehl. Selten Dunst f.
(Geliert verm. Schriften 1, 23). Mhd. dunst,
urspränglicher tunst m., md. auch f. «Aus-
dünstung, feuchter Dampf», aber ahd. tunisf,
dunist, dornst m. «üngewitter, Sturm» (noch
Schweiz, dunst, düst, tust «Wind durch Er-
schütterung, z. B. von einer Kanonenkugel,
Lawine, vom Einsturz eines Hauses»). Da
diese Bed. (Staubwind) als die urspmngliche
anzusehen ist, wird das Wort auf dieselbe Wz.
zurückgehen wie aind. dhvaß- «zerstieben»,
dhvastis f. «das Zerstieben». Vgl. Dust.
Daß Duft dazu gehört (wie mhd. verminst
neben Vernunft, vernuft steht) ist wegen der
ahd. Formen nicht wahrscheinlich. ABL.
dunstig, früher auch dunstig (noch bei Wie-
land Idris2,53), adj. Mh.d..dunstec «dampfend»,
ahd. (!Mms%«stürmisch». dunsten, dünsten,
V.: Dunst von sich geben, dampfen; zum
Dampfen bringen. Mhd. dunsten, dünsten
nur als Intrans. ZUS. DunstkreiS, m.:
der einen Himmelskörper zunächst umgebende
Luftkreis, Atmosphäre. 1754 bei Reimarus
vornehmste Wahrh. d. natürl. Eel. 259.
Dunzel, f. (PI. -li): lebhaftes, munteres,
ausgelassenes Mädchen ; leichtfertiges Mädchen.
Aus franz. donzelle (und dies aus ital. donzella),
Span, doncella f., das auf mlat. dom{i)nicella,
eine diminutive Bildung von doniina f. «Herrin,
Frau» zuräckgeht. Am Mittelrhein (Maler
Müller 1, 229).
Duodez, n. (-es): (urspr.) Format, wenn
der Bogen in 12 Blätter gefalzt ist, die
Zwölftelgröße, (jetzt) kleines Format; in
Zusammensetz, lächerlich klein. Aus lat. in
duodecimo (duodecimus «der zwölfte»). Bei
Sperander 1727.
dupfen, s. tupfen.
düpieren, v,: täuschen, überlisten. Um-
bildung von gleichbed. franz. duper, das un-
bekannter Herkunft ist. Bei Roth 1791.
393
dupliereu
Durchlaucht
894
duplieren, v.: verdoppeln. Aus dem
gleichbed. lat. dupläre. 1478 bei Nicl. v. Wyle
349, 20. Dazu Dupllk, f. (PI. -m): die
Entgegnung des Beklagten auf die Replik
des Klägers. Aus franz. gleichbed. duplique f.,
einer Ableitung von dupliquer, das aus lat.
duplicäre «verdoppeln» stammt. 1710 bei
Xehring noch in franz. Form. Duplikat, n.
(-6-, PI. -e): Abschrift eines Schriftstücks.
1728 bei Apinus duplicata. Duplum, n.
{-s, PI. Dupla) : das Doppelte. Aus gleichbed.
lat. duphim. Davon in duplo*. doppelt.
Beides 1728 bei Apinus.
Dur, s. Moll.
durch, adv. sowie präp. mit Akk. : so,
daß Trennung da ist; in — hin und aus —
(z. B. er geht durch die Tür = in die Tür
hin und aus ihr): von einem Ende bis zum
andern hin : auf Ursache oder Wirkung von — .
5Ihd. durch, dur, alid. dunih, durah durh:
dazu asächs. thurh, ndl. door, deur, ags. ßurh,
engl, through und thorough «durchaus», da-
neben mit anderni Ablaut got. pairh, dem
ahd. fZeWt« durchbohrt» (vgl. derha «r)tfnung»)
entspricht. Wegen der Bed. ist noch got.
ßairkö f. «Loch, Öhi-» und ahd. durhil, mhd.
dürhel, dürkel «durchlöchert» heranzuziehen, j
Falls der auslaut. Guttural in (/. als ableitend
betrachtet werden kann, ist gr. xepeiv, ropeiv
«durchbohren», gr. xpdjYA^n f. «Loch, Hölüe»
als verwandt anzusehen. In der Zusammen-
setzung hat d. mit Substantiven verbunden
den Hauptton, z. B. Dnrchgatig, Durchlaß;
mit Verben verbunden nur dann, wenn es
von diesen in der Flexion getrennt werden
kann, z. B. durchbrechen, ich breche durch,
durchgebrochen usw.; ist es aber untrennbai',
so ruht der Hauptton auf der Stammsilbe
des Verbums, das dann im Part.-Prät. ge-
nicht annimmt, z. B. durchbrechen, ich durch-
breche, durchbrochen usw. Auch als erstes
Wort in der Zusammensetzung mit Partikeln,
hat durch den Hauptton nicht, sondern diese
erhalten ihn, z. B. durchaus, durchhin usw.
durchaus, adv.: (veraltet) hindurch und
auf der andern Seite heraus; bis zum Ende
(bei Luther); ganz und gar; unter allen Um-
ständen, schlechterdings (bei Ludwig 1716).
durchbrennen, v.: mit Brand durch-
dringen oder durchdrungen werden; davon-
laufen. Diese Bed. taucht um 1840 in der
Studentensprache auf (zunächst «die Univer-
sität verlassen») und ist wenig später auch
in die Umgangssprache eingedrungen.
durcheinander, adv., Zusammem-ückung
von durch und einander (s. d.). Schon bei
Keisersberg. Davon Durcheinander, n.
(Schiller Eäuber 2, 3).
Durchfall, m. (s): die bekannte Krank-
heit. 1711 bei Rädlein. Von durchfallen, v. :
durch eine Öffnung fallen; (bei einer Bewer-
bung usw.) nicht bestehen. Diese Bed., die
Lessing 8, 413 aus «der gemeinen Spi'ache»
anführt (auch Adelung 1774 vei'zeichnet sie)
sreht zuiiick auf die schon fmhnhd. Redens-
art durch den Korb fallen, was eig. auf den
Liebhaber, der im Korbe zum Gemach seiner
Geliebten emporgezogen wii-d, geht (vgl.
DW. 5, 1802) und die Bed. «bei der Liebes-
werbung keinen Erfolg haben» hat.
Durchgänger, m. (s, PI. wie Sg.): Aus-
reißer. Ursprüngl. von Soldaten, so 1691 bei
Stieler. Jetzt von Pferden und flott lebenden
Menschen gebraucht.
durchgängig, adj. u. adv.: von Anfang
bis zu Ende, ohne Unterschied. Bei Nierem-
berger 1753 als Adv. «überall», bei Adelung
1774 auch als Adj. Nicht das mhd. durch-
gengic, ahd. duriihgengic «einen Durchgang
habend», abgeleitet von mhd. durchganc, ahd.
dnruhganc m., sondern eine jüngere Bildung,
die sich au durchgehen anlehnt. Älter ist
das gleichbed. durchgehends, genetivisches
Adv^ Bei Krämer 1678,
Durchlaucht, f.: fürstliche Person. Als
hoher Titel schon zu Anfang des 16. Jh.
Substantivierung des Adj. durchlaucht: fürst-
lich erhaben. Dies ist urspr. Pai't, Prät. von
durchleuchten, mhd. durchliuhten «dui'ch-
strahlen», Part, durchliuhtet, geküi'zt durch-
linkt, das seit dem 14. Jh. als Ehrenbeiwort
iürstlicher Personen für das lat. illustris (das
in der spätem römischen Zeit Ehrenbezeichnung
von Beamtenwürden war) steht; daneben
namentlich md. (mit Einführung des Rüek-
umlauts) durchlüht. Älternhd. findet sich
durchleucht und durchlaucht, entsprechend
beim Subst.; Durchleucht, das noch 1741 von
Fx-isch angesetzt wird, während es Adelung 1774
nur «aus einigen Gegenden» kennt, noch bei
Schiller Kab. 1, 6. ABL. durchlauchtig, adj.
Mhd. durchliuhtec «durchscheinend, strahlend,
hellglänzend», spätmhd. durchliuhtig , durch-
lühtig als Titel, älternhd. auch durchlauchtig
(1722 bei Freyer 47), durchleuchtig (1741 bei
Frisch). Davon Durchlauchtigkeit, f.
'Spidmhd.durchlühtigkeit als Ehrentitel. Später
durch das einfache Durchlaucht zurückge-
395
Durchmesser
dürr
396
drängt, nach Adelung nur Kanzleiwort (doch
noch bei Schiller WaU. Lag. 11).
Durchmesser, m.: eine gerade Linie,
die eine Figui- in zwei gleiche Teile teilt.
Als Übersetzung von Diameter m., gr. bid-
|Li€Tpoc f. 1670 bei Joh. Christoph Sturm
teutscher Archimedes.
durchs, zusammengezogen und verschleift
aus durch das. Mhd. durch ^. dnrche^ aus
durch da§.
Durchschlag, m. {-es, PI. Durchschlage) :
siebartiges Gerät zur Absonderung des Flüs-
sigen, Feinem vomGröbern: Kopie der Schreib-
maschine. Spätmhd. durchslag m., von dvrch-
slahen, ahd. duruhsiahan « durchlöchern, durch-
drücken».
Durchschnitt, m. {-es, PI, -e): Durch-
schneidimg (1561 bei Maaler); eine durch-
schneidende Linie (Beleg voll 1684 beiGombert
8, 9), im 17. u. 18. Jh. Durchmesser (1653 bei
Harsdöröer mathem. Erquickstunden 3, 394);
Darstellung eines durchschnitten gedachten
Gegenstandes (bei Ludwig 1716): Mittelzahl,
Mittelwort (Brockes 3, 233). ABL. durch-
schnittlich, adj. u. adv. (nach der letzten
Bed. von Durchschnitt). In der neuern
Sprache.
Durchsicht, f.: Blick dm-ch etwas hin-
durch; zu einem solchen Blick geeigneter
Ort; prüfendes Durchlesen. Erst bei Stein-
bach 1734. Gebildet von dem Adj. durch-
sichtig, mhd. durchsihtec.
durchstankern, durchstänkern, v.:
in kleinHcher Weise durchsuchen, eig. durch-
schnüffeln, durchriechen. S. stankern. Im
17. Jh. in Mitteldeutschland (z. B. bei Weise
Hauptverd. 28), aber von Geliert 4, 20 als
nicht schriftsprachHches Wort geiiigt.
Durchstecherei, f.: in heimUchem Ein-
verständnis mit andern bewii'kte Betrügerei.
Bei Frisch 1741 aus älterer Quelle belegt.
Von dem älternhd. mit eitlem durchstechen
(noch bei Lessing 10, 209): mit einem andern
Betrügerei heimlich verabreden, eig. wohl
'<die Karten durch Durchstechen kenntlich
machen», vgl. abkarten. Andre knüpfen an
die betrügerischen Kniffe der Riemenstecher
(s. d.) an, die sich auf Jalirmärkten produ-
zierten. Schon mnd. dorchsfeken hat den
Sinn «betrügen».
durchtrieben, adj.: von Anfang bis zu
Ende bewandert und ausgelernt; aller Schlau-
heit voll rmd unermüdlich darin. So in
Bez. auf Böses schon mhd. durchtriben, das
Part. Prät. von diirchtrtben «durchstreifen,
durchwandern», dann s. v. a. «geistig durch-
dringen».
durchwamsen, s. v. wie dbivamsen (s. d.).
durchweg (und durchweg), adv.: ohne
Ausnahme; aUeraal. Zusammemückung der
Präp. durch mit dem Akk. Sg. Weg, vgl.
himreg. Das von Adelung 1793 noch nicht
verzeichnete Wort wird von Heynatz 1796
als niedersächsisch aufgeführt.
dürfen, v. (Präs. darf, PI. dürfen, Prät.
durfte, Konj. dürfte, Part, gedurft): nötig
haben (noch häufig bei Luther, auch später
altertümelnd, z. B. Claudius 3, 130, heute dafür
bedürfen); Ursache haben; Freiheit wozu
haben. Mhi. dürfen, dürfen «nötig, Ursache,
Freiheit haben», ahd. durfan «Not leiden,
Not haben»; dazu asächs. thurban, ndl. durven,
ags.ßurfan, afries. thurva, anord.purfa, schwed.
tarfva, dän. tarve, got. paurban (Präs. parf,
Frät. ßaurfta) «nötig haben». Die Grundbed.
ist «entbehren», wie sie auch in darben (s. d.)
erscheint, vgl. noch bieder, verderben. Mit
älterahd. türren (s. d.) «sich getrauen, wagen»,
das durch dürfen völlig verdrängt wurde,
hat dieses Wort nichts gemein. Das Prät.
i lautet mhd. dorfte, Konj. dörfte, Part, gedorft,
, im Nhd. ist meist (schon bei Luther) nach
1 dem Inf. dürfen u eingedrungen, doch haben
andre in umgekehrter Ausgleichung dörfen,
Prät, dorfte, Pai-t, gedörft, so 1574 Ölinger
Gramm. 89 und noch bis ins 18, Jh. (1741
bei Frisch dörfen). Das Part, lautet schon
frühnhd. (anch bei Luther) in Verbindung
mit einem Inf. dürfen.
Dürft, nur in Notdurft (s, d.),
dürftig, adj. ü. adv.: wie bedürftig; Mangel
an Unentbehrlichem leidend, arm; armselig,
unzureichend. Mhd. dürftic, ahd. durftic;
dazu asächs. thurftig, anord. purftugr. ABL.
Dürftigkeit, f., mhd. dürfticheit f,
dürr, unverkürzt (bei Luther) dUn'e, adj,
u, adv,: der Innern lebenskräftigen Feuchtig-
keit gänzlich benommen; mager, Mhd, dürre,
ahd. durri; dazu asächs. thurri, mndl. darre,
ndl. dor, ags. pyrre, anord, purr, schwed, torr,
dän, tör, got, (mit der urspiünglichen Laut-
verbindung rs) paursus. Zu dem bei dorren
(s. d.) angegebenen got,Wurzelverbumj^airsa«,
vgl, auch D?(rs^, ABL. Dürre, f., mhd. dürre,
ahd. durri f, ZUS. DÜrrfleisch, n,, auch
(mit der md. Form dörr = dürr) Dörrfleisch
n,: in Rauch gedörrtes Fleisch. Schon bei
Hans Sachs 1, 330«,
397
Dnrst
Düte
398
Durst, m, {-es): Verlangen zu trinken:
(bildlich) heftiges brennendes Verlangen wo-
nach. Mhd.-ahd. durst m.: dazu aiächs. thurst,
ndl. clor st, ags. ßijrst m., engl, thlrst, anord.
ßorstim.., schwed.-dän.fcV.s-^, got. weitergebildet
pmirstei f. "Durst». Abgeleitet mit Erhaltung
des ursprünghchen s von der Wui-zel des got.
pairsan (s. dwren und dürr). Es weist also
urspr. auf Dürre im Schlünde, die zum
Tiinken reizt. ABL. dursten und (nament-
lich in übertragenem Sinn) dürsten, v. :
Durst empfinden. Mhd. dursten, dürsten, ahd.
dursten: dazu asächs. thurstian, ndl. dorsten,
ags. ßyrstan, engl, thirst, anord. pyrsta,
schwed. törsta, dän. törste. Im Got. ohne
ableitendes -t paarsjan «dürsten», das der
Lautverschiebung gemäß mit aind. trsjati
«dürsten» übereinstimmt, vgl. auch aind, trsüs
«durstig, verlangend;., den Lauten nach das
deutsche^ rf«rr (s. d.), eig. «verlangend nach
etwas», durstig, adj., mhd. durstec, ahd.
durstac; dazu asächs. tJmrstig, ndl. dorstig,
ags. pyrstig, engl, thirsty, schwed.-dän. törstig.
durstig, adj.: vei-wegen, s. türstig.
dürstiglich, durstiglich,adv., s. türstig.
dus, adj.: in sich gekehrt, schüchtern,
still; glanzlos matt. In ober- und mitteld.
Mundarten, auch bei H. L. Wagner Kinder-
mörderin Akt 5 sie war immer so duß, so
fromm wie ein Lamm. Nicht aus franz. doux
«sanft, mild, ruhig», das allerdings eingewirkt
haben kann. Vielmehr zu dösen (s. d.) und
Dusel (s. d.) gehörig, s. auch düsseln. Frühnhd.
und noch jetzt mundartlich erscheint auch
ein abgeleitetes dusam, dusmig, adv. «schüch-
tern, stül; tiiibe», das schwerlich ans dovxenient
hervorgegangen ist.
Dusche, f. (PI. -n): Brause; Sturzbad.
Aus gleichbed. franz. douche f., das aus ital.
doccia f. stammt. Dies setzt ein vulgäi'lat.
ductia voraus, das von diicere «führen» ab-
geleitet ist und eigentlich «Wasserleitung»
bedeutet. Neue Entlehnung.
Düse, f. (PI. -«): Mündung des Gebläses
in Hüttenwerken. Aus czech. duse f. < Höhlung
des Geschützes», abg. dusa f. «Hauch, Seele,
Kern». 1562 bei Mathesius Sar. 211*' tüsel,
213* thüsel m.
Dusel auch Dussel, m. : Schwindel;
Geistesbetäubung; Geistesdumpfheit; Glück.
Daneben Dusel, Düsel, m.: dummer Kerl.
Zunächst ndd., aber auch in ober- u. mitteld.
Volkssprache (im 16. Jahrh. dusel, dussel
«Dämmerung», obd. auch «Qualm, ansteckende
Krankheit»). Mit d für urspmngliches t wie
in dus, dösen (s. d.), dösig. Vgl, noch ahd.
tusic «geistesstumpf, unverständig, töricht»,
mnd. dusich «hetäuht, schwindelig», näd. düsig
(mit Unrecht jetzt diesig geschrieben), ags.dysig
«töricht», engl, dizzy «töricht, schwindehg».
Verwandt ist auch noch mit Übergang des s in
>• Tor m. (s. d.). ABL. duselig, dusselig
(Goethe 27, 371), adj. Dazu ndl. duizelig
«schwindelig», duseln, dusseln, v.: betäubt
sein, schlummern : geistesbetäubt, geistesdumpf
handeln. Dazu ndl. duizelen «schwindehg sein».
ZUS. Duseltier, n. : Schimpfwort in Nordd.
düsseln, v.: leise reden (ScbiUer 1, 343);
sich still verhaltend worauf sinnen (Schüler
Piäuber 1, 2). Aus dem Schwab.- Alem., wo
düsle neben düseme steht, vgl. dus. Mhd.
tü§ «stni», tü§en «stül sein», tützen, ahd.
tutzea «zum Schweigen bringen» {^.verdutzt)
sind wohl fernzuhalten.
Dust, m. i-es): Staub. Bei Goethe Faust
1116 und 6758. Aus dem Ndd. (mnd. dust
m. «Staub, Spreu», daher bei Schottel 1663
dust «Dampf, Rauch»); dazu ndl. duiM n,,
ags. dust, engl, d^ist, anord. dust n. «Staub».
In allen diesen Formen ist n vor s weg-
gefallen, das Wort ist also eig. mit Dunst
(s. d.) identisch.
düster (mit u), adj. u. adv.: dunkel, tmbe,
Uchtlos. Aus dem Ndd., schon mnd. dnster:
dazu asächs. thiustri, ndl. duister, afries. thius-
tere, ags. pystre, peostre «dunkel». Kaum
entsprechend dem von thimm (s. Dämmer)
abgeleiteten asächs. thimstar, ahd. dimstar (s.
finster), wiewohl sich ein Übergang zeigt in
ältemhd. dünster (von dumpfem Geklingel,
Simpl. 3, 98, 31 Kurz). Das Wort ist im
16. Jh. hochd. noch selten, Luther hat ver-
einzelt düster, Mathesius tuster, Henisch 1616
duste)', im 17. wird es häufiger (z. B, Mo-
scherosch Phil. 2, 585), auch von Schottel
und Stieler verzeichnet, doch weist es noch
Adelung 1793 den gemeinen Mundarten zu.
Jetzt ins Pfalz, und Schwab.- Alem, als duster
eingedrungen, hess.-nass, mit regelrechter Ent-
wicklung des alten Ti zu eu deuster. Davon
Düster, n. Am Ende des 18. JIi. (Voß
2,233). ^-Bi^, Düsterheit, daneben D»5/em-
heit, f. Bei Stieler 1691. düstern, v.: düster
werden (Goethe 6, 182, unpersönlich 8, 19),
düster machen (Goethe 16, 352), Ndd. im
15. Jh. dustern. Düsternis, f. Ndd. u. md.
im 15. Jh. düster nis.
Düte, s. Tüte.
399
Düttcheu
Eber
400
Düttchen, s. Deut.
Dutzend, n. (-5, PI. -e): zwölf an der
Zahl. Spätmlid, totzen, tutzen n., woraus mit
angetretenem Dental tutzend, dutzend, früher
auch tutzet, dutzet Aus dem gleichbed. franz.
douzaine, ital. dozzina f., woraus auch ndl.
dozijn n., engl, dozen.
duzen (mitw), v.: mit du anreden. Mhd.
duzen, duzen (woraus älternhd. auch dauzen),
abgeleitet von du. ZUS. Duzbruder, m.,
frühnhd. (Ringwald getr. Eckh. F 4).
dwatsch, s. tivatsch.
Dynamit, n. (-s): sehi- starker Spreng-
stoff. Ein 1867 von A. Nobel gebildetes
Wort, abgeleitet von gr. büvainic f. «Kraft,
Gewalt, wirkendes Vermögen», das auch sonst
noch in vielen wissenschaftlichen Fremdwör-
tern wie Dynamik, Dynamomaschinen usw.
auftritt. Einzelne davon schon im 18. Jh.
Dynast, m. {-en, PI, -ew): abhängiger
Machthaber eines kleinen Landes. Aus gr.-lat.
dynastes, gr. buvctcTric m, «Machthaber». Bei
Roth 1791. ABL. Dynastie, f.: Herr-
schergeschlecht. Aus gr.-mlat. dynastia, gr.
buvacxeiaf. «Macht, Herrschaft». Bei Wächtler
1711.
Dys-, aus gr. buc- «schlecht» entlehnte
Vorsilbe, mit der viele Fremdworte zusammen-
gesetzt sind, z. B. Dysenterie, f. (PI. -n)-.
Ruhr. Aus gleichbed. griech. buc-evxepia f.,
dessen zweites Glied «Inneres» bedeutet. 1710
i bei Nehring. Dyspepsie, f. : schlechte Ver-
dauung. Aus gr. buc-TreH^ia f. «Unverdaulich-
keit». 1727 bei Hübner.
Ebbe, f.: regelmäßig weichende Meerflut:
(bildhch) Leere nach Abfluß. Aus dem Ndd.,
mnd. ebbe i., andd. in ebhiunga f.; dazu ndl.
ebbe f., afries.-ags. ebha m., engl, ebb, (entlehnt)
schwed. ebb m., dän. ebbe. Das echtnor-
dische Wort in dän. evje, aisl. efja f. «Moor,
Schlamm». Da das e umgelautet, vielleicht
zu ahd. aba «weg von» — (s. ab), abuh
«abgewendet» (s. äbicht), also «die abge-
wendete, zurückweichende Flut», oder zu
aber, aber «leer, trocken». Vielleicht aber
auch eine alte Zusammensetzung *ap-ijä «das
Zurückgehen des Wassers». Vgl. auch Wiede-
mann Bezz. Btr. 28, 74. Jedenfalls ist das
Wort alt. Bei Henisch 1616 als sächsisch,
dann bei Schottel 1663 als hd. verzeichnet.
ABL. ebben, v., mnd. ebben, and. in firebben
«verwallen, wallend weichen (von Zorn)»,
mhd. (vereinzelt im Md.) eppen, ags. ebbian.
eben, adj.: geradlinig, ohne merkliche Er-
hebung und Vertiefung. Mhd. eben, ahd. eban;
dazu asächs. etan (and. emnia), ndl. even, ags.
efen, engl, even, anord. jafn, schwed. jämn, dän.
jävn, got. ibns, vielleicht ans *ininos (wwwird
zu bn) und zu lat. aemulus «nacheifernd»,
imitor «komme gleich», imägo «Ebenbild»,
gehörig, vgl. Walde s. v. Davon das Adv.
eben: gleichmäßig; genau; in diesem Augen-
blicke. Mhd. ebe7ie, ahd. ebano. ABL. Ebene,
f., mhd. ebene, ahd. ebani, ebem f. ebenen,
ebnen, v., mhd. ebenen, ahd. ebanön; dazu
anord. jafna, schwed. jämna, während got.
ibnjan (in ga-ibnjan) andere Ableitung zeigt.
Vgl. auch neben.
Ebenbaum, m.: ein Baum, der ein feines
steinhartes schweres schwarzes Holz hat, das
Ebenholz. Mhd. ebboum, meist in lat. Form
ebenus, aus gr.-lat. ebenus f. «Ebenbaum und
Ebenholz», gi\ ^ßevoc f., dies aus hebr. hob-
mm, dem PI. von hobni statt obni «steinern»,
von ojben d. i. eben «Stein».
Ebenbild, n.: genau Entsprechendes.
Mhd. ebenbilde n. — ebenbürtig, adj.:
aus gleichem Stande geboren. Mhd. eben-
bürtic. — ebenfalls, genetivisches Adv. : in
übereinstimmender Weise mit dem Vorher-
gehenden. Bei Stieler 1691 ebenfalls, 1598
bei Albertinus Sendschreiben 3, 158^ ebens-
falls, 1652 bei Gombert 8, 10 ebenes Falls.
Ebenmaß, n.: Gleichmaß. Mit Wechsel
des Geschlechts (s. Maß) aus mhd. ebenmä^e,
ahd. ebanmä^a f. ABL. ebenmäßig, adj,
u. adv., mhd. ebenmcegec, adj.
Ebenholz, s. Ebenbaum.
Ebenist, m. {-en, PI. -en) : Tischler, der ein-
gelegte Arbeit (urspr. Ebenholzarbeit) macht.
Aus franz. ebeniste, ital. ebanista m., von lat.
ebenus f. (s. Ebenbaum). Bei Roth 1791.
Ebenteuer, s. Abenteuer.
Eber, m. {-s, PI. wie Sg.): männliches
Schwein. Mhd. eber, ahd. ebar, ebur m., dazu
and. evur-, ags. eofor, anord. jöfurr m. (über-
tragen «Fürst, 'König») und weiter lat. aper,
abg. vepri m. «Wildschwein». Vgl. Walde s. v.
401
Eberesche
eckig
402
Eberesche, f.: Vogelbeerbaum, der der
Esche ähnlich ist. Eberasch bei Cordus 1534,
Eberaschen 1588 bei Camerarius 161, Eber-
esche 1599 in Colers Hausbuch 15, 22. Eber-
könnte hier auf Aber- zurückgehen, Avie auch
mxm^divxMch. Aberesche vorkommt (1652 schle-
sisch bei Scheröer Abresch), d. h. unechte,
geringwertige Esche, doch vgl. auch im 15. Jh.
eberboum, es hängt daher das Wort eher mit
ir. ibar «Eibe, Eberesche» zusammen, vgl.
Schrader Reallexikon S. 784.
Eberhard, Mamaesname, ahd. Eburhart,
zusammengesetzt aus Eber und Jiart «stark».
Eberwurz, f.: die auf den Bergen wach-
sende Kreuz-, Karlsdistel. Mhd. und spät-
ahd. ebervmrz f.
Ebritz, m. {-es): die Aben-aute (s. d.).
1482 eberitz (Voc. theut. f 5'') neben eber-
tcurz. Mit Anlehnung an Eber aus der gr.-
lat. Benennung abrötannm, gr. äßpörovov n.
ebsch, s. äbicht.
echappieren, v. : entwischen. Aus gleich-
bed. franz. echapper, zusammenges. aus e, lat.
ex «aus» und cJwpe aus mlat. cappa «Be-
deckung», also «aus der Bedeckung, dem Ge-
fängnis herauskommen». 1710 bei Behring.
echauffieren, v. : erhitzen. Meistens refl.
sich e. Aus gleichbed. fi-anz. echauffer, das
auf lat. excalfacere «erhitzen» zurückgeht,
zusammenges. aus ex und cal-facere «warm
machen». 1710 bei Nehring.
Echo, n.: Widerhall. Aus gr.-lat. eclw,
gr. rixiü f. Schon im 16. Jh. entlehnt, zu-
nächst als F. (Fischart Garg. 63), was bis
ins 18, Jh. noch vorkommt (Schiller 6, 303),
dann im 17. Jh. auch Mask. und Neutr. (s.
Gombert 8, 10). ABL. echoen, v.: wider-
hallen (von Goethe gebildet, Faust 9598).
Echse, f. (PI. -n): eine den Schlangen
verwandte Art von ReptiUen. Ein von den
Naturforschern um 1840 aus Eidechse fälsch-
lich abstrahiertes Woi-t.
echt, adj. u. adv.: ehelich; probehaltig
als das, was es sein soll. Aus dem Ndd.,
mnd. und mndl. echte (daher nndl. echt m.
«Ehe»), dann auch ins Ostmitteldeutsche ein-
gedrungen, wo es durch die aus dem Sachsen-
spiegel abgeleiteten Rechtsbücher mehr und
mehr in Umlauf kam. Es entspricht (mit
Zusammenziehung und Ersatz des ft durch cht)
dem mhd. and. ehaft «gesetzlich, rechtsgültig,
ehelich geboren», afries. äft (daher äfte f.
«Ehe»), abgeleitet von e f. «Gesetz» (s. Ehe).
Das Wort fehlt noch bei Luther und in den
We i g a n d , Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Wörterbüchern des 16. Jh., erscheint 1616
bei Henisch in der Rechtsformel e. und recht,
im 17. Jh. sich dann weiter verbreitend. Stieler
1691 schreibt (mit Anlehnung an achten) acht,
was auch später üblich bleibt, dagegen er-
klären sich Freyer und Adelung für e. ABL.
Echtheit, f, erst bei Adelung 1793.
Eck, n. {-es, PI. -en), meist Ecke, f.
(PI. -n): hei-vorstehender scharfer oder spitzi-
ger Teil eines Körjjers; innerer Raum, wo
Flächen zusammenstoßen: (in nordd. üm-
gangsspr.) eine geringe Entfernung {ein Eck-
chen bei Weiße Jagd 1, 11). Mhd. ecke, egge
f., selten ecke n., ahd. ecka f.; dazu asächs.
eggia, ags. ecg f., engl, eäge, anord. egg f.
«hervorstehende Spitze wovon. Schneide der
Waffe.. Das Wort entspricht genau lat.
acies f. «Schneide, Schärfe», zu dem viele
andere Worte gehören wie acuere «spitzen,
schärfen», acus f. «Nadel», gr. ctKri f., otKic f.
"Spitze», s. auch Ahne, Ähre. Das N. Eck
kommt, wie auch Adelung angibt, wesenthch
dem Obd. zu (daher auch 1561 bei Maaler,
während es Stieler u. a. nicht kennen), all-
gemein jetzt in Drei-, Viereck usw. ABL.
ecken, v.: Ecken bilden: an die Ecke stoßen,
z. B. in anecken. Spätmhd. ecken auch «als
Ecke hervorstehen, in eine Ecke bringen».
eckig, früher eckicht, adj., mhd. eckeht.
ZUS. Eckstein, m.: Stein emer Ecke; ein
ein Bauwerk tragender Stein unter der Ecke :
in der Spielkarte das franz. caiTeau. Mhd.
eckestein m. in der 1. Bed.
Ecker, f.: Eichel; Spielkax'te mit dem
Zeichen der Eichel: Buchel (in Buchecker).
Mhd. eckern und ecker n. «Frucht der Eiche
oder Buche», md. und ndd. auch ecket' f.,
daneben ohne Umlaut (der eig. dem PI. an-
gehört) ackeran, ackeram n. m. (PI. eckern);
dazu ndl. aker m., ags. cecern n., engl, acom
«Eichel», anord. akarn n., dän. agem «Wald-
frucht», got. akran n. schlechtweg «Frucht»,
zu Vymr. aeron «Früchte», eirynen «Pflaume»,
kom. aeran «Pflaume», ir. äirne «Schlehe»
(Zimmer bei Zupitza Gutt. 213), aber nicht zu
Ackeii-, also eigentlich «wilde Frucht», sondern
zu einer Wurzel äg «wachsen», zu der noch
lit. üoga «Beere, Kirsche», abg. vin-jaga f.
«Weinbeere» gehört. Vgl. Liden Idg. Forsch.
18, 503. Von Karten gesagt findet sich noch
die Form Eckern, auch in Zusammensetzungen
wie Eckerndaus; sonst ist (vom PI. die Eckern
aus) das F. Ecker durchgednmgen.
eckig, Eckstein, s. Eck.
26
403
edel
Egge
404
edel, adj. u. adv.: von Geschlecht mehr
als bürgerlich (von Adel); anerkannt ausge-
zeichnet vor anderm seiner Art. Mhd. edele,
edel, ahd. edili, durch Umlaut aus adali; da-
zu asächs. edili, afries. ethele, ags. (Bdele,
schwed.-dän. (aus dem Deutschen) ädel. Ab-
geleitet von Adel (s. d.) in der Bed. «aus-
gezeichnetes Geschlecht». ABL. edeln, v.:
edel machen. Mhd. edelen, vgl. auch adeln.
ZUS. Edelknabe, m.: adeliger Knabe, der
dient um Eitter zu werden. Mhd. edel-
knappe m. Edelknecht, m., mhd. edelkneht
m. Hier hat Knecht die Bedeutung wie Knabe
(s. d. und Knecht). Edelmann, m., mhd.
(erst im 15. Jh.) edelman m., das Adj. edel-
niännisch.1598 bei Albertinus Sendschreiben
1, 134''. Edelmut, m., erst bei Stieler 1691,
während das Adj. edelmütig schon mhd. (in
der Ableitung edelmüetecheit f.) vorkommt.
Edelstein, m. : der zu Schmuck verwendete
Stein, mhd. edelstein m., bei Luther mit
Flexion von edel. Edelweiß, n.: Edelraute,
filago leontopodium, eine Pflanze der Alpen.
Edgar, Mannesname, engl, Edgar, ags.
Eadgar; dafür ahd. Ötker (daher franz. Ogier).
Von ags. ead, asächs. öd, ahd. ötn. «Besitztum,
Vermögen», und Ger (s. d.) «Wuif spieß».
Edikt, n.: landesherrliches Ausschreiben,
Verordnung. Aus lat. edictum n. urspr, «Aus-
sage, Befehl», dem als Subst. gebrauchten
N. von edictus, dem Part. Perf. Pass. von lat.
edicere «aussagen». In der frühnhd. Kanzlei-
sprache (Reichs-Ordnungen 119 ** vom J. 1522).
edieren, v. : herausgeben, bekanntmachen.
Aus gleichbed. lat. edere. Schon in der
1. Hälfte des 16. Jh. geläufig (Schwartzen-
bach Syn. 12 ä). Edition, f.: Herausgabe,
Ausgabe (eines Buches). Aus lat. editio f.
1572 bei Rot.
Edmund, Mannesname, engl. Edmund,
ags. Eadmund, von ags. ead, asächs. öd n.
«Besitztum, Vennögen», und Mund (s. d.)
«Schutz».
Eduard, Mannesname, engl. Edivard, ags.
Eadweard, Vermögenswart (s. d. vor.).
Efeu, m. (-s): Wintergrün, ein Ranken-
gewächs. Selten Neutr., z. B. 1615 bei Alber-
tinus Landstörzer 364 und 1735 bei Stoppe
Pamass 32, noch seltener Fem. (1521 bei
Judas Nazarei 26). Mhd. ephöii, ehehöu n.,
ahd. ebeheivi, ehihomvi n., daneben aber auch
ehah m., ehahhi, spätahd. ebewe, ebowe n.
und andere Formen (vgl. Björkmann ZfdW. 2,
226), so daß die erstem Formen wohl An-
lehnung an mhd. höu, ahd. hewi, houwi er-
fahren haben werden; dazu mnd. (mit löf
«Laub» zusammenges.) iflöf, ndl. eiloof, ags,
ifegn, ifig n., engl, ivy «Wintergrün». Die
Grundlage des Wortes, das nicht mit Eppich
(s. d.), mit dem es vermischt worden ist,
aus lat. apium abgeleitet werden darf, ist
dunkel. Hoops Idg. Forsch. 14, 484 vergleicht
lat. i&ejc «Steinbock» unter der Annahme einer
Grmidbedeutung «Kletterer». Ältenihd. findet
sich die Form Ebheu (noch bei Schottel 1663),
Epheu, und in dieser Form drang die Aus-
sprache ph = f durch im 17. Jh., wie die
Schreibung Efeu (Harsdörfer Gespr. 3, 406)
zeigt. Sie stammt aus dem Ostmd., während
sich Ebheu n. im Obd. erhalten hat,
Effeif, n,, s. FF.
Effekt, m. {-es, PI. -e): Wirkung, Er-
folg. Aus lat. effectus m. «Ausführung, Wir-
kung, Erfolg», von efficere «ausführen, be-
wirken». Bei Rot 1571, ein Beleg von 1540
bei Gombert 8, 11. Eifekten, PI.: Hab-
seligkeiten; Staatspapiere. Nach franz. les
effets, aber im Laut an lat. effectus ange-
schlossen. Von Gombert 8, 11 aus dem
J. 1680 belegt.
egal, adj.: gleichförmig; gleichgültig. Das
franz. egal aus lat. aequälis. 1694 bei Nehring,
Egart, f. : migebrochenes Grasland, Brach-
land. Aus mhd. egerde, egorte f., ahd. egerda
f. «Brachland». Unbekannter Herkunft, vgl,
Lexer mhd. WB., Schweiz. Id. 1, 129, In
Oberdeutschland noch volkstümlich,
Egel, s. Blutegel.
■^Egge, f. (PI. -n): gewobene Leiste des
Tuches, Seihende (s. Salband). Aus dem
Ndd., mnd. egge f., nl. egge, eig. mit egge
«Spitze, Kante» (s. Ecke) identisch. 1716 bei
Ludwig angeführt, auch im 18. Jh, von nord-
deutschen SchriftsteUem gebraucht.
^Egge, f. (PI. -n) : Zinkengerät zum Acker-
bau. Spätmhd. ege f., so auch bei Luther,
1537 bei Dasypodius (aber das V, eggen), 1540
bei Alberus Dict. L 2^, auch noch häufig
im 17. Jh. (z. B. Lohenstein Hyac. 69); bei
Stieler 1691 Ege und Egge, ebenso bei Ludwig
1716, bei Frisch 1741 dagegen nur Ege und
auch Adelung erklärt sich für Ege, da er
in Egge eine niedersächs. Form sieht, wäh-
rend Campe Ege, das noch vielfach in den
Mundarten lebt, nicht mehr hat. Die Form
Egge ist im Anschluß an eggen = egen (s.
unten) geschaffen, schon mnl. egghe f. (nnl.
egge, eg f.), egge 1495 in der Kölner Gemma,
405
Egoismus
Ehehaften
406
ebenso hd. 1462 bei Mone Anz. 7, 154 fg.,
auch 1561 bei Maaler aus dem Scbweize-
rischen, Egken 1577 bei Junius 194 **. Mhd.
dafür gewöhnlich egeäe, ekle f. (das 1. noch
alem.-schwäb., das 2. hess.), mnd. ebenso,
md. 1517 bei Trochus QS*' eyden, ahd. egüla,
and. egicla, ags. egede. egde f. Verwandt ist
lat. occa f. (aus *oteka) «Egge», occäre «eggen»,
lit. aketi «eggen», dazu akic'os PI. «Egge»,
preuß. aketes, kom. oket, kynu-. oged «Egge»
gr. öEivr). ABL. eggen, V. Älternhd. auch
egen. Mhd. egen und eggen, ahd. egen, ecken
(beide Formen aus *agjan).
Egoismus, m.: Selbstsucht. Mit lat. En-
dung aus franz. egoisme m., abgeleitet von
lat. ego «ich». Bei Roth 1791. — EgOlSt,
m. {-en, PI. -en): der Selbstsüchtige. Aus
franz. egoiste m. Zu Anfang des 18. Jh. bei
Chr. Wulff Vernunft. Gedanken § 944 Egoiste
m.- als philosophischer Ausdruck. Davon
egoistisch, adj.: selbstsüchtig.
eh, Interj. des Auffordems, leichten Stau-
nens. Wohl aus der franz. Interj. eh! Bei
Xicl. V. Wyle ä.
ehe, eh, l. adv. (jetzt fast nur mit kom-
parativischer Endung eher): früher; lieber.
2. konj.: früher als, bevor. Mit Anfügung
eines adverbiellen e (h ist dann hiatusfüllend
zwischen getreten) aus mhd. e, geschwächt
aus er, ahd. er, adv. (auch konj. und präp.)
«früher»; dazu asächs.-afries. er, ndl. eer,
ags. cer, engl, ere, got. airis «früher». Dies
ist das Adv. des Komp. (mit abgefallener
Komp.-Endimg außer im Got.) und steht
neben dem adjektivischen got. airiza, ahd.
eriro, mhd. irre, erre «der frühere». Der
Positiv findet sich als got. air, ags. ter,
anord. är, adv. «frühe». Vgl. auch erst und
ehest, ehe gehört weiter zu gr. äpicxov n.
(aus *äi€picTov) «Frühstück», fipi «in der
Frühe», aw. ajard «am Tage». Die Form
ehe in md. Quellen des 15. Jh., dann der
Kanzleisprache geläufig, wird auch von
Luther gebraucht (Dasypodius 1537 hat eh,
Maaler 1561 ee). In dem Adv. eher ist die
Komp.-Endung angefügt, bei Luther noch
selten neben ehe, Stieler 1691 hat (S. 359)
für das Adv. eher. Als Präp. ist ehe- nur
noch in ehedem, ehedessen, ehegestern, ehemals
(s. d.) erhalten.
Ehe, f. (PI. -n): gesetzliche Verbindvmg
von Mann und Weib, ^ßt Anfügung der
Endung -e (h ist hiatusfüllend zwischen-
geschobenj aus mhd. e, früher ewe f., ahd.
eiva, ea f. «E-\vigkeit, endlos lange Zeit»,
(eig. seit undenklichen Zeiten geltendes?)
«Recht, Gesetz, Vertrag», (dann, zuerst bei
Xotker) «Rechtsverhältnis zwischen Mann und
Weib», asächs. eo m. «Gesetz», afries. eiva
f. «Gesetz» (unser Ehe ist im Afries. äfte
f. wie ndl. echt m., s. echt), ags. ce, cew f.
«Leben, Gesetz, Ehe», got. aiws m. «Zeit,
Ewigkeit». Es entspricht lat. aevum n. «Zeit,
Lebenszeit, Ewigkeit», aetas (aus aevitas) f.
«Zeitalter», aeternus (aus aeviternus) «ewig»,
gr. aiiüv m. «Ewigkeit», aiei, aiec «immer»,
aind. ajus n. «Lebensdauer». Die Bed. «Ge-
setz, Vertrag, Ehe» kann im Genn. entwickelt
sein, vgl. Ding, doch trennen manche das
Wort in dieser Bed. ganz und stellen es so
zu aind. evas m. «Gang, Wandel, Sitte» oder
recht unwahrscheinlich zu lat. aequus «gleich»,
wobei dann ein Guttural im Germ, ausge-
fallen sein müßte. Vgl. Meringer Idg. Forsch.
18, 295. ABL. ehelich, adj. u. adv. :Mhd.
elich: ahd. eoUh. elih ist «gesetzmäßig». Da-
von ehelichen, v., spätmhd. elichen. ZUS.
Ehebett, n. Bei Luther, ehebrechen, v. :
die eheliche Treue verletzen, mhd. ebrechen.
Davon Ehebrecher, m., mhd. ehrechcere,
und Ehebruch, m., spätmhd. ehruch m.
Ehefrau, f., mhd. evrouwe f. Ehegespons,
m. n. {-ses, PL -n): s. Gespans. Ehehaften,
PL: rechtsgültiges Hindernis. Mhd. ehafte,
ahd. ehafti f. ist «Recht, Pflicht», abgeleitet
von mhd.-ahd. ehaft «gesetzmäßig, rechts-
gültig», s. echt. Ehehalt, Ehalt m.: Person,
die vertragsmäßig der Dienstbote eines an-
deren ist; PL Ehehalten «Hausgesinde». In
Schwaben, Bayern, ÖsteiTeich. Mhd. ehalte,
ahd. elialto m.: der das Gesetz Haltende, (a) das
göttliche: «Priester», (b) das eines andern:
«Dienstbote». Ehekrüppel, m.: gebrech-
Hcher Ehemann. Bei Henisch 1616. ehelos,
adj. u. adv. Bei Luther, mhd. elös ist «außer-
halb des Gesetzes stehend». Ehemann, m.,
mhd. eman m. Ehepakten, PL: gegen-
seitiger Heiratsvertrag. Bei Ludwig 1716.
Vgl. Pakt. Ehestand, m. Bei Luther.
ehedem, adv.: vor dieser Zeit. Erst bei
Adelung 1774. Friiher dafür ehedes, ehe-
' dessen (Geliert verm. Sehr. 1, 24), mhd.-ahd.
e des. ehe hier als Präp. wie häufig mhd. e.
I ehegestern, adv.: vorgestern. Mhd.
egester, spätahd. er-, egestere, egesteren, d. i.
' e, er als Präp. mit dem Dat. gester e, gesteren;
dazu ndl. eergisteren, ags. cergistrandceg.
Ehehaften, -krüppel, -lieh usw., s. Ehe.
26*
407
ehemals
Ehre
408
ehemals, adv. Mlid. e mäles, d. i. e als
Präp. mit dem Gen. von mal «Zeitpunkt»
(s. Mal), bei Luther noch getrennt ehe mals.
sonst auch ältenihd, ehenicd. ABL. ehe-
malig, adj. Bei Stieler 1691.
Ehemaun, s. Ehe.
eheilder,adv. : eher. Oberdeutsch (älternhd.
auch in der Literatui-, z. B. bei Albertinus,
Grimmeishausen). Mit Anlehnung an ehe und
angetretener Komparativendung zurückgehend
auf mhd. end, ent, konj. «ehe, bevor», ahd. enti
«früher»; dazu ags. end, anord. äär «vorher»,
lat. ante «vor» usw.
Ehepakten, s. Ehe.
eher, s. ehe. Vgl. auch wannehr.
ehern, adj. : aus Erz bestehend. Bei Luther
ehrn und (unter Einfluß von kupfern, steinern
usw.) ehem. Aus mhd.-ahd. erin, abgeleitet
von er, s. Erz.
ehest, Superlativbildung zu ehe. In der
Kanzleisprache des 16. Jh. Davon ehestens,
adv.: in nächster Zeit. Entstanden mit an-
getretenem s aus dem Gen. des ehesten (da-
neben auch ältenihd. ehestes).
Ehestand, s. Ehe.
Ehre, f.: das Ansehen, das jemand auf
Grund seiner Stellung oder seiner Vorzüge
genießt, sowie die Bekundung dieses Ansehens
durch andere, Auszeichnung; das auf dieses
Ansehen begmndete Selbstbewußtsein. Schon
bei Luther und DasyjDodius 1537 mit dehnen-
dem h Ehre. Mhd. ere, ahd. era f.; dazu
asächs. era f. «Ehre, Schutz, Gnade, Gabe»,
ndl. eere f., ags. är f. «Ehre, Glanz, Gnade,
Hilfe», anord. eir f. «Gnade, Barmherzigkeit»,
(entlehnt) schwed. ära, dän. äre f. Got.
wäre aiza f. anzusetzen, zu dem aistan «sich
vor jemand scheuen, ihn achten» gehört, das
mit lat. aestimäre «würdigen» verwandt ist.
Dazu weiter gr. mboiuai «scheue, verehre»,
aibdic «Ehrfurcht, Scheu, Scham», und viel-
leicht auch ai. ide «verehre, preise, flehe an».
Doch bleiben lautliche Schwierigkeiten. Vgl.
Walde s. v. Ehren, Ehrn vor Namen (z. B.
Ehren Loth Bürger 226) gehört urspr. nicht
hierher, sondern geht zurück auf mhd. ern
(zum Nom. er), abgeschwächte Form aus
herren (zu herre). ABL. ehrbar, adj. u.
adv. Mhd. erhcere, dazu ndl. eerhaar. ehren,
V., mhd. eren, ahd. eren, erön; dazu asächs.
erön, ags. ärian. ehrlich, adj. u. adv. Mhd.
erlich, ahd. erlih «anständig, herrlich, ehren-
haft»; dazu asächs. erlik, ags. ärlic. Ehrlich
bedeutet im altem Nhd., z. B. bei Luther,
noch «ansehnlich, vornehm; redlich, ohne
Falsch: ziemlich, anständig», während heute
neben der allgemeinen Bedeutung «zuver-
lässig in bezug auf fremdes Eigentum» die
von «tüchtig, ordentlich, ziemhch» vorliegt.
ehrsam, adj. u. adv., mhd.-ahd. ersam «ehr-
bar», so auch im altern Nhd., besonders in
Titeln üblich und dann im Gefühlswert
sinkend. ZUS. 1) mit Ehr-: ehrerbietig,
adj. u. adv. Schon im 15. Jh., wie auch
Ehrerbietung, f. (Germania 28, 365), Ehr-
erbietigkeit, f. 1562 bei Mathesius Sa-
repta 131^. Von mhd. einem ere erbieten.
Ehrfurcht, f., am Ende des 17. Jh. auf-
gekommen (1698 bei Chr. Gryphius poet.
Wälder 303), aber noch 1759 von Domblüth
139 als neu ersinnt bezeichnet. Dagegen das
Adj. ehrfürchtig schon im 16. Jh. Ehr-
geiz, m. Bei Luther, während sonst im
Iß. Jh. noch oft Ehrgeit (Alberus Dict. cc 3*),
s. Geiz. Davon ehrgeizig, adj., bei Luther,
daneben ehrgeitig, wie bei Alberus und Maaler.
ehrlos, adj. u. adv. Mhd.-ahd. erlös, ags.
ärleas. Ehrsucht, f. Bei Luther. Ehr-
WÜrde, f., im PI. Ehrwürden, Titel geist-
licher Personen. Lu 16. Jh. Davon das Adj.
ehrwürdig, mhd. ertvirdic, auch als Ehi--
bezeichnung für geistliche Personen üblich.
2) mit Ehren-: Ehrenamt, n., 1536 bei
Polychorius fiueton iS^ ehrenämpter. ehren-
fest*, adj. Spätmhd. erenvest als auszeich-
nendes Beiwort. Ehrengericht, n.: Ge-
richt, das -in Ehrensachen entscheidet. Bei
Adelung, ehrenhaft, adj. u. adv., 1598
bei Sebiz Feldbau 404 ehrnhafft, dafüi-
mhd. erhaft. Ehrenmann, m., frühnhd.
(Murner Narr. 13, 74). Ehrenpreis, m., die
(vor andern heilkräftige) Pflanze veronica.
1500 in Brunschwygs Kunst der Destillirung
und 1540 in Bocks Kräuterbuch 76*^ erenhreiß,
1571 in Cai'richters Kräuterbuch und 1574 bei
Fischart Gnom. 42 Erenwerdt, auch Grund-
heil {Grundtheyl bei Fuchs 1542) und _He?7
aller Schaden, Heil aller Welt (schlesisch).
ehrenreich, adj., mhd. erenrich. ehren-
rührig, adj., frühnhd. Ehrcnsold, m.,
von Campe gebildet. ehreUTOll, adj., 1616
bei Henisch 811. ehrenwert, adj. u. adv,,
bei Luther. Ehrenwort, n.: Aussage, für
die man seine Ehre zum Pfände setzt, 1789
bei Ludwig; fiiiher in der Bed. «höfliche
Redensart», 1661 bei Maaler Eerenwort, wäh-
rend Henisch 1616 Ehrwort hat und schon
1512 Mumer Narrenbeschw. 88, 17 Erwort.
409
£i
Eichhorn
410
Ei, u. [-es, PI. -er ) : sieh aus dem weiblichen
Organismus ablösender, den Keim zu einem
jungen enthaltender minder Körper. !Mhd. ei
(PI. auch eiger), ahd.-and. ei, PI. eigir n.: da-
zu ndl. ei, ags. ceg, engl, (aus dem Xord.) egg,
anord. egg. schwed. ägg, dän. eg n., got. nur
im Krimgot. als ada belegt. Als verwandt sieht
man an lat. Ovum n., griech. iLiov, ujov n.,
altir. og, altbulg. jaje n., obgleich die Laut-
verhältnisse nicht ganz klar sind. Das germ.
Wort geht auf ajoyn oder ajjotn zurück, wäh-
rend im gl', und lat. ein w in dem Worte
steckt. VieDeicht ist ic idg. geschwunden, j
Redensart: sich um ungelegte Eier kümmern
schon im 16. Jh. (Gombert ZfdW. 1, 354).
-ei, betonte Ableitungsendung weiblicher
Substantiva, die eine Eigenschaft des Grund-
wortes, das Gewerbe der Person oder den
Ort, wo es betrieben wird, eine Gesamtheit
eine Wiederholung (oft mit tadelndem Sinn)
usw. bezeichnen, z. B. Kinderei. Bäckerei.
Reiterei, Bettelei. Aus älterm -eie, mhci.
-te, entlehnt aus der altfranz. Endung -ie,
die von fremden Wörtern auch auf deutsche
Bildungen übertragen ist. Erweitert -erei
und -elei (z. B. Zankerei, Liebelei).
ei! Interj. der Verwunderung, der Freude,
des Spottes. 'Süid. ei, daneben eia, vgl. das
gleichbed. lat. eia, gr. eia, eia. Dazu eia
popeia. eieil,v.: liebkosen. In derKinderspr.
Eibe, f. (PI. -n): der Taxus, ^lit Ver-
wandlung eines w ia h aus mhd. iwe «Eibe»,
auch «Bogen aus Eibenholz», ahd. twa und
iga f., igo m., dazu and. ich, ags. iw und
eoh m., engl, yew, anord. yr m. Diese Formen
fühi'en auf eine gemianische Grundform ihivö
mit Guttural, der auch noch in Schweiz, iche,
ige vorliegt. Die Wörter der verwandten
Sprachen zeigen dagegen nui* iv, altir. eo,
kjmr. i/iv «Eibe», abulg. iva f. «Weide», lit.
jievä f. «Faulbaum;, preuß. iuwis «Eibe».
Sind also die Worte nicht aus dem Germa-
nischen entlehnt, was unwahrscheinlich ist,
und hängen sie überhaupt zusammen, was
man kaum wird ablehnen können, so muß
der Guttui-al des Germanischen sekundär
entstanden sein, vgl. .Tugend. Ins Romanische
wurde das Wort aufgenommen als franz. if
m., span.-port. iva f., mlat. ivus. ABL.
eiben, adj. Mhd. iidn. Auch in Eiben- ]
bäum, mhd. iwinboum m.
Eibisch, m. {-es, PI. -e): eine raalven-
artige Pflanze. Mhd. ibesche, ahd. ibisca f.,
aus griech.-lat. ibisaim n., griech. ißicKoc m.
^ Eiche, f., der Waldbaum lat. quercus.
Mit Anfügung eines e (bei Luther) aus mhd.
eich, selten eiche, ahd. eih f.; dazu and. ek,
ndl. eik, eck, ags. äc, engl, oak, anord. eik (all-
gemein «Baiun»), schwed. ek, dän. eg f. Auf
die gleiche Wurzel gehen wohl zui-ück griech.
aiYcipoc f. «Schwarzi^appel» (?), aiTiX.uJHJ m.
«Eichenart mit süßen Früchten», lat. aesculus f.
«Bergeiche». Vgl. Walde s.v. ABL. Eichel,
f.: Fracht der Eiche : eichelähnlicher Köiioer:
Karte mit dem Bilde der Eichel. Mhd. eichel,
ahd. eihhila f.; dazu ndl. eikel, ekel m. Ge-
wöhnlich als diminutive Bildung erklärt,
weil die Frucht der Eiche gleichsam Kind
des Baumes ist, vielleicht aber aus aiki-kila
und letzteres zu lit. gile, abg. zeloßi, lat. glans,
gr. ßciXavoc f. «Eichel». Als Farbe imKai-ten-
spiel Eicheln, 1575 im Theatrum diabolorum
439^ Eycheln (von 1561), 1559 bei H. Sachs
23, 167 Aicheldaus. eichen, adj. ^Ihd. eichin,
ahd. eihMn, ndl. eiken. Auch in ZUS. ^^■ie Ei-
chenholz. Eichicht, n.: Eichenwald. Mit an-
getretenem t aus mhd. eichach, ahd. eihhahi n.
-Eiche, f. (PI. -n): Handlung, Amt des
Eichens: Eichzeichen. Spätmhd. tche f. Von
eichen, v.-. ein MaßgeschiiT von Obrigkeits-
wegen abmessen und dem gesetzlichen Maße
gleichmachen. In der 1. Hälfte des 15. Jh.
ichen, daneben auch ichten, kaum aus ächten,
Nebenform von achten «bestimmen, abschät-
zen», mit dem das Wort nur zusammenge-
worfen wurde. Mnd. ike f. ist «Eichzeichen,
Eichinstniment», aber auch «Lanze», daher
wohl als Gnuidbed. «spitzes Instniment» an-
zusehen, ndl. ijk m. «Eichzeichen» und ijken.
Entlehnung aus lat. aequäre «eichen» ist un-
wahrscheinHch. Somit unbekannter Herkunft.
Die Schreibung Aiche, aichen erst bei Frisch
1741. Adelung verlangt Eiche, eichen.
Eichel, 5. Eiche.
Eichhorn, n., das von Baum zu Baum
springende Waldtier, lat. sciunis. Mhd. eichorn,
ahd. eihhoim m.; dazu ndl. eekhoren m., ags.
äcwern n., äcweoma, anord. ikorni m., schwed.
ekorre, ikom, dän. egern m. Im Hd. an
Eiche xind Hörn angelehnt; die Grundform
war wohl *aik-wern, dessen zweiten Bestand-
teil Much ZfdA. 42, 166 mit Recht zu abg.
veverica, preuß. vevare, lit. vovere f. «Eich-
horn», lit. vaivaras m. «Männchen vom Iltis
und Frettchen», lat. viverra f. «Frettchen»
gestellt hat. Vgl. noch Zubaty Arch. f. slav.
Phil. 16, 418 f. Gewöhnlich als Dim. Eich-
hörnchen n., auch Eichkäfzchen.
411
£id
eigen
412
Eid, m. {-es, PI. -e): feierliclie Ver-
sichening bei etwas, was uns heilig ist, zu
voller Bekräftigung; die Formel dieser Ver-
sicherung. !Mhd. eit (gen. eides), ahd. eid m.,
dazu altsächsisch eth, ndl. eed, ags. äß, engl.
oath, anord. eidr, schwed.-dän. ed m. Es
entspricht aü-. oeth. Vgl. über weitre Er-
klärungen ühlenbeck Btr. 30, 258, Meringer
Idg. Forsch. 18, 295. ABL. eidlich, adj.
u. adv. Bei Stieler 1691. ZUS. eidbrüchig,
adj. Bei Henisch 1616. Eidgeuoß, m.
(ssen, PI. -ssen) : Eideshelfer, Schwurgenosse ;
einer durch einen Eid verbundenen staat-
hchen Gemeinschaft Angehöriger. Mhd.
eitgenöge, eitgenö^ m. Davon Eidgenossen-
schaft, f. Spätmhd. eifgenoßschnft f. Eid-
SChwiir, m. Bei Dasypodius 1537, ahd.
dafür eidsicart f.
Eidam, m. {-S, PI. -e): Tochtermann.
Bei Luther auch Eidem, sonst älterahd.
Eiden (Alberus Dict. Hh4'^ eyden, 1537 bei
Schaidennreiszer 12^ ayden). jVIhd. eidem m.
«Tochtermann, auch Schwiegei'vater», ahd.
eidum, eidam m.; dazu mnd. eidnm, afiies.
äthom, ags. ädinn m. «Schwiegersohn». Ge-
wöhnlich zu Eid gestellt, also «dui'ch Eid
Verbundener», vgl. engl, son-in-laiv, aber
dabei wird die Ableitung nicht erklärt, und
der Ursprung ist daher wohl anderswo zu
suchen.
eidbrüchig, s. Eid.
Eidechse, f., nach dem Obd. auch Eidechs,
m. (Wieland Oberon 11, 19): vierfüßiges
Amphibium mit langem Schwänze. Mit Auf-
lösung eines g aus mhd. egedehse, ahd. egi-
dehsa f.; dazu and, egithassa und ewidehsa,
mndl. eggedisse, nndl. hagedis, haagdis, ags.
ädexe f., engl. ask. Der 1. Teil ei- des zu-
sammengesetzten AVortes gehört kaum zu
mhd. ege, ahd. egi f., got. agis n. «Fui-cht,
Schrecken» (wie ahd. egetier n. «Ungeheuer,
eig. Tier des Schreckens»), sondern eher zu
griech. öcpic, skr. ahist «Schlange», der 2. Teil
ist dunkel. Indem man fälschlich Eid-echse
teilte, kam man zu dem Wort Echse (s. d.).
Eider, m. (-.s, PI. wie Sg.), f. (PI. -n):
Eidergans, anas moUissima. (Das Mask. bei
Voß Luise 3, 2, 604). Durch das Nd. aus dem
Nord, entlehnt, Island, ce^r (gesprochen eißer) f.
«Eidergans», vgl. engl, eider, eiderduck, schwed.
ejder m., dän. ederfugl. Eider, f. (Haller
Alpen 2) tmd Eider, n. (Schiller Räuber 1,3):
Flaumfeder der Eidergans. ZUS. Eider-
daune, f. Aus dem nd. eiderdune, (entlehnt)
schwed. ejderdnn, dän. ederduun n. Bei Hübner
1727 Eiderdune, auch noch bei Voß a.a.O.;
Eiderdaun n. bei Göckingk 2, 55, Eiderdon n.
bei Wieland 18, 87.
Eidgenoß, -schwur, s. Eid.
Eierklar, n.: Eiweiß. Mhd. eierklär n.
«das Helle (Klare) des Eies». Eierkuchen,
m., spätmhd. eierkuoche m. Eierweck, m.:
Weck (Gebäck) aus Teig, der mit Eiern
mürbe gemacht ist. Bei Wagner Kinder-
mörderin 1. Eierweiß, s. Eiweiß.
Eifer, m. (-s) : leidenschaftUche En-egung,
besonders aus Streben wonach; Fleiß. Bei
Luther eiuer, wie. auch sonst älternhd. bei
Mitteldeutschen, z. B. Gryphius. Zuerst 1494
yfer m. «Eifersucht» (Brant Narr. Nr, 89, 19),
schon frülier begegnen obd. eifern, Eifrer,
eifrig s. u. Bei Luther zuerst allgemein für
leidenschaftliche Erregung (namenthch Zorn)
ge1)raucht, vgl. darüber die Stelle bei Dietz
1, 492. Aus dem Hd. entlehnt nd. iver, ndl.
ijver, schwed. ifver, dän. iver m. Grund-
bed, wohl «Herbigkeit», da ahd, eibar, eivar,
ags, äfor «herb» verwandt zu sein scheint,
— eifern, v., im Anfang des 15. Jh. iferen
als Subst. «Eifersucht», um 1480 im Voc.
ine. teut. d 6*^ eifern «zelotipare», 1482 im
Voc. theut. f 6^ eyffern, auch später obd. in
der Bed. «eifersüchtig sein» (Albertinus Lustg.
17^^), bei Luther in der jetzigen, S. auch
üferh. ABL. Eiferer, m,, schon im 14, Jh,
bei Megenberg eifrcer m, «Haustyrann, Eifer-
süchtiger», auch öfter im 15, Jh, eifrig,
adj, u, adv.: leidenschaftlich, heftig; fleißig.
Im altern Obd. «eifersüchtig», wie nhd. bei
Keisersberg und Luther. Zr*S. Eifersucht, f.
Bei Hans Sachs (z. B. Fastn. 17, 27), eig.
«Ki'ankheit des Eiferns» (entsprechend bei
Hans Sachs lastersucht u. a.), sonst älternhd.
dafür oft Eifer (Fischart Ehez. G 2^). Davon
eifersüchtig, adj. Bei Stieler 1691.
eigen, adj.: angehörig; ausschließlich an-
gehörig: sonderbar (Adelung «im gemeinen
Leben»). Mhd. eigen, ahd. eigan; dazu asächs.
egan, ndl. eigen, ags. ägen, engl, oivn, afries.
eigin, anord. eiginn, schwed.-dän. egen. Eig.
das starke Part. Prät. des V,, mhd. eigen,
ahd. eigan, asächs. egan, ags. ägan, got. aigan
(Präs. aih, Prät. aihta) «haben, besitzen».
Verwandt ist aind. Ig «besitzen» mit dem
Part. Igänas, aw. isan- «Herr über etwas».
Davon Eigen, n. j\Ilid. eigen, ahd. eigan
n,: dazu asächs, egan n,, anord, eign f., got.
aigin n. «Eigentum, Vennögen». eigens,
413
eignen
ein
414
gemtivisches Adv. Bei Adelung 1774. ABL.
eignen, v.: zu eigen machen, mhd. eigenen,
ahd, eiganen; eigen sein (frühnhd., jetzt nur
poetisch). Kefl. sich eignen «wozu passen»
(von Campe für sich qualifizieren gebildet).
Eigenheit, f. (zu eigen in der 2. u. 3. Bed.),
mhd. eigenheit f. Eigenschaft, f., mhd.
eigenschaft, spätahd. eiginscaß f. «Eigentum,
Eigentümlichkeit». Damit zusammengesetzt
Eigenschaftswort, n., bei Adelung 1793.
eigentlich, adj. und adv. Mit eingeschobe-
nem t aus mhd. eigenlich «eigentümlich, aus-
drücklich, bestimmt»; in der letzten Bed.
namentlich das Adv. eigenliche. Eigen-
tum, n., mhd. eigenhiom, n. Davon Eigen-
tümer (spätmhd.) und eigentümlich,
adj.: als Eigentum angehörig (frühnhd.);
überhaupt «eigen, sonderbar» (noch nicht
bei Campe 1807). ZUS. eigenartig, adj.
Bei Campe 1807. Eigenbrötler, m.: Son-
derling, eig. der eigenes Brot backt, einen
eigenen Haushalt führt. In dieser Bed.
schon im altern ]S'hd. Vgl. mhd. einhrcetec
«der sein eigenes Brot hat». Eigenliehe, f.,
bei Stieler 1691. Eigenloh, n., bei Luther
als eigen loh. eigenmächtig, adj., im
16. Jh. Eigenname, m., bei Luther als
eigen name. Eigennutz, m., im 15. Jh.
(Liliencron 1, 558), bei Luther getrennt eigen
nutz. Davon eigennützig, adj. Eigen-
sinn, m., bei Luther als eigen sinn, wälu-end
das Adj. eigensinnig schon im 14. Jh. vor-
kommt als «freiwillig», im 15. in der jetzigen
Bed. Eigenwille, m., im 15. Jh. als eigen
tvill, während das Adj. eigenwillig, schon
mhd. erscheint.
■^eignen, v.: zu eigen machen, s. eigen.
"eignen, refl. v. in es eignet sich «zeigt
sich geisterhaft an» (Musäus Volksmärchen
•2, 79, Goethe Faust 11417). Mit ei für eu
aus mhd. öugenen, gewöhnlich äugen «zeigen»,
ahd.r/iigan, augan «vor Augen bringen, zeigen»,
ags. eowan, got. augjan «zeigen»; refl. mhd,
sich öugenen «sich zeigen», bei Luther »ich
engen. S. ereignen.
Eigner, m. (-s) -. Eigentümer, Besitzer. Bei
Logau 2, 7, 98, Eigener 1663 bei Schottel 333.
Eiland, n. (-es, PI. -e): wasserumflossenes
Land, Lisel. Mhd. (erst in der höfischen
Poesie) eilant, meist einlanf, n. «Insel», gleich-
sam «isoliertes, abgesondert liegendes Land»,
aber wohl nur angelehnt an ein und entlehnt
aus mndl. eiland (das selbst aus dem Fries,
entnommen ist), mnd. eiland, eland, oland,
ags. ealand, egland. igland, engl. isJand, anord,
eyland, dän. eiland n. «Insel», die zusammen-
gesetzt sind mit einem Worte, das unserm
Aue (s. d.) entspricht, also eigentlich s, v. a.
«im Wasser liegendes, von diesem umflossenes
Land/.
Eile, f.: Eifer, Geschwindigkeit wozu.
Mhd. 7le, ahd. ila f. Von eilen, v.: auf
ein Ziel hin geschwind sein, mhd.-ahd. ilen:
dazu asächs. Üian, ndl. ijlen «sich strebend
bemühen, wonach mit Eifer tätig sein», aus
dem Deutschen schwed. ila, dän. ile. Viel-
leicht mit ags. ile m., anord. u. noch norw. il f.
«Füßsohle», afries. ile «Fußballe, Schwiele»,
zur Wurzel aind. i ..gehen», lat. ire, griech.
ievai. Von Sievers Idg. Forsch. 4, 340 aus
Hdlä ei'klärt, und zu anord. f<f, iäi. «Studium»
gestellt. Davon eilends, adv., eigentlich
Genitiv des Part. Präs. von eilen. Lu 15. Jh.
bei Tucher Baumeisterb. 128, 8 eilentz, bei
Luther auch eilend. ABL. eilig, adj. u. adv.
]\Ihd. ilec, ahd. Ute «eifrig, eilig ■., ZUS.
Eilbote, m. Nach Kindlelien 1781 ein neu-
gebackenes Wort, eilfertig, adj. u. adv.
Im 17. Jh. (Schottel 349). Eilwagen, m.,
Nachbildung von Eilpost, das Campe für
Diligence vorschlug.
eilf, s. elf.
Eimer, m. (-.s-, PI. wie Sg.): Wasser-
' gefäß mit übersehendem Bügel zum Tragen
I und Schöpfen ; ein Flüssigkeitsmaß. Mit
Assimilation des mh aus mhd. eimher, einher,
auch eimer, ahd. einibar, einbar m., und abge-
leitet eimhert, eimhri n. ; dazu and. enibar m. n.,
ndl. emmer m. Scheinbar zusammengesetzt
aus ein und -har von ahd. heran «tragen»,
also eig. «Gefäß mit einem Griff", einträgiges
Wassergefäß», im Gegensatz zu Zuber (s. d.).
Formen wie ahd, ambar, emher, ambri, ags.
amber, omber m., (entlehnt) schwed. ämbar n,
lassen indes einbar als volksetymologische
ümdeutung eines auf gr.-lat. amphora f.
«zweihenkeliger Kiiag» bemhenden Wortes
erscheinen.
^ein, zunächst Zahlwort, dann in den
Pronominalbegi-ifi' übergehend, um Gleichheit
zu bezeichnen (ein und derselbe): unbestimmtes
Pronomen = irgend einer, jemand; das N, ein
mit Gen, Sg. des Subst., z. B. ein Leides,
ein Wesens; das N. eins als unbestimmtes
Objekt in eins trinken, eins plawlern: un-
bestimmter Artikel (auch in Wendungen wie
ein langes und ein breites sprechen, es ist
um ein gutes bessei-): demonstr. Pronomen
415
ein
Einbuße
416
zur naclidiückliclien Hervorhebung (öfter bei
Luther, z. B. ich bin ein guter Hirte und
in kanzleimäßigen Wendungen wie ein hohes
Ministerium schon im 15. Jh. Weisth. 4, 517,
Uhland Yolksl. 10). Vor Zahlen steht ein
zur ungefähren Angabe, z. B. ein Eimer
zwanzig Wein (Schiller Räuber 4, 3), ein
zwanzig Louis (Schiller 3, 553). Mhd.-ahd.
ein: dazu asächs.-afries. en, ndl. een, ags. an,
engl, one, anord. einn, sehwed.-dän. en. Ver-
wandt ist lat. unus (altlat. oenus), griech. oivöc,
altir. öin, abg. im'i, lit. vienas, apreuß. ains.
"ein, adv.: in das Innere (auf die Frage
wohin), z. B. Feld ein und aus Bürger 234.
Mhd. in, auch noch in, ahd. in, wie asächs.-
ndl.-afries.-ags. in, anord.-got. inn. Mit Deh-
nung des Vokals zur Präposition in (s. d.).
In Zusammensetzungen mit Substantiven und
Verben erhält ein den Ton, z. B. Eingang,
eingehen, auch wenn es mit Adverbien zu-
sammengerückt ist, z. B. hinein, oder mit
Substantiven, z. B. jahrein, feldein, waldein.
einander, unflektiertes Zahlwort, in dem
ander einen Dativ oder Akkusativ vertritt.
Schon mhd. meist unflektiert einander, da-
neben aber auch mit Flexion des ander,
z. B. hi einandern, ahd. zeinanderen, oder
mit Flexion beider Wörter, z. B. zuo einen
anderen.
einäschern, v.: in Asche legen. Von
der Nebenform Äscher zu Äsche gebildet,
s. Äschermittwoch. Um 1600 (1618 bei
Schönsleder einäschern, bei Opitz eineschern),
sonst ältemhd. auch eineschen, wie mnd. in-
eschen. Dagegen 1562 bei Mathesius Sar. 184^
eineschern «einbeizen» (s. Äscher).
Einback, m.: einmal gebackenes feines
Brot, im Gegensatz zu Zwieback (s. d.). Bei
Campe 1807.
Einband, m., s. einbinden.
Einbaum, m. (-s, PI. -bäume): Kahn aus
einem ausgehölten Baumstamm. Aus dem
Oberd, in die Schriftsprache eingedi-ungen.
Einbeere, f.: die jedesmal eine Beere
tragende Pflanze paris quadrifolia. Ahd.
einbere (Steinmeyer-Sievers Gloss. 3, 568, 38),
mhd. einbere, embere, mnd. enbere f.
einbilden, v.: in etwas als Bild hinein-
drücken, einprägen. Mhd. (bei den Mystikern)
inbilden. Refl. sich e. «im Geist in sich als
Bild entstehen machen», jetzt meist von un-
begründeten Vorstellungen, wie schon 1495
bei Reuchlin Demosthenes 1. Olynth. Rede S. 12
Poland einbilden «einem etwas einreden».
ÄBL. eiubildisch, adj. Im 17. Jh., dafüi-
jetzt eingebildet, das 1759 von Dornblüth 32
noch bekämpft wird. Einbildung, f. : bloß
durch Seelentätigkeit und in derselben Da-
seiendes, insbesondre wenn es imbegründet
ist. Mhd. (bei den Mystikern) mbildunge, f.
Damit zusammengesetzt Einbildungskraft,
f. Schon 1640 bei Comenius 343.
einbinden, v.: in etwas bindend befe-
stigen, zusammenbinden; Bücher mit einem
Bande versehen; als Pate dem Taufkinde
ein Geldgeschenk geben, eig. nach früherer
Sitte in die Windeln des Kindes binden (da-
her Eingebinde, n. : Patengeschenk) ; (über-
tragen) einem etwas einschärfen, eig. «in
den Eid (Weisth. 1, 369), in die Pflicht binden»
(Reichsordnungen 37 '^ von 1500). Bei Luther
z. B. 1. Mos. 43, 3 (denunciavit sub attesta-
tione juris jurandi, Vulgata), noch bei
Lessing 1, 297 heilig einbinden. ÄBL. Ein-
band, m., zu der 2. Bed. von e.
Einblatt, n.: Pflanze mit einem einzelnen
Blatt am Stengel. 1536 bei Brunfels 2, 72.
einbleuen, v.: durch Schläge (Bleuen)
beibringen. Bei Luther einblewen.
einbrechen, v.: l) intrans. gewaltsam
in etwas dringen, mhd. inbrechen; als Zeit
oder zeitliche Erscheinung mit Geschwindig-
keit, mit Macht anfangen zu sein, zunächst
von der Nacht, dann auch vom Tage (Goethe
8, 283), vom Morgen (ebenda 292). 2) trans.
gewaltsam nach innen öfl"nen; brechend zu-
sammenreißen (Micha 1, 6). ÄBL. Ein-
brecher, m. Bei Junius 550*. — Ein-
bruch, m. Mhd. inbruch m. «gewaltsames
Eindringen ».
einbringen, v.: in ein Inneres bringen,
mhd. inbringen (davon das Eingebrachte,
was die Frau mit ins Haus bringt); Ertrag
geben (eigentlich von eingeführten Früchten) ;
einen Schaden wieder gutmachen (bei Luther).
einbürgern, v.: meist refl, sich e. «sich
wo eingewöhnen, eig. sich an einem Ort als
Bürger aufnehmen lassen». In der ursprüng-
lichen Bedeutung bei Leibniz, in der über-
tragenen am Ende des 18. Jh. Davon das
Part, eingebürgert.
Einbuße, f.: Verlust durch Tätigkeit bei
etwas. Im altern Nhd. «Ersatz, Entschädi-
gung» (in der jetzigen Bed. bei Rädlein 1711).
Von einbüßen, v.: Verlust an und bei et-
was haben, eig. zur Besserung hinein-, zu-
geben. Im 15. Jh. ein püßen «durch Neues
bessern» (s. büßen). Vgl. Ausbeute.
417
eindächtis:
eingefleischt
418
eindächtig, adj. (l. Thess. 2, 9): einge-
denk. Im 15. Jh. indcechtig, vgl. andächtig.
Eindruck, m. (-es, PI, Eindrücke): das
Hinein dinicken in eine Masse und die da-
durch bewirkte Vertiefung; Einwii'kung aufs
menschliche Gemüt. Mhd. fndruc m., liei den
Mystikern auch in der 2. Bed. ; nhd. erscheint
das Wort erst wieder bei Ludwig 1716.
einen, v. : eins machen, vereinigen. Mhd.
einen, ahd. einön, and. gienön.
einer, das unbestimmte persönliche Fron.,
s. ein. Für beide Personen (die männliche
und die weibliche) kann das sächliche eins
gesetzt werden. Unser einer, s. unser.
Einer, auch Einser, m. {-s, PI. wie Sg.):
das Zahlzeichen 1 ; am Würfel das As ; in
der Rechenkunst einziffrige Zabl aus Ein-
heiten bestehend, im Gegensatz zu Zehner,
Hunderter usw. (1774 bei Adelung, dagegen
bei AdainuRies 1529 eins).
einerlei, adv., auch als Subst. gesetzt
Einerlei n. Aneinandergeinickte Genitive,
mhd. einer leige, einer leie (s. -lei).
einerseits, genitivisches Adv. mit ange-
tretenem s; dafür mhd. die Akkusativver-
bindung einstt «auf der einen Seite», im
Gegensatz zu andersit (s. anderseits). Noch
nicht bei Adelung 1793.
einfach, adj. u. adv.: nur einmal ge-
nommen, nicht zusammengesetzt; schlicht;
leicht zu fassen oder auszuführen. . In der
1. Bed. 1495 im Voc. rerum g 1^ und bei
Luther.
einfädeln, v.: den Faden durchs Nadel-
öhr ziehen; auf feine Weise ins Werk setzen.
1678 bei Ki-ämer einfädelen, einfademen. Das
V. fädeln mit Übergang des n in l aus
fadenen und dies aus fädemen, mhd. vedenien,
ahd. fadamon «mit dem Faden arbeiten, nähen».
Einfall, m. (-s, PI. Einfälle): das Fallen
in etwas; Einbruch; unerwarteter Gedanke.
Mhd. tnval m., bei den Mystikern auch in
der 3. Bed.
Einfalt, f.: Einfachheit; sittliche Ein-
fachheit; ungekünstelter treuer Natursinn;
Beschränktheit und Ungeschicktheit des
Geistes. Mhd. einvelte, ohne Umlaut des a
einvalte, einvalt f., ahd. einfaltl f. Dazu got.
ainfalpei f. «Gutmütigkeit», schwed. (aus dem
Deutschen) enfald f.; ndl. eenvoud m. «Ein-
heit, Singular». Abgeleitet von dem Adj.
mhd. einvalt, ahd. einfalt, asächs. enfald, ags.
änfeald «einfach», got. ainfalßs «schlicht,
arglos». S. -falt. Damit zusammengesetzt
W e i g a n d , Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Einfaltspinsel, m.: geistig beschränkter
Mensch. Bei Günther 467. S. Pinsel. ABL.
einfältig, adj.: mhd. einvaltec, umgelautet
einveltec «einfach, schlicht, leichtgläubig»,
ahd. einfältig, ndl. eenvoudig, schwed. enfaldig,
dän. enfoldig.
einfangen, v.: fangen und eintun; ab-
grenzen, mit etwas umgeben. Mhd. invahen,
invän.
einfließen, v. : in einen Ort fließen (mhd.
m vlie^en); emlaufen (von Geldern); mit
auf oder in, Einfluß, Wirkung haben (im
18. Jh.); beiläufig erwähnen (18. Jh.).
einflößen, v.: in etwas fließen machen
(1640 bei Comenius) ; einem etwas beibringen,
z. B. Wissenschaften (so noch bei Adelung),
jetzt nur von Gefühlen, die erweckt werden.
Einfluß, m. [-sses, PI. Einflüsse): das
Fließen in etwas und Ort des Einfließens;
von außen kommende Einwirkung. Mhd.
mvhiß m., auch in der 2. Bed.
einfrieden, meist einfriedigen, v.:
zum Schutz mit einem Zaun umgeben. Zu-
samm enges, mit mhd. vriden «zum Frieden
(s. d.) bringen, in Schutz und Schirm nehmen,
mit einem Zaun umgeben». In der letzten
Bed. häufiger hevriden, woneben fiühnhd.
auch hevridigen steht. Adelung hat nur
einfrieden, Heynatz 1795 auch einfriedigen,
beide beanstanden aber noch das Wort.
Einfuhr, f.: das Hereinführen von Ge-
treide in die Scheune, von Waren in das
Land, Import. Älternhd. ist E. «das Her-
einfahren, -kommen oder der Ort, wo man
hereinfährt»; die jetzige Bed. (im Anschluß
an einführen) bei Frisch 1741, Adelung hat
Einführe. Vgl. Ausfuhr.
Eingebinde, n., s. einbinden.
eingeboren, adj.: einem Lande oder Ort
der Geburt nach angehörig. Mhd. ingehorn,
neben inborn, imhorn, zusammengesetzt mit
dem Adv. ein. Dagegen eingeboren, adj.:
einzig durch Geburt. Mlid. eingehorn neben
einhorn, zusammenges. mit dem Zahlwort ein.
eingebracht, s. einbringen.
eingebürgert, s. einbürgern.
eingedenk, adj.: im Innern gedenkend.
^Ihd. ingedenke neben indenke. Vgl. gedenk.
eingefleischt, adj.: in fleischlicher Ge-
stalt erscheinend; in oder zu Fleisch und
Blut geworden; in Köi-pergestalt wirkend,
leibhaftig. Verdeutschung des kii-chlich-lat.
incarnätus, Part. Pei*f. Pass. von incarnäre.
Bei Luther.
27
419
eingemacht
Einkorn
420
eingemaclit, s. einmachen.
eingenommen, s. einnehmen.
Eingeweide, n.: die Köi-perteile im
Irmeni der Bnist- und Bauchhöhle. Älter-
nhd. auch Ingeweide (z. B. bei Luther 1, 260'',
noch bei Adelung erwähnt, aber in der
Bibel immer E.). Mhd. ingeweide n. «Ge-
därme», ursprünglich bloß geiveide n. (noch
ältenihd. Geivaid n. bei Gäbelkhover 4 u. 213).
Kollektiv von tveide, ahd. weida f. «Futter,
Speise, genossene Speise», dann «die innem
Körperteile, die die Speisen in sich auf-
nehmen, das Gedärme», vgl. auch weiden,
ausweiden. Das in- wie bei gleichbed. spät-
mhd. ingedärm, ingereite, mhd. ingeriusche n,
(s. Geräusch 2). Wohl aus der Jägersprache
übernommen.
eingezogen, s. einziehen.
einhändigen, v.: in die Hand über-
geben. Bei Duez 1664, aber schon 1618 bei
Londorp acta publica 1, 375 ** Einhändigung.
Vgl. aushändigen.
einheimisch, adj.: dem Land, Ort, Haus
als in ihnen lebend angehörig. Ln 15. Jh.
inheimisch «zu Hause», zu ahd. inheima f.
«Heimat». Bei Luther einheimisch.
einheimsen, v.: von außen nach Hause
bringen. Bei Stieler 1691 vom Einbringen
der Feldfiüchte (im Simplicissimus einheim-
schen). Zusammenges. mit spätmhd. heimsen
«heimbringen, an sich nehmen», abgeleitet
von heim n.
Einheit, f. (PI. -en): das Einssern; Eins
an der Zahl, Als philosophisches Wort häufig
bei Jak. Böhme (f 1623), dann mehrfach bei
Angelus Silesius, Leibniz und Wolff, doch
auch schon in Glossaren des 15. Jh. einheit
«unitas». Aus dem Hd. ndl. eenheid, schwed.
enhet, dän. eenhed. ABL. einheitlich, adj.
Woi't der neuem Sprache.
einhellig, adj. u. adv.: übereinstimmend,
in eins zusammenstimmend. Mhd. einhellec,
abgeleitet von dem gleichbed, Adj. einhel, ahd.
einhelli. Zu ahd. (bei Notkei') in ein hellen,
mhd. enein hellen «übereinstimmen», s. Hall.
einher, adv.: herzu, zunächst nach dem
Lmem, wo der Sprechende sich befindet.
Mhd. (selten) mher «herein». Bei Luther
oft in Verbindung mit Verben, wo aber e.
meist wie daher die Beziehung auf ein ört-
liches Ziel verloren hat, z. B. einherfahren.
Einhorn, n.: vierfüßiges Tier mit einem
Home. jMhd. einhorn n., neben einhürne,
ahd. einhurno m. «Einhorn, Tfashorn», wo
-hurno als Ableitung von hörn n. «den Ge-
hörnten» bedeutet. Dazu ags. änhyrne deor
«das eingehörnte Tier», auch änhorna, än-
horn m.
einhotzeln (Bürger Kaiser und Abt),
besser einhutzeln, v.: einschi-umpfen. Zu
hutzel «getrocknete Birne», s. d.
-"^einig, adj.: nur ein (in dieser Bed. jetzt
durch einzig verdrängt, doch noch bei Lessing,
Goethe, Schiller); (auch veraltet) allein; in
eins zusammengehörig; ganz gleichen Sinn,
Willen usw. habend (diese Bed. bei Luther).
Mhd. einec, einic, ahd. einac, dazu asächs.
e)iag, ndl. eenig «einzig, allein»; dafür got.
(mit schwacher Flexion) ainaha «einzig».
Abgeleitet von ein. ABL. Einigkeit, f.:
mhd. einecheit, ahd. einigheit f. «Einzigkeit,
Einheit, Einsamkeit». Bei Luther auch die
jetzige Bed. S. auch einigen.
"einig, pron. : (veraltet) irg'end einer;
nicht viel, im PI. etliche (auch in einige
zwanzig usw., d. i. «einige über zwanzig»).
Ahd. einig-, dazu asächs. enig, ndl. eenig, ags.
mnig «irgend einer». Abgeleitet von ein.
Im Mhd. erscheint einic «irgend einer» nur
in md. Quellen des 13. — 15. Jh. und ist
dann auch von Luther gebraucht worden.
Die Bed. «nicht viel» und im PI. «etliche»
ist erst um 1700 allgemein geworden; an-
geführt bei Ludwig 1716. einigermaßen,
adv., -1699 bei Leibniz Deutsche Sehr. 2, 122,
einigen,
in eins verbinden, Mhd,
einigen, einegen, ahd, einigen (in geeinigen),
abgeleitet von einig.
Einigkeit, s. einig.
Einkehr, f.: das sich worein Begeben
zu kui-zem Aufenthalt; das in sich Gehen.
Mhd. inkere f., daneben inker m. in der
2. Bed. (bei den Mystikern). Von ein-
kehren, V.: zu kurzem Aufenthalt sich
worein begeben, mhd. tnkeren.
Einklang, m. {-es): in eins zusammen-
stimmender Klang ; Gleichförmigkeit; richtiges
Verhältnis. Im 15. Jh. einklang; die 2. Bed.
kommt um 1750 auf (Wieland Suppl. 2, 160).
einkommen, v.: wo hineinkommen; sich
mit einer Bitte usw. an eine höhere Stelle
wenden (im 17. Jh,); wohin übergeben werden;
in den Sinn kommen; in die Kasse kommen.
Mhd. inkomen, ahd. inqueman in der 1. Bed.,
die 5. ist fmhnhd. So auch als Subst.
Einkommen^ n., s. Einkünfte.
Einkorn, n. (-es) -. wilder Dinkel, triticum
monococcum. Mhd. einkorn n.. ahd. einchorn n.
421
Einkimft
eins
422
und. einachorno m., weil man dieser Art Dinkel
nur ein Korn in jeder Hülse zuschrieb.
Einkimft, f., jetzt nur im VI. Einkünfte:
das an Geld oder Nutzung für sich zu Be-
ziehende. Mhd. (bei Jeroschin) vikumft f.
<' Eintreffen», die jetzige Bed, erst im 17, Jh.
bei Logau (3, Zugabe 201 Einkunß), der
Plural 1691 bei Stieler. Von einkommen.
einladen, t. : wohin zur Teilnahme bitten.
Mhd. inladen, ahd. inladön. Urspr. nur mit
schwacher Flexion, wie noch zuweilen im
18. Jh., aber durch Vemiischung mit ^laden
in starke Flexion übergegangen.
einländiscll (l.Makk. ll, 38), s. inländisch.
Einlaß, m. (sses) -. das Hineinlassen und i
Ort desselben. Bei Dentzler 1709, von ein-
lassen, V. : hineinkommen lassen oder machen,
mhd. inladen, ahd. inlägan; refl. sich ein- :
lassen: sich womit abgeben (frühnhd., z. B.
Luther 7, 165^ Jen.).
einlegen, v. : in etwas legen, mhd. m- !
legen ; mit eingelegtem Zierat versehen ; (Lanze \
e.) unter den Ann nehmen und gegen jemand ;
richten; (Ehre, Spott usiv. e.) erwerben (im
15. Jh., z. B. Liliencron 2, 92, vgl. mhd. gelt
inlegen «zurücklegen»).
einleucllten, v.: als Licht in etwas
dringen; klar und deuthch werden. Aus
der neuem Sprache bei Adelimg 1774. Davon
das Part. Präs. einleuchtend als Adj,, klar :
und deutlich (Lessing 6, 374). '
einlullen, s. lullen.
einmachen, v. : Frucht, Gemüse u. a. '
zu längerer Aufbewahrung herrichten, eig.
hineinlegen, hineintun in ein Gefä£. Da-
von das Part. Prät. das Eingemachte, n.
Bei Henisch. Früher auch in der Bedeu-
tung von «ausgemacht».
einmähren, s. mähren.
einmal, Zahladv. Auf einmal; auf einen
Zeitpunkt: zu unvermutetem Zeitpunkte,
plötzlich. Zusammenrückung des Zahlwox-ts
ein mit dem Akk. Mal «Zeitpunkt». ^Ihd.
dafür eines mäles oder zeineme male. ABL.
einmalig, adj. Bei Stieler 1691.
einmal, Zeitadv.: zu irgendeiner Zeit,
dann als hen'orhebende Part, gebraucht. Zu-
sammenriickung des Artikels ein mit dem
Akk. Mal. Bei Keisersberg (Emeis 14*) mid
Luther.
Einmaleins, n.: Rechentabelle. 1529 bei
Adam Ries Rechnung auff der Linihen 8 das
ein mal eins.
einmummen, s. mummen.
Einmut, f.: tl)ereiustimmung der Ge-
sinnung. ^Ihd. einmuote, einmuot, ahd. *ein-
miioti f., von dem Adj. einmuote, ahd. ein-
muoti. ABL. einmütig, adj. u. adv. Mhd.
einmvetec, ahd. einmuotig. Davrm Einmütig-
keit, mhd. einmnetecheit f.
einnehmen, v.: in etwas hin einnehmen;
bei sich aufnehmen (in diesen Bedd. mhd.
innemen, ahd. innemany. in sich nehmen; in
Besitz nehmen fbei Luther); für sich ge-
winnen (im 17. Jh.). Nach dieser Bed. das
Part. Präs. einnehmend als Adj. «gewin-
nend» (Klopstock Mess. 83; Geliert 4, 288;
Lessing 4, 126) und das Pai-t. Perf. einge-
nommen. ABL. Einnehmer, m. (-s, PI.
wie Sg.): der Geld, Steuern usw. einnimmt.
Im 15. Jh. — Einnahme, f. Im 15. Jh.
eiuuisteln, s. nistein.
Einöde, f.: unbewohnte, leblose Gegend.
Mit Anlehnung an öde aus mhd. eincete, ein-
cede f. n., ahd. eimti n.: dazii asächs. mödi
f. n., ags. änäd n. Mit der Ableitungssilbe
ahd. -Ott von ein «einsam, allein» gebildet.
einpaschen, s. paschen.
einpauken, v.: einbleuen. Studentisch,
s. pauken.
einpferchen, s. Pferch. ^
einpökeln, s. pökeln.
einprägen, v.: Zeichen oder ein Bild
einpressen (s. prägen) ; zu festem Haften et-
was in das Gedächtnis bringen. 1691 bei
Stieler einpregen.
einquartieren, v.: in Quartier legen,
Einlager geben. Bei Krämer 1678.
einräumen, v.: in einen Raum stellen:
einen Raum zum Einnehmen gewähren; zu-
gestehen. Bei Luther, auch in der 3. Bed.
Einrede, f Fiühnhd. (Brant Xan-. Xr. 111,
27 jnred). Von einreden in der Bed. «in
eine Rede einfallend Widerspruch erheben».
einreißen, v.: nach innen reißen, zer-
stören; überhand nehmen, eig. von Fluten,
die ins Land eindringen. Die 2. Bed. im
15. Jh. imd bei Luther.
Eins, f.: Zahl oder Ziffer 1. Im 18. Jh.
^eins, n.: Neutrum des Zahlwortes ein,
adverbialisch in eins sein, eins werden «gleiches
Sinnes» (l)ei Luther).
^eins, adv.: einmal. Mit eins «einmal,
plötzlich». Mhd.-ahd. eines, dazu ndl. eetis,
ags. änes, engl, once «einmal», der zum Adv.
gewordene Gen. des sächlichen Zahlworts eins.
Im 18. Jh. veraltet, doch noch bei Lessing,
Wieland, Voß, vgl. auch einst.
27*
42J
einsam
Einstand
424
einsam, adj. u. adv.: mit sich alleiii; von
anderm Lebenden entfernt. In Vokabularen
des 15. Jh. (Diefenbach gl. 541*>), dann bei
Luther. Aus dem Deutschen ndl. eenzam,
schwed. eusam, dän. ensom. Gebildet von
ein «allein, für sich abgesondert». ABL.
Einsamkeit, f. Im 15. Jh. einsamcheit f.
(Diefenbach a. a. 0.).
einschalten, s. schalten.
einschärfen, v. : scharf, entschieden sagen.
Im 17. Jh. (Moscherosch ins. cur. par. 26).
VgL bei Stieler 1691 einem das Gesetz schärfen
«eindringlich ermahnen».
Einschiebsel, n. Von Gottsched Sprachk.^
504 für Parenthese gebildet.
einschläfern, v.: in Schlaf bringen. Bei
Krämer 1678. Älterahd. einschlafen (noch
bei Wieland), zu mhd. slcefen (in entslcefeii
«schlafen machen»).
Einschlag, m. (-es): das Hineinschlagen
und was eingeschlagen wird; bei den Webern
der in den Aufzug, Zettel, eingeworfene Fa-
den, auch Einschuß, Eintrag (s. d.). In dieser
Bed. schon mnd. mslach, auch 1599 bei Kilian
214 inslagh. Hd. bei Stieler 1691.
einschlägig, adj. : in Betracht kommend.
Von Campe 1807 als landschaftliches Wort an-
geführt. Von einschlagen: sich in ein Gebiet
hineinerstrecken, betreifen (bei Frisch 1741).
einschließlich, adv. Von Campe für
lat. inclusive gebildet.
einschreiten, v.: gegen fngesetzüches
die gesetzlichen Maßregeln treffen. Noch nicht
bei Adelung 1793, aber bei Heynatz 1795 als
ein Wort des Reichskanzleistils erwähnt,
einschüchtern, v,: schüchtern machen.
Bei Campe 1807 als neues Wort.
einschürig, adj.: nur einer Schur jähr-
lich unterworfen. Bei Frisch 1741 einscherig,
das auch Adelung und Heynatz noch keimen.
einschustern, v.. im Schustern (Schuh-
flicken) zusetzen; überhaupt aus eignem Ver-
mögen zusetzen; in Vennögensvei'fall kommen.
Bei Stieler 1691. Vgl. zuschustern.
einschwärzen, v.: Waren heimlich über
die Grenze bringen; (übertragen) unvermerkt
hineinbrmgeu. Urspr, obd. Wort, s.schwärzen,
aber in der 2. Bed. im 18, Jh, auch in Nord-
deutschland üblich (Hermes Sophiens Reise
3, 889).
Einsicht, f.: das Hineinsehen; Erkennt-
nis, Verständnis. Lim 1700 aufgekommen
(Günther 734), aber noch 1759 von Dorn-
blüth 65 bekämpft. Älternhd. dafür Ein-
sehen, n. (jetzt noch in ein Einsehen haben),
schon mhd. (bei den Mystikern) tnsehen n.
ABL. einsichtig, adj.: verständig. Von
Adelung als Wort des gemeinen Lebens an-
geführt.
Einser, m., s. Einer.
Einsiedel, m. (-s, PI, wie Sg,): entfernt
von Menschen, still, einsam religiöser- Betrach-
tung lebender Mensch, Eremit. Mhd. ein-
sidele, einsidel, ahd. einsidilo m., zusammen-
ges. aus ein «allein, für sich abgesondert»
und sidilo m. «der sich wo ansässig macht»,
s, siedeln. Nachbildung von lat, monacus, s.
Mönch. ABL. Einsiedelei, f. Bei Stieler
1691, in der Bed. «Einsiedlerleben» schon
1622 bei Londorp acta publica 2, 1258^. ein-
siedeln, v. Erst im 18. Jh. Einsiedler,
m. Spätmhd. einsidelcere , das das ältere
Einsiedel verdrängt.
einsilbig, adj.: nur eine Silbe habend:
karg an Worten. In der 2. Bed. erst im
18. Jh, (Hagedom Fab. 61 eynsilhigt).
einsmals, s. einstmals.
einspannen, v.: ein Pferd usw. in die
Deichsel spannen: einziehen (die Nase ein-
gespannt bei Schiller). ABL. Einspänner,
m.: ein Wagen mit einem Pferd; ein geringer
Fuhrmann, der einen solchen Wagen hat;
wer allein lebt. In der letzten Bed. im 18. Jh.
einspännig (vom Bergbau, wer allein baut).
einst, adv.: zu einer (vergangenen oder
zukünftigen) Zeit. Bei Luther (Richter 16,
28) noch einest. IVIhd. einest, ahd. (bei Notker)
einest, imter dem Einfluß superlati^nscher
Bildungen hervorgegangen aus dem adver-
bialen Genitiv eines (s. eins) «einmal», im
Mhd. auch «zu irgendeiner (vergangenen
oder künftigen) Zeit». Vgl, ahd. (bei Notker)
änderest «wiederum», mhd, änderst, das eben-
so aus dem adverbialen Genitiv ahd. andei'es
hei'vorgegangen ist. Weiter gebildet zu einsten
(schon spätmhd., auch noch nhd., z, B, bei
Schiller 1, 107. 211) und mit angetretenem
adverbialischen s einstens (bei Geliert 1, 65.
196). ABL. einstig, adj. Erst bei Campe
1807. ZUS. einstweilen, adv.: bis zu fester
Bestimmung bestehend. Zusammenges. mit
weilen, mhd. wilen, s. weiland. Von Adelimg
1774 und Heynatz 1775 noch getadelt. Bei
Wieland auch eins weilen. Davon einstweilig,
adj. (bei Heynatz 1796).
Einstand, ,m. {-es, PI. Einstände) : Amts-,
Dienstantritt; Eintritt in die Rechte eines Käu-
fers; Eintrittsgeld, Eintrittsleistung (Goethe
425
einstehen
Einwurf
426
31, 71; bei Stieler 1691 «Eintrittsschmaus»).
Mhd. instant m.«Vorreclit beim Kaufen, Näber-
kauf».
einstehen, v.: in eine Gemein-, Genossen-,
Mitgliedschaft eintreten (fmhnhd.): in einen
Dienst eintreten; gewährleistend eintreten,
gewährleisten (bei Adelung 1774); (vom Züng-
lein an der Wage) nach keiner Seite neigend
stehen (Goethe 1, 131, schon bei Stieler 1691):
bevorstehen (Goethe49,l, 109, schoniml7. Jh.).
einstellen, v.: hineinstellen, namentlich
zur Aufbewahrung oder Rast, zur Arbeit,
mhd. instellen: (mit Ergänzung von Pferd)
einkehren: unterwegen lassen, aufgeben
(spätmhd.). Refl. sich e.: sich einfinden.
Frühnhd. (Luther 3, 49 »^ Jen.).
einsten, einstens, einstig, s. einst.
einstimmen, v.: in den Klang einer
Stimme einfallen; lieifallen, zustimmen. In
der 2. Bed. bei Luther. — einstimmig,
adj. und adv.: mit einer Stimme; überein-
stimmend. Bei Ludwig 1716.
einstmals, adv.: zu einer (vergangenen
oder künftigen) Zeit. Fräher einsmals (noch
bei Schiller Räuber 4, 5), mhd. eines mäles,
Gen. Sing, von mal «Zeitpunkt» (s. mal), mit
unbestimmtem Artikel. Stieler 1691 hat einst-
mals, doch läßt Adelung eins- und einstmals
nur im gemeinen Leben zu.
einstweilen, s. einst.
einsuckeln (Goethe 39, 243), s.. suckeln.
einte, <Jrdnungszahlwort zu ein\ einer von
mehreren. Gebildet nach zweite usw. Bei
Schweizern (Lavater, Pestalozzi).
eintönig, adj. u. adv.: nur mit einem
Ton; (in tadelndem Sinne) einförmig. In der
2. Bed. bei Adelung 1793.
^Eintracht, m., s. Eintrag.
'Eintracht, f.: Zusammenstimmung der
Gesinnung. Mhd. eintrahte, eintralit f. «Ver-
btindnis, Mitangehörigkeit» (md., namentlich
in Rechtsquellen, aus nd. eindracht), wohl
mit nd. Übergang von ft in cht entstanden
aus eintraft, vgl. ahd. eintraft «einfach», ein-
trafti f. «Einfachheit», zu treffen, also eig.
«das Trefien eines Zieles». Eingewirkt hat
wohl die Redensart mhd. über ein tragen
«übereinstimmen»; später erfolgte Anlehnung
an trachten. Aus dem Deutschen nl. een-
dracht, schwed. endrägt f. ABL. einträch-
tig, adj. Mhd. (in md. Quellen) eintrehtic.
S. Zivietracht.
Eintrag, m. {-es, PL Einträge): die in
den Aufzucf des Webers zur Verbindunor ein-
getragenen Querfäden: (bildlich hiernach?)
Abbruch woran, ^S^achteil (durch etwas in die
Quere Kommendes, Aljhaltendes), vgl. beein-
trächtigen; Handlung des Eintragens und
Eingetragenes (in ein Buch usw.), erst in
der Neuzeit. In der 1. Bed. bei Keisersberg
intrag, bei Luther eintracht m., die über-
tragene Bed. ist in der Rechtssprache des
spätem 15. Jh. gewöhnlich = «Einwand, Ein-
rede, Schaden, Nachteil» (namentlich in Ein-
trag tun «widersprechen»). Daneben im 16^
und 17. Jh. die Bed. «Ertrag, Einnahme, Ge-
winn», wovon das Adj. einträglich «Ge-
winn bringend».
eintränken, v.: zugefügtes Übel ver-
gelten, eig. einen schädlichen Trank eingießen.
So schon mhd. tntrenken.
eintreiben, v.: wo hinein treiben; in die
Enge treiben (Apost. Gesch. 9, 22), zwingend
belästigen (Richter 14, 17); durch Treiben,
drängend einbringen, z. B. Gelder (bei Lud-
wig 1716). Es einem e. «ihn büßen lassen»
(frühnhd.).
Einung, f. (PI. -en) : das Einigwerden wo-
riiber, Beschluß. Mhd. einunge, ahd. einunga
f., von einon «einigen». ^
einverleiben, v.: in einen Köii^er (Leib),
ein Ganzes bringen. Nachbildung des lat.
incorpoi'äre. Im 16. Jh., schon friiher be-
gegnet einleibeii und verleiben.
einverstanden, adj.: übereinstimmend,
Part. Prät. von sich einverstehen {Lessing 2,
262), «zu einem übereinstimmenden Verständ-
nis gelangen». ABL. Einverständnis, n.,
bei Adelung 1774 als Kanzleivvort.
Einwand, m. {-es, PI. Einwände). Von
Zesen 1648 in Dögens Kriegsbaukunst ge-
bildet. Von einwenden, v.: gegen eine
Behauptung, Fordenmg usw. einschränkend
richten. In der Rechtssprache des 17. Jh.
einwärts, adv. : nach innen gerichtet. Mhd.
inwei'tes, genitivisches Adv. zu inwert, in-
wart, ahd. inwart, inwarti, inwerti ader innere,
inwendige», adv. inwert.
einwohnen, v. : woiin Wohnsitz haben.
Bei Dasypodius 1537. ABL. Einwohner,
m.: durch festen Wohnsitz Orts-, Landesan-
gehöriger. Mhd. in-, imvoncere m., auch
älternhd. Inwohner (noch bei Adelung 1774
erwähnt).
Einwurf, m. {-es, PI. Eimvürfe): das
Hineinwerfen und was hineingeworfen wird:
Einrede. In der 2. Bed. in der frühnhd.
Rechtssprache (Brant Layensp. R. 1*).
427
einwurzeln
eitel
428
einwurzeln, v.: Wurzel worin fassen.
Frülinhd. (Murner Schelm. 13, 24).
Einzahl, f.: der Singular (s. d,). Von
Campe eingeführt für das friihere die einzelne
Zahl. Im Üb. ord. rer. von 1429 Bl. 19^
ainczal «Einzahl» neben czwoczal «Zweizahl».
Einzelheit, f. Im 17. Jh. (bei Lohen-
stein Armin. 2, 1294, dagegen bei Stieler 1691
Einzelheit) für «Einheit, Alleinsein», in der
jetzigen Bed. «Detail» ei'st bei Campe 1807.
Bei Goethe dafür Einzelnheit. Zu einzeln.
— Einzelwesen, n. Von Campe für In-
dividuum gebildet.
einzeln, adj. u. adv. : eins oder jedes für
sich abgesondert. Mhd. einzeln, enzeln, auch
verstärkt alenzeln (in md. Quellen), adv., eig.
Dat. Plur. der seltenen Adj. einzel «für sich
abgesondert». Abgeleitet von dem gleichbed.
seltnen mhd. Adj. einez, einz, ahd. einaz (ab-
geleitet von dem Zahlwort ein), dessen Dat.
PI. mhd. einzen, ahd. einazem als Adv. «einzeln»
ausdiückt. Darauf geht auch mhd. einzeht
(noch jetzt obd.), einzlich, einzelinc «einzeln»,
sowie einsig zurück. Bei Luther lautet das
Adj. noch einzel, doch tritt in der prädika-
tiven Stellung dafür auch das Adv. einzelen
ein (Jes. 49, 21. 51, 2). Die Form einzel, im
17. Jh. häufig, erhält sich von Adelung als
obd. bezeichnet noch im 18. Jh. {einzle Haller
146, einzier Lessing 8, 47) und wird noch von
Uhland und Rückert gebraucht (z. B. einzlen
3, 140).
einzig, adj.: ausschließlich einer; vor
aDem seiner Art vorzüglich. Mhd. einzic, einzec
«einzeln», der Dat. Plur. einzigen als Adv.
«einzeln». Abgeleitet von mhd. einez, ahd.
einaz, dem Ntr. des Zahlworts ein «einzeln».
Der ältre Ausdi'uck für einzig ist einig, s. d.
Eis, n. (Gen. Eises): gefrorne Flüssigkeit.
Mhd.-ahd. is n.; dazu ndl. ijs, afries.-ags. is,
engl, ice, anord. iss m., schwed. is m., dän.
is n., zu aw. isav- Adj. «frostig, eisig», afghan.
asai «Frost», Pamirdial. is «Kälte». ZUS.
Eishahn, f. 1691 bei Stieler. Eishär, m.:
Bär der Eismeere. Bei Adelung 1774. Ndl.
ijsheer, schwed. ishjörn m.
Eishein, n.: Hüftbein. Aus dem Nd.,
and.-mnd. ishen, ndl. ijsheen n., (nach Kluge
auch [wo belegt?]) ags. isbän. Der 1. Teil
der Zusammensetzung ist dunkel. Bei Henisch
1616. Wahrscheinlich liegt volksetymologische
Umgestaltung eines altem Wortes unter An-
lehnung an Bein vor. Aber daß gr. icxiov n.
«Hüftgelenk» verwandt sei, ist nicht sicher.
Eisen, n. : das bekannte Metall und daraus
Verfertigtes. Mhd. tsen, ahd. isan n., mit
Ausstoßung eines r statt des ebenfalls ge-
läufigen mhd. isern, ahd. isarn; dazu asächs,
Isarn, ndl. ijzer, afries. Isern, ags. Isern, Iren,
engl, iron, anord. Isarn, got. eisarn n. Wahr-
scheinlich entlehnt aus dem Keltischen, wie
bei dem anord. jarn, schwed. järn, dän. jern
n. eine Entlehnung aus dem jungem Kel-
tischen (altir. iarn) stattgefunden hat. In
der Wurzelsilbe kaum verwandt mit ahd. er,
got. aiz n, «Erz» (s. d. und ehern). Eine
nicht wahrscheinliche Etymologie bei Much
ZfdA. 42, 164. S. auch eisern. ZUS. Eisen-
hahn, f. Um 1830 erscheinend. Eisen-
heißer, Eisenfresser, m.: einer, der sich
seiner Kriegstaten liihmt, Prahlhans. Eisen-
heißer bei Murner Schelmenz. 11, mhd. tsen-
M^; Eisenfresser bei Luther 1, 388^ u. ö. Nach
mhd. isen e^^en, isen freß^en, von Kriegern,
die sich selbst vor dem Härtesten nicht scheuen.
eisen, v. : zu Eis erstarren, mhd. isen, ahd.
isen; das Eis auf-, abschlagen (bei Adeliuig).
Eisenhut, m. (-es): eine Giftpflanze. 1546
im Dioscoiides 127'' eisenhüttle. Mhd. isen-
huot m. ist «eiserner Helm».
Eisenkraut, n. (-es) : die Pflanze verbena.
Mhd. isenkrüt n., ahd. dafür isarna und isanina
f., eig. «die Eiserne», gemäß der lat. Benen-
nung ferräria (herha), gr. cibripixic f.
eisern, adj.: von Eisen; eisenhart. Mhd.
isernin, daneben von der Form iser gebildet
iserin, isern und von isen aus isenin, ahd.
isarntn, isamn; dazu asächs. Isarnin, ndl.
ijzer en, ags. Isen, Iren, got. eisarneins. Alter-
nhd. auch eisen (zuweUen bei Luther).
eisig, adj.: voll Eis, beeist; eiskalt. Mhd.
isec; dazu ndl. ijzig, ags. tsig.
Eiß, m. {-es, PI. -e), auch Eiße, f. (PL
-n): Blutgeschwür, s. Eiter.
EiSTOgel, m. : Art smaragdgrüner Wasser-
vögel. Mhd. isvogel, ahd. isfogal m. Der
Name, weü der Fische fressende, an Bächen
nistende Vogel nach der Sage zur Winterzeit
brütet.
eitel, adj.: leer; gehalt-, wertlos; gehalt-
lose, hohe Meinung von sich oder Eignem
habend; nichts seiend als. Davon das Adv.
eitel «nichts als, nichts mehr als»; vielfach
vor Substantiven, z. B. eitel Brod und in dem
Eigennamen Eitelfritz «allein Fritz». Mhd.
itel, ahd. ital <:<leer, ledig, nichtig, rein, nichts
als — seiend»; dazu asächs. idal, ndl. ijdel,
ijl, ags. idel, engl, idle «leer, nichtig». Als
429
Eiter
■el
430
ursprüngliche Bedeutiuig nehmen viele «glän-
zend, nur scheinend» an und vermuten dann
Zusammenhang mit gr. aiGeiv «brennen», aind,
idh «leuchten». Doch ist das wenig wahr-
scheinlich. Die Bed. «eingebildet» erscheint
erst im 18. Jh. ABL. Eitelkeit, f., mhd.
itelkeit «Nichtigkeit», auch schon «leerer
Hochmut», auf ein von ttel abgeleitetes Adj.
ttelec zurückgehend.
Eiter, m. (-s): sich beim Schwären bil-
dende Flüssigkeit. Älternhd. meist Neutr,
(bei Luther, noch bei Opitz [Amst.] 3, 150),
dagegen bei Schottel und Stieler Mask. Mhd.
eiter, ahd. eitar n; dazu and. ettar, ndl. etter
m., ags. ättor, engl, atter, anord. eitr n.,
schwed, etter n., dän. edder m. «Gift, Eiter».
Mit unverschobenem t wegen der ursprüng-
lichen Lautfolge tr wie in hitter, lauter, Otter.
Daneben ohne ableitendes r und mit ver-
schobenem t mhd.-ahd. eiß, ei^e m. «Eiter-
beule, Geschwür», noch jetzt obd. Eiß, Eiße.
Verwandt sind wohl lett. idra f. «das faule
Mark eines Holzes» oder gr. oiboc n., olb|ua n,
«Geschwulst». Vgl. Bezz.Beitr. 27, 172 und
Walde, s. aemidus. ABL. eiterig, adj. Mhd.
eiter ec, ahd. eitarig «giftig», and. ettar ag.
eitern, v. Mhd. eitern «vergiften». ZUS.
Eiternessel, f.: die kleine Brennessel, Urtica
minor. Mhd. eiterne^^el, ahd. eitarnezzila f.,
ursprünglich s. v. a. «Giftnessel, Geschwür
erzeugende Nessel».
Eiweiß, n. (-es) : das Weiße des Eis. Bei
Adelung 1793, während früher Eierweiß n.
(1557 bei Heußlin Vogelbach 135^) vorkommt.
Vgl, Eierklar.
Ekel, m. (-s): widrige (urspr. Brechreiz
anregende) Empfindung wovor; Gegenstand
des Abscheus. Dazu das Adj. ekel, «Ekel
empfindend; kleinlich wählerisch im Genuß».
Von ekeln, unpers. Verb, (mit Dat., seltner
Akk.): Ekel erwecken, zum Ekel stimmen.
Zuerst 1517 bei Trochus Prompt. Q8'' eckel,
dann bei Luther Ekel [Ecket), das Adj. ekel
und ekeln. Dafür im Obd. ercken (1541 bei
Frisius 362^ und 578% und 1561 bei Maaler,
auch abgeleitet erckelen (noch jetzt Schweiz.
erkele) «Unwillen und Abscheu vor etwas
haben», schon mhd. erklich «leidig, zuwider»;
dazu engl, irk «verdrießen, unangenehm sein»,
irksome «verdrießlich». Luthers Formen
stehen wohl mit obd. erkeln in Zusammen-
hang, sind aber beeinflußt durch mnd. egelen,
echelen (eichelen) «verdrießen». Dies steht
wieder in einem, allerdings lautlich nicht
klaren Zusammenhang mit dem urspr. ober-
deutschen heikel (s. d.). Vgl. noch Schroe-
i der Btr. 29, 557, der ekeln auf ein *aiwilön
(zu got. aiwiski «Schande») zurückführt.
Andi-e ziehen kaum mit Recht ags. äcol «be-
stürzt, erregt» heran. Helvig 1611 hat noch
Eckel und Egel, auch Eickeln (Ekel als
sächsisch), auch Henisch 1616 Eckel, Eickel
! und Egel. Die Form Eckel (Schottel 1668
i Ekkel, Duez und Krämer Eckel, Stieler aber
1691 Ekel) erhält sich bis ins 18. Jh. (noch
bei Lessing und Herder). ABL. ekelhaft,
adj.: Ekel gegen sich erweckend; zum Ekel
geneigt. Bei Henisch 1616. eklig, adj.:
'leicht Ekel erweckend, widerwärtig; leicht
empfänglich für Ekel. Bei Henisch 1616
eklicht (schon thüringisch im 15. Jb. echlig,
Thür. Rechtsd. 1456, vgl. oben erklich).
Ekelname, m.: Beiname zui- Beschim-
pfung. Mit Anlehnmig an Ekel entstellt aus
nd. ökelname, mnd. okelname m.; dazu anord.
aukanafn, schwed. öknamn, dän. ögenavn n.
«Beiname». Zusammenges. mit asächs. ökian,
anord. auka, got. aukan «mehren» (s. auch).
eklatant, adj. u. adv.: laut und öflent-
lich; glänzend; Aufsehen erregend. Dfcs gleich-
bed. franz. eclatant, eig. Part, von eclater
«zerspringen, ausbrechen, ruchbar werden,
glänzen». Bei Sperander 1728.
eklektisch, adj.: auswählend, prüfend.
Aus gr. dK\eKTiKÖc «auslesend», von i.KXife\v
«auslesen». 1710 bei Thomasius Hofphilo-
sophie 50.
eklig, s. Ekel.
Ekliptik, f.: die sog. Soimenbahn, der
Tierkreis. Aus lat. ecliptica f. (nämlich linea),
dem Fem. des gr.-lat. Adj. eclipticus, gr.
^KXeiTTTiKÖc «mangelhaft». 1668 bei Erasm.
Francisci ost- u. westind. Staats- u. Lust-
garten 3, 1659^'. Das Wort wurde von der
Sonnenbahn deshalb gebraucht, weil in ihr
die Eklipsis, gr. CKÄenvic f. «das Abnehmen
oder Verschwinden (gr. ^KXeiiTeiv eig. «aus-
lassen») des Sonnen- oder Mondlichts, d. h.
Sonnen- oder Mondfinsternisse, vorkommt.
Ekstase, f.: Ent-, Verzückung. Aus dem
kirchlichen gi".-lat. ecstasis, gi'. Ikctocic f.
«Entzückung», urspr. «das Rücken von der
Stelle». Im 18. Jh. entlehnt (Schubart 2, 30).
Dazu das Adj. ekstatisch, 1759 bei Wie-
land Cyrus 1, 402.
-el, die oberd. Verkleinerungssilbe d. Subst.,
mit doppelter Verkleinerung -eichen (s. chen)
bei Subst., die auf ch (aber nicht seh) und
431
Elaborat
Elend
432
g auslauten, z. B. Bächelchen, Sprüchelchen,
Dingelchen, Jüngelchen, Trögelchen, Wägel-
chen, oft mit einem gewissen Anstrich des
Vertraulichen, z. B. Hänselchen (Voß Luise
1, 669). Mhd. -ele, -el, ahd. -ili, in ältrer
Zeit auch beim Mask -ilo, beim Fem. -ila,
got. beim Mask. -ila (z. B. in Attila, s. Atte),
beim Fem. -ilö, beim Neutr. -ilö. Vgl. -lein.
Elaborat, n. (-[e]s, PI. -e): Ausarbeitung,
Vorlage, mit etwas verächtlichem Nebensinn.
Aus neulat. elaboratum n. «das Ausgearbeitete»,
dem Part. Perf. Pass. von lat. elaböräre «aus-
arbeiten». Noch nicht bei Campe.
Elan, m. (-s): Schwung, Ungestüm. Aus
gleichbed. franz. elan m. Neue Entlehnung.
elastisch, adj. u. adv.: spann-, feder-
ki-äftig, prall. Nach franz. elastique, das auf
einem neulat. elasticus beruht, gebildet von
gl'. dXaüveiv «antreiben, in Bewegung setzen».
1716 in Wolffs mathemat. Lexik. — Elasti-
zität, f.: Schnell-, Spann-, Federkraft. Nach
franz. elasticite f., nlat. elasticitas (1727 bei
Hübner).
Elbe, f.: Name eines deutschen Flusses.
Mhd. Elhe f., germ.-lat. Älhis m., czech. Labe
n., poln. Laha f. Vgl. anord. elf f., schwed.
älf, dän. elv m. «Fluß», gr. A\qpeioc.
Elch, m. (-es, PI. -e), bei Rückert Elk:
Elentier, eigentümliche Hirschart, hos cervi
figura (Cäsar). Aus mhd. elhe, eich, ahd.
elaho. Dazu ags. eolh, anord. elgr, schwed.-dän.
elg m. und weiter kelt.-lat. alces, gr. a\Kr\ f.,
russ. lost m. «Elentier», aind. fgjas m. «Anti-
lopenbock», pamir. rus «wildes Bergschaf».
Da das Tier aus Deutschland im wesentlichen
verschwand, wurde das Wort durch das
slavische Ele?i (s. d.) verdrängt, aber in neurer
Zeit wieder aufgenommen.
Eldorado, n.: fabelhaftes Goldland; Land
des Glückes, Paradies. Das span. el dorado
d. i. das vergoldete, seit der Conquistadoren-
zeit im 16. Jh. das in Venezuela am sagen-
haften See Parime gesuchte Goldland.
Elefant, m. (-en, PI. -en): das größte
Landtier, lat. elephas. Mhd, elefant, elfant
(mit Anlehnung an helfen), helfant, ahd. ela-
fant, helfant m.; mit ags. ylpend, elpend m.
entlehnt aus gr.-lat. elephas (Gen. elephantis),
gr. e\^9ac (Gen. dX^qpavxoc) m. Bei Luther
und sonst oft nhd. nach dem gr. Elephant.
S. Elfenhein und Kamel.
elegant, adj. u. adv.: auserlesen, ziei-hch,
geschmackvoll. Aus franz. elegant nach lat.
elegans (Gen. elegantis) «wählerisch, fein, ge-
schmackvoll». Erst im 18. Jh. — Eleganz,
f.: Auserlesenheit, Zierlichkeit. Aus dem
gleichbed. franz. elegance, lat. elegantia f.
Schon bei Rot 1571.
Elegie, f. (PI. -w) : Gedicht, dessen Grund-
ton Wehmut und Zärtlichkeit ist; Klagege-
dicht. Aus gr.-lat. elegia, gr. iXe-^eia f. «Ge-
dicht in Distichen». Schon 1517 elegi (Voca-
bula pro juventute 2S^). — elegisch, adj.:
wehmütig, zärtlich, in der Empfindung weich,
empfindsam. Nach dem gleichbed. gi'.-lat.
Adj. elegiacus. Im 18. Jh.
elektrisch, adj.: das Vermögen besitzend,
infolge des Reibens leichtere Körper anzu-
ziehen und bei Annäherung andrer einen
knisternden Funken zu erzeugen. Nach franz.
electrique, neulat. electricus, das auf gr.-lat.
electrum, gr. rjXeKTpov n. «Bernstein», zuiiick-
geht. 1721 bei Jablonski, Elektrizität, f.
Nach franz. electricite f. 1744 bei Picander
5, 176. elektrisieren, v,: Elektrizität er-
regen oder mitteilen; (bildlich) durchblitzen,
lebhaft befeuern. Aus dem gleichbed. franz.
electriser. Bei Picander a. a. 0.
Element, n. {-es, PI. -e): UrstoflF, Grund-
bestandteil; Lebensstoff". Der Plur. Elemente
«Anfangsgründe». Schon mhd. dement n.,
aus lat. elementum n. «Urstoff"», dessen Ur-
sprung dunkel. Vgl. Diels Elementum. Älter-
nhd. im Plur. auch Elementen (Brockes 3, 37).
ABZ;, elementar, früher elementärisch
(17. Jh.), adj.: urstofflich, uranfänglich; den
Anfangsgiünden gemäß. Nach lat. elemen-
tärius «zu den Anfangsgründen gehörig».
Bei Heynatz 1775,
Elen, m. {-es, PI. -e), Elentier, n.: größte
Hirschart. Älternhd. Elend (Luther 5. Mos.
14, 5), Eilend und zusammenges. Elendthier;
dazu ndl. eland m. Mit angetretenem d (das
in Elentier später wieder unterdrückt wurde)
aus lit. elnis, abg. jelem m. «Hirsch», die
verwandt sind mit gv. ^\Xöc aus *i\v6c m.
«Hirschkalb», kymr, elain «Hinde».
Elend, n. {-es): (veraltet) Land der Ver-
bannung, wie diese selbst; hilfloser Zustand;
größte Bedrängnis und Beschwernis. Von
elend, adj.: ganz verlassen; völlig hilflos
und beklagenswert. Das Subst. älternhd,
auch noch Elende (Logau 1, 46). Das Adj.
ist mhd. eilende, auch endende, ahd. dilenti,
urspr. «im andern Land, fem von der Hei-
mat», dann «fremd, verbannt, hilfsbedürftig,
jammervoll»; dazu asächs. elilendi, ags. eilende
«fremd». Zusammenges. aus ahd. eli-, ali-.
433
elendig
Ellipse
434
das zu got. aljis, ags. elles («anders», engl.
eise), lat, alius, gr. äWoc, altir. aile «ein
andrer» gehört (auch in Elsaß, mlat. Älisatia,
zu ahd. Elisäß^o «der dmben, am andern
Ufer Wohnende») und dem von layit gebildeten
-lenti. Davon substantiviert mhd. eilende,
ahd. elilenti, asächs. elilendi n., ndl. eilende f.,
urspr. «Fremde, Aufenthalt in der Fremde»,
dann «Bedrängnis, Not». ABL. elendig,
adj., mhd. ellendec, dazu ndl. ellendig.
elendig, s. Elend.
Eleonore, Frauenname, verkürzt Lenore,
Lore. Aus mengl. Alienor, Eleanor mit ge-
lehrter Anlehnung an gi". eXeoc m. «Erbannen,
Mitleid», gleichsam die Barmherzige.
Elephant, s. Elefant.
Elf, m. (-es, PI. -e): Nachtgeist, böser
Neckgeist. Die neben dem deutschen Alp
(s. d.) eingeführte engl. Form elf, s. Elfe.
elf, Zahlwort. Älternhd. eilf (noch bei
Adelung, während Frey er 1722 elf verlangt,
das schon Schottel 1663 kennt). Mhd. eilf, zu-
sammengez. aus einlif eilif, ahd. einlif; dazu
asächs. (mit Angleichung des n) elletan, ndl.
elj, afries. andlava, ags. endleofan, engl, elleven,
anord. ellifu, schwed. ellofva, elfva, dän. elleve,
got. ainlif (Gen. ainlihe). Zusammenges. aus
ein und dem nui- noch in zwölf (s. d.) vor-
liegenden -lif, das eine Entsprechung im Lit.
hat, wo die Zahlen von 11 — 19 mit -lika
gebildet werden (vienolika 11); dies gehört
zu lat. linquere «übrig lassen», also eig.
(zehn und) eins darüber. Das f ist aus dem
Guttural wegen des w in zwölf entstanden
und auf elf übertragen. ABL. Elfer, m.:
die Zahl oder Ziffer 11; Mitglied einer aus
1 1 Männern zusammengesetzten Behörde, mhd.
einlifer ; der 1811 gewachsene vorzügHcheWein.
eifern, v.: zu Zweien mit (40) deutschen
Karten ein Spiel spielen, bei dem der, welcher
11 Stiche und dariiber macht, gewinnt. Bei
Wei£e kom. Opera 2, 128 eilfern, elfte,
Ordnungszahlwort. Älternhd. eilfte, mhd.
eilifte, einlifte, ahd. einlifto, asächs. ellifto,
ndl. elfde, ags, endhjfta, cendlyfta.
Elfe, f. (PI. -n): leicht im Reihentanz
über Blumen und Gras schwebendes geistiges
Wesen. Neben mhd. elbe f., weibliche Bildung
zu Alp (s. d.), entlehnt aus engl, elf, ags.
celf f. Zuerst bei Wieland in der Übersetzung
von Shakespeares Sommeniachtstraum 1764
und dann öfter von ihm gebraucht.
Elfenbein, n. (-s): Masse der Stoßzähne
des Elefanten. Bei Luther (Hohelied 5, 14)
Weigand, Deutsches Wörterbnch. 5. Anfl.
Elphenbein, mhd. dafür helfenhein, mit aus-
gestoßenem t für ahd. helphanthein, s. Elefant.
ABL. elfenbeinen, elfenbeinern, adj.,
mhd. Jielfenheinin, ahd. helphantbeinin.
Elfer, elfte, s. elf
Elisabeth, Frauenname, Schweiz. Elsbeth.
Mhd. Elizabeth, md. Elsebet, aus dem bibli-
schen gr.-lat. Namen Elisabeth, biblisch-gr.
'EXicdßeT, von hebr. Elischeba 2. Mos. 6, 23
d. h. «Gott der Eid» = «der (die) bei Gott
schwört, Gott verehrt», von hebr. el «der
(die) Starke, Gott», und schäba" (hiph.)
«schwören». Im Nhd. gekürzt Elise; im Mhd.
tritt seit dem 14. Jh. als Koseform zu jenem
Elsebet der Name Else auf, Dim. Elslin,
später auch Elßlin (s. Ilse).
Elixir, n. (-S, PI. -e): Kraft-, Heiltrank.
Aus spätmhd. elixir e, elixirium n., das zu-
lückgeht auf arab. el iksir «Stein der Weisen»
u. ä. (aus gl'. ?ripöv n. «trockenes Mittel»).
Schon 1562 bei Mathesius (Sarepta 43*).
Ellbogen, s, Ellenbogen.
Elle, f. (PI. -n): Längenmaß von 2 Fuß.
Mhd. eile, assimihert aus eine, auch elen, ele
(woraus die nhd. Nebenform Ehle, nachitd elung
ebd.), ahd. eliiia. elna, elin f.; dazu and. elma,
ndl. eile, el, ags, ein, engl, eil, anord. öln,
schwed. aln, dän. alen (aus '^aluna), got. aleina
f. «Elle», urspr. aber die Länge des Vorder-
arms. Verwandt ist gi*. ujXevri f. «Ellenbogen»,
lat. ulna f. «Ellenbogen, Elle», altir. uile n.
«Ellenbogen», npers. ära« «Elle». Weitresbei
Walde s. v. ulna. Lis Roman, eingedrungen als
ital, alna, franz, aune f, «Elle», ZUS. Ellen-
bogen, m,, auch Ellbogen (Goethe 44, 887):
Gelenk zwischen Ober- und Unterarm. Mhd.
ellenboge, elenboge, ahd. elUnbogo und elinbogo
m., auch elinboga f.; dazu ndl. elleboog, ags,
elnboga, engl, elbow, anord. ölnbogi, dän. aXbiie
m. Zusammenges. aus ahd. elina, hier «Unter-
arm», und bogo ra. «Biegung».
Eller, f.: Erle (s. d.). Aus dem Md,-
Ndd., mnd. ehe f., auch 1663 bei Schottel
{Ellern, Ellerbautn) angeführt.
Ellipse, f. (PI. -n): Auslassung von
Worten, die der grammatischen Vollständig-
keit wegen in Gedanken zu ergänzen sind;
Langkreis, d. h. ein in Hinsicht der strengen
Rundung mangelhafter Kreis. Von gr.e\\e\\\i\c,
eig. «das Ermangeln», dann «Auslassung im
Satze», so auch lat. ellipsis f. Im 18. Jh.
— elliptisch, adj., nach gr.-nlat. ellipticus,
gr. ^XXeiTTTiKÖc, eig, «mangelhaft». 1658 bei
Harsdörffer mathem. Erquickstunden 2, 266,
28
435
Eloge
Erneute
436
Eloge (spr. elöze), f. (PI. -n) : Lob, Lobes-
erhebung. Aus gleichbed. franz. eloge m., das
aus mlat. eidogium n., gr. eüXoTia f. stammt,
zusammenges. aus eu «gut», und XoYia von
XÖToc «Rede». Bei Koth 179L
Elritze, f. (PI. -n): ein fingerlanger,
bittrer Backfisch. 1563 in Forers Fisch-
buch 159* «in Meyssen und Saxen Eideritz,
Elritz». Abgeleitet von Mler = Erle, wie
der Fisch auch daneben Erlitze (um 1480
im Voc. ine. teut. c 2* erlitz) und Erling,
mhd.-ahd. erlinc heißt; er hält sich gern
unter den an Bachufern stehenden Erlen auf.
Eisbeere, f. (PI. -%): schwarze oder
schwärzhche Beere mehrerer Baumai"ten,
namentlich von prunus padus. In Luthers
Briefen Eisheer. Wahrscheinlich aus dem
Ndd,; mnd. eise f., eig. Erle (s. Else), be-
zeichnet auch mehrere andre Baumarten, z. B.
den Faulbaum. Vgl. franz. alize f. «Eisbeere».
^Else, f., ein Fisch, aus Älose (s. d.).
2 Else, f. (PI. -n): Erle. Aus dem Nd.
(schon mnd. eise f., auch ndl. eis f., elzen-
hooni m,), von Norddeutschen (Schmidt von
Werneuchen Ged. 53, 146) gebraucht. Ein
andd. *alisa, *elisa, das mit ursprünglichem s
zu Eller (s, d.) gehört, ist ins Romanische
gedi'Ungen, span, aliso m. «Erle», vgl. auch
Eisheere.
^Else, Frauenname, s. Elisabeth und Ilse.
Elster, f. (PI. -n): weiß und schwarzer,
langgeschwänzter Vogel vom Rabengeschlecht.
Mhd. elster, zusammengez. aus egelster, da-
neben agelster, aglaster, agelaster (noch 1642
die Agelaster bei Tscherning Ged. Frühl. 138),
ahd.agalstra,agalstera, agelstra f. nebst andern
Nebenformen. Nicht zu trennen sind davon
ahd. agazza, and. agastria, mnd. egester, nd.
aakster und ekster, ags. agii f. und mhd. atzel.
Vergleiche über die verschiedenen Formen
Bruinier KZ. 34, 844, Die etymologische
Ableitung des Wortes ist noch dunkel, ins-
besondere ist es zweifelhaft, ob man von
einem ursprünghchen Wort auszugehen hat,
das lautlich oder volksetymologisch umge-
staltet ist, oder ob verschiedene Ableitungen
von einem Stamme vorliegen, oder ob sich
schließlich verschiedene Worte beeinflußt
haben. Vielleicht liegt eine Form *agarstria
zugrunde, dessen r teils zu l wurde, teils
schwand. Ätzel ist dazu Koseform und ags.
agu, das auch mhd. als age belegt ist, Kurz-
form. Neben der Form mit vokalischem
x\nlaut stehen auch solche mit h wie obd.
hätz, Jietzel, ndd. häkster, heigster, heister.
Bei Luther finden wir Aglaster, sonst älter-
nhd. oft Alster, worauf die Schreibung Älster
(bei Adelung) beruht. ZUS. Elsterauge,
n.: Leichdorn. 1716 bei Ludwig.
Elter, f.: Großmutter; Hebamme. Im
Hessischen, wo mit Lautangleichung eller
gesprochen wird. Wohl Kürzung aus Elter-
mutter, mhd. eltermuoter f. Auch Eller m,
«Großvater», gekürzt aus mhd. eltervater m.,
kommt vor.
Eltern, pl.: Vater und Mutter. Mhd.
eitern, meist altern, ahd. eltiron, altiron, der
Nom. Plur. von altiro «älter», Kompai'ativ
von alt, der hier substantivische Bed. ange-
nommen hat, vgl. Jünger; dazu asächs. eldiron,
ndl. oudern, ouders, afries. aldera, ags. eldran,
yldran (im Sing, yldra m. «Vater») Plur.
«Eltern», Der Umlaut ist hier in ältrer Weise
durch e bezeichnet (Adelung verlangt Altern).
ABL. elterlich, adj. Bei Stieler 1691,
Elysium, n,: Wohnort der Seligen im
Totenreiche. Das gr.-lat. elysium n. Davon
elysisch, adj,, 1575 bei Fischart Garg. 216
elisisch, 1694 bei Leibniz Deutsche Sehr, 2, 463
elyseisch.
Email, n. (-s), Emaille, f.: Schmelz,
Schmelzglas. Aus gleichbed. franz. email m.,
das aus dem Germanischen stammt, vgl. ags.
smelt, d, schmelzen. 1727 bei Hübner, ABL.
emaillier eu. Bei Nehring 1710.
emauzipiereu, v.: freilassen zur Gleich-
berechtigung, Aus lat, emancipäre. Im 17. Jh,
entlehnt. EmauzipatiÖU, f.: Freilassung.
Aus lat. emancipätio f. Schlagwort für die
Fraueuemanzipation seit 1831. A'^ gl. Laden dorf,
EmM^m, n. {-s, PI. -e): Sinnbild, Keim-
zeichen. Aus lat. emhlema, gr. g|aß\Ti|na n,,
«eingelegte Metallarbeit», zusammenges. aus
^v «in» und ßX.f||aa, einer Ableitung von
ßotWeiv «werfen». 1703 im Zeitungslex. em-
hlema «ein Sinnbild mit einem kurtzen Spruch
begleitet».
emeudiereu, v.: berichtigen, bes. Fehler
in einem Buche. Aus lat. emenääre. Im
18. Jh. entlehnt (Heynatz 1775).
emeritiereu, v.: für ausgedient (lat.
enieritus) erklären. Im 18. Jh.
Emeß, n. (-es, PI. -e): lederner, dann
auch eiserner Ring unten am Joch, der die
Deichsel daran festhält, Jochring, Am Mittel-
rhein und in Hessen. Dunkler Herkunft.
Euieüte, f*. (PI. -n): Aufstand, Meuterei.
Aus gleichbed. franz. emcMfe f. Bei Campe 1813.
437
emigrieren
Emphase
438
emigrieren, v.: auswandern. Aus dem
gleichbed. lat. emigräre. Bei Roth 1791.
Emigrant, m. (-en, PI. -en): Vaterlands-
flüchtiger. Aus dem Part. Praes. lat. emigrans
(Gen. emigrantis). Bei Heynatz 1775.
Emil, Mannsname, aus franz. Emile, dies
aus dem lat. Namen Äeniilius, aus dessen
Fem. Aemilia der franz. Frauenname Emilie,
woraus bei vms Emilie.
Eminenz, f.: Erhabenheit, als Titel bei
Kardinälen usw. Aus lat. eminentia f., von
eminer e «hervorragen». Schon 1617 im Teut-
schen Michel 49.
Emir, m. (-s, PI. -e): arabischer Fürst.
Das arabische emfr, ('amir) «Befehlshaber», von
'amara «befehlen». Bei Sperander u. Apinus 1728.
Emissär, m. {-s, PI. -e): Geheimbote,
Kundschafter. Aus franz. emissaire, von lat.
emissärius m., eig. «Ausgeschickter». Bei
Sperander 1728 noch Emissaire. Emission,
f. (PI. -en): Ausgabe von Wertpapieren. Aus
franz. emission f. und dies aus lat. emissio f.
«das Heräussenden», abgeleitet von e «aus»
und missio von mitter e «senden». Neuere
Entlehnung.
Emma, Frauenname. Ahd. Emma; wie
Imma assimiliert aus Erma, Irma, der Kose-
form zu den mit Irm- gebildeten Namen
(Irmgard, Irmtrud).
Emmerling, veraltete Schreibung für
Ämmerling, s. Ammer.
empfahen, s. empfangen.
Empfang, m. (-es). Mhd. enpfanc, ge-
wöhnlich anpfanc, antvanc, ahd. antfanc m.
Von empfangen, v. (Praet. empfing, Part.
empfangen) : entgegennehmen, an sich nehmen,
in sich ein oder aufnehmen. Mhd. dafür
enpfähen, enpfan, mit Assimilation aus ent-
fahen, entfän (Prät. enpfienc, enpfie, Part.
enpfangen), ahd. intßhan; dazu asächs. ant-
fähan, ndl. ont fangen, ags. onfön. Älternhd.
im Präs. empfahen, empfahl, was sich als
poetische Form erhalten hat (oft beiKlopstock,
Wieland, Goethe, Platen, Uhland, Rückert); die
Form empfangen stammt aus dem Nd. (schon
mnd. entvangeri neben entvän) und kommt
vereinzelt bereits bei Luther vor. Vgl. fangen.
ABL. Empfänger, m. (-s, PI. wie Sg.).
Dafür mhd. enpfälmre m. empfänglich,
adj., mhd. enpfenclich, früher anpfanclich,
ahd. anffandih. Davon Empfänglichkeit,
mhd. enpfenclicheit f. Empfängnis, f., mhd.
enpfencnisse, ahd. intfancnissa f. «Entgegen-
nahme». Die jetzige Bed, bei Luther.
Empfehl, m. (-es, PI. -e). Im 18. Jh. aus
dem Obd. aufkommend (schon bei N. v. Wyle
232, 9. 274, 2 enpfelch). Von empfehlen, v.
(Prät. empfahl, Konj.empföhle, Part, empfohlen):
zu Sorge, Gunst oder Geneigtheit über- oder
dargeben. Mhd. enpfelhen, mit Assimilation
aus entfelhen, md. auch enpfelen, zusammenges.
aus ent und felhen, ahd. felahan (s. Befehl),
urspr. also s. v.a. zur Bewahrung (Verbergung)
dargeben, zur Besorgung übergeben; dazu mnd.
ent feien «übertragen». Das Prät. lautet mhd.
empfalch, Plur. empfulhen (auch empfälhen),
Konj, empfülhe, danach nhd. empföhle, und
auch im Indik. früher empfohl (Lessing 6, 1,
Schiller 7, 56). ABL. Empfehlung, f.,
1 spätmhd. enpfeUmng f.
1 empfinden, v. (Prät. empfand, Part,
empfunden): mittels der Nerven wahrnehmen;
! Gefühl wofür haben. Mhd. enpfinden, mit
I Assimilation aus entfinden, ahd. intfindan;
! dazu asächs. anifidan, antfindan, ags. onfindan.
ABL. empfindbar, adj.: sich empfinden
lassend ; (früher auch) empfindend, empfindsam.
Im 18. Jh. (Lessmg 3, 337). empfil^eln, v.:
in kleinlicher Weise, übertrieben empfindsam
sein. Bei Adelung 1774. Davon Empfindelei,
f. empfindlich, adj.: zu empfinden fähig,
mhd. enpfintlich, ahd. (bei Notker) inphintlich
«der Empfindung leicht zugänglich; zu übler
Empfindung geneigt (bei Stieler 1691); an-
greifend auf die Empfindung wirkend» (bei
Frisch 1741). Davon Empfindlichkeit, f.
Mhd. enphintlicheit f «Wahrnehmung». Emp-
findnis, f.: Empfindung (frühnhd.); angrei-
fende, auf den Köi'per wirkende Seelenbe-
wegung (Schiller Räuber 2, 1). empfindsam,
adj.: zartfühlend, überzärtUch empfindend,
sentimental, um die Mitte des 18. Jh. auf-
gekommen, schon vor Bodes Übersetzung
von «Yoricks empfindsamer Reise» 1768, in
einem 1771 gedruckten Briefe der Frau
Gottsched aus dem J. 1757 und öfter in der
1762 zu Leipzig bei Weidmanns Erben er-
schienenen Landbibliothek. Davon Empfind-
samkeit, f., öfter 1762 in der Landbibliothek
(s. Gombert 8, 16 fg.). Empfindung, f.
Spätmhd. inphmdunge f. «Erfahrung».
Emphase, f. (PI. -n): Nachdruck im
Reden, Gewicht des Ausdrucks. Aus lat.
emphasis, gr. ?|Li(pacic f. «Schein, Verdeut-
lichung, Nachdnick». Bei Sperander 1728
noch in der lat. Form, emphatisch, adj.
Nach gr. ^inqpariKÖc «veranschaulichend, nach-
drucksvoll». 1700 beiZeidler Sieben Teufel 105.
28*
439
Empirie
Eudivie
440
Empirie, f.: Erfahrung, Erfahrungswissen.
Aus gr. ^lUTreipia f. «Erfahrung». Im 18. Jh.
empirisch, adj.: erfahrungsgemäß. Nach
Campe bei Moritz. Nach gr. ^laireipiKÖc, von
diesem auch Empiriker, m. (s, PI. wie Sg.):
Erfahrungsarzt, einer, dessen Wissen mid Han-
deln auf Erfahrang beiiiht. 1710 beiNehring
enipiriats «ein Marktschreyer, Storger» (von
Kurpfuschern).
empor, adv. : in die Höhe, zur Höhe.
Bei Luther, aus dem sonst im altern Nhd.
häufigen entbor. Mhd. eiibor, enhore, ab-
geschwächt aus ahd. in bor, in bore «in der
Höhe, in die Höhe», einer Verbindung der
Präpos. in mit dem Akk. und Dat. von
mhd. -ahd. bor f. «Höhe, oberer Raum», das
mit mhd. bürn, ahd. burian «erheben» wohl
zu ahd. beran «tragen» gehört. Vgl. Borkirche.
Empöre, f. (PI. -n)-. erhöhter Raum,
namentlich in der Kirche. Erst bei Campe
1807, wohl abgekürzt aus Emporkirche, s.
Borkirche imd empor.
empören, v.: erheben; aufbringen im
Gemüte. Refl. sich e.: sich erheben, bes.
feindlich gegen Obere. Mhd. enboeren, urspr.
entboeren, zusammenges. aus e7it-, gekürzt en-,
und einem von mhd. bor m. «Trotz, Wider-
setzlichkeit» abgeleiteten beeren, das auch in
spätahd. aneboren «aufstehen wider — », sich
findet, und mit mhd. bor «Höhe» (s. empor)
in Ablaut steht. ABL. Empörer, m. {-s,
PI. wie Sg.), bei Henisch 1616. Empörung,
f., bei Luther.
Emporkömmling, m. {-s, PI. -e): eine
in den 80 er Jahren des 18. Jh. geprägte
Verdeutschung des gleichbed. franz. parvenu,
und seit dieser Zeit als Schlagwoi't beliebt.
Vgl. Ladendorf.
Emse, s. Ameise.
emsig, adj u. adv.: beharrlich, ununter-
brochen tätig. Mit s für ß (ältermhd., auch
zuweilen bei Luther noch emßig) aus mhd.
eme^^ic, em^ic, ahd. emeg^ig, emag^ig, emi^^ig;
awajjigr «fleißig, fortwährend, ununterbrochen»,
das zurückgeht auf das Adj. ahd. emi^, ema§,
mhd. eme^ (in dem Adv. emegUche, eme^lichen)
«beständig, immerwährend». VonKlugeZfdW.
7, 170 zu lat. amäre «lieben» gestellt unter
Hinweis auf die Bedeutungsentwicklung von
lat. diligens, düigenter. Eher zu anord. ama
«belustigen, bemühen», aind. ämUi «dringt
an, bedrängt, versichert eindringlich», aind.
amas, aw. ama- m. «Kraft, Stärke, Macht»,
wozu dann auch lat. amäre gehören kann.
Zusammenhang mit Ameise besteht nicht.
ABL. Emsigkeit, f., spätmhd. em^icheit f.
Ende, n. (-s, PI. -n): das Letzte von
etwas, in Raum oder Zeit; Zacke am Hirsch-
geweih; Letztes einer Erstrebung. Mhd. ende,
ahd. enti m. n.; dazu asächs. endi m., ndl.
einde n., ags. ende m., engl, end, anord. endir,
endi m., schwed. ände m. und ända f., dän.
ende, got. atideis m. Verwandt ist aind. antas
m., antam n. «Ende», xgl.antjas «der Letzte»,
gr. övTioc «gegenüberbefindlich», lat. antiae
«Haare in der Stirn», ir. et «Ende, Spitze»,
etan «Stirn». Der Plur. lautet älternhd.
Ende, seit dem 17. Jh. Enden (Fleming
Ged. 664, bei Stieler 1691 Tiichenden). ABL.
enden, v. Mhd. enden, ahd. enteön, enton:
dazu asächs. endiön, endön, ndl. einden, ags.
endian, anord. enda, schwed. ända, dän, ende.
— Ender, m., in Sechs-, Acht- usw. -ender.
Bei Stieler 1691. endigen, v. In Glossaren
des 15. Jh., abgeleitet von spätmhd. endec
«zu Ende kommend», endlich, adj.: am
Ende kommend; endgültig; ein Ende habend.
Das Adv. endlich: am Ende, zuletzt; nach
durchgeharrter Zeit. Mhd. endelich, ahd.
entlih (in unentUh), s. auch endelich. End-
SChaft, f., spätmhd. endeschaft f. Endung, f.
Spätmhd. endung ist «Beendigung»; in die
Grammatik hat Schottel den Ausdruck ein-
geführt. ZUS. endgültig, adj.: zuletzt
gülti* bleibend. Neues Wort, bei Campe 1807
noch nicht verzeichnet, endlos, adj. u. adv.,
mhd. endelös. Endschluß, m.: Endurteil,
1670 bei Zesen Assenat 164, mit andrer
Schreibimg bereits 1626 in Stettiers Schweizer-
chronik 1, 398^ Entschluß. Endzweck, m.:
letzter Zweck, zu Anfang des 17. Jh. bei
Joh. Arndt wahr. Christenthum (s. Gombert
8, 19).
endelich, adj. u. adv.: zum Ende strebend
und eilend, ohne Säumen. Bei Luther (Spr.
Sal. 21, 5 und Luk. 1, 39), später veraltet,
aber von Goethe Faust 10067 (endlich vor-
geschritten!) wieder angewandt. Eig. iden-
tisch mit endlich (s. Ende), mhd. endelich
«zum Ende strebend, eilig, eifrig, tüchtig».
Endivie, f. (PI. -n): zu Salat dienende
Zichorienart. Aus ital.-span.-port.-mlat. en-
divia f., von einem lat. intibea, dem Fem.
eines von lat. intibus, intybus, intubus «Ci-
chorie» abgeleiteten Adj. intibeus. Mnd.
andivien, endiyien (Regel Arzneibuch S. 8),
seit dem 15. Jh. auch im Hd. nachzuweisen,
z.B. um 1400 enduvie Diefenb. gl. 202% 1460
441
Energie
Enkel
442
bei Pfolsprundt 11 antify, 1546 bei Bock 102^
Endivie.
Energie, f.: Tatkraft. Aus üsiüz. energie,
von gr. ^vepTeia f. ,<Tatki'aft». Im 18. Jh.
entlehnt (Wieland21,331). J.Bi>. energisch,
adj.: tatkräftig, dui'chgi-eifend. Nach franz.
energique. Nach der Mitte des 18. -Jh.
eng, früher auch enge. adj. u. adv. :
wenig Raum bietend. ^Ihd. enge, ahd. engi,
aiigi; dazu asächs. engi, ndl. eng, ags. enge,
ange, anord. öngr, got. aggwus. In der Wurzel
übereinstimmend mit lat. angustus «eng»,
angere «zusammendiücken», gv. ä^xeiv «zu-
schnüren», aind. ahüs «eng», aw. qzak n.
: Bedrängnis :>, abg. qziikü «eng», vgl. Angst.
ABL. Enge, f., mhd. enge, ahd. engi f.
engen, v., mhd.-ahd. engen, got. aggicjan
(in gaaggwjan). engern, v. : enger machen
(5. Mos. 27, IT). Von dem Komparativ ge-
büdet. ZUS. Engbrüstigkeit, f., 1541 bei
Frisius 504 b.
engagieren (spr. qgaztren), v.: verbind-
lich machen; anwerben; in Sold und Dienst
nehmen. Aus franz. engager, eig. «verpfän-
den», (davon engagement m., Avoraus Enga-
gement n.) zusammenges. aus en «in», und
dem von gage m. abgeleiteten afranz. gager
«pfänden». Beide 1694 bei Nehring.
Engel, m. (-5, PI. wie Sg.): Gott oder
dem Teufel dienstbarer Geist. Mhd. en^el,
ahd. engil, angil m. : dazu asächs. engil, ndl.
und ags. engel, engl, angel, anord. engül, got.
aggüus m. Entlehnt aus gr,-lat. angelus, gr.
ä-pfeXoc m. ■ Bote, Gesandter». ABL. eng-
lisch, adj., mhd. engelisch, nach gr.-lat. an-
geliciis. ZUS. Engelmacherin, f.: Weib,
das neugebome Kinder in Pflege nimmt, um
sie langsam verkommen zu lassen (zu Engeln
zu machen). Im 19. Jh. Engelsverstand,
ra.: äußerst heller, dm-chdringender Verstand.
Bei Campe 1807.
Engelsilß, n.: eine Farmki-autart mit
sehr süßer Wurzel, polypodium. Spätmhd.
engelsü€§e n.; dazu ndl. engelzoet n., dän.
engelsöd. Der Name wohl, weil die süße
Wurzel als Mittel gegen Schlaganfall im
Volksglauben von den Engeln gegeben schien.
engen, s. eng.
Engerling, m. [-s, PL -e) : Maikäfen-aupe ;
Hautmade, die Larve der Viehbremse (oestrus
bovis). Mhd. engerinc, auch bereits mit ein-
getretenem l engerlinc, ahd. engirinc m. «Korn-
made», abgeleitet von dem gleichbed. ahd.
angar, angari, mhd. anger, enger m., noch
jetzt alem. enger (neben engerig etc.). Viel-
leicht zu poln. ivagry «Schweinfinnen», lit.
ankstirai PI. «Finnen, Engerlinge».
engern, s. eng.
England, gekürzt aus Engelland (Schüler
Maria St. 1, 7), mhd. Engellant, ahd. Engillant,
ags. Engla land, d. i. von den Angeln (ags.
Angle, Engle) bewohntes Land. ABL. Eng-
länder, m., auch noch EngellämJer (Schiller
Jungfrau v. 0. 2, 1. 3, 10), mhd. Engellender.
engländisch, adj. (engellündsch bei ScbiUer
J. V. 0. 1, 5 u. ö.), wofür üblich englisch,
schon mhd. englisch.
Englischleder, n. (-5): starkes Baum-
wollgewebe. 1834 belegt.
enhinder (Luther 2. Mos. 3, 1), abge-
schwächt aus mhd. hinhinder «zurück, rück-
wärts».
Enke, m. (-//, PI. -«); unter dem Groß-
knecht stehender Vieh- oder Ackerknecht.
Mhd. enke, ahd. encho m. In Mittel- und
Norddeutschland noch üblich. Verwandtschaft
mit lat. anculus «Diener», a«.ci7/a «Magd» ist
unwahrscheinlich, da jenes zu gr! djLiqpiiroXoc
«Diener» gehört, auch stimmt die Lautver-
schiebung nicht. Formell mit ahd. anihho
«avus» übereinstimmend, doch besteht kaum
ein Zusammenhang.
1 Enkel, m. {-s, Pl.wieSg.): Fußknöchel.
Mhd. enkel m., ahd. enchil, anchal m. und
enchila, anchala f., ferner weitergebildet aii-
chläo; dazu mnd.-ndl. enkel m. und weiter-
gebildet enklauw m., wie auch afries. onklef
n. und ags. ancleoiv f., engl, ankle, anord.
ökkla n., schwed.-dän. ankel. Zu ahd. encha
f. «Schenkel, Schienbein, Knöcheb; und ancha
f. «Nacken» (s. Anke) und weiter mit Wechsel
von g und gh zu gr. övuE, lat. unguis m.
«Nagel», Ht. nagä «Huf», abg. noga f. «Fuß»,
aind. nrggam n. «Glied, Körper», angidis f.
«Finger, Zehe:>.
"Enkel, m. (-.s, PI. wie Sg.): Kindesldnd.
Ältemhd. auch Enickel [Enicklehi), mhd.
enikel, mit Ausfall des zweiten n aus enenkel,
eninkel, spätahd. eninchli n., das in ähnlicher
Weise wie ahd. lewinckili n. «Löwchen» von
lewo «Löwe» und huonichlin n. «Hinkel» (s.d.),
von hu/)n «Huhn», zweifache Diminutivbüduug
von ahd. ano m. «Großvater» (s. AJm) ist
und so urspr. «kleiner Großvater» bedeuten
wird. Entsprechend gebildet ist lat. avuncidus
m. «Oheim», zu avus m. «Großvater». Ver-
wandt sind noch lit. anukas (aus dem Slavi-
schen) m., abg. vünukü m, «Enkel». Vgl.
443
Enklaye
entbrennen
444
W. Schulze KZ. 40, 408, Hirt lag. Forsch.
22, 84. ABL. Enkelin, f., bei Ludwig 1716.
Enklaye, f. (PI. -n): von fremdem Ge-
biet umschlossenes Land. Das gleichbed.
franz. enclave f., eig. «eingenageltes» (ew,
lat. in, clave zu lat. clävus m. «Nagel»).
Erst im 19. Jh.
ennuyieren, v.: langweilen, belästigen.
Aus gleichbed. franz. ennuyer, das auf ein
volkslat, inodiare, zusammengesetzt aus w
imd einer Ableitung von odiuni n. «Haß,
Abscheu» zurückgeht. Ln 18. Jh. Verdeut-
schungsversuche bei Campe 1813.
enorm, adj. u. adv.: ungemein, über-
mäßig. Aus franz. enorme «ungeheuer», das
auf lat. enormis «unregelmäßig, unverhältnis-
mäßig groß» ((?. ex «aus», normis Yon normaf.
«Winkelmaß, Richtschnur, Regel») beruht.
Bei Sperander 1728, aber Enormität f. be-
reits 1699 von Gombert 8, 19 nachte wiesen.
Enqnete, f. (PI. -n): Untersuchung, Er-
mittlung. Aus gleichbed. franz. enquete f.
Neuere Entlehnung.
ent-: Yorsübe, mit der Grundbedeutung
«gegen». Danach bezeichnet ent in vielen
Verben das Werden, Herv^orkommen eines
neuen Zustandes, z. B. entblühen, entsprießen,
sowie das Versetzen in einen solchen, z. B.
entbrennen, entzünden, anderseits in einer
noch größern Anzahl von Verben das Aus-
treten aus dem alten Zustand («weg», ent-
kommen, entweichen, entgleiten, entwachsen,
entführen) und gewinnt so beraubende (pri-
vative) Bed., z. B. entarten, entdecken, ent-
fesseln, enthaupten in Verben, die oft vom
Substantiv aus gebildet sind. Vor Labialen
geht einigemal ent- in emp- über, s. empören,
empfangen, empfehlen, empfinden. Den Sub-
stantiven, in denen die Vorsilbe eat- erscheint,
liegen Verba gleicher Zusammensetzung zu-
grunde, während bei ursprünglicher Zu-
sammensetzung mit Substantiven noch die
ungeschwächte Form ant- (s. d.) sich erhielt.
Mhd. ent-, gewöhnlich gekürzt en-, ahd. ant-,
int-, gekürzt in-, unt-; dazu asächs. and-,
ant-, ndl. ont-, ags. on (aus ond-, and-),
anord. and-, got. and-, vor Substantiven auch
anda-. Als selbständiges Wort erscheint die
Vorsilbe in der got. Präp. and «worauf hin,
entlang, entgegen», asächs. and «bis». Über
die Urverwandtschaft s. ant-, Z. T. liecrt
dem heutigen ent aber auch die Vorsilbe in
zugrunde, namenthch bei den Verben der
zweiten Klasse, wie entbrennen.
entäußern, v.: von sich geben, meist
refl. sich e. Spätmhd. entiu^ern, daneben
entiugen, entü^enen, s. äuße^-n.
entbehren, v.: nicht haben und es ver-
missen; ermangeln, Urspr. mit Gen, (noch bei
Goethe 50, 220), später auch mit Akk. (schon
bei Luther 6, 16^ Jen.). Bei Luther entberen,
auch mit Assimilation (Sir. 38, 36) emperen,
bei Stieler 1691 entbären, sonst im 17. Jh. e.
Mhd, enbern, ahd, inberan «ermangeln», mit
starker Flexion, die auch ältemhd, noch vor-
kommt; dazu mnd, entberen, ndl, ontberen,
(entlehnt) schwed, undvara, dän. undväre.
Das Wort gehört wohl zu ahd. beran «tragen»
und bedeutet urspränglich «nicht tragen»,
andi-e denken an Zusammenhang mit bar,
s, d, ABL. entbehrlich, adj. Bei stieler
1691 entbärlich. Entbehrung, f. Bei Stieler
1691 Entbärung.
entbinden, v.: losbinden, von einem
Bande freimachen (insbesondre durch die
Geburt, bei Luther Hauspost, 221 % bei Mone
Ztschr, 8, 55 vom J, 1379 e diu frow von ir
arbait enbunden wirt). Mhd, enbinden, en-
pinden, ahd, intbintan, got, andbindan. ABL.
Entbindung, f, Frühnhd. Freisprechvmg
von Sünden. 1741 bei Frisch Gebären.
entblöden, v.: der Blödigkeit benehmen,
in Beherztsein versetzen. Meist refl. sich e.:
sich außer Blödigkeit setzen, sich getrauen,
sich * erkühnen. Im 17. Jh. (Harsdörfer
Gesprächssp. 2, 105), daneben in gleicher
Bed. sich nicht e., in welchem sich e. kaum
in der Bed. «in Blödigkeit geraten, blöde
sein», genommen werden darf, vielmehr nicht
als Zusatz anzusehen ist. Ludwig 1716 hat
sich nicht e., während Steinbach 1734 und
Frisch 1741 sich e. verlangen, das auch von
Wieland, z. B. Amadis 2, 171, gebraucht wu-d.
entbrechen, v.: hei-vorbrechen. Mhd.
enbrechen. Meist refl. sich e. «sich wovon
losmachen oder zurückhalten», jetzt nur ne-
giert sich nicht e. (Lessing 1, 350) ^<sich
nicht enthalten», Mhd, sich enbrechen.
entbrennen, v,: l)trans, in Brand setzen,
zum Brennen bringen, 2) intrans. in Brand
kommen, eigenthch wie bildlich, Mhd. en-
brennen, ahd, intbrennan, nui' in der trans.
Bed., während in der intrans. das stark
flektierende mhd. enbrinnen, ahd. intbrinnan
steht, das auch noch im 16., 17. Jh. obd.
als entbrinneif vorkommt (bei Goethe ew.
Jude 166 noch das Part. Prät. entbronneyi).
S. brennen.
445
entdecken
enthalten
446
entdecken, V.: unbedeckt machen; (bild-
lich) Unbekanntes zur Kenntnis bringen.
Mhd. endecken, entecken, ahd. intdecchan «der
Decke benehmen, aufdecken, offenbaren»;
dazu ndl. onddekken. ABL. Entdeckung, f.
Im 14. Jh. intteckunge f. «Offenbarung».
Ente, f. (PI. -n): der bekannte Wasser-
vogel; Zeitungslüge. Mhd. ant (Gen. ente),
auch schon ente, ahd. anut, anit (Plur. enti) f. ;
dazu ndl. eend, ags. ened, anord. önd (um-
gelautet aus *anud), schwed.-dän. and f.
Verwandt ist gr. vfjcca (aus *nätja), lat. anas
(Gen. anatis), aind. ätis, lit. äntis, abg. qtt f.
«Ente». Die Bed. «Lüge, Zeitungslüge» geht
bis ins 15. Jh. zuiiick, wo die Redensart
von blauen Enten reden (auch von blauen
Gänsen) im Sinne von «von Fabelhaftem,
Erlogenem erzählen» üblich war. Schon
bei H. von Sachsenheim Mörin 2197 ein
Entemär, .Tempel 757 ein Entenniär «lügen-
hafte Geschichte», auch bei Murner Schelm.
1, 1 von blawen Enten predigen. Ähnlich
gebrauchen die Franzosen un canard. ABL.
Eutericll, m. (-s, PI. -e): die männliche
Ente. Dafür mhd. antreche m. (noch 1540
bei AlberusDict. y4* antrech), ahd.antrehho,
antrahho m., zusammenges. aus ant «Ente»
und einem urspr. selbständigen Worte, das
im Nd. drake, engl, drake «Enterich» lautet
(schwäb. trech scheint erst aus antrech her-
vorgegangen zu sein). Die Zusammensetzung
lautet im Mnd. und Mndl. antdrake m., ent-
sprechend auch in hd, Mundai-ten (wetter.)
andrach und endedrach. Bei Stieler 1691
Entrech. Im Nhd. hat Anlehnung an die
Bildungen mit -rieh stattgefunden, schon
spätmhd. kommt antreich, entreich vor. S.
Täuberich. Älternhd. war auch Antvogel,
mhd. antvogel m., aber bloß von der zahmen
Ente üblich. S. auch Erpel.
enteignen: durch ein öffentliches Ver-
fahren des Eigentums benehmen. 1807 bei
Campe als neu und dichterisch, sowie als Ver-
deutschung von expropriieren vorgeschlagen.
entern, v.: (ein Schiff) feindlich mit
Haken heranziehen, um es zu ersteigen und
zu nehmen. Aus dem gleichbed. nd. entern,
ndl. enteren, engl, enter, die auf das aus lat.
inträre gewordene span. entrar «hineingehen,
einfallen, einnehmen» usw. zurückgehen. Bei
Stieler Zeitungslust 1695. ZUS. Enter-
haken, m., bei Ludwig 1716.
entfachen, V.: entflammen. Neugebildetes
Wort, s. anfachen.
entfalten, v. : aus den Falten, auseinander
legen; entwickeln. Frühnhd. In übertragner
Bed. erst bei Adelung 1774.
entfernen, v.: machen, das etwas fern
wird, Refl. sich e.: sich zur Ferne begeben,
sich wovon ab-, wec^wenden. Mhd. entverren,
in md. Quellen auch entvernen. ABL. Ent-
fernung, f., bei Krämer 1678.
entgegen, adv. u. prap. : in der Richtung
hin oder her zu — ; gegenüber; feindhch in
der Richtung oder in Beziehung zu — ; im
Verhältnis zu — . Als Adv. dann auch in
Zusammensetzungen verwendet. Bei Luther
entgegen, sonst in md. Quellen auch (mit
Assimilation des t) enkegen, wobei ent für
fmheres en, d. i. abgeschwächtes in, wie in
entzwei (s. d. und empor) eingetreten ist.
Mhd. engegen, ahd. ingagan, ingegin als Präp.,
aber mhd. engegene, ahd. ingagani, ingegini
als Adv.; dazu asächs. angegin, ags. ongean,
engl, again, weiter gebildet against, anord.
i gegn, schwed. igen, dän. igjen, s. gegen.
entgegnen, v. : entgegen kommen, insbes.
begegnen, (mhd. engegenen, ahd. ingaganen),
noch bei Goethe Epimenides 17, Pandora
695 ; sich gegenüberbefinden (Goethe 27, 270):
widerstehen (Goethe Elp. 2, 2); Worte an
jemand richten (Schiller 11, 284); dagegen
sagen, antworten (bei Campe 1807). ABL.
Entgegnung, f., bei Campe.
entgelstern, v.: des Geistes, der Be-
sinnung berauben. Bei Stieler 1691. Mhd.
dafür engeisten.
Entgelt, n. Spätmhd. in ön engelt «ohne
Kosten». Das Wort ist urspr. Mask., das
Neutr. (nach Geld) schon bei Ludwig 1716.
Vgl. unentgeltlich. Von entgelten, v.: als
Schuld und Nachteil tragen. Mhd. engelten,
ahd. intgeltan; dazu and. and-, indgeldan «ent-
gelten». Bei entgelten lassen steht der Akk.
der Person und gewöhnlich auch Akk. der
Sache (auch mit Dat. der Person und Akk.
der Sache, z. B. Lessing 1, 537), während
mhd. engelten län Akk. der Person und Gen.
der Sache bei sich hat.
enthalten, v.: Halt gewähren, aufrecht-
halten, stützen (bei Luther, mhd. enthalten
«Aufenthalt, Bewirtung usw. gewähren»);
zurückhalten wovon (Luther Weish, 1, 11,
auch mhd.); in sich halten (erst bei Ludwig
1716). Reo. sich e.: sich aufhalten (im 18. Jh.
veraltet, doch noch bei Wieland), mhd. «sich
aufhalten, behaupten», vgl. Aufenthalt; sich
nähren von — (2. Makk. 5, 27) ; sich zurück-
447
enthaupten
entrinnen
448
halten wovon, den Gebrauch wovon unter-
lassen» (auch schon mhd.). ABL. ent-
haltsam, adj. u. adv., nach der letzten Bed.
von sich e. Erst bei Steinbach 1734. Davon
Enthaltsamkeit, f., 1774 bei Adelung als
neu.
enthaupten, v.: durch Abschlagen des
Hauptes töten. Mhd. enthouheten, daneben
auch beJiouieten und bloß Jiotiheten, ahd.
houbitöu. Davon Enthauptung, f., im
15. Jh. bei Diefenb. gl. 91'' entliouptung.
Enthusiasmus, m.: Begeisterung, Hoch-
gefühl, Geistesrausch. Aus dem gi-. ^vöou-
ciac.uöc m. «Begeisterung», von dvGoucidZieiv
«ein Gottbegeisterter (evGeoc) sein». Bei
Luther «Schwärmerei». Enthusiast, m. {-en,
PI. -en). Aus gr. ^veouciacrnc m. Bei Luther
«Schwarmgeist». ABL. enthusiastisch,
adj. Nach dem gi'.-neulat. enthusiasticus,
gr. ^vöouciacTiKÖc.
entlang, adv. u. präp.: nach der Länge,
der Länge nach. Als Präp. zunächst dem
regierten Substantiv nach-, dann auch vor-
gestellt. Auch bei Zeitbezeichnuncren, z. B.
manchen zu jugendlichen Tag e. (Goethe 7,
154); vereinzelt mit dem Gen., z. B. entlang
des Waldgebirges (Schiller Braut v. M. 1, 7).
Zuerst bei Frisch 1741, der das Wort für
niedersächs. erkläx*t und endlang schreibt;
nach Adelung 1793 und Heynatz 1796 nur
im gemeinen Leben üblich. Es ist das mnd.
endlang, asächs. andlang, afries. ondlenge, ags.
andlang, ondlong, engl, along, anord. aber
endHangr, endlangr, eig. als Adj. «entgeggn-
reichend, entgegengewendet», aus etit- (s. d.)
und lang, das zu gelingen gehört. Vgl. Sievers
Festgruß an Böhtlingk S. 110. Wie afries.
ondlenge, ags. ondlong, engl, along ist auch
das durch adverbiaHsches s erweiterte mnd.
entlanges als Präp. verwendet; daneben mit
angetretenem t (gleichsam superlativisch) ent-
langest, daher zuweilen nhd. entlängst.
entlarven, v.: der Larve, d. h. Maske,
benehmen. Bei Krämer 1678, in übertragenem
Sinne im 18. Jh.
entlassen, v.: von sieb weg-, fortlassen;
von Bindendem, Verpflichtendem usw. frei-
geben, z. B. aus dem Dienste entlassen, oft
mit Gen. der Sache (bei Krämer 1678, Lessing
2, 288). Refl. sich e. (mit Gen.) : sich wovon
freimachen (Lessing Laokoon 199). Mhd.
enÜä^en, entlän ist «fahi-en lassen, loslassen,
lösen ». S. auch Antlaß. ABL. Entlassung,
f. (Schiller Kab. 3, 2).
entlegen, adj.: in weiter Feme gelegen,
weit abgelegen, eig. Part. Prät. von entliegen,
mhd. entligen «nieder liegen», in md. Quellen
auch «fern liegen».
entlehnen, v.: auf Wiedergabe nehmen;
(bildl., z. B. von SchriftsteDem) nicht als
sein Eigen anführen. Mhd. entlehenen, ahd.
intlehanön, ndl. ontleenen. Zu leihen (s. d.).
entleiben, v.: des Lebens (vgl. Leib)
berauben, töten. ^Ihd. entliben.
entleihen, v.: auf Wiedergabe nehmen.
Mhd. entVihen hat auch die Bed. «auf Wieder-
gabe dargeben», ahd. intliJian nur diese Bed.
entloben, v.: die Verlobung aufheben.
ABL. Entlobung, f. Beides junge Bil-
dungen, die die Wörterbücher nicht ver-
zeichnen.
entmannen, v.: der Mannheit berauben,
gänzlich schwächen. Bei Krämer 1678, mhd.
entmannen ist «der Mannschaft berauben».
entnehmen, v.: wegnehmen, mhd. ent-
nemen, ahd. intneman «entgegen, zu sich
nehmen» (mhd. Geld aufnehmen, leihen); (mit
Akk. der Person) entledigen (bei Luther);
erschließen, erkennen (von Adelung 1774 noch
als selten bezeichnet).
Entoutcas (spr. qtukä), m. (PI. mit ge-
sprochenem s): Schirm gegen Regen und
Sonne. Aus franz. en tout ras «in jedem
Fall». In der neuern Sprache.
eütpuppen, refl. v.: aus der Puppe
(Schmetterlingslarv^e) hei-vorgehen. Bei Campe
1807, in übertragner Bed. «sich als den zeigen,
der man eigentlich ist» erst in der neuem
Sprache.
entraten, v.: entbehren, nicht haben.
Mhd. zuweilen entraten (häufiger seit dem
16. Jh.), öfter geraten «Mangel haben» (auch
rät hän eines Dinges, wo rät «Abhilfe, Be-
freiung, Unterlassung, Entbehrung»).
Entree, n. (PL -s): Eintrittsgeld; Vor-
zimmer; Vorspeise. Aus franz. entree f. von
entrer v. «eintreten», das dem lat. inträre
«eintreten» entstammt. Ln 17. Jahrh.
entrichten, v.: (fdlhges Geld) bezahlen.
Im 16. Jh.; mhd. entrihten, ahd. intrihten
dagegen ist «in rechte Ordnung bringen,
schlichten, entscheiden» (so noch bei Luther),
daneben mhd. auch «vom rechten Wege ab-
bringen».
entrinnen, v. : entfliehen. Mhd. entrinnen,
ahd, intrinnan, zusammenges. mit einem als
einfaches Verbum nicht erhaltenen Irinnen,
ahd. trinnan, s. trennen.
449
entrüsten
entwenden
450
entrüsten, v.: außer Fassung (Bereit-
schaft) bringen: aufbringen, zornig machen.
Refl. sich e.: aufgebracht, zornig werden.
Mhd. entrüsten «der Rüstung entkleiden, der
Rüstung benehmen», bildl. s, v. a. «außer
Fassung bringen», bei Luther und H. Sachs
(Fab. 232, 6) s.v. a. «erzürnen». ABL. Ent-
rüstung, f. Bei Rädlein 1711.
entsagen, v.: (mit Dat., seltener Gen.)
sich lossagen von — , auch refl. sich e.
(Lessing 2, 484). Mhd. entsagen (auch «auf-
kündigen, Fehde ansagen»), ahd. intsagen;
refl. mhd. sich entsagen mit Gen., Dat. oder
Präp. «sich wovon losmachen, entziehen».
ABL. Entsagung, f Bei Stieler 1691 in
der jetzigen Bed.
Entsatz, m. (-es): gewaltsame Befreiung
von einer Belagerung; Mannschaft zu solcher
Befreiung. In der 1. Bed. um 1600 auf-
kommend,.auch bei Comeniusl640 verzeichnet
ffrüher Entsatzung). S. entsetzen.
Entscheid, m. {-es, PI. -e). Im 15. Jh.,
daneben auch entschid m. Von entscheiden,
V,: richterlich zum Austrag bringen ; endgültig
bestimmen. Refl. sich e.: zur endgültigen
Bestimmung gelangen. Mhd. entscheiden ist
«unterscheiden, sondern, entscheiden, beschei-
den». Das Part. Prät. entschieden als Adj.:
festbestimmt, ausgemacht; fest im Entschluß.
Am Ende des 18. Jh.
entschlagen, refl. v. (mit Gen.): sich
entschieden entäußern. Mhd. sich entslahen,
sich entslän: trans. entslahen, entsiän «be-
ginnen, wovon losmachen, befreien».
entschließen, v.: des Schließens (Ge-
schlossenseins) benehmen, mhd. entslie^en, ahd.
intslio^an. Refl. sich e. : aus dem Geschlossen-
sein heraustreten, mhd. sich entstiegen; den
festen Vorsatz an den Tag legen (in der
frühnhd. Kanzleisprache, auch bei Luther).
Davon das Part. Prät. entschlossen als Adj. :
den festen Vorsatz habend (Fischart Ehez.
Q 8^). — Entschluß, m., bei Krämer 1678,
während Entschließung, f., schon bei Opitz
Argenis 1, 707 steht.
entschlüpfen, v.: mit Geschwindigkeit
und unbemerkt entgehen, entgleiten. Mhd.
entslüpfen, ahd. intslupfen.
entschnicken (Goethe 4, 46), s. Schnick.
entschuldigen, v.: der Schuld benehmen,
uam. durch Worte. Bei Luther entschuldigen.
Mhd. entschuldigen, auch entschulden «von
einer Schuld freisprechen».
entsetzen, v. : aus dem Besitz einer Sache
Weigand, Deatsches Wörterbuch, ö. Aufl.
bringen, mhd. entsetzen, ahd. insetzen «durch
Hilfe wovon befreien, bes. von feindlicher
Belagertmg» (auch schon mhd.), s. Entsatz;
(bildl.) vor Furcht oder Abscheu außer sich
bringen (mhd. vereinzelt «außer Fassung
bringen»). Refl. sich e.: vor Fui-cht oder
Abscheu außer sich kommen», mhd. sich ent-
setzen «sich scheuen», üblicher entsitzen «in
Furcht sein», eig. «aus dem Sitz, der Ruhe
kommen», wovon entsetzen das Faktitiv ist.
Der Inf als Subst. Entsetzen, n. Bei Luther,
mhd. dafür entsetzunge f. ABL. entsetz-
lich, adj. u. adv.: außer sich bringend und
verabscheuenswert. Bei Luther.
entspinnen, v.: zu spinnen anfangen. Refl.
sich e.: den Anfang nehmen. Bei Luther.
entsprechen, v, (mit Dat.): gemäß sein.
Mhd. eyitsprechen «entgegnen, antworten» usw.,
in der jetzigen Bed. bei Keisersberg und
spätem Alemannen. Das von Wieland, z. B.
Suppl. 4, 56 gebrauchte Wort wurde 1759
von Lessing 6, 31 als empfehlenswert be-
zeichnet und kam danach bald in Aufnahme.
Davon das Part. Präs. entsprechend, zu-
erst im DW. ohne Beleg.
entspringen, V. : hervorspringen; den Ur-
sprung haben; (dui'ch Springen) entkommen.
Mhd. entspringen, ahd. intspringan.
entstehen, v.: wegstehen, fernbleiben,
ermangeln, mhd. entstän, entsten, in md.
Quellen, und bis ins 18. Jh. üblich bleibend,
z. B. bei Wieland, Lessing (Minna 4, 8), Voß,
Schüler, doch von Adelung als selten be-
zeichnet; zu stehen, zu sein beginnen (auch
schon mhd.). Offenbar liegen bei e. Zusammen-
setzungen mit den Präp. ent- und in- vor.
entstellen, v.: aus der rechten Stelle
bringen, verunstalten. Mhd. entstellen.
entweder, nur mit nachfolgendem oder:
das eine von beiden. Mhd. eintweder, aucli
schon entwedei', der Akk. des Zahlpron. eint-
weder «eins von beiden», als Partikel einem
nachfolgenden oder gegenüber; hervorge-
gangen aus eindeweder, d. i. em mit dem bei
Xotker vorkommenden deweder «irgendeiner
von zweien», ahd. steht in gleicher Bed. ein-
wedar. S. weder.
entweichen, v.: sich forteilend entziehen:
unvermerkt von der Stelle weichen. Mhd.
entwichen, ahd. inticlhhan, ndl. ontwijken.
entwenden, v.: wegwenden, in dem refl.
sich e. (5. Mos. 23, 15); entziehen, von je-
mand sich heimlich aneignen, mhd. entwen-
den <ia.hyv enden, abwendig machen, entziehen».
29
451
entwerfen
Epigramm
452
entwerfen, v.: bildend leicht (in um-
rissen) von sich geben (hinwerfen). Mhd.
entwerfen zunächst von der Bildweberei ge-
braucht, dann s. v. a. «zeichnen, malen, ge-
stalten». — Entwurf, m. Im 17. Jh., bei
Philander (Frankf. 1645) 3, 238; Zesen Ibr. 153.
entwickeln, v. : auseinander wickeln (bei
Ki-ämer 1678); aus verwon-enem, unvoll-
kommenem Zustand genauer im einzelnen
gestalten (erst im 18. Jh., bei Adelung 1774).
ABL. Entwicklung, f. Bei Adelung 1774,
in der Bed. «Erklärung, Deutung» schon 1645
bei Zesen adriat. Rosenmund 240.
entwischen, v. : mit größter Geschwindig-
keit entgehen. Wndi. entwischen, ahd.intwisken.
entwöhnen, v. (mit Gen.): aus der Ge-
wohnheit kommen, nicht mehr in Gewohn-
heit haben (Goethe Faust 4405, Schiller Pico.
1, 3). Mhd. entwonen, ahd. intwonen, zu-
sammenges. mit dem in gewohnen stecken-
den wohnen.
entwöhnen, v.: von der Gewohnheit,
bes. von der Mutterbrust abwenden und sie
vergessen machen. Bei Luther enticehnen
und entwenen; im 17. Jh. meist entwöhnen
(Krämer 1678). Mhd. entwenen, ahd. int-
tvennen. S. gewöhnen.
Entwurf, s. entwerfen.
entziffern, v.: (Schriftzeichen usw.) ent-
rätseln. Nach franz. dechiffrer, zu Ziffer,
das hier w^ie franz. chiffre die Bed. «geheimes,
rätselhaftes Schriftzeichen >■> hat. Bei Adelung
1774 entziefern, 1771 bei Wieland Amadis
9, 27 entziffern.
entzücken, v.: im Geist oder Gefühl
hinreißen. Mhd. entzucken, entzücken ist «wo-
von wegzucken, wegi'eißen»; die jetzige Bed.
bei Luther. ABL. Entzückung, f. Fiüh-
nhd. (bei Trochus Prompt. Ol^ entzuckung
«extasis»).
entzünden, v.: in Feuer setzen. ]Mlid.
entzünden, ahd. intzunten. Bei Th. Könier
(Schreckenstein V 63), A. Giün und H. Heine
im Part. Prät. nach der Volkssprache stark
flektiert entzünden.
entzwei, adv.: zerbrochen, zerrissen. Mit
ent füi- frühres en aus mhd. enzwei, ahd. in
zwei, d. i. in mit dem Akk. Plui\ des neu-
tralen zwei, urspr. «in zwei Teile». ABL.
entzweien, v.: uneins machen, refl. sich e.:
uneins werden, spätmhd. sich enzweien.
-enzen, Ableitungsendung an Verben, bei
denen sie ein Ahnlichsein, ein Hingeneigtsein
zu oder ein Riechen und Schmecken nach
dem mitteilt, was das Stammwort ausdrückt
(s. faulenzen). Mhd. -enzen, ahd. enzön.
Material für diese früher häufigere Bildung
bei Kluge ZfdW. 6, 40.
Enzian, m. (-5, PI. -e): die Bitterwurz,
lat. gentiana. Im 15. Jh. (Diefenbach. Gl.
260 b, 1491 bei Brack 47); aber schon ahd.
encian, genciane. Aus lat. gentiana f.
Enzj'klika, f. (PI. -en): Rundschreiben
des Papstes. Fem. des nlat. Adj. encyclicus,
das auf gr. cykukXoc (s. d. f.) zmückgeht.
Enzyklopädie, f. (PI. -n) -. Lehrkreis der
Wissenschaften, auch nui* der zu einem Fache
gehörigen. Aus dem gleichbed. franz. ency-
clopedie, das auf gr. eYKUKXoTraibeia f. (efKUKXoc
«kreisförmig» und naibeia «üntenicht») zu-
mckgeht. Im 18. Jh. entlehnt (in lat. Form
1727 bei Hübner), in kürzrer Form bereits
1582 bei Hayneccius Hans Pfriem 3322 Cyclo-
pedeyi., wie engl, cyclopaedia. ABL. enzy-
klopädisch, adj., nach franz. encyclopedique.
1772 in den Frankf. Gel. Anzeigen 583.
Epaulett, n. {-s, PI. -en), Epaulette, f.
(PI. -n): Achselstück. Das gleichbed. franz.
epaulette f., Dim. von epaule f. «Achsel». Im
18. Jh. entlehnt (Wagner Kinderm. 289).
ephemerisch, adj.: einen Tag dauernd,
eintägig, von Campe mit «dauerlos» ver-
deutscht. Aus gr. ^qprmepioc, zusammenge-
setzt aus eqp- (eiTi) «für» und einer Ableitung
von- >T|iiepa f. «Tag». Im 18. Jh.
Epidemie, f. (PI. -n) -. hen-schende Ki-ank-
heit, Seuche. Aus mlat. epidemia, dem Fem,
des Adj. epidemius, gr. ^inbriiuioc «über ein
Volk verbreitete» (gr. ^tti «dai'auf, daiüber»,
bf|]uoc m. «Volk»), nänil. vöcoc f. «Krankheit».
Bei Sperander 1728. ABL. epidemisch,
adj.: seuchenartig. Von Gombert 8, 20 aus
dem J. 1681, epidemialisch vom J. 1574 nach-
gewiesen.
Epigonen, Plur.: Nachgeborene, Nach-
kommen. Von dem gleichbed. gr. ^ttitovoi
{ini «darauf, danach», yövoi PI. von tövoc «Ge-
borener» zu YiTveiv «gebären»). Bei Adelung.
Epigramm, n. (-s, PI. -e): Sinngedicht.
Von gr.-lat. epigramma, gr. eiriYpom-ia n., eig.
«Aufschrift» (von i-ni [s. oben] und YpctMM«
zu Ypäqpeiv «schreiben»), dann «Sinngedicht»..
Im 18. Jh., meist mit dem Plm-. Epigrammen
(Lessing 12, 119. 8, 469 u. ö.). ABL. epi-
grammatisch, adj. Nach gr.-lat. epigram-
maticus. Bei Lessing 5, 60, Aber epigram-
matisieren bereits 1668 bei Erasm. Francisci
ost- und westind. Staats- u. Lustgarten 1, ISS'*.
453
Epilepsie
er-
454
Epilepsie, f. (PI. -w): Fallsucht. Aus'
givlat. tpüepsia, gr. emXriH'ia f. «Anfassen,
Anfall, bes. Fallsucht». Bei Wächtler 1711. ■
ABL. epileptisch, adj.: fallsüchtig. Nach
gr.-lat. epilepficiis, gr. eiriXriirTiKÖc.
Epilog, m. (-es, PL -e) : Schlußrede, Xach-
wort. Aus gr.-lat. epüogus, gr. eTriXo-foc m.
«Schluß, Schlußrede*, aus ^tti (s. o.) und Xö-foc
«Eede». Im 18. Jh., aber epilogisieren bereits
1581 bei Joh. 2s as examen concordiae 417.
episch, adj.: das Heldengedicht betreffend,
ihm angehörig. Xach dem gleichbed. gi'.-lat.
epiciis, gr. ^itiköc, von tiroc n. «Wort, Er-
zählung», dann wie gr.-lat. ejjos «Heldenge-
dicht». Im 18. Jh.
Episode, f. (PI. -/<): Zwischenhandlung
in etwas, ZwischenspieL Aus dem gleich-
bed. franz. episode m., das auf gi-. eireicöbiov
n., eig, «von außen hinein Gekommenes, Ein-
schiebsel, zwischen den Chorgesängen ein-
geschaltete Handlung» beruht, zusammenge-
setzt aus eiri (s. o,), eic «in» und einer Ab-
leitung von öböc f. «Weg». Im 18. Jh. f Les-
sing 3, 95; 1727 bei Hübner Episodhun).
ABL. episodisch, adj., nach dem franz.
episodique. Bei Campe 1813.
Epistel, f. (PI. -n): Sendschi-eiben, Brief.
Als biblisches Wort bei Luther, schon spät-
mhd. epAstole f., aus gr.-lat. episfola, gr. im-
cToXrj f., eig. «Übersandtes», von gr. ^tricTeX-
Xeiv «zu-, hinschicken». \
Epoche, f. (PI. -n): bedeutsamer Zeit-
punkt (in E. machfii): Zeitabschnitt. Bei
Hübner 1121 Epocha. Aus gr.-mlat, epocha; gr.
^TToxr) f., eig. «Anhalten.), dann (bedeutsamer) ;
«Haltpunkt in der Zeitrechnung». Daraus
franz. epoque f., wonach bei Klopstock 12, 186
und Musäus Volksm. 4, 120 Epoke.
Epopöe, f. (PI. -n): Heldengedicht. Aus
gr. ^TtoTTOüa, eig. «Verfertigung eines Epos»,
(^noc s. Epos und n-oüa zu -rroieiv «machen»)
dann dieses selbst. Im 18. Jh. (Lessing 5, 56).
Epos, n. fPlur. Epen): Heldengedicht, s.
episch.
Eppich, m. (-6-, PI. -e): die auch die
Petersilie und den Sellerie umfassende Dol-
denpflanzenart, lat. apium, woher das deutsche
Weit. Mhd. epfich. ahd. ephih m., daneben
ohne die Ableitung ahd. ephi, mhd. epfe, auch
eppe, effe m. (jetzt obd. epf. epficJt). Schon
am Anfang des 16. Jh. wm-de das Wort auch
für Efeu (s. d.) gebraucht,
Equipage, f. (PI. -«); Schiffsbesatzung;
Kriegsgepäck; Ausriistung zur Reise (Schiller
Br. 1, 87j; Eeisegerät. Kutsche und Pferde.
Aus franz. equipage m., von equiper (s. das
Folg.), Im 17. -Jh. entlehnt, zunächst in den
drei ersten Bedd.. doch bei Sperander 1728
auch schon «das zui' Reise nötige Fuhrwerk
und Geräte;.. — equipiereu, v.: ein Schiff
ausrüsten oder bemannen; ausriisten, aus-
statten, mit allem Nötigen (zunächst Reise-
gerät) vei-sehen. Aus dem gleichbed. fi-anz.
equiper, afranz. esquiper, von franz. esquif,
span.-poit. esquife, ital. s'-hifo m. «Boot», die
auf unser Schiff, nd. skip zurückgehen. 1643
bei Harsdörffer Gesprächsp. 3, 430.
Er, verküi'zt aus Serr (bei Lutherj, in
Titel und Am-ede, z. B, Glück zu, Er König
(2. Sam. 16. 16). !Mit Flexion Em, worauf
unser Ehren vor Xamen (s. Ehre) zurückgeht.
er, sie, es, Pronomen der 3. Pers, iihd.
er, Fem. siu, si, ]^eutr. ej, ahd, ir, er (fränk.
auch her, he), Fem, siu, si, Xeutr. i^, ej;
dazu asächs. he. hie, Fem. siu, Xeutr. if, ndl.
//()'. zij. het, afries. hi. he. hiu. hit, ags. he.
heo. hit, engl. he. she. if, anord. hatin, Fem.
hon, hun (Xeutr. fehlend), schwed. M. han.
F. hon, dän, han, hun, got. is. si. ita. In
er. es liegt die Wurzel i zugmnde, die auch
in dem verwandten lat. is, ea, iä, lit. jis,
abg. J/, aind. X. iJ-ihn erscheint; sie gehtauf
eine andre Wiurzel zurück, gr. t] «die» (aus
*sä), aind. sjä, apers. hjä «sie». Schon mhd.
auch substantiviert der er. Der Xom. Sing, er
in der Anrede kam (mit dem F. sie) im 17. Jh.
durch Einfluß der französischen und italie-
nischen Gesellschafts- und Höflichkeitssprache
auf und zwar in Vertretung von Herr oder
einer andern männlichen Benennung, sinkt
aber im Lauf des 18. Jh. zur Anrede an eine
Person geringen Standes herab, indem der
Plur Sie als ehrende Anrede an eine Per.-on
von Stand dafür eintrat.
^er-, unbetonte, untrennbare Partikel, in
Zusammensetztmgen von Verben, woraus dann
Substantiva usw. abgeleitet werden können.
Sie hat den Gnindbegriff'« hervor, aus», woraus
sich die Bed. des «herauf, auf», z. B. erbauen,
erwecken, des «Beginnens und Wei'dens», z. B.
erblassen, erblinden, des «^viede^», z. B. er-
innern, ^'setzen, des «zu sich her», z. B. er-
borgen entwickeln, sowie die Bezeichnung des
Beginnes der auf einen Gegenistand hin er-
gehenden Handlung, z. B. ergreifen, erzeigen,
und endlich die Fähigkeit, transitiven Begriff
zu bewii'ken oder doch hei-vorzuheben, tmd
das momentane Eintreten der Handlung an-
29*
455
er-
Erbe
456
zudeuten, z. B. erblicken, erlauben. Die urspr.
mit der Partikel zusammengesetzten Subst.
und Adj. wahren dagegen die betonte, ur-
sprünglichere Form ur-, z. B. Urahn, uralt,
urbar, Urbild, Urheber, Urkunde, Urlaub, ur-
2)lötzlich, Urquell, Ursache, Urschrift, Ur-
sprung, Urteil usw. In neuena Bildungen
hat ur-, mit Substantiven verbvmden, den Be-
griff des Anfänglichen, Ersten. Mhd. er-,
ahd. ur-, ar-, ir-, er-; dazu asächs. ä- (aus
ar-), betont ur-, ags. a-, betont or-, anord.
nur vor Substantiven und Adjektiven er-,
got. US-, uz-, ur-. Im Got. und Ahd. auch
für sich stehend, und zwar als Präp. mit
Dat. in der Bed. «hervor, aus, von».
^er-, gekürzt aus her-, bei Luther erab
(2. Mos. 11, 8) «herab», erauf (2. Kön. 3, 23)
«herauf», eraus (2. Mos. 8, 18; Jos. 8, 5) «her-
aus», erein (l. Mos. 27, 5) «herem» usw.
^ -er, an Namen von Orten, Gegenden, Län-
dern, z. B. Frankfurter Bürger, das Mecklen-
burger Land, Pfälzer Weine. Es ist urspr.
der Gen. Plur. männlicher Substantiva auf
-er (mhd. -(cre, -ere, ahd. -äri, -ari), z. B.
Thüringer Mark, ahd. Duringäro marca, d. i.
Grenzland der Thüringer.
"-er, Komparativendung der Adjektiva,
mhd, -er, ahd. -iro und -oro, asächs. -iro
(-ero) und öro, ags. -ra, anord. -ri und -ari,
got. -iza und -öza. Die Endung ahd. -iro
bewii'kt Umlaut des Wurzelvokals.
erachten, v.: dafür halten. Mhd. er-
ahten, ahd. irahtön «ermessen, erwägen, be-
stimmen». Davon der Inf. als Subst. Er-
achten n., in meines Erachtens, 1535 bei
Micyllus Tacitus 340% 1545 in Schertlins
Briefen 38.
eräugen, eräuguen, s. ereignen.
erbarmen, v.: zu tätigem Mitgefühl be-
wegen. Kefl. sich e. und unpers. es erbarmt
mich mit Gen. des Gegenstandes (bei Luther,
2. Mos. 33, 19). Mhd. erbarmen {mich oder
mir erbarmet ein dinc, auch refl. sich er-
barmen undtrans. «bemitleiden», selten unpers.),
ahd. irbarmen, zurückgehend auf ir-bi-armen,
got. arman, s. barmherzig. Davon der Inf.
als Subst. Erbarmen n., auch schon mhd.
ABL. Erbarmer, m., mhd. erbarmcere m.
erbärmlich, adj. u. adv. Mhd. nur als Adv.
erbermeliche , ahd. (bei Notker) erbarmeWi
«zu bejammernd». Erbarmung, f , mhd.
erbarmunge f.; dazu and. erbarmunga f.
erbauen, v. : baulich bearbeiten, anbauen ;
durch Bau hervorbringen oder gewinnen;
durch Bau auf-, errichten; (bildlich) geistig
aufrichten oder erheben; durch Fortpflanzung
oder Nachkommenschaft bestehen machen
(1. Mos. 30, 3, 5. Mos. 25, 9). Mhd. erbüwen,
erbiuwen, erbouwen «an-, bebauen, durch Bau
hervorbringen, baulich aufrichten (eig. wie
bildlich), beizeiten, ausrüsten». Refl. sich e.
«sich geistig aufrichten oder erheben». Bei
Ludwig 1716. ABL. erbaulich, adj. u.
adv. (zu sich e.). Bei Stieler 1691. Er-
bauung, f. Bei Stieler 1691.
Erbe, m. (-n, PI. -n): wer ein Erbe zu
erwarten hat oder übei'kommt. Mhd. erbe,
ahd. erbo, eribo, erbeo, arbeo m.; dazu anord.
arfi, got. arbja m. Von Erbe, n. (-s):
nachgelassenes Grundeigentum, hinterlassenes
Stammgut; was auf den Sterbfall an einen
andern übergeht. Mhd. erbe, ahd. erbi, arbi
n.; dazu asächs. erbi, ndl. erf, ags. yrfe
n., anord. (ohne j-Suffix) arfr na.., schwed,
arf, dän. arv n., got. arbi n. Da man mit
Sievers Btr. 12, 174 von dem Ntr. Erbe «be-
wegliche Hinterlassenschaft» ausgehen muß,
so kann man lat. orbus m. «Waise», orbäre
«verwaist machen, berauben», gr. öpcpavoc m.
«Waise» (ohne Ableitungssuffix in öpqpoßörnc
«Waisen erziehend»), altir. comarpi «Äüterbe»
vergleichen; die Grundbed. von Erbe wäre,
«was zum Verwaisten gehört». Ob die Bedeu-
tung «Vieh», anord. arfr m. «Ochse», ags. yrfe
orfu. «Vieh», aus der von «Erbe» entwickelt
ist, oder umgekehrt, ist nicht ganz sicher.
ABL. erben, v.: eine Nachlassenschaft zum
Besitz ei'halten; als Nachlassenschaft auf
jemand übergehen. Mhd. -ahd. erben, ndl.
erven, schwed. ärfva, dän. arve. erblich,
adj. u. adv. Mhd. als Adv. erbelichen, im
15. Jh. auch als Adj. erblich. Erbin, f.
Bei Pomey 1690, während vorher der Erbe
auch von der Erbin gesagt wird, z. B. Spr.
Sal. 30, 23. Erbschaft, f., mhd. erbescJmft
f. ZUS. Erbfall, m.: Anfall eines Erbes,
mhd. erbeval m. Erbfeind, m., mhd. erbe-
vint m. Erblasser, m..- wer beerbt wird.
1663 bei Schottel S. 333. Vgl. mhd. da§ erbe
län «das Erbe hinterlassen». Erbschichter,
m.: wer ein Erbe ab-, einteilt (Luk. 12, 14).
Mhd. erscheint erbeschichtunge f. «Erbteilmig»,
vgl. schichten. Erbschleicher, m.: der sich
in unredlicher Weise um em Erbe bemüht.
1696 bei Thomasius Ausübung der Sitten-
lehre 292. Erbsünde, f : die angebonie
Neigung zur 'Sünde als Erbe Adams. Mhd.
erbesünde f.
457
erbittern
Erde
458
erbittern, v.: zu Bitterkeit, Zora und
Haß treiben. 3>Ihd. erbittern. ABL. Er-
bitterung, f. Bei Duez 1664.
erblassen, v. : blaß werden (bei Luther);
sterben. \
Erblasser, s. Erle.
erbleichen, v. (Prät. erUeichte, Part, er- '
bleicht i: bleich werden; totenbleich werden,
sterben. Mhd. erbleichen, ahd. irUeihhen. S.
-bleichen. In gleicher Bed. erbleichen, Prät.
erblich, Part, erblichen, mhd. erblichen «den
Glanz, die natürliche Farbe verlieren».
erblieh, s. Erbe.
erblicken, v.: den Blick wohin richten
und mittelst Blickes wahrnehmen. Mhd. er-
blicken, auch intrans s. v, a, erglänzen, vgl. ,
blicken. i
erbosen, v.: böse machen; böse werden.}
Dafür meist refl. sich e.: böse werden, in
Bösheit kommen, Mhd. erbosen ist wie das
einfache mhd. bösen, ahd. boson «schlecht wer-
den», auch «Böses tun»; die jetzige Bed. bei
Stieler 1691. Für das trans. erbosen wäre
eig. erbösen zu erwarten, das auch bei Schottel
S. 630 steht.
erbötig, adj.: sich erbietend. In der
frühnhd. Kanzleisprache erbötig, erbütig, ab-
geleitet von frühnhd. erbot n. «Anerbieten»,
daneben auch urbütig (Brant Laiensp. V4^),
abgeleitet von mhd. tirhot n. «Anerbieten»,
Erbschaft, -schichter. -Schleicher,
s. Erbe.
Erbse, f. (PI. -n)-. die Schotenfrucht lat,
pisum, sowie die Pflanze selbst. Alternhd.
Erbs (Erbse erst bei Frisch 1741), fiüher
noch Erbes, Erbeis (so bei Luther), mit b
für ursprüngliches iv aus mhd. arwei^, erwei^,
ertci^, ahd, arawei^, araivi^ f. ; dazu and. erit,
ndl. erwt, ert, anord. ertr f. Plur., schwed. ärt
m,, dän. ert. Dazu auch ohne Ableitungs-
endung ags. earfe «Erbse», das wohl direkt
aus lat. ervum stammt. Zu lat. ervum n,
«Hülsenfrucht», gr, ^pdßivGoc m,, öpoßoc m,
«Kichererbse». Es handelt sich dabei um
ein uraltes Kulturwort, bei dem aber die An-
nahme einer unmittelbaren Entlehnung auf
lautliche Bedenken stößt. Vgl, Hoops Wald-
bäume S, 464.
Erbsünde, s. Erbe.
Erchtag, s. Dienstag.
Erdapfel usw., s. Erde.
Erde, f (PI. -«): der Weltkörper, worauf
wir wohnen; die Oberfläche desselben, worauf
man wandelt; die von Meer umgebene Ober-
fläche: der Stofl" dieser <Jberfläche. Mhd.
erde, ahd. erda f.: dazu asächs. ertha, ndl.
aarde, ags. eorde, engl, earth, anord. jörä,
schwed. -dän. jord, got. airpa f. Der Dental
ist ableitend: dazu das einfache ahd, ero, anord,
jörfi m, «Sand, Gras», die zu gr. 6pa in
epaZe «zur Erde» stimmen (aber nicht zu lat,
arvum «Pflugland»! Bei Luther flektiert
Erde vielfach schwach, wie noch jetzt in
der poetischen Sprache, ABL. erden, adj,:
aus Erde (Ton) gebrannt. Bei Luther, jetzt
nur irden (s, d,), erdig, adj.: Erde ent-
haltend. Im 15. Jh. ZUS. Erdapfel, m.
(-.?, PI. Erdäpfel): Knollenfrucht; Kartoffel.
Mhd. ertapfel, ahd, erdaphul m. «Melone,
Gurke», im 16. Jh, von verschiedenen KnoUen-
wurzeln, die aus der Erde gegraben wurden;
im 17, Jh. die Kartoffel (P. J, Becher nän*.
Weisheit 5. bei Adelung 1774 als meißnisch);
jetzt findet sich E. besonders im Süden, in
Mitteldeutschland wird Erdbirne oder Grund-
birne vorgezogen ; ags, eor^oeppel m., sowohl
«Gurke» als «Knollenwurzel (Mandragora)»,
Erdball, m., 1774 bei Adelung als dichterisch,
Erdbeben, n. {-s, PI. wie Sg.): Beben der
Erde. Bei Luther, in altern md, Quellen
ertbiben n. Dafür gewöhnlich mhd, ertbidetn
m. (noch jetzt obd,). Daneben mhd. ertbibe.
ahd. ertbiba f, und mhd. erthibunge, ahd. erd-
bibunga, ags. eorßbifung f. S. beben und bidmen.
Erdbeere, f,: die gewürzhafte, nah an der
Erde wachsende Beere, lat, fragum, Mhd,
ertber, erdeber, ahd.ertberi n, (s. Beere): da-
zu ndl. aardbezie f., schwed, -dän, jordbär.
Vgl. Böhtlingk Idg. Forsch, 7, 272. Erd-
beschreibung, f., 1561 bei Maaler für
Geographie. Erdfloh, m.: ein kleiner, floh-
artig spi-ingender Käfer. 1546 bei G. Agricola.
Erdgalle, f.: Ij Tausendgüldenkraut, wegen
der sehr bittem Wurzel (s. Galle^), mhd.
ertgalle, ahd. ertgalla f., ags. eorßgealla m.,
engl, earth-gall. 2) ein unfruchtbarer Platz
in einem Acker, Erdgeschoß, n.: unterstes
Stockwerk eines Hauses, S, Geschoß -. Noch
nicht bei Heynatz 1796 (Adelung schlug Erd-
bau, Campe u, a, Erdraum für Parterre vorj,
Erdkreis, m. Bei Luther Erdenkreis. Erd-
kunde, f.: Verdeutschung von Geographie.
1774 bei Adelung, Erdnähe, f : nächster
Stand der Sonne, des Mondes zu der Erde,
1716 bei Wolff math. Lex., mit dem Gegen-
satz Erdferne. Erdrauch, m. : der Tauben-
kropf, fumaria L, Mhd, ertroiich m,, auch
mnd. ertrök m. Auch im Griechischen Rauch
459
erdreisten
ergeben
460
(kottvöc) genannt, weil der scharfe Saft der
Pflanze wie der Rauch Tränen aus dem
Auge lockt. Erdreich, n,: Gebiet der Erde
(im Gegensatz zu Himmelreich); Erde als
menschlicher Wohnort; Erde als wasserum-
flossenes Land: Erdboden; Erde als Stoff.
Mhd. ertriche, ahd. erdrihhi n.; dazu asächs.-
afries. ertknki, ndl. aardrijk, ags. eoränce n.
Bei Luther auch mit Kürzung des mhd. /
der zweiten Silbe Erdrich. Erdteil, m.
Junge Bildung des 19. Jh. Erdzunge, f.:
zungenai-tig in Wasser sich erstreckendes,
langes, schmales Stück Land. Bei Hübner
1745 für «Isthmus»,
erdreisten, refl. v.: sich erkühnen. 1599
bei Schütze Preußen 62^, aber erst im 18. Jh.
im Hd. allgemeiner geworden. Früher mit
der Nebenform erdreustei), s. dreist.
erdrosseln, v.: dm-ch Zudmcken der
Kehle (Drossel, s. d. -) t'iten. Bei Stieler 1691.
Erdteil, Erdznnge, s. Erde.
ereignen, refl. v. : als zeitliche Erscheinung
vor Augen treten. Mit Anlehnung an eigen
aus mhd. eräugen, erougen, ahd. irougen
«sehen lassen, erscheinen», zusammengesetzt
mit dem von Auge abgeleiteten ahd. -mhd.
ougen, got. augjan. afries. auica, ags. iewan,
eatvan «vor das Auge bringen, sehen lassen».
Schon am Anfang des 16. Jh. findet sich
ereigen (bei H. Sachs, Mathesius, Fischart),
durch das aber ereugen, eräugen nicht ver-
drängt wird; ereignen neben eräugnen bei
Duez 1652, allein angeführt bei Krämer 1678,
doch hat noch Stieler 1691 auch sich ereugen,
Ludwig 1716 e^-äugnen neben ereignen, selbst
Adelung 1774 eräugenen. eräugnen, entscheidet
sich aber 1793 für ereignen, das er schon
früher als vorherrschend bezeichnet hatte,
ebenso Heynatz 1796. Doch findet sich er-
äugen noch bei Lessing 3, 39, Justus Moser
Patr. Phant. 2, 177, eräugenen bei Lessing 2,
160. 225. 302. 6, 327, eräugnen mitunter bei
Goethe 3, 284, Faust 5917, an Zelter 2, 454.
ABL. Ereignis, n. Ahd. araucnissa f.,
arougnessi f. «das Sichzeigen», mhd. nicht
belegt. 1774 Ereignis f. (Klopstock Gelehrten-
rep. 140, auch bei Musäus, Miller usw), 1793
bei Adelung Ereignis n., Heynatz 1796 spricht
sich noch gegen die Bildung aus. Früher
wurde Eräugnung (Steinbach 1734), Ereuge-
nung (Stieler 1691), Ereignung (Krämer 1678)
dafür gebraucht: Eräugung bei Lessing 7,
203 ist «Vor -Augen -Bringung, Darstellung
einer Handlunsf zum Schauen». ■
Eremit, m. (-en, PI. -en)-. Einsiedler,
Klausner. Aus dem gleichbed. gr.-lat. eremita,
gl". lpr\ii.{xr\c m., abgeleitet von ^p>i|Lioc «ein-
sam». Bei Rot 1571, Heremit schon 1521
bei Judas Nazarei 58. ABL. Eremitage,
f. : Einsiedelei. Mit Anlehnung an lat. ereniHa
aus dem gleichbed. franz. ermitage m. Im
17. Jh. (Grimmeishausen Simpl. 510).
Eren, s. Em.
erfahren, v.: fahrend erwei-ben; (bildl.)
durch eigne Anschauung zukommende Kunde
vernehmen. Mhd. ervarn, ahd. irfaran «durch-
ziehen, durchwandern, erforschen, erreichen».
Das Pai-t. Prät. erfahren, als Adj.: be-
wandert. Im 15. Jh. (Voc.theut. g7a). ABL.
Erfahrung, f. MhA.ervarunge f., eig. «Durch-
wanderung», dann «Erforschung; Wahrneh-
mung; Kenntnis» (so in E. bringen).
erfinden, v.: aus-, auffinden; durch Ver-
such erkennen, als ein bisher Unbekanntes
hervorbringen. Mhd. ervinden, ahd. irfindan
«ausfinden, gewahr werden». ABL. Erfin-
der, m., frühnhd. Davon erfinderisch,
adj. Bei Adelung 1774. erfindlich, adj.
Bei Luther. Erfindung, f. Im 15. Jh.
ervindung f.
Erfolg, m., 1619 bei Helvicus Sprach-
kunst 35. Vom älternhd. erfolgeil in der Bed.
«eiTeichen», mhd. ervolgen «erreichen, erlangen,
erfüllen» (mit Dat. «zuteil werden»).
erfordern, v. : verlangen, bedürfen, nötig
haben. jVIhd. ervordern ist «fordern, gericht-
lich verfolgen». ABL. erforderlich, adj.:
nötig. 1741 bei Frisch. Nach Adelung obd.
und im gemeinen Leben. Erfordernis, n. f.
Bei Frisch 1741. Früher nur f.
erfrören, v.: erfrieren machen. !Mhd.
ervroeren. Jetzt nui- noch obd., während in
der Schriftsprache das intr. erfrieren dafür
eingetreten ist.
erfüllen, v, : voll machen ; zu Ende bringen,
ausführen, verwirklichen. Mhd. ervüllen. ABL.
Erfüllung, f., mhd. ervüllunge f.
ergattern, v.: heimlich, spähend aus-
findig machen und in seine Gewalt bekommen.
Urspr. wohl vom Geier, der seine Beute durch
das Hühnergatter erspäht. Im 16. Jh. (D. AV, 3,
894 vom J. 1594). S. gattern und ausgattern.
ergeben, v.: aus-, herausgeben; einträg-
lich sein, eintragen (ui'spr. wiedergeben. Auf-
gewandtes vergelten). Refl. sich e.: sich
in jemandes 'Gewalt geben; als Folge her-
vorgehen. Mhd. ergehen, ahd. irgehan; da-
zu asächs. ägetan, ags. ägifan, got. nsgiban
461
ergötzen
Erker
462
«ausgeben, wiedergeben, vergelten, bezahlen,
erweisen». Mhd. sich ergehen auch «sich
zeigen, zum Vorschein kommen». Das Part.
Prät. ergeben als Adj.: hingegeben, sich hin-
gebend. Bei Maaler 1561. Davon Ergeben-
heit, f., bei Steinbach 1734. ABL. Er-
gebnis, n. (zu sich ergehen): was sich als
Folge ergibt. Bei Campe 1807 als neues
Wort verzeichnet. Ergebung, f.: Übergabe
einer Stadt usw., frtihnhd. (bei S. Franck
Weltb. 18*); Gesinnung eines Ergebenen, Hin-
gebung, Geduld, 1691 bei Stieler. ergiebig,
adj. Bei Stieler 1691 (doch «sich eingebend»),
bei Frisch 1741 wie jetzt, ältemhd. dafür
ergihlich (Albertinus Lustg. 5^), ergehlich
(Maaler 1561).
ergötzen, ergetzen, v.: (mit Gen.) ent-
schädigen (Jer. 8, 18): zu einem innerhch
behaglichen Wohlgefühle stimmen. Mhd. er-
getzen, ahd. irgefzcii «eines Dinges vergessen
machen, wofür entschädigen, vergüten. Ge-
nüge tun, vergnügen, vergnügheh stimmen»,
das Faktitiv zu ahd. irge^^an «vergessen».
Die Schi-eibung ergötzen kommt schon im
16. Jh. bei Oberdeutschen vor, im 17. Jh.
auch zuweilen bei ^litteldeutschen, z. B. Fle-
ming Ged. 218, und ist im 18. Jh. sehr ge-
wöhnlich, doch schreibt Adelung ergetzen.
während Heynatz 1796 sich für ergötzen ent-
scheidet ; bei Goethe ist in der Ausgabe letzter
Hand ergetzen durchgeführt. ABL., ergötz-
lich, adj. u. adv., bei Luther ergetzlich. Da-
von Ergötzlichkeit, f. Schon im 15. Jh.
ergetzlichait f. «Vergütung, Belohnung».
erhaben, adj. und adv.: hei-vorragend;
(abstr.) unerreichbar und so zu Ehrfurcht
und Bewunderang stimmend. Mhd. erhaben,
das Part. Prät. von mhd. erheben, ahd. ir-
heffen, asächs. ähebbian, ags. ähebban, got.
ushafjan, «zur Höhe heben, anheben». Dies
Part, ist sonst im Nhd. durch erhoben er-
setzt (doch kommt e. noch im 17. Jh. z. B. bei
Harsdörfer, Schupp, Gryphius vor), während
sich im adjektivischen Gebrauch e. erhalten
hat. Das Prät. von erheben lautet erhob
und erhuh (s. heben), früher auch erhebte,
Part, erhebt (Luther Randglosse zu Rieht. 11,
35 hoch erhebt). ABL. Erhabenheit, f.,
mhd. erhabenheit f.
erhalten, v.: aufrechthalten; in einem
Zustand bewahren : Unterhalt geben : erlangen,
bekommen. In allen diesen Bedd. bei Luther,
mhd. noch nicht nachzuweisen.
Erhart, Mannsname, ahd. Erhart.
erhärten, v.: hart, fest machen; bekräf-
tigen. In der 2. Bed. schon mJid. erherten,
doch noch von Adelimg dem Obd. zugewiesen.
erheben, s. erhaben.
erheblich, adj. u. adv.: von Gewicht, von
Belang. Frühnhd. T Albertinus Lustg. 203*).
^Bi.." Erheblichkeit, f., bei Stieler 1691.
erholen, v. : (veraltet) heraus-, herbei-
' holen; erwerben (es erholen Lessing 3, 62).
' Refl. sich e. : sich verschaffen (in sich Rats
e.); Verlorenes, Versäumtes zurück-, nach-
! holen, wieder einbringen, gutmachen; frische
j Kraft gewinnen, eig. wohl «wieder Atem
holen». Mhd. erholn, ahd. irhalön, irholön,
refl. mhd. sich erholn. ABL. Erholung, f.
Bei Luther.
erinnern, v. : machen, daß jemand wessen
wieder inne wird: iemand auf etwas auf-
! merksam machen, bes. tadelnd. Refl. sich e.:
\ wieder inne werden. Frühnhd., auch bei
Luther, mhd. dafür bloß innern, ahd. innarön,
i abgeleitet von innaro «der Innere», daneben
I mhd. erinnen «inne werden». ABL. erinner-
I lieh, adj. Bei Stieler 1691. Erinnerung, f.
I Im 15. Jh.
erkalten, v.: kalt werden. Mhd. erkalten,
ahd. irkalten. Dagegen erkälten, v. : kalt
machen, mhd. erkelten. ABL. Erkältung,
f., bei Rädlein 1711.
erkennen, v. : durch Sinji oder Geist wahr-
nehmen, sich eines bereits Wahrgenommenen
wieder bewußt werden: seine Überzeugung
wovon dartun, vgl. anerkennen; sich richter-
lich äußern ; beiliegen (oft in der Bibel). Mhd.
erkennen, ahd. ar-, irchennan in den obigen
Bed.; ags. äcennan «zeugen», got. iiskannjan
«jemand etwas kundtun, empfehlen». ABL.
von dem Part. Prät. mhd. erkennet, erkant:
erkenntlich, adj. u. adv.: erkennbar; Dank-
barkeit an den Tag legend. Mhd. erkantlich
«erkennbar, bekannt», frühnhd. erA'en^^/cÄ (voc.
ine. teut. e2''), älternhd. oft erkänntlich; in
der 2. Bed. im 17. Jh. (erkantlich bei Grimmels-
hausen Simpl. 2, 147, 12 Keller). Davon Er-
kenntlichkeit, f., bei Stieler 1691. Er-
kenntnis, f. n. Mhd. erkantnisse f. n. «Hand-
lung, Begiiff des Erkennens», bei Luther Er-
kentnis f. n., auch im 18. Jh. noch oft als
Neutr., z. B. bei Haller, Klopstock, Schiller,
Kant, während jetzt (nach Adelung) Erkennt-
nis n. nur «nach Untersuchung und Befund
sich ergebende und ergehende Bestimmung».
Erker, m. (-s, PI. wie Sg.): vorspi-ingen-
der Ausbau oben an einem Hause oder an
463
erkiesen
Erlkönig
464
der Vorderseite einer Mauer. Mhd. ärker,
erker m., mnd. auch arkener, erkener m,, aus
mlat. ärcora f. von lat. arcus m. «Bogen», im
Mlat. auch s. v. a. «Zimmerwölbung, bogen-
förmiges Zimmer».
erkiesen, v.: erwählen. Mhd. erkiesen,
ahd. irkiosan; dazu asächs. äkiosan, ags.
äceosan, got. uskiusan. Die Flexion ist wie
bei kiesen (s. d.) stark (Prät. erkor, Part.
erkoren) und schwach.
erklären, v.: klarmachen; der Einsicht
öffnen; bestimmt kundgeben. Mhd. erMeeren
«klar, hell, deutlich machen»; die 3. Bed.
frühnhd. (in Glossaren des 15. Jh. bei Diefen-
bach 168*). ABL. erklärlich, adj. Bei
Rädlein 1711. Erklärung, f. Im 15. Jh.
(Lexer Nachtr. 157 vom J. 1497).
erklecken, v.: wozu ausreichend sein;
zum Vorteil, zum besten gereichen, förder-
hch sein. Mhd. erklecken. ABL. erkleck-
lich, adj. Frühnhd. S. klecken.
erkohern, v.: für verlorene Kraft frische
sammeln. Noch oberdeutsch und in der
Sprache der Bienenzüchter. Mhd. erkoheren,
erkoveren «erlangen, gewinnen, zusammen-
halten, zu frischer Kraft anregen», refl. «sich
erholen», ahd. irkohorön verlangen, erreichen».
Wie mhd, koberen, koveren, ahd. kohorön ent-
lehnt aus lat. recuperäre «wiedererlangen»,
refl. «sich wieder erholen», mlat. cuperare
«erwerben», woher auch afranz. coubrer «be-
kommen», recovrer und recouvrer «wieder-
bekommen, genesen», prov.-span. cobrar «be-
kommen», iproY. recobrar und span. reco&rarse
«sich erholen», sowie mndl. koeveren «er-
werben», ags. äcofrian «wieder genesen»,
engl, recover «sich wieder aufraffen», schwed.
förkofra «aufhelfen».
erkoren, s. erkiesen.
erküren, neuere Bildung (um 1730) statt
des älteren erkiesen, s. küren.
erkundigen, v.: Kunde wovon erwerben.
Mhd. dafüi- et^kunden, dies noch bei Luther
und bis ins 18. Jh. neben erkündigen.
erlangen, v.: abreichend woran kommen;
strebend erhalten. Mhd. trans. erlangen «er-
reichen».
Erlaß, m. (-sses, PI. -sse): Nichtanrechnung ;
zur Befolgung Verfügtes oder Befohlenes. Bei
Adelung 1774 (dafür ahd. urlä^ m. «Entlas-
sung»). Von erlassen, v. : nicht anrechnen,
von Anzurechnendem befreien; von sich aus-
gehen lassen. Mhd. erlägen, erlän, ahd. ir-
lägan «wovon freilassen»; dazu asächs. älätan,
ags. älätan, got. usletan «ausschließen». Die
2. Bed. bei Adelung 1774.
erlauben, v.: Recht und Freiheit geben,
etwas zu tun oder zu lassen. Bei Luther,
auch sonst früher bei Mitteldeutschen, erleuben.
Mhd. erhüben, e^iöuben, ahd. irlouben; dazu
ags. älyfan, got. uslaubjan. Vgl. glauben.
ABL. Erlaubnis, f. Fmhnhd. (um 1480
im Voc. ine. teut. e2^ erlaubniß).
erlaucht, adj.: hoch und hen-lich, als
Titel, im besondeni bei Reichsgrafen, «er-
haben». Davon als Subst. Erlaucht, f.:
Erhabenheit, Titel der Reichsgrafen. Das
zum Adj, gewordene Part. Prät. von er-
leuchten, mhd. erliuhten, ahd. irliuJiten, mhd.
(mit Einführung des Rückumlauts) erlühtet
(für erliuhtet), erlüht, das schon im 14. Jh.
als fürstliches Titelbeiwort verwendet wird,
ABL. erlauchtig, adj., mhd. erliuhtic, er-
lühtic (auch als Titel). Vgl, durchlaucht.
erläutern, v.: erklären, klarmachen. Mhd.
erliutern «hellmachen, erklären», von lauter
(s. d.).
Erle, f. (PI. -n): der auf Sumpfboden
wachsende Baum, lat. alnus, Mhd, erle, ahd,
erila, umgestellt aus elira f, (s. Eller); dazu
ags, alor, engl, alder, anord, ölr m., elrir m.,
elri n. und mit Erhaltung des sonst zu r
gewandelten s ndl, eis (s, Else). Verwandt
ist lat, alnus aus *alsnus f,, abg, jelicha f,
«Erle*», lit. eiksnis m. «Erle». ABL. erlen,
adj,, mhd. -ahd, erlin. Auch in Erlenholz usw,
erledigen, v, : ledig, d. i, frei, leer machen,
mhd. erledigen «völlig zu Ende bringen» (erst
von Adelung 1774 als obd. angeführt).
erlegen, v.: niederlegen, zu Falle bringen,
mhd. erlegen «bezahlen», eig. «auf den Zahl-
tisch legen» (fmhnhd.).
erleiden, s. leideyi.
erlesen, adj.: ausgesucht, ganz vorzüglich.
Frühnhd., eig. Part. Prät. von erlesen, mhd.
erlesen, ahd. irlesan «auslesen, das Beste her-
auslesen».
erliegen, v.: danieder liegen, völlig bis
zum Nichtwiederaufstehen entkräftet werden
wovon. ÄIhd. erligen, ahd. irliggan, irligan,
ags. alicgan.
Erlkönig, auch Erlenkönig, m.: Elfen-
könig. Beide 1779 von Hei'der in seinen
Volksliedern gebildet als Übersetzimg des
dän. ellekonge, ellerkonge, d. i. elvekonge, elver-
konge «Elfenkönig, Beherrscher der Elfen», in
welchem Wort er eile aus Mitverständnis für
eil, in Zusammensetzungen eile «Erle» nahm.
465
Erlös
Ernte
466
Erlös, m. {-es): das gelöste oder einge-
nommene G-eld. Erst bei Campe 1807 als
obd. angeführt. Von erlösen, in der Bed.
«Geld gewinnen», schon mhd. erloesen auch
«erzielen, gewinnen».
erlöschen, v. (Prät. erlosch, Part, er-
loschen): aufhören zu leuchten: (büdl.j auf-
hören sichtbar, wirksam, tätig zu sein. Mhd.
erleschen (Prät. erlasch), ahd. irlescan. Da-
gegen erlöschen (Prät. erlöschte, Part, er-
löscht): erlöschen machen. Mhd. erleschen
(Prät. erlaschte), ahd. irlescan, irlesken, das
Faktitiv von irlescan. S. löschen.
Erlöser, m. (-s, PI. wie Sg.): Befreier,
nam. von Christus als Befreier von der Sünde.
Mhd. erloescere (auch bloß Icescere), ahd. ir-
lösari m.
erlnstleren, retl. v. : sich in Wohlgefühl,
heitere Stimmung versetzen. Bei Luther,
mit fremder Endung, dagegen mhd. erlusten,
wie neben erlusten bei Luther; bei Maaler
1561 erlustigen. ABL. Erlustlgung, f.,
1538 bei Schaidenreißer Paradoxa 8*.
ermächtigen, v. : wozu Macht, Vollmacht
geben. Bei Wieland, wohl aus dem Obd.
(noch nicht bei Adelung). Dagegen refl.
sich e.: sich bemächtigen. Von Adelung
1774 als obd. angeführt, noch bei Schüler
(Jungfr. V. Orl. 1,^10. Teil 2, 2).
ermannen, refl. v.: Mut fassen, eig. zum
Mann werden. Mhd. (ohne sicK) ennannen.
ermessen, v.-. ausmessen, mhd. ernie^^en,
ahd. irme^^an: erwägen, beurteilen. In der
2. Bed. in der frühnhd. Kanzleisprache (Janssen
Frankf. Reichskorr. 1, 317), von Adelung und
Heynatz noch als obd. empfunden. Davon
das Subst, Ermessen, n.
erniitteln,v. : feststellen, ausfindig machen,
ausmitteln (s.d.j. Erst um 1800, bei Campe 1807
noch nicht verzeichnet. Früher in der Bed.
«durch angewandte Mittel möglich machen»,
1619 bei Londorp acta publica 1, 698 ^
ermuntern, V. : munter machen, erwecken,
anregen. Mhd. ermuntern «aufwecken». j
Em, Eren, auch Ähren, m. {-s, PI. wie :
Sg. j : der Hausraum zwischen der Haustür
und den Zimmern desselben Stockes. Ln
westlichen Süd- und Mitteldeutschland, auch
Thüringen üblich (bei Schiller Käuber 4, 4
Ohm, Schweiz, u. schwäb. auch Ervi). Mhd. |
eren, em «Fußboden, Tenne», ahd. arin, erin\
m. «Fußboden, Altar»: dazu ags. am n. «Haus»,
anord. arenn, dän. arne m. «Herd». Wohl
urverwandt mit lat. ärea f. «Tenne, innerer
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
freier Hofraum». Weiteres bei Walde s. v.
ärea, Meringer Idg. Forsch. 17, 122. Zu-
weilen auch ÄJire f. (Klopstock Messias 20,
144 und 152, auch bei Adelung).
ernennen, v.: zu einer Stelle bestimmen,
Mhd. ernennen «namhaft machen»; die jetzige
Bed. bei Krämer 1678.
^ Ernst, das Appellativum Ernst (s. d.) als
Mannesname, ahd. Ernust.
"Ernst, m. (-es): Festigkeit des Wülens-
entschlusses; Festigkeit der Gesinnung. In
es ist, ivird Ernst, mhd. ynir ist ernest, in
adjektivische Bed. übergehend, dann auch
attributiv verwendet «im Wülensentschlusse
fest: scherzlos» (schon bei Luther). ^Ihd.
ernest, ernst (auch «Kampf»), ahd. ernust f.
n.; dazu ags. eornost f. «Kampf, Zweikampf»,
ndl. ernst m., engl, earnest (auch Adj.). Ver-
wandt ist mit Vokalablaut got. amiba adv.
«fest, sicher»: femer vielleicht aind. ärnas n.
«wallend, flutend, Woge. Kampfgewühl, Strom»,
arnäväs «wallend, flutend», aw. armav- m.
«Kampf, Wettkampf», Bartholomae ZfdW.
6, 355. ABL. ernsthaft, adj. u. adv. Mhd.
ernesthaft (auch «kampfbereit»), ahd. ernust-
haft. Davon Ernsthaftigkeit, f., mhd.
ernesthafticheit f. ernstlich, adj. u. adv.,
mhd. emestlich auch «streitbar», ahd. emustlih,
and. ernusfHko (ernstlich, wirksam).
Ernte, f.: Einsammlung des Boden- oder
Baumertrags; die eingesammelten oder ein-
zusammelnden Früchte; die Zeit der Ein-
sammlung: (büdl.) Gewinn, Ertrag wovon.
Bei Luther ernd, erndte, sonst ältemhd. meist
Emd, Emde, erst bei Adelimg 1793 Ernte.
Mhd. ernede, ernde f., hervorgegangen aus dem
Plur. arnödi des ahd. arnöd m., das eine Ab-
leitung von dem Verbum ahd. arnon, mhd.
arnen, ags. earnian, engl, earn ist, vgL Mond
aus mhd. mänöt. Das gewöhnliche Wort
für Ernte ist mhd. erne f. (auch noch älter-
nhd. und jetzt dialektisch), hervorgegangen
aus dem Plur. erni des ahd. aran m. «Ernte»;
dazu got. mit dem lu-sprüngl. s asans f.
«Erntezeit, Emtefeld», anord. önn (aus *azna)
f. «Erntezeit, Arbeitszeit, Arbeit». Dazu ge-
hört noch got. asneis m. «Mietling, Tage-
löhner», ahd. (nait bewahrtem s) asni m.
«Mietling», ags. esne m. «Knecht, Jüngling»,
and. asna f. «Lohn, Abgabe». Nicht zu lat.
annöna f. «Jahresertrag an Getreide», das
nur auf "^atnona zurückgehen kann, vgl.
Walde s. v., vielmehr zu apreuß. assanis
«Herbst» (aus dem Gotischen?), ahg. jeseni
30
467
erobern
erschrecken
468
m. «Herbst». ABL. ernten, V. Bei Luther
erndten, dafür mhd, amen, 1482 im Voc.
theut. hl* erneu. ZUS. Erntemonat, m.:
August. Ahd. arcmmcwoth m., die von Karl
d. Gr. eingeführte Benennung.
erobern, v.: durch (Waffen-) Gewalt zum
Herni wovon werden. Eig. «der Obere wo-
von werden», mhd. auch einfach ohern, ahd.
oharon, spätmhd. erobern «übertreffen, über-
winden, eriibrigen», intr. «übrigbleiben»,
frühnhd. dann «behaupten, erwerben» und
bei Luther (auch eröhern) in der jetzigen Bed.
erörtern, v.: von allen Enden (Seiten)
betrachten, darlegen. Im 15. Jh., daneben
auch bloß örtern «genau untersuchen», ab-
geleitet vom Plur. Örter des mhd. ort n. m.
«Spitze, Ende, Seite», also eig. «bis an die
äußersten Spitzen verfolgen», vgl. ausecken.
erotisch, adj.: die Liebe betreffend. Nach
dem gleichbed. ,gi\ ^pujtiköc, von ^ptur m.
«Liebe». Im spätem 18. Jh.
Erpel, m. (-S, PI. wie Sg.): Enterich.
Ndd., schon mnd. erpel, arpel m. Vgl. anord.
jarpr «Haselhuhn», eig. «der Braune», ahd.
erp/'«fuscus», russ. rjahu «bunt», lett. ierhe f.
«Haselhuhn».
erpicht, adj.: durch Leidenschaft woran
gefesselt. Eig. vom Vogel, der am Pech
(Vogelleim) hängen geblieben ist. Seit dem
17. Jh. (Fleming Ged. 390), daneben auch
verpicht (Gryphius Trauersp. 483).
erpressen, v.: durch Zwang erlangen,
1595 bei Pistorius anatomia Lutheri Vorr.
54 erbressen.
erquicken, v.: zu fnschem Leben er-
wecken. Mhd. erquicken, auch erkücken, er-
kicken, ahd. irquicchen, auch irchucchen «wie-
der lebendig machen, vom Tode erwecken»,
dann «erneuern», dessen quicchen abgeleitet
von dem Adj. quec «lebendig», s. auch keck;
dazu asächs. äquikön, ags. äcividan. ABL.
erquicklich, adj. u. adv. Frühnhd. Er-
quickung, f. Frühnhd.
erratisch, adj.: verirrt, zerstreut, bes. in
der Verbindung erratischer Block: Wander-,
Findlingsblock. Aus lat. e>Täticus «umher-
irrend» von erräre «irren». Kunstwort der
neuen Geologie, durch Scheffel allgemein be-
kannt geworden.
erregen, v.: rege machen, in Bewegung
bi"ingen; (von Gefühlen usw.) hei'vorrufen.
Bei Luther. ABL. Erregung, f.
erreichen, v.: bis woran reichen; wozu
gelancren. Mhd. erreichen.
erretten, v.: einer Gefahr oder Not ent-
ziehen. IVIhd. erretten, ahd. irretten, ags. ähred-
dan, urspr. «heraus-, wegreißen, entreißen»,
s. retten. ABL. Errettung, f. Bei Luther.
Errungenschaft, f.: Erwerbung, Vor-
teil. Urspr. Rechtswort, 1663 bei Schottel
380 nur i. d. Bed. «in der Ehe erworbene
Güter», so auch bei Adelung als Kanzlei-
ausdiiick, die allgemeine Bed. gehört der
neusten Zeit an, s. Ladendorf.
Ersatz, m. (-es). Im 15. Jh. in der Schweiz
ersatz m. «gleichgeltende Strafe», erst nach
1750 in der jetzigen Bed. allgemein gewor-
den. Von ersetzen, s. d.
ersaufen, v.: zum Verderben saufen
(Jesaia 28, 7); in Flüssigkeit das Leben ver-
Ueren. Bei Luther: dagegen mhd. ersüfen.
ahd. irsüfan «sich voll trinken ». Dazu als
Faktitiv das schwach flektierende ersäufen,
V.: ersaufen machen, mhd. ersoufen, ersöufen,
neben mhd. -ahd. soufen «ertränken», Faktitiv
von ahd. süfan «saufen» (s. d.).
erschallen, v.: einen starken, weithin
gehenden Laut zuriick- oder von sich geben;
in solchem Laute sich kundgeben. Dafür
mhd. erschellen (Prät. erschal, Plur. erschullen,
Part, erschollen), ahd. irskellan als intr. Ver-
bum, das ein trans. erschellen (Prät. erschalte),
ahd. irskellen «Schall hervorrufen», und ein
seltenes von schal gebildetes mhd. erschallen
«durch Schall erwerben» neben sich hat. Bei
Luther im Präs. erschallen, Prät. erschall,
seltener erschallte (1. Sam. 4, 5), Part, er-
schollen, sonst älternhd. auch erschellen im
Präs., 3. Sing, er schult, im 17. Jli. von den
Schlesien! gebraucht und noch bei Adelung
angefühi-t (auch ein trans. erschellen, s. zei'-
schellen). Das Prät. erscholl 1663 bei Schottel
584 (aber Konj. noch erschülle).
erscheinen, v. : zum Vorschein kommen,
sichtbar werden, mhd. erschinen, ahd. irskinan:
deutlich werden, erhellen (frühnhd.) ; in einer
gewissen Gestalt sich zeigen. ABL. Er-
scheinung, f., mhd. erscMnunge f.
erschöpfen, v.: ausschöpfen (mhd. er-
sehe}) fen, 1541 bei Frisius erschöpfen): zu
Ende bringen; vollständig behandeln. Refl.
sich e.: zu Ende gelangen. Im 17. Jh. (1696
in Lokmans Fab. 16).
erschrecken, v. (Prät. erschrak, Part.
erschrocken): infolge einer heftigen Wirkung
auf die Seele auf-, zusammenfahren. In nordd.
Umgangssprache auch refl. (ich habe mich er-
schrocken, besser ich bin erschrocken). Mlid.
469
erschüttern
ersuchen
47u
erschrecken, daneben erschricken, ahd. ir-
scricclian «aufspringen», dann «erschüttert
auf-, zusammenfahren», s. Schreck. Die starke
Flexion dringt erst vom 11. Jh. an durch,
daneben noch mhd. erschricken mit schwacher
Flexion. Dazu erschreckeu, ^■. (Prät, er- '
schreckte): erschrecken machen, in Schrecken'
setzen. Mlid. erschrecken (Prät. erschrahfe,
erschracte), ahd. (bei Notker) irscrecchen,
das Faktitiv von irscricclmn. ABL. er-
SChrecklich, adj. u. adv. Mhd. erschrecke-
lieh. Älternhd. oft erschröcklich, das auf
mhd. erschrockenlich (vom Part. Prät. er-
schrocken) zurückgeht. Erschreckiiis, f. n.
Mhd. erschrecknis f.
erschüttern, v.: in Bewegung geraten
(noch im 18. Jh.; bei Luther erschüttern);
in Bewegung versetzen. Mhd, ohne AbleituHg
erschütten, ahd. irscutten «erschüttern, er- ;
schüttert -werden». ' I
erschwingen, v.: schwingend in Bewe-
gung setzen, mhd. erswingen; im Schwünge
reichen (so mhd., auch büdlich) ; (von Kosten)
«aufbringen» (Hans Sachs 4, 343). ABL.
erschwinglich, adj., nach der letzten Be-
deutung des Verbs, 1774 bei Adelung.
ersetzen, v.: wiedersetzen, d. h. den
gleichen Wert erstatten. !Mhd. ersetzen, ahd.
irsetzen in dieser Bed., dagegen ags. äsettan
«zusammensetzen, errichten, einrichten», got.
ussattjan «aussetzen, ausschicken, draufsetzen,
pflanzen, gründen, zeugen».
ersprießen, v.: wachsend zur Höhe!
sich heben; förderlich sein. Mhd. er sprießen. :
ABL. ersprießlich, adj. u. adv.: gedeihHch,
forderlich. In der friihnhd. Kanzleisprache
(Janssen Frankf. Reichskon-, 1, 502), 1524 von
Luther noch bekämpft (Bindseil 7, 315).
erst, mit dem bestimmten Artikel der,
die, das erste: Ordnungszahlwort von eins.
Mit Präp. in attfs erste, fürs erste, am ersten,
zum ersten adverbial. Davon Akk. Sing, des
Neutr. erst als Adv. : vor aUem andern, vor 1
allen andern ; vor allem ; vor allem einmal ; |
anfangs; nicht friiher; nicht weiter oder mehr [
als. Mhd. erest, erst, ahd, erist: dazu asächs.
erist, ndl. eerst, afries, erosf, ags. (erest, der
Superl. zu eher, s. ehe. Davon erstens, i
genitivisches Adv. für früheres am, zum
ersten. Erst bei Adelung als Wort des ge- ,
meinen Lebens angeführt, erstcrer, der '
erstere. Mit Komparativendung von erst
gebildet. Im 17. Jh., zunächst ohne strenge
Scheidung von der erste, dann zum Hinweis ;
auf das erste von zwei genannten Personen
oder Dingen gebraucht. ABL. erstlich,
adv.: am ersten, zum ersten. Bei Luther.
Erstling, m. {-s, PI. -e): das zuerst Her-
vorgebrachte. Bei Luther.
erstatten, v.: ergänzend geben (bei Luther);
schadlos machend geben: überhaupt geben
(in Bericht e.). Mhd. erstaten «ersetzen».
S. statten.
erstaunen, v.: in Staunen versetzt wer-
den (1541 bei Frisius 818^); in Staunen ver-
setzen (zunächst das Part., erstaunend «staunen
machend» bei Steinbach 1734 und Frisch 1741,
danach die übrigen Formen, z. B. bei Cloethe,
SchiUer usw.). S. staunen. ABL. erstaun-
lich, adj. u. adv.: Staunen eiTegend. Bei
Stieler 1691.
erstecken, s. ersticken.
erstehen, v.: sich erheben, mhd. erstan,
ersten, ahd. irstantan, ebenso asächs. ästan-
dan, got, iisstandun: überstehen, aushalten
(friihnhd.); am Auktionstisch stehend er-
werben (mhd. durch Stehen vor Geincht er-
werben); überhaupt erwerben, kaufen.
erstens, ersterer, s. erst.
ersticken, v.: l) intr. mit sein: aus
Mangel an Luft aufhören zu leben. 2) trans.
mit haben: durch Entziehung der Luft auf-
hören machen zu leben, Mhd. ersticken, ahd.
irsticchen ist intr. «ersticken», urspr. wohl
dui'ch Steckenbleiben des Atems zum Tode
benommen sein. Ein transitives mhd. ersticken
findet sich in der Bed. «aus-, vollstopfen»,
dann im Mitteldeutschen des 14. Jh. wie unser
transitives ersticken, so auch von Luther ge-
braucht. Es verdrängte das üblichere mhd,
erstecken (Prät. erstahte), das noch im 17. Jh.
bei den schlesischen Dichtem und noch jetzt
dialektisch im Bayr. vorkommt.
erstlich, Erstling, s. erst.
erstummen, v.: stumm werden (Luk. 1,
20). Mhd. erstumynen, ahd. ir stummen.
erstunken, adj, : übelriechend geworden,
in erstunken und erlogen «verabscheuenswert
gelogen» (bereits bei Mumer Geuchm. 46 und
bei Luther). Das Part. Prät. von älternhd.
erstinken, mhd. erstinken «in Gestank oder
Fäulnis übergehen, stinkend werden».
ersuchen, v.: aussuchen (1, Sam. 13, 14);
inständig bitten (bei Luther): in förmhcher
Weise bitten (aus der Kanzleisprache). Mhd.
ersuochen ist «ausforschen, ergründen, unter-
suchen, heimsuchen», ahd, irsuochen «ver-
suchen, ei*proben», got. ussökjan «untersuchen».
30*
471
ertappen
£rz
472
ertappeil v.: wobei überraschen, eig. ifacÄ;f<z^'ei «rufen», wrtcÄiiS «Geschrei». ABL.
mit der Hand fassen, s. tappen. Friihnhd. i Erwähnung, f., 1607 bei Sattler.
erteilen, V.: zuteil werden lassen. Mhd. erwehren, V.: (ältemhd. mit Dat. der
erteilen, ahd. irteilen ist «ein Urteil sprechen, Pers.) wovon abhalten (l. Sam. 25, 33), refl.
urteilend zuerkennen, zusprechen», ebenso
asächs. ädelian, ags. ädcelan. Vgl. Urteil
sich e. (mit Gen.): abhaltend (sich wehrend,
verteidigend, schützend), standhalten gegen-
Ertrag, m. (-es, PI. Erträge): Gewinn : ü^er — . Mhd. erwern, auch erwerjen, er-
vom Boden und dem, was auf demselben . ^^,^^^^,^1^^ ahd. irwerian, irwerran (mit Gen.
wächst. Bei Stieler 1691 (bei Maaler 1561 oder Dat.) «verteidigen, behaupten gegen,
ist Ertrag «das Ertragen, Aushalten»). Von j yei-w^ehren»; dazu ags. äiverian.
ertragen in der Bed. «eintragen, einbringen», jjrweis, m. {-es, PI. -e). Bei Ludwig
(bei Maaler 1561), der die Bed. «nach Köi-per- , ^^^g y^^ erweisen, v.: durch Wort oder
kraft tragen» und «mit gefügigem Aushalten ^^^ kundtun, mhd. erwisen «anweisen», refl.
tragen» (bei Luther) vorausgeht. ABL. er- ^^^-^^^ kundtun». Die Flexion ist im Mhd.
träglich, adj. u. adv.: erduldbar, leidlich, g^hwach, so auch bei Luther und sonst älter-
Nach der letzten Bed. von ertragen. Bei ; ^^^^ ^^^^-^ ^^g- Hagedorn), doch gibt schon
Krämer 1678. Bei Maaler 1561 äaiür ertragen- 1 g^i^ottpi ißßg ^^^ starken Formen erwies, er-
Uch. Erträgnis, n.: Ertrag. Neues, bei j ^.^^^^ ^^^_ Q. weisen.
Campe 1807 noch nicht angeführtes Wort Erwerh, m. (-es). Bei Stieler 1601. Von
ertranken, v.: ertrinken machen Mhd. ^^werhen, v.: durchHandeln erreichen oder
ertrenken, ahd. xrtrenchen, das laktitiv von ^
ertrinken, mhd. ertrinken, ahd. irtrinchan
«in Flüssigkeit untergehend sterben».
erwägen, v.: nach Wichtigkeit und Ge- , , -, • -j - ^
1 IX ^ -i' 1J. i. ■ . a ■ 1 ■ 1, i s.v. a. «ersetzen», ahd. triüiaaro?i« verwerten»,
halt piiifen. veraltet ist reti. sich e.: sich i . ' . . , . '
1 i-ni^iio j. r -i. u eis. «entgegen sem», -iviaaron von wiaar
durch Entschluß unterfangen; sich wessen be- , =. . , ■■ -^ ^ \r,T^ «i x-
, • 1, / u u • T 4-1, \ MUA «Wider» abgeleitet. ABL. Erwiderung, f.
geben, es preisgeben (noch bei Luther). Mhd. | j „ j,
erwägen (Präs. erwige, Prät. erioac, Part. ^- '_,''. ' , ^ _, .
wegen) «aufwärts bewegen, emporheben, in \ Erwui, Mannsname, ahd. Erwin.
Bewegung setzen, im Geiste hin und her be- \ erwischeu, v.: mit Geschwindigkeit fan-
wegen, wägend prüfen»; refl. sich erwegen gen. • ^^lä. erwischen, daneben erwüschen.
«sich erheben, sich wagend entschließen»; Erz, n.: metallhaltiges Gestein, rohes
aber auch s. v. a. «sich von etwas zurück- \ Metall; Metallgemisch, Kupfermischimg;
bewegen, sich wessen begeben, es preisgeben», j Metallgerät. Älternhd. auch mit angetre-
Die starke Flexion ist im Präs. aufgegeben tenem t Erzt (am frühesten 1429 erczt im
(doch noch im 18. Jh. erwigt bei Drollinger , Lib. ord. rer. 18*, auch bei Luther und
18, erwieget bei Breitinger Forts, der crit. 1 Mathesius zuweilen Erzt), was sich noch
erlangen, mhd. erwerben.
erwidern, v.: wogegen durch Wort oder
Tat zumckgeben, Mhd. erwideren, auch
Dichtk. 97), Prät. erwog, Part, erwogen (bei
Luther noch erwegen), zuweüen auch schwach
erwägte, erwägt. S. wägen.
manchmal im 18. Jh. findet, z.B. bei Hagedorn
Werke 1, 34, Klopstock Hermann u. d. F. 83,
Lessing 6, 466. 8, 496, Wieland Idris 2, 36,
erwähnen, v.: gedenken, andeutend zur ! Schubart Ged. 2, 82, selbst noch 1799 bei
Kenntnis bringen. Erst im 17. Jh. (bei Duez , Schüler 11, 296, Mhd, erze, arze, ahd. erizzi,
1642 erwehnen, schon 1607 bei Sattler erwent
= gemelt), im Mhd. dafür gewähenen, ge-
arizzi, aruzzi, aruz n. «Metallschlacke, un-
gereinigtes, unbearbeitetes Metall», dazu and.
wehenen, ahd. giwahannen, giivahinen «ein-,arM^m. «Stückchen Erz». Unverwandt mit
gedenk sein, gedenken», mit dem Prät. (ohne i mhd.-ahd. er n. «Erz», ags. är, cer «Eisen»,
das dem Präs, angehörende Nasalsuffix) mhd. j engl, ore, anord. eir n. «Metall, Mischmetall»,
geivuoc, ahd. giiouog. Nicht mit wähnen von | got. aiz n. «Erz, Geld», die mit lat. aes, Gen.
Wahn gebildet. Das für sich mcht vor- j aeris n. «Mischmetall», amd. äjas, aw. ajah- n.
kommende Verb um gehört zu lat. vocäre \ «Eisen» verwandt, s. ehern. Es gehört viel-
«rufen», vöx (Gen. vöcis) f. «Stimme», gr. leicht zu lat. raudus m. «formloses Erzstück
OTTO (Akk.) «Stimme», und mit Ablaut giTocn. als Münze», lat. rudis «roh», abg. ruda f.
«Wort», eiTTov «ich sagte», aind. vac «sagen, j «Erz». Weiter klingt- sumerisch ifn^d« Kupfer»
reden», aor. ävöcam, ir. faig «dixit», apreuß. an. Vgl. noch Schruder Reallex. 203.
473
Erz-
es
474
Erz-, erz- als untrennbares erstes Wort
einer Zusammensetzung bezeichnet das Ur-
sprünglichste, Erste, Torzüglichste des durch
das 2. Wort Ausgediückten. Mhd. erze-^
erz- geht, wie ndl, aarts-, zurück auf mlat. i
arci-, lat. archi-, gr. dpxi-, von äpxeiv «der
Erste sein, anfangen». Es steht zunächst in
den Wörtern, die den lateinischen Bildungen
mit archi- nachgebildet sind, z. B. Erz-
bischof , mhd. erzehischof, ahd. erzibiscof, <
aus gr.-lat. archi episcopus m.: Erzengel,
mhd. erzengel, aus gi\-lat. archangelns m.,
denen sich andre kii-chliche Worte wie z. B.
ErzTater nach lat. patriarcha m. anreihen:
später auch bei Hofämtem, z.B. Erzkanzler,
aus mlat. archicanceUarius m. und wegen der
Gleichstellung mit den Kurfürsten, die als
Verwalter der Eeichserzämter auch Erz-
fürsten hießen, Erzherzog (mlat. archidiix)
als Titel der Füi-sten und Prinzen von Öster-
reich, der erst 1453 auf Anordnung Kaiser
Friedrichs III. allgemeine Anerkeimung fand.
Im spätem Mhd. werden mit erz- auch
Spott- und Scheltnamen gebüdet, zunächst
für das Hofgesinde, z. B. erzhuohe «archi-
scurra», und dergleichen Bildungen sind bei
Luther sehr gewöhnlich, z. B. Erzketzer,
Erznarr, Erzschalk. SchließUch wird Erz-
auch zur Bildung von Adjektiven, namentlich
von solchen übler Bed., vei'vvendet, z. B.
erzhöse (bei Luther), erzdnmni usw. Im
Grot. findet sich arkaggilns m. «Erzengel»,
das die Aussprache des c in mlat. arci- als
Verschlußlaut voraussetzt, entsprechend ags.
arce- , anord. erki- , z. B, ags. arcehiscop,
anord. erkibiskup m. «Erzbischof», schwed.
ärke-, däru erke.
erzählen, v.: in Worten darstellen, bes.
Begebenheiten. Fiiiher (noch bei Lessing)
meist erzehlen. Mhd. erzein, erzeUen «der
Zahl nach darlegen, aufzählen» (noch bei
Luther), dann «auseinandersetzen, ausdiücken,
ia Worten darstellen»: dazu ags. äteUan «aus-,
aufzählen». ABL. Erzählung, f. Im 15. Jh.
erzelungef. (Frankf.ReichskoiT. 2, 186 von 1461).
erzeigen, v.: hervor-, darzeigen, sehen
lassen (Sir. 36, 7); sichtbar zukommen lassen,
in die Sinne fallend zu erkennen geben.
Refl. sieh e. Mhd. erzeigen.
^ erzen, adj.: von Erz. Im 16. Jh. ertzin.
Dafür meist ehern, s. d.
" erzen, v.: mit Er anreden. Gebildet wie
duzen, ihrzen. Im 15. Jh. TEschenburgs
Denkm. 402, 14;.
erziehen, v.: fort-, wegziehen; unter
leiblicher oder geistiger Pflege aufwachsen
machen (vgl. lat. edücäre «erziehen», zu
dücere «ziehen»). Mhd. erziehen, ahd. irziohan
«herausziehen, aufziehen, leiblich großziehen,
aufnähren, unter geistiger Pflege heranwachsen
lassen», auch s. v.a. «wegziehen»; dazu asächs.
ätiohan «heranziehen, gebären», ags. äteon
«heraus-, wegziehen, behandeln, sich wohin
begeben», got. ustiuhan «hinausziehen, hinaus-
führen, vollkommen machen, endigen». Auch
das einfache ahd. ziohan bed. «säugen, auf-
nähren», dann auch «geistig nähren», d. h.
«lehren», asächs. tiohan «aufziehen». ABL.
Erzieher, m. (s, PI. wie Sg.), bei Stieler
1691. Davon erzieherisch, adj. u. adv.,
erst in der neuem Sprache. Erziehung, f.,
bei Stieler 1691.
erzielen, V.: ei-zeugen, hervorbringen, mhd.
erziln : als Frucht, Ergebnis gewinnen ; zielend,
als Ziel abreichen SchiUer (Br. v. M. 1, 7).
Erzt, s. Erz.
^es, Xom. und Akk. Sing, des neutralen
Pron. der S.Pers., in Verkürzung angehängt 's,
s. er. In gewissen Verbindungen ist es als
Gen. Sing, dieses Pron. anzusehen, entspre-
chend mhd. es, ahd. is, es, asächs.-got. i~s,
ags. his, z. B. Gott 7calte es, ich bin es über-
drüssig, ehe ihr es euch verseht (Wieland
1, 252), Sie sollen mir es noch Dank wissen
(Lessing 2, 400), er hat es nimniemiehr Ge-
winn (Bürger Leonore Str. 8), du host's
auch Ursache gehabt (Goethe Bürgergeneral
2. Auftr.), er hat es gar keinen Hehl (Schiller
Parasit 5, 3). Sonst wird dies es jetzt durch
dessen oder seiner verti'eten.
^es, 's, in Volksliedern geküi"zt aus älterem
sich, z. B. meister Paul ist ers genant (Soltau
1, 146), mhd. der here ivas sich Morolt genant
(Eilhart Trist. 292); auch auf die 1. und
2. Person bezogen daß du es [dich] willst
scheiden von mir (Erk Liederh. 28, vgl.
Grimm Gramm. 4, 319).
^es, ÖS, im Bayr.-Östr. (z. B. es habts
«ihr habt») Nom. u. Akk. des alten Duals
der 2. Person, jetzt auch für den Plural
gebraucht, mhd. ej, ahd. vermutlich ij, alt-
sächs.-ags. git, anord. it, später ^it, nordfiies.
jat, lit. judii. Dazu der Dat. und Akk.
Duaüs bayr.-östr. enk «euch», mhd. enk, alt-
sächs. ink, ags. ine, anord. ykkr, got. igqis,
sowie der Gen. bayr.-östr. enker «euer» (zu-
gleich Possessivpronomen «euer»), mhd. enker,
ags. incer, anord. ykkar, got. igqara.
475
Esch
Esse
476
Esch, m. n. (-es, PI. -e): Ortsflui*; Gesamt-
heit aneinander liegender Äcker, die zu ein
und derselben Zeit entweder bebaut und ab-
geerntet oder als Brachfeld benutzt werden.
Obd., auch im westlichen Niederdeutschland
(ostfries. esk «fruchtbares, zum Getreidebau
sich eignendes Land auf der Geest»). Mhd.
esch, zusammengezogen aus e^^esch, e^^isch
m., ahd. ezzisc m.; dazu got. atisk n. «Saat-
feld», das vielleicht zu \aX.ador m. «Getreide-
art, Spelt» gehört. Anders Walde s. v.
Esche, f. (PI. -n): der Laubholzbaum
lat.fraxinus; Eschenlanze. Mhd. selten escÄe f.,
meist ascli m., ahd. ose (Plur. esci) m.; dazu
ags. (BSC m., engl, ash, anord. askr m., schwed.-
dän. ask f. S. auch Asch. Verwandt ist
abg. jasika f., lit. fiosis m., preuß. looasis
«Esche», alb. ah m. (aus *aska) «Buche»,
gr. öEuri f. «Buche» und weiter lat. ornus
«wilde Bergesche», kymr. onnen (aus *osnen)
«Esche», arm. hagi «Esche». Literatur bei
Walde s.v. ABL. escheil, adj., mhd. esdun,
auch in Eschenholz, Eschealaub usw.
Esel, ra. (-S, PI. wie Sg.): das Grautier
lat. asinus; dummer Mensch. Mhd. esel (auch
als Schimpfwort), ahd. esil m.: dazu asächs.
esil, ndl. ezel, ags. esol, eosol, got. asllus m.
Entlehnt mit Wandelung des ii in l, wie in
Kümmel, Orgel (s. d.), aus dem gleichbed,
lat. asinus m., das mit gr. övoc m. f. unsichrer
Herkunft ist. Vgl. Brugmann Idg. Forsch.
22, 197. Aus dem German. stammt abg.
oslM, lit. äsilas m. Redensarten: Einem einen
E. bohren «im Spott den Zeige- und kleinen
Finger gegen ihn ausstrecken (während die
übrigen drei eingebogen werden), um die
Eselsohren anzudeuten» (schon mhd. einem
eselören machen). Dem Esel zu Grabe läuten
«die hangenden Beine vor- und zurückbaumeln
lassen» (nach Jer. 22, 19). ABL. Eselei, f.
(PI. -en), mhd. eseUe. eselhaft, adj., bei
Comenius 1640 eselhafftiy, mhd. dafür eselbcere,
eselisch. Eselin, f. (PI. -nen): mhd. eseliii,
eselinne, ahd.esilin, esilinna, got. dafür asilus f.
ZUS. Eselsbrücke, f. (PI. -//)= Hilfsmittel
für Träge, um Schwierigkeiten zu überwinden.
Bei Günther 462 (ein Schulfuchs, der die
Eselsbrücke tritt). Der Ausdruck stammt aus
der scholastischen Philosophie, wo mit pons
asinorum ein logischer Mittel begiifl' bezeichnet
wurde. Darauf geht auch die Bed. « Schwierig-
keit für Unwissende» (bei Adelung) und
«selbstverständliche Sache», wie franz. pont-
anx-oves zurück. Esclsolir, n. (-es, PI. -en).
mhd. eseJöre. esels öre n. In der Bed. «ein-
geschlagene Ecken in Büchern» schon bei
Duez 1664. Esclswiesc: Die Sprechsaal-
artikel der Zeitungen. Etwa seit 1870.
Es]i:adr6n, f. (PI. -en, -s): Reiterschar,
Schwadron (s. d.). Aus franz. escadron,
span. esquadron, itaK squadrone m. (daher
bei Wallhausen Kriegskunst zu Pferd 1616
S. 13 fg. Squadron m.) «Heeresabteilung»,
von ital. squadrare «viereckig machen», das
em mlat. exqnadrare (quadrare von quadrus
«viereckig») voraussetzt. Zur Zeit des 30-
jährigen Kriegs entlehnt (belegt bei Homburg
Clio C 5). Vgl, auch Geschwader.
eskamotieren, v.: verschwinden lassen,
dui'ch Kunstgriff beiseite schaffen. Aus franz.
escamoter, nach span.-port. escamotar, das
wohl zumckgeht auf span.-port. escamar «ab-
schuppen», im Port, auch «betiügen», mlat.
exsquamare von lat. squäma f. «Schuppe».
Bei Campe 1801.
Eskorte, f. (PI. -n): Schutzgeleit; Be-
deckungsmannschaft. Aus dem gleichbed.
franz. escorte, ital. scorta f. von ital. scorgere
«wahrnehmen, .begleiten», das auf ein mlat.
excorrigere «regieren, zurechtweisen, geleiten»
zurückgeht. 1703 im Zeitungslex.
Espe, f. (PI. -n): hochstämmiger Baum
mit zitterndem Laube, Zitterpappel. Ln
15. Jh. espe (1469 im Voc. ex quo und 1482
im Voc. theut. h.^^) neben asjje, mhd, aber
asjye, ahd. as2)a f.; dazu ags. cespe, engl, asp,
anord. ös^j f. und lit. apusis, pr. abse, lett.
apse, abg. osina f. «Espe». Vgl. noch Liden
Idg. Forsch. 18, 490. ABL. espeu, adj.,
mhd. espin. Auch in den ZTJS. Espenlaub,
mhd. esptn loup, Espenholz, mhd. espin holz.
eßbar, s. essen.
^Esse, f. (PI. -'0= Schmiede-, Feuerhei-d:
Feuermauer (Rauchfang) über dem Herde.
Mhd. esse, ahd. essa f. (mit Umlaut aus *assia)
«Herd der Metallarbeiter»; dazu schwed. äsjia f.,
dän. esse. Vgl. auch mnd. ase f. «Rauch-
kammer». Hei'kunft unsicher; vielleicht mit
Asche zu lat. äridus (aus as-) «trocken» (eig.
durch Hitze) zu stellen. In der 2. Bed. bei
Ludwig 1716.
"'Esse, n.: ein Sein nach Herzenswunsch, in
der Redensart in seinem Esse sein. Der lat. Inf.
esse alsSubst. Schon bei dem Mystiker Eckhart
entlehnt isse «das Sein» (er sitzet in sim isse.
alle§ in sich, niergen üge)' sich 121, 14), mnd.
so lange daf kloster in eße (Wohlseiu, Wohl-
stand) geivesen Schiller-Lübben 1, 748.
477
esseu
Etikette
478
essen, v. (Prät. aß, Part, gegessen) : Nah- '
rungsmittel in sich aufnehmen. Mhd. e^^en
(Prät. rtj, Part, gegiert}, ahd. e^^an; dazu
asächs.-ags. etan, ndl. eten, afries. eta, engl, ,
eat, anord. eta, schwed. äta, dän. öde, got, j
itan. Der Lautverschiebung gemäß stimmend
mit dem gleichbed. lat. edere, gr. ebeiv, abg.
1. Sg. jami (aus *edmi), Kt. edmi «ich fresse»,
aind. admi «ich esse». Das Part. Prät, lautet
bei Luther vereinzelt schon mit nochmals
vorgetretenem ge- gegessen (Pred. Sal. 2, 25),
meist geessen, gessen, wie auch Clajus an-
setzt; im 17. Jh. dringt gegessen durch, doch
hat noch Goethe aus der Volkssprache gessen.
Davon der Lif. als Subst. Essen, n. (-s,
PI. wie Sg.): Handlung des Essens, aufge-
tragene Speise; Mahlzeit. Mhd. ej^en, ahd.
e^^an n. S. auch Aas. ABL. eßbar, adj.:
zum Essen tauglich oder dienlich. 1482 im
Yoe. theut. hS» eßper. ZUS. Eßlaube, f.
(PI.-»): Speisesaal, Speisezimmer. Bei Luther
1. Sam. 9, 22 Esseleuhe, mhd, e^^eloube f.
«Speisehalle, Torratskammer», S. Lauhe. —
Eßlust, f. Bei Stieler 1691, aber schon
1475 clevisch etensluyst (Theuton. 93). Ver-
deutschung von Appetit, die am Schluß des
18. Jh. noch nicht durchgedrungen war
(Kindleben 1781 führt Eßlust unter den
Provinzialwörtem auf). — Eßware, f.
(PI. -n). Bei Henisch 1616, wohl nach dem
NdL (1599 bei Kilian 107 eetwaere.
Essenz, f. (PI. -en): Kraftauszug, eig.
das Wesentliche, aus Kräutern, Früchten usw.
Aus lat. essentia f. «das Wesen einer Sache,
von lat. esse sein», danach schon mhd, essenzje
(Germ. 18, 272), in der jetzigen Bed. im 16. Jh. ,
Essig, m. {-s, PI. -e) : mittelst Verwesung
(Oxydation) des Weingeistes (Alkohols) oder
mittelst Zersetzung durch Hitze unter Ab-
schluß der Luft aus Pflanzenkörnern ge-
wonnene Flüssigkeit. Spätmhd. e^^ic, auch
im 15. Jh. imd bei Luther Essig, mhd. aber
e^^ich (danach ältemhd. Essich, noch bei
Steinbach 1734j, ahd. ezzih, ezzih, wie nmd.
ettik, ndl. edik m., schwed. ättika f., dän.
eddike mit Versetzung der Konsonanten
(gleichsam *atecum) aus dem gleichbed. lat.
acetum n., abgeleitet von acere «sauer sein»,
das un versetzt dem asächs. ecid, ags. eced,
got. akeit n., sowie auch abg. ocUü m. zu-
grunde liegt. ZUS. Essigmiitter, s, Mutter.
-est, Superlativendung, mhd. -est, ahd.
und altsächs. -ist und -ost, ags. -est und -ost,
anord. bei Adj. -str und -astr, bei Adv. -st
und -ast, got. bei Adj. -ists und -östs, bei
Adv. -ist. Das Suffix -ist bewirkte Umlaut.
Estrade, f. (PI. -n)-. mäßig erhöhter Teil
eines Raumes. Aus gleichbed. franz. estrade,
das über provenz. estrada auf ein vulg.-lat.
'^strata (lat. Stratum n. «Lager, Polster») von
sterilere «hinbreiten» zurückgeht. 1813 bei
Campe.
Estrich, m. n. {-es, PI, -e): mit Steinen
ausgelegter oder mit Gips überzogener Zimmer-
boden; ähnliche Zimmerdecke. Mhd. esterich,
esterich, estrich, ahd. astrih, estenh m. and.
estrlh «mit Steinen ausgelegter Fußboden»,
mit ndl. estrik m. aus mlat. astricum, astra-
CMwn. «Steinboden, Pflaster», von dem gleich-
bed. mlat. astintm n.; dies, im klassischen
Lat. s. V. a. «Sternbild, Gestirn», geht wohl
zunächst auf die den Fußboden verzierenden
sternförmig zusammengesetzten Steinplatten.
Vgl. He3'ne Hausalt. 1, 78. 251.
etablieren, v.: giünden, en-ichten; in
rechten Stand bringen. Aus franz. etablir,
das auf lat. stahilire «festmachen, befestigen»
zui-ückgeht. Bei Wächtler 1711, 1703 im
Zeitungslex. «feste setzen».
Etage (spr. etäze), f, (Pl. -n): Stockwerk.
Aus franz. etage, ital. staggio m. «Aufenthalt,
Wohnung, Stockwerk», das auf ein mlat.
staticum n., von lat. stäre «stehen, sich auf-
halten» zurückgeht. Bei Sperander 1728.
Etappe, f. (PI. -11): Verpflegungsort durch-
ziehender Truppen; Rastplatz; Abstand von
einem Rastplatz zum andern. Aus franz.
etape f., ui'spr. «Ort des Mundvorrates beim
Marsche, Warenniederlage, Stapelplatz», afranz.
estaple f., von ndl. stapel. S. Stapel. Bei
Sperander 1728 in der 1. Bed.
Etat (sprich etäh), m. [-s, -s) : Voranschlag,
namentlich des Staatshaushalts. Aus fi'anz.
etat m. «Staat, Zustand und BeschaÖenheit
einer Person oder Sache», in welcher Be-
deutung es im 17, Jh. ins Deutsche entlehnt
wurde. Die jetzige Bedeutung 1791 bei Roth.
Ethik, f.: Sittenlehre. Aus lat. ethice,
etliica, dem substantivierten Fem. des Adj.
gv.-\\xi.ethicus, gi'.fieiKÖc «sittlich», abgeleitet
von nGoc n. «Gewohnheit, Sitte». 1663 bei
Schuppius 955 u. 974. — ethisch, adj.:
sittlich. Um 1700 (bei Thomasius philosophia
aulica 126).
Etikette, f. (PI. -ii): Bezeichnungszettel
einer Ware; Höflichkeitsföi-mlichkeit. Aus
franz. etiquette f., eig. «aufgeheftetes Zettel-
chen», hennegauisch estiquete «zugespitztes
479
etlich
£ule
480
Hölzchen», gebildet von nd. sfe/i;e«Stiftclien».
In der 1. Bed, in einem bayr. Generalmandat
vom 26. Nov. 1701 Arzneietiquetten , in der
2. Bed. im spätem 18. Jh. entlehnt.
etlich, pronominales Adj. Mhd. etelich,
ahd. etalih, ettalth, etilih, ettilih «irgendeiner,
irgendwelcher», im PI. «einige». Daneben,
dem veralteten etzlich entsprechend, mhd.
eteslich, ahd. eteslih, etteslih, eddeslih. Das
mit 'lih (s. licJi) zusammengesetzte ahd. eddes-,
etes-, eta- gehört wohl zu gotaippau «oder».
In Verbindung mit Zahlen etliche 20, 30 usw.
«etliche über 20», statt des frühern etlich
und zwanzig usw.
etsch, s. ätsch.
Etter, m. n. (-s) : Zaun, mhd. eter vn. n.,
ahd. etar «Zaun» m. n., asächs. edor, ags.
eodor, an. jadarr m. «Zaun». Verwandt ist
noch abg. odrii, m. «Bettgestell», czech. odr
m. «Pfahl», odry PI. «Gerüst in der Scheune».
Vgl. Meringer Idg. Forsch. 18, 256. Noch obd.
Etui, m. (-S, PI. -s): Behältnis. Das
franz. etui, afranz. estuis, span. estuche m.,
dessen Herkunft unsicher ist. Im 18. Jh.
entlehnt (Hermes Sophiens Reise 5, 439).
etwa, adv.: irgendwo; irgend wohl; irgend
einmal. Mhd. eteicä, etwa, früher etewär
«ii-gendwo», dann «irgend wohl, vielleicht»,
daneben mhd. eteswä, zusammenges. aus et-
in etlich (s. d.) und wä, war, s. wo. ABL.
etwaig, adj., bei He3'natz 1796 als Wort
der Geschäftssprache.
etwan, adv. : irgendwann, manchmal ; sonst
mitunter, vormals; irgend einmal. Mhd.
etwan, etwen, gekürzt aus etewanne, etewenne,
ahd. ettewanne, eddewanne, daneben auch mhd.
eteswenne, ahd. eddesicanne, zusammenges.
aus et- in etlich (s. d.) und wanne, nhd. wann.
ABL. etwanig, adj. Im spätem 18. Jh.
aufgekommen (bei Lessing, Kant, Klopstock),
namentl. in der Geschäftssprache. Der Bed.
nach auch zu etwa gehörig.
etwas, Pron.: irgendein Ding; irgend-
einiges; (adverbial) ein wenig. Mhd.-ahd.
etewa^, das Neutr. zu mhd.-ahd. etewer, zu-
sammenges. aus ete- (s. etlich) und wa§, nhd.
was. Daneben auch mhd.eteswag, ahä.etteswag,
eddeswa^. Substantivisch EtwaS, n., 1698
bei G. Arnold geistl. Liebesfunken 149.
etwelch, Pron.: ü-gendwelch, irgendein.
Erst bei Stieler 1691, mhd. erscheint dafür
vereinzelt in md. Quelle eteswilch.
etwo, adv. (Sir. 24, 11): irgendwo. Mhd.
etewä, üblicher etestvä. S. etioa.
Etymologie, f. (PI. -«): Wortforschung,
Wortableitungslehre ; Wortableitung. Aus
gr.-lat. etymölogia, gr. eTUjaoXoYia f., zurück-
gehend auf das aus gr. Stuiuov n. «die wahre
Bedeutung und Erklärung eines Wortes nach
seiner Abstammung», dem Neutr. des Adj.
Itu|uoc «wahr, echt, gewiU», und einer Ab-
leitung von \iy€iv «reden» gebildete Adj.
^TU|uo\ÖYoc «Wortableitung treibend». 1521
bei Emser Quadruplica C 1^ ethimologeij, 1538
bei Franck Germaniae chronicon 296*^ Ethi-
mologi, im 17. Jh. Etymologie und Etymologey
(Moscherosch Phil. 2, 512). ABL. etymo-
logisch, adj., 1631 bei Comenius Sprachen-
thür h b^. Nach gr.-lat. etymologicus , gr.
^TuiLioXoTiKöc. etymologisieren, v., 1673
bei Grimmeishausen Teutscher Michel Kap. 7.
etzlicll, s. etlich.
euch, Dat. u. Akk. Plur. des substanti-
vischen Pron. der 2. Pers. Urspr. nur Akk.,
mhd. iuch, iuwich, ahd. iuwih, dann aber
auch für die Dativf'orm mhd.-ahd. iu einge-
treten. Dazu ags. Dat. eow, Akk. eoivic,
aber ndl. u, asächs.-afries. iu, anord. ydr, got.
izwis für beide Kasus.
euer. Gen. Plur. des substantivischen Pron.
der 2. Pers. Mhd. iuwer, ahd. iuwar; dazu
asächs. imvar, ndl. uwer, afries. iuwer, ags.
eower, engl, yours, anord. yäwar, ydar, got.
izwara. Davon euer als besitzanzeigendes
Proij. Mhd. iuwer, ahd. iuwar-, dazu asächs.
iuwar, ndl. uw, ags. eower, engl, your, anord.
yäar, got. izwar. In ehrender Anrede in
Euer (älternhd. Ewer, daher gekürzt Eiv.)
Wohlgeboren, Euer Hochwürden usw. erhalten,
sonst durch Ihr verdrängt.
euert-, euret-, in euerthalben, -wegen,
-willen u.nd eurethalben usw., s. deinet-.
Eule, f. (PI. -n): der Nachtraubvogel,
lat. ulula; dickköpfiger Nachtschmetterling
(1721 bei Frisch Insecten 3, Vorbericht S. 3,
auch schon mud.); Borstwisch (nach nd. üle,
z. B. bei Klopstock, wohl nach dem Aus-
sehen). In 1. Bed. mhd. iuwele, w^e, ahd.
üwila f.; dazu ndl. uil m., mnd.-ags. üle f.,
engl, owl, anord.-schwed. ugla f., dän. ugle.
Daneben steht ahd. (bei Notker) hiuwela,
hüwela f., das als diminutive Ableitung von
ahd. hüwo, hüo, asächs. hüo, mhd. hüwe m.
«Ohreu^le, Uliu» zu betrachten ist; ferner
noch ahd. üfo, üvo, mhd. üve m., nhd. Auf
«Uhu». Wahrscheinlich ist die ganze Gi'uppe
lautnachahmenden Ursprungs. Siehe Uhu,
heulen.
481
Enlenspiegel
exequieren
482
Enlenspiegel, m. (s, PI. wie Sg.):
Schalksnarr, possenhafter Mensch. Von dem
bekannten SchalksnaiTen Till IJlenspiegel, der
zuerst 1515 erwähnt wird. Der Xame be-
deutet nach Jeep «verre podicem» (zu eulen
«reinigen» und Spiegel übertr. für «Hinterer»).
Davon Eulenspiegelei, f. (PI. -en): aus-
gelassen lustiger Streich.
Eunuch, m. (-en, PI. -en) : Verschnittener.
Aus gr.-lat. eunuchus, gi*. eOvoOxoc m. Im
18. Jh. entlehnt (Wieland Amadis).
euret-, s. euert-.
eurig, adj. Fiühnhd. (bei Luther). Vgl.
deinig.
Euter, n., selten m. (-s, PI. wae Sg.):
Milchdiüse der Säugetiere. Mhd. üter, iuter m. n.,
ahd. ütar, ütaro, ütir m.; dazu and. ficler m., ndl.
uider, uijer n., ags.-afries. üder n., engl, udder,
femer mit Ablaut mnd. jeder, afries. iader n.
Der Lautverschiebung gemäß stimmend mit
dem gleichbed. gr. ouGap n. (mit Ablaut),
lat. über (mit h für d) n., aind. üdhar n.
Vgl. auch lit. üdrüoti «ti-ächtig sein, Milch
ins Euter bekommen», abg. vym^ n. (aus
üdmen) «Euter».
Evangelium, n. (s, PI. Evangelien):
Lehre Jesu; apostolisches Buch von Jesu
Leben und Lehre; sonntäglicher Abschnitt
daraus. Mhd. evangeljum, meist evangelje,
evangeli n., ahd. evangeljo m,, got. aiioaggeljö
f. und aiwaggeli n. Aus dem kirchhehen
.gi\-lat. evangeliuni, gr. eüay-f^^iov n. «Freuden-
botschaft», zusammenges. aus €u «gut, wohl»
und einer Ableitung von ä-fY^^oc m. «Bote,
Verküadiger». Der deutsche Ausdruck dafür
war ahd. gotspel, engl, gospel d.i. «Erzählung
[spei s. Kirchspiel) von Gott». ABL. CTan-
g^lisch, adj. Wadi.evayigeliscli, ahd. evangelisc
nach kirchl.-lat. evangelicus, gr. eüa-ffeXiKÖc.
Eyangelist, m. (-en, F\.-en), mhd. evangeliste
m., von kirchl.-lat. evangelista, gr. e\)ay(e\icTr\c
m., gebildet von eua^Yc^i^iecGai «frohe Bot-
schaft, das Evangelium verkündigen».
eventuell, adv.: eintretendenfalls. Aus
dem franz. Adj. eventuel «zufällig, möglich»,
das auf mlat, eventualis beruht, von lat.
eventus m. «Ausgang, Begebenheit». Bei
Heynatz 1775, früher dafür eventualiter, z. B.
bei Wächtler 1714.
evident, adj. u. adv.-. augenscheinlich,
sonnenklar. Aus gleichbed. lat. evidens (Gen.
evidentis). Bei Nehring 1710.
Ewer, m. (-S, PI. wie Sg.): kleines flaches
Fahrzeug, Fischerkahn, An der Nordsee-
Weigand, Deatsches Wörterbuch. 5. Aufl.
küste. Mnd. eve^-, wahrscheinlich aus envare
(en «ein», var n, «Fahrzeug»), eig. «Fahr-
zeug mit einem Mast». Die vorgeschriebene
Schreibung mit w ist also falsch. 1703 im
Zeitungslex. angeführt.
ewig, adj. u. adv.: der Zeit nach endlos.
Mhd. ewic, ewec, ahd. ewig; dazu SiSächs. ewig,
ndl. eeuwig, schwed.-dän. (aus dem Deutschen)
evig. Abgeleitet von ahd. eiva f. «Ewigkeit ,
s. Ehe. ABL. Ewigkeit, f., mhd. eivicheit,
ahd. ewigheit f.
exakt, adj. u. adv.: genau, pünktlich.
Das franz. exact, aus lat. exactus, von exigere
«hinausführen, vollenden». 1703 im Zeitungslex.
exaltleren, v.: die Begeisterung wofür
erhöhen, überspannen, überreizen. Aus franz.
exalter, von lat, exaltäre «erhöhen» (altäre
von altus «hoch»). Im spätem 18. Jh.
Examen, n. (-s, PI. wie Sg. u. Examina) :
Prüfung. Das lat. exämen n. «Untersuchung,
Prüfung», von exagere, eaji^ere «untersuchen».
Frühnhd. (Luther 3, 41 1» Jen.). ABL.
examinieren, v.: piüfen; richterlich aus-
forschen. Schon im 14. Jh. examinieren,
aus lat, exäminäre.
Exegese, f.: Schrifterklärung. Aus gi'.
ilr\^r[C\c f., von dEriyeicGai «ausführen, aus-
legen, erklären». 1813 bei Campe. — Exeg^t,
m, (n.): Schrifterklärer. Aus sx. ihx^r\Tr[C ra.
1728 bei Sperander exegeta.
Exekution, f. (PI. -en)-. Vollziehung
eines ürteiles, einer Leibes- oder Lebens-
strafe; gerichtliche Zwangshilfe. Aus lat,
execütio, eig. exsecütio, von exsequi «etwas
verabfolgen, vollziehen». Fmhnhd. (Liliencron
2, 205'', Reichsordnungen 17* von 1495, von
Gombert 8, 24 aus dem J. 1453 nachgewiesen).
Exempel, n. (s, PI. wie Sg.): Muster,
Beispiel. Mhd. exempel n., aus lat. exemplum
n. «Muster». ABL. Exemplar, n, (-es,
PI, -e): Vorbild: einzelner Bild-, Schrift-
abdnick. Mhd. exemplar n. in der 1. Bed.,
die 2. Bed. 1531 bei Hedio Josephus Vorr. 5*.
Aus lat. exemplar n. «Muster, Vorbild, Ab-
schrift». Davon exemplarisch, adj. u. adv.:
musterhaft: Beispiel gebend. Um 1600 (Alber-
tinus weibl. Lustg. 62^).
Exequien, f. pl. : Totenfeier. Aus gleich-
bed. lat, '^exsequiae f. Im 17, Jh.
exequieren, v.: einen Befehl usw. voll-
ziehen; eine Schuld beitreiben; auspfänden.
Aus lat. exsequi, s. Exekution. In der
frühnhd. Rechtssprache (Schwartzenbach Syn.
84 a),
31
483
exerzieren
Extrakt
484
exerzieren, v.: einüben; Ki-iegs-, Waffen-
übung halten. Aus lat. exercere «üben, hand-
haben, betreiben». Bei Rot 1571 (belegt bei
Fischart Garg. 288). — Exerzitien, Plur.:
Übungen, Waffenübungen. Aus lat. exercitia,
Plm\ von exercitium n. «Übung». In der
2. Bed. 1617 bei Wallhausen Coi*p. mil. 83.
Exil, n. (-es, PI. -e): Landesverweisung;
Verbannung; Verbannungsort. Aus lat. exi-
lium n. Im 18. Jh. Aber schon ahd. ilisili,
ihseli.
Existenz, f. (PI. -en): Dasein, Bestehen.
Aus franz. existence, nlat. existentia f., von
dem Part. Präs. existens (Gen. existentis)
des lat. existere, eig. exsistere «heraustreten, |
entstehen». In der philosophischen Sprache I
des 17. Jh. (Thomas Einleit. 36). — exi- j
stieren, v. : ein Dasein haben, bestehen, leben. I
Aus lat. existere (s. o.). 1714 bei Wächtler. 1
exkommunizieren, v.: aus der kirch-
lichen Gemeinschaft ausschließen, in den
Bann tun. Aus lat. excommunicäre. Früh-
nhd. (bei Schönsleder 1618).
Exkrement, n. {-es, PI. -e): Auswurf
des Leibes; Auswurfstoff, Kot. Aus lat.
excrementum n., von excernere «aussondern».
1563 bei Forer Pischbuch 114^ Excrement.
Exmission, f. (PI. -n): gerichtliche Aus-
weisung aus einer Wohnung. Aus lat. ex-
missio f. [ex «aus» und missio f. von mitter e
«schicken». 1710 bei Nehring in lat. Form.
exorbitant, adj.; übertrieben. Aus lat.
exorhitans, Part. Präs. von ex-orhitäre «ab-
weichen». 1710 bei Nehring.
exotischi, adj.: ausländisch, fremdartig.
Aus gr.-lat. exöticus, gr. dHiuriKÖc «auslän-
disch». 1727 bei Sperander.
expedieren, v.: abfertigen, absenden.
Aus lat. expedire. Bei Rot 1571 (belegt bei
Fischart Garg. 270). ABL. Expedition, f.
(PI. -en): Abfertigung; Unternehmung, Feld-
zug. Aus lat. expedttio f. Frühnhd. (Janssen
Frankf. Reichskorr. 1, 770 vom J. 1509).
Experiment, n. (-es, PL -e): Versuch,
Erfahrungsversuch. Aus lat. experimentum,
von experlri «versuchen». Bei Rot 1571.
explizieren, v. : entwickeln, auseinander-
setzen. Aus lat. explicäre «auseinanderfalten».
Bei Rot 1571.
Explosion, f. (PI. -en): Losknallen, Spren-
gung. Aus franz. explosion f., von lat. ex-
plösio f. «Ausklatschen», zu explödere «klat-
schend hinaustreiben». Bei Campe 1801.
exponieren, v.; auslegen; ins Deutsche
übersetzen (Schiller Räuber 1, 2); aussetzen,
der Gefahr aussetzen. Aus lat. expönere
«aussetzen, ausstellen, vorlegen, beschreiben».
In beiden Bed. frühnhd. (in der ersten bei
Luther 4, 349^ Jen., in der zweiten Fast-
nachtsp. 804, 10).
Export, m. (-es, PI. -e): Warenausfuhr.
Aus engl, export, das auf lat. exportäre
«hiaausschaffen» zumckgeht. Bei Campe 1801.
expreß, adj. u. adv.: ausdrücklich, be-
sonders. Aus lat. expressus (als Adv. expresse)
«ausgedrückt, deutlich». Im 17. Jh. Davon
der Expresse: der eigene Bote. Nach
franz. expres «besondre]- Bote». Bei Krämer
1678 ein Exp'esser.
Expropriation, f. (PI. -en) : Enteignung.
Aus gleichbed. franz. expropriation f., von
expropiier v., wovon expropriieren, zu-
sammenges. aus lat. ex «aus» und proprius
«eigen». Beide bei Campe 1813.
exquisit, adj.: ausgesucht, vorzüglich.
Aus lat. exquisUus, Part. Prät. von exqmrere
«ausforschen, untersuchen». Bei Wächtler 1714.
extemporieren, v.: nach Zeit (lat. ex
tempore) und Gelegenheit aus dem Stegreife
tun oder machen. Neue Bildung.
extern, exern, v.: kleinHch quälen,
necken. Md. und nd. Wort. Bei Kindleben
1781 angeführt. Vermutlich ausgegangen von
ecken (vgl. die Zusammensetzung Jiohnecken
und das eughcdge «schärfen, erbittern, reizen»),
weitergebildet zunächst eclcsen, wie necksen
aus necken, dann ecksern (thür. auch ecksein),
eckstern. Andre knüpfen an nd. ekster «Elster»,
dann «schwatzhafte, zanksüchtige Person» an.
extra, adv.: nebenbei, besonders; außer-
ordentlich. Das lat. extra «außerhalb, außer».
Auch adj., z. B. etwas Extraes, und in ZUS.
z. B. extrafleißig, Extrapost «außerge-
wöhnliche und schnelle Post» (bei Aler 1727).
Es erscheint zuerst in der Verbindung extra-
ordinari, z. B. Albertinus Lustg. 201*, auch
bei Henisch 1616 angeführt, dann als Subst.
in der Bed. «besondre Kosten» (Moscherosch
Phil. 1, 432, Schupp 1, 456), ferner als Adv.
in extra gehen «auf Nebenwege geraten»
(Fleming 162), bei Sperander 1728 extra
1 brauchen «was man nicht an ordentlichen
! Ausgaben vertut».
Extrakt, m. (-es, PI. -e): das Ausge-
i zogene; Kraftauszug. Aus nlat. extractum,
, dem substantivierten Neutr. von extractus,
I Part. Perf. Pass. von lat. extrahere «heraus-
! ziehen». Von Gorabert 8, 25 aus dem J. 1585
485
extravagant
Fach
486
bei Cureus Chronik Vorr. nachgewiesen; vgl.
noch ZfdW. 1, 356.
extraTagänt, adj. u. adv.: ausschweifend,
phantastisch, seltsam. Aus mlat. extravagans
(Gen. extravagantis). IS'ach Kluge 1599 bei
Heß Judengeissel k6.
Extrem, n. (-es, PI. -e): Übertreibung.
Aus lat. extremum «das Äußerste», dem sub-
stantivisch gesetzten Neutr. des Superlativs
extremus «der Äußerste», extrem, adj. u.
adv. Aus lat. extremus. Im 17. Jh. ABL.
Extremität, f. (PI. -en): Endpunkt; Ent-
scheidungspimkt, letzte Zuflucht; äußerstes
Glied, nämlich Hand und Fuß. Aus lat.
extremitäs f. (Gen. extremitätis) «das Äußerste,
Ende». 1694 bei Nehring in der 1. und 2. Bed.,
1626 Extremitet «äußerste Not» (Londorp
acta publica 2, 1317*).
exzellent, adj. u. adv.: sich auszeichnend,
hen-lich. Aus franz. excellent, von lat. excellens
(Gen. excellentis), Part. Präs. von excellere
«hervon'agen, sich auszeichnen». Um 1600
üblich (H. V. Braunschw. 227). ABL. Ex-
zellenz, f. (PI. -en): HeiTlichkeit, Ehren-
titel von Ministern usw. Aus lat. excellentia,
franz. excellence f. Bei Rot 1571, als Titel
1617 im Teutschen Michel 49 angeführt.
exzentrisch, adj.: eig. vom Älittelpunkte
(lat. centruni) abweichend, dann irre kreisend,
alle Regel überspringend. Nach franz. excen-
trique «ausschweifend, überspannt». 1714 im
Math. Lex. eccentrisch, als astronomisches
Wort in der eigentlichen Bed., dann im
18. Jh. auch übertragen.
exzerpieren, v.: schriftlich ausziehen.
Aus lat. excerpere «pflückend auslesen, aus-
wählen», um 1700 (Günther 778). Exzerpt,
n. (-es, PI. -e) : Auszug. Das Part. Perf. Pass.
lat. excei~ptiim n. von excerpere. 1791 bei
Roth der Plui-. Excerpte.
Exzeß, na. (-es, PI. -e): Hei'ausgehen aus
den Grenzen einer Sache; Unfug. Aus lat.
excessus m. «Herausgehen, Abschweifung»,
von excedere «abschweifen». Frühnhd. als
rechtliches Wort (Luther 5, 102^ Jen.), auch
bei Rot 1571 verzeichnet.
f, der sechste Buchstabe des Alphabets.
Die Redensart «aus dem if (effeff), tüchtig»,
rührt von dem Zeichen fif für ital, fortissimo
«sehr stark», in der Musik her.
Fabel, f. (PI. -n): erdichtete Erzählung,
insbes. auf Grund eines allgemeinen mora-
lischen Satzes. Mhd. fabele f. «(unwahre)
Erzählung, Märchen, Unterhaltung», aus lat.
fabula f. «Rede, Erzählung, Sage, Märchen»,
von lat. färi «kundtun, sagen». ABL. fabel-
haft, adj. u. adv.: der Fabel angehörig; er-
dichtet; unglaublich. Bei Rädlein 1711 in
der 1., 2. Bed. Dafür im 16. Jh. fabulisch,
fabulosisch (Gomberi 8, 25). fabeln, v.:
Fabeln machen; überhaupt erdichten; phanta-
sieren (Goethe Faust 2962); mhd. fabeln. Da-
neben fabulieren, v., frühnhd. (1516 bei
Altenstaig), aus lat. fäbuläri «sich unter-
halten». Fabelei, f, mhd. fabelte, favelie.
ZUS. Fabeldichter, m., 1495 in der Kölner
Gemma 71 ^ Fabelhans, m.: Erfinder un-
wahrer Geschichten, Aufschneider, Schwätzer.
1617 im teutschen Michel 29.
Fabrik, f. (PI. -en)-. Werkstätte, Werk-
anstalt, in der Arbeiter in gi-ößerer Anzahl
einander in die Hände arbeiten. Aus franz.
fahrique f., von lat. fabrica f. «Kunst, Kunst-
übung, Ausübung der Baukunst, Werkstätte»,
gebüdet von lat. faber m. «arbeitender Künst-
ler». 1721 bei Jablonski Fabric, schon 1714
bei Wächtler in franz. Form Fabriqiie, im
15. Jh. fabricke f. «Gewerkskasse». ABL.
fabrizieren, v., aus lat. fabricäre «verfer-
tigen, bilden», bei Wächtler 1714. Fabri-
kant, m. (-en, PI. -en), aus dem Part. Präs.
lat. fabricans (Gen. fabricantis), bei Ludwig
1716 Fabricant. Fabrikat, n. (-es, PI. -e),
aus dem Neutr. des Part. Perf. Pass. lat.
fabricätum. Neue Bildung.
fabulieren, s. Fabel.
Facette, f. (PI. -n): geschlifiene Rauten-
oder Seitenfläche. Aus gleichbed. franz. facette
f., abgeleitet von face f. «Antlitz, vordere
Seite», das dem lat. fades f. «Angesicht» ent-
stammt. 1791 bei Roth.
Fach, n. (-es, PI. Fächer): durch Balken
u. dergl. gebildete Abteilung der Wand; um-
schlossene Abteilung wovon, eig. wie bildl.;
Fanghürde, Fanggeflecht für Fische und Vögel.
Mhd. vach n. «Abteilung einer Räumlichkeit;
Behälter; Mauer; Mauerteil; Heerteil; ArtBe-
kleidungs-, Rüstungsstück ; Falte des Schleiers,
31*
487
-facii
fade
488
Hemdes; Fanggeflecht im Wasser; Schwelle
im Wasser zum Stauen», ahd. fah n. «Mauer»;
dazu asächs. fak in jukfak n. «Umzäunung
eines Joches Landes», ndl. vak, afries. fek,
ags. fmc n. «Eaum, Zwischenraum, Zwischen-
zeit», anord.-got. fehlend, dän. fag n. aus dem
Deutschen. Es stimmt zu gi-, irci-m f. «Schlinge,
Fischreuse, Schlagbauer, Fangkäfig» und gr.
TTtiTvüvai, XoX.pangere «festmachen, befestigen»;
weiter gehört fügen (s. d.) hierher. Die Grund-
bed. der Wui-zel war wohl «in die Erde ein-
rammen», vgl. Meringer Idg. Forsch. 16, 176,
Die übertragene Bed. «begrenztes Wissen-
schaftsgebiet» kommt erst um die Mitte des
18. Jh. auf und wird noch 1755 von Dom-
blüth 86 bekämpft.
-fach, in Verbindung mit Zahlwöi-tern :
in soviel Abteilungen genommen, als das
Zahlwort anzeigt, z. B. ein-, zwei-, mannig-,
vielfach. Mhd. -vacli in zinvach, manecvach
(in spätem md. Quellen) ist erstarrter Akk.
Flur, des Subst. vach, s. Fach (eine geniti-
vische Verbindung ist mhd. einer vacher
« dreimal j dreifach). Verwandt ist gr. -iial
in ätiat «einmal». Vgl. -fall.
Fachbaum, m. Baum, der bei einer
Mühle oder einem Wehr das Wasser vor dem
Geriime in der vorgeschriebenen Höhe hält.
Mhd. vächboitm m., zu vähen «fangen».
fächeln, v.: gelind an-, zuwehen. 1537
bei Schaidenreißer Odyssea 22% bei P. Fleming
363 fächeln (144 das Fecheln), bei Stieler
1691 als fecheln verzeichnet. Abgeleitet von
älterahd. Fechel, «Fächer» (s. d.), kaum direkt
von fachen gebildet.
■"■fachen, v.: erregend anwehen,
bei Hagedorn Werke 2, 101 dann
poetischen Sprache häufig geworden,
(mit a für urspr. o) das fiühnhd
«blasen» (Fastnachtssp. 1454), das wohl auf
mlat. focare «in Feuer setzen, entzünden»
zurückgeht, s. Fächer. Vgl. auch anfachen,
entfachen.
"fachen, v.: kurze Wolle mit einem Bogen
schlagen, daß die Flocken fliegen; dazu ndl.
vacht f. « Wollenfell, Wollenflocke ». Vielleicht
zu Fach (s. d.), bei den Hutmachem Ab-
teilung von Haaren, die zu Filzstücken be-
arbeitet werden, oder eher zu stellen zu gr.
TTÖKoc m. « Schaf woDe, Flocke», ir^Keiv «Wolle
rupfen, kämmen», \?ii. pectere «kämmen», lit.
pesti «kämmen, raufen», avozu auch ahd.-nihd.
fahs m. n. «Haupthaar» gehöi't.
zum Windmachen durch Hin- und Herbe-
wegen. Zurtickgehend auf ein frühnhd. focher
(1482 im voc. theut. z3*), focker (ebenda
i 1 ^ und 1470 in Diefenbachs mlat.-hd.-böhm.
Wb. 128, 382), noch 1562 bei Mathesius Sarepta
20S^ Focher, 1663 bei Schotteli^o/c/cej-« Blase-
balg», dann auch «Wedel», das entlehnt scheint
aus einem lat. focärius (f Ollis) «zum Herde
gehöriger (Blasebalg), Blasebalg zum Feuer-
machen», oder auch wie Focke f. «Fächer»
(1678 bei Krämer) von fochen «blasen» (s.
fachen) abgeleitet ist, s. Focke. Im 17. Jh.
erscheint das Wort umgebildet zu Fechel
(Logau 2, 141), das auch von Stieler 1691
neben Focker, Fucker angesetzt wird; end-
lich erscheint 1715 bei Amaranthes und 1734
bei Freyer 276 Fecher. Adelung 1793 und
Heynatz 1796 entscheiden sich für Fächer,
das schon Rädlein 1711 und Frisch 1741 neben
Fächer, Fechel anführten. Die Form Fechtel
bezeichnet Heynatz 1796 als märkisch (Fäch-
teichen bei Brockes 2, 1, 217, 1858 bei Scham-
bach fechtle f.). Aus Hessen und Nassau
wird Focht angegeben. ABL. fächern, v.,
dafür ältenihd. fochern (noch 1734 bei Stein-
bach), fecheln, fächeln (s. d.), das sich mit
besonderer Bed. abgezweigt hat, 1678 bei
ICrämer focken.
Fackel, f. (PI. -n): flammend brennender
Stab als Licht. Mhd. vackel, ahd. facchala,
faccala f. Mit asächs. fakla, ndl. fakkel, ags.
fcecele und ßcecele entlehnt aus dem gleich-
bed. lat. facula (vulgärlat. facla) f., dem
DimLn. von gleichbed. lat. fax (Gen. facis) f.
fackeln, v.: hin und her schwanken, zu-
nächst von der Flamme (noch bei Adelung
vom Lichte); Umstände machen, zaudern, in
nicht f. (bei Nieremberger 1753) : im Eeden un-
zuverlässig sein, flunkern (Goethe 1, 204). Ge-
wöhnlich wird das Wort von Fackel abgeleitet,
also «Fackel gleich bewegen». Doch hat sich
wohl damit ein echt gei'masisches Wort in
der Bedeutung «sich hin und her bewegen»,
vgl. ahd. faklen «schütteln» (vom Rohr beim
Winde), fries. faden «hin und her bewegen»,
schwed. fakla «pfuschen», adän. fagle «in Un-
ordnung bringen» vermischt. Mhd. vackelen
«wie eine Fackel brennen» stammt natürlich
von Fackel. Nhd. zuerst in Fackelei «Um-
herschweifen» (Moscherosch 1, 439). Vgl. auch
Faxen und fickfacken.
Fa^on, s. .Fasson.
fade, adj.: ohne Saft und Kraft, Sinn oder
Fächer, m. (-s, PI. wie Sg.): Werkzeug 1 Geist, geschmacklos. Aus franz. fade, das
Zuerst
in der
Es ist
fochen
489
Faden
Fahne
490
neben fat «närrisch, läppisch», von lat. faüius
«albern, unschmackhaft» kommt. Um 1700
entlehnt (Günther 457).
Faden, m. (-s, PI. Fäden)-. Faser zum
Binden, Nähen, Weben; (Plui-. wie Sing.)
Maß der beiden ausgespannten Arme. Mit
Abschwächung des m zu n {Fadem noch bei
Lohenstein Ibrahim 51, dagegen vaden schon
voc. opt. 13, 11) aus mhd. vadem, vademe,
ahd. fadum, fadam m. in der 1. Bed.; dazu
asächs. Plur. fatlimös «beide Arme», ags.
fcRdm m. «die umspannenden Arme, Um-
armung, Schutz und Schirm, Schoß, Elle
(Längenmaß des Unteranns)», engl, fathom
als «Maß», anord. faämr m. «beide Arme,
Umarmung, Schoß», auch «das Längenmaß
der ausgestreckten Arme», schwed. famn m.
«Busen, Längenmaß», dän. favn «Umarmung,
Längenmaß». Als Grundbed. ergibt sich«üm-
spannung der Arme», dann «dem entsprechen-
des Längenmaß», die Bed. «Faser, Garn», eig.
insofern es zur Abmessung dient, beschränkt
sich auf das Deutsche, mnd. vadem hat diese
Bed. und die von Längenmaß, ndl. vadem
m. nur die letztere. Faden als Längenmaß ist
aus dem Ndd. ins ältere Nhd. eingedrungen.
Das Woiü ist (mit got. fapa, mhd. vade f.
«Zaun, Umzäunung»?) zu stellen zu gr. ire-
xavvüvai «ausbreiten», TreTaXoc «ausgebreitet»,
lat. patere «ausgebreitet sein, offenstehen»,
pahdus «ausgebreitet). Der Plur. lautet schon
spätmhd. vädeme, bei Luther aber Faden, wie
auch im 18. Jli. noch vorkommt (Hagedorn
Fab. 5, Wieland Gold. Spieg. 4, 159). ABL.
fädeln, v., ursprünglicher fädmen (noch bei
Frisch 1741 ausfädmen, im j. Goethe 3, 261
abfädmen ;<clie Randfasern der Schoten ab-
ziehen», in den Werken 19, 89 geändert in
abfädnen), mhd. vedemen: ahd. fadamön da-
gegen ist «nähen». ZUS. fadenscheinig,
adj.: von durchscheinenden Fäden, weil von
Wolle oder Farbe entblößt. Von einem bei
Keisersberg Brösamlin 2, 54 '^ sich findenden
gleichbed. Adj. fadenschein.
Fagott, n. {-es, PI. -e): ein tieftoniges
Blasinstrument, Baßpfeife. Aus ital. fagotto,
franz. fagot m., eig. «Reisigbündel», unbe-
kannter Herkunft. Bei Henisch 1616.
Fähe, auch Fehe, f. (PI. -n)-. weidmän-
nisch) das Weibchen des Hundes, der vier-
füßigen Raubtiere. Aus mhd. vohe, ahd.
foha f. «Füchsin», im Voc. theut. 1482 il*
fochin, 117^ vohin, im Voc. 1419 vöhin. Vgl.
Fehe.
fahen, v. : altertümlich für fangen (s. d.).
ABL. fähig, adj. u. adv.: eig. «fangend,
fassend, in sich aufnehmend», dann «einer
Sache mächtig, zu etwas geschickt». Mlid.
nui- in gevcehic «fähig», ahd. in ividar fähig
«widerhallend»: häufig in der frühnhd. Rechts-
sprache, auch von Luther zuweilen gebraucht,
dann von Dasypodius 1537 imd Maaler 1561
verzeichnet. ABL. Fähigkeit, f., bei
Henisch 1616.
fahl, adj.: gelblich; gelblich grau. S. falb.
Mhd. val (fiekt. valwer) «bleich, gelb, blond»,
ahd. falo (fiekt. falawer) ; dazu and. falu, ndl.
vaal, ags. fealu, engl, fallow, anord. fölr. Zu
lit.pah-as «weißlich gelb», ahg.plavü «weiß»,
ferner lat. pallidus «bleich», pullus «dimkel»,
gl-. TToXiöc « weißlich, grau», aindi.palitäs « grau ».
Mlat. falvus, ital. falvo, franz. fauve sind aus
dem Deutschen entlehnt.
fahnden, v.: drauf aus sein zu fangen,
zu verhaften. Mit Anlehnung an fahen zu-
lückgehend auf ahd. fantön «durchforschen,
aufsuchen, ausspüren», asächs. fandon, ags.
fandian, afries. fandia «suchen», wohl zu
finden gehörend. Im Mhd. nicht nachzu-
weisen, daher wohl aus dem Nd. fmnd. van-
den «besuchen, aufsuchen», auch 1475 klevisch,
1599 bei Kilian 576 vanden «besuchen, einen
Kranken besuchen», jetzt ndl. vanden «eine
Wöchnerin besuchen») in die Kanzleisprache
eingedrungen. 1788 bei Fulda vanden, fahn-
den, bei Campe 1807 als obd. angeführt.
Fähndrich, s. Fähnrich.
Fahne, f. (PI. -n)-. an einem Schaft be-
festigtes Zeugstück alsZeichen irgendeiner Art:
dem Ähnliches, die Strömung der Luft anzeigen-
des bewegliches Blech: schlechtes Ivleid. Mit
Wechsel des Geschlechts aus mhd. vane, vanra.,
nur md. auch f., ahd. fano m. «Fahne», urspr.
«Zeugstück», was die Zusammensetzungen
ougafano «Schweißtuch, Schleier», hantfano
«Handtuch», tisch fano «Serviette», deutlich
zeigen, während Fahne meist durch gundfano,
eig. «Kampfzeichen» (daher franz. gonfalon
m.) gegeben wird; dazu and. -fano, ndl.
vaan, afries. fona, asächs. fano m. noch «Tuch»,
ags. fana m. (häufig güäfana), engl, fane,
vane «Dachfahne», got. fana m. «Zeugstück,
Schweiß tuch». Die Grundbed. Tuch liegt auch
in dem Dim. Fähnchen n. «leichtes Frauen-
kleid» vor. Gewöhnlich wird \qX. pannus m.
«Stück Tuch, Lappen, Binde», als verwandt
angesehen. Doch ist das vmsicher. Dagegen
läßt sich abg. opona «Vorhang», ponjava f.
491
Fahr
Fährmann
492
«Umhang, Kleid», p^ti «spannen», lit. pinti
«flechten» (vgl. spinnen) vergleichen. Das
ursprüngliche Mask. erhält sich im Obd. im
17. Jh. (Zincgref 1, 164), daneben auch als
Neutr. (noch bei HaUer 105). ABL. Fähn-
lein, u. (-5, PI. wie Sg.), das Dimin., mhd.
veneltn. Die Bed. «unter einer Fahne ver-
einigte Schar Krieger» zuerst 1475 in dem
schweizerischen venli (Liliencron 2, 63). Fähn-
rich, m. (-S, PI. -e): Fahnenträger. Dafür
mhd, vanere, vanre, venre, ahd. faveri m., wo-
her schweizerisch Fenner m., später mit An-
lehnuncr an die Bildimcren auf -rieh venrich
und mit eingeschobenem d vendrich (Lilien-
cron 2, 562), dazu ndl. vaandrig m, (1599
bei Kilian 514^ vaendrigh). ZUS. Fahnen-
junker, m. : dem Fähnrich beigeordneter
Fahnenträger. 1664 bei Duez. Fahnen-
SChmied, m.: Hufschmied bei einer Reiter-
schwadron, im 17. Jh. Fahnenträger, m.,
1482 im Voc. theut. h 5^ fantrager, im 15. Jh.
beiDiefenbach gl.ßll^ vanendreger, fanetreger.
Fahr, f.: Gefahr, nur noch altertümlich
und poetisch (von Wieland Oberon 2, 16 ge-
braucht und im Glossar ei'klärt, dann z. B.
von Schiller Teil 3, 1 ; Rückert 2, 237). Bei
Luther fahr. Mhd. väre f., vdr f. m. «Hinter-
list, Gefahr, Furcht», ahd. fdra f. «Auflauern,
Nachstellung, Hinterlist»; dazu asächs, fär
m. «Hinterlist», ndl. vaar m. (veraltet) «Ge-
fahr», ags. fmr m. «Furcht, Gefahr», engl.
fear «Furcht», anord. fär n. «Not, Unglück»,
dän. fare «Gefahr», got., wohl nach ferja m.
«Auflauerer, Aufpasser» zu schließen, '^ßra f.
Das Wort, von dem mhd. vären, ahd. fären
(s. befahren), asächs. färön «auflauern, nach-
stellen», ags. fmr an, engl, fear «fürchten»
abgeleitet ist, geht zurück auf die Wurzel
von fahren (s. d.), indem aus der Bed. «hin-
überbewegen, durchdringen» die von «ver-
suchen, in Gefahr bringen» hervorgegangen
ist, vgl. die zu der gleichen Wurzel gehörigen
lat. experiri «versuchen», periculum n. «Ge-
fahr», gr. -rreTpa f. «Versuch, Probe, Anschlag».
ABL. Fährde, f.: Gefahr, Arglist (Goethe
1, 121). Mhd. vcerde (in gevcerde f. n.) «Hinter-
list», ahd. färida in hifärida f. «Aufruhr».
Fährlichkelt, f.: Gefahr. MM. vcerlicheit,
abgeleitet von mhd. vasrlich «hinterlistig, ge-
fährlich», ahd. färlih, auch älternhd. fährlich,
voc. 1482 verlieh «periculosus».
Fahre, f., nordd. Form für Furche (s. d.).
Fähre, f. (PI. -«): flaches Fahrzeug und
Ort zur Flußüberfahrt. Mhd. vere, ver f. n.;
dazu ndl. veer n., anord. ferja f., schwed.
fär ja f., dän. fcerge, engl, ferry. Zu mhd.
vern, ahd. ferian, ferran, asächs. ferian, ags.
ferian, anord. ferja, schwed. färja «schiff'en,
übersetzen, überfuhren», abgeleitet von fahren.
S. auch Ferge.
fahren, v. (Prät. fuhr, Konj. führe, Part.
gefahren): sich fortbewegen; sich mit Ge-
schwindigkeit wohin bewegen; auf einem
Werkzeug zum Fortbewegen fortbewegt wer-
den oder fortbewegen; sich befinden, leben
(z. B, fahr wohl). Der Ausdruck fahrende
Habe (schon mhd. varndiu habe) «bewegliches
Eigentum», wofür auch Fahrhabe (schweiz.)
und Fahrnis (s. d.). Mhd. varn, ahd. und
got. faran; dazu ndl. varn, asächs.-ags. faran,
engl, fare, afries.- anord -schwed. fara, dän.
fare. Verwandt ist gr. irepäv «durchdringen,
durchgehem>, rröpoc m. «Dui'chgang», iropeüeiv
«fahren, übersetzen», -rropeuecGai «i'eisen, gehen»,
lat. (übertragen) peritus «erfahren», abg. prati
«fahren, springen», aind. piparti «führt hin-
über», aw. par- «hindurch-, hinübergehen».
S. auch Fahr.
Fährgeld, n. (-es, PI. -er)-. Lohn des
Schifi"ers für die Überfahrt. Bei Luther (Jon.
1, 3 fehrgeld), dafür mhd. verlön, zusammen-
ges. mit mhd. vern «übersetzen», s. Fähre.
fahrig, adj.: nicht gehalten, unbeständig.
Dialektwort, das Adelung 1798 noch nicht
kennt, von Goethe oft gebraucht, abgeleitet
von fahren. (Bei Maaler 1561 ferig «hurtig»,
mhd. veric «fertig»).
fahrlässig, adj. u. adv.: aus Unachtsam-
keit unterlassend, aus Säumigkeit unachtsam.
Ln voc. praed. q 2^ varlessig «negligens» (aber
bei Eychmann 1483 n7^ verlesig), dann bei
Keisersberg bilgerschafft 1^2^ farlessig, später
als Rechtswort oft gebraucht. Kaum ge-
bildet von fahren lassen «geschehen lassen,
nachlassen, aufgeben», sondern wohl mit An-
lehnung an fahren entstellt aus einem mhd.
verlcegec, vürlcegec, abgeleitet von verlaß,
vürläg m. «Lässigkeit, Versäumnis», vgl. die
Bildungen hinlässig, nachlässig usw. ABL.
Fahrlässigkeit, f., im voc. praed. q 2^ var-
lessigkeit (dagegen bei Eychmann 1483 nl^
verlassigkeyt), bei Keisersberg sünd. d. munds
78^ farlessigkeit , in Wedels Hausbuch 281
u. 0. fahrlosigkeit.
Fährlichkeit, s. Fahr.
Fährmann, m. (-s, PI- -männer): Ferge.
Zusammenges. mit mhd. vern «übersetzen»,
s. Fähre. Bei Comenius 1640.
493
Fahrnis
Falke
494
Fahrnis, f. : fahrende Habe, bewegliches 1
Eigentum. Bereits im 16. Jh. (Luther Tischr.
420 a).
Fahrt, f. (PI. -en): die Foitbewegung ^
wohin; Durchgang, Weg für Fuhrwerk. Mhd. I
vart, ahd. fart f.; dazu asächs. fard f., ndl.
vaart m., ags. ftp-d, ferd f., anord. ferd f.,
schwed. ßrd m., dän. fcerd. Abstraktbildung
mit f-Suffix zu fahren. S. auch Fährte.
Fährte, f. (PI. -«) : Wildspur. Aus dem
Gen. Dat. Sing, oder Plur. verte des mhd.
vart f. in der engem Bed, «Weg des Wildes,
Wildspur», wie noch weidmännisch auch
Fahrt gesagt wird, ahd. fart f. «Weg, Spui-».
Bei Stieler 1691 Fürte.
Fahrzeug", n. (-es, PI. -e)-. von Holz ge-
machtes hohles Werk zum Fahren auf dem
Wasser: auch Fuhrwerk zu Lande. Im 17. Jh.,
1703 im Zeitungslex. und 1711 bei Kädlein.
Faksimile, n. (s, PI. -s): ^Fachbildung
einer Handschrift. Das nlat. facsimüe {fac,
Lnp. von facere «machen», simile, Neutr.
von similis «ähnhch»). Im 18. Jh. ^
Faktiön, f. (PI. -en): Partei, poUtische
Meinungsgenossenschaft. Aus lat. fadio f. '
1538 bei Franck Chron. d. Teutschen 194^
u. 0., bei Eot 1571. — faktisch, adj. u.
adv.: tatsächlich. Gebildet von lat. factum n.
«Tat», eig. Xeutr. des Part. Perf. Pass. f actus
von facere «machen». In der neuern Sprache,
bei Hejnatz 1796. — Faktor, m. (-s, Plur.
Faktoren) : Vervielfältigungszahl; eine im Pro-
dukt wirkende Ki-aft; Geschäftsführer. Auslat.
factor m. «Verfertiger», im Mlat. auch s. v. a.
«Geschäftsvorsteher» und in dieser Bed. ist
Factor im 16. Jh. geläufig (Cod. dipl. Sües.
20, 178 von 1510). Davon Faktorei, f.
(PI. -en): Wohnung und Geschäft eines Fak-
tors, dann Handelsniederlassung; bei H.Sachs.
— Faktotum, n. (-s, PI. -s): der aUes in
allem ist, namentl. allseitig nützlicher Diener.
Das nlat. factotum {fac, Imp. von facere,
tötum «alles»). Schon im 16. Jh. (Wedel ,
Hausbuch 246 u. 313, Fischart Barf. 3523).
— Faktum, n. (-s, PI. Fakta): Tatsache.
Das lat. factum, s. o. 1703 im Zeitungslex.
— Faktur, f. (PI. -en): Warenverzeichnis!
nebst Preisberechnung; Rechnung. In der
1. Bed. bei Krämer 1678.
Fakultät, f. (PI. -en): körperliche oder
geistige Kraft zu tun; Vermögen wozu; Fähig-
keit, mhd. fakvltet f.; Gesamtheit der Profes- '
soren von einer der vier Hauptwissenschaften
einer Universität (im 15. Jh.). Von lat. facul-
tas (Gen. facultätis) f. «Vermögen, Kraft, Be-
fähigung», im Mlat. auch s, v. a. «Zunft»
usw. ABL. fakultativ, adj. u. adv,: be-
fähigend, ermächtigend wozu; beliebig. Aus
franz. facultatif, nlat. facultativus. Noch nicht
bei Campe 1813.
falb, adj.: blaJßgelb, weißHchgelb. Der
Falbe, ein Falber (Goethe [?] 4, 355), «blaß-
gelbes Pferd», s. auch ^ Falke. Eig. identisch
mit fahl (s. d.), und aus der flektierten Form
des mhd. val (flekt. valwer), ahd. falo (flekt.
falawer) mit Übergang des w in b hervor-
gegangen. Fiühnhd. falb, z. B. um 1480 im
voc. incip. teut. f 6^, danach von Luther
3. Mos. 13, 31. 37 neben falh (Off. Joh. 6, 8)
gebraucht, bei Alberus Dict. E 2 '', nebenein-
ander fal, falb. ABL. falben, v.: falb wer-
den, aus mhd. valwen, ahd. falaxoen.
Falbel, f (PI. -n): Faltenbesatz an Frauen-
kleidera. Bei Nieremberger 1753 (1715 bei
Amaranthes 523 noch Falbala). Aus franz.
falbala m., ital. falbala f., span. falbala, auch
farfala f.
falben, s. falb.
Fälber, s. Felber.
Falge, s. -Felge.
Falkaüne, f. (PI. -n): Geschütz zu 4- bis
5 pfundigen Eisenkugeln. Aus mlat. falcöna
f., von lat. falco m. «Falke», welchen Raub-
vogelnamen man wie Drache, Schlange auch
auf ein schweres Geschütz anwandte. Im
16. Jh. Falkelan (Liliencron 3, 384 v. J. 1521),
Falcon (ebend. 4, 367 v. J. 1546), Falchana
(bei Fronsperger 1, 59 *j.
^ Falke, m. {-n, PI. -n): blaßgelbes Pferd,
blaßgelber Ochse, blaßgelbe Kuh. Oberdeutsch,
Von obd. falch, Nebenform zu den gleichbed.
fahl, falb (s, d,), die mit lit. pälsas «fahl»
übereinstimmt.
"Falke, m. [-n, PI. -n): eine Art Raub-
vögel, Auch gekürzt Falk, dann zuweilen
im Sing, stark flektiert (Dat. Falk Herder
Cid Nr, 7, Akk. Falk Schiller 13, 329), Älhd.
valke, ahd. falcho m.; dazu ndl.valk, engl. falcon
(aus dem Deutschen), anord. falki, schwed,-
dän. falk m. Wahrscheinlich echt deutsch
und daraus entlehnt das um 340 vorkom-
mende lat. falco m. Der deutsche Ursprung
wird namentlich durch die alten Eigennamen,
Falchovarii, ahd. Falco, ags. Wester falcna
wahrscheinlich. Das Wort gehört am ehe-
sten zu falch (s. d.) «fahl» und weiter zu
lit. pälsas, abg, pelesü «gi-au». Vgl. Baist
bei Kluge EWB. s. v.. Kluge Zschr, f franz.
495
Falkouett
falsch
496
Spr. VL. Lit. 13, 2, 185, Körting Lat.-roman,
WB.3. ABL. Falkner, m. {-s, PI. wie Sg.),
mhd. valkencBre. Aus mlat. falconarius m.
«Falken zur Jagd übender und abrichtender
Jäger». Daneben auch mit engerm Anschluß
an das lat. Wort Falkenier m.
Falkon^tt, n. {-s, PI. -e): kleine Fal-
kaune. Aus franz.-engl. falconet, ital. falco-
netto m. mit verkleinerndem -etto von mlat.
falcona f., s. Falkaune. Im 16. Jh. (Lilien-
cron 3, 474), daneben auch Falkenet (ebend.
3, 74).
Fall, m. {-es, PI. Fülley Äfhd. val (Gen.
volles), ahd. fal m.; dazu asächs.-afries. fal
m., ndl. val m., ags. feal m., engl. /aW, anord.-
schwed. fal n., dän. fald n. In der gram-
mat. Bed. für lat. casus hat «Fall» zuerst
der Gießner Professor Christophorus Helvicus
(Helwig) in seinem 1619 erschienenen Werke
Sprachkünste. S. auch falls. Falle, f. (PI
-n): Fangwerkzeug mittelst Zufallen von et-
was. jMhd. volle, ahd. and. falla f. ; dazu ndl. val,
ags. feall f. Von fallen, v. (Prät. fiel, Part.
gefallen): vermöge seiner Schwere sich nie-
derbewegen; mit Geschwindigkeit, gewaltsam
sich wohin bewegen; tot niederfallen; Exi-
stenz, Ehre usw. verlieren ; an Umfang, Wert
verliei'en; wozu kommen; wohin geraten.
MM. vollen, ahd. fallan; dazu asächs. follan,
ndl. Valien, afx'ies. falla, ags. feallan, engl.
fall, anord.-schwed. falla, dän. falde. Ver-
wandt ist lit. p'iolu «falle», Inf. piilti, aber
kaum lat. faller e «betmgen, täuschen», gr.
ccpdXXeiv «fällen, zu Boden werfen», cqpdWecem
«sich täuschen, fehlen», aind. 5p/iaZ-« wanken».
Vgl. Walde s. v. ZUS. Fallbrücke, f.,
1626 bei Opitz Argenis 2, 58.
fällen, V.: faUen machen; zu Boden-,
niederwerfen. Mhd. vellen, ahd. fellan; dazu
asächs: fellian, ndl. vellen, afries. fella, ags.
fella, engl, feil, anord. fella, schwed. fälla,
dän. fälde, Faktitiv zu fallen.
fallieren, v.-. öffentlich zahlungsunfähig
werden. Aus ital. follire «betrügen, fehl-
schlagen, bankrott werden», das auf lat. fäller e
«betrügen, täuschen» zurückgeht. Bei Rot 1571
falliren «betmgen», sonst im 16. Jh. auch
in der jetzigen Bed.
fällig, adj.: zu Falle kommend, z. B. in.
hau-, fußfällig; zu festgesetzter Zeit zu fallen
(zahlen) bestimmt. Mhd. vellec «fallend, bau-
fällig, gerichtlich verfallend, vor Gericht im
Kampfe überwunden», ahd. fellic «zu. Falle
bringend, in Trümmer fallend».
Falliment, n. {-s, PI. -e): öffentlich er-
klärte Zahlungsunfähigkeit. Aus ital. falli-
mento m., von fallire, s. fallieren. Bei Fisch-
art Garg. 79 Fallement, bei Krämer 1678
Falliment
Fallreep, n. (-s, PL -e) -. türartige Öffnung
in der Bordwand des Schiffes. Seemanns-
ausdruck und daher nd.-ndl. Ursprünglich
eine Imperativbüdung aus fall «laß fallen»
und reep «Tau», mit der Bedeutungsentwick-
lung «Tau, Strickleiter, Leiter, Treppe, Trep-
penöffnung». Bei Röding. Bei Campe Fall-
reif «Falltau».
falls, bedingende Konjunktion, eig. Gen.
Sing, von Fall m.: im Falle daß. Bei Stieler
1691, nach Adelung und Heynatz 1796 nur
im gemeinen Leben. Fall hat hier die Bed.
«eintretende Möglichkeit», die vom Fallen der
Würfel ausgegangen ist. Häufig in Zusammen-
setzungen -falls.
Fallstrick, m. (-es, PI. -e) : woräber fal-
lender Strick, Schlmge zum Fang vonWüd;
Nachstellung. Bei Luther, auch bildlich.
Fallsucht, f.: die fallende Sucht, Hin-
fallen unter Zucken und Schäumen. Mhd.
vallensuJit f., aus vollende suht, ahd. fallendiu
suht. Im 16. u. 17. Jh. dafür auch Follühel,
zusammengez. Falbel n.
Falltor, n, (-S, PI. -e): von selbst zu-
fallendes Zauntor über einem Fahrweg. Mhd.
volletor n., abgeschwächt voltor, voller.
falsch, adj. u. adv.: anders scheinend, als
wirklich ist; innerlich feindselig. Mhd. vals,
meist volscli, mit ndl. volsch, ags.-anord. fols,
engl, false, entlehnt, trotz E. Schröder AfdA.
23, 156, aus dem gleichbed. lat. falsus, eig.
das Part. Perf. Pass. von f ollere «täuschen,
betrügen». Davon substantiviert mhd. vals,
volsch m. «Fehl, Bosheit, Unrecht, Betinig»,
jetzt noch in ohne Falsch, mhd. äne volsch.
Das seh in volsch kann rein lautlich entstan-
den sein wie in feilschen ; da aber auch mnd.
volsch neben vals, ndl. volsch, dän. (entlehnt)
folsk vorkommt, so wird es erklärt aus dem
Einfluß des schon im Ahd. vorhandenen Ver-
bums fälschen, v.: falsch machen, d. h.
verfälschen, der Richtigkeit benehmen. Mhd.
velschen «verfälschen, füi' falsch erklären»,
ahd. felscen, falskon, meist gifelscen, gifalscön
«für falsch erklären, zurückweisen, wider-
legen», wahrscheinlich eine Umbildung des
lat. gleichbed. falsificäre (falsicore, fals-
core?). ABL.' Fälscher, m. (-s, PI. wie
Sg.), mhd. valschcere, velschcere. Falsch-
497
Falsett
famos
498
heit, f., mhd. valschheit. fälscMich, adj,
u. adv., mhd. valschlich. velschlich. ZUS.
Falschmünzer, m. {-s, PI. wie Sg.). Bei
Campe 1808. Goethe 34, 1, 369 sagt noch
falscher Münzer.
Falsett, n. {-\e]s, PI. -e): Fistelstimme,
Kopfstimjne. Aus ital. falsetto m. «Fistel».
1791 bei Roth.
-falt, jetzt altertümlich (z. B. mannigfalt,
vgl. auch Einfalt), häufiger das abgeleitete
-faltig (z. B. mannigfaltig, dreifaltig in Drei-
faltigkeit f.), am übüchsten mit durchge-
drungenem Umlaut -fältig (z. B. ein-, zwei-,
drei- usw., vielfältig) wird mit bestimmten und
allgemeinen Zahlwörtern zusammengesetzt
lind bed. «soviel mal genommen (urspr. ge-
faltet), als das als erstes Wort der Zusammen-
setzimg stehende Zahlwort anzeigt». Mhd.
-valt, ahd. -falt; dazu asächs. -fald, ags. -feald,
engl, -fold, (nur in twofold), anord. -faldr,
got. -falßs; mit den davon abgeleiteten mhd.
-valtic, -veltic, ahd. -faltic ebenso von falten
(s. d.) entsprossen, wie das in gleichem Sinne
stehende lat. -plex, z. B. simplex, duplex usw.
von lat. plicäre «falten». Im Griech. ent-
spricht -trX.äcioc aus -irXäxioc, biTraXxoc «zwie-
fach geschwungen».
Falte, f. (PI. -n), mhd. valte f., daneben
valt m., ahd. (bei Notker) vald m.; dazu ndl.
(mit Ausfall des d) vouw f., ags. feald m., anord.
faldr m., dän. fold. Von falten, ,v.: mit-
telst einer Übereinanderbiegung zusammen-
legen, mhd. valten (Prät. vielt, Part, gevalten),
valden, ahd. faldan, faltan; dazu ndl. vouwen,
ags. fealdan, engl, fold, anord. falda, schwed.
fälla, dän. folde, got. falpan, Prät. faifalp.
Verwandt ist aind. putas m., putam n. (mit t
aus It) «Falte, Tüte, Tasche», gr. biiraXxoc
und biTrXdcioc «zweifach», ohne f-Ableitung
alhaxi.pal'd f. «Falte, Reihe, Joch, Paar». Die
urspr. starke Flexion ist im Nhd. der schwa-
chen gewichen, doch findet sich noch zu-
weilen das Part, ge falten, in der Redensart mit
gefaltenen Händen (Claudius 4, 39; Schiller
Räuber 1, 1 ; Goethe 2, 101). ABL. fälteln,
V.: in Fältchen legen. Spätmhd. velteln.
Falter, m. (-s, PI. wie Sg.): Schmetter-
ling. Mhd. nur in mvalter m.; daneben auch
pfivalter, pfivolter (s. Pfeifholter) und zwi-
valter (s. Zweifalter), ahd. fifaltra f., das ein-
fache valter (aus diesen Zusammensetzungen
entnommen) erst bei Adelung 1774, aber noch
jetzt obd. Feifalter; dazu and. vivoldara f.,
ndl. (umgestaltet) vijfwouter ra., ags. ftf-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
fealde f., anord. (umgestaltet) flfrildi u. Eine
reduplizierte Bildung (wie z. B. mhd. wiwint
«Wii'belwind» zu wint), mit der lat. päpllio
ra. (aus *paptilio), vespertilio (aus -ptilio)
zu vergleichen ist. Wahrscheinlich zu einer
Wurzel pel «flattei'n», die wir mit t erweitert,
in flattern, Fledermaus haben. Vgl. Detter
ZfdA. 42, 55, Walde s. v.
faltig, adj.: Falten habend oder werfend.
Bei Dasypodius 1537. S. auch -falt.
^Falz, m. (-es, PI. -e): regelmäßig ge-
brochene und geglättete Umbiegung; zum
Anfügen mit dem Hobel abgestoßene Kante.
IVIhd. valz (Plur. valze und velze), valze m.
«geschlacrene längliche Öffnung: rinnenartige
Vertiefung längs der Fläche oder dem Rücken
des Schwerts; Riefe, z.B. einer Wunde; Fuge,
zusammengebogene Öffnung», ahd. falz nur
in anevalz m. «Amboß»; dazu ags. anfilte,
engl, anvil, ndl. (umgebildet) aanheeld n. Hier-
her gehört auch das starke Verbum mhd. valzen
(Part, gevalzen) «biegen, krümmen», und mit
Ablaut Tah(\.. velze m. «Riefe, sichtbarer Lang-
streifen an der Schwertklinge, Rücken der
Klinge». Die Bed. der Wurzel wird «sehlagen,
hämmern, durch Schlagen zusammenfügen»
I sein ; als verwandt wird angesehen lat. pellere
I (axis*peldere) «stoßen». J.5Iy. falzen, v.: regel-
I mäßig umschlagen und fügen; Fugen hobeln.
I Dafür mhd. umgelautet velzen «kinimmend
j schlagen, verbinden, einfassen», ahd. (ohne
i Umlaut) falzen «befestigen, zur Ki-ümme
biegen, sichelförmig biegen». ZUS. Falz-
bein, n. (-5, PI. -e): zum Falzen dienendes
Gerät aus Knochen. Bei Duez 1664 faltbein
oder falzbein.
"Falz, falzen, s. v. a. Balz, balzen (s. d.).
Mhd. (bei Hadamar von Laber 212) valz m.
«Begattung wüder Vögel», bei Aler 1727
Faltz der aurhanen. Daneben auch Pfalz.
Familie, f. (PI. -n): Hausgenossenschaft:
Geschlechtsverwandtschaft. Aus dem gleich-
bed. lat. familia f., urspr. «Gesinde». Im
17. Jh., zugleich unter Einfluß des franz.
famille f. eingebürgert (Schupp 152). ABL.
familiär, adj. u. adv.: wie heimisch; ver-
traut. Aus lat. familiäris «zum Gesinde,
Hause gehörig». 1601 bei Albertinus geistl.
Spiegel 153^ familiär, substantivisch schon
in der Zimm. Chron. 1, 313. Familiarität,
f., 1703 im Zeitungslex.
famos, adj.: berühmt, berüchtigt (schon
im 16. Jh., z. B. Nas Pract. Bl^); prächtig,
herrlieh (in der neuern Studentensprache).
32
499
Famnlus
Farce
500
Aus lat. fäniösus «berähmt, berüchtigt», von
lat. fäma f. «Leumund, Gerücht».
Famulus, m. (PL Famuli und Famu-
lusse): Diener, Gehilfe. Aus gleichbed. lat.
famulus m. Bei Sperander 1728.
Fanatiker, m. {-s, PI. wie Sg.): schranken-
loser Glaubensschwärmer. Aus dem lat. Adj.
fänäticus, abgeleitet von fänum n. «gottge-
weihter Ort, Tempel». Im 18. Jh. — fana-
tisch, adj.: glaubenswütig. Nach lat. fänä-
tims. 1588 bei Joh. Nas (Wackernagels
Kirchenlied 548^). — fauatisiereu, v.: zui-
Glaubenswut aufregen. Aus dem gleichbed.
franz. fanatiser. — • Fanatismus, m. : Glau-
benswut. Mit lat. Endung nach franz. fana-
tisme, ital. fanatismo m. gebildet. Im 18. Jh.
Fanfare, f. (PI. -n): Trompetensignal.
Aus dem gleichbed. franz. fanfare f., das mit
franz. fanfaron m. «Prahler», ital. fanfano,
Span, fanfarron «prahlerisch» urspr. lautnach-
ahmend ist. Bei Roth 1791.
Fang, m. (-es, PI. Fänge): Habhaftwer-
den und Halten sowie das Gefangene selbst;
Einrichtung zum Fangen der Tiere; Eaub-
tierzahn, Eaubvogelklaue ; letzter tötender
Stich bei gejagtem Wilde (schon frühnhd.).Mhd.
vanc (Gen. vanges) m. «Fang, das Auf-, Um-
fangende», ahd. and./awgf in Zusammensetzungen
wie anafang «Anfang»; dazu ndl. vang m.,
ags. feng m. «Griff», engl, fang «Fangzahn,
Klaue», anord. fang n., schwed. fang m., dän.
fang. Von fangen, v. (Prät. fing, Part, ge-
fangen): festnehmend oder -haltend in seine
Gewalt bringen. Älternhd. fahen, mhd. vahen,
van (Prät. vienc, vie, Part, gevangen, gevän);
dazu asächs. fähan (Prät feng), auch (in den
Psalmen) fangan, ndl. vangen, afries. fän, ags.
fön, anord. fä, auch fanga, schwed. fa, dän.
faa, got. fähan. Das Präs. fo.ngen erklärt
sich durch Ausgleichung mit dem Prät., noch
nicht mhd., wohl aber öfter mnd. und mndl.
vangen, bei Luther vereinzelt neben gewöhn-
lichem fahen, im 17. Jh. schwankend (Schottel
und Bödiker setzen beide Formen an), bei
Gottsched nur fangen, doch verbleibt fahen
der poetischen Sprache (Klopstock Mess. 2,
6; Goethe Eein. 6, 38, SchiUer Teil 4, 1;
Uhland 269). Das Prät. älternhd. fieng (noch
bei Gottsched, während Adelung sich für
fing erklärt) hat Verkürzung erfahren, wie
schon in altern md. Quellen, sowie mnd. und
mndl. vinc erscheint. Verwandt ist aind.
pägas «Strick», lat. pacisci. «einen Vertrag
schließen», ferner wohl auch, da die Wurzel
idg. *pak und *pag lautete, die bei Fach
(s. d.) angeführten Wörter. ABL. Fänger,
Fanger (Schiller Räuber 4, l), m. {-s, PI.
wie Sg.): fangende Person, Hund zum Fang
auf der Saujagd, Waife zum tötenden Stich
bei Wild. Mhd. dafür väher, bei Luther in
der 1. Bed. fenger.
Fant, m. {-es, PI. -e): junger, bes. flatter-
hafter oder eitler Mensch. Mhd. dafür vanz
(so noch jetzt obd. neben Fant), im Dimin.
venzelin n. «junger Schalk» (s. Älfanz, Firle-
fanz); dazu anord. fantr m. «Gaukler». Die
Form Fant erklärt sich aus dem Einfluß
eines ndd. Wortes, mnd. vent m. «Knabe,
Knecht» (auch im Dim. venteken), das eben-
so wie ndl. vent m. «Knabe» zurückzuführen
ist auf veim-genöt, eig. «Mitglied einer Ge-
sellschaft» (s. Fehme), was mit Verkürzung
vemnot und das noch jetzt im Ndl. vor-
kommende vennoot m. ergeben hat (Bedeu-
tungsentwicklung wie bei Bursche, s. d.).
Dies Fent vermischt sich in der Bedeutung
mit Fanz. Vgl. von Bahder Btr. 22, 527.
Henisch 1616 setzt Fante (diese Form wohl
unter Einfluß des ital. fante m. «Knabe,
Knecht»), Stieler 1691 Fante, Fente, Fent
«Knabe, leichtsinniger junger Mensch» an, in
der Literatur findet sich öfter Fäntchen, das
von Kindleben 1781 als niedersächsisches
Wort bezeichnet wird (auch Adelung kennt
nur* das Dim., das er von Fant ableitet),
Fant gebraucht Wieland im' Oberon 4, 47
und erklärt es im angefügten Glossar.
Farbe, f. (PI. -n): die durch Brechung
der Lichtstrahlen hei-vorgebrachte Empfindung
des Auges. Mit 6 für w aus mhd. varwe, ahd.
farawa f.; dazu and. faraivi, ndl. verf, ags,
fcerhu f., aus dem Deutschen schwed. färg,
dän. farve. Dunkler Herkunft. ABL. -farl),
mhd. -var (flekt. -varwer), ahd. faro (flekt.
farawer), and. missivaro «verschiedenfarbig»,
weiter gebildet -färben (bei Luther), farbig
(älternhd. auch farhicht), färbig (Goethe
Faust 3901 tausendfärhig), bei Luther ferbig.
färben, v., mhd. verwen, ahd. faraiven. Da-
von Färber, m. {-s, PI. wie Sg.), mhd. ver-
locere m., und Färbung, f. (1482 im voc.
theut. h6^ ferhung).
Farce, f. (PI. -n): Füllsel; Mengstück,
Possenspiel. Das franz. farce f., aus lat.
farsus «ausgestopft», von farclre «stopfen».
In der 1. Bed. 1715 bei Amarauthes, in der
zweiten 1600 bei Albertinus Sendschreiben
3, 69* Farsse.
501
Farinzncker
faseln
502
Farinzncker, m. (-s): Mehl-, Küchen-,
Speisezucker. Zusammenges. mit lat.-ital.
farmai. «Mehl», Farin 1715 bei Aniaranthes.
Farm, f. (PI. -en): Meierhof, Landgut
(in Amerika). Das engl, farm, das zurück-
geht auf afranz. /erwe f. «feste Rente, sicherer
Besitz», von lat. firmus «fest». Im 19. Jh.
Farn, m. (-es, PI. -e), meist Farnkraut,
n. (falsch Farrenkrauf) : die Pflanze filix.
Mhd. farm und farn m. n., ahd. faram, faran
n.; dazu and. farn, ndl. varenkruid, ags. fearn
m., engl. fern. Verwandt sind aind. parna- m.
n. «Flügel, Feder», dann «Laub, Blatt», aJso
eig. «federförmiges Blatt»; dazu wohl noch
niss. päporoti, ht. papärtis m., PI. paparcai
«Famkraut». S. auch Rainfarn.
Farre, na. (-«, PI. -n): unverschnittener
Ochse. Mhd. varre, ahd. farro m. neben dem
stark flektierenden mhd. var, ahd. far (Plur.
fdrri) ; dazu ndl. var, ags. fearr, anord. farri
m. Mit n* aus rs, vgl. Färse; vei-wandt
ist gr. TTÖpic, TTÖpTic f. «junges Rind, Kalb,
junge Kuh».
Färse, f. (PI. -n): das noch nicht träch-
tige erwachsene Rind. Aus dem Nd., mnd.
(in Glossaren des 15. Jh.) verse, mndl. verse,
ndl. vaars f., im 15. Jb. auch in einem hd.
Glossar (Diefenbach Gl. 313^) kalbes verse,
im 17. Jh. wird Fährse von Zesen im Heli-
kon 74 als in Meißen sekr üblich angeführt.
Abgeleitet von ahd. far (s. Farre),
farzen, v. : einen lauten Bauchwind lassen.
Spätmhd.t'ar^en neben dem stark flektierenden
mhd. verzen, ahd. ferzan; dazu ags. feortan,
engl, fart, anord. (mit Umstellung des r)
freta, schwed. fjerta, dän. fjerte, und weiter
dazu die gleichbed. gr. irepöeiv, v\iss.perdeti,
lit. perdzUjpersti, aind. pard nebst den Worten,
die auf idg. pezd zurückgehen, lat. pedere,
slow. pezdeti, lit. hezdgti, gr. ßbeuu, mhd. visten.
Idg. Grundform perzd.
Fasan, m. [-s und -en, PI. -e und -en):
ein schöner fremder, hühnerartiger Vogel.
Mhd. fasän, fasant m., ahd. fasän m., ndl.
fazant m. Durch franz.-span. faisan, prov,
fassan, ital. fagiano m. überkommen aus gr.-
lat. phasiänus m. d. i. «Vogel vom Flusse
Phasis in Kolchis». Mhd. auch volksver-
ständlich gemacht als vasehan, vaselhan; da-
zu vase-, vaselhuon n. ABL. Fasanerie,
f.: Fasanengehege, nach franz. faisanderie f.,
bei Frisch 1741. Schon Henisch 1616 hat
Fasaner «der die Fasanen zeucht und er-
nehrt».
Fasch, m. {-es, PI. -e): eine Elle breites
und zwei EUen langes Stück Sohlleder. Mhd.
(um 1400) vasch f. «Binde». Aus franz. fasce,
ital. fascia f. «Binde, Zeugstreifen», und diese
aus dem gleichbed. lat. fascia f.
Fäs-cheu, n. (Goethe Herm. u. Dor. 9, 18,
bei Aler 1727 Fäsichen), Dim. von Fasen, s. d.
Faschine, f. (PI. -n): Reis- oder Strauch-
weUe bei Wasser-, Feldschanzen-, Batterien-
bau. Aus franz. fascine, ital. fascina f. «Reis-
bündel», von dem aus lat. fascis m. «Bund»
abgeleiteten ital. fascio m. «Bündel». Bei
Krämer 1678.
Fasching, m. (-s, PI. -e) -. Fastnacht (s. d.).
Bes. in Österreich üblich. Mit Abschwächung
des zweiten Wortes aus mhd. vasnaht, vasch-
naht entwickelt, indem die häufige Ableitungs-
silbe -ing eingetreten ist; spätmhd. vassang,
vaschang zeigt noch das ursprünghche a der
zweiten Silbe. Kaum entspricht vaschang dem
mnd. vastgang (neben vasting), anord. föstu-
gangr m. «Beginn, eig. Herannahen der
Fastenzeit».
Fase, s. Fasen.
Fasel, m. (-s): Junges, Zucht wovon.
Auch in Faseüiengstm. «Zuchthengst», Fasel-
ochse m. «Zuchtocbse», Faselschicein n. «Zucht-
schwein», Faselvieh n. «Zucht\'ieh». Mhd,
vaselm. «Zuchtstier, -eher», überhaupt männ-
liches Tier, um zu befruchten (auch in Zu-
sammensetzungen, wie vaselkalp, vaselstvin,
vaselvihe), daneben ahd. (bei Notker) fasel m.
«Junges wovon, Nachkommenschaft»; dazu
ags. fcesl n. (?), anord. fösull m. «Nachkommen-
schaft». Vgl, auch friihmhd. fesil «fnichtbar».
Verwandt mit mhd. (mit Ablaut) visel m.
«penis», das zu lat. penis (aus *pesnis) m.,
gr. TT^oc n. (aus *pesos), Bmd. päsas n. «penis»
gehört. Vgl. Osthofl' Btr. 20, 94; Prusik KZ.
35, 601. ABL. faseln, v.: Junge werfen,
sich fortpflanzen (frühnhd.); gedeihen (im
Sprichwort unrecht Chit faselt nicht Luther
Tischr. 143 ^j.
Fasele, s. Faseole.
"^faseln, v.: tändelnd, ausgelassen, leicht-
sinnig gebaren (Goethe 3, 193); unüberlegt,
verwirrt reden. In der 2. Bed. von Frisch
1741 als neues Wort bezeichnet, gebraucht
z. B. von Hermes Sophiens Reise 2, 601. Ab-
geleitet von dem ältemhd. fasen (bei Stieler
1691) «mit dem Geist irr umherschweifen,
ohne Überlegung rmd wie träumend denken
und reden, Alberaheiten, Possen treiben»,
das auf ahd. fasdn «suchen, aufsuchen, auf-
32*
503
faseln
Faste
504
spüren» zurückgeht (mhd. nicht belegt). S.
auch Fastnacht. ABL. Faselei, f., 1734
bei Weber 255^. ZUS. FaselhanS, m.
Fasel-Hanß abend.
'faseln, v..- sich fortpflanzen, s. Fasel.
Fasen, m. {-s, PI. wie Sg.), Fase, f.
(PI. -n) : sich absondernder Faden oder Faden-
artiges. Mhd. vase m. f. «Faser, Franse, Ein-
fassung, der Saum eines Gewandes», ahd.
faso m, und fasa f.; dazu mnd. vese, vesen
f. «Faser», ags. foes n. «Franse». Auch er-
weitert zu Fasel (Alberus Dict. Q 3^, noch
bei Ludwig 1716), entsprechend ndl. vezel f.
Dazu das Dimin. Fäs-chen (s. d.). Hierher wohl
auch (mit Ablaut) mhd. vese, ahd.-and. fesa
f. «Fruchtbalg, Spreu, unenthülster Spelt».
Weitere Anknüpfungen bei Osthoff Btr. 18,
249 (unwahrscheinlich), Pedersen Idg. Forsch.
5, 67 zu russ. päsmo n, «Gebinde, Fitze,
Strähne», Prusik KZ. 35, 601, Uhlenbeck Btr.
26, 290. ABL. fasen, auch faseln, v.:
Fäden aus- und abzupfen, refl. sich fasen:
Fäden, die sich lostrennen, gehen lassen.
Spätmhd. vase?i. ZUS. fasenuackt, fasel-
uackt, adj.: nackt bis zum letzen Fasen
am Leibe. Im 17. Jh.
Faseole, f. (PI. -n): eine Art Bohnen.
Mhd. phasol, vasol, vasoel f., aus gr.-lat.
phaseolus, gr. qpacrioXoc, cpacioXoc, Nebenform
von gr.-\a.t.phaselus, gr. cpctcriXoc m. «Schwert-
bohne». Auch Fasele und Fisole (s. d.).
Faser, f. (PI. -n) ■■ sich ablösender Faden ;
Fadenartiges, z.B. an Pflanzen; fadenförmiger
Körperteil. Spätmhd. vaser f. «Franse». Ab-
geleitet von Fasen, s. d. ABL. faserig,
adj.: sich ablösende Fasern an sich habend.
Bei Krämer 1678 fasericht, bei Rädlein 1711
fäsericht. fasern, v.: Fasern ausziehen, refl.
sich f.: sich ablösende Fasern gehen lassen.
Bei Krämer 1678.
Fasnacht, s. Fastnacht.
Faß, n. (Gen. Fasses, PI. Fässer): hohler,
tiefer, beweglicher Behälter zur Aufnahme
von etwas. Mhd. vag, ahd. fag n. «Faß, Ge-
fäß, Schrein, Bienenkorb» usw.; dazu asächs.
fat, ndl. und danach engl, vat^ ags. fcet,
anord.-schwed. fat (Plur. föt «Kleider»), dän.
fad n.; dazu das Koll. mhd. (mit Ablaut)
gevcege, ahd. givägi n. (s. Gefäß), das in seinem
Vokal mit ags. fößtels n. «Gefäß», fmted «ge-
schmückt», und got. ßtjan «schmücken», eig.
«umhüllen» übereinstimmt. Verwandt ist lit.
püodas m. «Topf, Gefäß». Weitei-e Vermu-
tungen bei Walde s. Y.patro. Die ursprüng-
liche Bed. war allg. «Hülle, UmschHeßung»,
vgl. fassen. ZUS. Faßbinder, m.: Büttner,
spätmhd. vaghinder.
Fassade, f (PI. -n): Stirn-, d. i. Giebel-
seite. Aus dem gleichbed. fi-anz. facade f.,
von franz. face f. «Gesicht, Vorderteil eines
Gebäudes», das auf lat. fades f. «Antlitz»
beruht. Bei Wächtler 1714.
fassen, v.: worein zusammenpacken: wo-
rein befestigend umgeben; (körperlich oder
geistig) zusammen in sich aufnehmen; wo-
mit (abstrakt mit einem Sinne oder dem Ver-
stände) festnehmen und -halten; in seine Ge-
walt bekommen oder bringen. Refl. sich f.:
sich zusammennehmen, sich zu festem Sinne
sammeln. Davon das Part. Prät. gefaßt als
Adj.: gertistet, mit festem Sinne bereit. Mhd.
vaggen, ahd. fag^ön «zusammenpacken, auf-,
beladen, umschließen, in sich aufnehmen,
kleiden, bekleiden, liisten», refl. sich vaggen
auch «gehen», eig. «sich wohin fertigmachen»;
dazu ndl. vatten, fries. fatia, ags. fatian, engl.
to fetch, (entlehnt) schwed. fatta, dän. fatte.
Abgeleitet von Faß (s. d.), also eig. «mit
einer Hülle versehen und in eine Hülle, üm-
schheßung aufnehmen, in einer Hülle zu-
sammenhalten machen», woraus sich die Bed.
von «ergreifen» usw. entwickelt hat. S. auch
Fessel, Fetzen. ABL. Fassung, f.: Hand-
lung des Fassens; (zum refl. sich f.) Samm-
lung, und Haltung des Gemütes. Mhd. vag-
zungef. «Umkleidung, Bekleidung, Schmuck».
Die 2. Bed. erst bei Adelung.
faßlich, adj. u. adv.: im Geiste aufnehm-
bar, der Fassungskraft angemessen. Bei
Stieler 1691.
Fasson, f. (PI. -s): Gestalt, Form; An-
stand. Aus franz. fagon f. «Art und Weise
des Tuns», ital. fazione f. «Gestalt», das auf
lat. f actio f., das «Machen» zurückgeht. Bei
H. Sachs 7, 187 Meidung seltzamer art und
faction; 1562 bei Mathesius Sareptal4* u. 69^
Fazon, auch noch bei Moscherosch 2, 113.
fast, adv.: stark annähernd. Älternhd.
auch in der Bed. «sehr, tüchtig» (oft bei
Luther, altertümelnd noch bei Schiller Teil
2, 2). Mhd. vaste, ahd. fasto, fest «eng sich
anschließend, dicht, hart an, nahe an» (wo-
her der heutige Sinn von «beinahe»), «sehr,
schnell», ist das Adv. von mhd. veste, ahd.
festi, s. fest.
Faste, f., meist im Plur. Fasten: Ent-
haltung von 'aller Speise oder doch von
Fleischspeisen, sowie die Enthaltungszeit, bes.
505
Fasteltag
faul
506
die 40 Tage unmittelbar vor Ostern. !Mlid.
vaste, ahd, fasta f. ; dazu asächs.-anord.-schwed.
fasta f., dän. faste, und mit abweichender
Bildung asächs. fastunnia, ndl. rasten, ags.
fcesten f., got. fastuhni n. Von fasten, v.:
sich der Speise enthalten, mhd. rasten, ahd.
fasten: dazu ndl. rasten, ags. fcestan, engl.
fast, anord.-schwed. fasta. dän. faste, got.
fastan, das auch noch die ursprüngliche Bed.
«beobachten, halten, bewahren, festhalten»
hat. Abgeleitet von fest, s. d.
Fasteltag, s. Fasttag.
fasten, s. Faste.
Fastnacht, f.: der Tag vor Aschermitt-
woch, Beginn der großen Fasten. Ältemhd.
auch sehr häufig Fasenacht, Fassenacht (Al-
berus Fab. 193), Fasnacht, Faßnacht (Schüler
WaU. Tod 4, 7, Teil 1, 3), so im 16. -Jh. bei
Luther, Seb. Franck, H. Sachs, Fischart, auch
vielfach in den Wörterbüchern (noch Ade-
lung führt Fasenacht als Form des gemeiaen
Lebens an) und noch jetzt fast in ganz Ober-
deutschland. Mhd. steht vasenaht, vasennaht,
vasnaht, raschnaht (s. Fasching) neben vast-
naht f., auch vastelnaht, diese Foith ist aber,
vne mnd. rastavend, rastelavend m. «Tag vor
der Fastenzeit» (s. Sonnabend) zeigt, die
ursprüngliche und hat nur verschiedentlich
(nachdem mundartlich das t in rastnacht viel-
fach ausgefallen war) eine Ümdeutung er-
fahren, namentl. mit Anlehnung an fasen
«umherschweifen, sich albern benehmen», s.
faseln. Eedensart: kommen wie die alte
Fastnacht: hintennach, zu spät kommen,
weil wer zm- alten Fastnacht (so hieß der
erste Fastensonntag, der sechste Sonntag vor
Ostern) noch kam, um zu tanzen und zu
springen, zu spät kam, denn da war laute
Lustbarkeit nicht mehr erlaubt.
Fasttag, m. {-es, PL ~e): Tag, an dem
gefastet wird. Mhd. rastetuc, rasttac, ahd.
fastatag m. : dazu anord. föstudagr m., schwed.-
dän. fastedag. Zusammengesetzt mit Faste,
s. d. Daneben Fasteltag fJer. 36, 6), schon
mhd. auch rasteltac, mnd. lasteldach.
Faszikel, m. (-s, PI. wie Sg.): Bündel,
Heft. Aus lat. fasciculus m. «Bündel», dem
Dim. von fascis m. «Bund» (s. Faschine).
Bei Wächtler 1714 Fascicid.
fatal, adj.: verhängnisvoll, unheilbringend;
widrig, unsehg. Von XaX.fätälis «vom Schicksal
bestimmt, verhängnisvoll, verderblich», abge-
leitet von fätum n. «Götterspnich, Schicksal,
Verhängnis^. Schon im 17. .Jh. in der 2. Bed.
(Schupp 245). ABL. Fatalität, f. (PI. -en):
unvermeidhches Schicksal, Mißgeschick. Aus
dem gleichbed. lat. fätälitus f. 1634 in den
Mitteil. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in
Böhmen 7, 223.
Fata Morgäna, f. (PI. F. m/yrganen und
niorganas): Luftspiegelung. Schon mhd. fa-
murgän als Eigenname. Aus ital. fata morgäna
f., dessen erster Bestandteil «Fee» bedeutet
(s. d.), während der zweite der arab. Frauen-
name Morjäna. Morgäna ist.
fatzen, v. : scherzen, Possen treiben ; zum
besten haben: plagen, foppen. Seit dem Ende
des 15. Jh. Von Fatz f. «beißender Witz,
Spötterei», bei Stieler 1691, Plur. Fatzen
«Lotterbuberei», bei Duez 1664, und dieses
gekürzt aus lat. facetia f. «Witz, Scherz»,
PI. facetiae «witzige Reden». Vgl. auch ital.
fazio m. «Possenmacher». ABL, Fatzke,
m. f-n, PI. -n): läppischer Mensch. In der
neuern Berliner Umgangssprache, mit der bei
Eigennamen häufigen Endung -ke gebüdet.
Im altem Xhd. bestand Fatzmann, Fatzhub,
Fatznarr m. «Possenreißer, Hansnarr».
Fatzeuetlein, s. unter Schnupftuch.
fauchen, v.: (von Katzen, Eulen usw.)
blasen, schnaufen. Mhd. dafür pfüchen, das
auch nhd. noch als pfauchen vorkommt und
in Osterreich und Bayern noch so geschrieben
wird. Lautnachahmend.
faul, adj. u. adv. : sich in Verwesung auf-
lösend: Mangel an Kraftanwendung äußernd;
nichtsnutzig, ^fhd. vfd «verwesend, träge,
schwach», ahd. fxd nur ia der 1. Bed.; dazu
ndl. vuü «schmutzig», ags. fül, engl, foul,
anord. füll, schwed.-dän. fid, got. füls, urspr.
s. V. a. «Ven^esungsgeiTich von sich gebend,
stinkend». Die Wurzel zeigt sich ohne das
^Suffix in anord. fvi m. «Fäulnis», füinyi
«verfault», feyja «verfaulen lassen», füna
«faulen». Es gehört zu aind, püj «verwesen,
stinken», aw. pujeiti <;wird faul», arm. hu
«eiteriges Blut», lit. püvü. püti «faulen»,
pül'ai m. PI. «Eiter», lat. pütere «faul riechen,
stinken», püs n. «Eiter», gr. trüGeiv «faulen
machen», irOov n. «Eiter». ABL. Fäule,
f., mhd. viule, ahd. fvli f. faulen, v.: faul-
werden, mhd. vulen, ahd. fulen. faulenzen,
V., mit dem Suffix -enzen gebildet (s. d.),
urspr. «nach Faulsein riechen», dann «der
Neigung zum Faulsein sich hingeben». Nach
Heynatz 1796 obd., frühnhd. (auch bei Luther),
schon spätmhd. erscheint videzen «faulicht
schmecken» (vulazen im Voc. Schröer 32),
507
räum
fechten
508
dann auch faulenzen: früher auch faullenzen
geschrieben, indem das Wort als zusammenges.
mit dem Eigennamen Lenz betrachtet wurde,
vgl. der faul Lenz bei H. Sachs Fab. 48.
Davon Faulenzer, m., auch «Hilfsbuch, -tafel
zum mühelosen Rechnen usw.». Bei Luther,
sonst frühnhd. auch Faulenz. Faulheit, f.,
mhd. vfdlieit f. faulicht, faulig, adj., mhd.
dafiir vüllich, mit -lieh gebildet. Fäulnis,
f., ahd. fülnussi, dann erst wieder im Nhd.
aul'kommend (bei Frisch 1741 Fäulnüß). ZUS.
Faulhaum, m.: die Holzpflanze rhamnus
frangula, nach dem fauligen Geruch der
Rinde bei ihrem Absud zur Gewinnung eines
Heilmittels benannt; ahd. fülboum m. Faul-
bett, n.: Bett, worauf man sich der Un-
tätigkeit hingibt; bei Luther. Faulpelz,
m. : der Faulheit hingegebener Mensch, urspr.
der Pelz, die Haut, die Faulendes überzieht.
Bei Campe 1807 noch nicht verzeichnet, aber
in der Schweiz schon in alter Zeit belegt,
vgl. Schweiz. Id. 4, 1224. Faultier, n.:
ein außerordentlich träge sich bewegendes
Säugetier. 1775 bei Adelung.
Faum, s. Feim.
Faun, m. (-es, PI. -e) -. bocksfüßiger Feld-
und Waldgott; Lüstling. Aus lat. Faunus m.
Tm 18. Jh. in deutscher Form, aber im lat.
Gewände schon im 14. Jh. bei Megenberg
1-57, 25. ABL. fauuisch, adj. u. adv., bei
Wieland Idris 5, 83. Fauna, f. (PI. Faunen):
die Tierwelt eines Landes. Yon Faunus. Im
18. Jh.
Faust, f. (PI. Fäuste): geballte Hand.
Mhd. vüst, ahd. füst f.; dazu ndl. vuist, ags.
fyst f., engl, fist, nord. nicht vorhanden. Als
Gnindform wird *funhsti- anzusetzen und
Verwandtschaft mit dem gleichbed, aibg.p^stt f.
anzunehmen sein, weiter dazu Finger (s. d.);
andre vermuten unwahrscheinlich Zusammen-
hang mit gr. TTUT.uri f., lat. pugnus m, «Faust».
ABL. Fäustel, m. (-S, PI. wie Sg.) : schwerer
eiserner Hammer der Bergleute. Bei Agricola
und Mathesius Sar. Fäustling, m. (-s, PI.
-e) : Handschuh ohne Finger, mhd. viustelinc,
ahd. füstilinc m.; Saclq3ufi"er, Pistole, bei Stein-
bach 1734. ZUS. Fausthammer, m.: Streit-
hammer, im 16. und 17. Jh.; Gerichtsdiener,
früher am Oberrhein, benannt nach der
Wafi'e, die er führte, noch bei Wagner Kinder-
mörderin (5. Akt). Faustpfand, n.: in die
Hand gegebenes Pfand. Noch nicht bei Campe.
Faustrecht, n. : bloßes Recht des Stärkern,
bei Luther.
Fauteüil (-s, PI. -s): Lehnsessel. Aus
gleichbed. franz. fauteüil m., afranz. faldestuel,
das auf ein germ. *faltstuol (s. Feldstuhl)
zurückgeht. 1727 bei Sperander.
Favorit, m. {-en, PI. -en): Liebling. Aus
dem franz. Adj. favori, favorite, das aus ital.
favorito stammt, von lat. fävor m. «Gunst».
Schon 1601 bei Albertinus geistl. Spiegel 13^.
Davon Favorite oder Favoritin, f., 1791
bei Roth.
Faxe, f. (fast nur im PI. Faxen): spaß-
hafter Einfall; Narrensposse; närrische oder
wunderliche Gebärde (Goethe 31, 209 hinter
jemand F. schneiden). Späte Bildung (im
Bremischen Wbch. 1767, bei Adelung 1775),
die wie die gleichbedeutenden Fixfax m.
und westfäl.-hess. Fiksefakse f. zeigen, auf
fickfacken (s. d.) zurückgeht.
Fayence, (räher Faience, f. : Halbporzellan.
Das franz. fai'ence, früher fayence f., genannt
nach dem Fabrikorte Faenza (lat. Faventia)
in der heutigen Romagna. Bei Jacobsson
techn. Wb. (1781) Fajanze, fajanzer Geschirr.
Fazit, n. (-S, PI. -s): Ergebniszahl einer
Rechnung, Das lat. facit «es macht». Be-
reits 1514 in Böschensteyns Rechenbuch A4*.
Februar, m. (-s, PI. -e) : der zweite Monat
im Jahre. Aus lat. februärius ra., benannt
nach dem jährhchen Reinigungs- und Sühn-
fest [fehrua, PI.), das in der 2. Hälfte des
Mon'ats stattfand. Der deutsche Name ist
Hornung, s. d.
Fechdistel oder Fehdistel, f.: Marien-
distel, Carduus marianus. Mhd. vechdistel m.,
j zusammenges. mit vech «mannigfaltig» (s.jPeÄe),
der Name wegen der schönstreifigen gefleckten
I Blätter.
i Fechser, m. (-s, PI. wie Sg.): Rebzweig
' als Setzling. Frühnhd. (1482 im voc. theut.
b 5^ f echser), bei Luther mit md.-nd. Schwinden
des ch Feser. Wohl zu mhd. vehsenen
«einernten, -heimsen, -nehmen», bayi'.-öster.
fechsen «ernten».
I fechten, v. (Prät. focht, Part, gefochten) :
j mit der Wafle tätlich entgegen sein; über-
I haupt Kampf bewegungen machen; (von den
Handwerksburschen) betteln. Die 3. Bed.
I (schon bei Krämer 1678 angegeben) stammt
wohl noch aus der Zeit, wo, namentl. zu
\ Nürnberg und Breslau, eigne Fechterspiele
1 und Fechtschulen für Handwerker bestanden,
zu denen diese hin- und herreisten. Mhd.
I vehten, ahd. fehtan; dazu asächs. fehtan, ndl.
I rechten, afries. fiuchta, ags. feohtan, engl, fight,
509
Feder
Fehde
510
anord.-got. fehlend. Verwandtschaft mit gr.
ttOE «mit der Faust», -rruYMn f-> Isit. pugnus m.
«Faust», ist möglich auch ohne die Annahme,
daß das Verb urspr. der w-Klasse angehört
habe und vom Prät. Plur. und Part, aus zur
e-Klasse übergetreten sei, wenn man idg.
*peii}ek ansetzt. Beziehung zu lat. pectere,
gr. TT^Keiv «kämmen», lit. pesti «rupfen» ist
unwahrscheinlich. Vgl. Osthoff Parerga 1,
369 ff., Beitr. 27,343, Lagererantz KZ. 34^401,
der gr. ■n-6UKd\i,uoc, Ixe-nevKic vergleicht. Das
Prät. flektiert ahd. faht, Plur. fuhtum, mhd.
x^aht, vuhten, aber auch vähten, im altem
Nhd. facht, fochtest, Plur. fochten (so bei
Clajus), dagegen später focht, z. B. Fischart
Garg.297, Zesenibr. 1,527, bei Schottet /bcMe.
Das Präs. gibt zuweilen den Vokalwechsel
auf und bildet fechtest (schon bei Schottel
neben flehtest), Im^p. fechte. J_Biv. Fechter, m.
(-S, PI. wie-Sg.), mhd. vehtcere, ahd. fehtäri m.
2njS. Fechthoden, m., im 17. Jh. (Schupp
268). Fechtmeister, m., bei Dasypodius 1537.
Fechtschule, f., 1540 bei Albenis Dict. J2a
fechtschuol und 1521 bei Emser (Neudruck
Nr. 83) S. 9 fechtschul. Die Redensart es stinkt
in der Fechtschule bed. «die Sache geht übel,
es ist nichts dahinter», eig. «es entspricht
der Ankündigung oder Erwartung nicht».
Feder, f. (PI. -n): einzehier Teil der
natürlichen Körperbekleidung des Vogels;
zum Schreiben bereiteter Gänsekiel, dann
dessen Ersatz von Stahl; elastisches Stück
Stahl. Mhd. vedere, veder, ahd. fedara f.;
dazu asächs. fethara, ndl. veder, ags. feder,
engl, feaiher, anord. fjöär, schwed. fjäder f.,
dän. fjär und weiter mit Ablaut gr. iTTepöv n.
«Flügel», zu TrexecGai «fliegen», aind. -patra'm
catäpatras «100 Federn habend», pdtatram n.
«Flügel», zur Wurzel *pat «fliegen», akymr.
atar «volucres», abg. pero n. «Feder», viel-
leicht auch lat. penna f. «Feder» aus
*petna vgl. Walde s. v. ABL. federn, v.:
elastisch sein, bei Adelung; älter ist fiedern
in befiedern usw. ZUS. Federbett, n.,
mhd. vederhette, ahd. fedarhetti n. Feder-
husch, m., bei Dasypodius 1537. Feder-
fuchser, m. (bei Schiller Kab. u. L. 1, 2
Federn fuchser): Schreiber, eig. wohl der an-
gestrengt mit der Feder arbeitet, s. fuchsen.
federleicht, adj., im 17. Jh. (Harsdörfer
Gesprächsp. 2, 372). Federkraft, f.: Ela-
stizität, bei Adelung. B^derlesen, n.:
niedrige Schmeichelei, eig. das Ablesen an-
sreflogener Flaumfedern von den Kleidern
höherstehender Personen. Schon mhd. reder-
lesen als substantivierter Inf. Jetzt nur noch
in den Wendungen ohne Federlesen «ohne
Rücksicht», nicht viel Federlesens machen
«nicht viel Umstände machen». Feder-
messer, n.: Messer mit kleiner Klinge, eig.
zum Federaschneiden, bei Henisch 1616.
Federpose, s. Pose. Federspiel, n.: zm-
Beize abgerichteter Vogel, mhd. veder spil,
vgl. Spiel. Federyieh, n.: Geflügel, 1551
bei Petrarca Trostb. 56^ Federvieh, im 15. Jh.
bei Diefenbach nov. gl. 18^ vederre. Feder-
weiß, n.: Federalaun, Asbest (1562 bei Ma-
thesius Sarepta 173^. Von\ a?*); am Rhein
der schäumende milchig-trübe Most. Feder-
wisch, m., mhd. vederwisch m., vgl. Fleder-
wisch.
Fee, f. (PI. -n): geisterhaftes, Schicksal
bestimmendes weibliches Wesen. Aus dem
gleichbed. franz. fee, ital. fata, span. fada,
hada f., zurückgehend auf das im 3. Jh.
n. Chr. vorkommende lat. fäta «Schicksals-
göttin, Parze», Plui-. von fdtum n. «Götter-
ausspnich, Schicksal». Schon mhd. nach
einer afranz. dialektischen Form feie, auch
feine f, auch älternhd. noch Fei, Feie, bei
Adelung als mundartlich neben Fee. Verl.
feien. ABL. feenhaft, adj., l)ei Campe 1807
als neugebildetes Wort.
fegen, v.: schön, glänzend, rein, sauber
machen; schnell laufen (im 16. Jh.). Mhd.
vegen, and. vegon «putzen, plätten», mnd.-ndl.
vegen, sonst nicht vorhanden. Dazu das Fak-
titiv anord. /i^^ja «glänzend machen, reinigen»,
schwed. feja «polieren», dän. feie «kehren»,
ferner mhd. vager, ahd. -asächs. fagar, ags.
fceger, engl, fair «schön, glänzend, lieblich»,
got. fagrs «passend, geeignet», sowie viel-
leicht auch mhd. vagen, ahd. fagön «will-
fahren», ahd. -got. faginön «sich freuen».
Weitre Vermutungen bei Walde s. v. paciscor.
ABL. Feger, m. (-s, PI. wie Sg.) : wer fegt ;
Schläger, Raufer, tüchtiger Kerl. In der
1. Bed. im 17. Jh., in der 2. Bed. bei Campe.
ZUS. Fegefeuer, n.: das Feuer der Rein-
machung von Sünden nach dem Tode, mhd.
vegeviur n.
Feh, s. Fehe.
Fehde, f. (PI. -n)-. erklärte, nach Genug-
tuung trachtende Feindschaft; Zwietracht.
Mhd. vehede, zusammengezogen ueJe, ahd. ßhida
in gafehida f. «Haß, Feindschaft, Streit»; dazu
ndl. veede f. «Fehde», ags. föehd f. «Streit,
Rache». Dies ist abgeleitet von dem Adj.
511
rehe
Feifalter
512
mhd. vech (in gevecli), ahd. feli (in gifeh) dinges «es mangelt»), wie mnd. veilen, ndl.
«feindselig», ags. fäh «verfehmt, der Kache feilen, engl, faü, schwed. fela, dän. feile, ent-
und Verfolgung ausgesetzt», engl. /be «Feind», lehnt aus franz. faillir «iiTen, mangeln, fehl-
dazu das abgeleitete Verbum mhd. vehen schlagen», das mit ital. fallire auf lat. fallere
«feindselig sein, hassen, verfolgen», ahd. fehen, «täuschen» zumckgeht. Luther hat feilen,
asächs. a-fehian «verarteilen». Weiter gehört aber Dasypodius 1537 fehlen. ABL. fehlbar,
crot. faili n. «Beti-ug» hierher. Verwandt ist i adj., bei Stieler 1691. Fehler, m. (-.s, PI.
altir. oech (aus *poikos) «Feind», lit. piktas \ wie Sg.), urspr. s. v. a, Fehlschuß im Gregen-
«böse», peikti «tadeln», paikas «töricht, dumm», ! satz zum Treffer (so fäler bei Keisersberg,
aind. pigunas «böse gesinnt, veiTäterisch, ver- 1 Fischart Garg. 285, bei H. Sachs Fastnachtssp.
leumderisch», lat. piget «es verdrießt mich», | 24, 174 Fehler), dann in der jetzigen Bed.
s. Walde s. v. Im altern Nhd. ist das Wort bei Maaler 1561 fäler, später das ältere Fehl
(das z.B. in der Carolina, vorkommt) wenig | zurückdrängend. Davon fehlerhaft, adj.,
gebräuchlich (doch führen es die Wörter- 1763 bei Niereraberger 2^. ZUS. Fehl-
bücher meist an), und erst in der Lit. des SChluß, m., 1739 bei Liscow 771.
18. Jh. wird es wieder aufgenommen. ABL. Felim, m.: Heuschober, s. Feimen.
fehdeil, v., in befehden, mhd. veheden «be- ^Fehme, f.: Buchen- und Eichelmast. Aus
kriegen». ZUS. Fehdehandschuh, m., s. dem Nd., schon mnd. veme f. Da das Wort
Handschuh. sonst nicht belegt ist, läßt sich seine Her-
Fehe, Feh, auch Fähe f. (PI. -n): das kunft nicht ermitteln, gr. -rroiiuriv m. «Hirt»
sibhische graue Eichhörnchen, sowie sein könnte verwandt sein. ABL. fehmeil, v.:
Fell, dessen Haar verschiedene Farben- in die Buchen- und Eichelmast treiben.
Schattierung hat. Die neue Orthographie ^Fehnie, Freigericht, s. Feme.
wirft Fehe und Fähe (s.d.) zusammen. Mit; Fehwanime, f.: Bauchfell des sibirischen
Wechsel des Geschlechts aus mhd. vech n. ' Eichhörnchens. Zusammenges. aus Fe/je (s. d.)
«buntes Pelzwerk», eig. das substantivisch ' und Wamme (s. d.). Bei Adelung,
gesetzte Xeutr. des Adj. mhd. vech, ahd.-and. feien, v.: Körper oder Waffen durch
feh, ags. fah «verschieden-, mehrfarbig, bunt»,
got. faihs in filufaihs «mannisffach». Ver-
Zauber fest machen. Von Feie, mhd. feie,
s. Fee, Erst seit Anfang des 19. .Jh. (Rückert
wandt ist gr. ttoikiXoc «bunt», aind. puru-pegas j 1, 199). Vgl. mhd. feinen «mit Zauberkraft
«vielgestaltig, bunt», pecaläs «künstlich ver- ! begaben».
ziert» und lat. pingo mit seiner Sippe. Vgl. Feier, f.: durch Ruhe von Arbeit be-
Walde s.v. gangene und ausgezeichnete Zeit; Festlichkeit.
Fehl, m. {-es, PI. -e): Mangel, Mangel- Mhd. vire, ahd. ftra, firra f. «kirchliches
haftigkeit, Versehen, Vergehen. Mit Wechsel j Fest, Ruhe von Arbeit», mit i für verlängertes
des Geschlechts (nach Mangel) aus mhd. j e aus mlat. feria (lat. im PI. feriae) «Ruhe-
vmle, vcel f. (namentlich in äne, sunder -yce?), 1 tag» (s. -Fmm), «mit gottesdienstlicher Hand-
zurückgehend auf afranz. faille, ital. falla, 1 lung begangener Tag». ABL. feierlich,
altital. faglia f. «Fehler» (abgeleitet von lat. adj., mhd. virelich. Davon Feierlichkeit,
fallere «täuschen»). Luther hat die Form , f., bei Adelung, feiern, v.: l) intr.: von
feil, die auch noch im 17. Jh., z. B. bei Arbeit nahen: arbeitslos sem; (mit Dat.)
Gryphius, vorkommt, dagegen Alberus Dict. Verehrung, mcksichtsvolle Höflichkeit be-
y 1^ feel, Dasypodius und Maaler fäl m. ! zeigen (noch im 18. Jh.). 2) trans.: arbeitslos
Dies Fehl erscheint bereits frühnhd. auch lassen; durch Ruhe von Arbeit begehen und
in Zusammensetzungen mit Substantiven, z.B. auszeichnen; verherrlichen. Alternhd. feiren,
Fehlbitte (bei Luther feilbitte), Fehlgriff 1 mhd. viren, ahd. firön, and. firion, aus mlat.
(bei Luther feügriff), Fehlschuß (bei Luther ; feriare «feierlich begehen», lat. feriäri «Ruhe-,
feilschuß), Fehltritt (Mathesius Luther 74^ Feiertag haben». ZiJS. Feierabend, m., mhd.
feiltritt), dann auch mit Verben, z. B. fehl- virabent m. «Vorabend eines Festes», früh-
gehen, fehlschlagen (bei Krämer 1678). nhd. auch «Beginn der Ruhezeit am Abend»
— fehlen, v.: ohne Erfolg woraufhin tätig i (Liliencron 3, 408), dazu ndl. vieravond m.
sein, nicht treffen; unrecht für recht handeln j Feiertag, m., mhd. viretac, ahd. firatag m.,
oder tun; nicht dasein, mangeln. Mhd. vcelen, ; ndl. vierdag.
selten veilen (auch unpersönl. e§ vcelet eines -, Feifalter, Schmetterhng, s. Pfeifolter.
513
Feifei
Feim
514
Feifei, f. (PI. -n)-. Speichel-, Drüsen-
kfankheit der Pferde. Spätmhd. vtvel f.,
bei Duez 1664 feihel, aus ital. (Plur.) vivöle,
mlat. vivolae (neben vivae).
feig, feige, adj. u. adv,: mutlos aus
Furcht. Mhd. veige bedeutet wie asächs. ßgi,
nd. veege, ndl. veeg, ags. fcege, engl, fey,
anord. feigr «vom Verhängnis zum Tode,
zum Unglück bestimmt, sterben sollend und
müssend», dann auch «verhängnisvoll, unheil-
bringend, verflucht, nichtswürdig» (so auch
vereinzelt ahd. feigi), im 16, Jh. auch «frech»;
spät und selten erscheint die Bed. «furcht-
sam» (eig. «der Todesfuixht hingegeben»),
«schüchtern» (auch in nberveigen «einschüch-
tern»). Herkunft unsicher; vielleicht besteht
Verwandtschaft mit den bei Fehde angege-
benen Worten, so daß die Grundbed. «den
Göttern verhaßt», dann «zum Tode, Ver-
derben bestimmt» sein wird. Anders Zupitza
Germ. Gutt. 189 zu fech «bunt», eig. «mit einer
Maj-ke versehen»: Bezz.Beitr. 27, 176 (zu lit.
paikas «dumm»). Die Verbindung mit aind.
pakväs «reif» (OsthoflF Kuhns Ztschr. 23, 427)
ist lautlich unmöglich. Vgl. noch Walde s. v.
piget. Auf die Gnindbed. «dem Tode ver-
fallen» führt die beim Bergwesen übliche
Bed. «nicht fest zusammenhaltend, den Ein-
sturz drohend» (vom Gestein) zuiäick. Bei
Luther häufig in der jetzigen Bed., die dem
Obd. urspr. fremd ist, dann aus dei* Bibel-
sprache allgemein geworden. ABL. Feig-
heit, f., mhd. veicheit f. bedeutet «ünseKg-
keit, Unheil». Feigling, m., erst gegen
Ende des 18. Jh. gebildet, bei Campe 1807
als neues Wort verzeichnet.
Feigbohne, f. (PI. -n) -. die Pflanze lupinus.
Mhd. mchone, ahd.-and. fighöna f., d. i. Bohne,
die, gepulvert auf die Feigwarze (s. d.), mhd.
mc m. n., gelegt, diese vertreibt.
Feige, f. (PI. -n): die süße Fracht des
Feigenbaums. IMhd. vige, ahd. figa f., dazu
asächs. figa, ndl. viig f., durch das Romanische
(franz. figue f., span.-port. figo m.) aus lat.
ficus f. Im Got. dafür smakka m., das zum
abg. smokü f. gehört. Vgl. Schrader Real-
lexik. 238. Redensart einem die F. tveisen
«die Gebärde machen, daß man die zwischen
dem Zeige- und Mittelfinger vorgestreckte
Spitze des Daumens sehen läßt», zur Abwehr
böser Zauberei und zu Spott und Verachtung
(schon mhd. die vigen Meten, zeigen), nach
dem ital. far le fiche; ital. fica f. bedeutet
«das weibliche GHed» und bildete sich neben
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
fico m. «Feige», ^vie gr. cökov n. beide Bedd.
vereinigt. ZUS. Feigenbaum, m., mhd.
vtgenhouni, auch in eigentlicher Zusammen-
setzung mcboum m. Feigenblatt, n., mhd.
vigenhlat n. Weidmännisch ist Feigenblatt,
auch Feighlatt, das Geburtsgüed des Wildes
oder Jagdtieres; zusammenges. mit Fei^e
«weibliches Glied», s. oben. Feigwarze, f.:
geschwüriger Blutknoten am After, mhd.
vicwarze, zusammenges. mit dem gleichbed.
mhd. vic m. n., aus der lat. Benennung fiais
m., urspr. «Feige», weil der Knoten feigen-
ähnlich schien.
feil, adj. u. adv.: käuflich, verkäuflich.
!Mhd. veüe, veil, ahd. feili, in altera Quellen
fali (oder fäli), feli, mit altem Ablaut, vgl.
Meringer Idg. Forsch. 16, 151; dazu ndl. veile,
aber anord. fair, schwed.-dän. fal. Verwandt
ist gr. TTUj\eiv «Waren gegen Waren umsetzen,
verkaufen», 7ruj\ri f. «Verkauf», aind. panas
(aus *palnas) m. «der versprochene Lohn,
Einsatz, Wette», abg. plenü «Beute», lit.peinas
m. «Verdienst». ABL. Feilheit, f.: leichte
Käuflichkeit wozu, 1794 bei Friedr. L. Stolberg
(9, 186). feilschen, v.: um etwas kleinlich
in betrefi' des Preises handeln. Wohl mit
seh für s nach l aus feilsen, das noch älter-
I nhd. vorkommt, mhd. veilsen, veüschen.
Feile, f. (PI. -n): eisernes, stälilernes
i Werkzeug mit schräg gezahnter Oberfläche
zur Bearbeitung metaUner usw. Körper dui'ch
, Hin- und Herreiben. Alternhd. auch Feiel,
Feihel (bayr. Feichel), mhd. vihele, zusammen-
gez. vUe, ahd. fihala, fila f., dazu and. fila, ndl.
vijl, ags. feol f., engl, file, anord. aber mit an-
derm Spiranten J5e/ f., schwed. aus dem Deut-
schen fil f., dän. fil. Herkunft rmsicher. Wegen
; des anord. pel wird man von urgerm. *ßii9hla
\ ausgehen müssen. Vgl. zur Etymologie Mik-
kola Idg. Forsch. 6, 312, Zupitza Gutt. 64,
; Meringer Idg. Forsch. 16, 161. ABL. feilen,
j V., mhd. mhelen, vtheln, vüen, ahd. filialön,
\fUdn. Feilicht, n.: Abfälle beim Feilen,
\ bei Henisch 1616 für älteres Feilich. ZUS.
Feilenhauer, m.: Feilenmacher, weil die
Zähne der Feüe eingehauen werden. Bei
, Stieler 1691.
Feilheit, feilschen, s. feil.
Feim, m. {-s, PI. -e): obenauf sich setzender
Schaum, Unreinigkeit. Mhd. veim, ahd. feim
m.; dazu ags. fäm n., engl. foam. Nebenforai
Faum, 1605 bei Hulsius, Faumlöffel im 15. Jh.
bei Tucher Baumeisterb. 289, 2. Verwandt
sind, (mit idg. AVechsel von m und n) üt.
33
515
Feimen
Felch
516
pienas m. «Milch» (eig. wohl «Milchschaum»),
abg. pena f., aind. phinas m. «Schaum» und
mit s im Anlaut lat. spüma f. «Schaum,
Gischt» (dazu pümex «Bimsstein»), apreuß,
spoayno «Schaum», lit.spame «Schaumstreifen».
ABL. feimen, v.: den Schaum abnehmen,
mhd. veimen, ahd. feimön in üzfeimon. Neben-
formen faumen (1691 bei Stieler) und feumen
(1616 bei Henisch). Vgl. ab feimen. Aus dem
älternhd. faumen, feumen, hat sich dann ein
Subst. Faum (s. o.) entwickelt.
Feimen, m. {-s, PI. wie Sg.), Feim, m.
(-S, PI. -e) : aufgeschichteter Haufe von Garben
oder Heu. Zunächst aus dem Nd., mnd. vime
m. f., mit der Nebenform vine, dazu ahd.
fina in wituftna, ags.wudufin f. «Holzhaufe»;
femer das mnd. gleichbed. dime m. (jetzt
landschaftlich Diemeti), das auf Wechsel des
Spiranten im Anlaut (s. Feile) hinweist. Un-
klar ist das Verhältnis zu ndl. vim f. «Haufe»,
mnd. vimme m. f. aus asächs. fimha in aran-
fimha f. «Getreidehaufe». S. auch Feme.
Unbekannter Herkunft. Im Hd. findet sich
Feimen bei Comenius 1640, dagegen bei
Schottel 1663 Firne, Adelung hat Fehm,
Fehmen und weist Feim, Feimen den ge-
meinen Mundarten zu.
fein, adj. u. adv.: dünn, zart; zart in
Wahrnehmung oder Empfindung; ausgezeich-
net an Reinheit und Vorzüglichkeit bis ins
kleinste. Mhd. (seit dem Ende des 12. Jh.
aufkommend) vin «dünn, zart, kunstreich,
schön»; mit ndl. vijn, engl, fine, anord. fnm,
schwed. fin, dän. fiin entlehnt aus franz. fin,
ital.-span. fino, urspr. «vollkommen, echt,
lauter», zurückgehend auf eia mlat. finus,
das für lat. finitus, Part. Perf. Pass. von
flnlre «endigen» eingetreten ist und die Bed.
«vollendet, vollkommen» angenommen hat.
ABL. feinern, v., in verfeinern, gebildet
vom Komp. feiner. Feinheit, f., 1482 im
Voc. theut. h 6» feynlieit. ZUS. feinfühlig,
adj., 1808 bei Campe.
Feind, m. {-es, PI. -e)-. Gegner aus Haß.
Dann auch adjektivisch felnd in prädika-
tivem Gebrauch. Mhd. vint, zusammengez.
aus vient, vtant, ahd. fiant m.; dazu asächs.
fiund, ndl. vijand, ags. feond, engl, fiend,
afries. ffand, anord. fjändi, schwed.-dän. fiende,
got. fijands, eig. das als Subst. erhaltene
Part. Präs. von ahd. fien, ags. ßon, got. fijan
«hassen», vgl. Freund, Heiland, Weigand.
Dies gehört mit got. faian «tadeln» zu aind.
pij- «schmähen, hassen». ABL. feinden, v.:
in an-, he-, verfeinden, mhi.vienden. Feindin,
f., mh.ä.vtndin,viendin, ahd. fiantin. Feindio,
Interj.: Feinde da! Mhd. würde vientä ent-
sprechen, vgl. Feurjo, Mordio. feindlich,
adj. u. adv., mhd. vmtlich, vientlich, ahd.
fiantlih, ags. feondllc. Feindschaft, f.,
mhd. vmtschaft, vientschaft, ahd. fiantscaft f.,
asächs. fiundscepi, ags. feondscipte m. feind-
selig, adj. u. adv. Auf ein mhd. nicht er-
haltenes vintsal n. zui'ückgehend, erst frühnhd.
(bei Brack 1495, auch bei Luther).
Feinsliehchen, n.: zartes, schönes Lieb-
chen. Im 16. Jh. Feinslieb, Zusammenschie-
bung mit dem Nom. Sg. feins, der in andern
Kasus unverändert bleibt. Das Dim. F.
wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrh. ge-
läufig.
feist, adj.: fett, dick. Im altern Nhd.
auch feißt, mhd. vei^et, vei^t, ahd. fei^it,
and. feitit, ein ohne gi- gebildetes Part.
Prät. von dem seltenen mhd. vei^^en, ahd.
fei^^en, anord. feita «fett machen, mästen»,
das abgeleitet ist von dem mhd. Adj. vei^e,
vei^ «gemästet, beleibt, fett» (noch jetzt in
obd. Gegenden feiß), ahd. fei§, and. feit,
anord. feitr. Ebenso wie ahd. feitit ist ge-
bildet ags. fceted, fcett, daraus engl, gekürzt
fat, ebenso ndl. vet, schwed. (entlehnt) fet,
dän. fed, das aus dem Nd. ins Hd. aufge-
nommene fett (s. d.). Verwandt ist viel-
leicht gr. iribüeiv «aufquellen». Vgl. noch
Walde s.v. opimus. ABL. Feistigkeit, f.,
I spätmhd. vei^techeit f.
i feisten, v. : einen leisen Bauchwind gehen
j lassen. S. Fist, fisten.
' feixen, v.-. giinsend das Gesicht ver-
ziehen, urspr. wie ein Blödsinniger. Von
Feix, Nebenform von Fex (s. d.), urspr.
«Blödsianiger». Erst im 19. Jh.
Felbel, m. (-s), auch f.: Halbsamt von
Seide und Garn. Von dem gleichbed. ital.-
span .-port. felpa f., das nicht aufgeklärt ist.
Bei Jacobsson technolog. Wb. 1784 Velpen,
Velpel, Felbel.
Feiher, m. (-s, PI. wie Sg,), bei Voß
(Id. 12, 25) Fälber, f.: hochstämmige Weide,
Salix alba. Spätmhd. velwer, spätahd. velare,
feiwar «Weide, sambucus, paliurus, vibix,
vincus», abgeleitet von mhd. velewe, velwe,
ahd. felawa, fekoa f. «Weide», und dies zu
osset. färw, farwe «Erle».
Felch, Felchen, m. (-s, PI. Felche,
Felchen), auch Felche, f.: eine im Bodensee
vorkommende Salmart, Mhd. velche m. Da-
517
Feld
Felleisen
518
neben auch Belch, Belchen, mhd. balche.
Dunkler Herkunft. Vielleiclit mit l aus r
wie in dem alem. Küche aus Kirche aus
Ferch zu Forelle (s. d.).
Feld, n. {-es, PI. Felder): Erdlläche;
Fläche zum Fruchtbau; Schlachtfeld; Fläche
in etwas. 'Mhd. velt (Gen. veldes), ahd. feld
n.; dazu asächs. feld, ndl. veld n., afries.-ags.
feld m., engl, field: ferner gehört hierher mit
Ablaut asächs. folda, ags. folde, anord. fold f.
«Erde, Erdboden, Land». Verwandt ist aind.
prthivt f. «Erde», das Fem. zu aind. prthüs
»breit», gr. irXaTÜc, Ut. platüs «breit», kelt.
Letavia, ir. Letha, kymi*. Litau «Armorica»,
eig. «breites Land». Auch ahg.poljen. «Feld»
ist vielleicht wurzelverwandt. ZUS. Feld-
bett, n.: in Feldlagern übliches, sägebock-
artiges Bettgestell, bei Henisch 1616 Feldbeth.
Feldflasche, f., im 16. Jh. (Fischart Garg.
317). feMflÜchtig, adj.: fahnenflüchtig,
im 15. Jh., während Feldflucht, f. früh im
16. Jh. vorkommt. Feldgeschrei, n.: er-
mutigendes Geschrei beim ersten Angiiff ia
der Schlacht (Jos. 6, 10. 16, 20); Losungs-
wort der Soldaten als Erkennungszeichen
untereinander. Feldgeschütz, u., im 15. Jh.
bei Ehingen 27 und 1546 in Scheiiüns Briefen
91 als Kollektiv. Feldherr, m., bei Dasj-
podiusl537. Feldhuhn, n.: Rebhuhn, mhd.
velthiwn, ahd. feldhuon n. Feldkümmel,
m.: wüder Kümmel, mhd. veltkümel m., auch
s. V. a. Quendel, füi' das mhd. veltkonele,
veltquenel, ahd, feldkonala, feldquenela f. (s.
Quendel) eingetreten. Feldmarschall, m.
Im 16. Jh. dafür Feldmarschalk (Liüeneron
4, 612, vom J. 1554, Schertlins Briefe 134 u. 164
von 1546), s. Marschall. Feldmesser, m.
Verdeutschung des lat.-gr. geometer. 1616
bei Henisch neben Landmesser, was heute
als amtlicher Ausdmck durchgedrungen ist.
Feldprediger, m., 1617 bei Wallhausen coi-p.
mil. 98. Feldscher, m.: Wundarzt beim
Heer. Gekürat aus dem schon im 16. Jh.
vorkommenden Feldscherer (H. Sachs Fab.
161, 83). Feldstuhl, m.: Stuhl zum Zu-
sammenklappen. Entstellt aus Faltstuhl, mhd.
vaitstuol m., worauf das franz. fauteuü m. zu-
rückgeht, and. faldistöl m. Feldwebel, m.:
erster Unteroffizier. Ln 16. Jh. dafür Feld-
weibel (1535 bei Micyllus Tacitus 295 ^j, 1583
Feldwäbel (Mone Anz. 8, 169), s. Weibel.
Feldweg, m., bei Henisch 1616. Feld-
weges bei Luther, mit vorstehender Zahl,
z. B. 1. Mos. 38, 19, 2. Kön. 5, 19, gehört
i nicht hierher, sondern ist durch Anschieben
i des abhängigen Gen. Weges an Feld ent-
standen, das hier, wie mhd. veld im Anno-
lied 796, ein Bodenflächenmaß bedeutet, (in
[ der griech. Bibel crdbiov). Feldzeichen,
!n.: Fahne. Bei Luther, Feldzeug, n.: Ge-
' schütz, 1663 bei Schottel 486; bei Krämer
1678 als Mask. Daher Feldzeugmeister,
m.: Artilleriegeneral, im 16. Jh. bei Frons-
perger 2, 36*^, noch jetzt in Österreich. Feld-
[ zng, m., 1545 in Herbersteins Selbstbiographie
I Fontes rer. austr. I, 1, 366.
^Felge, f. (PI. -n): eins der knimmen
Holzstücke des Radki-eises: Ring des Metz-
I gers zum Ausspannen des Dannes beim
i Wurststopfen. Mhd, velge, ahd. felaga, felga f.,
i auch and. felga, ndl. velg, ags. feig f., engl.
felly, dän. (entlehnt) fälge in der 1. Bed., 1482
feig (voc. theut. h 5*) in der 2. Bed. Vielleicht
mit Ablaut zum folgenden, indem mau von
der Bedeutung «Krummholz» ausgeht, vgl.
Wiedemann Bezz.Btr. 28, 20.
-Felge, f. (PI. -n), Folge: das zweite
oder dritte Pflügen; Aullockern des Bodens
mit der Hacke ; Bi-achland, das zum zweiten-
' mal gepflügt ist. Das ahd. felga f. «Egge»,
dessen e durch Umlaut entstanden ist; dazu
i mnd. valge f, «Eggen des Brachfeldes, Brach-
feld», ags. fealh f. «Egge», mengl. falge f.
«Brachfeld». ABL. feigen, folgen v., zum
zweiten- oder drittenmal pflügen, den Boden
^ auflockern, mhd, velgen (Prät. valcte), valgen
, «umackern»; dazu engl, fallow «nach der
Brache zum erstenmal pflügen».
Fell, n. {-es, PI. -e): Tierhaut, im ver-
ächtlichen Sinne auch Menschenhaut. Mhd.
vel (Gen, velles), ahd. fei n, «Haut, auch
vom Menschen»; dazu asächs. fei, ndl. vel,
ags. -engl, feil, anord. fjall (in Zusammen-
' Setzungen), got. fill in ßrutsfill n. «Aussatz».
Übereinstimmend mitlat.pellisf. «abgezogene
I Tierhaut», und weiter zu gr. -rreXua n. «Sohle
am Fuß» (vgl. ags, fylmen n, («Häutchen auf
I dem Auge, Vorhaut», engl. film). Vgl. Walde
' s. V. pellis, J. Schmidt Kritik der Sonanten-
theorie 102.
Felleisen, n. i-s, PI. wie Sg.): lederner
\ Reisesack. Angelehnt an Fell und Eisen,
j ältemhd. aber meist Felles, Fellis, Felleis
(so noch bei Stieler 1691, neben Felleisert,
schon bei Comenius 1640), mhd. veUs, ver-
einzelt auch schon velisen. Mit ndl. valies
j aus dem gleichbed. franz. valise, ital. valigia f.,
' deren Herkunft noch dunkel ist.
33*
519
Felonie
fergen
520
Felonie, f. (PI. -«)■ ^^^^^> ^'^^ gegen
Rittersitte verstößt; Bruch der Lehnstreue
von Seiten des Lehnsmannes, Treubruch am
Heri-n. Aus franz. felonie f. «Verletzung
der Yasallenpflicht», ital.-altspan. fellonia f.
«Ruchlosigkeit», von ital. fellone m., altspan.
fellon «großer Bösewicht», abgeleitet von
ital. fello, afranz. fei «grausam, gottlos, treu-
los», eig. wohl «Schinder», von ahd. fllen
«schinden, geisein». Bei Nehring 1710.
Fels, m. (Gen. u. PI. Felsen), Felsen,
(-S, PI. wie Sg.): große Steinmasse. Mhd.
vels, ahd.-asächs. felis m. (umgelautet aus
falls) mit starker Flexion, daneben mhd. velse,
ahd. feliso m. (auch felisa f.) mit schwacher
Flexion. Ob anord. fjall n. «Berg» (mit
Ablaut aus *filza-?), schwed. fjäll n., dän.
fjeld «Gebirg, hoher Fels», hierher gehört,
ist zweifelhaft. Herkunft unbekannt. Viel-
leicht zu aind. päsänäs m. «Stein, Probier-
stein» aus *pälsams, gr. -rr^Wa «Stein»
(Hesych), falls aus *Tre\ca. Vgl. J. Schmidt
Kuhns Ztschr. 32, 387. Bei Luther steht Fels
mit starker Flexion neben dem schwach
flektierenden Felse. Felsen (im PI. nur Felsen) ;
jetzt sind von F. starke Kasusformen außer
dem Dat., Akk. Sg. Fels nicht mehr üblich,
während Felsen einen Gen. Felsens bildet,
doch auch noch öfter Felsen. ABL. felsig,
felsicht, adj., mhd. velseht.
Felüke, f. (PI. -n): kleines Ruderschiif
ohne Verdeck, Aus fi-anz. felouque, ital.
feluca, Span, faluca f., das auf arab. folk
«SchifiF», zurückgeht. Bei Krämer 1678 Fe-
lucque f., bei AI er 1727 Falucke.
Feme, f. (PI. -n) -. auf roter, d. h. west-
fälischer oder sächsischer Erde gehegtes
heimliches Freigericht. Mhd. veime, in md.
Quellen auch veme f. «Strafe, Strafgericht»,
aber auch mnd. veme, veime f. Vielleicht
zu lat. poena, gr. iroivri f. (mit p aus kw),
aw, kaend «Strafe» zu stellen (dazu auch
gr. Tiveiv «rächen»), oder auch zu mhd. vehen
«feindselig behandeln», asächs. a-ßhit «straf-
fällig», s. Fehde. Andre sehen mit Rück-
sicht auf mndl. veime, veme f., nndl. veem f. n.
«Vereinigung, Zunft» (s. auch Fant) als urspr.
Bed. die von Vereinigung an (woraus die
Bed. «Vereinigung um Übeltaten zu rächen»
hervorgegangen wäre) und vergleichen Feim
«Haufe», s. d. Das Wort ist im altern Nhd.
fast verschollen (Stieler 1691 hat nur Feym-
stat «locus suplicii», Frisch 1741 vei'zeichnet
es als Fehm) und wird später durch die
Ritterstücke wieder bekannt. ABL. femeu,
V., in verfemen: einen als außer allem Ge-
richtsschutze stehenden Missetäter erklären,
mhd. vervemen, verveimen.
Femel, s. Fimmel.
Fench, m. (-s, PI. -e): Art wilder Hirse,
mhd. pfenech, fenech, ahd. phenih, fenih m.
mit and. penik n., aus mlat. panicium n., von
lat. pänicum n. «italienische Hirse».
Fenchel, m. (-s): eine Dillart, anethum
foeniculum. Mhd. venechel, ahd. fenahJial mit
ags. finol m., engl, fennel aus der lat. Be-
nennung feniculum, foeniculum n., die auch
ins Rom. übergegangen ist (franz. fenouil,
ital. finocchio m.).
Fenn, auch Fehn, n. (-es, PI, -e)-. Sumpf-
land mit Graswuchs; Moorkolonie. Mhd. in
rheinischen Quellen venne n., aus mnd.-afries.
fenne n. «Moorland, -weide», ndl. veen n.,
ags.-engl, fen, anord. fen n. «Sumpf, Morast»,
zu got, fani n, «Kot», vgl. die entlehnten
ital. fango, franz. fange m. «Schlamm». Auch
ahd. kommt fenni, fenna f., and. feni «Sumpf»
vor. Diese gehören weiter zu ^i^venSi.pannean
«Moorbruch», gaU. awa- «Sumpf». Vgl. Liden
Bezz.Btr. 21, 93.
Fenster, n. (-s, PI, wie Sg.): das Tages-
licht einlassende Öffnung, bes. mit Glas-
scheiben, von Zeesen mit «Tageleuchter»
verdeutscht, Mhd. venster, ahd. fenstar n.,
nd\.' venster n., mit Wechsel des Geschlechts
(durch Einfluß der altern Benennung ahd.
augatora, got. augadauro n.) eig. «Augentor»
(s. dazu Meringer Idg. Forsch. 16, 125) aus
lat. fenestra f., das auf gr. cpaiveiv «sichtbar
machen» zurückgeht oder mit diesem urver-
wandt ist. ABL. fenstern, v.: vor dem
Fenster der Geliebten stehen. Fmhnhd.
(H. Sachs Fastnachtssp. 9, 109), jetzt meist
(bayr.) fensterin. S. ausfenstern.
Ferdinand, aus span. Fernando und dies
aus span. Hernando, d. i, ahd. Herinand
(zu got. nanßjan in anananpjan «wagen, sich
erkühnen»),
Ferge, m. (-w, PI. -n): Fährmann. Mhd,
verje, verige, verge, auch vere, ver, ahd. ferio,
ferigo, ferro, fero, zu ahd. ferian, ferran,
mhd. vern, asächs.-ags. ferian, got. farjan
«schiffen, überführen» zu fahren, s. d. In
der Bibel (Hes. 27, 27) und wieder bei neu-
ern Dichtem; landschaftlich z. B. am Mittel-
rhein immer üblich geblieben.
fergen, v, : mit Anstrengung fortschaffen,
fördern; abfertigen. Schweizerisch, auch
521
Ferien
Fes
522
schwäbisch. Schon im 15. Jh. vergen, dann
1541 bei Frisius 252'', 342'' ferggen, fercken,
zusammengez. aus vertigen. ABL. Ferger,
m. (Gen. -s, PI. wie Sg.) : Fertiger, Abfertiger,
Mittelsperson. Schweizerisch. Im 16. Jh. belegt.
Ferien, PL: arbeitsfreie Tage. Aus lat.
feriae, s. Feier. Schon in der frühnhd.
Rechtssprache (Reichsordnungen 100^ vom
J. 1521) als Tage an denen nicht Gericht
gehalten wird, im 17. Jh. auch in allgemeiner
Bedeutung.
Ferkel, n. (-s, Pl.wieSg.): junges Schwein.
Mhd. värkel, värhel, ahd. farhili neben mhd.
värkelin, värhelin, varhelin, ahd. farhilm,
diminutive Ableitungen von mhd. varch, ahd.
farah, farh n. «junges Schwein»; dazu ags.
fearh m., engl, farrow. Übereinstimmend
mit Idii.porcus m., gr.-rröpKoc «junges Schwein»,
altir. orc (aus *porc), ]ii. parsas(pivii.parselis)
m., abg. jp-asgn. «Schwein». -^Z7/S. Ferkel-
Stecher, *m. : Winkeladvokat. Am Mittel-
rhein, Im 17. Jh. Ferkenstecher «unzünftiger
Metzger».
Ferken, n.: Ferkel. Bei norddeutschen
Schriftstellern (1678 bei Krämer). Aus mnd.
verken «Ferkel», dazu näl.varkenn. «Schwein»,
wie Ferkel diminutive Ableitung von farh
(asächs. *farlün).
Ferman, m. (-5, PI. -s): schriftHcher
Befehl des türkischen Kaisers. Spät im 18. Jh.
Ferman, Firman, aus pars, fermän «Befehl,
königlicher Erlaß».
Fermate, f. (PI. -n): Halt, Ruhepunkt,
Ruhezeichen. Aus gleichbed. ital. fermata f.
Ferment, n. (-5, PI. -e): Gärungsstoff,
-mittel. In der zweiten Hälfte des 18. Jh.,
aus lat, fermentum n, «Gärung, Sauerteig»,
des zu d. Bärme gehört. ABL. fermen-
tieren, V.: gären. Bei Nehring 1710 «ver-
dauen».
fern, ferne, adj. u. adv.: durch bedeu-
tenden Raum oder bedeutende Zeit wovon
getrennt. Mhd. verre (noch ältemhd. bei
Oberdeutschen ferr), ahd. ferro sind zunächst
Adv., dann Adj.; dazu asächs. fer, adv. u.
adj., ags. feor, engl, far, anord. fjarri, adv.,
got. fairra, adv. u. präpos. Das nhd. fem
geht wohl zurück auf das ahd. Adv. ferrana,
asächs. ferrane, ags. feorran «fernher», wofür
mhd. meist verren, in md. Quellen aber auch
verne, wie auch mnd. veme. Die ursprüngl.
Bed. wäre dann erhalten in von ferne, mhd.
von ve)~ren, dafür bei Luther auch von fernen
und von ferns. Verwandt sind lat. porro
«in die Ferne, in der Feme», gr. iröpptu
«vorwärts», rcdpav «jenseits», a.iad.pards «ent-
fernt», mit dem Adv. parä «weg, ab, fort,
hin». Der Komp. femer drückt die Fort-
dauer oder Fortsetzung von etwas aus. ABL.
Ferne, f., dafür mhd. virre, ahd. ferri f.
fernen, v.: fem machen, in Raum oder Zeit
wovon trennen; fem sein; von fern vorteil-
haft auffällig sein (bei Goethe, vielleicht
nach dem wetterauischen gleichbed. /erwsew).
Mhd. verren, selten vemen, ahd. ferren.
ZUS. Fernglas, n., 1643 bei Harsdörffer
Gesprächsp. 3, 378 (erfunden 1608 von Johann
Lippersheym in Middelburg). Fernrohr, n.,
1676 bei Er. Francisci Lusthaus der Ober-
u. Niederwelt 389. Fernsicht, f., bei Campe
1808. Fernsprecher, m., seit 1876. .
fernig (Hohelied 7, 9. 13), adj.: vorjährig.
Abgeleitet von dem mhd. Adv. verne, vem,
auch verne7it, vert «im vorigen Jahre», das
zu firn (s. d.) gehört.
Ferse, f. (PI. -n) : hinterer, hervoiTagender
Teil des Fußes. Bei Luther fersen, auch
ferschen, mhd. versene, versen, auch schon
verse, ahd. fersana, fersna f. ; dazu and. fersna,
ndl. verzen, ags. fyrsn, got. fairzna f. Über-
einstimmend mit 'Amdi. pärsnisvß..i., aw. päsna
n. «Ferse», gr. TTxepva f. «Ferse, Schinken»,
lat. perna f. «Hinterkeule». ZUS. Fersen-
geld in Fersengeld gehen «davonlaufen», schon
mhd. versengelt geben. Fersengeld scheint
urspr. ein Rechtsausdruck zu sein, der die
Strafe dessen, der dem Feinde die Ferse
zeigte, d. b. im Kampfe floh, bezeichnete;
mnd. versnepennink (Sachsenspiegel 3, 73, 3)
ist die Buße, die der Wende an die ver-
lassene Ehefrau zu zahlen hatte. Anders
Borchardt -Wustmann 139.
fertig, adj. u. adv.: zur Fahrt bereit;
zu Ende gebracht; zu einer Tätigkeit geschickt
(gewandt). Mhd. vertic, vertec «gangbar,
fahrbar, in Ordnung befindUch, gut, geschickt»,
ahd. fartig, fertig, ndl. vaardig, abgeleitet
von ahd. fart f. «Fahrt», also urspr. s. v. a,
«sich auf die Fahrt begebend, zur Fahrt ge-
rüstet», vgl. bereit. ABL. fertigen, v.:
fertigstellen. Mhd. vertigen, vertegen «zur
Fahrt bereit machen, zustande bringen, fort-
schaffen, entsenden». S. fergen. Fertigkeit,
f. (nach der 3. Bed. von fertig), 1541 bei Frisius
404''.
Fes, m. n. (Gen. u. PI. wie Nom. oder
Fesses, Fesse): rote, wollene Mütze. Nach
dem Namen der Stadt Fez in Marokko, wo
523
fesch
fett
524
diese Mützen hergestellt werden. Neuere
Entlehnung.
fesch, adj.: elegant und flott. Aus der
Wiener Umgangssprache etwa seit den sieb-
ziger Jahren vorgednmgen. Gekürzt aus
dem seit den zwanziger Jahren des 19. Jh.
verbreiteten engl, fashionahle «fein, modisch»,
abgeleitet von engl.fashion «Lebensart, Mode»,
das gleichen Ursprungs wie Fasson ist. Vgl.
Ladendorf.
Fesen, m. (-s), auch Fese, f.: Getreide-
hülse; Spelt, Dinkel. Mhd. vese, ahd. fesa f.
Noch obd. Das Wort gehört zu aind. pinästi
«zerreibt», ahg. pUeno n. «Mehl», lat. pinsere
«stampfen», gr. ttticcuu «stampfe, schrote».
Feser, s. Fechser.
^Fessel, f. (PI. -n): von der Kote bis
zur Krone des Hufes reichender Teil des
Fußes beim Pferde. Mhd. veggel m. (Erec
7361 handschr. fissel), 1588 bei Seuter Roß-
arzn. fissel und füszl, dazu die koll, Bildung
mhd. vi^^eloch, viszlach n. «Hinterbug des
Pferdefußes», noch Schweiz, fisloch. Im Ab-
laut zu Fuß stehend.
^Fessel, f. (PI. -n): hemmendes Band.
Mhd. ve^^el, ahd. fe^^il m. «Band, woran
etwas getragen oder gehalten wird», namentl.
das Schwert. Dazu ags. fetel m. «Schwert-
gehenk», anord. fetill m. «Binde, Schwert-
gehenk», abgeleitet von fassen (s. d.). Das
nhd. Fessel trat aber auch für ein älteres
Fesser f. (z. B. noch bei Alberus Dict. i 4^)
ein, das mhd. ve^^er, ahd. feg^ara f. lautet;
dazu asächs. feter m. (im PI. feter ös), ndl.
veter m. «Schnürriemen», ags. fetor f., engl.
fetters PI., anord. fjöturr m. «Fessel, Bande».
Dies stimmt in der Wurzel überein mit gr.
Tilbr\ f. «Fessel, Schlinge», lat. pedica f.
«Schlinge», compes f. «Fußfessel». Fessel in
der jetzigen Bed. findet sich in Glossaren
aus dem spätem 15. Jh., fehlt aber anfangs
dem Obd. Bei Luther noch Mask., wie auch
später häufig (selbst noch Adelung 1796 be-
kannt), namentl. im PI, die Fessel (Günther
299. 850). ABL. fesseln, V. Dafür mhd.
veggern, ahd. feggaron, ags. feterian, anord.
fjötra: vesseln erst im 15. Jh. (1420 im Voc.
Schröer).
Fest, n. (-es, PI. -e): mit Verherrlichung
begangene Zeit. Mhd. (seit dem 13. Jh.)
fest n., aus dem gleichbed. lat. festum n.,
auf das auch ndl. feest n., ital. fesfa, franz.
fete f. zuiückgeht. Das alte deutsche Wort
ist Dult, s. d. ABL. festlich, adj. u. adv..
bei Henisch 1616. Davon Festlichkeit, f.,
erst bei Adelung 1796. ZUS. Festtag, m.,
bei Luther.
fest, poetisch auch noch feste, adj. u. adv. :
unbeweglich; unveränderlich; durch Zauber
unverwundbar. Älternhd. oft vest geschrieben.
Mhd. veste, ahd. festi, fasti-, dazu asächs. fast,
and. festi, ndl. vast, ags. fcBst, engl, fast, anord.
fastr, schwed.-dän. fast, und weiter zu arm.
hast «fest». Vgl. noch Walde s. v. postis.
Dazu fasten, s. d. Das Adv. lautet ahd. fasto,
mhd. vaste, unser fast (s. d.), das aber in
eine andre Bed. übergegangen ist. AlBL.
Feste, f.: Zustand des Festseins, dann bes.
gegen feindlichen Angi'iff sichernder Ort; das
Himmelsgewölbe. Mhd. veste, ahd. festi f.
«Festigkeit, befestigtes Schutzwerk», daneben
in der 2. Bed. auch mhd. vesten, ahd. festina f.
festen, v.: befestigen, mhd. vesten, ahd. festen,
daneben auch mhd. vestenen, ahd. festinon.
Davon Festung, f., mhd. vestunge, häufiger
vestenunge f., auch «Bekräftigung, Festigkeit,
Grundfeste», festigen, v. Fiühnhd. Festig-
keit, f., mhd. vestecheit f.
Festivität, f. (PI. -en) : Festlichkeit. Aus
lat. festlvitas (Gen. festivitätis) «Vergnügen,
Festlichkeit», abgeleitet von dem Adj. festivus
«vergnügHch», von festus «festlich, feierlich»,
dessen Neutr. festum (s. Fest) ist. Im 17. Jh.
festlich, Festlichkeit, Festtag, s.Fest.
Fete, f. (PI. -n): Fest. Aus franz. fite f.
(s. Fest). ABL. fetieren, v.: jemand be-
sonders gut bewirten; jem. ehren mit einem
Fest. Beide bei Campe 1813.
Fetisch, m. (-es, PI. -e)-. als Götze ver-
ehrter Gegenstand der irdischen Natur. Aus
I franz. feticlie m., welches Wort namentlich
I durch die 1760 erschienene Schrift von Des
\ Brosses Du culte des dieux fetiches in üm-
i lauf kam ; es geht zurück auf port. feitigo
«Zauber, Zaubermittel», eig. «künstlich», aus
einem lat. factidus «nachgemacht». Danach
I erscheint fräher Fetisso oder Fetissus (1,606
; bei Hulsius Schiffahrten 7, 23).
I fett, adj.: voU öliger Masse; gemästet,
dick. Aus dem nd. fett, das seit dem 14. Jh.
auch in md. Mundarten erscheint, namentl.
im Obersächsischen, z. B. im Leipziger voc.
: opt. X 1 ^ [vet «pinguis»), auch im Frank. (1469
I im mrhein. voc. ex quo feyt, fet), dann von
i Luther gebraucht und durch ihn allgemein
geworden. Eig, identisch mit feist (s. d.).
Davon das substantivierte Fett, n. (-es, PI. -e).
j Die Redensarten sein Fett kriegen «tüchtig
525
Fetthenne
Fener
52ö
gescholten oder gestraft werden», jemand
sein Fett gehe^i gehen vielleicht eig. auf die
ausgeteilten Schläge, wie auch schmieren,
abschmieren '-< prügeln ;>, doch scheint zugleich
eine Nachbildung des franz. donner ä quel-
qii'un son fait «jem. sein Teil geben, ihn
abführen» vorzuhegen. ABL. Fette, f.,
bei Luther, fetten, v.: fett machen, nmd.
vetten, dann bei Stieler 1691. fettig, adj.,
bei Luther. Davon Fettigkeit, schon im
Md. des 14. Jh. vettikeit.
Fetthenne, f.: Bezeichnung des Haus-
lauchs und andrer Pflanzen, bes. von sedum
telephium. Schon im 16. Jh. Unklarer Her-
kunft. Tgl. Schweiz, feißti henne, Schweiz.
Id. 2, 1312.
Fettmännchen, n.: ehemalige kölnische
^/^ Stüber (2^'o Pfennig deutscher Eeichs-
währung) geltende Kupfermünze. Volks-
tümlich umgebildet aus der im 17. Jh. vor-
kommenden Benennung Fettmönch, die von
einem auf die Münze geprägten Brustbild
eines wohlgenährten Kurfürsten herrührt.
Fetzen, m. (-s, PI. wie Sg.): wovon
abgerissenes Stück. Ältemhd. Fetze (noch
Lessing Nath. 2, 5), mhd. vetze m. Es ge-
hört zu mhd. va^ n. (s. Faß), in der nach
frühmhd. va^^en «kleiden, bekleiden» anzu-
nehmenden Bed. «Kleid», anord. föt, Plur.
«Kleider». ABL. fetzen, v.: in Fetzen
reißen. Im 16. Jh.
fencht, adj. u. adv.: ein wenig naß, Mhd.
viuhte, ahd. fuhti, füht; dazu and. fuht, ndl.
vocht, ags. fuht. Vielleicht zu anord. fjüka, st.
V. «von dem Winde dahin getrieben werden,
fliegen, stürmen, stöbern», fjük n. «Schnee-
gestöber», fuki m. «Gestank», dän. fog «Ge-
stöber», daher engl, fog ••; dicker Nebel» oder
mit Liden Bezz.Btr. 21, 93 zu aind. pawka-
m. n. «Schlamm, Schmutz, Sumpf» und weiter
zu got. fani «Schlamm», s. Fenn, also aus
*funhtuz herzuleiten. Noch anders Osthoff
Btr. 18, 247. ABL. Fenchte, f., mhd. viuhte,
ahd. fuhti f. fenchten, v., mhd. viuhten,
ahd. fühten, and. fühtian. Fenchtigkeit, f.,
mhd. viuhtecheit, vom Adj. viuhtec gebildet.
fendäl, adj.: ein Lehen oder das Lehns-
wesen betreffend; vornehm. Aus dem gleich-
bed. mlat. feudalis, von dem im 9. Jh. vor-
kommenden feudum, feodum n. «Lehngut,
Lehen», das mit eingeschobenem d (durch
Anlehnung an allodium?) aus einem altem
mlat. feum hervorging, daher ital. fio, prov.
feu, afranz. fieu, nfranz. fief m.; zugrunde
hegt das got. faihu n. «Vermögen, Habe»,
ahd. fihu, fehu n. «Vieh». Im 17. Jh. ent-
lehnt. ZrS. Fendälrecht, n.: Lehnsrecht.
Feuer, n. (-.§, PI. wie Sg.): das leuch-
tende und wärmende Element. Ältemhd.
Feur, mhd. viur, viuwer, ahd. fiur, älter
fair n.: dazu asächs.-afries. fiur, ndl. vimr,
ags. fyr n., engl, fire, anord. (poet.) fii.rr m.,
fyri n., got. dafür fön, Gen. funins. Über-
einstimmend mit gl'. TTup n., umbr. pir, arm.
hur «Feuer». ABL. fenrig, adj., mhd.
viurec. feuern, v., mhd. viuren, ahd. viiiren
«feuiig sein». Feuerung, f., spätmhd.
viurunge «Feuer», mnd. vuringe f. auch
« Feuer material». ZUS. l) mit Feuer-.
Feuereifer, m., bei Luther (Hebr. 10, 27)
fewereiue): Feuerfalter, m.: Schmetter-
ling mit feueiToten Flügeln, bei Nemnich.
Feuerkugel, f.: Feuergeschoß. Im 16. Jh.
Feuerniauer, f.: Schornstein, 1517 bei
Trochus P 2, auch bei Luther. Feuerprobe,
f., in der Wendung die Feuerprobe bestellen,
nach biblischem Bude (z. B. Sprüche Sal.
17, 3) von der Läuterung des Goldes her-
; genommen. Feuerrohr, n., bei Comenius
1640. Feuerschiff, n.: Brander (so im
I DWB.); ein Schiff mit Feuer, um den Schiffen
: den Eingang in den Hafen anzuzeigen (in
I neuerer Zeit). Feuerspritze, f., 1586 bei
Ruland dictionaiiolum 489 Feurspritzen (die
erste in Deutschland wurde 1518 zu Augs-
burg gebaut). Feuerstatt, Feuerstätte, f.,
mhd. viurstat «Herd, Brandstätte». Feuer-
stein, m. : eine Quarzaii;, die zum Feuer-
anschlagen diente. Schon mhd. viurstein m.
[Feuertaufe, f.: nach Matth. 3, 11, jetzt
(noch nicht bei Adelung) auf das erste Über-
stehen der Gefahr im Feuer, im Kriege be-
zogen. Feuerwehr, f., im 19. Jh. gebüdet.
Feuerwerk, n., spätmhd. viunverc «Brenn-
materiab, auch bei Luther; im altem Geschütz-
wesen bezeichnet feuwerwerck «die Feuer-
kugeln, Bomben, Pechkränze usw.», z. B. bei
Fronsperger 1, 109^ fg., 2, 138*fg., danach
■ das Kunstfeuerwerk zur Lustbarkeit, schon
jbei H. Sachs 2, 391, Fronsperger 1, 111».
Feuerwerker, m.: höherer Unteroffizier
I der Artillerie. Im 18. Jh. Feuerzauber,
im.: Kunstfeuer. Im 18. Jh., aber erst
durch R.' Wagner wieder bekannt geworden.
Feuerzeug, n., mhd. viurziuc m. n. 2) mit
Feuers-. Feuersbrunst, f., bei Comeniusl 640,
daneben im 17. Jh. Feuerbrunst. Feuersuot,
f., mhd. viurnot f.
527
feuerjo
fickfacken
528
fenerjo (ScMler Käub. 2, 3), feurio: I Fibel, f. (PI. -n): Abcbuch. Mnd.fihel,
nachdrücklicher Feuernif, im 15. -Jh. viurä, i auch in md. Glossaren des 15. Jh., z. B. 1469
fiurio (Gesamtabenteuer 2, 308. 688). Im I p/wM im voc. ex quo, seit Luther allgemeiner
Mhd. wird zum Nachdruck ä an Substantive, gebraucht; da daneben in gleicher Bed. auch
Imperative und Partikeln angehängt, z. B. hihel vorkommt, ist Entstehung aus diesem
wäfenä auch wäfenö «Waffen herbei!», MIß Worte anzunehmen. Die ältesten Fibeln ent-
«hilf!» neina «nein!». Gleicher Bildung sind hielten Lesestücke aus der Bibel,
die Hilferufe diebjo, feindjo, mordjo, nach- Fiber, f. (PI. -n): Faser, Muskelfaser.
harjo sowie der dem Fährmann geltende Aus lat. fihra f. «Faser». 1766 bei Lessing
Ruf holla «hol über!». 6, 516.
Feuersbrunst, Feuertaufe usw., s. Fichte, f.: (PI. -n): Nadelholzbaum mit
^^ßuer. vierkantigen x'ings um die Zweige herumge-
Feuilletön (spr. föjetq), n. (-S, PI. -s): stellten Nadeln und hängenden Zapfen, in
ünterhaltungsteil einer Zeitung. Das franz. Norddeutschland Bottanne genannt. Mit Kür-
feuilleton, eig. «Blättchen», von feuille m. | zung des Vokals (im altern Obd. noch FiecÄfe)
«Blatt», das von lat. folium n. stammt. Bei : aus mhd. viehte, ahd. fiohta und fiuhta f. (da-
Campe 1813. nach bayi\ Feuchten), and. fiuhtia f., sonst
Fex, m. (-e5f, PI. -e): Blödsinniger (Goethe im Germ, nicht vorhanden. Es gehört mit
Faust 6199 Hexew/ea;); näiTischer Kerl; Spaß- ableitendem Dental zu dem gleichbed. gr.
vogel; wer durch Sonderbarkeiten Aufsehen | ireÜKri, ]it. pusis t, iprenQ. peuse. ABL.Üch-
erregen wül (Bergfex). In Bayern und i teu, adj., mhd. viehtin, auch in Zusammen-
Östen-eich ist Fex (dazu das Fem. Feckin) ' Setzungen wie Fichtenbaum, Fichtennadel usw.
zunächst s. v. a. «Kretin». In der Literatur ' Ficke, f. (PL -n): Tasche an einem Klei-
des 17. Jh. erscheint Feix m. als «Stuben- dungsstücke. Niederdeutsches Wort (schon
hocker, einfältiger Mensch», dann « angehender i im 16. Jh. belegt), auch im östlichen Mittel-
Student» (s. Fuchs und feixen). In Wien deutschland verbreitet (Weise Erzn. 103, Gün-
bedeutet das Fem. Fex «die Hexe» (Loritza ther 166, Weiße Op. 3, 6), von Schottel 1663
A2^). Ein schon im 15. Jh. übliches (Sachsen- 1 (jPifc/ce) und Stieler 1691 angeführt. Jetzt
heim Mörin 263), auch im 16. vorkommendes auch obd. (schweiz. figge). Aus dem Nd.
narrifex scheint nicht hierher zu gehören, i auch schwed. ficka f., dän. fikke. Wohl urspr.
sondern Nachbildung lateinischer Formen wie 1 s. v. q-. ins Kleid ein- oder angehefteter Beutel,
artifex zu sein. vgl. mlat. ficacium «Tragbeutel», von prov.-
f[ s. f. j altspan.-port. ficar, ital. ficcare, . franz. ficher
fl, interj. des Ab weisens, Absehens, Ekels. ! «an-, einheften», woraus auch mhd. vicken
Mhd. vi, das aus dem franz.-ital. fi «pfui» «heften».
aufgenommen ist. fickeu, v.: kurze, rasche Bewegungen hin-
Fiaker, m. (-s, PI. wie Sg.): Lohnkutscher; und hermachen; Rutenstreiche geben. Älter-
Mietkutsche. Nach dem franz. am Ende des nhd. ficken «jucken, kratzen, scharren, reiben»
17. Jh. üblichen ^acre. Von dem heiligen (schon 1558 auch obszön), 1475 clevischv?/cÄ;ew
«mit Ruten schlagen» (Teuthonista), im 14. Jh.
niederrheinisch vicken «reiben», ahd. mich
vikchit «mich juckt». Vielleicht verwandt
Fiacre (latinisiert Fiacrius), dessen Bild das
Zeichen des in der Straße St. Antoine zu
Paris gelegenen Hauses war, in dem man
solche Metkutschen haben konnte, und das mit anor d. fika «eilen», schwed. /iÄ;a «streben
der Franzose Sauvage, dem 1650 das Privi-
legium zur Einrichtung öffentlicher Kutschen
verliehen wurde, bewohnt haben wird. 1728
bei Sperander nur der Plur. Fiacres, im
Sinne von «Mietkutschen auf den Straßen
von Paris».
nach etwas», daher engl, fidge «unruhig sein»,
acfs. ficol, engl, fickle «unbeständig» und weiter
wohl zu lat. piget «es verdrießt mich, erregt
Widerwillen», vgl. Schweiz, figge'"' «verdrießen».
fickfacken, v.: ohne Absicht hin- und
wiederlaufen; geschäftig sein; Bösesanzetteln;
Fiasko, n. (-S, PI. -s), in der Redensart | Ränke schmieden; Blendwerk machen; unzu-
F. machen «Mißerfolg haben». Nach dem | verlässig handeln oder reden; mit Ruten
ital. far fiasco, eig. «eine Flasche machen». ! schlagen. Gebildet von fix:ken, s. d., das sich
Über den Ursprung vgl. Hildebrand Vom ' in fickfacken ablautend wiederholt, vgl. Kling-
deutschen Sprachuntenricht 156. 1 klang, Schnickschnack, Wirrwarr. Aus dem
529
Eickmühle
fiUen
530
Nd., wo es schon im 16. Jh. erscheint, eben- '
so im Ndl., jetzt ndl. fikfakkm «Possen, Albern-
heiten treiben». ABL. Fickfacker, m,:
unbeständiger Mensch, Windbeutel (Bürger ,
225); Känkemacher. Mnd. schon un 16. Jh. |
Davon Fickfackerei, f., bei Stieler 1691.
Vgl. Fixfax.
Fickniühle, f. (PI. -n)-. im Mühlenspiel
eine solche Stellung der Steine, daß man
durch Öffnung der einen Mühle immer die
andere schließen kann. Aus ficken «hin- und
herfahren» und Mühle zusammenges. Schon
bei Keisersberg Seelenparad. 101^ fickniül.
Dafür auch Zwickmühle.
Fideikommiß, n. (sses, PI. -sse): dm-ch
Vermächtnis anvertrautes Gut zur Heraus-
gabe an einen Dritten, der nicht selbst Erbe
sein kann; unveräußerliches Stammgut. Aus
lat. fideicommissum in der 1. Bed., eig. «auf
Treu (fides) und Ehrlichkeit Anvertrautes
(commissumy. In der frühnhd. Rechtssprache.
fldel, adj.: lustig. Aus der Studenten-
sprache. Zugrunde Hegt lat. fidelis «getreu».
Die jetzige Bed. ist um 1750 in der Studenten-
sprache üblich (auch bei Goethe ürfaust S. 23),
vgl. Kluge Studentensprache 34, während z. B.'
1710 bei Nehring angeführt wird fidel «treu,
aufrichtig, hold, ohne Falsch».
Fidibus, m. (PI. -sse) : Papierstreifen zum
Anzünden des Tabaks, Schon um die Mitte
des 17. Jh. aufgekommen, scheint es urspr.
Studentenausdruck, dessen Entstehen aber
nicht sicher ermittelt ist; vgl. Kluge Stu-
dentensprache 39. Nach M. Haupt Dat. Plui-.
von lat. fides «Saite», entstanden durch üm-
deutung von Horaz Od. 1, 36, 1 et iure et
fidibiis juvat placare deos «mit Weihrauch
und Saitenspiel die Götter besänftigen».
FidÜZ, n.: Vertrauen (in der Redensart:
ich habe kein F. dazu). Norddeutsch, lu-
xemb., hess., elsäss., Schweiz, aus lat. fidücia f.
«Vertrauen».
Fieber, n. (-s, PI. wie Sg.): hitzige Krank-
heit. Mhd. vieher, ahd. fi£bar n. Mit Ge-
schlechtswechsel und aus lat. e hervorge-
gangenem ie (wie span. fiebre, franz. fievre f.)
aus dem gleichbed. lat. febris f., woraus auch
ags. fefor n., engl, fever, schwed.-dän. feber
m., wie auch das ält^rahd. Feber n. Das
urspr. deutsche Wort für Fieber ist Bitten
(s. d.). ABL. fieberhaft, adj. u. adv., bei
Eädlein 1711. fieberisch, adj. u. adv., bei
Ludwig 1716. fiebern, v., spätmhd. viehern.
Fiedel, f. (PI. -n): Geige, namentlich in
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
verächtlichem Sinn. Früher auch Fidel ge-
schrieben, bei Luther Fiddel. Mhd. videle,
ahd. fidula f.; dazu ndl. vedel, veel, ags. fid£le,
engl, fiddle, anord. fidla f , dän. fiddel. Wahr-
scheinlich entlehnt und mit ital, viola, franz.
violei. (s. HoZi»«) eines Ursprungs ; als Grund-
wort gut mlat. vitula f. «streichbares Saiten-
instrument», das zu lat. vituläri «sich lustig
gebärden» gehört. ABL. fiedeln, v.: die
Fiedel spielen, mhd. videlen. Davon Fiedler,
früher auch Fiedeler (bei Goethe Faust
4339 Fideler) m., mhd. videlaere m. ZTJS.
Fiedelbogen, m., mhd. videlboge m.
fiedern, v.: Fedem ansetzen, Federn
woran befestigen. Bei Luther fiddern, mhd.
videren, ahd. (bei Xotker) fideren, ags. ge-
fiderian «befiedem, beflügeln». Abgeleitet
von Feder (s. d.).
Fiek, m. (-S, PI. -e): Eingeweidewurm;
Wurm am Finger. Aus dem Ndd., schon
mnd. vik m. In Zesens Hehkon 4. Aufl. I x
als fieg angeführt.
Fiekchen, ndd. Abkürzung von Sophie.
fiepen, v.: schreien der Rehe; einen dünnen
schwachen Ton von sich geben. Lautnach-
ahmend.
Figur, f. (PI. -en): Gestalt: Linienum-
riß: Xotengruppe mit bestimmter Anordnung:
Wortbild; mhd. figure, figür f, aus lat. firgüra
f. «Gestalt». ABL. figurieren, v.: im
Bude darstellen; vorbilden; mhd. figurieren.
figürlich, adj. u. adv.: durch Übertragung
auf dem Grund einer Ähnlichkeit angewandt.
1469 im Voc. ex quo figuerlich.
Filiäl, n. (-5, Pl.-e): Tochterkirche, Nebeu-
kirche. Aus neulat. filiale, dem Neutr. des
mlat. Adj. filicUis «kindlich», im Verhältnis
der Tochter (filia) und des Sohnes (ßlius)
zu Mutter und Vater stehend. Schon im
16. Jh. (1562 bei Mathesius Sarepta 195^.
von Gombert 8, 30 aus einem Schreiben
Luthers von 1539 nachgewiesen). Filiale,
f. (PI. -n): Zweiggeschäft, Nebenstelle. Im
19. Jh.
Filigran, n. {-[e]s): feine Arbeit aus Gold-
und Süberfäden. Aus gleichbed. ital. filigräna
f., zusammengesetzt aus lat. fllum n. «Faden»
und gränum n. «Korn». Bei Campe 1813
filigrain.
fillen, V.: die Haut (das FeU) abziehen,
schinden; wund geißeln. Nur noch ndd., wo
schon mnd.-mnl, vülen, ehedem auch hd. ge-
läufig, mhd. Villen, ahd. fillen, abgeleitet von
ahd.-mhd. vel «Fell» (s. d.).
34
531
rum
Finanzen
532
Film, m. (-[e]s, PI. -e u. -s): dünnes
Blättchen aus Zelluloid, Ersatz für Glasplatten
beim Photographieren, junge Entleknung aus
engl, film, s. Fell.
Filou, m. (-S, PI. s): Spitzbube. Im
17, Jh. aufgenommen aus gleichbed. franz.
filou m., das vermutlich aus engl, fellow
«Bui'sche» entlehnt ist.
filtrieren, v.: durchseihen. Aus franz.
filtrer, ital. f eltrare. Im Anfang des 17. Jh.
entlehnt (Moscherosch Phil. 1, 486). ürspr.
«durch Filz laufen lassen, um alle Unreinig-
keit abzusondern»; das Stammwort ist mlat.
feltrum, filtrum n., ital. feltro, franz. feutre m.
«dichtes Gewebe von Haaren», die aus dem
Germanischen, ags. feit, ahd. filz m. «Filz»
(s. d.), entlehnt sind. ABL. Filter, m. (s,
PI. wie Sg.): ein Mittel zum Filtrieren, der
Seiher. Junges Wort. Bei Campe 181.3
noch filtrum.
Fiktion, f. (PI. -en): Erdichtung, An-
nahme. Aus gleichbed. franz. fiction f. Bei
Sperander 1727.
Fil4t (spr. File), n. (-s, PI. -s): feines
Netzwerk; Lendenbraten; Handschuhe aus
feinem Stoff. Aus franz. filet m. mit den-
selben Bedeutungen, eig. «dünner Faden»,
einem Dim. von lat. filum n. «Faden». Im
18. Jh.
Filz, m. (-65, PI. -e): dichtes Gewebe von
Haaren oder WoUe oder dem Ähnliches;
im Geben zäher Mensch, Geizhals (in dieser
Bed. auch mit schwacher Flexion, Schüler
Räuber 1, 2); grober harter Verweis. Mhd.
vilz, ahd. filz m.; dazu ndl. vüt n., ags.-engl,
feit, schwed.-dän. filt n. Auch ins Roma-
nische übergegangen (s. filtrieren). Von A.
Erdmann üpsala skrifter 1, 3 (1891) zu ahd.
anevalz, ags. anfilt «.Amhoß», lat. pello «stoßend
in Bewegung setzen» mit der Grundbedeu-
tung «Gestampftes» gestellt. Das Wort ist
aber kaum von ahg.plüstl f. «Filz», lat. püleus
«Füzmütze», gv. iriXoc m. «Filz» zu trennen.
Vgl. aber Walde s. v. Spätmhd. vilz ist
auch «bäurischer, grober Mensch» (wegen
der Kleidung des Bauern in Filz? daher
mhd. vilzgehür), woraus wegen des sprich-
wörtlichen Geizes der Bauern die 2. Bed.
hervorgegangen ist; die 3. Bed. erklärt sich
vom Verb, filzen (s. u.) aus und erscheint
auch schon im 16. Jh. ABL. filzen, v.:
zu Filz machen, mhd. vilzen «einen groben,
derben Verweis geben»; eig. wohl «walken
wie einen Filz, schlagen» (frühnhd., vgl. auch
ausfilzen), filzig, adj., früher filzicht, mhd,
vilzeht, frühnhd. auch schon s. v. a. «geizig»
(Hans Sachs 19, 1.34). ZUS. FilzlauS, f.,
spätmhd. vilzlüs f.
^Fimmel, m, (s, PI. wie Sg.): starker
eiserner Keil der Bergleute ; großer Hammer.
Bei Agricola Bergwerkbuch (1557) 83 feim-
mell, 1562 bei Mathesius Sar. 196 ^ und 1594
bei Frischlin Nomencl. Cap. 110 Fimmel.
■Fimmel, m. (-s, PI. wie Sg.): die männ-
hche Hanfpflanze. Schweizei-isch (auch Fim-
melef.), bayr.-hess.-luxemb.i^emeZ, ehäss.Fceml,
Feml. Aus lat. ßmella f. «Weibchen», dem
Dim. von ßminai. «Weib». Man verwechselte
nämlich vor der Erkennung des wahren Ge-
schlechtes bei dem Hanfe die Geschlechter
und hielt die männlichen Stengel, weil sie
kleiner und zarter sind, für die Weibchen,
diese dagegen, wie die für sie in der Schweiz
OD /
übUche Benennung Mäsch, Mäschel außer
Zweifel setzt, ui'spiünglich für die Männchen.
Schon 1546 bei Bock 132 ^ Femel, 1561 bei
Maaler Fimmel «kurtzer hanflf». Dazu engl.
fimhle-hemp. ABL. fimmeln, v,: die eher
reifenden männlichen Hanfstengel besonders
ausinapfen (1561 hei M aaler fimlen): dann über-
haupt tastend aussuchen, herausklauben usw.
Dazu ndd. fimeln (fimmeln), ndl, femelen und
fijmelen.
Finale, n. (-s, PI, -s): Schlußstück, bes.
eine» Musikstückes, einer Oper. Aus gleichbed,
ital. finale, final als Adj. 1727 bei Sperander.
Finanzen, PI. : Staatseinkünfte, Staatsver-
mögen; Vermögen an Geld. Der Sg. Finanz
nur noch in Zusammensetzungen, z. B. Finanz-
rat. Ältemhd. (zu Ende des 15, Jh., im 16.
und zu Anfang des 17. Jh.) Finanz f. «un-
redliches Geldgeschäft, Wucherei, Wucher-
kniff, Betrug» (noch 1727 bei Sperander
Finantien «allerhand Betrügereien undUnter-
schleife»). Unter Einfluß von ital. finanza f.
«Quittung», franz. finance f. «Barschaft» geht
es mit dem bei'eits aus der 1. Hälfte "des
14. Jh. mehrfach nachgewiesenen kölnischen
PI. finantie zurück auf mlat finantia f. «öflfent-
liche Leistvmg, besonders an Geld», urspr,
«Schlußleistung», gebildet von dem Part,
Präs. des von lat. ßnis m. «Ende, Endzweck»
abgeleiteten romanischen Verbums finare «be-
endigen, aufhören», im Ital. s. v. a. «quit-
tieren (eine Sache abschließen)», im Afranz.
s. V. a. «bezahlen». Unser heutiger PI. Fi-
nanzen hat niehr die Bed. des franz. PI,
^waMces, ital. /?Mar22re «Staatseinkünfte». So bei
533
FindeUians
Fink
534
Sperander 1728 Financen, 1703 im Zeitungs-
lex. Finances.
Findelhaus, n.: Haus für Findlinge.
Findelkind, n.: Findling, ürspr., zuerst
im 15. Jh. erscheinend Fündelhaus, Fündel-
kind, zusammengesetzt mit dem von Fund
abgeleiteten südd. Dim, Fündel, Fündele (1556
bei Frisius Bl. 1071^), neben dem auch im
15. Jh. Fütidel f. «Findelhaus». Schon im
15. Jh. erscheint auch (mit Anlehnung an
finden) Findelhaus, Findelkind (auch 1537
bei Dasypodius), doch kommt daneben die
Schreibung mit ü bis nach Mitte des 18. Jh.
vor. Vgl. Findling.
finden, v. (Prät. fand, Part, gefunden):
erstrebend oder unabsichtlich gewahr wer-
den, auf etwas als ein Erstrebtes oder un-
absichtlich kommen. !Mhd. vinden, ahd. fin-
dan; dazu asächs. findan, fithan, ndl. vinden,
ags. findan, engl, find, afries. finda, anord.
finna, schwed. finna, dän. finde, got, findan
«erkennen, erfahren». Wahrscheinlich zu ahd.
fanden, ags. fundian «eilen», ahd. fendo, mhd.
vende m. «Fußgänger», so daß die ursprüng-
liche Bed. die «des Gehens nach, einer Seite»
wäre. Verl. zur Bedeutuncrsent'wdckluncr lat.
invenire «finden», eig. «hineinkommen». Ver-
wandt ist noch die altir. "Wurzel et {siu.% peni)
in con-etat «assequuntur» nnd weiter lat.
pons m. «Brücke, Steig», gr. -iraTeu) «trete».
Anders Sütterlin Btr. 18, 261. ,S. auch
fahnden. Das Prät. flektiert mhd. vant, PI.
vunden, und dieser Wechsel hat sich bis ins
17. Jh. erhalten, von da an wird fand und
fiind (noch bei Haller 142) gebraucht, bis
die letztere Form ganz verschwindet. Das
Part mhd. viinden ohne ge- lautet auch älter-
nhd. noch sehr häufig so, daneben gefunden
(bei Luther seltner als funden), von den
Grammatikern seit Clajus angesetzt; die poe-
tische Sprache bewahrt funden, nicht allein
im 17. Jh., sondern auch später, z. B. Gün-
ther 844, Lessing 2, 304, LTiland 306, Rückert
2, 69. ABL. Finder, m. (-s), mhd. vindcere.
findig, adj.: gewandt im Finden oder
Erfinden. Aus mhd. vündec «erfinderisch»,
abgeleitet von vunt m. in der Bed. «Er-
findung», neben dem schon im 16. Jh. (an
finden angelehnt) findig steht: doch erhält
sich daneben fündig bis ins 18. -Jh. (noch
bei Steinbach 1734). ABL. Findigkeit, f.,
namentlich der Reichspost. Schlagwort seit
den 70 er Jahren des 19. Jh.
Findling, m. (-s, PI. -e)-. ausgesetztes
und gefundenes Kind; von Gletschern ver-
schleppter erratischer Block. Aus mhd.
vundelinc (entsprechend ndl. vondeling, engl.
foundling) abgeleitet von vunt m. (s, Findel-
haus): gleichbedeutend auch vuntkint und
vunden kint. Schon im 15. Jh. erscheint
auch (an finden angelehnt) findling und diese
Schreibung wurde allmählich herrschend, doch
Fündling noch im 18. Jh., z. B. bei Justus
Moser patriot. Phant. 2, 14. 308, Wieland,
A. W. Schlegel poet. Werke 2, 123.
Finesse, f. (PI. -«) : Verschmitztheit, feine
List, Pfifi". Das franz. finesse f., urspr. «Fein-
heit», von fin «fein (s. d.), listig». Bereits
im 17. Jh. geläufig.
FiDger, m. (-5, PI. wie Sg.): eins der
fünf Handglieder zum Greifen. !Mhd. vinger,
ahd. fingar m.: dazu asächs. /?w^ar, ndl. vinger,
afries.-ags.-eugl. finger, anord. fingr,got.figgrsn\.
Herkunft unsicher; vielleicht zn Faust (s. d.)
oder fünf (s. d.) gehörig. ABL. fingerig,
adj., in zivei-, drei-, langfingerig. Finger-
lein, n., Dim., ehedem auch «Ring», mhd.
vingerUn, ahd. fingarlin, daneben fingeri,
fingerin n. fingern, v.: die Finger bewegen,
mhd. vingern. ZUS. fingerfertig, adj.
Jung (noch nicht bei Campe 1808). Finger-
hut, m., ahd. vingerhuot m. (Gl. 3, 399), über-
tragen «die Waldpflanze mit roten fingerhut-
artigen Blüten», digitalis purpurea, 1542 bei
Fuchs Kreuterb. 893 (1546 bei Bock 335 *>
Fingerkraut). Fingerreif, m., bei Luther.
Fingerring, m., bei Dasypodius 1537.
Fingerzeig, m.: Hindeutung mit dem Finger;
überhaupt Hindeutung, mhd. vinger zeic m.,
häufiger der substantivierte Lif. vingerzeigen
n., auch vingerzeige f.
fingieren, v.: erdichten, lügnerisch vor-
geben. Aus dem gleichbed. lat. fingere. Um
1600 entlehnt (Albertinus weiblLustg. 154*).
Fink, Finke, m. (-n, PI. -?i): der Sing-
vogel; loser Mensch (so frühnhd. und noch 1808
bei Campe, daher noch heute Mistf, Schmierf,
Schmutz f. In mrhein. Mundarten Finke f., z. B.
bei dem Pf älzer Maler Müller in Voß Musen-
almanach 1776 S. 205. Mhd. vinke, ahd.
fincho, finko m. ; dazu ndl. vink, ags. finc,
engl, finch. schwed. fink, dän. finke m. Ln
Skandinavischen erscheinen auch Formen mit
sp im Anlaut, wie schwed, spink «Sperling»,
norw. spucke «kleiner Vogel», die zu gr. cttit-
foc m. bei Hesych, ciri^a f. «Fink» gehören.
Das Wort ist klangnachahmend, und daher
erklärt sich auch die abweichende Lautstufe
34*
535
Finkeljochem
Firlefanz
536
in der romanischen Benennung (ital. pincione,
franz. pinson). Im Sg. geht das Wort öfter
zur starken Flexion über. In der Studenten-
sprache «Student der keiner Verbindung an-
gehört», seit den 20 er Jahren des 19. Jh. in
Halle und Jena aufgekommen, vgl. Götze,
ZfdW. 8, 100.
Finkeljochem, m.: Branntwein. Bei
Günther 925. Aus der Gaunersprache, wo
es 1687 belegt ist, s, Jochem. Zu rotwelsch
finkein, funkeln «kochen», FunJcert «Feuer».
^ Finne, f. (PI. -n): fleischige Floßfeder
großer Seefische. Aus dem ndd. finne f.;
dazu ndl. vin f., ags. finn m., engl, fin, schwed.
fena, wohl verwandt mit dem gleichbed. lat.
pinna f. (s. Pitme), air. ind «Ende, Spitze».
Weitere Anknüpfungen bei Walde s. v. Bei
Trochus 1517 J 2^ ein vinne von dem fische.
^Finne, f. (PI. -n): Bläschen mit Würm-
chen im Fleische, besonders der zahmen
Schweine; kleiae spitzige Blatter im Gesicht.
Mhd. pfinne, vinne f., auch «fauler, ranziger
Geruch»; dazu mnd. vinne, ndl. vin f. «Blatter».
Dunkler Herkunft, vielleic}it dem vorigen
gleich. Nach dem Ndd.-Ndl. ist die Form
mit f ursprünglich, mhd. pfinne erklärt sich
wohl durch Einfluß von pfinne «kleiner
spitziger Nagel» (s. den folgenden Art. imd
Pinne). Auch das ältere Nhd, kennt Pfinne
(noch bei Frisch 1741). ABL. finnig, fln-
nicht, adj.: voll Finnen, mhd. j?/?nwec, vinnec,
auch vinneht; dazu mnd. vinnich, ndl. vinnig.
^ Finne, f. (PI. -n): kleiner spitziger Nagel
oder Pflock. Mhd. pfinne f.; dazu mnd. pin,
pinne, ndl. pin f. Mit tJbergang des Begriffes
aus lat. pinna f. (s. Pinne).
Finnflscll, m.: eine Art Walfisch, dän.
finnefisk, schwed. finnfisk m. Der Name wegen
der 3 — 4 Fuß hohen Fettfinne (s. ^ Finne)
auf dem hintern Teil des Rückens.
flnnicht, finnig, s. "^Finne.
finster, adj. u. adv.: des Lichtes erman-
gelnd. Mhd. vinster, ahd. finstar, ein nur
hochd. und noch asächs. (asächs. finistar, n.,
finistrl f. «Finsternis») auftauchendes Wort,
scheint eins mit ahd. dinstar, mhd. dinster,
indem wie auch sonst (s. Feile) f an Stelle
eines ursprünglichen ß (daraus hd. d) ge-
treten ist, das noch asächs. thinini «dunkel»
zeigt; finster entspricht dann genau lat. tene-
hrae f. «Finsternis», aind. tamisrä f. «dunkle
Nacht», s. Dämmer und auch düster. ABL.
Finstere, f. (Schiller Räuber 2, 3) : Finster-
nis, mhd. vinster, ahd. finstari, finstri neben
dinstri (Hoffmanns Wüliram 32, 17 thimstre)
f.; dazu asächs. finistri f. Finsterling, m.:
Gegner geistiger Aufklärung. 1788 von Wie-
land (29, 23) gebraucht und bei Campe 1808
verzeichnet. Vgl. Gombei-t ZfdW. 2, 66 und
Ladendorf, finstern, v.: finster machen,
in verfinstern, mhd. vinsiern, ahd. finstarren.
früher auch «finster werden», mhd. vinstem,
ahd. finstar en. Finsternis, f. (früher auch
n., so bei Luther 1. Mos. 1, 4. Math. 4, 16).
Mhd. vinsternisse f. n., ahd. finstarnessi, fin-
starnissi n.
Finte, f. (PI. -n) : Tmgstoß beim Fechten :
Verstellung, Kjiiff. Zunächst in der 1. Bed.
übernommen aus ital. finta f. «List», franz.
feinte f. «Verstellung, Trugstoß», das urspr.
das Fem. des Part. Prät. von lat.-ital. fingere
«erdichten, fälschlich voi'geben, täuschen»,
franz. feindre ist. 1644 bei Duez 182 in der
1. Bed. «ictus simulatus», 1648 bei Kemnitz
schwed. Krieg 1, 344^ und bei Schottel 1663
in der 2. Bed. (ßnte machen «caUide aut
insidiose agere»).
finzelig, adj.: überfein. Li der Schweiz,
aber auch in Norddeutschi. Herkunft un-
bekannt, vgl. Schweiz. Id. 1, 877.
fippern, v,: ängstlich und rasch umher-
tasten. So bei Hermes Sophiens Reise 1, 427.
Schon im 16. Jh. hochd. u. ndd. in der Bed.
«sich in raschem Zittern bewegen», auch
s. V. "a. «rasch zitterndes Licht von sich geben,
glitzern». Wohl aus lat. vibräre in der Bed.
«sich zitternd bewegen, zittern, schimmern,
funkeln», s. auch vibrieren.
Fips, m. (-es, PI. -e): Schneller mit dem
Mittelfinger an die Nase, Nasenstüber. Wohl
die substantivierte Interj. fipsl (Hermes So-
phiens Reise 1, 683), die lautnachahmenden
Ursprungs ist.
Firlefanz, m. (-es, PI. -e): gebärden-
volles, überhaupt unnötiges albernes Tun
und Wesen; ein sich lächerlich Gebärdender
(Goethe Faust 11670). Mhd. firlifanz, firla-
fanz (bei Wolkenstein), in urspmnglicherer
Form firlafei, fierleifei, firlei «ein lustiger
rascher Springetanz der Dorfbewohner», be-
ruht auf franz. virelai «Ringeltanz»; die Form
Firlefanz erklärt sich durch Anlehnung an
md. Firl «Kreisel», auch «hurtiger behender
Mensch», und obd.-md. Fanz «Bossen, Possen-
macher», vgl. auch Älfanz und Weise ZfdW. 3,
122, Die übertragene Bed. «geckenhaftes, al-
bernes Zeug» fiindet sich schon im 16. Jh. (1582
bei Fischart Garg. 181 Firlefans). ABL.
537
firm
Fisimatenten
538
flrlefanzen, v.: sich albern benehmen, bei
Luther firlefentzm. Davon Firlefanzerei,
f., bei Stieler 1691 Firlfantzerey.
firm, adj.: fest. Aus lat. firmus «fest,
zuverlässig», 1727 bei Sperander. — Firma, f.
(PI. Firmen): Handlungsname, Name, unter
dem ein kaufmännisches Geschäft geführt
wird, Eig. s. v. a. (sichere) Handluiigsunter-
schrift, denn diese Bed. hat der ital. Kunst-
ausdruck firma, mlat. firma f., das als Subst.
gesetzte Fem. des lat. Adj. firmus (s. o.).
Im 18. Jh. entlehnt.
Firmament, u. {-s, PI. -e): Himmels-
feste. Mhd. firmament n., aus dem gleich- }
bed. lat. firmänientum n., gebüdet von firmäre |
«fest machen». i
firmen, häufiger firmeln, v.: die Taufe '
durch Gebet, Handauflegung und Salbung
bestätigen. Mhd. firmen, ahd. firmön «be- 1
festigen, bestätigen», aus lat. firmäre (s. Fir-
mament), kommt schon in diesem Sinn vor,
daneben spätmhd. das abgeleitete firmeln (aus '
firmelu7ige f. zn entnehmen). AB L.YirmXing, \
Firmelung, f., mhd. firmunge f. j
fim, adj.: alt, hauptsächlich vorjährig.
Mhd. virne «alt», auch «geübt, schlau», ahd.
firni «alt»; dazu asächs. fern «vergangen (vom
Jahr), ags. fyrn «alt», got. fairneis «alt, in
der Zeit feragerückt, vergangen». Über die
Verwandtschaft, s. /ei'n, vgl. auch anord. forn
«alt», ahd. for7i, asächs. forn, furn,ags. fyrn
adv. «ehmals». Für die Bed. «vorjährig»,
die sich aus Luther und dem spätem Mhd.
belegen läßt, ist auch das Adv. mhd. verne,
vernent, vernt, vert «im vorigen Jahre» her-
anzuziehen; vgl. dazu auch gr. irepuci, aind.
parut «im vorigen Jahre», air. onn-urid
«vom vorigen Jahre», ]it. pernai «im vorigen
Jahre».
Firn, m. {-es, PI. -e), auch Fime, f.
(PI. -n) oder Fimer, Ferner, m. .-.s, PI.
wie Sg.): firner, d. h. vom vorigen Winter
oder auch noch länger her, überhaupt alter
auf Berghöhen liegen gebliebener Schnee; Berg
mit solchem Schnee und Eis bedeckt im Hoch-
gebirg. Alle die Wörter sind auf das Adj.
fim (s. d.) zurückzuführen. Firn als Subst.
findet sich in der Schweiz 1548 bei Stumpf
2, 248*^ und ist von SchiUer im Teil (l, 1
usw.) gebraucht. Firner, Ferne)' (mit Aus-
lassung des Subst. Schnee) gehört dem bayr.-
öst. Gebiet an.
Firnewein, m.: der fime, d. h. der «vor-
jährige» alte Wein. Bei Dasypodius 1537
Firnwein, auch schon mhd., aber getrennt,
virner win.
Firnis, m. (-sses, PI. -sse): glänzender
Überzug; Anstrich; lackartige Flüssigkeit.
Mhd. virnis, vernis (danach älternhd. auch
Firneis), aus franz. vernis, ital. vernice, die
unbekannter Herkunft sind. ABL. firnis-
sen, V., mhd. virnisen.
First, m, (-es, PI. -e) und f. (PI. -en),
auch Firste, f. (Goethe 19, 224): die oberste
LängenHnie des Daches, Dachgiebel ; Gebäude,
z. B. Haas, Scheune; (Berg-) Gipfel. Mhd.
vir st m., seltener f., ahd. first m., in md.
Quellen (seit dem 15. Jh. belegt) auch vorst
(mit Ablaut), -svie mnd. vorst, ndl. vorst f.,
ags. fyrst, first m. Verwandt sind aind.
prsthäm «Rücken, Gipfel, Berggipfel», aw.
parsta m. «Rücken, Rückgrat» und wahr-
scheinl. auch lit.pifstas. ahg.priistü m.«Fingen>.
Die Form Firste bei Adelung und Heynatz
1796 (hier neben Forst, Forste, noch jetzt
hess.-thür. forst).
Fis, n.: die Tonstufe, die Y^ Ton höher
ist als f. Redensai't: ins Fis kommen <i<fis
statt f greifen, m schlechte Verhältnisse
kommen».
Fisch, m. {-es, PI. -e): Wassertier mit
rotem, kaltem Blute. Mhd. visch, ahd. fisc
m.; dazu ndl. visch, asächs.-ags.-afries. fisc,
engl, fish, anord. fiskr, schwed.-dän. fish, got.
fisks. Verwandt mit lat. piscis m., air. (mit
geschwundenem p im Anlaut) iasc. ABL.
fischen, v., mhd. vischen, ahd. fiscon; dazu
asächs. fiscon, ndl. visschen, ags. fiscian, engl.
fish, afries. fiskia, anord.-schwed. fiska, dän.
fiske, got. fiskön und lat. piscäri. Davon
Fischer, m. {-s, PI. wie Sg.), mhd. vischcere.
ahd. fiscäri m. und Fischerei, f., mhd.
vischerie f. ZUS. Fischaar, m. : auf Fische
stoßender Adler, bei Luther Fisclmr, Fissch-
ar. Fischhein, n.: Walfischknochen. Erst
frühnhd. (Hulsius Schiffarten 4, 5 Tisch-
bein, 1628 bei Münster Cosmogr. S. 1725
Fischhein), wohl aus dem !N^dd. Li andrer
Bed. 1574 bei Fischart Onomast. 380* Fisch-
bein «ossa sepie». Fischotter, m. und f.
(s. Otter), bei Henisch.
fiseln oder Asseln, v.: fein regnen. Ndd.
Vielleicht eine Ableitung von mhd. viseln,
Fl. «Fransen». Vgl. die Redensart «es regnet
Bindfaden».
Fisimatenten, PI.: Flausen, Ausflüchte.
In nordd. und südd. Umgangssprache. Er-
scheint zuerst im 16. Jh. im Hochd. und im
539
Fiskal
fix
540
Mnd. als visipatent, visepetent, fisipotent «Al-
bernheit, Alfanzerei» und ist Entstellung des
mhd. visament «Gesicht, Aussehen», dann
«Einteilung und kunstgerechte Beschreibung
eines Wappens» und danach Liedersaal 1,
579, 75 fisimenf «unverständliche leere Zie-
raten», von mhd, visieren «bilden, die Wappen-
figuren ordnen und beschi'eiben» und dieses
nach franz. viser, von lat. viser e «genau be-
sichtigen».
Fiskal, m. (-S, PI. -e): Vertreter des
Fiskus: öffentlicher Ankläger. Aus mlat.
fiscalis, von lat. fiscus (s. u.). In der Eechts-
sprache des 15. Jh. (Janssen Frankf. Reichs-
korr. 2, 321). ABL. flskälisch, adj.: den
Fiskus oder den Fiskal betreffend, Reichs-
Ordnungen 57* (v. J. 1507). Dafür ahd. fis-
cilih (Steinniej'er-Sievers Gl. 2, 739, 35). —
Fiskus, m.: der öffentliche Schatz, Staats-
schatz, Staatskasse; Strafkasse. Das lat. fiscus
m. «geflochtener Korb», dann «Geldkorb,
Kasse», endlich «öffentliche Kasse, Kasse der
Staatsgelder». Im 16. Jh. geläufig.
Fisole, s. Faseole.
fispeln, flspern, v.: zischeln, flüstern,
Frühnhd., bei Schottel 1663 als fispen, fispereti
verzeichnet. Wohl lautnachahmend, vgl. fii-
spern, flüstern, wispeln.
Fist, m, {-es, PI. -e): leiser Bauchwind.
Mhd. vist, vist (daher dialektisch Feist) m.;
dazu mnd. vist, ndl. veest m., abgeleitet von
einem starken Verbum, das in anord. fisa,
schwed. fisa, dän. fise «farzen» (auch in einem
hd. Glossar des 15. Jh. feysen) erhalten ist.
ABL. fisten, V., mhd. visten; dazu mnd.
visten, visten, ndl. vijsten und veesten. Trotz
des abweichenden Vokalismus verwandt mit
lat. peclo aus pezdo, slow, pezdeti, lit. hezdeti
«farzen». Vgl. auch Bofist.
Fistel, f. (PI. -n): eiterndes Geschwür
mit Röhre; erzwungene hohe Stimme, wie
durch eine Rohi-pfeife. Mhd. vistel f. «eitern-
des Geschwür», ahd. fistul f. «Röhre», auch
mnd. vistel f. «Geschwür». Aus lat. fistula f.
«Röhre, Rohrpfeife, eiterndes Geschwür».
Die 2. Bed. erst im 18. Jh., aber schon im
17. Jh. fistulieren «die Singstimme höher als
natürhch zwingen».
fitscheln, v. : hin- und herfahi-end reiben,
schneiden u. dgl. Frühnhd. Wahrscheinlich
aus einem mhd. fick{e)zen, abgeleitet von
ficken (s. d.), zu erklären.
Fitschepfeil, s. Flitzbogen.
Fittich, m. (-S, PI. -e): befiederter Flügel;
Zipfel des Gewandes (4. Mos. 15, 38; 5. Mos.
22, 12, vgl. eine7i beim F. nehmest, s. auch
Schlafittich); leichtes geringes Obergewand
(Goethe 22, 53); liederlicher Mensch (md,-
elsäss.). Früher auch Fittig geschrieben, schon
bei Luther (vgl. Essig). Mhd. vittich, vit-
tech, früher vetteche, vettache (noch jetzt
alem. Fettich) m. f., ahd. fettah, bei Isidor
fethdhah m., eine kollektive Bildung von
einem Worte, das sich von Feder (s. d.)
durch die Stammbildung unterscheidet; zu
letzterm gehört unmittelbar mhd. vedrach,
ahd. fedarah, asächs. f etiler ac m. «Flügel».
Fitze, f. (PI. -n): Binde zum Zusammen-
binden einer Anzahl Garnfäden beim Auf-
haspeln; ein solches Gebinde Garn. Mhd.
vitze f. imd viz m., ahd. fizza, eig. «die
Fadenenden des alten Aufzuges zum An-
knüpfen des neuen» (lat. licium), «Anzahl
Fäden, die beim Haspeln durch einen quer
darum gebundenen Zwischenfaden von den
übrigen geschieden sind»; dazu asächs. fittea,
ags. fitt f. (in übertragenem Süm) «Abschnitt
eines Gedichtes», engl, fit «Abschnitt, Krank-
heitsanfall», anord. fit f. «die Haut zwischen
den Klauen von Vögeln und Ochsen, der
Rand an Gestricktem», dän. fed «Gebinde
Garn». Auch obersächs. Fitz m. «Wirrwarr
von Fäden» gehört hierher (daher bei Lessing
herausfitzen «aus dem Win'wan- lösen»).
Die Lautform führt auf idg. *pedjä, das
gleich gr. -nila f. «Fuß, äußerstes Ende, am
Kleide Saum, Vorstoß» ist. ABL. fitzeu,
V.: mit der Fitze oder zu Fitzen binden;
fadenweise abteilen oder ablösen (bei Lessing) ;
in Falten legen, runzeln (Lichtwer Fabeln
1, 12), rümpfen. Mhd. vitzen in vervitzen,
«zusammenbinden», spätmhd. vitzen «weben»,
ahd. fizzeön «umgeben»; dazu anord. fitja
«weben, stricken, rümpfen». Dazu Fitz-
nase, f.: eine die Nase rümpfende Person
(Weiße Lustsp. 3, 380).
fitzen, V.: hin- und herfahrend reiben;
mit Ruten streichen. Frühnhd. Wohl auf
ein mhd. fick(e)zeti, abgeleitet von ficken
(s. d.), zurückgehend, vgl. auch fitschein.
Oder zum vorausgehenden, das im Alem.
auch die Bed. «Rute, Gerte» hat.
^flx, adj. u. adv.: sicher, gewandt in der
Tat, rasch entschlossen; rasch, hurtig, be-
reit zu etwas, in der Redensart f. und fertig.
Wohl aus dem 'folg. fix entwickelt. Henisch
1616 verzeichnet fix als «richtig, bewehi-t»,
ebenso Schottel 1663, während Stiel er 1691
541
fix
Flader
542
auch die Bed. «gewandt, rasch» kennt. Als
Adv. findet sich vix «rasch» bereits im 15. Jh.
(Hätzlerin 2, 69, 38), sehr häufig im 17. Jh.
(vix tantzen Moscherosch Phil. 2, 633), auch
als Adj. In Norddeutschland ist Fix auch
Name eines Hof-Schäferhundes.
^flx, adj. u. adv.: fest, bleibend, unbe-
weghch. Zuerst in der Sprache der Al-
chimie (schon bei Paracelsus), auch 1562 bei
Mathesius Sar. 49'' und bei Rot 1571 ver-
zeichnet. Aus dem lat. Adj. fiocus «fest,
bleibend», eig. Part. Perf. Pass. von figere
«einheften, befestigen». ABL. fixen, v.: an
der Börse Papiere in die Höhe treiben. Junger
Ausdruck. ZTJS. Fixstern, m.: feststehen-
der Stern, Sonnenstem. Bei Comenius 1640.
Fixfax, m. {-es, PI. -e) -. Gaukelei, Blend-
werk. In der nordd. Umgangssprache. Zu
fickfacJcen (s. d.), vgl. Faxe.
fixieren, v.: festsetzen, bestimmen; staiT
(und forschend) ansehen. Aus mlat. fixare
zu fiocus (s. -fix). In der 1. Bed. schon im
16. Jh. vorhanden (Rot 1572 hat Fixirung).
In der 2. Bed. bei Campe 1818.
Fjord, m. {-\e]s, PI. -e): Meerbusen.
Junge Entlehnung aus gleichbed. dän.-norw.
fjörd. Desselben Stammes wie Furt.
Flabbe, f., auch Flappe, f. (PI. -n):
herabhängende Unterlippe, offenstehender
Mund. In der nordd. Umgangssprache, schon
mnd, vlabhe f.; dazu ndl. fiah, fi£b f., isl.
fivpi «untere PferdeUppe»; vgl. engl, fiabhy
«schlotterig, schlaff». Ablautfonnen mit i u.
ei bei Falk-Toi^» unter flcebe. Bei Schottel
1663 als f.abhe, fiappe.
flach, adj. u. adv.: nach der Ausdehnung
in Länge und Breite ohne merkliche Er-
habenheit wie Vertiefung; seicht; (büdhch)
nicht geistestief. Der Komp. lautet fiacher
(bei Goethe 30, 51 u. 35, 7 flücher), Sup.
flachst. Mhd. vlach, ahd. flah; dazu ndl. vlak,
schwed. (entlehnt) flack und mit Ablaut ags.
fl^c n., engl fluke «Flunder», eig. «Flach-
fisch». Urverwandt ist lat. plaga f. «Gegend»,
gr. TT^XaYoc n. «Meer», eig. «die Fläche»,
abg. ploskü «breit» und weiter mit Wurzel-
variation, gr. -irXdH f. «Fläche, Ebene, Blach-
feld, Platte, Tafel», TiXaKoüc m. «fiacher
Kuchen», lat. placenta f. «flacher Kuchen»
usw. S. auch blach, das in der Verbindung
Blachfeld aus flach dissimiliert ist. ABL.
Fläche, f., mhd.vleche f. Damit zusammenges.
Flächeninhalt, m., von Zesen in der Über-
setzung von Dögens Baukunst crebildet.
Flachs, m. (-es, PI. -e) : die blau blühende
Pflanze hnum usitatissimum, deren zube-
reiteter Bast gesponnen wird. Bei Justus
Moser (patr. Phant. 2, 39. 85; Osnabrück.
Gesch. 1, 103) nach dem Ndd. das Flachs.
Mhd. vlahs, ahd. flahs m.; dazu ndd.-ndl.
(mit Schwinden des h) vlas n., afries. flax
n., ags. fleax n., engl. flax. Gewöhnlich mit
ableitendem -s, zu gr. irXeKeiv «schlingen,
flechten», lat. plicäre «zusammenwickeln,
falten» gestellt, die Grundbedeutung wäre
dann «Bündel». Doch befriedigt das nicht.
Ein andrer Name für den Flachs ist mhd.
har, ahd. haru, s. Haar. ABL. flächsen,
auch flächsern, adj.: von Flachs, spätmhd.
vlahsin, vlehstn, bei Luther flechsen. ZUS.
Flachsader, s. Flechse.
flacken, v.: faul, ohne aufzustehen da-
liegen. Bei Wieland aus dem Obd. Zu
Flack m. «träger Mensch», dessen Herkunft
unsicher ist.
flackern, v. : flammend sich hin- und her-
bewegen. ]Mhd. (spät und zuerst in rhem.
Quellen) vlackem, ahd. dagegen flagarön,
(= anord. flögra), neben häufigerm flogäron
«flattern, flackeni», das ebenso wie ein gleich-
bedeutendes fl^gezen m. zu got.fliugari «fliegen»
gehört. Dem mhd. vlackern steht am näch-
sten ndl. flakkeren «flackern», ags.flacor «flat-
ternd», anord. flökra «flattern»; weiter dann
(mit Ablaut) ndl. flikkeren, ags. flicorian,
engl, flicker «flattern, schimmern, glitzern».
flackern ist wohl aus lat. flagräre «flackern»
entlehnt, hat sich aber mit einheimischen
Worten vermischt. Ohne das ableitende r
erscheint 1482 im Voc. theut. i 1* flockeni
«flackern», 1599 bei Küian vlacken (neben
vlaggheren), anord. flakka «iüackerny>, schwed.
flacka, dän. flakke, auch Schweiz. -elsäss. flacken
«lodern».
Fladen, m. (-s, PI. wie Sg.): dünner
flacher Kuchen. Mit angetretenem n (älter-
nhd, auch noch Flade) und Übergang zur
starken Flexion aus mhd. vlade m., ahd.
flado m. und flada f., ndl. vlade, via f. Das
Wort stimmt der Lautverschiebung gemäß
mit dem Adj. aind. prthüs, gi*. -n-XaTÜc, lit.
platüs «platt, breit» und gr. ttöXtoc m., lat.
puls f. «dicker Brei».
Flader, f. (PI. -n): hin- und herlaufende
Holz-, Steinader. Spätmhd. vlader m. «Maser,
geädertes Holz» (vom Ahorn, von der Eibe,
Esche), dazu auch das Adj. vladerin, vlederin,
z. B. vlederin holz fbei Luther Hes. 27, 5
543
Fladuse
Flasche
544
fladernholtz), ferner mnd. vlader m. «geädertes
Holz, Ahorn». Zu mhd. vledern «flattern»
(s. Fledermaus) und liadern «flattern, flak-
kern»; die hin- und hergehende Ader wurde
der flackernden Flamme verghchen (äderiges
Holz heißt auch flammig). ABL. fladerig,
adj. Bei Maaler 1561 fladerechtig.
Eladuse, s. Flöte.
Flagge, f. (PI. -n) : große Schiff"sfahne.
Aus dem ndd. flagge f., ndl. vlag f., engl.
flug, dän. fla^i (entlehnt) n., schwed. flagg m,
und flagga f. Im Hoehd. zuerst von Come-
nius 1640 als Flagge aufgefülu't, sonst im
17. Jh. meist Flache (aber Schottel 1663
Flagge). Wohl abgeleitet von einem Stamm,
der in engl, fl^g v. «schlaff hangen» vorliegt.
ABL. flaggen, v., das ndd. flaggen, dän.
flage, schwed. flagga, erst bei Campe.
Flakön, m. (-s, PI. -s): Riechfläschchen.
Das franz. flacon aus flascon, mlat. flasco
m. (Gen. flusconis), s. Flasche. Im 18. Jh.
entlehnt.
Flamberg, m. {-s, PL -e) : breites Schlacht-
schwert (Th. Körner Leyer u. Schw. 7811.).
Frähnhd. (Aimon B 4^), urspr. Flamher ge f.
(Gargantua 179), aus franz. flamherge f. Dies
ist unter volkstümlicher Anlehnung an flambe
«Flamme» entstanden aus Flöberge, dem
Eigennamen eines Schwertes. Weitere Ab-
leitung unklar.
Flame, f. (PI. -w), s. Flome.
flämisch, adj. u. adv.: verdrießlich, mür-
risch, ürspr. s. V. a. flandrisch, die jetzige
Bed. läßt sich seit dem 17. Jh. nachweisen.
Der französische Einfluß, der sich seit dem
12. Jh. in Sitte, Tracht und Sprache Deutsch-
lands geltend machte, wurde hauptsächlich
durch das halb romanische, halb germanische
Flandern vermittelt, weshalb dann ein fein-
gebildeter Mensch auch als Vloeminc be-
zeichnet wurde. Die Nachahmung der vlä-
mischen Sitte und Sprache (vlcemen, eig.
«vlämisch sprechen») drang selbst in die nie-
deren Stände, bei denen sich die Zierlich-
keit übel ausnahm und ins Lächerliche fiel,
daher dann das Adj. vloemisch «fein gebildet»
in die Bed. «auf rohe Art prunkend, an-
maßend», überspielt, woi'aus wohl die weitere
Bed. «nach Herrenart verdrießlich, mürrisch»
hervoi'gegangen ist.
Flamme, f. (PI. -n): zur Höhe schlagen-
des Feuer. Mhd. vlamme f., auch m,, wie
andd. flamma, ndl. vlam f. entlehnt aus dem
gleichbed. lat. flamma f. Dadurch wurde
der eig. deutsche Ausdnick ahd.-mhd. louc
m. (s. leuchten) verdrängt. ABL. flammen,
V., mhd. vlammen, auch ndl. vlammen. Da-
von mit frequentativer Endung (vgl. flimmefrn)
flammeru (Bürger Des Pfarrers Tochter
von Taubenhain Str. 2), auch mit Umlaut
flämmern (Goethe Faust 3651), schon im
Mrhein. des 14. .Jh. flAinimeren. flammig,
adj., mhd. vlammic.
Flammeri, m. (-s, PI. -s): kalter Pud-
ding. Neue Entlehnung aus engl, flummery
« Hafermehlbrei ».
Flanell, m. (-s, PI. -e): ein leichtes
Wollenzeug. Zimächst aus engl, flannel, das
auf dem gleichbed. franz. flanelle f., ital.
fianella f. beruht, einer dimin. Ableitung
von airanz.flaine «Wollzeug». 1715 bei Ama-
ranthes 547 Flannell.
Flanke, f. (PI. -n): Seite, Seitenlinie wo-
von; Weiche, Bauchseite bei Tieren. Mit
Geschlechtswechsel aus franz. flanc, ital.
fianco m., das vielleicht auf ahd. hlanca
[f für h eingetreten), mhd. lanke f., (noch
1678 bei Krämer Lanckenf. «Weiche, Lende»)
zurückgeht. Zuerst als Seitenwerk einer
Festung (bei J. v. Wallhausen) belegt, von
Krämer 1678 als Manche angeführt; Speran-
der 1728 hat Flanquen auch als «Seitenflügel
eines Regiments» und später erscheint es in
der allgemeinen Bed. des franz. flanc. ABL.
flankieren, v.: mit Seitenwerken versehen;
einem Heere die Seite abgewinnen; sich
umherbewegen, eig. an der Seite wovon.
Aus franz. flanquer. Schon 1599 ndl. bei
Kilian, dann 1617 bei Wallhausen Corp. mil.
221 flanquiren, bei beiden als militärischer
Ausdruck verzeichnet.
Flaps, m. (-es, PI. -e): einfältiger Mensch
(Kleist zerbroch. Krug 444). Aus dem Ndd. ;
Kindleben 1781 verzeichnet Flabbs «grober
Mensch», Danneil Flahhs «Lafie». Wahr-
scheinlich mit ableitendem -s (vgl. Taps,
Schnaps, Klecks) zu Flabhe, Flappe «Maul»
(s. d.) gebildet.
Flasche, f. (PI. -n)-. bauchiges Gefäß mit
engem Halse für Flüssigkeit. Mhd. vlasche,
alem. u. rheinfränk. vlesche, ahd. flasca f.;
dazu ndl. vlesch, ags. flasce, engl, flask, anord.-
schwed. flaska, dän. flaske f. Aus mlat.
flasca, ital. flasca, afranz. flasche, dem Fem.
zu mlat. flasco, ital. flasco. Vgl. Roethe
AfdA.23, 157. .ABL. Flaschner, m. : Hand-
werker, der blecherne Flaschen macht; (in
Süddeutschland) Klempner. Spätmhd. ZUS.
545
Flaser
Flanse
546
Flaschenfatter, n.: tragbares Flaschenbe-
hältnis zu Keisen. Ln 17. Jh. (Fleming 582).
Flaschenzug, m.: Hebewerkzeug aus zwei
Flaschen oder Kolben. Bei Dentzler 1709.
Flaser, f. (Goethe XW. Schi-, 9, 60): wie
Flader (s. d.). Um 1480 flasir am schuch
^ Schuhriemen» Voc. incip. teut. g 2^. Das
lautliche Verhältnis zu Flader ist dunkel.
ABL. flasern, v.: in geflasertes Holz, bei
Lohenstein Armin. 2, 317.
Flatschen, m. (-s, PI. wie Sg.): breites
Stück wovon, Haufen, Fetzen. Bei Lessing
12, 518. 522. 523. In ndd. und md. Mund-
arten, auch als Flatsche, f. Mild, vlatsche,
vletsche f. «Schwert mit breiter Klüige», wohl
zu ahd. flaz «flach». Vgl. auch fletschen.
Flatterie, f. (PI. -n): Schmeichelei. Bei
Schiller Kab. u. L. 1, 5. Das gleichbed. franz.
flatterie f., von fiaiter (s. flattieren).
flattern, v.: mit schnellem Aufundnieder-
schlagen sich durch die Luft oder in ihi-
bewegen; sich unbeständig schnell hin- und
herbewegen. Älternhd. fladern, bei Luther
(Jer. 51, 27, Weish. 2, 3) fladdern, 1482 im
Voc. theut. il^ flader n «hell auflodera» (so
noch Schweiz.), spätmhd. (Fastnachtssp. 1277)
flatern; daneben erscheint mhd. in gleicher
Bed. vledern (s. Fledermaus) und vlodern
(s. fl/ydern), im 16. Jh. auch flitteren, vgl.
engl, flitter «flattern», flutter «flattern, flackerm)
(aber ags. flx)trian ist zu fleotan «fließen» zu
stellen). Der Stamm gehört mit Falter (s. d.)
zusammen, s. auch Flader. Stieler 1691 und
Steinbach 1734 führen noch fladern, Schottel
1663 und Ludwig 1716 fladdern an, daneben
findet sich bei Maaler 1561 floderen, flotteren,
flutteren, auch bei Schottel 1663 flotteren,
flutter en und noch bei Ludwig 1716 flottern,
flattern. ABL. Flatterer, m. {-s, PI. wie
Sg.), im 16. Jb. flatterhaft, adj., im
17. Jh. flatterig, adj., im 16. Jh. fladericht.
ZUS. Flattergeist, m., bei Luther Flad-
d ergeist.
flattieren, v. : schön tun, schmeicheln.
Aus dem gleichbed. franz. flatter, das auf
ein mlat. *fl^titare, eig. «anblasen» zurück-
geführt wird, abgeleitet von lat. flatus m.
«Hauch», Schon 1556 bei Frisius 44». 127^
ABL. Flattierer, m.: Schmeichler. 1556
bei Frisius a. a. 0.
flau, adj. u. adv.: matt, schlatf, schwach
(auch von Waren hinsichtlich ihres Absatzes).
Aus dem gleichbed. ndd. flau (1767 im Bre-
mischen Wörterb. als «lau, schal, kraftlos»,
Weigaud, Deutsches Wörterbuch, 5. Aufl.
auch als Kaufmannsausdruck angefühi-t), ndl.
flauw (1599 bei Kilian) «ohnmächtig, schwach,
blaß, bleich, gleichgültig», das auf afranz.
(picardisch und hennegauisch) flau, floi, nfranz,
flau zurückgeht; dies leitet man von dem
deutschen lau (s. d.), ahd. läo, fiüher hläo
(mit Übergang des h in f, s. Flanke) ab.
Im Hd. zuerst im 18. Jh. bei Winckelmann
(t 1768) 5, 193 in der Bed, «matt» von einer
Farbe, 1775 von Adelung ins Wörterbuch
laufgenommen; Heynatz 1796 führt es aber
noch als ndsächs. Ausdruck an. ABL. flauen,
|V.: flau sein, werden, Flauheit, f., ndl,
1599 bei Kilian flauwheyd.
Flaum, m. (-5): die weichen Bauchfedern,
der erste zarte Federwuchs der Vögel ; erster
Bartwuchs; weiche Wolle an Obst. Auch
Flaume, (PI. -n)-. weiche Bauchfeder der
Vögel. ^Ihd. pflüme, in md. Quellen plünie
f. «Flaumfeder», wie ndl. pluim, ags. plimi
in plümfedere f. entlehnt aus dem gleichbed.
lat. plmna f. Im 16. Jh. findet sich neben
Flaum, Pflaum auch (diux-h den Einfluß von
Feder''!) Flaum (neben andern Formen bei
Dasypodius, Maaler); doch erhält sich Pflaum
I bis ins 18. -Ih, (Frisch 1741 verzeichnet es
noch) und wird z, B, von Weiße, Wieland
Ob. 10, 22, Hölty 17, 82, J. M. Miller, Göckingk
(2, 51), H. L. Wagner, Schiller (Raub. 1, 2)
und Goethe 6, 43, (vgl. die Anmerkung) ge-
\ braucht, auch jetzt noch obd, ABL. flaumig,
adj,, im 18. Jh., bei Keisersberg Büg. 10^
pflumig, noch bei Schiller 13, 56 pflaumicht.
ZUS. Flaumfeder, f., mhd. pflümveder f.,
ags. plUmfectere, noch bei Kant 8, 191 und
Herder zur Rel. 5, 385 Pflaumfeder, flaum-
weich, adj.: weich wie Flaum.
Flaus, Flausch, m. {-es, PI. -e): Büschel
Wolle; dickwolliger Rock. Aus mnd. vl^s,
I vlüscli «Schaffell, zottiges Fell», 1475 clevisch
fluesch (Teuthonista). Zu Vlies (s. d.). Frisch
1741 und Adelung kennen Flausch nur m
der 1. Bed., Kindleben 1781 führt aus der
Studentensprache Flausch als «eine Art be-
I quemer Überrock» (auch bei Heine 1, 26) an,
I daneben ist auch die Form Flaus gebräuch-
1 lieh. ZUS. FlausrOCk, m., bei Voß 2, 188.
I Flause, f. (meist im PI. -n): unrichtiges,
irreführendes Vorgeben, Vorspiegelung, ins-
besondere schwankartige. Die ältre Form
ist das im 17. Jh. mehrfach belegte, auch
jetzt noch mundartliche Fausen «Torheiten,
Albernheiten, Schnurren» (bei Krämer 1678
und Rädlein 1711 seine Fausen haben «mond-
547
Flaute
Fledermaus
548
süchtig sein»); dies berührt sich wieder mit
dem nordd. Fusen, Kunkelfusen «Ausflüchte,
Spiegelfechtereien, Schikanen», bei Stieler 443.
Die Grundbedeutung von Pause (Flause)
dürfte «Büschel Haare oder Wolle, Flocke,
Zotte» gewesen sein (vgl. Zote und Schweiz, j
fausel m. «Büschel von Haaren oder Fasen»),
daraus hat sich die Bed. «Nan-heit, Albern- 1
heit, Vorspiegelung» entwickelt. Flause neben
Fluse 1781 bei Dähnert und bei Adelung. Im
Schweiz.-Elsäss. ist Maus auch «Ohrfeige».
Flaute, jS'ebenform von Flöte (s. d.). .
Fläz (mit a), m. (-es, PL -e) : dummgrober
Mensch. In der Umgangssprache. Zuerst 1611
bei Helvig 124: Flöetz als pommersches Dialekt-
wort aufgeführt, dann bei Schottel 1663 Flotz,
bei Stieler 1691 Flätz, Flötz «unverschämter
Mensch». Vielleicht zu mhd. vletzen «breit
da liegen oder lagern», abgeleitet von vletze
n. «Fußboden» (s. Fletz und Flöz), also eig. \
«der sich in flegelhafter Weise breit macht», j
bei Mathesius Luther (1576) 136^ sich fletz- 1
sehen, noch obersächs.-ndd. sich hinfläzen «sich \
breit hinsetzen oder legen».
Flechse, f. (PI. -n)-. spannende Muskel-
und Gelenkfaser im Fleische. Erst im 17. Jh.
(bei Henisch 1616 Flechs), fmher dafür Flachs-
ader. Also von Flachs wegen der Feinheit
des Fadens und des Bindenden.
Flechte, f. (PI. -n): biegbares ineinan-
der Geschlungenes; geflechtartig sich aus-
dehnendes Laubmoos; geflechtartig um sich
greifender Hautausschlag. Mhd. vlehte f. in
der 1. Bed.; dazu got. (mit Ablaut) fl^hta f.
«geflochtenes Haar, Zopf». Von flechten,
V. (Prät. flocht, Part, geflochten): ineinander
schlingend verbinden oder hervorbringen. Mhd.
vlehten, ahd. and. flehtan; dazu andl. vlehten,
anord. fletta. Übereinstimmend mit dem
gleichbed. lat. plectere, abg. plesti und ohne
das ableitende t lat. plicäre «zusammenbiegen,
falten», gr. hX^kciv «schlingen, flechten», aind.
pragnas m. «Geflecht, Korb», vgl. auch Flachs.
Das Prät. lautet mhd. vlaht, PI. vlähten, md.
aber vluhten, mnd. vlehten, darauf geht der
nhd. Sg, fl/>cht zurück, dessen sich schon
Luther bedient (flachte), während im Obd.
anfangs flacht bleibt. Vereinzelt Übergang
zur schwachen Flexion.
^ Fleck, m. (-es, PI. -e): Stück eines
Ganzen; Stück Zeug, Lappen; Raumpunkt
(selten als n. z. B. Schiller Turandot 2, 4,
Goethe 18, 29). Mhd. vlec, auch vlecke m.
«Zeugstück, Lappen, Fetzen, Stück Land,
Platz, Raumpunkt», spätmhd. auch «Stück
vom Magen oder Eingeweide» (s. Kuttelfleck),
ahd. flec (Gen. flecches) m. «Stück Zeug,
Lappen». Das Wort gilt als identisch mit
dem folgenden, doch sind vielleicht ver-
schiedene Worte zusammengeflossen. Dazu
mit Ablaut anord. flik f. «Lappen». ABL.
flecken, v.: durch einen aufgesetzten Fleck
(Lappen) ausbessern; vom Flecke kommen,
von statten gehen. Mhd. vlecken «vom Flecke
schafi"en, fördern». S. auch flicken.
-Fleck, m. (-es, PI. -e), meist Flecken,
m. (-S, PI. wie Sg,): andersfarbige Stelle;
andersfarbige Stelle als Fehler. Mhd. vlec
und mit schwacher Flexion vlecke, ahd.
fleccho, flecko m.; dazu ndl. vlek f., engl.
fleck, anord. flekkr, schwed. fläck m. S. das
vorige Wort. Luther hat Fleck und Flecke,
woraus später mit angetretenem n und Über-
gang zur starken Flexion Flecken (Flecke
noch Herder Cid Nr. 11); daneben erhält sich
die küi'zere Form Fleck, namentlich in Zu-
sammensetzungen wie Schand-, Schmutzfleck.
ABL. flecken, v.: Flecken geben, durch
andersfarbige Stellen zeichnen. fleckig,
fleckicht, adj.: Flecken habend. Mhd. vleckic
und vleckeht (bei Boner Edelstein 96, 34
Hds. B flekig) «andersfarbige Stellen habend,
beschmutzt» (bei Luther mit geschwundenem
ch flecket).
Flecken, m. (-s, PI. wie Sg.): Dorf städ-
tischen Ansehens. Mhd. vlecke m., eins mit
dem vorigen Flecken, mit angetretenem n.
Die jetzige Bed. kommt im 15. Jh. und
bei Luther vor (marktfleck schon am An-
fang des 14. Jh. bei Ködiz 87, 24); sie ist
ebenso wie bei Ort (s. d.) entstanden. Auch
ndl. vlek n.
Fledermaus, f. (PL -mause): fliegende
Maus. Bei Luther F. und Fleädermaus,
mhd. vledet'müs, ahd. fledarmüs f., daneben
fledaremustro; dazu ndl. vledermuis f.", engl.
flittermouse, im Ags. dagegen hreade- ' oder
hreremüs f. Zu ahd. fledirön, mhd. vlederen-,
bayr. fledern «flattern (s. d.), mit den Flügeln
schlagen» und Maus trotz Koegelldg. Forsch.
4, 319, Auch auf den Schmetterhng über-
tragen, mhd. vledermüs «NachtschmetterHng,
Motte», 1469 im Voc. ex quo fleddermusche,
aber von der Maus fleddermuße, bei Alberus
dict. X X 3^ fledermausz, odder zweyf alter,
fleugt inns Hecht, noch in der hess. Provinz
Starkenburg, wo dann für die eigenthche
Fledermaus die Benennung Speckmaus gilt
549
Flederwisch
Fleiß
550
(s. d.). Dazu elsäss. Fledermäusel, tirol. flättr-
maus «Schmetterling».
Flederwisch, m. {-es, PI. -e): Gänse-
flügel zum Abwischen. Mhd. vederwisch m.,
bei Keisersberg federwüsch, bei Luther fedder-
ivüsch; dazu ndl. vederwisch f. Das l ist
eingeschoben (wie in Mause, Geflügel) mit
Anlehnung au fledern, gleichsam «Wisch zum
Abfächeln», zuerst im 15. Jh. (Fastnachtssp.
73, 9). Bei Goethe Faust 3706 verächtlich
für Degen.
Flegel, m. (-S, PI. wie Sg.) : Stab mitKlöpfel
zum Ausschlagen; (bildlichj derber, grober
Mensch (vgl. Bengel). In der eig. Bed. mhd.
vlegel (Nebenform phlegel noch 1615 beiMesser-
schmid lust. Narrheit 175, ndd.plegel), ahd.flegil
m. ; dazu ndl. vlegel, ags. fligel m., engl, flau,
wahrscheinlich entlehnt aus lat. flagellum n.
«Peitsche», um 400 n. Chr. auch «Dresch-
stab», wotier auch franz. ^eaM, afranz. ^aeZ m.
«Dreschflegel». Das ältre deutsche "Wort
dafür ist Zh'ischel (s. d.). Die Bed. «Grobian»
(1551 bei Scheidt Grob. 3129) urspr. wohl
vom Bauern, der den Dreschflegel handhabt,
bei H. Sachs 14, 61, ist Flegel Bauera-
name. ABL. Flegelei, f , 1678 bei Krämer.
flegelhaft, adj., 1691 bei Stieler. ZUS.
Flegeljahr, n., gewöhnlich im PI.: die
Jahre jugendlicher Ungesittetheit, 1804 durch
J. Pauls gleichnamiges Werk eingebürgert,
ZfdW.9, 280 aus dem J.1788 belegt. ■ flegeln,
V.: dreschen, mhd. vlegelen, im 16. Jh. in
Übertrag. Bed. «schlagen», 1716 bei Ludwig
«jem. Flegel heißen»; intr. «Flegeleien be-
gehen», bei Voß 4, 44: refl. «sich bäurisch
benehmen».
flehen, v.: angelegentlich, inbrünstig, de-
mütig bitten. Mhd. vlehen, vlegen, ahd. flehön,
flehan «schmeicheln, freundlich zureden»,
dazu and. flehon «liebkosen, schmeicheln»,
got. gaplaihan <' freundlich zureden, liebkosen,
trösten», gaßlaihts f. «freundliches Zureden,
Trost», anord. flär, ags. fläh «falsch, hinter-
listig». Unbekannter Herkunft, kaum mit
Osthoff Btr. 13, 399 zu gr. XaiKdc «Hure»,
lät. lena f. «Kupplerin», vgl. Walde s. v. Die
Person, zu der man fleht, steht mhd. im
bloßen Dat. oder Akk., dies hat sich bei
Dichtem bis in neuere Zeit erhalten, der
Dativ z. B. bei Klopstock Mess. 4, 182, Wie-
land 28, 7, der Akk. bei Schiller Karlos 1, 2.
ABL. flehentlich, adj., mhd. vlehelich, auch
flehentlich, bei Luther flehlich, 1616 beiHenisct
fleh-, fl.ehenlich, 1691 bei Stieler flehendlich.
j Aus dem Part. Präs. gebildet (wie hoffentlich,
, wissentlich).
\ flei(h)en, v. : in Ordnung bringen, putzen,
dialektisch im Nordd., besonders in der Zu-
sammensetzung sich auffleie7i. Aus nd. flien,
as. {gi)flllian «den Sinn auf etwas richten»,
ndl. vlijen, fries. flie «ordnen».
Fleisch, n. (-es): die weiche Masse des
tierischen Körpers, dann die saftige Masse
der Pflanzen. Mhd. vleisch, ahd. fleisk n.,
dazu asächs. flesc, ndl. vleesch, afries. fläsc,
ags. flcesc n., engl, flesh. Die urspr. Bedeutung
scheint «fettes Fleisch» zu sein, da anord.
flesk n. «Schinken, Speck», schwed. fläsk, dän.
fleskn. «Speck» bezeichnet. Weiter sind wohl
verwandt anord. flikki n., ags. flicce n., engl.
,flitch «Speckseite». Denselben Stamm ent-
I halten möglicherweise lit. pältis «Speckseite»,
abg. plütü m. «Fleisch». ABL. fleischen,
V.: Fleisch ablösen; Fleisch abschaben; mit
Fleisch versehen; fleischliche Gestalt an-
nehmen; mhd. vleischen, ahd. fleiscön in zu-
I ^mcöw «zei-fleischen». Fleischer, m.: der
' handwerksmäßig Vieh schlachtet und das
Fleisch zum Verkauf aushaut. In Norddeutsch-
land (süddeutsch Metzger). 1470 fleischet' in
Diefenbachs mlat.-hd.-böhm. Wbch, 61, da-
sregfen bezeichnet mhd. im 14. Jh. vleischer
«den Henker», während man den Schlächter
vleischhouwer, fleischouwe^- oder vleischhacker,
auch fleischel m. nannte. Dazu Flcischcr-
gang, m.: vergebliche]- Gang (weil der
Fleischer nach Kälbern oft vergebens über
Land geht), 171 1 beiPädlein. fleischern, adj.:
aus Fleisch bestehend, bei Luther (Hesek.
11, 19. 36, 26), mhd. dagegen vleischin, ahd.
fleisMn. fleischig, adj., auch fleischicht,
^ spätmhd. vleischic «fett», fleischlich, adj. :
körperlich; sinnlich; mhd. vleischlich, ahd.
fleisclich, dazu and. fleskUk, afries. fldsklic,
ags. flcesclü. .Z'ZJS. Fleischbank, f: Schlacht-
bank, Schlachthaus, mhd. vleischhanc. Fleisch-
brühe, f , 1482 im Voc. theut. h 7*^ flaischpru,
bei Steinhöwel 221 flaischhrü. Fleischfarbe,
f., 1616 bei Henisch. fleischfjirben, adj.,
1711 bei Kädlein fleisch farh. Fleischtopf,
m., bei Luther (2. Mos. 16, 3).
' Fleiß, m. (-es) : worauf verwandte eifrige
: sorgfältige Tätigkeit. Mhd. vli§, ahd. vlig m.
«Eifer, Sorgfalt»; dazu asächs. y^f^m. «Kampf,
Kampfeifer», ndl. vlijt f «Fleiß», ags. flit n.
«Ärgernis, Streit». Vielleicht mit lat. lis, litis
'f., alat. s^fe «Streit, Zank» zu verbinden mit
s-losem Anlaut und anderm Auslaut (aus -tnT).
35*
551
flektieren
fliehen
552
Dazu fleißeu, V. (Rom. 15, 20), jetzt befleißen
(s. d.), rnhd. vligen, ahd. fli^an «Sorgfalt
woran wenden», and. and flitan« sich bemühen,
streben», ags. ^?faw «kämpfen, streiten», engl.
fiite «zanken, streiten». ABL. fleißig, adj.,
mhd. vltgec, ahd. flipc, mndl. vlitech. Davon
älternhd. fleißigen, V. refl., bei Luther, mhd.
vlizigen, heute sich befleißigen.
flektieren, v.-. biegen, insbes. ein Wort.
Erst spät im 18. JTh. Aus gleichbed. lat.
fledere.
flennen, v.: mit verzogenem Munde weinen
(Schiller Raub. 1, 2). Eig. den Mund ver-
ziehen, zum Hohnlachen (Lohenstein Ibra-
him 2) oder zum Weinen, ahd. flammen «den
Mund verziehen», neben mhd. vlans m. «Maul».
Unbekannter Herkunft. 1540 bei Alberus
dict. Ji 3'^ ich flenn «strecke die Zunge heraus»,
1559 bei S. Franck verbütschiert Buch 145*^
flannen «weinen», in gleicher Bed. 1691 bei
Stieler flennen neben dem Subst. Flanner m.
S. Flunsch.
Flet, n. {-es, PI. -e), auch Flete f. (PL -n) :
schiffbarer Kanal der Stadt. Aus mnd. vlet n.
«Fluß, Rinnsal», von mnd. vielen «fließen».
Bei Adelung flethe f. S. Fließ.
fletschen, v.: ins Breite dehnen; flach, breit
schlagen; die Zähne zeigen. Mhd. vletschen
«die Zähne zeigen», vletzen «ausbreiten», zu
ahd. flaz «flach, platt». S. Flöz, Fläz. ZUS.
FletSChzahn, m. : hervorstehender, von der
Lippe nicht bedeckter Zahn.
Fletz, n., selten m. (-es, PI. -e): Fuß-
boden, Hausflur. Altemhd. und noch in
Bayern. S. Flöz.
Flexion, f. (PI. -en): Biegung, insbes.
Veränderung eines Wortes zur Bezeichnung
grammatischer Verhältnisse. Erst spät im
18. Jh., aus lat. flexio f. «Biegung» (nur in
1. Bed.), von lat. flectere «biegen». S. flektieren.
Flihüstier, m. {-s, PI. wie Sg.): See-
räuber. In der zweiten Hälfte des 17. Jh.
auf den Antillen so benannt nach den leichten
Schiffen, den Flibusten, deren sich diese Frei-
beuter bedienten. Flihuste, f., aus engl.
fiy-boat «fliegendes Eilboot», franz. flibot m.,
hoU. vlieboot.
Flicken, m. (-«, Pl. wie Sg.), daneben
Flicke, m. {-n, PI. -n): Stück Zeug zum
Ausbessern. Aus nd.flikke. 1775 bei Adelung.
Von flicken, v. : eine schadhafte Stelle aus-
bessern, mhd. vlicken «einen Fleck (Lappen)
aufsetzen», s. -^ Fleck. Dazu Flicker, m.,
bei Luther Tischr. 200^; Flickerei, f., 1664
bei Duez. Flickwerk, n., im 15. Jh. in
den Fastnachtsp. 793, 10. Flickwort, n.,
1641 bei Schottel 360.
Flieder, m. (-s) : der Holunder, sambueus
nigra. Aus dem Ndd. 1616 bei Henisch
Fiederbaum und Fliederbeer, 1574 bei Fischart
Onomast. 192 Flidder, Flier, Vlierbaum, mnd.
vleder, 1420 bei Diefenbach Gl. 509 '^ vlieder,
1599 ebenfalls als nd. bei Kilian 626^ vledder,
ndl. vlier. Dunklen Urspinmgs. A.ucb auf
die Syringe übertragen, 1741 bei Frisch
spanischer Flieder.
Fliege, f. (PI. -w): das geflügelte Insekt
lat. musca. Mhd. vliege, ahd. flioga, fliega,
and. fliega, ndl. vlieg, ags. fleoge f., engl, fly,
aber auch ahd. als Nebenform fliuga, mhd.
fliuga, fleuge, älternhd. fleug, 1537 bei Dasy-
podius T 1^ flieg, mit kurzem Vokal anord.
fluga, schwed. fluga f., dän. flue. Von fliegen,
V. (Prät. flog, Part, geflogen) : sich schwingend
und schwebend durch die Luft bewegen und
von derselben getragen werden. Mhd. vliegen,
ahd. fliugan, fliogan; dazu ndl. vliegen, afries.
flioga, ags. fleogan, engl, fly, anord. fljüga,
schwed. flyga, dän. flyve. Obwohl infolge
ilirer Begriffsverwandtschaft bis in neuere
Zeit oft miteinander vermengt (Luther 5, 294^,
Spr. Sal. 23, 5, Schiller 8, 167), sind fliegen
und fliehen etymologisch nicht verwandt, wie
der urspr. Anlaut im got. pliuhan «fliehen»
und im got. Faktitiv usflaugjan «emporfliegen
machen» zeigt. Etymologisch ist das Wort
nicht sicher aufgeklärt. Einige stellen es
zu lat. plüma f. «Flaumfeder, Flaum», lit.
plünksna f. «Feder», vgl. Walde s. v. Andre
denken an Ableitung von einer Wz. plu
«fließen» (s. d.). Das Präs. flektiert in der
2. und 3. Sing, älternhd. bis in die 2. Hälfte
des 18. Jh. und noch dichterisch im 19. Jh.
fleugst, fleugt (Wieland Idr. 114, Schiller Teil
3, 1), der Imp. fleug (Lessing 1, 101, ühland
173), entsprechend dem mhd. vliugest, vliuget,
vliuc; das Prät. mhd. vlouc, PI. vlugen, md.
vlöc, vlög, danach die nhd. Formen fl/)g, PI.
flogen gebildet. ZUS. Fliegengott, m.:
Bezeichnung des Teufels nach der Übersetzung
von Beelzebub in der Septuaginta.
fliehen, v. (Prät. floh, Part, geflohen) :_
sich schnell wovor fortbewegen, davonmachen
(mit sein, doch trans. mit haben). Mhd.
vliehen, ahd. fliohan; dazu asächs. fliohan,
ndl. vlien, ge^fv^öhnlich vlieden, afries. flia,
ags. fleon, engl, flee, anord. fiyja, schwed. fly,
dän. fly, got. mit urspr. p im Anlaut pliuhan
553
Fliese
FUnte
554
(s. fliegen), fliehen ist von Osthoff Btr. 13,
412 zu lit. lekiü, lekti «fliegen», lett. lecu, lekt
«springen, hüpfen», lat. locusta «Heuschrecke»
gestellt, bei denen ein Dental im Anlaut ver-
loren gegangen sein kann. Der abweichende
VokaUsmus (auch in got.j5Za/jsjaw«erschrecken»)
beruht entweder auf germanischer Neuerung
oder ist im Idg. entstanden. Die beiden
Worte verhielten sich wie gr. qpeßonai zu
cpeuYuu. Die 2. und 3. Sing, des Präs. lautet
ältemhd. und dichterisch bis in die Neu-
zeit fleuchst, fleucht (Klopstock, Voß), der
Imp. fleuch (Schiller Käub. 3, 1) entsprechend
dem mhd. vliuhest, vliuhet, vliuch; das Prät.
mhd. vloch, PI. vluhen, noch ältemhd. im
16. Jh. floch und flouch, ältermd. vlö und
danach die nhd. Formen floh (daneben flöhe,
bei Luther und noch bei Schiller Karlos 1965),
PL flohen.
Fliese, f. (PI. -n)-. dünne viereckige Stein-,
Tonplatte zur Bekleidung von Fußböden und
Wänden. 1681 bei Scriver Seelenschatz 1, 700,
aus dem gleichbed. nd. flise, ndl. vlijs, anord.
flis f., schwed.-dän. flis «Spütter, Stück».
Vielleicht verwandt mit ir. sliss «Schnitzel»
aus *s(p)lissi.
Fließ, m. n. {-es, PI. -e): kleiner Fluß.
Mhd, vlie§ m. n., mnd. vlet (s. Fleet), ndl.
vliet m. Von fließen, V. (Prät. floß, Konj.
flösse, Part, geflossen): 1) mit sein: bei eigner
Beweglichkeit in den Teilen zusammenhangend
sich fortbewegen; von solchem sich Fortbe-
wegenden mitbewegt werden. 2) mit haben:
solches sich Fortbewegende von sich ausgehen
lassen {sein Auge hat von Tränen geflossen).
Mhd. vliegen, ahd. flio^an ; dazu asächs. fliotan,
mnd. vielen, ndl. vlieten, afries. fliata, ags.
fleotan, engl, fleet, anord. fljöta, schwed. flyta,
dän. flyde. Das Wort gehört zu Ht. plüstu
Prät. pludau «ich gerate ins Schwimmen»,
lett. plüdlt «ergießen, strömen», air. im-luadi
«exagitat» und weiter zu gr. ttX^uu «schiffe,
fahre», lat. pluit «regnet» usw. Das Präs.
flektiert in der 2. und 3. Sing, ältemhd. und
noch altertümlich fleußest, fleußt (Hagedom
Od. 47, Wieland, Bürger), der Imp. fleuß,
entsprechend dem mhd. vliuhest, vliuhet, vliuß;
das Prät. mhd. vlog, PI. vlu^^en, nach dem
Sing, der nhd. PI. flössen.
Fließpapier, n.: fließendes, empfangene
Tinte sich ausbreiten lassendes Papier. 1541
bei Frisius s. v. hibulus Flüßpapyr, 1561 bei
Maaler Fließpapyr.
Fliete, f. (PI. -n): scharfes Eisen zum
Aderlassen. Spätmhd. vliete, flieten, im 12. Jh.
fliedeme, ahd. fliedema, fliodema f., dazu ags.
flytme f. aus gleichbed. gr.-mlat. fleotomum n.,
gr.-lat. Phlebotomus m., von gr, (pXevjj, Gen.
(pXeßöc f. «Blutader», xeinveiv «schneiden».
flimnieil, V.: zitternden Schein, Lichtblitze
von sich geben. Erst im 18. Jh. im Ablaut
zu flammen entstanden (Zachariä, Bürger 237 :
es flimmt und flammt). Dazu das gleichbed.
flimmeru,v., 1696 bei Reuter Schelmufsky65
{es flimmerte undflammerte): femer Flimmer,
m.: beweglicher Glanz, zitternd glänzendes
Metallteilchen, 1734 bei Steinbach in Gold-
flimmer, 1741 bei Frisch «eine glänzende
Berg-Art, die taub und ohne Halt ist».
Flinder, m. {-s, PL wie Sg.): dünnes
flimmerndes Metallplättchen. Zuerst nach-
weisbar in einem Bericht von 1473 (Neue
Mitteilungen des thüring.-sächs, Vereins 2, 84):
mit t bei Goethe W. Meister 2, 4 Flinter.
Wie flandern neben flattern (Schmeller - 1, 792),
so Flinde)^ neben Flitter (s. d.), flinde^ni
(«flattem, in kleinen Stückchen umherfliegen»,
H. Sachs 9, 448, mhd, vervlindern «verflat-
tern, verlöschen») neben flittern, s, d.
flink, adj.: munter und mit Leichtigkeit
geschwind. Aus dem Nd. 1691 bei Stieler,
ndl. flink; aber 1716 bei Ludwig in der urspr.
Bed. «glänzend». Von flinken, v.: flimmern,
glänzen, 1663 bei Schottel (dazu mhd. kupfer-
vlinke m. «flimmerndes Kupferschüppchen»,
bayr. fla7ik, flunken m. «Funke»). Daraus
erweitert flinkem, v.: Lichtblitze von sich
geben (und so ins Auge fallen), 1640 bei
Zesen Helicon R3^, 1796 von Heynatz als
niedersächs. bezeichnet, bei Schiller WaUenst.
Lag. 3; vgl. flunkern. Dazu Flinker, m.
{-s, PL wie Sg.): flimmernder Schmuck, bei
Wieland 18, 140, Dim. Flinkerchen n.
Flins, m. {-es, PL -e): Name mehrerer
Steinarten. Mhd, vlins m., ahd. flins m.
«Feuerstein, Kiesel, Fels», s. Flinte.
Flinse, f. (PL -n): Läppchen als Abfall
beim Zuschneiden. Aus dem gleichbed. nd.
Flinse m., auch «Schnitzel».
Flinte, f. (PL -n): Schießgewehr mit
langem Rohre, 1663 bei Schottel. Von
engl, flint, ags. flint, mnd. vlint, mhd. vlins,
ahd. flins m. «Feuerstein, Kiesel», die zu gr.
ttXivGoc m., air. slind «Ziegel», aind. pitidas
m. «runde Masse, Klumpen» gehören, vgl.
Liden Stud. 18. Der Name kam auf, nach-
dem das Schießgewehr, das man sonst mittels
eines mit einer Lunte versehenen Rades los-
555
flirren
Floh
556
gebrannt hatte, mit einem Steinsclilosse ver- j
sehen worden war, in das ein Feuerstein 1
(Homstein) eingefügt war, eine französische .
Ei-findung um 1630, franz. fiisil ä silex, engl.
flint-lock, flint-musket
flirren, v.: in Zitterlicht, lichtblitzend
auf- und abschweben. 1663 bei Schottel in
der Bed. «hin- und herflattem». Zu diesem j
Stamm Flirt, m.(-5): Courmacherei, Liebelei;
Lehnwort aus engl, flirt. Um 1890 aufge-
kommen. Vgl. Ladendorf.
flispern, v.: flüstern, von Adelung er-
wähnt, bei Tieck romant. Dicht. 2, 474. Vgl.
fispern.
flistern, s. flüstern.
Flitter, m. (-5, PI. wie Sg.), auch f.
(PI. -n): leichtes (fliegendes) dünnes, Zitter-
licht werfendes Gold-, Silber-, Messingblech-
Stückchen; gehaltloser Schimmer fürs Auge.
Vgl. Minder. Die urspr. Bed. ist «unruhig
glänzendes Metallblättchen» (flammule, flittern
1517 bei Trochus L4% die flittern als heubt-
schmuck bei Luther Jes. 3, 20), dann vom
Ende des 16. bis ins 18. Jh. «kleine blinkende
Blechmünze», im 17. Jh. auch Benennung
des Zittei-grases [Flittern, Flittergras 1663
bei Schottel 1318), endlich abstrakt im 18. Jh.
(Klopstock 12, 186); dän.-schwed. flitter v.
aus dem Deutschen. Von flittern, v.: sich
unstät hin- und herbewegen (im 15. Jh.
fiyttern «flattern», von Schwänen, Altd. Wälder
1, 133, vom Zittern des Espenlaubs 1595
bei Rollenhagen Froschm. 2, 4, 2, dazu mengl.
fliteren «flattern»), daher unruhig glänzen
(im 18. Jh.). In der altem Sprache flittren
«flüstern» (Diefenbach mlat.-hochd.-böhm.Wb.
266 vom J. 1470), im 14. Jh. md. flettern
«leise lachen, kichern» (Mone altd. Schausp.
154,344), wovon md. gevlittern. «unterdrücktes
Gelächter» (Jeroschin 7884); ahd. mit weitrer
Ableitung flitarazzan «liebkosen, schmeicheln»,
wonach flittern vielleicht urspr. auch s. v. a.
«mit einem dem Zittern ähnlichen Bewegen
der Flügel schöntun», nochbeiH.Sachs(l,320^)
^2f#ern«liebkosen,schmeicheln». ZZ7/S. Flitter-
gold, n. {-es): in dünne Blättchen geschla-
genes Messing, Rauschgold. Bei Stieler 1691.
Flitterpappel, f. (PI. -n): Zitterespe. 1775
bei Adelung. Flitterstaat, m. {-es): mit
Flittern besetzter, eitler Putz. Bei Lessing
6, 238. Flitterwoche, f. (PI. -n): die erste
Woche Vermählter nach ihrer Hochzeit, die
«Kosewoche». Zu flittern «liebkosen» (s. 0.).
Bei H. Sachs (l, 388"^). Ähnliche Benennungen
sind Kußtvoche, Zärtelwoche , bayr. Kuder-
woche,\onkudern«'\ncherny>, Schweiz. Trütler-
ivoche, von trüteln. «liebkosen».
Flittich, m. {-s, PI. -e): Flügel, Fittich
(sächs. Weichbildrecht 165, 40); Rockzipfel.
In Mittel- und Oberdeutschland aus Fittich
unter Einfluß von fliegen, Flügel.
Flitzbogen, m. {-s, PI. wie Sg.): Bogen
zu leichten Pfeilen. Ältemhd. flischbogen
(Zimm. Chron. 2, 474, 10, flitschhogen 1556
bei H. Stade 187), auch pflitsch-, pflitzbogen,
nd. flitzbagen bei Chj'träus 1582, ndl. flitsboog,
zusammengesetzt mit älternhd. mnd. flitsch,
flitsche, flitz, ältemltd. auch pflitsche f., ndl.
flits m. «Pfeü» (auch tautologisch flitzenpfeil
H. Sachs bei Liliencron 4, 168, flitzpfeil
Fronsperger Kriegsb. 1, 138^, Fitschepfeil
Rückert Ged. 3, 267), das auf franz. fleche,
afranz. flesche f. «Pfeil» zurückgeht, dessen
Herkunft nicht bekannt ist.
flitzen, V.: sich pfeilschnell bewegen.
Erst in der neuem Sprache. Von älternhd.
flitz f. «Pfeib (s. Flitzbogen). Schweiz, flitschen
«schwin-en wie ein Pfeil, wie ein Peitschen-
schlag» (schon bei Frisius und Maaler), hess.
flitschen (schon 1556 bei H. Stade 172), flitzen
«mit Pfeilen schießen».
Flocke, f. (PI. -n) : Büschel leichten Stoffes,
z. B. der Wolle, des Haares, Schnees usw.
Noch bei Steinbach 1734 und bei Frisch 1741
Mast., mhd. vlocke, ahd. floccho m.: dazu
ndl. vlok f., engl, flock, (entlehnt) dän. flx)kke,
schwed. flocka. Vielleicht aus gleichbed. lat.
^occMSm., möglicherweise aber echt germanisch
und dann wohl zu fliegen. ABL. flocken, v. :
in Flocken niederfallen, sich absondern usw.,
1616 bei Henisch. flockicht, flockig, adj.
u. adv.: flockenförmig. Bei Henisch 1616
flockig, bei Steinbach 1734 flockicht.
flodern, v. (1517 bei Keisersberg Brösa7nlin
2, 91 ^ noch bei Schiller 1, 230), s. flattern.
Floh, m. {-es, PI. Flöhe): das springende
Insekt lat. pulex. Bei Luther 1. Sam. 24, 15
und noch 1722 bei Freyer 251 Floch, mhd.
vlöch m. und mit geschwundenem Auslaut
vlo f. (noch nhd. bei Dusch sowie Schweiz.
Floh f.), ahd. flöh m.: dazu mnd. vlo f., ndl.
vloo f., ags. fleak, flea f. (?), engl, flea, anord'.
flö f. Das Wort wird gewöhnlich abgeleitet
von ahd. fliohan, got. ßliuhan «fliehen», die
urspr. Bed. also «der Flüchtige, schnell Fort-
springende». Eher wird man aber lat. püIex
m. vergleichen, das allein steht und auf ein
*poulek zurückgeht, während das germ. Wort
00/
Flom
Floß
558
auf *plouk weist. ABL. flohen, flohen, v.: ■
Flöhe suchen und fangen. Bei Henisch 1616
flöheyi, bei Ki-ämer 1678 flohen. ZUS. Flöh-
krant, n. (-es): Polei, mentha pulegium,
und andre Pflanzen, weil sie zur Vertilgxing
der Flöhe dienten oder die Samen wie Flöhe
aussehen oder die Blätter wie mit Flohstichen
besprengt erscheinen. 1495 bei Brack 53^
flohenkraut,lblQ heiVimeisknus X8^ fiöchkrant.
Flom, m. {-[e]s, PI. -en), auch Flaum
und Flomen f-s): Bauch- und Xierenfett
des Schweines. In Norddeutschland. Da-
neben md. fleme, mhd. flcetne f. «innere Fett-
haut», Schweiz, flamme f. «Seite Schwein-
schmalz, wie man sie vom Tier abzieht».
Dunkler Herkunft.
•^Flor, m. {-es): Blüte, Blütenzustand,
Blumenfülle. Im 16. Jh. in aller flore sein
Zimm. Chr. 4, 256, 29, in bester Flom stehn
1588 bei J. Nas Glocke z. Erfurt 46, 1616
bei H. Ülr. Kralft 71 in flors Zeiten, bei
Krämer 1678 im F. gehen, aus lat. in flwe,
Ablativ von flos m. t Blume, Blüte». All-
gemeiner erst im 18. Jh. Aber schon mhd.
flore, flörie, ftöri f. aus dem Französ. ent-
lehnt (Wolfi-am Parz. 796, 5). Auch im Plur.
in Floribus: «im Blütenzustand, im größten
Wohlleben» f Fischart Garg. 149, Moscherosch
Phil. 2, 235), ursprünglich studentisch, wie
man denn 1690 in der Studentensprache,
wenn bei Biergelagen das Bierglas nach dem
Trinkkomment so geschickt ausgetrunken
wurde, daß es «von unten bis oben voller Schaum
und kleiner Blümlein geblieben», einen solchen
Trunk in Foribus nannte (TN'urm-Logia 62);
dann allgemein 1728 bei Sperander.
^Flor, m. {-es, PI. Flore, Fore): ein
dünnes durchsichtiges Gewebe, besonders
schwarz zum Zeichen der Trauer (schon bei
P. Fleming 309). 1650 bei Moscherosch Phil.
1, 44 Für, nach dem gleichbed. ndl. floers n.,
das, wie es scheint, auf den franz. Plur. fleurs
f. «Blumen», bildlich «die feinste, dünnste Sorte»
(aus lat. flos m.. Gen. flöris m.) zurückgeht,
vgl. auch ^Florett. ABL. floren, adj. (bayr.
flören): aus Flor bestehend, erst im 18. Jh.
ZUS. Florband, n. {-es, PI. -händer): flor-
ähnliches gestreiftes Band, 1716 bei Ludwig.
Flora, f. (PI. Foren): die Blumenwelt
eines Landes. Aus lat. Flora f. «Name der
Blumengöttin». 1813 bei Campe. :
Florbeseu, m. {-s, PI. wie Sg.): Mädchen .
vornehmer Eltern. Zu student. For m. *vor- \
nehme Damen». Aus der Studentensprache '
1825 nachgewiesen, gleichzeitig bei Haufi"
Memoiren des Satan 51.
^Florett, m. (-S, PI. -e): das obere grobe
Gespinst des Seiden wurms; Abfall von guter
Seide. 1678 bei Krämer Floret, wohl aus
gleichbed. ndl. floret f. (bei Henisch in der
Form Floröte), das aus dem gleichbed. franz.
fleiiret m. (1466 mlat. floretum n.) aufge-
nommen wurde, von franz. fl.eiir f. «Blume»
in der Bed. «Abfall und Ausschuß des Ge-
spinstes der Seidenraupe». ZUS. Florett-
band, n. {-es, PI. -Milder) : Band von Florett-
seide, bei Ludwig 1716 Forethand. Florett-
seide, f.: Flock-, Kauhseide, 1678 bei Krämer
Floretseide.
-Florett, n. (-5, PI. -e u. -S): Stoßdegen
zu Fechtübungen. 1678 bei Krämer Floret,
1742 bei Trichter Eeitlex. 804 Foret. Aus
gleichbed. fi-anz. fleuret, ital. fioretto, span.
florete m., so benannt wegen des blümchen-
ähnlichen Knöpfchens an der Spitze, zu lat.
flos m. (Gen. flöris) «Blume».
Floribus, s. ^For.
florieren, v.: blühen, in Aufnahme, ge-
feiertem Ansehen sein. 1639 bei Micrälius
1, 92, ndl. floreren bei Küian 1599. Aus lat.
flörere «blühen», von lat. flos m. «Blüte»;
daneben mlat. florare «mit Blumen zieren»,
woraus mhd. florieren «blühen machen, zieren»,
noch bei H. Sachs 9, 160.
Florin, m. {-s, PI. -e u. -.s): Gulden.
Aus mlat. florenus, florimcs m. (woher itaL
fiorino, franz.-span. floriii m.), die zuerst in
Florenz mit dem Wappen der Stadt, der
Lüie (ital. fiordaliso m., dessen fior aus lat.
flos m. «Blume») geprägte Goldmünze, mhd.
am Anfang des 14. -Jh. phenninge guldxn, die
da hei^ent florin Ottokar 34665. Von F. da?
Kürzungszeichen fl.
Floskel, f. (PL -n): Redeblume, zierliche
Redensart. Aus der Studentensprache (1781
bei Kindleben) allgemeiner geworden. Von
lat. floscuhis m. «Blümchen», dann «Rede-
zierUchkeit», dem Diminutiv des lat. flos m.
«Blume».
^Floß, n. {-es, PI. Föße mit langem o),
auch m. (Schiller 11, 297): zusammengefügte
Baumstämme zum Weiterführen auf fließen-
dem Wasser; (dichterisch) Schifi". Mhd. vlo^
m. und n. «Fluß, Strömung, Wasserfahrzeug»,
ahd. flo^ m. «Fließendes, Boot, Barke», fl6§-
scef «Floßschifi». Daneben Fotz m, 1537
bei Dasypodius, noch 1678 bei Krämer. Zu
fließen (s. d.).
559
Floß
Flotflle
560
-Floß, n. (Gen. Flosses, PI. Flösser, mit
kurzem o): kleines fließendes Wasser ; (wetter-
auiscli) Straßeni-inne, Gosse. In der 1. Bed.
1540 bei Alberus, md. 1326 vlo^ Baur hess.
Urk. 1, 289. Zu fließen (s. d.).
Flosse, f. (PI. -n): grätenvolle federartige
Schwimrahaut des Fisches: schwimmender
Kork am Saume des Zugnetzes; burschikos
auch «Hand». In der 1. Bed, mhd. vlo§^e,
ahd.floß^at, von fließen «schwimmen». ZUS.
Floßfeder, f. (PI. -n) -. Fischflosse. Spätmhd.
im 15. Jh. vlogvedei'e, and. bloß vethera f.
Flöße, f. (PI. -n) : Floß, zusammengefügte
Baumstämme als Wasserfahrzeug; Anstalt
zum Fortschafi"en von Holz auf fließenden
Gewässern und das Recht dazu. Bei Luther
Flösse «Floß», um 1480 Floße «Floß» Yoc.
ine. teut. g2^, aber 1482 Flose «Gewässer
zum Fortschafi'en der Flößen», mlat. traduc-
torium Voc. theut. i 1% nd. flöte f. Von
flößen, V.: fließen machen, (Holz) auf dem
Wasser befördern, mittelst Floßes fortschafi'en.
Mhd. vloß^en, ahd. flö^an, nd. flöten, Fak-titiv
zu fließen (s. d.). Daneben ältemhd. flötzen
(Hiob 14, 19), wie Flotz neben Floß. ABL.
Flößer, m. (-S, PI. wie Sg.): Floßknecht,
spätmhd. vlce^er, daneben älternhd. und noch
Schwab. Flötzer.
Floßfeder, s. Flosse.
Floßgalle, s. Galle.
Flöte, f. (PI. -n): Querpfeife mit Klappen;
in Norddeutschland Trinkglas mit langem
imten zugespitzten Kelche. In der 1. Bed.
1616 bei Henisch Föte, ältemhd. Feute (wie
noch nd.), mhd. vloite, flaute f.; dazu 1475
clevisch fleute, nmdl. flute, ndl. fluit f. Aus
dem gleichbed, afranz. flaute, später flute f.,
ital. flauto m. (daher bei Günther 588 und
Platen Gas. 119 Faute f.), zu afranz. flaiiter
«die Flöte blasen» (daher das gleichbed. mhd.
vloitieren), das von lat. flatus m. «Blasen»
stammt. Das mimdartliche Födüse, Fladuse
«Schmeichelei», nd. Feidüs, bei Campe 1813
Föte duse, bei Amaranthes 1715 fleute
dßuce f. ist das franz. flute douce «lieblich
klingende Flöte». ABL. flöten, v.: die
Flöte blasen, Flötenton hören lassen.
1616 bei Henisch flöten, älternhd. fleuten.,
mhd. floaten-, dazu mnd.-mndl. floiten, nd.
fleuten, ndl. flutten. Flötist, m. (-e«, PI. -ew):
Flötenbläser. Mit fremder Endung erst im
19. Jh., dafür früher i^öfer (bei Henisch 1616,
Föuter bei Maaler 1561), mhd. floytere (Var.
zu Pai-z. 19, 11), sonst floitiercere, floitierre n.
flöten in f. gehen: verloren gehen; sich
aus dem Staube machen. Erst im 18. Jh.,
zunächst nd. fleuten gähn (1743 bei Richey 9),
dagegen in der Wetterau plete gehn. üm-
deutschung des jüdischdeutschen pleite gehn
«flüchtig sich fortmachen», dessen j?Zeiie (spr.
plätte) das jüdische pletö «Flucht» ist, von
hebr. pälät «er ist entwischt».
flott, adj.: schwimmend (vom Schiffe);
(bildHch) reichlich aufwendend, d. h. gleich-
sam obenauf schwimmend, lebensfroh, flink.
In der 1. Bed. 1716 bei Ludwig flott seyn,
floß seyn «nicht am Gmnde festsitzen», 1695 in
Stielers Zeitungslust «flott werden», aus nd.
flot, ndl. vlot «auf dem Wasser treibend,
schwimmend, fließend», von fließen (s. d.),
nd. fleten, ndl. vlieten. Die 2. Bed. aus der
Studentensprache in der 2. Hälfte des 18. Jh.
allgemein geworden (1769 bei Bode Yorick
4, 100). ABL. flotten, V.: flott machen:
schwimmen, fließen. Zu mnd. vloten «flößen,
zu Wasser befördern, flott machen, fördern»,
anord. flota «flott machen».
Flott, n. (-es): Müchrahm (als Obenauf-
fließendes, 1763 bei Zachariä Hercynia Ges. l):
auf stehendem Gewässer seh wimmende Wasser-
linsen (Immermann Münchh. 2, 12). Aus dem
gleichbed. nd. flot m., von fließen (vgl. flott).
Auch sehwed. (entlehnt) flott n., ags. flet
und flyte f. «Rahm», engl, to fleet «ab-
rahmen».
Flotte, f. (PI. -n): Anzahl Schiffe unter
einem Befehlshaber. Erst seit dem 17. Jh.
verbreitet (dafür im 16. Jh. Armada, Schiff s-
zeiig), 1663 bei Schottel Motte, 1618 bei
Schönsleder Flott, 1599 bei Hulsius Schiff".
4, 5 Flotta (als Fremdwort 1617 im Teutschen
Michel 29 verspottet), aber schon um 1560
; bei Ulr. Schmidel 24, 27 floet, 1507 ein ganze
flut französische^' schiff Wilwolt v. Schaum-
burg 121 ; dazu mndl. vlote, ndfl. vloot, sehwed.
I flotta, dän. flode f. Aus dem gleichbed. franz.
flotte (das erst im 16. Jh. statt des altem
I navire, estoire übhch wird), ital. flotta, span.
flota f., die wahrscheinlich aus der Normannen-
zeit auf anord. /?ofi f. «Wasserfahrzeug, Floß»,
! dann «Flotte» zurückgehen, abgeleitet von
' anord. fljöta «fließen», wie ags. flota und
fleot m. «Schiß"», engl, fleet «Flotte» von ags.
fleotan «fließen».
flotten, V., s. flott.
Flottille, f. (spr. Fottillje; PI. -n): kleine
I Flotte. 1728 bei Sperander. Aus gleichbed.
i span. flotilla f.
561
Flöz
Flügel
562
Flöz, n. (-es, PI. -e): breites flaches Erz-,
Stein- oder Kohlenlager im Bergbau. Bei
G. Agricola 1546 fletze n., im Cod. dipl. ;
Siles. 20, 158 aus dem Anfang des 16. Jh. I
und 1562 bei Mathesius Sar. 307^ fletz: da- ;
neben bereits im 16. -Jh. flötz. Aus mhd.
vletze «geebneter Boden, Tenne, Hausflur,
Stubenboden, Lagerstatt», ahd. flazzi. flezzi n.
«Tenne, Hausboden»: dazu asächs. fletti, flet
«Saal, Wohnung», nd. flet «Bodenfläche für
die Betten im Hause», ags. flet «Estrich,
Saal», anord. flet n. «Fußboden des Hauses».
Abgeleitet von ahd. flaz, and. flat, anord.
flatr «flach, platt/.. S. FUiz.
Fluch, m. (-es, PL Flüche): Anwunsch
eines Übels; Böses anwünschendes Schwur-
Tvort. ^Ihd. vluoch, ahd. fluoh m.; dazu nd.
flok, ndl. vloek m. Von fluchen, v.: Böses
an wünschen; mhd. vluochen, ahd. flicochon mit
einem erhaltenen starken Part, ahd.arfluahhan.
farfluahhan «verworfen, böse», asächs. far-
flöcan «verflucht», mndl. vloeken. ags. flöcan
«schlagen». Wurzelverwandt mit dem nur im
Prät. Plur. fcnflökun erhaltenen got. flökan
«beklagen», der Lautverschiebung gemäß zu
la,t. plangere «schlagen (an Brust und Arme),
laut trauern^, pläga f. «Schlag», gr. TtXirfvüvai
und TrXficceiv «schlagen», irXriTri f. «Schlag»,
und mit Tenuis im Auslaut wie häufig abulg.
plakati «klagen, weinen», lit. plakü «schlage,
züchtige» u. a. Aus dem Germ, stellt Holt-
hausen Idg. Forsch. 17, 295 noch hinzu mengl.
fliehen «reißen, schlagen», engl, flieh «stehlen,
rauben ».
^Flucht, f.: eiliges Sichwegbewegen wo-
vor. Mhd. vluht (Gen. vlühte), ahd. fluht f.;
dazu and. fluht, mnd.-mndl. vlucht, ndl. vlugtf.,
engl, flight, aus dem Deutschen entlehnt seh wed.
flykt m., dän. flugt «Flucht». Zu fliehen (s. d.,
sowie ^Flucht). Davon flüchten, v.: (trans.)
eilig wovor fortbewegen ; (intr. und refl.) eilig
wovor fliehen. ^Uxd. flüchten (nur als Litrans.
Txad selten, dafür als Trans, und Refl. mhd.
vlcßhen, vlcehenen, ältemhd. flöhen, flöhten),
mndl. vluchten, ndl. vlugten, schwed. flykta
«fliehen»; aber ahd. fluhten «fliehen machen,
in die Flucht treiben», flüchtig, adj. und
adv.: auf die Flucht sich begebend, auf der
Flucht seiend, leicht oder schnell fliehend;
danach schnell wie ein Fliehender, rasch
vorübergehend, schnell verfliegend (1562 bei
Mathesius Sar. 50*); oberflächlich. In der
1. Bed. mhd. vlühtec, vlühtic, ahd. fluhtig;
dazu as. and. fluhtig, ndl. vhigtig. Davon
Weig and, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Flüchtigkeit, f., I69i bei Stieler. Flücht-
ling, m. (-.s, PI. -e): der Fliehende, 1691 bei
Stieler.
'Flucht, f.: zusammenfliegende Schar
Vögel, zusammenhängender Flug; (übertragen^)
zusammenhängende Reihe, die Richtung einer
geraden Linie, z. B. in Bauflucht f. Im 18. -Jh.
Zu fliegen (s. d.). Aus dem gleichbed. nd.
flugt ( brem. ^Vb. 1, 411), mnd. vlucht f. «Flug,
Flügel, Geflügel»; dazu ndL vlu^t f., ags.
flyht m., engl, flight «Flug», die, abgesehen
vom ags., zugleich die Bed. von ^Flucht (s. d.)
haben, wie sich auch fliegen (s. d.) und fliehen
vermengen. ZUS. Fluchtlinie, f. Zu der
2. Bedeutung von F. Im 19. Jh.
Fluder, m. n. (-s, PI. wie Sg., bayr.
auch f.): breites viereckiges Brettergerinne
zum Durchlaufen des Wassers im Berg- und
Mühlenbau. ^Ihd. vloder, fluder n. m. f.
«Mühlengerinne», auch «das Fließen, Fluten»,
und «das Holzfloß» (so noch bayr. Fluder f.),
ahd. fluder «Strom von Schweiß», fludar
cFloß:^. Desselben Stammes wie Flut, fließen
und anord. flaumr m. «Strömung, Flut». ABL.
fluderu, v.: Holz mittels eines Wetterbaches
in einen beständigen Fluß flößen. Bayrisch.
Flug, m. (-es, PI. Flüge): Schwung und
Schweben durch die Luft ; zusammenfliegende
Schar Vögel (1711 bei RädJein). In der 1. Bed.
mhd. vluc (PI. vlüge), ahd. flug m. ; dazu and.
flugi, ags. flyge m., anord. flugr m., flug n. Zu
fliegen (s. d.). Vgl. -Flucht. ZUS. Flugblatt, n.
(-es, PI. Natter) : fliegendes, schnell verbreitetes
Blatt mit Nacha-ichten usw., 1808 bei Campe.
Flugsand, m. (-es), 1775 bei Adelung.
Flugschrift, f. (PI. -en): wie Flugblatt.
1808 bei Campe.
Flügel, m. (-S, PI. wie Sg.): Flugglied
und ihm Ahnliches (z. B. die Seitenteile oder
Enden einer Truppe, eines Heeres [nach lat.
äla] eines Gebäudes); großes Klavier in Flügel-
gestalt (zu Anfang des 18. Jh.). In der urspr.
Bed. mhd. liügel, md. vltigel, nrhein. im 14. Jh.
vlogel, mndd. vloghel, ndl. vleugel m. Abge-
leitet von Flug (s. d.). ZUS. Flügel horn,
n. (-S, PL -hörner) : Signalhorn der Infanterie,
urspr. Horn der Jägermeister, die die Flügel
der Treibjagd kommandierten (1741 bei Frisch
in urspr. Bed., ein einfach altvaterisch Horn
1719 Fleming teutscher Jäger 106). Flügel-
kleid, n. {-es, PL -er) : Kinderkleid mit zwei
breiten flügelartig hangenden Streifen auf
dem Rücken (1735 bei Günther 439, bei Ama-
ranthes 1715 Flügelkappe): wie zum Fliegen
36
563
flügge
Flut
564
leichtes Gewand (Scliiller Jungfr. 5, 14).
Flügelmann, m. (-es, PI. -inänner) : der am
Anfang oder Ende einer Truppenreihe stehende
Soldat, 1741 bei Frisch. Flügeltür, f.
(PI. -en): Tür mit zwei auseinandergehenden
Hälften oder Flügeln, im 18. Jh. (1772 bei
Hölty Ged. 18 H.).
flügge, adj.: befiedert zum Ausflug aus
dem iseste; (bildlich) heiratsfähig, mannbar,
auch heiratslustig. Der Form nach entlehnt
aus nd. flügge (schon bei Luther Br. 2, 521
flügg), dafür älternhd. flücke, flück (noch bei
Maaler Müller 2, 78, Rückert Rostem Nr. 16),
mhd. vlücke, ahd. flucchi; dazu clevisch 1477
vhigg, vlugge, mndl. vlugghe, ndl. vlug, engl.
fiedge. Abgeleitet von Flug (s. d.).
flugs, ad 7. (in der Bühnensprache flügs):
in Flugesschnelle, im Fluge. Bei Luther
Luk. 16, 6, aber mhd. vluges, der adverbial
gebrauchte Gen. von Flug (s. d.). Älternhd.
auch fluchs, flucks, flux geschrieben (z. B.
bei Luther) und als Adj. verwendet (bei
H. Sachs 14, 173 der Komp. flüchser).
Fluh, f. (PI. Flühe, ungebräuchlich Flühen):
Felswand, Felsabsturz (Schiller Teil 4, 1).
Schweizerisch. Mhd. vluoch, gekürzt vluo,
ahd. fluoh f.; dazu ags. flöh (in flöh stänes
«Steinmasse»). Verwandt mit gr. iTXdE f.,
Gen. TrXaKÖc «Fläche, Bergfläche, Plateau».
Flunder, m, {-s, PI. wie Sg.), auch f.
(PI. -n): Art Scholle, pleuronectes flesus.
Nhd. Nebenformen Flunder, Flonder, Flinder.
Spätmhd. Anfang des 15. Jh. flunder, flander
neben fluider, flüder; dazu engl, flounder
(entlehnt aus dem Nord.), dän. flynder, älter
flundra, schwed. flundra f., anord. flydra f.
Zu einer "Wiu'zel plat «breit, flach», die noch
in Fladen (s. d.), lat. planta «Fußsohle», gr.
TrXaTÜc «breit» vorliegt, also eig. «Plattfisch».
flunkern, v. : Zitterschein von sich geben,
schimmern (Voß Id. 11, 71, ndl. flonkeren);
sich einen Schein geben, aufschneiden (Münch-
hausen 95). Ln 18. Jh. aus dem Nd., im
Ablautsverhältnis zu flinkem (s. d.) stehend.
ABL. Flunkerei, f. (PI. en) : Aufschneiderei.
Flunsch, m. {-es, PI. -e): aufgeworfener
schmollender Mund. Li Mittel- und Nord-
deutschland. Nebst mhd. vlans m. «Maul»,
bayr. flenschen «das Gesicht verzen-en», zu
flennen (s. d.), schwäb. pflenne.
Flur, f. (PI. -en): Landfläche voll Wachs-
tum, Saatfeld, Laudgebiet eines Ortes; (auch)
m. (Gen. -s, PI. -e) : geebneter fester Vorplatz
im Hause. Mhd. vluor m. (noch bayr. Fluer
i m.)« Saatfeld», statvluor, -vluore f. «städtische
' Feldflur», md. vlür f. «Saatfeld, Bodenfläche,
. Landgebiet». Die 2. Bed., die von dem Be-
griff «ausgedehnte geebnete Bodenfläche» aus-
geht, ist mittel- und norddeutsch: nd. floor
f. «gepflasterter Fußboden»: dazu ndl. vloer
f. «Fußboden, Diele, Temie», ags. flör f.
«Estrich, Vorplatz», engl, floor «Estrich,
j Tenne», anord. flörr m. «Estrich, Stallfuß-
boden». Zu lat. planus «platt, eben, flach»,
ir. lär, kymr. llaivr «Boden, Estrich», apreuß.
plonis «Tenne» u. a. Wechsel von n und r
, wie in gr. biltpov, lat. dönum «Gabe». ZUS.
j Flurschütz, m. (-e«, PI. -en), mhd. vluor-
schütze.
fluschen (mit ü), v.: rasch und gut von-
j statten gehen. Im 19. Jh. (Chamisso 6, 139)
aus dem nd. fluschen, das im Ablaut zum
gleichbed. nd. fluschen steht.
! Fluß, m. (Gen. Flusses, PI. Flüsse) : Fort-
bewegung oder Lauf dessen, was fließt; Zu-
stand des Fließens, Strömung (mhd. vlug,
ahd. flug m.); stark fließend sich Dahinbe-
wegendes, Metallgiiß (schon mhd.); fließendes
Wasser von beträchtlicher Breite (erst nhd.,
z. B. 1522 bei Luther, für das ältere Äclie
«Wasser», s. -a); Gliederreißen (schon mhd.,
nach gleichbed. gr. ^eO|aa n.). Abstraktbü-
dung auf -i zu fließen. ABL. flüssig,
adj., mhd. vlüggic, ahd. fluggig. Davon Flüs-
sigkeit, f. (PI. -en), mhd. vlü^^icheit. ZUS.
Flußgalle, s. "" Galle. Flußpferd, n.: Nü-
pferd (s. d.), hippopotamus , 1777 bei Ade-
lung. Flußspat, m. {-es, PI. -e): aus Kalk
und Fluorwasserstofi"säure bestehendes Mine-
ral, nach G. Agiicolas Zeugnis (1546) von
den Berg- und Hüttenleuten darum Fluß
genannt, weil sie diesen Spat (s. d.) ge-
brauchten, um strengflüssige Erze in Fluß
zu bringen.
flüstern, v.: leise, heimlich reden. 1482
im Voc. theut. bb 5 ^ flistern und so noch
j bei Adelung, Lessing, Schiller; dagegen f. bei
i Wieland, Goethe, von Heynatz 1796 als be-
[ sonders nsächs. bezeichnet. Die urspr. Bed.
! zeigt sich im ahd. flistiran «liebkosen, schön,
zärtlich tun», 1482 im Voc. theut. i 1 * flin-
\ stern «libekosen». Dazu noch ndl. fluisteren
aus dem Ndd.
Flut, f. (PI. -en): zuströmende, anschwel-
lende, sich ausbreitende Wassermasse ; Gegen-
satz der Ebbe. Mhd. vluot f. (PI. vlüete,
noch 1613 bei Colerus Hausbuch 420=* Flute)
vmd m., md. vlüt, ahd. fluot f.; dazu asächs.
565
Fock
FoUänt
566
fiöd m., ndl. vloed m., ags. fiöd n. m,, engl.
fiood, anord. fiöd n., schwed.-dän. fiod m., got,
flödus f. in gleicher Bed. In dem germ. Wort
sind wahrscheinlich mehrere idg. Stämme zu-
sammen gefallen. Mit Ablaut zu gr. irXrieOc f,
«Fülle, Menge», TrXricuTi, 7tXr)uuri f., TrXrjuuupic f.,
«Flut des Meeres», und zm- Vi'z.pleii «fließen,
schwimmen», s. fließen, gi". ttXuutöc« schiffend».
ABL. fluten, V., mhd. vluoten.
Fock, Focke, f. (PL -n): dreieckiges
Vordersegel, Segel am Tordermast. Im 17 Jh.
aus dem gleichbed. nd. fokke f. entlehnt (bei
P. Fleming 80), aber schon 1507 bei Wilwolt
von Schaumburg 121 vockensegl: dazu mndl.
focke f., anord. focka f., dän. fok, schwed.
fock m. Zurückgehend auf clev. (1477) vocken
«wehen», ältemhd. fachen «wehen, blasen»,
fache f. «Fächer (s. d.), Wedel, Blasbalg*,
anord. fak in foksandr m. «Flugsand», die
wohl zu an. fjUka (s. feucht) gehören. ZUS.
Fockmast, m. (-es, PI. -e): Yordermast.
Aus dem 2s d. 1716 bei Ludwig Fackemast.
fodern, s. fordern.
.Fohe, FÖhin, f.: Füchsin, s. Fuchs.
Fohlen, n. (-s, PL -wie Sg.) : junges Pferd.
Norddeutsch für das hochd. FüUen (s. d.).
Mnd. volene, volne, vale n. u. m.. mhd. vole,
vol, ahd. fola m.; dazu ags. fola m., engl.
foal, anord. fole, got. fula m. 1716 bei Ludwig
Fohl, Falen n., 1611 bei Colerus4, 23 Fahlen.
Bei Schiller Äneide 4, 94 Fohle f. «weibliches
Füllen», erinnernd an Schweiz. Fahle f. «Stute»,
das auch 1616 Henisch verzeichnet: aber schon
mhd. viilhe, ahd. fulihha f. «weibliches Füllen».
ABL. fohlen, V.: ein Füllen werfen. 1716
bei Ludwig.
Föhn, m. i-.s, PL -ej: der Süd-, Eegen-
wind in der Schweiz, wo neben Fön, Fö,
Fü, auch Pßn, Pfa gesprochen wii-d und in
der altern Literatur das Fem. vorhen-scht,
z. B. 1556 bei Frisius Fön f. (das Mask. schon
im 16. Jh. bei Paracelsus). Entsprechend
mhd. fonne, ahd. phönno m. «Wirbelwind»,
fönne f. (Mone Anz. 8, 504*^) «Westwind».
Nebst churwälsch. favougn, favaign, fuogn,
schweiz.-franz, foe, foen, tess. fagn hervor-
gegangen aus lat. favönius m. «Westwind».
Fohre, f. fPL -n): Forelle, s. d.
Föhre, f. (PL -n): die Kiefer, pinus sil-
vestris. Bayrisch Forchen, Schweiz. Forch,
mhd.i/OrÄe, ahd. /b>-aÄa, forha f.; dazu ags.furh-
wudu, engl, fir (aus dem Dän. j, anord.-schwed.
fura f., dän. fyr. Vei-wandt mit lat. quercus f.
«Eiche» (aus *perquus), ahd. fereheih f. «Eiche»,
langob. fereha «aesculus», nhd. Vereiche f.
(«quercus robur», Nemnich 2, 1106), Schweiz.
Ferch «Eichenholz». Weiter gehören wahr-
scheinlich dazu aind.parÄrafts «Feigenbaum»,
nind. pargäi «Steineiche», got. fafrguni n.
«Gebirge», eig. «Eichenwald», mhd. Virgunt.
kelt. Herq/nia aus ^perkünia, lit. Perkünus.
eig. «Eichengott». Vgl. Hirt Idg. Forsch. 1, 479,
Hoops Waldbäume 118. ABL. f Öhren, adj.:
aus Kiefernholz, kiefem; mhd. vorhin, vorhin.
FÖhricht, n. (-s, PL -e): Föhrenwald;
mhd. varliach.
Folge, f. (PL -n): das Hinterdreingehen
nach jem., Eeihenfolge; Befolgung; Erfolg;
Folgezeit; Folgerung (Lessing 6, 438), Konse-
quenz TGoethe Wahlverw. 1, 4). Mhd. volge
f. «Gefolge, Heeresfolge, Leichenbegängnis,
Verfolgung, Befolgung, Gehorsam, Bei-, Zu-
stimmung, besonders bei Abfassung des Ur-
teils im Gericht», ahd. selbfolga f. «Partei»;
dazu mit andrer Stammbildung anord. fylgl
n., schwed, följe. dän. fölge. Von folgen, v. :
begleitend mitsein; hinterdrein kommen, nach-
kommen; sich woraus ergeben. Mhd. volgen,
ahd. folgen und folgön; dazu asächs. falgön,
ndl. valgen, afries. fidgia, falgia, ags. folgian,
fylgean, engl, folloiv, anord. u. norw. fylgja,
schwed. föija, dän. folge. Die gewöhnliche
Ansicht, daß folgen mit gehen zusammenge-
setzt ist, wofür man ahd. folagen, andd. fal-
gangan anführt, ist kaum haltbar, vgl. Wiede-
mann Bezz.Btr. 28, 22, aber auch von den
andern vorgebrachten Etymologien ist keine
unmittelbar einleuchtend. ABL. folgern,
V.: als Folge woraus ableiten, bei Luther
neben folgern (dies in den Fastnachtsp. des
15. Jh. 491, 10 in der Bed. «folgen s); davon
Folgerung, f., 1711 bei Eädlein (1735 bei
Stoppe Parnaß 49 in der Bed. «Folge»), folg-
lich, adv. und konj.: wie daraus folgt, in
Folge davon, 1691 bei Stiel er, ahd. falglicho.
folgsam, adj.: willig folgend, 1716 bei Lud-
wig (dafür älternhd. folgig, bei Luther, mhd.
gevolgic, ahd. gefalgig) ; als Adv. «folgerichtig»
1691 bei Stieler, «folglich» 1691 bei Abraham
a. S. Clara Judas 1, 295. ZUS. folgerecht,
adj., als Verdeutschung von konsequent, 1788
bei Knigge Umg. 1, 53. Ebenso folgerichtig,
adj., 1808 bei Campe.
Foliant, m. (-en, PL -en): Buch in Bogen-
form (Folio). Im 17. -Jh. Folie, f. (PL -n):
Glanzblatt von MetaU zur Unterlage unter
Spiegeln und gefaßten Edelsteinen; (bildlich)
hebende, Glanz wirkende Unterlage (Schiller
36*
567
Folklore
fördern
568
Kab. 4, 7). In der uvspr. Bed. 1506 in Dürers
Briefen 27 Folig, Folg f. vmd 1562 bei Mathe-
sius Sar. Sl'' Folie, aus dem mlat. Plur. folia
«Metallblättchen», ital. foglia f., woraus 1678
bei Krämer Folia f. Folio, n,: Blattform
des Papierbogens, Papierbogengröße, (bild-
lich) größte Form. 1678 bei Krämer in Folio,
aus lat. in folio «in Blattgröße». Ital. foglio
m. «Bogen Papier».
Folklore, f. : Wissenschaft von der Volks-
kunde; Volkskunde. Aus engl, folklore, 1846
von William T. Thoms vorgeschlagen und
bald aufgenommen.
Follikel, m. u. n. (-S, PI. wie Sg.): kleiner
lederner Sack ; Drüsenbläschen ; (botan.) Balg-
frucht. Aus lat. folliculus m. «Sack, Schlauch».
Folter, f. (PI. -n) : Marterwerkzeug. Erst
nhd, (1616 bei Henisch Folter, bei A. Gry-
phius 1, 30 Folder, aber schon 1468 voUer-
gerüst «eculeus» Diefenbach nov. gl. 144*).
Aus mlat. poledrus, poletrus, puledrus m.
«Fohlen, Füllen» (s. d.), woraus auch span.-
port. potro m. «junges Pferd und Marter-
gestell». Jenes Marterwerkzeug war urspr.
ein schai-fkantiges Gestell mit vier Füßen
nach der Gestalt eines Pferdchens, wie schon
bei den Römern, die daher ihre Folter equuleus
m. «Pferdchen, Füllen» nannten. Davon
foltern, v.: auf der Folter martern. 1466
foltren Diefenbach nov. gl. 368% 1470 fultern
Hätzlerin 2, 25, 160, dann 1526 bei Luther
foltern.
Fond, m. (spr. fy): Grund, Hintergrund,
und Fonds, m. (spr, fq): Grundvermögen;
Grundgeld, Geldvorrat. 1714 bei Wächtler
Fond und Fondo, 1703 im Zeitungslex. Fond,
aus franz. fond und fonds m., ital. fondo, von
lat. fundus m. «Grund, Boden».
Fontäne, f. (spr. fqtäne, PI. -n): Spring-
brunnen. 1477 clevisch fonteine, mhd. fontäne,
im 17. Jh. Fontäne, aus franz. fonfaine, von
mlat.-ital. fontana f., dies von lat. fo7is m.
(Gen. fontis) «Quelle».
Fontanelle, f. (PI. -n), auch Fontanell,
n. {-es, PI. -e) : künstliches kleines Ableitungs-
geschwür. 1593 bei Helber 18 fontanell. Aus
mlat. und ital. fontanella f. «Quellchen, Brünn-
lein», dem Dim. von fontana (s. Fontäne).
foppen, V.: zum besten haben, neckend
plagen. Aus dem Rotwelschen (Gaunersprache),
wo am Anfang des 16. Jh. vopen, voppen
«beti-ügen, lügen» im liber Vagatorum (Kluge
Rotwelsch 35, 78) vorkommt. Schon 1343
begegnet im Augsburger Achtbuch fopperin
«die nement sich uusinne an und versagens»
(Kluge 2), um 1450 vopper (Kluge 13) in den
Basler Betrügnissen, 1457 bei Matthias von
Kemnat ivopper, wapper (Kluge 26), 1561
bei Maaler voppen «praevaricari», 1618 bei
Schönsleder foppen «vexirn», aber noch 1691
von Stieler als «vocabulum plebejum et
sordidum», von Adelung 1775 als niedrig und
niedersächsisch bezeichnet. ABL. Fopperei,
f., 1561 bei Maaler vopper ey.
Force, f.: Kraft. 1714 bei Wächtler aus
franz. force f., gleichzeitig die volkstümliche
Aussprache Forsche. S. forsch. ABL. for-
cieren, V.: mit Gewalt nehmen oder durch-
setzen, überanstrengen. 1673 bei Weise Erzn.
152. Aus gleichbed. franz. forcer.
Förde (mit langem ö), f. (PI. -n): lang-
gestreckter Meerbusen. Nd. aus dem Norden
entlehnt, anord. fjördr m., dän.-norw. fjord,
schwed. fjärd, schott. firth «Meeresbucht» (aus
dem Nord.). Es gehört mit deutsch Furt
zu lat. portus m. «Hafen» u. a.
fordern, v.: zu erkennen geben, daß es
womit vorwärts kommen solle, dann daß es
man haben woUe oder müsse. Mhd. vordem,
ahd. fordaron, abgeleitet vom ahd. Adj. for-
dar «vorder», Adv. mhd. vorder «vorwärts».
Daneben mit Ausstoßung des r, die auf Dissi-
milation beruht (wie im 14. Jh. bei Megen-
berg das Adj. voder «vorder», bei Luther
das Adv. fodder «vox'wärts» und wie Köder
aus mhd. querder), urspr. ostmd. fodern
(beim Volke mit kurzem, im spätem Nhd.
mit langem o), schon im 14. Jh. bei Megen-
berg vodern, bei Luther gewöhnlich foddern,
selten fordern, bei Henisch, Duez, Stieler,
Ludwig fordern und fodern, letzteres nament-
lich in der Dichtersprache festgehalten (Les-
sing 1, 4, Schiller 12, 366, Goethe Tasso 1273,
Rückei-t 1, 359). ABL. Forderung, f. (PI.
-e7i), mhd. vorderunge, ahd. fordarunga f.
fördern, v.: vorwärtsbringen; (bergmän-
nisch) in und aus dem Schacht fortschaffen
(1562 bei Mathesius Sar. 1963- fodern, s. u.).
Älternhd. fürdern, mhd. vürdern, ahd. für diren,
abgeleitet vom Adv. ahd. furdir, mhd. viir-
der, nhd. für der, förder «vorwärts». Daneben
mit Ausfall des r (wie schon spätmhd. fuder,
füder statt fürder, vgl. auch fordern) md.
fodern bei Ayrer 2049, 31, Opitz, Logau,
Lessing Nathan 1, 1, spätmhd. 1445 füdern
(Schmeller^ 1, 753), 1429 füederen (Lib. ord.
rer. 25^=). ABL. Förderer, m., spätmhd.
furderer, daneben fudrer. förderlich, adj.,
569
Forelle
Forst
570
bei Keisersberg Pred. 45% mhd. vürderlich,
daneben vüderlich. Förderung, f., mbd.
vürderunge, vurderunge, daneben im 14. Jh.
fuderunge.
Forelle, f. (PI. -n)-. der Süßwassei-fisch
salmo fario. Ahd. forhana, and. farhna, mhd.
vorhen, vorhe, nhd. Fohre (Ambraser Ldb. 182, !
noch bei Musäus VM. 1, 33), bayr. Förch f. ; '
durch Weiterbildung mit dem diminutiven
-le und Betonung der Mittelsübe (wie bei j
lebendig, Schlaraffe) entstand aus vorhe(n)le \
die Form Forelle (1549 bei Ebner- Peucer ;
Voc. D 4'', 1562 bei Mathesius Sarepta 201 ^),
gekürzt Forell (Alberus Fab. 42, 53, Forer i
Fischb. 113^), andrerseits mit Wahrung der,
Stammsilben-Betonung mhd. vorfiel, vörliel f.
(1537 bei Dasypodius forhel, noch oberd.
Förchel) und älternhd. Forel (Dasypodius,
Schotte!). Ahd. forhana wird meist zu gr.
TrepKvöc «Schwarzblau, dunkelfarbig», aind.
prgnis «gesprenkelt, bunt» gestellt, so daß
die urspr. Bed. «die bunte, getüpfelte» wäre,
vgl. russ. pestrjüga f. zu pestryj «brmt».
Außerdem gehören dazu ir. orc m. «Lachs»,
ir. erc «Forelle», gr. ir^pKri f. «Barsch».
Forke, f. (PI. -n): große Gabel. Mhd.
furke, ahd. furka f.; dazu mnd. vorke, nd.
forkey ndl. vork, afries. furke, forke f., ags.
forca m., engl, fork, anord. forkr m. Ent-
lehnt aus lat. fiirca f. «Gabel».
Forkel, f. (PI. -n), weidmännisch: Gabel-
stange zum Aufstellen der Tücher und Netze.
1719 bei Fleming teutscher Jäger 106 Forkel,
1768 bei Heppe Jäger Fm'kel, Forchel, Furchel,
1482 im Voc. theut. 16=». 8^ furckel do mit
nian die netze stellt, ahd. furcula f. «Haken».
Aus lat. furcula f. «gabelförmige Stütze, Dim.
von furca f. «Gabel».
Form, f. (PI. -en): Gestalt, Weise der
äußern Erscheinung: Muster, wonach etwas
gestaltet wird. Mhd. (erst um 1250) und
noch bei Luther forme f. aus gleichbed. lat.
forma f. ABL. formen, v. : gestalten, bilden ;
mhd. formen, förmig, in ein-, gleich-, kegel-
förmig, 1469 mrhein. formig «gestaltet, ge-
bildet» (Voc. ex quo), förmlich, adj. u.
adv., mhd. formelich, förmelich, Adv. forme-
liehe; davon Förmlichkeit, f., 1691 bei
Stieler. formlos, adj. u. adv., mhd. forme-
los. — Femer hierher gehörig: formal, adj.
und adv.: auf die Form bezüglich, 1678 bei
Krämer, aus dem gleichbed. lat. Adj. formälis;
dazu Formalität, f. (PI. -en): Formwerk,
1694 bei Nehring, aus mlat. formalitas f.
Format, u. (-es, PI. -e): Höhe und Breite
eines Buches usw., 1594 bei Frischlin Nomencl.
Kap. 78, 1558 bei Rivius geometr. Büxen-
meisterey 3, 1, 29*, aus lat. formätum, dem
substantivisch gesetzten Neutr. des Partiz.
Prät. Pass. (formätus) von formäre. Formel,
f. (PI. -n): im Worte gefaßte Vorschrift, 1571
bei Rot formel, 1616 bei Henisch noch Formul,
aus lat. formula f. «Gestalt, Vorschrift, vor-
schriftsartige Fassung», dem Dim. von forma.
formell, adj. u. adv., im 18. Jh. aus dem
franz. Adj. formel, von lat. formälis (s. formal).
formieren, v.: gestalten, formen (s. d.);
mhd. formieren, vom gleichbed. lat. formäre.
Formular, n. {-s, PI. -e): als Vorschrift
geltende Abfassung wofür, 1571 bei Rot; dazu
ndl. 1599 bei Kilian formulaer n. formu-
lieren, V.: in eine Formel (s. d.) bringen,
erst im 19. Jh., wie es scheint.
forsch, adj. u. adv.: kräftig, derb. Erst
im 19. Jh., besonders durch die Studenten-
sprache verbreitet, mit md. seh aus dem nd.
fors, mnd. fors, von franz. force f. «Kraft».
S. Force.
forschen, v.: eifrig und genau wonach
fragen oder suchen. Mhd. vorsehen, ahd.
forscön. Verwandt mit lat. poscere (aus
*porscere) «fordern, verlangen», amd.pracch-
« fragen», mit Verlust eines Gutturals aus
*forhsk- und zu fragen gehörig, s. d. sk war
eigentlich Präsenssuffix. ABL. Forscher,
m. (-S, PI. wie Sg.), mhd. vorschcere m.
I Forschung, f., mhd. vorschunge, ahd. for-
scunga f.
Forst, m. {-es, PI. -e), in Norddeutsch-
I land auch f. : bewii'tschafteter Wald. Mhd.
I forst, vor st m. (selten vorste f.), ahd. forst
VI. ; dazu afranz. forest f. (woraus entlehnt
I mhd. forest, fores, foreist, foreis, foreht n.),
nfranz. foret, ital. foresta, span.-port. (an flor
langelehnt) floresta f., aus mlai.' forestis f.
! (zuerst in einer Urkunde des fränkischen
Königs Childebert I. von 556 forestis nostra
im Pariser Gau, bei Pertz Dipl. 1, 7). später
forestus m., foresta, forasta f., forestum, fora-
stum n. «der dem Herrscher vorbehaltene,
dem Wildbann unterworfene, nicht einge-
zäunte Wald». Dies wird abgeleitet von
dem lat. Adv. foris, foras «außerhalb», wo-
von auch das spätlat. Adj. forasticus «äußer-
lich»; demnach die urspr. Bed. «was außer-
halb liegt, ausgenommen ist, nicht betreten
werden darf"». Meringer Idg. Forsch. 18, 259
und Wiedemann Bezz.Btr. 28, 18 erklären
571
Fort
Frage
572
forst als echt german. Wort aus *forhst und i
stellen es zu osk, pestlüm «templum». Das |
Wort kann auch zu ahd. forha f. «Föhre» ;
gehören. ABL. forsten in durchforsten, |
V.: forstmäßig von auszuhauenden Bäumen i
befreien. Förster, m. {-s, PI. wie Sg.), |
mhd. vor Stare, spätahd. (12. Jh.) forstari, aus j
mlat. forestarius m.; davon Försterei, f.,
1413 forsterye, 1406 vorsterie (Germania 20, \
31. 28, 366). ZUS. Forstmeister, m.:
höherer, über eine Anzahl Förster gesetzter
Beamter; mhd. forstnieister «Förster». Forst- ;
wart, m. (-es, PI. -e): niederer Angestellter
zum Schutze des Forstes, erst im 19. Jh.,
früher Holzwart (1580 bei Sebiz 563).
Fort, n. (spr. för, Gen. -s, PI. -s) : kleine
Festung, Beifestung. 1616 bei Henisch Fort
(ebenso 1616 bei Wallhausen Kriegsmanual 78
mit dem Plui*. die Forten), nach dem ndl.
fort aus dem gleichbed. franz. fort m. urspr.
«Stärke», abgeleitet von dem lat. Adj. fortis
«stark».
fort, adv.: von einem Orte weg; ohne
Aufhören in Bewegung, ürspr. in Nord-
und ^Mitteldeutschland heimisch, mit der j
Grundbed. «voi'wärts». Mhd. und vorzugs-
weise md. vort «vorwärts, voran, weiter, \
fortan», mit der Nebenform fürt, wie noch i
älternhd. fürt und fürt: dazu asächs. ford, '■
ndl. voort, afries. forth, ags. ford, engl,
forth. Abgeleitet von vor (s. d.). Vgl. fürder.
ZUS. fortan, adv., forthin, adv., beide bei i
Luther, fortfahren, v. : gerichtlich weiter i
verfahren, Idit.procedere (Schiller 9, 19); weiter '
fahren, in übertragner Bed. fortsetzen. Bei- ;
des bei Luther, fortpflanzen, v. : pflan-
zend weiter verbreiten. In eigentl. Bed. bei
Luther Tischr. 251**, in übertragner 1691 bei
Stieler. Davon Fortpflanzung, f , 1619
bei Albertmus Lustg. 124**. Fortschritt,
m. (-es, PI. -e): das Fortschreiten (Wieland
30, 285); in übertragner Bed. um 1750 auf-
kommend. Seit den di-eißiger Jahren des j
19. Jh. politisches Schlagwort. Vgl. Laden-
dorf, fortsetzen, v., in übertragner Bed.
1616 bei Henisch.
Fortepiano, s. Pianoforte.
Fortiflkatiön, f. (PI. -en): Befestigung;
Befestigungswerk. Festungsbauamt. Aus franz.
gleichbed. fortification f., und dies aus lat.
fortificatio f., zusamm enges, aus forte «stark»
und ficatio von facere «machen». Bei Wall-
hausen corp. mil. Schon bei Rot 1572 forti- 1
ficim «sterken, kreflftigen». [
Fossfl, n. (-[e]s, PI. Fossilien): Berg-,
Grubengut; Versteinerung. Im 18. Jh. (1775
bei Adelung) aus nlat. fossile (PI. fossüia),
dem substantivisch gesetzten Neutr. des lat.
Adj. fossilis «ausgegi-aben», von lat. fodere
«graben».
FÖtzel, Fetzel, m.: elender Kerl, Lump.
In der Schweiz und im Elsaß. Von Gott-
helf und von KeUer gebraucht. Wohl Ab-
leitung von fotz, s. Hundsfott. Goethe braucht
als Schimpfwort Matzfotz.
Foy6r (spr. foaje), m. u. n. (-s, PI. -s):
Herd; Vor-, Wandelhalle (bes. im Theater).
Aus franz. foyer m. «Versammlungszimmer»,
eig. «heizbarer Raum» aus lat. focärius «zum
Herd gehöi'ig» von focus m. «Herd». Bei
Campe 1813.
Fracht, f. (PI. -en): Verdienst (Fahrlohn)
für Güterverführung; Wagen-, Schiffsladung.
1616 bei Henisch aus gleichbed. nd. fr acht,
ndl. vracht f. (1599 bei Kilian); dazu engl.
fraught, freight. Eins mit ahd. freht f. «Ver-
dienst, Lohn» (auch freiht in pa unfreihti
«unverdient», eig. «bei ün verdientheit»), and.
fre[hti] (?) «Verdienst», das zu eigen (s. d.)
zu stellen und dessen fr aus ahd. far-, got. ■
fra- «ver-» gekürzt ist (vgl. fressen, Frevel).
Auch ins Romanische gedrungen, franz. frei,
port. frete, span. flete m. «Schiffsmiete».
Doch werden diese auch anders erklärt.
Davon frachten, v.: wohin verfahren, mit
Ladung beschweren, Frachtschiffahrt ausüben.
1616 bei Henisch, aus gleichbed. nd. frachten,
ndl. vrachten (1599 bei Kihan); eins mit ahd.
frehton in gafrehtön «verdienen».
Frack, m. {-es, PI. Fräcke, Fracks): an
den Vorderschößen ausgeschnittener Leibrock.
1774bei Goethe Werther (6. Sept.). Um dieMitte
des 18. Jh. dui-ch franz. frac, fraqae anglais
m. aus engl, frock (leichter vorn ausge-
schnittener Reitrock) entlehnt, das aus mlat.
froccus, floccus m. «Kutte, Rock», " urspr.
«flockiger Stoff» (siehe Flocke), franz. froc
«Mönchskutte» entnommen ist; andre wollen
das franz. froc nach mlat. hroccus auf ahd.
kroch m. «Rock» zurückführen.
Frage, f. (PI. -n), mhd. vräge, ahd. fräga;
dazu ndl. vraag f. Von fragen, v.: durch
Worte zu einem dieselben ergänzenden Gegen-
wort oderGegenui'teil auffordern. ^Thd.vrägen,
ahd. fragen und frähen: dazu asächs. frägön,
mndl. vraghen,! ndl. vragen mit schwacher
Flexion, zu gleichbed. stai-kflektiertem got.
fraihnan (Prät. froh, PI. frehun), ags. frignan.
573
Fragment
frankieren
574
anord. fregna (erkunden, Vrätfrä, Vl.frägum),
auch asächs. Prät, fragn, 3. PI. frugnun. Aus
der nd. Volkssprache machte sich bei nord-
deutschen Schriftstellern im 18. Jh. das starke
Prät. frug geltend (1732 bei Liscow 69, 1758
bei Ew. V. Kleist neue Ged. 57, auch bei Goethe
venez. Epigr. di^, Schiller Kaiios 2, 8 und
Picc. 4, 6), sowie der Ind. Präs. fragst, fragt
(du fragest, er fraget, wie die Nieder- Sachsen
gern sprechen Freyer 1722), auch bei Goethe,
der auf Analogiebildung nach tragen, schlagen
beruht (nicht auf der schwach flektierten
mhd. und besonders md. Nebenform vregen),
und den schon Freyer Orthogi-aphie 279 ver-
wirft, ebenso Gottsched Grundlegung 271 und
Adelung 1775, die sich auch gegen frug er-
klären. Verwandt sind lat, precäri «bitten»,
preces f. «die Bitten», procus m. «Freier»,
]it. prasiti «fordern, bitten», jnfsti «den Frei-
werber m"achen», abg. prositi «bitten», aind.
pragnäs «Frage», aw. pdrasaiti «er fragt»,
apers. aparsavi «ich fragte», arm. Aar? «Frage»,
JÜxrganem «ich frage». ABL. fraglich, adj.:
in Frage stehend. Bei Campe, ahd. fragelicho
adv. «in fragender Weise». ZUS. Frage-
wort, n. {-es, PI. -ivörter), 1691 bei Stieler.
Fragezeichen, n., um 1522 bei Ickelsamer
48 fragzeichen, fragwürdig, adj.: zweifel-
haft, zuerst bei A. W. Schlegel Hamlet 4, 1
als Übersetzung des engl, questionable.
Fragment, n. {-s, PI. -e)-. Bi-uchstück.
1571 bei Rot, aus gleichbed. lat. fragmentum n.
ABL. fragmentarisch, adj.: in Bruch-
stücken. Im 18. Jh.
Fragner, m. (-s, PI, wie Sg.), eigenthch
Pfragner: berechtigter Kleinhändler in Mehl,
Gemüse u, a., in Bayern und Osterreich.
Mhd. p fr agener, pfragner, pfregener, pfregner,
vragener, fragner «Kleinhändler», ahd. pifrage-
nari m. «Marktmeister», abgeleitet von ahd.
pfragina f. «Schranke» (im 11. Jh.), mhd.
pfragen m. «Markt, Handel, Wucher». Dies
gehört wohl zu got. anapraggan «bedrängen»,
ndl.-ndd. prangen, mhd. p fr engen «driicken,
pressen». Dazu schwed. prang «enge Gasse,
Schlund», das Johansson KZ. 36, 346 mit gr.
ßpÖYXoc «Luftröhre, Schlund» verbunden hat.
Fraisen, PI., auch Sg. Frais u. Fraisch f. :
krampfhafter An- und Zufall; Fallsucht;
Schaueranfall bei einem Kinde; peinliches
Gericht. In Franken, Bayern u. Osterreich.
1616 bei Henisch fraiß, freiß «Epilepsie»,
bei Musäus Volksm. 1, 96 Fräsch n., 1578
bei Lonicerus Freislich n. Aus mhd. vreise,
ahd. freisa i. «Gefährdung, Gefahr, Schrecken,
Verderben»; dazu asächs. fresa f. «Gefahr,
Lebensgefahr», ndl. irees, früher vreese f.
«Angst, Kummer, Furcht, Schrecken», zu
got. fräisan «versuchen, in Versuchung führen»,
das vielleicht zu aind. ^resas m. «Antrieb, Be-
strebung», pres- x\dj. «vordringend, di'ängend»
gehört.
Fraktion, f. (PI. -en): Teil einer poü-
tischen Partei. Bei Campe. Aus lat. fractio f.
«Brechung».
Fraktur, f. (PI. -en): Knochenbrach; ge-
brochene Eckschiift, gewöhnliche deutsche
Druckschrift. 1571 bei Rot, aus Xai.fractürai.
«Bruch» von \a.i. frangere «brechen». Redens-
art F. mit jemand sprechen « derb, grob mit
ihm reden»; über F. schreiben vgl. Gombert
ZfdW. 7, 139.
Franje, f., s. Franse.
frank, adj.: unabhängig, frei. 1482 im
im Voc. theut. i2^ franck, francko. Aufge-
nommen aus franz. franc, ital.-span. franco,
von dem ums J. 400 vorkommenden deutsch-
lat. francus «fränkisch». S. Franke.
Frank, auch Franken, m. {-en, PI. -en):
französische Silbermünze im Werte von 80
Pfennigen. Bereits im 17. Jh. aus der franz.
Benennung franc, von franz. J'Vawc «Franzose»;
aber schon 1385 in deutschen Reichstagsakten
kommt franke m. als Bezeichnung einer
21 V2 Weißpfennig geltenden Münze (Germania
20, 31), 1393 als Goldmünze (Städtechron.
9, 998, 27) vor.
Franke, m. (-«, PI. -n), Volksname, der
bei lat. Schriftstellern seit der zweiten Hälfte
des 3. Jh. n.Chr. hervortritt; auch für Franzose
(1616 bei Henisch, besonders seit der Revo-
lution von 1789). Mhd. Franke, ahd. Francho:
dazu ags. Franca, anord. Frakki m. Die
Annahme, daß das Volk nach seiner Lieb-
lingswaffe, ags. franca, anord. frakka, dann
westgot. im 7. Jh. francisca, benannt sei, ist
kaum haltbar. Vielmehr heißt die Waffe
wohl nach dem Stamm. Franken, n., deut-
scher Landesname, mhd. Tranken, Franken,
ahd. in Frankon, ist Dat. PL des Volksnamens.
ABL. fränkisch, adj., mhd. vrenkisch, fren-
kisch, ahd. frenkisg. ZZ7S. Frankreich, n.:
Landesname, mhd. Francriche, Frankenriche.
frankieren, v.: versendungs-, postfrei
machen. Im 17. Jh. (bei Schupp 256). Aus
ital. francare «frei machen», von franko,
adj.: versendungs-, postfrei. Im Anfang des
17. Jh. aus ital. franco «frei», s. frank.
575
Franktireur
Fratz
576
Franktireur, m. {-s, PI. -s): französi-
scher Freischärler. Aus franz. franctireur,
abgeleitet von franc «frei» u. -tireur «Schütze».
1870 aufgenommen.
Franse, f. (PL -n) - Faden-, Troddelsaum.
Bei Luther Franße, um 1480 im Voc. incip.
teut.eS** fransen «Stii-nband», spätmhd. franze
f. (noch 1739 bei Amaranthes J^'ran^^'ew); da-
zu ndl. franje n., nd. franje f. Aus franz.
frange, ital. frangia, von mlat. fringia, das
aus lat. fimhria f. «Faser, Franse», durch
Wandlung in frinibia hervorgegangen ist.
ABL, fransen, v.: mit Fransen besetzen;
(intrans. und refl.) ausfasera. In der 1. Bed,
mhd. franzen, aus gleichbed. franz. franger.
fransig, adj., 1691 bei Stieler franzicht.
Franz, Mannesname. Gekürzt aus mlat.
Franciscus «der Franke». Dazu das Dim.
Fränzchen.
Franze, m. (-%, PI. -n) -. Franzose (s. d.).
Mhd. Franze. ZUS. Franzl)and, m. (-es,
PI. -bände) : französischer Ledereinband eines
Buches. 1775 bei Adelung. Franzbrannt-
wein, m, (-S, PI. -e): aus Weinhefe destil-
lierter Branntwein, urspr. französischer Brannt-
wein. 1716 bei Ludwig. Franzlbrot, n.
{-es, PI. -e): Mundsemmel, urspr. eine fran-
zösische Semmelpastete, 1715 bei Amaranthes.
Franzmann, m. [-es, PI. -männer): Franzose,
1678 bei Krämer; dazu ndl. Fransnian vom
Adj. frans «französisch». Franzobst, n.
{-es): an Zwergbäumen nach französischer
Art gezogenes Obst, 1773 bei Amaranthes
(3. Aufl.). Franzwein, n. {-es, PI. -e):
französischer Wein, 1691 bei Stieler.
Franziska, Frauenname. Aus mlat.
Francisca, dem Fem. von Franciscus «Franke»
(s. Franz). Dazu das Dim. Fränzchen (Goethe
1, 43).
Französe, m. {-n, PI. -n): Angehöriger
Frankreichs. Mhd. Franzois, Franzeis, auch
Franzoise, Franzose, aus franz. Frangois,
heute Frangais «Franzose», hervorgegangen
aus mlat. Franciensis (woher auch ital.
Francese, span. Frances), das von lat. Francia
«Frankenland» (woraus franz. France «Frank-
reich») abgeleitet ist. Plur. die Franzosen:
Lustseuche, Syphilis, so benannt seit der
Belagerung Neapels durch die Franzosen 1493,
in deren Lager die Krankheit epidemisch
auftrat und sich von da rasch durch Italien
1495 nach Süddeutschland und dem Rheine
ausbreitete (1519 bei Murner in Böckings
Hütten 5, 400). ABL. Französin, f., mhd.
Franzoisinne. französisch, adj., spätmhd.
französisch (die falsch Beicht, Münchner
Hs. B1.215''), 1507 bei Wilwolt von Schaum-
burg 84 fg. /raw^^öisfscÄ, franzosisch. Abgeleitet
von dem mhd. Adj. franzois, franzeis. Im
Volksmunde französch (1671 bei Leucoleon
Galamelite 149), 1646 bei Moscherosch Phi-
lander 1, 112 und 1691 bei Stieler franzöisch.
frappant, adj.: auffallend. 1774 bei Goethe
Werther (d. j. Goethe 3, 298). Aus gleich-
bed. franz. frappant, Part. Präs. von frapper
«schlagen, klopfen, Eindruck machen», woraus
frappieren, v.: stutzig machen, in der
1. Hälfte des 18. Jh.
Fraß, m. {-es, PI. -e) : Fresser (bei Luther,
jetzt nur noch in Vielfraß^, das Fressen,
die Fresserei; Tiernahrung. Mhd. vräg (PI.
vrä^e und vrcege) in den beiden ersten Bed.,
ahd. frag m. «Fresser»; dazu mndl. vraet,
ndl. vraat m. «Vielfraß». ABL. fräßig,
adj.: vielfressend (Lessing 1, 90), häufiger
gefräßig. Mhd. vrcegic, ahd. frägig; dazu
ndl. vratig.
fraternisieren, v.: Bruderschaft schlie-
ßen. Aus gleichbed. franz. fraterniser, ab-
geleitet von lat. fraternus «brüderlich». Zur
Zeit der französ. Revolution als politisches
Schlagwoi't entlehnt. Vgl. Lädendorf.
Fratschler, Frätschler, m. {-s, PI.
i wie Sg.): Trödler, Zwischenhändler, Mäkler.
j Österreichisch-bayrisch. 1482 im Voc. theut.
y 8* jp/refenerm «Frätschlerin». Von österr.-
bayr. frätschelu, V.: sich als Unterhändler,
Mäkler, zum Aufkaufen von Eßwaren usw.
brauchen lassen (urspr. wiederholt fragen,
ausfrägeln, dann unterhandeln).
fratt, adj.: wund durch Reiben. Neben-
foi'm frät 1678 bei Krämer. Mhd. vrat. Da-
von freuen (s. d.). Älternhd. auch in der
Bed. «zerbröckelnd, halbfaul, abgerieben,
durchtrieben». Noch obd.
Fratz, m. {-en, PI. -en): abenteuerliche,
alberne, kindische Person, Narr; ungezogenes
Kind. Zuerst älternhd. (bei Fischart Garg.
251). Von Fratze, f. (PI. -n): lächerlich-
abenteuei-liche Erzählung, Geschwätz; ins
Lächerliche verzogenes, entstelltes Gesicht,
Zerrbild {Fratzengesicht 1741 bei Fi-isch).
Zuerst älternhd. (1521 bei Luther 3, 523 W.
in der Bed. «Posse (so noch Goethe Faust
1739), albernes lächerliches Gerede», Waldis 1,
50 fratzen reißen); aus dem Deutschen ent-
lehnt ndl. fratsen PI. «Possen, Albernheiten.
Wunderlichkeiten». Wohl aus dem ital. PI.
577
Frau
frei
578
frasclie «Possen, Albernheiten», (dessen Sg.
f'rasca f. «belaubter Ast, Bierzeichen», dann
«leichtsinniger Fratz»), dem auch franz.
frasque f. «Posse» entstammt.
Frau, f. (PI. -en): Herrin; Verehelichte
(Hausherrin); erwachsene Person weibHchen
Geschlechts. Im Gen. und Dat. Sg. noch
mit Bewahrung der alten schwachen Flexion
Frauen bei Dichtern (Wieland Oberon 12, 25,
Goethe Iph. 1965, nat. Tochter 2289, Faust
9221) und in dem formelhaft erstai-rten Genitiv
unserer liehen Frauen (Jungfrau Maria), selten
im Akk. (Goethe Pater Brey 31). Alter nhd.
fratve (altertümelnd noch bei Eichendorff
Taugenichts 13 Fraue), mhd. vrouwe, gekürzt
vrou, vor Xamen als Ehrentitel ver, fer, ahd.
frouwa f.; dazu andd. früa, mndl. vrouwe,
ndl. vromv, afries. frowe, anord. (der Name
der Göttin) Freyja. Weibliche Form von
ahd. fro, ,got. frauja, asächs. fräho, fröho,
fröjo, ags.frea und frigea m. «HeiT» (s. fron),
anord. (Name des Gottes) Freyr, abgeleitet
vom Stanime fra «vom», wie ablautend aind.
pärvas, pürvjns «vorderer», aw. pourva-,
abg. prüvil «vorderer, erster» stimmen. Vgl.
Fürst ZUS. Frauenbild, n. {-es, PI. -er),
in eig. Bed. und in übertragener für Frau
schon mhd. vrouivenhüde n. Frauenspersou, j
f. (PI. -en), 1616 bei Henisch frauenperson. :
ndrrhein. 1474 vrauwen persoen (Wienstraat '
S. 9 Groote), köln. im 15. Jh. vrauicenper- '
schone (Frommann 3, 57 *). Frauenzimmer,
n. (-S, PI. wie Sg.) : abgesondertes Gemach für
die Frauen und Dienerinnen am Hofe (spät- 1
mhd. im 15. Jh. vrouwenzimmer), dann (vom
Anfang des 16. bis gegen Ende des 18. Jh.)
Gesamtheit der darin wohnenden Frauen, weib-
liches Gefolge (Liliencron 3, 74 vom J. 1512),
Gesamtheit von Frauen (Teuerdank 20, 123), j
endlich (seit Anfang des 17. Jh., 1622 bei
Opitz 2, 257 Amst., 1648 bei Zesen Ibr. 478) '
Person weibhchen Geschlechts von Stande,
heutzutage in Norddeutschland «Frauens-
person» mit verächtlichem Nebensinne. —
Frauen- in Tier-, Pflanzen- und Mineral-
uamen ist fast immer gekürzt aus unserer
lieben Frauen (s. o.), z. B. Frauendistel,
f.: Mariendistel, spätmhd. frowendistel (Diefen-
bach Gloss, 393^). Fraueneis, Frauen-
glas, n.: Marienglas, ersteres 1612 bei Thur-
neisser, letzteres 1741 bei Frisch. Frauen-
haar, n.: die Pflanze Adiantum capülus
Veneris, spätmhd. vrouwenhär (Diefenbach
Gloss. 97 ^). Frauenkäfer, m, : Marienkäfer, ,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
lat. coccinella. Frauenschuh, m.: die Pflanze
Cjpripedium calceolus, Marienschuh.
Fräulein, n. (-s, PI. wie Sg,, auch -s):
unverheiratete weibhche Person von Stande;
Ehrenbezeichnung einer noch Unverheirateten
(Schiller Picc. 3, 8). Im Gedanken an das
natürliche Geschlecht auch Fem. (Opitz 1, 206
Amst., A. Gryphius Lustsp. 450 P., Goethe
19, 257), abgeschwächt Fräulen f. (Hagedom
neue Fab. 128), oberd. Fräule f. (Goethe 2,
229), wetterauisch (auch bei 0. Ludwig)
Fräle f. Alternhd. fräwelin, mhd. vrouwelin,
vröuivelm, vröulin n. (Dim, zu vrouive f.)
«Herrin, Frau oder Jungfrau von Stande,
Dame», aber auch als schmeichelnde Anrede
an Kinder, sowie an Mädchen niedern Stan-
des, endlich sogar in der Bed. «feile Dirne»;
im 14. Jh. bei Megenberg 116, 7 u. 9 «Tier-
weibchen», so noch bei Luther Frewlin 1. Mos,
6, 19, aber 1. Mos. 1, 27 und Mark. 10, 6
auf den Menschen angewandt «Weibchen».
frech, adj,: sich vordrängend wozu, allzu
frei. Mhd. vrech «mutig, kühn, keck, leb-
haft», ahd, freh «tmgezähmt begierig wonach,
habsüchtig»; dazu got. friks «gierig» (nur
in faihu friks «geldgierig»), ndl. vrek «frech»,
ags, free «begierig, kühn, verwegen», anord.
frekr «habsüchtig, begierig»: schwed, fräck,
dän, fräk (aus dem Deutschen). Auch ins
Romanische gedrungen: afranz, frique, prov.
fric, nprov. fricaud «munter, lebhaft». Ver-
wandt sind femer asächs. frökan «wild, ver-
wegen, frech», ags. frecen n. «Gefahr», frecne
«gefährhch, schrecklich, kühn», anord, frökn,
frokinn «mutig» und außerhalb des germ.-
kymr. rhewydd «Geilheit», gr. cTrap-fäeiv
«schwellen, strotzen, voll sein», lett. spirgt
«frisch werden». ABL. Freche, f.: Ver-
wegenheit (Goethe 1, 119); Geilheit, Brunst
(bayrisch). Mhd. vreche «Kühnheit, Keck-
heit», ahd. frechi «Habsucht», got. frikei f.
«Gier» (nur in faihufrikei «Geldgier»). Frech-
heit, f., mhd. vrecheit f. «Kühnheit».
Fregatte, f. (Pl.-w): dreimastiges schnelles
Kriegsschifi". 1578 bei Fronsperger Kriegsb.
157'' fg. Fragaite, Frogafe, Frugatte, Fre-
gatten, 1616 bei Henisch Fregat «navigiuni
exploratorium». Aus franz. fregate, ital. fre-
gata, span.-port. fragata f,, urspr. «kleines
Ruderschifi'». Dunkler Abstammung.
frei, adj.: unabhängig, selbständig, durch
nichts anderes beschränkt; die Schranke der
Sittsamkeit übertretend. Mhd. vri (flektiert
auch vrijer, vriger), ahd. fri (flektiert auch
37
579
frei
freien
580
friger); dazu andd. fri, mndl. vri, ndl. vrij,
afries. fri, ags. fri und freo, frig, engl, free,
anord. in fria «freimachen», frtan f. «Be-
freiung, Schonung», frjäls «frei», eig. «einen
freien Hals habend», (da der Ring um den Hals
den Sklaven kennzeichnete), (entlehnt) schwed.-
dän. fri, got, freis, Akk. Sg. frijana. Der
Lautverschiebung gemäß stimmend mit aind.
prijns «liebend, geliebt, lieb, wert», als Subst.
«Liebhaber, Ehemann», Fem. prijä «Gattin»,
auch «Tochter», denen wieder anord, fri m.
«Liebhaber, Freier», asächs. fri n., ags. freo
f. «Weib», got. frijön «lieben» (s. freien)
entsprechen. ABL. freien, v.: freimachen
oder geben. Mhd. vrien, vrigen; dazu ndl.
t>rijden, ags. freogan, engl, free, afries. friaia,
fria, anord. fria, schwed. fria, dän. fri. Frei-
heit, f. (PI. -ew): Freisein; öffentlich aus-
gesprochene Befi'eiung wovon als Sonder-
recht, Privileg; von benannten Lasten und
Beschränkungen freie Ortlichkeit (Moser patr.
Phant. 1, 33); von einer gi-ößem Herrschaft ab-
getrennter gefreiter Herrschaftsbezirk, öffent-
licher Schutzort geflüchteter Verbrecher, Asyl;
Ungezwungenheit, Anmut (Goethe Wahlverw.
1, 2). In diesen Bed. mhd. vriheit, ahd. fri-
heit f. «Freisinn, Privileg»; dazu afries. fri-
hed, ndl. vrißeid f. ZUS. Freibeuter, m. :
plündernder Soldat, Seeräuber. 1579 bei
Fischart Binenk. 29, Freibrief, m.: Frei-
heitsbrief; Privileg; Reisepaß, 1775 bei Ade-
lung. Freidenker, m„ als Übersetzung des
engl, free-fhinker 1715 von Gombert 5, 11
nachgewiesen (bei Guhrauer Leibniz 2, 487).
Freifrau, f.: Gattin eines FreiheiTn, 1678
bei Krämer, mhd. vrhrouive f. Freifräu-
lein, n.: unverheiratete Tochter eines Frei-
herrn, 1691 bei Stieler; für beide 1678 bei
Krämer auch Freiin, f. (PI. -nen), Ende des
14. .Jh. bei Königshofen Städtechr. 9, 748, 18
frrjgin «Baronin», freigebig, adj.: gern und
bereitwillig (mhd. mit vrier haut) gebend.
1534 bei S. Franck Weltb. 63*'. Freigeist,
m. (-es, PI. -er): Freidenker; Religionsver-
ächter. 1663 bei Schottel S. 448 (vgl. Laden-
doif), bei Luther 1, 74** in gleicher Bed. der
PI. die freien geiste: anders im 14. Jh. die
valschen frien geiste (Vorrede der Theologia
deutsch) mit Bezug auf die Sekte der Binider
des frien geistes. Freiherr, m. [-en, PI.
-en): Baron, mhd. vriherre m. «Edelmann,
der nicht in einem Dienstverhältnis steht wie
die Ministerialen». Freimaurer, m.: Mit-
glied einer Gesellschaft zur sittlichen Hebung
der Menschheit, unter symbolischen Formen,
die dem Maiu-erhandwerk entlehnt sind. Im
18. Jh. als Übersetzung des engl, free-tnason
aufgekommen, 1775 bei Adelung Freymäurer,
1780 bei Lessing 10, 288 Freywanrer. Frei-
mut, m. (-es): freier offener Sinn, mhd.
vrimuot m.; davon freimütig, adj., mhd.
vrwiüetic. Freischar, f. (PI. -en), erst in
den 40er Jahren des 19. Jh.; älter Frei-
korps, n., 1775 bei Adelung. Freisinn,
m.: fi'eie Gesinnung, bes. in religiöser und
politischer Hinsicht; davon freisinnig, adj.,
von Campe 1808 als neue Wörter bezeichnet,
aber schon 1643 bei Moscherosch Insomnie
cura 20 Freysinnigkeit; anders bei H. Sachs
5, 305 freisinnig «geistig gesund» im Gegen-
satz zu unsinnig. Freistatt, Freistätte,
f.: öffentliche Schutzstätte für flüchtige Ver-
brecher. 1678 bei Krämer Frey statt. Ähn-
lich bei Luther Jos. 21, 27 Freistadt f. «Asyl-
stadtfür Totschläger». Freistuhl, m.: west-
fälisches Freigericht, spätmhd. 1420 vristiiol.
freiwillig, adj., bei Luther.
freidig, adj. u. adv.: mutig, kühn, zu-
versichtlich, wohlgemut, getrost und fest.
Bei Luther 1. Sam. 18, 17, Weish. 11, 18,
2. Makk. 10, 28, aber allmählich nicht mehr
verstanden und bereits 1604 an manchen
Stellen durch das völlig verschiedene freudig
ersetzt. Noch mundartlich in Bayern, Tirol,
Kärnten, Elsaß und Schlesien. Mhd. vreidec,
vreidic «abtininnig, flüchtig, leichtsinnig, wild,
trotzig, übennütig, keck, mutig, wohlgemut,
munter», ahd. freidig «abtininnig, flüchtig»,
asächs. fredig «flüchtig, verbannt», abgeleitet
von dem ahd. Adj. freidi «abtriinnig, flüch-
tig», mhd. vreide «flüchtig, kühn, verwegen»,
andd. frethi * abtininnig, flüchtig». Dieses ist
wohl das aind, pretja- «nach dem Tode, jen-
seits» von pra- «fort» und einer Ableitung
von i «gehen», vgl. auch prStis f. «Weg-
gehen, Flucht». Davon Freidigkeit, f.:
Mut, Kühnheit, Zuversicht, fester getroster
Sinn und Entschlossenheit. Bei Luther 4. Mos.
23, 22, Apostelgesch, 4, 13. Mhd. vreidicheit
f. «Übennut, Wohlgemutheit, Kühnheit».
^freien, v.: freimachen, s. frei.
^freien, v.: zu ehelicher Verbindung
werben für sich selbst oder für einen andern.
Dem Oberd. fremd, aus dem Nd. und Md.
durch Luthers Bibelübersetzung zur Geltung
gekommen. Im altem Md. vrieti «um ein
Frauenzimmer aus Liebe werben», urspr.
«lieben»; dazu mnd. vrieti, ndl. vrijen «Liebes-
581
Freifrau
Frett
582
verkehr haben, umwerben />, ags. freogan,
anord. frla «lieben», (entlehnt) schwed, fria,
dän. fri «heii-aten», got. frijön. Der Lautver-
schiebung gemäß stimmend mit aind. pi'Viäti,
aw.frinäiti «er befriedigt.., ?ih^. prijati «sorg-
lich beistehn. günstig sein», prijazni f. «Liebe».
ABL. Freier, m.: heiratslustiger Bewerber.
Md. im Yoc. ex quo 1469 fryher, im 13. Jh.
friere m.: dazu FreierSlliaun, m.: Braut-
werber für einen andern. 1741 bei Frisch.
Freite, f. (PI. -n)-. Liebes-, Heü-atswerbung.
Ln Mitteldeutschland. Bei Lessing Freig. 2, 5
Freihte, bei Weiße Lustsp. 1, 164 Freyde.
Op. 3, 205 Freide, im 16. u. 17. Jh. Freiet,
im altem Md. vriät, friöte, fnete f. ZUS.
Freiwerher, m. (s, PI. wie Sg.): Braut-
werber fm- einen andern. 1616 bei Henisch.
Freifrau, Freigeist usw., s. frei
freilich, adv.: ohne Beschränkung, Be-
denken: wohl. Mhd. vrtliche, vnlick adv.
«in freier "Weise, frei heraus, ohne Zaudeni,
Bedenken, Vorbehalt:>; (im Loher und Maller
15. Jh.) «sicherlich, allerdings, freilich»; ab-
geleitet von dem mhd. Adj. vrtlich, ahd.
friWi <frei».
Freimut, Freisiuu usw., s. frei.
Freitag, m. (-s, PI. -e): der sechste
Wochentag. Mhd. vritac, vrietac, vrigetac,
ahd. friadag, frijetag: dazu mndl. rriäacJi.
ndl. vrijäag, afries. frigendei, ags. frlgdrpg,
frigedceg, engl, friday, (entlehnt) anord. frjä-
doffr, schwed. -dän. fredag. Es ist der der Ge-
mahlin Wotans und Vorsteherin der Ehen,
ahd. Fria, anord. Frigg, geheiligte Wochen-
tag, eine Übersetzung des lat. dies Yeneris.
Fria bedeutet die Liebende , der Lautver-
schiebung gemäß entsprechend aind. prijä f,
«Gattin, Geliebte» (s. frei und freien).
Freite, Freiwerber, s. freien.
fremd, unverkürzt fremde, adj.: anders-
woher gebürtig oder kommend, nicht ein-
heimisch, nicht angehörig, nicht eigen, nicht
vertraut, unbekannt, ungewöhnlich, seltsam.
Bei Luther frembd, mhd. iremede, iremde,
daneben irömede, vrömde, ahd. framadi. fra-
midi, fremidi; dazu asÄths-f remidi, nA\.vreemd,
ags. fremede, got. framaps, (entlehnt) schwed.
främniad, dän. fremmed, abgeleitet von ahd.-
got.-ags. und anord. fram, präp. und adv.
«vorwärts, weiter, entfernt von, von — fort».
ABL. Fremde, f., mhd. vremede, iremde,
daneben rrömede f. FremdÜDg, m. (s,
PI. -e), mhd. fremdelinc, bei Luther Fremhd-
ling und Fremhdlinger ; dazu Fremdlingin,
f., 1648 im Don Kichote 164. Fremdheit,
f., 5. 6. 1780 bei Goethe an Lavater 84, dafür
friiher Fremdigkeit (bei Opitz), mhd. vremdec-
heit, vrömdikeit f. ZLS. Fremdwort, n.
(-es, PI. -Wörter), 1819 bei J. Paul Von-, zur
3. Auri. des Hesperus.
frenetisch, s. phrenetisch.
frequent, adj.: zahlreich besucht. Im
18. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. frequens,
Gen. frequentis. frequentieren, V.: zahl-
reich, häufig, fleißig besuchen, 1571 bei Eot
und schon md. im 14. -Jh. frequentiren, aus
gleichbed. lat. frequentäre, von dessen Part.
Perf. Pass. frequentäius das Adj. frequentä-
tlvus, Xeutr. frequentätlfurn und aus letzterem
FrequentatlT, n. (-5, PI. -e)-. Veröfterungs-,
Wiederholungswort, abgeleitet ist. Fre-
quenz, f. (PI. -en): zahlreicher Besuch, Zu-
lauf, 1694 bei Nekring aus gleichbed. lat.
frequentia f.
Fresko, n. (-s, PI. Fresken)-. Malerei auf
frischen, d. i. nassen Kalk. 1775 bei Adelung.
Das Adv. fresco schon 1727 bei Spei'ander, Aus
ital. fresco «frisch». Daneben auch Freske,
f., von dem Plur. Fresken ausgebildet,
fressen, v. (Präs, fresse, frissest, frißt,
Prät. fraß, Konj. fräße, Part, gefressen, Imp.
friß): völlig essen, daher bes. unmäßig, un-
anständig, unvernünftig essen, gewöhnlich von
den Tieren gebraucht; verzehren, verzehrend
eindiingen. ^Ihd. vre^^en (Präs. ich vriß^e,
Prät. vra§, PI. träfen), ahd. fre^^an: dazir
ndl. vreten, ags. fretan (engl, /re^ «zerfressen»),
got. fraitan «aufzehren» (Prät. frei, 3. PI.
fretun), entlehnt schwed. frdssa, dän. fraadse.
Das Wort ist zusammengesetzt aus der Par-
tikel got. fra-, ahd. far-, nhd. ver- und got.
itan, ahd. e§§an, ags. etan «essen», wie auch
das Part. Prät. ahd. fre^^an, mhd. vre^^eu
ohne ga-, ge- zeigt. Li gleicher Bed. ein
neugebildetes mhd. vere^^en. Substantivisch
Fressen, n., derber Ausdruck für Nahrung,
Mahlzeit (bei A. Gryphius 1, 820). ABL.
Fresser, m. (-s, PL wie Sg.): der viel Fres-
sende, mhd. vre^^er m.; davon Fresserei,
f., mhd. vre^^erie f. ZTJS. Freßsack, m.:
Fresser, urspr. Speise-, Futtersack, 1775 bei
Adelung.
Frett, n. {-es, PL -e), gewöhnhch im
Dim. Frettchen, n. {-s, PL wie Sg.): Art
Wiesel zum Kaninchenfange. Bei Fischart
Ehez. L 1» Frettel n., 1561 bei Maaler Frett
n., 1546 bei G. Agricola frette, fiirette f.;
dazu clevisch 1477 frei, randL foref, frei n.
37*
583
fretteu
Friede
584
Entlehnt aus franz. furet, ital. furetto m., von
lat. für m. «Dieb» abgeleitet.
fretteu, v. : wund reiben; (bildlich) quälen,
plagen, hudeln. Noch obd. Mhd. treten, vret-
ten, vraten, ahd, fratön, von ahd.-mhd. fratt
«wund aufgerieben», bayr. frat, Schweiz, fratt.
Vielleicht aus ital. frettare «reiben», das von
lat. fridäre stammt.
fretzen, v.-. fressen machen, weiden, mästen.
Bei Luther. Mhd. vretzen und veretzen «ab-
weiden, füttern, jagen», got. fraatjan «zum
Essen verteilen», zusammengesetzt aus der
Pai-tikel got. fra-, ahd. far-, mhd. vei'- und
mhd. etzen, s. ätzen und auffretzen.
Freude, f. (PI. -n)-. durch angenehmes
Gefühl erregte Gemütsheiterkeit. Bei Frisius
1541 und Maaler 1561 fröud, mhd. vröude,
vreude, fröiiwede, ahd. frawiäa. freuwida,
frowida f. Von freuen, v.: froh machen,
mhd. vröuiven, vreuwen, vröun, vreun, ahd.
frawjan, freivjan, froiiicen, abgeleitet von
froh (s. d.). ABL. freudig, adj.: Freude
empfindend oder eiTegend, 1540 bei Alberus
Dict. Qq.3^ freudig, 1541 bei Frisius fröudig,
vgl. fr eidig; dazu Freudigkeit, f., bei Al-
berus QqS** freudigkeit, bei Frisius fröudig-
keit. ZUS. Freudenhaus, n.: Haus voller
Freude (beiLuther und Schiller), mhd. urÖMc^ew-
hüs n.); in üblem Sinne Bordell (im 18. Jh.).
Freudenmädchen, n.: feile Dirne, nach
franz. fille de joie in der zweiten Hälfte des
18. Jh. aufgenommen (bei Schiller 7, 307),
aber schon spätmhd. im 15. Jh. freudemveih.
Vgl. noch Gombert ZfdW. 7, 141.
Freund, m. (-es, PI. -e): durch Liebe,
Zuneigimg Verbundener; (in der Volkssprache)
Verwandter. Mhd. vriunt, ahd. friunt, friont,
asächs. friund, ndl. vriend, afries, friond,
friund, ags. freond, engl, friend, anord. frmndi,
schwed.-dän. frände, got. frijönds m. «Freund,
Verwandter», ist das als Subst. erscheinende
Part. Präs. von got. frijön «heben» (s. freien).
Gleiche urspr. Partizipien sind Feind, Hei-
land (s. d.). ABL. Freundin, f. (PI. -nen),
mhd. vriundinne, ahd. friuntinna f. freund-
lich, adj. 11. adv., mhd. vriuntlich und Adv.
vriuntliche, ahd. friuntlih und Adv. friunt-
licho; dazu ndl. vriendelijk, ags. freondlic,
engl, friendly; davon Freundlichkeit, f.,
spätmhd. vriuntlicheit f. Freundschaft, f.
(PI. -en): Freundesverhältnis; (in der Volks-
sprache) Verwandtschaft. In beiden Bed.
mhd. vriuntschaft, vriwentschaft, ahd. friunt-
scaf f. ; dazu asächs. friundskepi, afries. friond-
skip, ags. freondscipe m.; davon freund-
schaftlich, adj., 1734 bei Steinbach.
Frevel, m. (-s, PI. wie Sg.): gewaltsame
Rechtsverletzung. Bei Luther freuet (u == v),
1561 bei Maaler Frei fei, ältermd. vrevel, da-
neben vorevele, vorehele, vorebel, vorebyl,
virehel m., mhd. vrevel, vrävel, vraval, da-
neben frefne und frefin, meist f. (selten m.),
ahd. fravali, fravili, frabari f. «rückhaltlose
Kühnheit, schrankenloser gefährlicher Über-
mut», (in der altern Rechtssprache) «geringeres
durch Geld sühnbares Vergehen, Geldstrafe ».
Von frevel, adj.: rückhaltlos kühn, gefähr-
lich übermütig, gewaltsam das Recht ver-
letzend. Mhd. vrevel, vrävel, vrehel, vrabel.
daneben vreven, md. vorevil, vorehil. virehil
(noch 1469 im Voc. ex quo eyn freheler),
ahd. fravali, fravili, frafali und Adv. fraba-
liclio ; dazu (entlehnt) ndl. wrevel, ags. frcefele.
Zusammengesetzt aus der Partikel got. fra-,
ahd. far- (selten fra- in fräbald «verwegem>),
mhd. ver-, md. vor-, vir-, nhd. ver-, und
einem Stamm, der noch vorliegt in md. evel
«stolz vermessen» (Jeroschin 9122 Var.), ahd.
avalön, afalön «in eifriger Arbeit tätig sein»,
anord. afl n. «Kraft, Stärke», got. dbrs «stark».
Vgl. Fracht, fressen. ABL. frevelhaft,
adj. u, adv., spätmhd. vrevelhaft. freveln,
V., mhd. crevelen, daneben vrevenen, md.
vireheln. freventlich, adj. u. adv.: frevel-
haft* mit eingeschobenem t aus mhd. vreven-
lich neben vrevellich (md. virehilich), wie
vreven neben vrevel, 1561 bei Maaler fr äf ert-
lich, bei Luther freuelich, freuenlich und
(Tischreden 3^) freuentlich. Frevler, m.,
mhd. vreveler, mrhein. im Voc. ex quo 1469
frebeler.
Friede, {-ns, PI. -en), seit dem 18. Jh.
auch Frieden, m.: Vereinigung in Liebe
mit Entfernung aller Entzweiung; feste Über-
einkunft zu Einigkeit und Sicherheit; Sicher-
heit vor und Freisein von Widerwärtigem.
Bei Luther Fried und Friede noch mit der
alten starken Biegung Gen. Friedes, Akk.
Friede, aber auch schwach Dat. und Akk.
Frieden. Die stai-ke Flexion noch bei Logau
1, 1, 4, Flenaing 189, Zeseu Ibrahim 1, 146;
die schwache Flexion zeigt sich vereinzelt
schon mhd., besonders md., zuerst im 12. Jh.
am Niederrhein; der gemischte Gen. fridens
am fiühesten im Anfang des 16. Jh. bei
Keisersberg (Predigten 68"^). Mhd. vride (Gen.
vrides), ahd. fridu, frido m. (daneben frida
f.) ; dazu asächs. fridu, ndl. vrede, afries. fretho
585
Friedhof
Frikandeau
586
m,, ags. frip, fryp m., d. (daneben freodo,
frioäo, frido f.), anord. friär, schwed. frid,
fred m., dän. fred m. und f., got. nur im
Eigennamen Frißareiks «Friedrich» und in
gafrißon «versöhnen». Zugrunde liegt der-
selbe Stamm fri «schonen» wie in got. frijön
«lieben» (s. freien und Freund). ABL.
friedlich, adj. u. adv., mhd. vridelicli, Adv.
vrideltche. friedsam, adj. und adv., mhd.
vridesam, ahd. fridusam, asächs. adv. frida-
samo. ZUS. Friedensfürst, m. (-ew, PI.
-en), bei Schiller Wall. Tod 5, 1, dagegen
bei Luther Jes. 9, 6 Friedfürst. Friedens-
richter, m. (-S, PI. wie Sg.), 1691 bei
Stieler, aber 1703 im Zeitungslex., 1741 bei
Frisch Friedericliter. Urspränglich Bezeich-
nung einer englischen Einrichtung, fried-
fertig, adj., bei Luther Matth. 5, 9.
Friedhof, m. (-.§, PI. Friedhöfe)-. Kirch-
hof, Gottesacker. Nicht «Hof zu Friede und
Euhe», sondern aus mhd. vrithof ahd. frit-
hof, asächs. fridhof, mnd. vrlthof m. «der vor
einem oder um ein Gebäude zu Schonung
und Sicherheit eingefriedigte Raum, Vorhof
eines Tempels, Palastes oder einer Burg, Vor-
hof der Kirche als öflPentlicher Schutzort ge-
flüchteter Verbrecher», endlich «Kirchhof,
Gottesacker», älternhd. und noch oberd. Freit-
Iwf. Zu ah.ä.vriten «begünstigen, hegen», anord.
frida «schmücken», got. freidjan «schonen»,
einer Ableitung von einem Adjektiv, das in
ags. frid, anord. fridr «hübsch» vorliegt, und
das genau aind. jyrUäs «vergnügt, befriedigt,
geliebt» entspricht. Der Stamm ist derselbe
wie in freien, Friede.
Friedrich, Mannsname, mhd. Friderich,
ahd. Fridurih, got. Frißareiks, ags. Freoderic.
anord. Fridr ekr «Friedensfürst». Mlat. Fri-
dericus, daher der zugehörige Frauenname
Friederike. S, Fritz, Fritze und -rieh,
Friedrichsdor, m. (s, PI. -e u. -s)-. ehe-
malige preußische Goldmünze im Werte von
17 M., zuerst 1713 unter Friedrich Wilhelm L
geprägt.
frieren, v. (Prät. fror, Konj. fröre, Part.
gefroren): Kälte empfinden: durch Kälte er-
starren; (unpersönlich) es friert «entsteht
Eis» (schon mhd.), es friert mich «ich emp-
finde Kälte» (mhd. mich vriuset); das Part.
gefroren «durch Zauberei fest gegen Hieb
und Schuß» (seit dem 30 jähr. Kriege nach-
gewiesen). Mhd. vriesen (Prät. vrös, PI.
vrurn, Part, gevrorn), ahd. friosan, freosan
(Part, gifroran); dazu mnd. iTesen, näl.vriezen,
ags. freosan, engl, freeze, anord. frjösa, schwed.
frysa, dän. fryse. Das urspr. s hat sich im
bayr.-hess. friesen, freusen, luxemb. friselen,
sowie in Friese! und Frost (s. d.) erhalten.
Die 2. und 3. Präs. lautet älternhd. freurest,
freuret (noch 1726 bei Freyer freuret). Der
Lautverschiebung gemäß entspricht aind.
priisvä f. «gefrornes Wasser, Reif», lat.ijnima
f. «Reif» (aus *prusvfna).
Fries, m. (-es, PI. -e): in der Säulen-
ordnung ein mit Laubwerk und andern krausen
Zieraten versehener Teil des Hauptgesimses,
der den Kopf des auf dem Hauptbalken i-uhen-
den Balkens bildet (dann herumlaufender Zier-
streifen an Wand und Fußboden); krauses
: ungeschorenes tuchartiges Wollenzeug, In
I der 1. Bed. 1616 bei Henisch Frisen, 1618
■ bei Schönsleder Fries m., 1691 bei Stieler
; Friese n., bei Winkelmann und Schiller Friese
f. (PI. -n); dazu mndl. 1599 bei Kilian frise.
In der 2. Bed. 1691 bei Stiel er Fries, 1678
bei Krämer Frieß, 1663 bei A. Gryphius
Peter Squenz 9 Frilß, mndl. vries, frise 1599
bei Kilian. Beides aus gleichbed. franz. frise,
afranz. frese f., woher auch engl, frieze, zu
franz. frisei' «kräuseln, verzieren», das wie
span. friso, freso m. in 1., frisa f. in 2. Bed.,
frisar «Tuch aufkratzen», ital.f regio m. «Ver-
brämung, Schmuck, Gesimsfries», finsa f.
«rauher Wollstoff», aus dem Germanischen
entlehnt ist: ags. frise «kraus, gelockt», engl.
friz, frizzle «kräuseln», afries. frisle, fresle
«Haupthaar, Haarlocke». Dagegen das afranz.
drap de Frise, paile de Frise, mlat. panmis
frisius, ist ein kostbai-er Seidenbrokatstoff
und deutet auf den Orient, vielleicht Phrygien
(Schultz höf. Leben 2 l, 337).
Friese, m. (-n, PI. -n): Volksname, mhd.
Vriese, ahd. Frieso, Friaso, Friso m., dazu
nd. Frese, mndl. Vriese, ndl. Vries, afries.
Freso, Friso, ags. Frysa, Friesa m., bei den
röm. Schriftstellern Frisii, Frisones, mlat.
auch Fresones. Dunkler Herkunft.
Friesel, n. u. m. (-s, PI. wie Sg.): Fieber
mit hirsekornähnlichen Bläschen. 1686 bei
Liebe als Mask., 1734 bei Steinbach als Neutr.
Zu frieren (s. d.), md. im 14. Jahrb. bei
Ködiz 96, 26 frisen n. «Fieberschauer, kaltes
Fieber», ebenso 1429 im Lib. ord. rer. 17**
friesen n.
Frikandeau (spr. Frikandö), n. {-s, PI.
-s): gespickte gebratene Kalbsschnitte. Aus
gleichbed. franz. fricandeau m. Neue Ent-
lehnuncr.
587
Frikandelle
froh
588
Frikandelle, f. (PI. -«): Buttergebackenes
aus zerhacktem Fleisch, Fleiscliklößcheu. 1715
bei Amaranthes, aber 1721 bei Jablonsky
und 1741 bei Frisch Frickedellen, 1727 bei
Sperander Fritadelle, Frickedellen, aus gleich-
bed. ital. frittadella f., von fritto «in der
Pfanne gebacken», Part, von friggere, lat.
fngere «rösten»,
Frikassee, n. (-s, PI, -s)-. Schnittfleisch
mit einer Brühe, Bereits im 16, Jh. (Zünm,
Chron. " 2, 164, 4) entlehnt aus dem gleich-
bed, franz, fricassee f. Dazu frikassl ereil,
V. (Zimm, Chi'on,^ 2, 163, 29): (in übertragener
Bedeutung) übel zmichten (erst im 19. Jh,),
frisch, adj, u, adv,: erstkräftig, munter,
rüstig; noch ungenutzt; anregend kühl, Mhd,
wisch, früh am Nieden'hein virsch, ahd, frisc
in der 1. Bed.; dazu mnd. irisch, nd. frisk,
mndl. versch, afries,-ags. ferse, engl, fresh;
anord. ferskr, schwed, färsk, frisk, dän, fersk,
frisk sind entlehnt. Auch ins Romanische
gedrungen : ital,-span,-port, fresco, franz. frais.
Der Lautverschiebung gemäß entspiicht abg.
presinü «fi'isch, ungesäuert» (lit. prieskas
«ungesäuert» ist aus dem Slaw. entlehnt).
ABL. Frische, f., mhd. vrische f.
Frischling, m. {-s, PI. -e) -. junges Wild-
schwein. Aus mhd. vrischific, später auch
vrischlinc m. «junges weidetähiges Schwein
oder Lamm», ahd. friskinc, friscing mit den
Nebenfoi-men fruscing, früiscing, frinscing,
frunscing m. auch «Opfertier»; dazu andd.
ferscang, verscung m. «junges Tier, Ferkel,
Lamm». Die romanischen afranz. fresange.
fraissengue , sizil. frisinga «junges Schwein»
stammen nicht direkt aus dem Deutschen.
Abgeleitet von frisch (s. d.), also urspr.
«Frischgeborenes, Junges». Daher weidmän-
nisch frischen, v.: junge Wildschweine ge-
bären, 1746 bei Döbel Jäger practica 1, 24.
frisieren, v.: kunstgerecht Haare kräuseln;
wollene Zeugstoft'e in der Frisiennühle auf-
kratzen. In der 1. Bed. 1673 bei Weise Erzn.
frisiren, in beiden Bed. 1691 bei Stieler
friesiren, 1616 bei Henisch friseren, nach ndl.
friseren aus franz, friser (s, Fries). ABL.
Frisierer, m, (s, PI. wie Sg.) : Haarkräusler.
1691 bei Stieler Friesirer, heute in der franz.
Form Friseur. Frisur, f. (PI. -ew): Haar-
tracht, 1694 bei Nehring, aus franz. frisure f.
Frist, f. (PI. -en): bis wohin freigegebene
Zeit, Aufschubszeit; abgegrenzte Zeit über-
haupt. Mhd. vrist, ahd. frist f,; dazu mnd.
verst, mudl. verde, vorste f., afries. ferst,
first n., ags. first m., anord. frest n., schwed.
frist m., dän. frist. Das Wort ist nach Brug-
mann Idg. Forsch. 13, 164 zu vergleichen mit
'Aind.purah-sthitas «bevorstehend» (j;was « vor
Augen» = germ. fris und sthitas «stehend».
ABL. fristen, v.: Frist geben, unverletzt
und noch für längere Zeit erhalten. Mhd.
vristen, ahd, fristjan, fristan und fristön,
mnd. verstell, afries. fersta, ags. fy^rstan, anord.
fresta, schwed. frista, dän. friste,
Fritt, m. {-es, PI. -e): kleiner Hand-
bohrer, bes. der Böttcher. 1775 bei Adelung,
aus nd. frit m., ndl. vret n., vom gleichbed.
franz. foret m., mlat. foretum n., zu lat.
f ordre, franz. forer «bohren».
Fritte, f. (PI. -en): in der Glasmacher-
kunst Gemeng aus Sand oder Kieselerde und
alkalischem Salz (Laugensalz). 1775 bei Ade-
lung, aus gleichbed. franz. fritte, ital. fritta
f., d, i, lat, fricta, Fem, des Part. Prät. frictus
von frigere «rösten», urspr, «geröstete, ge-
sottene Masse», weil durch Schmelzen jenes
Gemenges Glasfluß entsteht. ABL. fritten,
V.: zusammenschmelzen.
Fritz (Gen. -ens, PI. -e, -en), vertrauliches
Dim. von Friedrich, bei Luther auch Fritzsch,
mhd. (und noch mundai'tlich) Fritze.
Fritze (Gen. -ns, PI. -n), diminutive Kose-
form für Friederike.
frivol, adj. u. adv.: gehalt- und wertlos,
sehr leichtfertig. 1686 bei Liebe, aus gleich-
bed. frivole, von lat. frlvolus «wertlos, arm-
selig, abgeschmackt». ABL. Frivolität, f.
(Pl.-en): Leichtfertigkeit; leichte Spitze, durch
ein Schiffchen mit der Hand gefertigt. Aus
franz. frivolite f. In der 1. Bed. 1768 bei
Wieland Idris 15.
froh, adj, u, adv.: von Wohlgefühl be-
wegt; aus Wohlgefühl lebhaft. Bei Luther
fro, mhd. vrö (Gen. vrowes, vrouwes, vröhes),
iihd.frao, fro (flektiert //;awer, frdiver,frouwer)
auch «schnell» bedeutend; dazu asächs. fräh
«froh», mndl, vrö, afries, frö, anord. frär
«hiu'tig, flink». Die nordische Bedeutung
«flink» scheint die ursprüngliche zu sein, und
man kann daher die genn. Grundfonn *frawaz
zu aind, prävate «springt auf, hüpft, eilt»,
praväs «flatternd, schwebend, fliegend» stellen.
Vgl. Osthoff Parerga 336. ABL. fröhlich,
adj. u. adv., bei Luther frölich, mhd. vrop-
licli und Adv. inwliche, ahd. frawaUh, fröUh
und Adv. frawaUcho, frölicho: dazu Fröh-
lichkeit, f., mhd. vropUchät f. ZUS. froh-
locken, v.: laute Freude äußern. Bei Luther
589
frohn
Fronde
590
und noch bis ins 18. -Ih. frolocken, mhd.
vrölocken, 1352 bei Merswin wiederholt für-
löcken: -locken ist vermutlich entstanden aus
mhd. und ältemhd. lecken «hüpfen, springen»,
s. Hecken, Intensivbildung zu mhd. leichen
«aufspringen», got. laikan <' hüpfen, froh-
locken», ags. läcan «springen»; die urspr.
Bed. wäre also «vor Freude spiingen».
frolin, Frohue usw., s. fron. Frone.
fromm, adj. u. adv. : (im altem Xhd. wie
im Mhd.) förderlich, nützlich, tüchtig, vor-
trefflich, tapfer, brav, rechtschaffen ; (im altern
wie jungem Nhd., besonders durch Luthers
Bibelübersetzung verbreitet) tüchtig in Be-
ziehung auf die Gottesverehrung, gottgefällig ;
(bildlich) ohne Arg und gut geartet, fügsam.
Bei Luther from, ältemhd. (zumal obd.) auch
frum, frumm, daneben frunib, fromb, mhd.
vfum, vrom, ältermhd. im 12. Jh. f)-um; dazu
mnd. iTOnre «tüchtig, brav, fromm», afries.
frenio, from «nützlich», ags. from, fram, «tapfer,
tüchtig». Zugrunde liegt der gleiche Stamm
wie in got.-ahd. fram, «vorwärts, weiter»
(s. fremd), got. f-uma, ags. forma «der erste»,
lit. pirmas «der ei-ste», gr. Trpöuoc «der vor-
derste, Vorkämpfer»; ferner in vor, für der.
fordern, Fürst (s. d.). RA. frommer Wunsch, ,
der nicht in Erfüllung geht, nach Phil. Speners |
Schrift pia desideria 1675. ABL. Fromme,
f.: Vorteil. Xutzen, Gewinn, nur noch in dem
Dat. PI. zu (Xutzund) Frommen «zum Nutzen,
zugute». Ältemhd. Frumme f., mhd. vrume,
vruni, vrome f. u. m., ahd. fruma, froma f.; j
dazu asächs. fruma f. Daher mhd. ze vinimen, '
ze vromen, ahd. zi fnimum, ze fromon.
frommen, v.: Fördei-ung, Xutzen bringen,
zur Förderung dienen. Mhd. vrumen, vromen, .
vrümen «vorwärts kommen, förderlich sein, ;
nützen, helfen», ahd.frumjan, frumman, asächs.
frummjan «vorwärts schaffen, befördern, voll- '
bringen, verrichten, tun». Nach Heynatz 1796 ■
ist das "Wort «von einigen neuern» wieder her- :
vorgesucht, frömmeln, v.: äußerlich ein
gottesfürchtiges Wesen annehmen, 1786 bei
Schiller 4, 105. Frömmigkeit, f.: religiöse I
Tüchtigkeit, ältemhd. frumkeit (altertümlich
noch bei Goethe 16, 124 Frummkeit), frum-
keit, frönikeit, mhd. vriimecheit, vrümkeit,
rrumkeit, im 12. Jh. frumikheit «Tüchtigkeit, '
Bravheit, Tapferkeit, Trefflichkeit», zu dem [
von ivww abgeleiteten Adj mhd. vnimec.
vrnmec, ahd. f rumig «nützlich, tüchtig». \
fron, adj.: herrUch und heilig. Nur noch ;
altertümlich bei Pfeffel u. a. frohn, ältemhd.
fron, mhd. vrone. vron adj. «den Herrn be-
treffend, ihm gehörend, heüig, herrschafthch,
öffentlich», ahd. frono, fraono adjektivisch,
aber undeklinierbar gebraucht, urspr. Gen.
PI. von ahd. fro, got. frauja m. «Herr» (s.
Frau), «der Herren» d. h. nach christhcher
Anschauung «Gottes und der Heiligen». ZUS.
Fronaltar, m. (-s) : Gottes-, Hochaltar, mhd.
vronalter, -altär m. Fronbote, m. {-n, PI.
-«): Gerichtsbote, Büttel, mhd. vrönehote,
älter böte vrone, ahd. hoto vröno «heüiger
unverletzlicher Bote, Gerichtsbote». Fron-
dienst, m. (-es, PI. -e): herrschaftlicher
Handdienst, den der Unfreie leisten muß,
spätmhd, vröndienest. Fronfasteu, plur. :
die Quatemberfasten, mhd. vrone-. vronvaste f.
Fronfeste, f.: öffentKches Gefängnis, mhd.
vronvesfe f. Fronhof, m. (-es, PI. -höfe):
Herrenhof, bes. insofern die zu Handdiensten
Verpflichteten da erscheinen müssen, mhd.
vrone-. vrönhof m. «Heirenhof. Kii-chhof»,
ahd. fronohof «Fiskus». Fronleichnam,
m. (-s), 1482 im Voc. theut. q 2* fronleichnam,
mhd. vrönlicham m. «der heilige d. h. Christi
Leib, Hostie» (s. Leichnam). FronTOgt, m.
(-es, PI. -vögte): hen-schaftlicher Amtmann,
bes. zur Beaufsichtigung der zu Frondiensten
Verpflichteten. Bei Luther (2. Mos. 1, 11).
^Fron (-en, PI. -en), m.: Gerichtsbote,
Büttel, Scherge. Volkstümliche Küi-zung für
Fronbote (s. d.), spätmhd. vron, vrone m.
""Fron(e), f. (PI. -n)-. dem Herrn zu
leistender Zwangdienst. Mhd. vrone f. «Heir-
lichkeit, Gewaltheirschaft, Gefängnis, Herren-,
Frondienst (s. fron), gerichtliche Beschlag-
nahme». Von fronen, frönen, v.: unfrei
Herrendienst tun (frönen auch bildhch «einer
Sache sklavisch unterworfen sein», seit der
ersten Hälfte des 18. Jh.). Mhd. vroenen,
vrönen «zum Herrn machen, verherrüchen,
als Abgabe geben, in gerichtlichen Beschlag
nehmen, Herren-, Frondienst leisten», ahd.
fronen «in Beschlag nehmen». ABL. Fronde,
f. (PI. -n) in gleicher Bed. wie Frone f., spät-
mhd. vroende f. «frondienstiges Land, Fron-
ai-beit». das ein ahd. fronida voraussetzt. Da-
von fronden, v., in gleicher Bed. vne fronen.
Fronde, f.: Oppositionspartei von Vor-
nehmen gegen die Regierung. Aus franz.
fronde f. «Name einer Oppositionspartei wäh-
rend der ^linderjährigkeit Ludwigs XIV., die
die Politik Mazarins stark bekämpfte». Das
Wort bedeutet eigentlich «Schleuder» aus
lat. funda f. und wui-de zum Spottruf. ABL.
591
Fronfasten
früh
592
Frondeur, m., aus franz. frondeur m. fron-
dieren, v., aus franz. fronder. Alle im
18. Jh., aber allmählich zuräckgetreten. Neu
belebt nach dem Kücktritt Bismarcks. Vgl.
Ladendorf.
Fronfasten, Fronfeste usw., s fron.
Front (PI. -w), f.: Stirn-, Vorderseite. 1616
beiWallhausen Kriegsmanual 119 Fronte, Front
f., aus \iü\. fronte f. «Stirn, Angesicht, Vorder-
teil», von lat. frons (Gen. frontis) f. «Stirn».
Frontispiz, n. {-es, PI. -e): Vordergiebel-
seite. Im 18. Jh. aus franz. frontispice m.,
mlat. frontispicium n. «Giebel eines Gebäudes»,
von lat. frons f. «Stirn» und spicere «sehen,
schauen».
Frosch, m. (-es, PI. Frösche): die hüp-
fende Amphibie, lat. rana; (übertragen) Feuer-
werkskörper; Geschwulst an der Zunge einiger
Tiere; Schuljunge. Mhd. vrosch, ahd. frosc
m.; dazu mnd.-mndl.-ndl. vorssch, ags. frox
m., engl.-dial. frosk m., anord. froskr m., dän.
frosk. Daneben stehen Formen wie ags.
frogga, engl, frog, dial. frock mit Guttural,
und solche mit Dental anord. fraiutr, schwed.-
dän. frö, anord. fraukr (aus *fraudkr). Es
ist kaum möglich, alle diese Formen auf
eine gemeinsame Grundform zurückzuführen.
Am ehesten ist noch '*fraup, *frup möglich
und dies dürfte nach Osthoff Parerga 344
zu den unter /ro/i behandelten Wg.« springen»
gehören, vgl. aind. plavas m. «Frosch» zu
plu-, pru- «springen» und die deutschen Aus-
drücke hopper, hoppschel, grashüpf er u. a.
ZUS. Froschblut, n.: kaltes Blut, bei dem
der Mensch nicht in Aufregung kommt (bei
J. Gotthelf Schuldenbauer 364). Frosch-
laich, m. (-s): Froscheier, 1575 bei Fischart
Gai'g. 56 Fröschleych, im 17. Jh. auch n,
Froschlöffel, m., ein Sumpf löffelkraut, 1533
bei Rößlin 116<i.
Frost, m. {-es, PI. Fröste) : starren machende
Kälte. Mhd. vrost, ahd. frost m. ; dazu mndl.
vorst, afries.-ags. forst, engl, frost, anord.-
schwed.-dän. frost. Abgeleitet von frieren
(s. d.). ABL. frösteln, v.: ein wenig Frost
empfinden, 1541 bei Frisius fröstelen. frostlg,
adj. und adv.: kalt, frierend, mhd. vrostec,
vrostic, ahd. frostag: dazu ndl. vorstig, ags.
fyrstig, engl, frosty. ZUS. Frostbeule, f.,
1716 bei Ludwig.
frottieren, v.: reiben, scheuern. 1773
bei Amaranthes. Aus gleichbed. franz. frotter.
Frucht, f. (PI. Früchte): Bodenerzeugnis,
insbes. Getreide; Erzeugnis der Fortpflanzung;
(bildlich) Ertrag, Erfolg. Mhd. vruht, ahd.
fruht f. ; dazu asächs. fruht m., ndl. vrucht f.,
afries. frucht f. ; später entlehnt anord. fruktr
m., schwed. frukt, dän. frugt m. Aus gleich-
bed. lat. fructus m. ABL. fruchtbar, adj,:
fi'uchttragend, fruchtbringend, nutzbringend,
mhd. vruhtbcere, ndl. vruchtbaar. Frücht-
chen, n. {-s, PI. wie Sg.): kleine Frucht;
auch leichtsinniger, ungeratener junger Mensch,
1750 bei Lessing 1, 471, im gleichen Sinne
bei Luther 8, 67^ früchtlin. fruchten, v.:
fruchtbar machen (Goethe 1, 83); Frucht
bringen, Erfolg haben (1644 bei Harsdörflfer
Gesprächsp. 1, Vorr. B 1^), mhd. vrühten,
vruhten «Frucht tragen, als Frucht zur Folge
haben, fruchtbar machen, den Fruchtgenuß
haben». ZUS. Fruchtbaum, m.: frucht-
tragender Baum, Obstbaum, mhd. vruhtbouni.
fruchtlos, adj. u. adv.: unfruchtbar (1786
bei Herder zerstr. Blätter 2, 8); erfolglos
(1678 bei Krämer). Fruchtschlag, m. {-s):
auf- oder abschlagender Fruchtpreis, süd-
westdeutsch (bei Hebel). Fruchtspeicher,
m. (-.s, PI. wie Sg.): Getreidelagerungsspeicher,
1541 bei Frisius Frurhtspycher.
frugal, adj. u. adv.: sparsam eingerichtet,
mäßig, einfach - genüglich. Im 18. Jh. ent-
lehnt aus gleichbed. franz. frugal, von dem
lat. Adj. frügälis, zu lat. frux (Gen. frügis)
f. «Frucht, Tauglichkeit».
früh, adj.: der gewöhnlichen oder be-
stimmten Zeit vorausgehend. Bei Luther
früe, mhd. vrüeje, vruoje, vruoive, ahd. fruoji.
Von früh, adv.: mit Anbruch des Tages;
mit Anfang und selbst vor der bestimmten
Zeit seiend. Auch frühe (bei Goethe, Schiller,
Uhland), älternhd. früe, frü (mit dem 17. Jh.
früh), mhd. vrüeje, vrüe neben vruo, ahd.
fruo, friia, daher noch nhd. früh (Goethe
13, 105, Rückert 2, 395, Heine 1, 232). Der
Lautverschiebung gemäß stimmend mit gi'.
TTpuui adv. «früh», -rrpdbioc adv. «frühe», irpuuiaf.
«die Morgenfrühe», aind. prätdr adv. «früh
morgens», zu gr. irpö «vor», aind. ^'a- «vor-»
(s. vor). ABL. Frühe, f.: erste Morgen-
zeit, bei Luther früe, im 15. Jh. frue, ahd.
fruo7 f. Frühling, m. {-s, PI. -e): erste
Jahreszeit, Jahreszeit des Grünwerdens und
Blühens der Pflanzen (älternhd. im 16. Jh.
früling bei Dasypodius, Frisius usw., bei
Luther nur einmal neben Lenz, spätmhd.
im 15. Jh. vrüelinc); früh im Jahr geborenes
Tier (1. Mos. 30, 42 früeling); zu früh nach
der Hochzeit geborenes Kind (1691 bei Stieler).
593
Frumkeit
Fug
594
ZUS. Frühgeburt, f.: vorzeitige Geburt.
Bei Opitz (nach Adelung). Frühjahr, n.
(-es, PI. -e): erste Jahreszeit (vom 21. März
bis 21. Juni), 1678 bei Krämer, frühreif,
adj.: vor der gewöhnhchen Zeit reif, 1663
bei Schottel (von Menschen), von Früchten
ndrrhein. in der Kölner Gemma von 1495
vrorijp, von 1507 vrorijff, ahd. fruo nfi.
Frühstück, n. (-s, PI. -e): Morgenbrot,
Zwischenmahlzeit vormittags, spätmhd. v-i'iio-
stücke, vrüestüc n. (Minnesinger 3, 309^, 2.
310% 3); davon frühstücken, V., 1470 bei
Diefenbach mlat.-hochd.-böhm. Wb. 138 fru-
stücken, frühzeitig, adj. u. adv.: vor der
gewöhnlichen Zeit, um 1480 im Voc. ine. teut.
g5b ffuezeitig, in der Straßburger Gemma
von 1508 fryegzytig «frühreif».
Frumkeit, s. fromm.
Fuchs, m. (Gen. Fuchses, PI. Füchse):
das listige Raubtier, lät. ^nilpes; (übertragen)
röthch-braunes Pferd (1556 bei Frey Garten-
gesellsch. Kap. 75, vgl. Rappe): Mensch mit
rotem Haar (1556 bei Frey Kap. 71): Student
im ersten Halbjahr (bei Günther 581, ver-
ächtlich 1697 bei Ettner unwürd. Doktor 639,
von Abiturienten 1679 bei Eiemer polit.
Maulaffe 51, aber schon im 16. Jh. Foß, Gen.
Possen, als Schimpfwort für Studenten und
Gelehrte, z. B. 1552 bei H. Sachs Fasnachtsp.
40, 848 fg., 1571 bei Rot Phos, oöenbar von
einer nd. Universität ausgegangen).; Gold-
stück (1669 bei Grimmeishausen Simpl. 278),
früher auch kleine nrhein.-westfl. Kupfer-
münze im Werte von l'/^ Pfennig deutscher
Reichswährung; listiger, verschlagener Mensch
(bei Luther Luk. 13, 32). In der urspr. Bed.
mhd. vuhs, ahd. fuhs m.; dazu mnd.-mndl.-
ndl. WS, ags.-engl. /ba; ; anord. /ba? n. «Betrag».
Daneben ein älteres Fem. mhd. vohe «Fuchs,
Füchsin», ahd. folm, anord. föa, got, fauhö.
Die bisher aufgestellten Erklärungen der
Herkunft befriedigen wenig. Vgl. aber ühlen-
beckBtr.22, 538. Älternhd. zeigt sich schwache
Flexion (1550 bei Alberus Fab. 48, 178 des
Fuchssen), die noch oberd. vorkommt. ABL.
füchseln, v.: (schlau) stehlen, 1618 bei
Schönsleder füchßlen. fuchsen, v.: fuchs-
schlau berücken; hudeln, peinlich, empfind-
lich plagen oder argem (vielleicht aus der
Studentenspi-ache, doch vgl. Weise ZfdW.
8, 248 eig. «einen wie einen Fuchs behandeln»);
Geilheit üben (1664 bei Duez) ; sich fuchsen,
v. : sich ärgern, fuchsig, adj.: durch Ab-
blassen gelbrötlich, 1741 bei Frisch füchsig
We ig and, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
«rot». Füchsin, f. (PI. -nen): weibhcher
Fuchs, spätmhd. im 15. Jh. fiichsinne (Diefen-
bach Gloss. 632*^), md. im 14. Jh. füchsin,
spätahd. im 11. Jh. fuchsin f.: dazu ags. fixen,
engl, vixen. ZUS. Fuchsbau, m. {-es, PI. -e):
Lagerhöhle des Fuchses, 1775 bei Adelung.
Fuchsmajor, m.: ältrer Student, der die
Füchse im studentischen Brauch unterrichtet.
Fuchspelz, m. {-es, PI. -e), mhd. vuhshelz
m. fuchsrot, adj. : feuerrot, 1616 beiHenisch.
Fuchsschwanz, m. {-es, PI. -schtvänze):
Schwanz des Fuchses, 1494 bei S. Brant
Narrenschiff 40, 36, dafür mhd. vuhszagel ; (in
übertragener Bedeutung auch Name von
Pflanzen, einem Vogel, einer kurzen Säge);
davon fuchsschwänzeu, v.: einem den
Fuchsschwanz streichen oder mit dem Fuchs-
schwanz streichen, d. h. in niedriger Weise
schöntun, schmeicheln, zu Gefallen reden,
seit dem 16. .Jh. (bei Luther, H. Sachs),
gleichzeitig Fuchsschwänzer, m.: nach
Gunst strebender, heuchlerischer Schmeichler
(bei Luther), Fuchsschwänzerei, f., (1562
bei Mathesius Sar. 117*). fuchswild, auch
fuchsteufelswild, adj. : wild wie ein Fuchs,
über die Maßen aufgebracht (bei H. Sachs
Fasnachtsp. 49, 350).
Fuchtel, f. (PI. -n): unscharfer breiter
Degen; Schlag damit (bei Lessing Minna 5, 14).
Im 16. Jli. Fuchtel (Ringwald Warnung des
tr. Eckart H 6^) und Forhtel (Fischart Garg.
122. 409, noch 1734 bei Steinbach). Zu fechten
(s. d.). Davon fuchteln, v.: die Fuchtel
hin- und herschwingen, mit ihr schlagen,
(übertragen) rasch in der Luft herumfahren.
Im 16. Jh. fuchteln (schon in Übertrag. Bed.
bei H. Sachs) und fochtein (Fischart Gai'g. 78,
bildlich 1541 bei S, Frank Sprichw. 1, 26^.
2, 55 a fochtlen).
Fuder, n. (-5, PI. wie Sg.): Wagenladung;
nach Umfang oder Schwere einer Wagenlast
bestimmtes Maß. Mhd. vuoder, ahd. fuodar
n.; dazu andd. föther, mndl. voeder, ndl. voer,
ags. föder n. «Wagenlast», engl, fother, foddey
(als bestimmtes Maß in Bei'gwerken). Wohl
abgeleitet von derselben Wurzel wie Faden
(s. d.). Aus dem Deutschen das gleichbed.
franz. foudre m.
Fug, ra. {-es): Zuständigkeit wozu, ins-
besondere mit dem Nebengedanken an Rechts-
kräftigkeit derselben (in der RA. mit Fug
und Recht). Mhd. vuoc, md. vüc m. «Schick-
lichkeit, Angemessenheit, passende oder er-
wünschte Gelegenheit, Geschicklichkeit»; dazu
38
595
Fuge
füllen
596
mnd. vöch m. f. Fuge, f. (PI. -n): Stelle
eingreifender Verbindung zueinander. Mhd.
vuoge, md. vUge, vöge f. «feste Vereinigung,
Verbindungsstelle, Faßlichkeit, Scbicklichkeit,
Geschicklichkeit, Bewerkstelligung», dafür
ahd. fuogi f. «Verbindung»; dazu mnd. vöge,
mndl. voeglie, ndl. voeg, voege f. «Faßlichkeit,
Fuge», fugen, V.: in einer Fuge anschließend
verbinden (1616 bei Henisch Part, gefugt).
Zu fügen, V.: zu- und widereinander ver-
binden; als angemessen, zweckdienlich be-
stimmen; refl. sich fügen: wozu paßlich sein;
sich schicken; dem Zusammenhang mit an-
derm gemäß geschehen. Mhd. vüegen, vuogen,
md. vügen, ahd. fuogan; dazu asächs. fögjan,
mnd. vögen, mndl. voeghen, afries. föga, ags.
ßgan, engl, fay «passen, verbinden». Abge-
leitet von derselben Wm-zel wie das got. Adj.
fagrs «passend, geeignete (s. fegen). Die Grund-
bedeutung ist «passend machen». ABL.
füglich, adj. und bes. adv.: passend, an-
gemessen, geeignet, spätmhd. vuoclich, vüec-
lich adj. Das Adv. 1467 in den Städtechron.
5, 316, 21; dazu FÜglichkeit, f., um 1480
bei Melber b4* fuglicheit, 1482 füglichkeit.
fügsam, adj. u. adv.: sich gern und leicht
fügend, unterordnend, 1616 bei Henisch, aber
spätmhd. vuoc-, vüecsam «passend, schicklich».
Fügung, f., mhd. vüegunge. ZUS. Füge-
wort, D. {-es, Fl. -Wörter): Konjunktion, bei
Helvicus 1619 Fügwort,
Fuge, f. (Fl. -n): mehrstimmiges Ton-
stück, in dem eine Stimme nach der andern
eintritt und dasselbe Thema, nur in ver-
schiedener Tonlage, wiederholt. 1691 bei
Stieler Fuge, 1616 bei Henisch Fuga. Aus
gleichbed. ital. fuga f., von lat. fuga f. «Flucht».
fühlen, V.: prüfend berühren, betasten;
inne werden, wovon innerlich erregt werden.
In Süddeutschland nicht volkstümlich, des-
halb in der Basler Bibel von 1523 durch
«empfinden» erklärt. Mhd. vüelen, md. vfden,
ahd. fuoljan, fualen; dazu asächs. följan in
giföljan «wahrnehmen», mnd. volen, nd. fölen,
ndl. voelen, afries. fela, ags. ßlan, engl, feel;
ferner anord. falma «unsicher tasten». Ab-
geleitet von demselben Stamme wie ahd.
folma f., asächs. fohnos m., ags. folm f. «Hand»,
welche der Lautverschiebung gemäß mit lat.
pahna f., palmus m., gr. iraXdiari f. «flache
Hand», ir. läm «Hand» stimmen. Weiter
dazu aind, pänis m. «Hand», aw. pdranä- f.
«hohle Hand». ABL. fühlhar, adj.: was
gefühlt werden kann, lebhaft gefühlt wird
(1691 bei Stieler fülhar); (im 18. Jh.) zum
Fühlen fähig, gefühlvoll (Weiße Lustsp. 2, 83).
Fühler, m. (-s, Fl. wie Sg.): der Fühlende
(1691 bei Stieler); Fühlhorn der Insekten
(1773 bei Müller Linnes Natursystem 6, 103),
danach bildlich. Fühlung, f., noch 1691
von Stieler als selten Ijezeichnet, 1550 bei
Jac. Schöpper Synonyma Nr. 12 Fillung für
lat. tactus, schon frühmd. vTdunge f. «Gefühl,
Empfindung» (ZfdA. 10, 91, 29). ZUS. Fühl-
horn, n., 1720 bei Frisch Insekten 1, 28,
dafür bereits im 14. Jh. hörner (der Schnecke)
bei Megenberg 303, 3.
Fuhre, f. (Fl. -n): das Fahi-en mit be
spanntem Fuhrwerk; Wagenladung. Mhd
vuore f. «Fahrt, Fahrweg, Begleitung, Fahr
gelegenheit, Reiseunterhalt, Futter, Lebens
weise, Art und Weise», md. vüre, ahd. fuora
dazu mnd. vöre, ags. ßr f. «Fahrt, Fuhrwerk»
Zu fahren (s. d. und das folg.). ABL. Fuhr
weg, n. (-S, PI. -e): Fahrweg, 1594 bei
Frischlin Nom. Kap. 125. Fuhrlohu, m. n
(-S, PI. -löhne), mhd. vuorlon m. n. Fuhr
mann, m. (-s, Fl. Fuhrleute), mhd. vu^rman,
PI. vuorliute. Fuhrwerk, n. (-s, PI. -e),
md. 1380 fürwerc n.
führen, v.: fahren machen, die Richtung
bestimmend wohin bewegen machen; bei oder
an sich haben (schon mhd., auch Wai'en,
urspr. von umherziehenden Krämern, Par-
zival* 531, 13); refl. sich führen: sich be-
nehmen (im 18. Jh.). Mhd. viieren, md. vüren,
vören, ahd. fuorran, ßrran neben fuoren ; dazu
asächs. förjan, mnd. vören, nd. fören, ndl.
voeren, afries. fera, ags. feran (reisen), anord.
fößra (bringen), schwed. föra, dän. före.
Faktitiv zu fahren (s. d.). ABL. Führer,
m. {-s, PI. wie Sg.), mhd. vüerer m. Füh-
rung, f., mhd. vüerunge f.
Fülle, f.: den Raum einnehmende Menge
von Dingen, Vollheit; Füllsel. Mhd. vülle,
ahd. füllt f.; dazu in der 1. Bed. ags. fyllu,
anord. fyllr, fylli f., dän. fyld, fylde, got.
fullei f. (in ufarfullei). Abgeleitet in 1. Bed.
von voll (s. d.), in 2. Bed. von füllen (s. d.).
ZUS. Füllhorn, n. (-s, PI. -hörner): mit
Blumen und Früchten gefülltes Symbol des
Überflusses, 1723 bei Günther 215, eine Über-
setzung des lat. cornu copiae.
füllen, V.: vollmachen. Mhd. vüllen,
ahd. fullan; dazu asächs. fulljan und fullön,
ndl. vullen, afpes, fullia, folla, fella, ags.
fyllan, engl, ßll, anord.-schwed. fylla, dän.
fylde. Abgeleitet von voll (s. d,). ABL.
597
Füllen
fünf
598
Füllsel, n. (-S, PI, wie Sg.) : das, womit eine
Speise gefüllt wird, 1650 bei Moscherosch
Philander 2, 87 Füllsall, 1540 bei Alberus
Dict. Aa3^ Fülsel, 1420 in Schröers Vocab.
vulsel, volsal; dazu ndl. vulsel, vulzel n.
FülluUi^, f. (PI. -en): das Vollmachen (bei
Luther); Füllsel (1714 bei Kirsch); umrahmte
füllende Wandfiäche, füllendes Bogen- oder
Leistenwerk (1691 bei Stieler). Mhd. viU-
lunge «Völlerei». ZUS. Füllwort, n. (-es,
PI. -ivörter): ausfüllendes Wort im Satze,
1760 bei Lessing 6, 209.
Füllen, n. (-S, PI. wie Sg.); Junges vom
Pferd oder Esel. Mhd. vüli, viele, vül und
vülm, vüln, ahä.fidi und fulin n.; dazu anord.
fyl n. Mit Suffix-fn abgel. von Fohlen (s. d.).
fulminant, adj.: blitzend, donnernd;
tobend, drohend; gewaltig. Aus franz. ful-
nmiant «blitzend», das dem lat. fulminans,
dem Part. -Präs. -von fulminäre «den Blitz
schleudernd» entstammt. Bei Campe 1813,
aber fulminieren «blitzen, donnern; lästern,
toben» schon 1710 bei Nehring.
Fnmmel, f. (PI. -«): ein Holz, mit dem
.der Schuhmacher reibend die Ränder der
Sohlen poliert; auch liederliche Weibsperson;
(meißnisch) hohles Backwerk in Gestalt eines
halben Mondes. In der 1. Bed. 1775 bei
Adelung Fummelholz; in der 2. und 3. Bed.
bei Adelung 1796. Von fnnimeln, v.: woran
reiben, durch Reiben glätten oder reinigen;
tasten (Bode Tristr. Schandi 2, 16), flüchtig
arbeiten, müßig umherstreichen (1755 bei
Richey), auch obszön. Aus dem Niederd.;
dazu erigl.fumhle «tappen, betasten, stümpern».
Fund, m. {-es, PI. Funde): das Fmden;
das Gefundene; (älternhd. und noch beiMusäus
Volksm. 3, 168, ausgedachter) pfiffiger An-
schlag, Knifi', Rank. In diesen Bed. mhd.
vunt m.; dazu mndl. vont, ndl. vond, anord.
fundr, fyndr m., schwed. fynd u., dän. fund m.
Von finden mit Suffix-i, Grundform also
fündiz. ZUS. Fundgrube, f. (PI. -n): berg-
männisch der Fundpunkt sowohl als das
Gnibenfeld, wo zuerst das gemutete Mineral
bloßgelegt wird. 1476 in Mones Zeitschr. 1,
46, bildlich bei Luther.
Fundament, n. (-es, PI. -e): Grundfeste,
Grundlage. Schon mhd. fundament, funda-
mint n., aber auch umgedeutscht fundamunt,
fullemunt, rollemunt m. n., ahd. fundament,
fundement, funäiment n. Aus gleichbed. lat.
fundamenlutu ii., von fundäre «den Grund
(lat. fundus m.J wozu legen».
fundieren, v.: gründen, stiften. Mhd.
fundieren, aus lat. fundäre (s. Fundament).
fünf, Zahlwort, alleinstehend auch noch
Nom. u. Akk. fünfe, Dat. fünfen, der Gen.
fünfer in fünferlei (s. -lei). Bei Luther funff,
md. fünf fumf, mhd. vünf vunf, auch fiunf
fiumf, vinf, mit ausgestoßenem Nasal vif,
fiuf (1552 alem. feuf), ahd. fimf finf, fünf;
dazu got. fimf, asächs.-nd.-afries.-ags. ftf ndl.
vijf engl, five, anord. fimm, schwed.-dän. fem.
Der Lautverschiebung gemäß entsprechend
gr. -rrevTe und äolisch rreiuTTe, lat. quiuque (aus
*penque), amä.-a.w. pa^dca, avva.hing, aih.pesd,
lit. penM, abg. pqtt, air. cöic, kymr. pimp.
Als Subst. Fünf, f., die Fünfzahl oder -Ziffer
(bei Goethe 6, 265 als Xeutr.) : die Fünfzahl ;
5 Augen im Würfelspiel; die Ziffer 5. Spät-
mhd. vünfe f., noch bei Schiller Picc. 2, 1
Fünfe f. ABL. Fünfer, m. (-s, PI. wie Sg.):
die Zahl fünf (1539 bei Serranus Dict. u6'');
Mitglied einer aus fünf Männern bestehenden
Behörde (mhd. im 14. Jh. vünfer); Münze
im Werte von fünf Pfennigen, Kreuzern,
Hellern (1561 bei Maaler) usw. fünfte,
Ordinalzahl, mhd. vünfte, vunfte, fümfte, ahd.
fimfto, finfto; dazu got. fimfta, asächs. ßfto,
ndl. vijf de, afries. flfta, ags. fifta, engl.
fifth, anord. fimmti, schwed.-dän. feinte; ent-
sprechend lat. quintus (aus *quinctus)^ gr.
-rrdUTTToc, altir. cöiced, kymr. pimphet, ht. penk-
tas, abg. p^tu, aind. patd'cathas, para'camas,
aw. puxäa-. Davon füuftehall), 4^2, oilid.
vünfte-, vümphte-, vunfthalp ; dazu and. fifte-
half; Fünf teil, gekürzt Fünftel, n. (-S,
PI. wie Sg.), mhd. vünfteil n., 1691 bei Stieler
Fünftel; Fünftelsaft, m.: für Quintessenz
1779 von Bürger gebildet, fünftens, Zahl-
adv, gebildet wie drittens (s. d.). fünfzehn,
Zahlw., bei Luther funffzehen. Daneben
stehen in modernen Dialekten noch Formen
mit ch, schwäb.-bayr. fuhze mid fuchzk «50»,
die den Guttural von idg. penk'^'e bewahrt
haben, vgl. Kauflmaim Btr. 12, 512. Mhd.
vünfzehen, vünfzen, ahd. finfzehen, finfzen;
dazu and. flftein, ndl. vijftijn, afries. fifttne,
fiftene, ags. ßfteon, fiftyne, engl, fifteen,
anord. fimtän, schwed. femtän, dän. femten,
got. fimftaihun; davon das Ordnungszahlwort
fünfzehnte, mhd. vünfzehende, ahd. fimf-
zendo neben älterm finftazehendo (d. i. fünfte-
zehnte); dazu ndl. vijftiende, afries. ßftinda,
flftendesta, ags. fifteoda, ßfteyda, engl, fif
teenth, anord. fimtändi, schwed. femtonde,
dän. femtende. fünfzig, Zahlw., bei Luther
38*
599
fungieren
fürbaß
600
fnnffzig. mhd. vünfzec, vünfzic, md. vumfzec,
ahd. fimfzuc, finfzug: dazu asächs. fiftich,
Viftech, and. fiftich, ndl. vijftig, afries. fiftich,
fiftech, ags. fiftig, engl. ;?/ift/, anord. fimmtigir,
schwed. femtio, dän. /em^i, got. fimftigjus:
davon fünfzigste, Ordinalzahl, iuhd. vi'mf-
zigiste, ahd. finfzugosto. ZUS. Fünf kämm, i
in. (-s): in Norddeutschland ein aus Lein- 1
wand und Wolle gewebtes Zeug, bei dessen '
Anfertigung zum Aufzug 3 Kämme Leinen
und zum Durchschuß 2 Kämme Wolle ge-
nommen werden, im Farbebüchlein (1685)
Cl^ Fünffkam, 1790 bei J. Gottwerth Müller
Siegfr. V. Lindenbei'g 1, 166, nd. fifkamm.
fungieren, v. : ein Amt verwalten, aus- j
richten. 1728 bei Sperander. Aus gleichbed. j
lat. fungi. S, Funktion.
^Funke, m. (-n, PI. -n): feui-ig schimmern- i
der Punkt, Daneben Funken {-s, PI. wie
Sg.), z. B. bei Schiller Räuber 3, 2, bereits I
um 1480 im Voc. ine. teut. f7* (fancken,
imlgariter funcken), aber wieder verdrängt.
Mhd. vunke neben vanJce (daher noch bayr.- 1
östr. Fanken), ahd. funcho m.; dazu mnd.
funke m., ndl. vonk f., meng, funke, engl.
funk «Gestank». Man sieht in funke eine
Ableitung von got. fön (Gen. funins)n. «Feuer»,
oder man stellt es zu aind. pajas n. «Glanz»
und mit anlaut. s lit. spingfe^z «glänzen», lett.
spuogalas m. «Glanz». Vgl. Zupitza Gutt. 162
undUhlenbeck aind. WB. ^BL. funken, v.:
Funken von sich geben, funkenartig blinken, [
bei Voß, Rückert (1, 448) usw., mhd. vunken. j
Dazu das Iterativ funkeln, v.: wie Funken
leuchten, im Voc. ex quo 1469, daneben mit
Umlaut funkeln (Hiob 16, 9, Goethe 6, 95);
damit zusammengesetzt fuukelneu, adj.:
glänzend neu (1678 bei Krämer), gewöhnlich
funkelnagelneu, 1789 bei Gott er Erb-
schleicher 72 (s. nagelneu).
"Funke (-n, PL -n), auch gekürzt Ftink,
m.: unsteter, leichtfertiger Mensch (1646 bei
Moscherosch Philander 2, 108); ehemals köl-
nischer Stadtsoldat (bereits in der ersten
Hälfte des 18. Jh., so genannt wegen der
roten Uniform). Aus der Gaunersprache, wo
Funk «Flamme» bedeutet.
Funktion, f. (PI. -en)-. Verrichtung, 1663
bei Schuppius 727, aus gleichbed. lat. functio
f. (s. fungiei-en).
Funse, Funsel, f. (PI -n) -. geringe, düster
brennende Öllampe. Die erste Form im öst-
lichen Mittel- und Süddeutschland, die zweite
im östUchen Nord- und Mitteldeutschland.
Daneben Formen mit z Funzel. Bei Günther
1100 Funze. Mit Schwund eines Guttural
aus funksei und zu Funke zu stellen, vgl.
bei Kilian 1632 voncksel «Zündstoff, Zunder»,
haji: funkezen, fünkezen «funkeln».
für, Präp. mit Akk., und Adv.: (älter-
nhd. und noch oberd. ebensowohl nait Dat.)
vor, auch nach der Folge vom an, folgend
auf (in den Wendungen Mann für Mann,
Schritt für Schritt, Tag für Tag, als Adv.
für und für); aus (Ursache, noch bei Goethe
3, 4: 45, 172 1. H., Schiller Maria St. 2, 3
für Erstaunen): an der SteDe von; zum Vor-
teil oder Besten von; zum Schutze gegen:
als ob . . . wäre (Scherz für Ernst nehmen):
nach zählender Stelle betreffend {fürs erste,
fürs zweite). Bei Luther für, für, mhd. vür,
md. vure, vur, vore, ahd. furi; dazu asächs.
furi «vor», anord. fyri, schwed. för. Vor
(s. d.) und für hatten urspr. dieselbe lokale
Bedeutung, nur daß ersteres die Ruhe be-
zeichnete und somit den Dativ regierte,
letzteres dagegen die Bewegung bezeichnete
und mit dem Akk. verbunden wurde. Aber
mit dem Beginne des Nhd. entstand Ver-
wirrung, und man fügte vor auch mit dem
Akk., für ebensowohl mit dem Dativ, zumal
da beide im Md. und Nd. in der Form vor
sich vereinigten. Später suchten die Gram-
matiker wieder feste Regeln in betreff der
Rektion aufzustellen, indem sie vor mit dem
Dat. und Akk. beließen, für aber auf die
Verbindung mit dem Akk. und auf weiter
abgeleitete Bedeutungen beschränkten.
Furage, f. (spr. furäsche): Futter, beson-
ders beim Heere. 1711 bei Rädlein Furäsche,
1678 bei Krämer Foraschi, Forraschi, 1644
in der Teutschen Sprach Ehrenkrantz 4 Fou-
rage, volksmäßig an Futter angelehnt 1694
bei Nehring Futtrasche und schon 1617 im
teutschen Michel 33 Fouteraschi. Entlehnt
aus gleichbed. franz. fourrage m., das nebst
ital. fodero m. «Kleiderfutter, Futteral» und
mlat. fader are «Futter auftreiben, Futter in
Lieferung einfordern», von einem Stamme
abgeleitet ist, der im Deutschen Futter vor-
liegt (s. d.). Davon fouragiereu (nach der
franz. Aussprache auch furaschiei^en) , v.:
Futter auftreiben und holen. 1678 bei Krämer
foraschiren. Aus fvanz. fourrager «verfüttern,
auf Futterholen ausgehen».
fürbaß, adv. : mehr vorwärts, weiter fort.
Nur noch altertümlich (Schiller Jungfr. v. Orl.
Prol. 2). Mhd. vürha^, md. auch vorha^, zu-
601
Fürbitte
Furnier
602
sammengesetzt aus dem Adv. für «vorwärts,
darüber hinaus» und dem Adv. haß (s. d.)
«besser, mehr».
Fürbitte, f. (PI. w): Bitte zum Besten
eines andern. Bei Luther furhit^ bei Alberus
fürhitt, furhitt, md. im 13. Jh. furhete f.
Furche, f. (PI. -n, urspr. wie noch bayr.
FürcJie): mit dem Pfluge gezogene Vertie-
fung. Bei Luther Furche, mhd. vurch, vurich,
ahd. furJi, furuh f. ; dazu ndl. voor, ags. furh f.,
engl, furroiü, anord. for f. (Abzugsgraben).
Der Lautverschiebung gemäß entspricht lat.
porca f. «Erdaufwurf zwischen zwei Furchen,
Ackerbeet», abret, rec «sulco», kymr. rhych
«Furche», ir.recÄ «Furche», arm. AerÄ; «frisch
geackertes Brachland». Mit antretendem t
md. im 15. Jh. forchte, elsäss. im 16. Jh.
und noch jetzt Furcht, auch wetterauisch
Forcht f.; Schweiz, mit Schwinden des Gut-
turals FurB (l541 bei Frisius furhen), ober-
rhein. (Weisth. 4, 480) furre, mnd. vore, vare,
nd. Fahre (Schmidt v. Werneuchen Ged. 54
u. 122). Der Plur. lautet mhd. vurhe, vurch,
viirhe, fürhen, bei Luther Furchen, Hiob 31, 38
Furche, wie noch bayrisch. ABL. furchen,
V.: Furchen ziehen, mit Furchen diu'chziehen,
mhd. vurhen, bayr. fürchen, furchig, adj.:
mit Furchen versehen, 1691 bei Stieler fur-
chicht, ahd. furhig in zivivurhig.
Furcht, f. (PI. ehedem Furchten): im-
angenehmes, wovor fernhaltendes -Gefühl.
Ältemhd. seit dem 15. Jb. Furcht neben
Forcht, das sich bis ins 18. Jh. erhält, bei
Opitz, Fleming, Lohenstein, Hoifmannswaldau
auch Furchte, mhd. rorhte, vorht, ahd. forahta,
forhta. Dazu asächs. forahta, forhta, mnd.
vrochte, mndl. vruht, ufries. fruchte, mit an-
derer Bildung got. faürhtei f., ags. fyrhto f.,
daher engl, fright. Abgeleitet von dem Adj.
ahd. foraht, asächs. foraht, forht, ags. forht,
got. /a??rÄfe« furchtsam»; wovon auch fürch-
ten, V.: Furcht haben, mhd. vürhten, vurhten
und vörhten (daher älternhd. bis ins 18. Jh.
förchten), vorhten, ahd. furihtan und forahtan,
forhtan, dazu asächs. forahtian, forhtian, mnd.
und mndl. vruchten, afries. fruchta, ags. forh-
tian, engl, fright, got. faürhtjan. Herkunft
unbekannt. Vgl. Zupitza Gutt. 6, Johansson
Idg. Forsch. 8, 106. Das Prät. lautet mhd.
vorhte, noch im 18. Jh. forchte (daher alter-
tümelnd bei Uhland Ged. 867 forcht), bei
Luther furchte (noch bei Lessing 4, 94. 6, 378,
Zachariä Renommist 4, 211). ABL. furcht-
bar, adj. und adv.: Furcht erregend, mhd.
selten vorhtebcere, dann erst 1691 bei Stieler
furchtbar, fürchterlich, adj. und adv.,
1716 bei Ludwig, mit unorganischem -er
(wie leserlich, weinerlich) an Stelle des ver-
alteten fürchtlich (1616 bei Henisch, furcht-
lich 1691 bei Stieler, mhd. vorhtlich, ahd.
forahtlth). furchtlos, adj., bei Luther
7, 11 Jen. furchtsam, adj. und adv.: für
Furcht empfänglich, von Fui'cht befangen,
älternhd. furchtsam (bei Luther) und forcht-
sani (bis ins 18. Jh.), aber mhd. vorhtsam,
vorhtesam «Furcht erregend, Furcht emp-
findend».
fürder, adv. : weiter nach vorn, vorwärts,
weiter. Bei Luther fürder und förder, mhd.
vürder, vurder, mit Ausfall des r füder. fuder,
md. forter, förter, ahd. furdir, furdar; dazu
asächs. furäor, afries. further, ags. furäor,
engl, further. Komparativ zu fort (s. d.).
Furie, f. (PI. -n): ausgelassene Wut;
schlangenhaarige und mit Schlangen bewaff-
nete Rachegöttin ; wütende Person, Im 16. Jh.
(in der l.Bed, 1575 bei Schweinichen 1, 123)
aus gleichbed. lat, furia, von für er e «wüten»,
Furier, m. {-s, PI, -e) : Unteroffizier, der
die Aufsicht über das Quartierwesen seiner
Kompagnie hat und zum Quartiermachen auf
Märschen gebraucht wird, Älternhd. im 16.
und 17. Jh. Furier er (1533 bei Weller Dich-
tungen des 16. Jh. 96, noch 1711 bei Rädlein)
«Quai'tiermacher des Hofes oder des Heeres»,
im 18, Jh. verdrängt durch Furier, 1664 bei
Duez Furrier, 1616 bei Henisch J^on'er, Forir,
Furier, Furir, 1566 bei Aventin bayr. Chron.
97* Furier, bereits im 14. Jh. md. forir m.
(Bruder Hans Marienlieder 907). Die Schrei-
bung Fourier 1713 bei Kirsch 2, 118''. Ent-
lehnt aus gleichbed. franz. fourrier, ital. fo-
riere m., von mlat. fodrarius m, «der das
Futter zu besorgen und im Krieg einzutreiben
hat, einer Ableitung von mlat. foderare (s.
Fourage und Futter).
fürlieb in /; nehmen : sich womit freund-
lich genügen lassen. Gebildet wie mhd. für
guot, verkürzt verguot. Erst im 17. Jh. (1659
bei Butschky hochd, KanzeUei 263 für Hb),
auch vorlieb (Lessing 12, 402, s. für), im
täglichen Leben sogar verlieb.
Furnfer, n. (-s, PI. -e): dünne Holz-
platte, Holzblatt, von furnieren, v.: mit
feinem Holz belegen (bei Tischlern). 1587
bei Mathesius Sar. 54* die stuben mit dünnem
flader furniren (1562 formiren, s. u.). Dazu
bei Kilian 1599 fornieren, furnieren. Aus
603
Furore
fiischeln
604
franz. fournir «womit versehen, versorgen,
ausstatten», afranz. formir, fornir, ital. for-
nire, sard. frunire, prov, fromir, formir, die
vom ahd. fnmij an {s. frommen) abgeleitet sind,
Furore, f.: tobender, rasender Beifall.
Um die Mitte des 19. Jh. (1854 bei H. Heine
Lutezia 2, 278) in Künstlerkreisen entlehnt
aus ital. furore m. «Raserei, Ungestüm», von
lat. furor m. «Wut».
Fürsehung, f., zuweilen siatt Vorsehung
(s. d.), bei Schiller Teil 4, 1. Bei Luther
fiirseJmng, spätmhd. im 15. Jh. fürselmng.
Fürsorge, f., statt Vorsorge (s. d.), z. B.
bei Wieland 38, 189, 1556 bei Frisius für-
sorg, mhd. vürsorge f.
Fürspracll, m. {-es, PI. -e): rechtskun-
diger Vertreter oder Verteidiger (Lessing
Nathan 4, 7); zu Gunsten, zur Empfehlung
Sprechender (Schiller Turandot 5, l). Seit
dem 13. Jh. md. vorspräclie, nmd. vorsprake
m. Vgl. Fürsprech.
Fürsprache, f. (PI. -n): gute Worte an
der Stelle und zum Besten jemandes. 1716
bei Ludwig Vm spräche u. Fürsprache, ersteres
noch bei Lessing 11, 514, Goethe 26, 281. Ahd.
forasprähha f. ist «Vorwort, Vorrede».
Fürsprech, m. (-en, PI. -en) : Fürsprecher,
Advokat, Rechtsbeistand. Heute fast nur
noch schweizerisch. Mhd. vürspyreche, vor-
spreche, ahd. furisprehho m., zusammenges.
mit ahd. sprehho m. «Sprecher», unter Ein-
fluß von ßirsp>rechen, ahd. furisprehhan.
Fürst, m. {-en, PI. -e/^): Staatsoberhaupt;
im besondern) der zunächst Höhere über dem
Grafen. Bei Luther Fürste (noch bei Weise
Erzn. 115, Gryphius Trauersp. 49, Hagedorn
neue Fab. 85), mhd. vürste, md. rurste, vorste,
ahd. furisto, fiirsto m.; dazu mnd. vorste,
ndl. vorst, afries. forsta m. Eig. «der Vor-
derste, Erste, Höchste», denn Fürst ist der
substantivisch gebrauchte, zum ahd. Adv. fari,
got. fmr «vor», gebildete Supei-lativ ahd.
Jurist, mhd. (absterbend) vürst, fürst, asächs.
furist, ags. fyrst, engl, first, anord. fyrstr
«der erste, vorderste». Vgl. Fron, Herr.
Im 16. bis 18. Jh. auch der Gen. Fürstens
(bei Luther Tischr. 345*, Ettner medicin.
Maulaöe 723); mitunter im Dat. und Akk.
Sg. Fürst (Schiller Jungfrau v. Orl. 1, 2,
Demetrius 2, l), bes. in formelhafter Stel-
lung {von Fürst zu Fürst). ABL. f ürsten,
V.: mit Fürstenrang bekleiden, mhd. vürsten,
md. vursten, vorsten, vurstenen, vorstencn.
Fürstin, f. (PI. -nen), mhä.vürstinne, vürstm,
vürstin f. fürstlich, adj., mhd. vürstlich,
vürstelich, fürstenlich, md. fürstlich, forstlich.
ZUS. Fürstenhaus, n. (-es, PI. -häuser),
bei Luther. Fürstentum, n. {-s, PI. -tümer),
mhd. vürsttuom, vürstentuom m. n.
Furt, f. (PI. -en) : seichte Stelle im Wasser
zum Durchkommen. Bei Luther Mask. und
Fem., älternhd. und noch obei-d. Mask., mhd.
vurt und ahd. fürt m., md. fürt, fort m. und f.;
dazu asächs. ford (in Ortsnamen wie Jfm-
ford), mnd. vor de, vört m., mndl. voord,
afries. forda m., ags. ford m., engl. ford. Zu
derselben Wurzel wie fahren (s. d.); der T^aut-
verschiebung gemäß stimmend zu lat. porta
f. «Tor», portus m. «Hafen», aw. pdsus ni.
«Durchgang, Furt», psrdtus m. «Durchgang,
Gang», gall. ritu- «Furt» in Ritu-magus,
Augusto-ritum, akymr. rit «Furt», wozu auch
anord. fjördr m. «Bucht», schwed.-dän. fjord,
schwed. fjärd (aus dem Nord. engl. frth).
fürtrefflich (bei Goethe, Schiller), s.
vortrefflich.
Fürtuch, n. {-es, PI. -tücher): Schürze.
In Süddeutschland. Spätmhd. im 15. Jh.
vortuoch, 14X2 im Voc. theut. i8* furtuch.
Furunkel, m. {-s, PI. wie Sg.) und f.
(PI. -n, bei Musäus Kinderklapper 40): Blut-
schwär. 1588 bei 'i'abernämontanus 724
Fürunckel. Aus gleichbed. lat. furunculus ra.
fürwahr, adv.: in Wirklichkeit, in der
Tat. Mhd. vür tvär, vür wäre, md. vorwär,
vorwäre.
Fürwitz, s. Vorwitz.
Fürwort, n. {-es, PI. -Wörter): Schein-
grund, Ausflucht (1540 bei Alberus Dict. H 2*»,
1541 beiFrisius \ohtentus],noch schweizerisch);
gutes Wort an der Stelle und zum Besten
jemandes (1691 bei Stieler); das Substantiv
vertretendes Wort, Pronomen. In der letzten
Bed. 1748 von Gottsched (Grundlegung 120)
gebildet, dafür 1727 bei Aler Vorwort, 1641
bei Schottel Vornennwort, Stieler 1691 Für-
ivort für Präposition. Siehe Vorwort
Furz, m. {-es, PI. Fürze): ßauchwind.
Mhd. vurz, spätahd. furz, dazu nd. fürt, fort,
mndl. vort m. Zu farzen (s. d.). ABL.
furzen, v., spätmhd. im 14. Jh. furzen, md.
forzen.
fuscheln, v.: mit den Händen regsam
an etwas hin- und hertasten; durch heim-
liche Handgriffe betrügen (so beim Karten-
spiel). In Nordostdeutschland. Davon Fu-
SChelei, f. (PI. -en): Anwendung verdecken-
der betmgerischer Handgriffe (Lessing 10, 61).
605
Fusel
Futter
606
fuschern, v.: pfuschern (Claudius 4, 173),
s. pfuschen.
Fusel, m. (-S, PL wie 8g.): geringster
Branntwein (auch schlechter Tabak, in der
Chemie das bei geistiger Gärung nebenbei
sich bildende flüchtige Öl). In der ersten
Hälfte des 18. Jh. in Norddeutschland auf-
gekommen (1743 bei Eichey, auch Insel
Felsenburg 3, 458). Dunkler Entstehung.
Füsilier, m. (-s, PI. -e) -. mit der Bajonett-
flinte bewaöiieter Fußsoldat. 1703 imZeitungs-
lex. Aus gleichbed. franz. füsilier m., von
franz. fiisil m. (ital. focile, fucile, von lat.
focus m. «Feuerstätte, Feuer») «Feuerstahl,
Feuergewehr» (s. Flinte).
Fuß, m. {-es, PI. Füße): unterster Teil
des Gehgliedes; (bildlich, schon mhd.) das
Unterste, worauf etwas ruht; (PI. Fuß, Dat. |
bei Verbindung mit einem imbestimmten
Zahlwort Fußen, mhd.) Maß nach der Manns-
fußlänge (^/o Elle), im heutigen Reichsmaß
^/g Meter; (nach dem Maß übertragen) Grund-
lage, Verhältnis, Art und Weise (erst im
17. Jh., bei Dietr. v. d. Werder Gottfr. 5, 54
auff gutem Fuß) ; Versfuß (schon ahd., wohl
nach lat. pes). Mhd. vuo^, ahd. fuo^^ (PI.
fuogi), md. vüg, vö§ m.; dazu asächs. ßt, fuot,
mnd. vöt, mndl. voet, afries. föt, ags. föt,
engl, foof, anord. fötr, schwed. fot, dän. fod,
got. föttis m. Der Lautverschiebung gemäß
entsprechen lat. ^es (Gen. peclis) m.'«Fuß»,
gr. itoüc (Gen. TTof>öc) m. «Fuß», nlhiXov n.
«Sohle», iT^bov n. «Fußboden», -rr^Za f. (aus
Tteb/a) «Fuß, Unterstes an etwas», lit. päclas
m. «Fußsohle», pedä «Fußspur, Fuß als
Maß», arm. otn «Fuß», aw.-aind. päd m.
« Fuß ». RA. stehenden Fußes « augenblickhch,
sogleich», dem alten Rechtsleben entnommen
(wer mit seinem Urteil nicht zufrieden war,
mußte es gleich auf der Stelle anfechten,
Standes fußes e er hinder sich trede Grimm.
Rechtsaltert. 866 vom J. 1430). ABL. füßelu,
V.: die Füße eilig fortbewegen, namentlich
in kurzen oder zierlichen Schritten (bei
Eichendorif Taugenichts, im 15. Jh. fußiln
«zu Fuß gehen» Diefenbach Gl. 420**); mittels
der Füße einander zärtlich oder um ein
Zeichen zu geben berühren (Goethe Faust
6342, bei Aler 1727 fußlefi). fußen, v.:
den Fuß fest aufsetzen, Fuß fassen (1540
bei Alberus Dict. 11 3*); sich stützen auf
etwas (md. im 14. Jh. füssen, vom Aufliegen
der Dachsparren auf einer Mauer, in über-
tragner Bed. bei Luther Tischr. 2 *) ; zu Fuß
gehen (schweizerisch, 1420 mnd. vueten Diefen-
bach Gl. 420'', vgl. bayr. sich fußen «im
Gehen eilen»). Füßling, m. (-es, PI. -e):
der untre, den Fuß bedeckende Teil des
Strumpfes (im 15. Jh. fiießling Diefenbach
Gl. 420 c). ZUS. Fußangel, f. (PI. -n):
angelartiges Eisen mit 3 bis 5 Zoll langen
Spitzen, von welchen beim Hinwerfen oder
Legen immer eine in die Höhe steht, im
Voc. ex quo 1469 fußangel (eig. ein Brett
mit durchgeschlagnen Nägeln), 1414 fußanger
Diefenbach Gl. 420". Fußboden, m. '(-s,
PI. -höden), 1640 bei Comenius Fußbodem.
Fußbreit, m. (-es): Raum, den die Fuß-
sohle auf dem Boden einnimmt, bei Luther
5. Mos. 2, 5, als Neutr. bei Schiller Picc. 2, 1.
fußfällig, adj.: einen Fußfall tuend, mit
einem Fußfall verbunden, 1616 bei Henisch.
Fußgänger, m. (-s, PI. wie Sg.): zu Fuß
Gehender (bei Keisersberg Postill 3, 77*),
Fußsoldat (mhd. vuoggenger , daneben vuo^-
gengel m.). Fußknecht, m. (-es, PI. -e):
Fußsoldat, spätmhd. im 15. Jh. (1440 bei
Diefenbach Gl. 420=^ fußknecht). Fußpfad,
m. (-es, PI. -e), spätmhd. vuo^phat m. n.
Fußreise, f. (PI. -n), 1802 in Gotters lit.
Nachlaß Vorr. S. 62. Fußstapfe, m. (-ns,
PI. -n): Abdrack des Fußes im Boden, bei
Luther Hiob 18, 27 fusstapffe, mhd. ^mo^-
staphe, md. vU^stappe, ndl. voetstap m. (s.
Stapfe). Daraus hervorgegangen und an
Tappe (s. d.) angelehnt Fußtapfe, m., bei
bei Geliert, Lessing, Herder usw., bei Luther
einigemal fustapffe, spätmhd. (md.) vuo^taphe,
fueßtappe m.; auch Fem. bei Schiller Fiesko
1, 1, Kabale 3, 4, l)ei Stieler 1691 Fustappe f.,
ebenso in Grimms Weisth. 1, 217 schweizerisch
fuszstapffet Fußvolk, n. (-es, Fl -Völker):
Heer zu Fuß, mhd. vuogvolc n. Fußweg,
m. (-es, PI. -e), spätmhd. vuoßwec m.
futsch, interj.: in größter Schnelligkeit;
hin und verloren, zunichte. Im 18. Jh. süd-
wie norddeutsch. Dunkler Herkunft.
^Futter, n. (-S, PI. wie Sg.): Nahrung,
bes. Tiernahrung. Ältemhd. Futter (bei
Luther) und Futer, mhd. vuoter, md. vüter,
ahd. fuotar n.; dazu ags. födor, engl, foddei",
anord. födr n. Aus derselben Wurzel ab-
geleitet wie mhd. vuoten, vüeten, md. vüten,
ahd. fuottan, fötari, asächs. /&(?mn, mnd. voden,
afries. föda, feda, ags. fedan, engl, feed,
anord. foeda, got. födjan «nähren, ernähren»,
nd. vöde f., ags. föda m., engl, food, anord.
föeda f. «Nahrung», ahd. vaton «weiden,
607
Futter
Gackelchen
608
nähren», fatunga f. «Futterung, Mästung», de-
nen der Lautverschiebung gemäß entsprechen
gr. TTax^oinai «ich esse, verzehre», abg. pitati
«nähren, aufziehen», aw.pitu und aind. piti(S m.
«Speise». Auch ins Romanische gedrungen:
ital. fodero m., franz. fourrage m. «Futter»,
feurre m. «Futterstroh», span, forraje m.
«A'iehfutter». ABL. füttern, auch (nach
dem Md.) futtern, v.: Futter geben, älternhd.
fuotern, futern, mhd. vuotern, vüetern, md.
fütern, ahd. fuotiren; dazu mnd. voderen,
anord, föära, schwed. fodra, dän. fodre. Da-
von Fütterung, f., mhd. vuoterunge, vilete-
runge, ahd. fuotrunga f.
^Futter, n. (-S, PI. wie Sg.): Bekleidung,
Besatz worunter, urspr. «Überzug, auswendig
oder inwendig». Mhd. vuoter n. « ünterfutter,
Futteral», ahd. fuote>; fötar n. «scheiden-
artiger Behälter, Futteral, Überzug»; dazu
got. födr n. «Schwertscheide», ags. födder n.
«Hülle, Futteral», Wohl urverwandt mit
aind. pätrani n. «Behälter, Gefäß». Auch
ins Romanische eingedrungen: ital. fodero m.
«Kleiderfutter, Scheide», span.-port. forro m,
«ünterfutter», nfram. fuerre, franz. fourreau m.
«Scheide», fourrure f. «gefütterter Rock, Pelz»,
mlat. fodrum, fotrum n. ABL. Futteral, n.
(-S, PI. -e): Scheide, Kapsel. Im Voc. von
1419 futral (Schmeller- 1, 799), im 16. Jh.
fiieteral, aus gleichbed. mlat. fotrale, futrale n.,
von mlat. fotrum (s. oben), füttern, v.:
mit Unterfutter versehen, mhd. vuotern, md.
filtern; dazu anord. /o(fra, schwed, /b(^ra, dän.
fodre, mlat. foderare.
futtern, auch futem, v.: fluchen und
schelten, fluchend lärmen. Nach dem volks-
üblich franz. Ausruf foutre «Canaille» ge-
bildet, von franz. foutre «beschlafen», das
aus dem gleichbed. lat. futuere stammt.
Futurum, n. {-s, PL Futura): die zu-
künftige Zeitform aus gleichbed. lat, futurum
(nämlich tempus n. «Zeit».
Q
Oabe, f. (PI. -n): das Gegebene; Bega-
bung, Talent (1514 bei Keisersberg). In
urspr, Bed. mhd. gäbe f.; dazu mnd. gave,
ndl. gaaf, anord. gäfa, schwed. gäfva f., dän.
gave. G. ist unter Anlehnung an den Vokal
des Präteritums mhd. gaben eingetreten für
mhd. gebe, ahd. geba f.; dazu asächs. geba,
ags. gifu, anord. gjöf, got. giba f,
gäbe, adj,: als dargegeben annehmbar.
Mhd,^CB&e «annehmbar, lieb, gut, (von Münzen)
Annahme habend, im Umlauf seiend»; dazu
m\idi.geve,vßj\di\.gäve, ndl, gaaf «tauglich, gut»,
afries. geve, jeve, anord. gäfr «heilsam», dän.
gjäv. Verbaladjektiv zu geben (s. d.), wie
genehm zu nehmen. Vgl, gänge.
Gabel, f. (PI. -n): Werkzeug mit (urspr.
zwei) auseinandergehenden Zinken an einem
Stiele; einem solchen Werkzeug Ähnliches.
Mhd. gabele, gabel, ahd. gabala f. ; dazu mnd.
gaffele, geffele, nd. und ndl. gaffel f., ags.
geafias pl.m,, (entlehnt aus demNdd,) schwed.-
dän. gaffel m. Das Wort bezeichnet ur-
sprünglich das Gerät der Landwirtschaft
(schon ahd. mistgabala) und erst im Anfang
des 16. Jh. das Eßgerät. Verwandt sind
noch ii*. gabul, gobul «gegabelter Ast, Gabel»,
gabla «Schere», kymr. gafl «Gabel, Schenkel»
(aus dem Keltischen entlehnt lat. gabalus m.
«Kreuz, Galgen») und vielleicht aind. gä-
bhastis m. «Arm», lit, gabanä f. «Armvoll»,
vgl. Brugmann Idg. Forsch. 18, 129. Die
ui'sprüngliche Bedeutung der Wurzel, die
dem Wort zugrunde liegt, dürfte «fassen,
ergreifen» sein. Das Suffix -l bildet häufig
Werkzeugbezeichnungen, vgl. Hobel, Meißel,
Beil, Beutel. RA. in die G. ziehen: im
Schachspiel mit der Königin oder mit dem
Läufer auf ein Feld ziehen, von wo aus zwei
feindliche Figuren zugleich angegriffen wer-
den (Lessing Nathan 2, l). ABL. Crab(e)ler,
m. : Gabelhirsch (s. u.). Bei Frisch 1741
gabelig, gabelicht, adj., mhd. gabeleht,
bei Fischart Garg. 263 gabelig. gabeln, v,,
frühnhd. bei Brant Narr. 70 Überschr. Davon
Gabelung, f., neue Bildung. ZUS. Gabel-
frühstück, u,, Übersetzung des franz, de-
jeüner ä la fourchette. Gabelhirsch, m.
(-es, PI, -e): Hirsch, dessen Geweih aus zwei
gabelförmigen Stangen (im ganzen 4 Zacken)
besteht, 1719 bei Fleming t. Jäger 1, 91^.
Gabelweihe, m. f.: Weihe mit gabelförmigem
Schwänze, falco milvus, 1793 bei Nemnich
als Fem.
gach (Lessing Nathan 5, 8), s. jach.
Gackelchen, n,: (in der Kindersprache)
das Ei, 1586 bei Mathesius Syrach 3, 10»
609
Gackeuest
Gagat
610
Kackelein n. Von gackeln, gebräuchlicher
gackern, v.: vom Schreien des Huhnes,
der Gans; (auf Menschen, besonders Frauen
angewandt) schwätzen (bei Wieland 18, 27).
1595 bei ßollenhagen kacheln, 1663 bei Schotte]
USl** kakelen, nd. kakeln (auch bei Voß Luise
1, 289), ndl. gagelen. gaggelen, engl, gaggle;
1711 bei Rädlein gackern, aber schon md,
um 1300 gägern in übertragner Bed. «be-
wundernd anschreien, schwätzen, schnattern».
Beide sind Iterativa zu tonnachahmenden
gacken <s.gag schreien», 1414 bei Diefenbach
Gl. 267'' von Hühnern, 1517 bei Trochus
Q3* von der Gans, gagen wie ein Gans 1541
bei Frisius 392^, nibd. gagen, «schreien wie
eine Gans, krächzen wie ein Kalie» (lib. ord.
rer. 24'").
Gackenest, n. {-es, PI. -er): das letzte,
schwächlichere Küchlein im Nest, Nesthäk-
chen, (bildlich) das jüngste Kind, Schoß-
kindchen, Muttersöhnchen. 1566 bei Mathe-
sius Luthers Leben 153, 8 Gackennestle, 1711
bei Rädlein Gacke-Xestgen: dazu ndl. bei
Kiüan 1599 kack-in-nest, kackert, vläm. kakke-
nest m., kakenestje n. Vgl. Frommann Mund-
arten 5, 416.
gacksen, v. : vom Schreien des Huhnes,
seltener der Gans; tief aus der Kehle unarti-
kulierte Töne ausstoßen. In der 1. Bed. vom
Huhn älternhd., im 16. Jh. und noch 1734
bei Steinbach gachsen, 1605 bei .Hulsius
gäcksen, 1561 bei Maaler gaxen, 1541 bei
Frisius gagxen, 1517 bei Keisersberg Evan-
gelibuch 67* gackzen (sonst gaxen), mhd.
gagzen und gahzen (Mone Anz. 8, 396), ahd.
gaccizon (in irgaccizön «in abgestoßenem
Laute schreien»), gagizön «schnattern wie
eine Gans/> (Steinmeyer-Sievers Gl. 2, 699, 2).
Abgeleitet von gacken (s. gackeln, auch gatzen).
Gaden, m., dialekt. n. {-s, PI. Gaden, auch
Gäden): für sich abgeschloßnes Gemach,
Zimmer, Kammer, Stall, Scheune, Hütte,
Laden, Werkstatt, Stockwerk. Mhd. gailem,
gaden, ahd. gadum, gadam u. «aus einem
Raum bestehendes Haus (auch Saal bau einer
Burg, daher in Ortsnamen wie Berchtesgaden,
urspr. Berchfoldesgadeni), einzeln stehende
geschloßne Käumlichkeit, geräumiges Ge-
mach, Stockwerk», ins Nd. eindringend gadeni
n. «Stockwerk» (Sachsenspiegel 3,66,3). Ein
eig. hochdeutsches Wort, das bis ins 17. Jh.
in der Schriftsprache lebte und noch in
Süddeutschland und in Teilen Mitteldeutsch-
lands geläufig ist, auch vereinzelt von Dichtem
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
noch gebraucht wird (Wieland Oberon 4, 15,
in Rückert brahm. Erzähl. 257, Uhland,
Scheifel). Dunklen ürspnings.
^Gaflfel, f. (PI. -n): große Gabel (s. d.)
von Holz; (seemännisch) Segelstange, die mit
gabelai'tigem Ausschnitte um den Mast liegt,
besonders Besangaffel, an der die National-
flagge aufgehißt ist. In der 1. Bed. bei Voß
(Luise 1, 753), aus dem Nd. und mit Gabel
identisch, aber schon 1691 bei Stieler Gafel f.,
noch jetzt luxemburg. gäfel, westfäl. gaffel.
In der 2. Bedeutung bei Röding 1794.
^Gaffel, f. (PI. -n): Abgabe, Zins, Steuer,
insbesondere Abzugsgeld; (am Niederrheiu)
Gilde, Zunft, eig. Verein zu gleicher Abgabe.
In der 1. Bed. 1775 bei Adelung (in einigen
oberd. Gegenden), 1616 bei Henisch Gabelle,
bei Kiechel Reisen 282 Gabell, clevisch 1477
gaffel, ndl. 1599 gabelle f.; dazu ags. gafol n.,
engl, gavel, und ins Romanische gedrungen
mlat. gablum. gabalum n., ital. gabella, prov.-
span. gabela f. «Abgabe, Steuer», franz. ga-
belle f. «Salzsteuer». In der 2. Bed. 1575
bei Fischart Garg. 296, 1477 clevisch gaffel
im Teuthonista, im 14. Jh. gaffel in den Köln.
Chron. 1, 277, 8; 2, 56, 30 usw.
gaffen, v. : offenen Mundes sehen. Md.
(selten mhd.) gaffen, ahd. nur in geffida f.
«Betrachtung»: dazu mnd.-mndl.-ndl. gapen,
(entlehnt aus dem Nord.) engl, gajje, anord.-
sch wed. gajfa, dän. gäbe, « den Mund aufsperren ».
Das in neurer Zeit auch bildlich für «offen-
stehen, gähnen» (bei J. Paul, Thümmel, Voß
II. 14, 518) verwendete Wort trat durch die
Sprache Mitteldeutschlands an die Stelle des
gleichbed. und fast gleichklingenden, aber
ganz verschiedenen mhd. kaffen,kapf'en,kaphe?i,
ahd. chaphen,kapfen, caf'en eig. «umherschauen,
Umschau halten» (daher bei Luther gaffen
«anhaltend und eifrig, hoffnungsvoll blicken»);
1482 im Voc. theut. i8^ gaffen, kaffen «vmb-
sehen» zeigt sich die Mischung der beiden
Wörter. Amd. Jabh «schnappen» ist nicht ver-
wandt, wohl aber zioplls m. «wer mit offnem
Munde gafft». Das deutsche Woi't also aus
gja-, ABL. Gaffer, m., bei Luther, nd.
gaper, dagegen mhd. kapfcere, kapfer, md.
kaffäre.
gagAgen, v.: als Gans schi-eien (Schiller
Xenien Nr. 83). Schon im 16. Jh. (Thomas
Platter 24 B.), von dem Schrei der Gans
gagag (bei B. Waldis 1, 50, 41), spätmhd.
gdgäg. Vgl. mhd. gagen unter gackeln.
Gagät, m. {-es, PI. -n): schwarzes stein-
39
611
Gage
(xaleasse
612
festes Erdpech. Mhd. gagätes m. (Parzival
791, 15) ein Edelstein, aus gr.-lat. gagätes m,
«Glanzkohle», benannt von Fluß und Stadt
Gagas in Lykien.
Grage, f. (spr. gäze, PI. -n): Gehalt, Be-
soldung, Löhnung. 1616 bei Wallhausen. |
Ki'iegsmanual «Löhnung», 1653 bei Lam^em- j
berg 3, 180 (als gazie) verspottet. Entlehnt !
aus franz. gage, ital.gaggio m. Pfand, Gewähr-
leistung, Sold, diese aus mlat. vadicum n.
«Bürgschaft, Pfand», von got. ivadi, ahd.
7veti. wetti n. «Pfand» (s. Wette).
gäh, gäliling, s. jäh.
Crällliaffe, m. (-W, PI. -n): Maulaffe. 1718
bei Kirsch (Tähiiaffen feil haben. Dafür
älternhd. Ginaffe, noch 1741 bei Frisch Gien-
affe. Noch am Ende des 18. Jh. vs^ar Galmaffe
bei den Bauern der sächs. Schweiz der Name
des primitiven Leuchters zum Festhalten des
Leuchtspans.
gähnen, v.: den Mund aufsperren, be-
sonders krampfhaft; (bildlich) weit und tief
geöffnet sein. 1616 bei Henisch gähnen, 1664
bei Duez und 1711 bei Eädlein gehnen, 1691
bei Stieler gänen, 1722 bei Frey er (auch bei
Gottsched und Herder 1, 9, 268) Jahnen, 1741
bei Frisch gienen, mhd. ginen, geinen, md.
genen, ahd. ginen und ginon, auch geindn,
einmal genen: dazu asächs. ginon, clevisch
1477 gheenen, ags. töglnan «klaffen», anord.
gma «gähnen», gin n. «aufgesperrter Mund».
Eine w-Erweiterung von dem gleichbed. ahd.
gien, gijen, giwen, gewön, mhd. giwen, gewen,
bayr. geuen, der Lautverschiebung gemäß ent-
sprechend gr. xaiveiv, xöckciv, lat. Märe, M-
scere, abg. zijati, zhu^ti «gähnen, klaffen», lit.
ziöti «den Mund aufsperren».
gähstotzig, adj. und adv.: senkrecht-
abschüssig (Schiller Teil 4, l). Schweizerisch,
1556 bei Frisius und 1561 bei Maaler gäch-
stotzig, zusammenges. aus gäch «jäh» und
Schweiz, stotzig «wie senkrecht ansteigend»
(bei Frisius und Maaler), «abschüssig», von
Stotz m. «fast senkrechte Ansteigung oder
Abschüssigkeit des Bodens oder Felsens»
(1541 bei Frisius).
Oala, f.: Hofpracht, -prunk (1706 bei
Elisabeth Charlotte v. Orl. 2, 447, Galla 1727
bei Aler), Hoffest (Schiller Fiesko 2, 14);
Hofkleid, Prachtanzug. Um 1700, wahr-
scheinlich durch das spanische Hof zeremoniell
am Wiener Hofe, entlehnt aus span, gala f.
«Kleiderpracht» (1555 im Wbch. des Antonius
Nebrissensis gala «elegantia vel lauticia vesti-
um»), ital. gala f. «Staatskleid», afranz. gale f.
«Ergetzlichkeit, Freudenfest», galer, auch
ivaler «Feste feiern». ABL. Oalakleid, n.
{-es, PI. -er), 1691 bei Abraham a S. Clara
Judas 2, 57.
Oaläu, m. {-s, PI. -e): Liebhaber, Buhle
(Goethe Faust 2946). Um 1600 (Hoflmann
Gesellschaftslieder 45 vom J. 1611) entlehnt
aus span. galano m. «der Artige gegen ein
Frauenzimmer» (1555 bei Antonius Nebrissensis
galan «elegans»), abgeleitet von Gala (s. d.).
Galander, m. {-s, PI. wie Sg.): die an-
genehm singende Ringlerche der pyrenäischen
Gebirge; Haubenlerche. Mhd, galander m.,
später auch f., mndl. calander, aus mlat. (ital.)
calandra f., von gr. KaXovbpa f., KctXavbpoc m.
eine Lerchenart.
galant, adj. und adv.: fein, artig und
gefällig, besonders gegen Frauenzimmer, der
neuesten Mode entsprechend. 1663 bei Schup-
pius 1, 471, Grimmeishausen Simpl. 157, aus
fx'anz. galant, ital. -span. galante «artig», eig.
«fein und geschmackvoll aufgeputzt». Von
Gala (s. d.). ABL. Galanterie, f. (PI. -n):
feine Höflichkeit; (im PI.) Putz, Schmuck -
wai-e. Im 17. Jh. (bei Weise pol. Näscher 100,
Galanter ey in beiden Bed. 1678 bei Krämer,
Galanteri- Wahren 1693 im ital.-teutsch. Wb.
1081 *') aus gleichbed. franz. galanterie, ital.
galanteria f. Davon Galanteriehändler m.
1765 bei Rondeau, dafür 1716 bei Ludwig
Galanteriekrämer. Galanterieware, f.,
meist im PI.: Nippsache. 1678 bei Krämer.
Galhan, m. [-s, PI. -e): das starkriechende
Harz einer doldentragenden syrischen Pflanze.
Bei Luther Galhan und Galhen, mhd. im
14. Jh. galban n., aus gleichbed. gr.-lat. gal-
hanum n., gr. xa^ßavr) f., von hebr. chelhnä
(syv.chalhä «Milch, Gvmimi»); s. Exodus 30, 34.
Galeässe, f. (PI. -w): dreimastiges Riider-
schiff' (1703 im Zeitungslex. Galeazze), aus
gleichbed. franz. galeace, galeasse f., dafür im
16. Jh. (Fischart 3, 374 Kurz) Galeatzei. aus
ital. galeazza. Galeere, f. (PI. -n): zwei-
mastiges Ruderschiff" mit niedrigem Borde.
1612 bei Hulsius Schiff". 9, 22 Galere, aus
gleichbed. ital. galeara, galera, span. und port.
gale)-a, franz. galere f. Galeöne, Gallone,
f.(Pl.-w): großes Ruderschiff, 1616 bei Henisch
; Galeon, Gallion, im 16. Jh. Gallion m. (Zinim.
Chron. 3, 262, 10), aus gleichbed. ital. galeone,
span. galeon, franz. galion m. Im Nd. Gallion n.
«Schiffsschnabel» (schon 1594 bei Chyträus
1 Kap. 33). Galeöte, Galiöte, f. (PI. -n):
613
Galerie
Galle
614
einmastiges leichtes Ruderscliiff, 1616 bei
Henisch Galeotte, aus dem gleichbed. ital.
fjaleotta, span. galeota, iräxxz.galiote f. Oaleot,
Galiot, m. (-en, PI. -en): Galeerensklave,
böser Schelm. 1616 bei Henisch Galiotte,
mhdi.galidt m. «Schifter, Fährmann, Seeräuber»,
aus ital. galeotto, spau. galeote, franz. galiot m.
«Galeerensklave, Schelm». Alle diese Wörter '
sind abgeleitet von ital.-altspan. galea, prov.
galea, gale, galeya, afranz. galee, galie f.
«Galeere», aus gleichbed. mgriech. ■foX.^a,
•foXeia, mlat. galea und galeida f., woher auch
mhd. galie, gale, galide, galeide, galme, galin f. ;
«Galeei-e», bei Luther Jes. 33, 21 Galehe, '■
älternhd. und noch mundartlich Galee f. ;
Wahrscheinlich von gr. KäX.ov u. «Holz», im
Lakedämonischen auch «Schifl». Alle behan-
delten Wörter sind ursprünglich im ItaKeni-
schen heimisch.
Galerie, früher auch Gallerie, f. (PI. -7i) :
Gitter- oder Geländergang (1616 bei Henisch ;
Galerei) ; im Festungs- und Belagerungswesen \
lange schmale verdeckte Gänge zu den Aaßen-
werken (1616 bei Henisch und bei Wallhausen
Kriegsmanual); Säulengang mit Wandge- '
mälden (bei Fischart Garg. 446) ; Gemäldesaal
(1727 bei Aler); der obere oder oberste Zu-
schauerraum im Theater (bei Lessing 18, 143
vom J. 1768). Aus gleichbed. franz. galerie,
ital, galleria f., von mlat. galeria «bedeckter
umschlossener Ort», im 9. Jh. in Italien wohl
einfach «Holzbau» bedeutend und wahrschein-
lich gleicher Abstammung wie Galeere (s. d.).
Galgant, m. {-es, PI. -e) : Wiesenpflanze '
mit gewürzhafter Knollenwurzel, urspr. ost- 1
indische aromatische Wurzel. ^Ihd. galgan, i
gaXgän, später auch galgant, ahd. galgan,
galangan, galegan m., aus mlat. galanga, später- .
gr. yaXd-ffa f., gebüdet nach gleichbed. arab.-
pers. chalandschän.
Galgen, m. {-s, PI. wie Sg.): Pfahl oben
mit einem Querholze zum Hängen : drei oben
zum Hängen mit Querhölzern verbundne '
Säulen. Schon im 14. Jh. (Diefenbach Gl.
416^) galgen, aber andrerseits bis ins 18. Jh.
(bei Frisch) Galge, mhd, galge, ahd, galgo m,
«Galgen, Kreuz Christi, Gestell über dem
Ziehbrunnen»; dazu asächs. galgo m., mnd.
galge m. f., mndl, galghe f., ndl. galg f., afries.
galga m., ags. galga, gealga m., engl, gallow,
anord. galgi m., schwed. galge m., dän. galge,
got. galga. Wahrscheinlich verwandt mit
lit, zalga f., arm. dzatk «Stange», welche ße- i
deutung auch in anord. gelgja f. «vorliegt».
ZUS. Galgenfrist, f. : kurzer Aufschub, der
nichts nützt, eig. der dem Vemrteilten unterm
Galgen gewährte. 1539 bei Alberus wider
Witzeln B 3* bildlich. Galgenhumor, m.
{-s): verzweifelter Humor, wie er dem Ver-
urteilten unterm Galgen beikommt. Erst
im 19. Jh, Galgen Schwengel, m, (s, PI,
wie Sg.): gehenkter Bösewicht, galgenreifer
Schelm, mhd. galgenswengel m., wie denn der
Galgen bei den Gaunern die Feldglocke heißt
(H. Sachs 14, 117 ein Schwengl in einer
Feldtglocken). Galgenstrick, m. (-es, Pl.-e):
Henkerstrick: (bildlich) für den Galgen reifer
Schelm. In der 1. Bed. mhd. galgenstric m.,
in der 2. bei H. Sachs 1, 57. GalgenTOgel,
m, (-S, PI, -Vögel): wie Galgenschwengel, 1542
bei Herold christenl. Ee Hh 4^, 1572 bei
Fischart Pract. 11,
Gal(l)imäthias,m, u. : verworrnes Gerede.
Im 18. Jh. (^Lessing, Weiße, Wieland) aus
franz. galiniatias (1664 bei Duez Dictionn.
frani,-.- allem. -lat.). Unbekannter Herkunft.
Daneben das ebenfalls unerklärte galimafree f,
«Gericht von durcheinander gehackten Fleisch-
stücken verschiedener Art, verwomie Erzäh-
lung» (auch altengl. gallimawfrey «Gericht aus
allerlei klein gehackten Speisen, Mischmasch»),
Gall, m. (-es, PI. Gülle): Gesang, Stimmen-
schall, Schrei. Älternhd., noch 1762 bei
Gottsched Sprachk. 207, jetzt veraltet. Mhd,
gal m. (Gen, galles), anord, göll, gjöll f,
«durchdiingender Schall», zu ahd, -ags. galan,
anord. gala «singen, Zauberworte sprechen»,
galinn «bezaubert», norw.-adän. galen, dän,
gal «verrtickt». Vgl. Falk-Torp s. v. gal,
s. a. gellen, Nachtigall.
Gallapfel, m, (-s, PI, -äpfel): vom Stich
der Gallwespe usw, verursachter Laubapfel
der Eiche, Im 15. Jh. galöpfel (Diefenbach
Gl, 641^), abgeleitet von lat. galla f. «Gall-
apfel», Früher Eichapfel, 1400 aichapfel
(Pflanzenglossar, Gieß. Hds. 134*), im 13. Jh.
md. der PI. eichenepele (Sumerlaten 57, 15).
S. auch Galle 2.
^ Galle, f. (PI. -n) : grüngelbe bittre Flüssig-
keit, die sich von der Leber in eine Blase
absondert: (als Sitz des Zornes aufgefaßt,
daher schon mhd.) Zorn, Erbitterung, Ge-
hässigkeit, Ärger, Neigung zum Zorn usw.;
(biblisch 5. Mos. 32, 33, Hiob 20, 16) Gift
und danach eine bitter schmeckende betäu-
bende Giftpflanze (Hos, 10, 4, s. Erdgalle).
In eig. Bed, mhd, galie, ahd, galla f.; dazu
asächs. galla, ndl. gal f., ags. gealla m., engl.
39*
615
Galle
Gamander
616
gall, anord. gall n., schwed. galle m., dän.
galde. Wohl aus *galn- entstanden. Der
Lautverschiebung gemäß entsprechen gi'.
XoXri f. und xöAoc m. «Galle, Zorn», lat. fei n.,
abg. zluai «Galle» f. Eigentlich wohl «die
gelbe». ABL. gälleu, v.: gallig, erbittert
werden (Schiller 8, 276, 32), mhd. gellen
«bitter machen, vergällen», dann «dem Fisch
die Galle ausnehmen», gallis^, adj.: Galle
habend (1691 bei Stieler, gallicht bei Ludwig
1716); bitter wie Galle (um 1480 im Voc.
ine. teut. gl% dafür mhd. gellic); zum Zorn
geneigt, zornig (Wieland 5, 16, bei Maaler
1561 gallig). ^ZUS. Oallsiicht, f.: Gallen-
krankheit, Gelbsucht (1719 bei Kramer,
spätmhd. gallensnht f.); bildlich) Neigung zu
Zorn, Grimm, Erbittrung (1718 bei Kirsch).
"Galle, f. (PI. -n): geschwulstartige Stelle,
In: Floß- oder Flußgalle f. «Geschwulst
über dem Knie an den Beinen des Pferdes»,
mhd, vlo^galle; Harzgalle f. «angesammeltes
Harz zwischen den Jahrwüchsen im Nadel-
holze»; Steingalle f. «hühneraugenartige Stelle
am Fuße des Pferdes». Spätmhd. galle f.
«Floßgalle», dazu ndl. gal f., engl, gall «Ge-
schwulst, Schramme, Gallapfel», Nebst franz,
gale f. «Krätze», ital. galla, span. agalla f.
«Geschwulst, Beule (am Pferdefuß), Gall-
apfel», aus lat, galla f. «Gallapfel» (s. d.).
Im Yolksmunde übertragen auf ähnliche
Fehler an Naturdingen: Galle f. «unfnicht-
barer, zu trockner oder zu nasser Fleck auf
Acker und Wiese» (auch Erd-. Acker-, Brand-,
Sand-, Wassergalle); Wassergallei. «ein Stück
Regenbogen» (bei Lohenstein, auch Wetter-,
Regengalle); Windgalle f. «auffallend helle
Stelle am Wolkenhimmel, Wind anzeigend»,
Gallerie, s. Galerie.
Gallerte, f. (PI. -n) und Gallert, n.
{-es, PI. e): zu einer durchsichtigen schlei-
migen Masse eingedickter oder geronnener
Saft von tierischen oder PflanzenstofFen, Gelee.
1691 bei Stieler Gallerte, 1734 bei Steinbach
Gallert, 1741 bei Frisch Galert f., 1727 bei
Aler Gallert n. (auch bei Voß Idyll. 13, 137),
1678 bei Krämer Gallarte f., 1562 bei Mathe-
sius Sarepta 47^ Galhart f., bei Luther Gal-
rede f., mhd. galreide f. (mit den spätem
Nebenformen galrede. galrat. galhart, galhert)
und gekürzt galrei f. (daher älternhd. Galrey,
Gallrey und noch bei Stieler Gallerey). Viel-
leicht eine Ableitung von lat. geläre «ge-
frieren, gefrieren machen», zu lat. gelu n.
«Eis», vgl. Gelee, Gelatine.
Gallone, f. (PI. -n): ein Hohlmaß. 1741
bei Hübner. Aus gleichbed. engl, gallon.
Galniei, m, (-es, PI. -e): Kieselzinkspat.
1616 bei Henisch Gnlmey f., 1474 galmey m.
(Mone Ztschr. 1, 44), aber 1546 bei G. Agri-
cola Calmei, 1482 im Voc. theut. p 8^ kalmei,
md. um 1329 cahnei (Böhmer Urkbch. v.
Frankfurt a. M. 505), mhd. kalemine f., aus
gleichbed. span.-port. calamina, franz. cala-
iiiine f., umgebildet aus gr,-lat. cadm/a, c/td-
niia, gr, Kabjaeia, Kobiuia (daher bei Henisch
Gadmey, «vngeschmeltzt Ertz, Cobald»),
Galöne, f. (PI. -n), auch Galon, m. (-s,
PI. -s): Randschnur, I3orte, Tresse. 1678 bei
Krämer Galone, 1694 bei Nehring Galann,
1595 Gallone f, (bei Breuning v. Buchen-
buch 82). Aus gleichbed. ital. galone, gallone,
franz.-span. galon m., abgeleitet von ital.-span,
gala (s. Gala). Davon galoniereu, v.: mit
Borten besetzen, verbrämen. Im 18. Jh.
(Zachariä Ren. 130) aus ital. gallonare, franz.
galonner.
Galopp, m. (-es, PI. -e): Sprunglauf des
Reittiers; rascher, dem Sprunglauf ähnlicher
Tanz (auch Galoppade f., im J. 1824 auf-
gekommen, R. Voß Tanz 340). 1616 bei
Wallhausen Kriegskunst zu Pferd 8 Galop,
77 Galopp, aus franz. galop, ital. galoppo m,,
aber schon mhd. (neben galopei^ m.) walap
m. aus nordfranz. walop; dazu engl, wallop.
Galoppade f. aus h:fm.z.galopade, ital. galoppata f.
«Ritt im Galopp».. 1727 bei Hübner. Dazu
galoppieren, v. : sich in raschen taktmäßigen
Sprüngen fortbewegen, 1616 bei Wallhausen
Kriegskunst zu Pferd 11 galoppieren, schon
mhd. galopieren , kalopieren (daneben walo-
pieren, walapieren), aus gleichbed, franz,
galoper, ital. galoppare, prov, galaupar.
Galosche, daneben auch KaloSChe (in
Bayern und »Österreich) f. (PI. -n): Überschuh.
Aus gleichbed. ital, galoscia, franz. galoche,
span, galoclm f.; 1517 bei Trochus MB»
calotzchen, im 15. Jh. der PI. cloczen («fuß-
solchin, (jui induuntur in hyeme» Diefenbach
Gl, 156^), wahrscheinlich schon 1292 in dem
Namen Heinrich genant Kaloze (Baur Arnsb.
Urk. S. 168, 243).
galst(e)rig, adj.: faulschmeckend, ranzig.
Nd. 1755 bei Richey, Zu ndrrhein. gol «ver-
dorben, ranzig, sauer geworden», neben gleich-
bed, ndl. goor (vgl. garstig).
galt, s. gelt.
Gamander, m. {-s, PI. wie Sg.), Name
der Pflanzen Teucrium chamaedrys und
617
Oamasche
Oans
618
Veronica chamaedrys. 1482 im Voc. theut.
k 1 ^ gamander, mhd. gamandre f., nmd. gam-
mandere. Aus ital. calamandrea f. «Vergiß-
meinnicht», fi-anz. germandree f. (woraus engl.
gennander), span. camedrio m., von gr.-lat,
chamaedrys, gr. xcMai^puc. I
Gamasche,!, bayr.-östr.auchKamasche, |
(PI. -n): Uberstrumpf mit Knöpfen. Bei i
Goethe 30, 140 1. H. {Camasche (Weimar 33, '
138 Gamasche ohne Variante). 1714 bei |
Wächtler gamachen «Überziehstrümpfe der j
Soldaten», aus franz. gamache f. «Beinbeklei- 1
düng», das über prov. garamacha, galamarha, !
aus span, guaclamarci «Leder von Gadames»
(Stadt in Tripolis) stammt.
Gambe, f. (PI. -n): Kniegeige (mit den
Knien gehaltene Geige). Im 18. Jh. aus ital,
viöla dl gamha (viola f. «Altgeige», gamha f.
'<Bein».
OanasChe, f. (PI. -n): Unterkinnbacken
des Pferdes. Aus franz. ^awacAe, ital. ^a/iasda f,
«Kinnbacke», das auf gr. -fvctGoc f. «Kinn-
backen» zuräckgeht. 1727 bei Hübner Ga-
naches oder Ganasses.
(xänerbe, m. (-n, PI. -w): Miterbe einer
Gemeinbesitzung mit dem Rechte zum Eintritt
ia die Verlassenschaft aussterbender Mitglieder.
Heute nur noch herkömmlicher Ehrentitel,
mhd. ganerhe, ahd. ganerpo m., d. i. Ge-an-
Erhe (Mit^uierbe). Davon Oanerl)SChaft, f.
(Goethe 29, 77), 1400 ganerhschaft '(Maurer
Gesch. d. Markenverf. 482),
ganfen, v.: stehlen. Jüdisch -deutsch.
Bereits zu Anfang des 16. Jh. im Liber
vagatorum genfen stehlen, aus hebr. gänabh
«stehlen». ABL. Ganfe, f.: Kleinigkeits-
diebin, oberhessisoli. Ganfer, m. (-s): Dieb
(oberhessisch), im \%.i\i. ganfer «plündernder
Nachzügler» (Aventin Werke 4, 509, 1 Var.).
Gailg, m. (-S, PI. Gänge): das Gehen,
die Fortbewegung; Waöengang mit einem
Gegner (1618 bei Schönsleder, bildlich bei
Luther Briefe 1, 525), auch der einzelne Auf-
tritt oder Abschnitt desselben (B. Waldis
Es. 4, 72, 27); Tracht Essen (im 16. Jh. bei
Ayrer Dramen 3145, 19); Ort des Gehens,
Weg, Kanal usw. (schon ahd.) ; Erzader (mhd.).
Mhd. ganc (Gen. ganges), ahd. gang, ganc m.;
dazu asächs. gang, mndl. ganck, gangh, ags.
gang m., engl, gang, aiionl. gangr in. «das
Gehen», gang u. «Weg», schwed. gang, diln.
gang, got. gaggs m. «Gasse». Zu ahd. gangan,
got. gaggan «gehen» (s. d.). ABL. gang-
bar, adj., mhd, ganchcere (in unganchcere
14, Jh.), ZUS. Gangspill, n. und Gang-
spüle, f. : gi-oße Winde zum Lichten der Anker,
auf großen Schiffen, eig, der Wellbaum der
Winde. 1794 bei Eöding. S. Spill.
gäuge, adj.: unter den Leuten umgehend,
verbreitet und üblich, heute meist in der
Formel gänge (gäng) und gäbe (mhd. genge
und gcehe Schwabensp, 254). Mhd. genge,
ahd. gengi; dazu mnd. genge, ginge, selten
gange, mndl. ghinge, ghenge, afries. genzie,
ghinse, ganse, ags. genge, anord. gengr, schwed.
gängse, dän. gängs. Verbaladjektiv zu ahd,
gangan «gehen», wie gäbe (s, d,) zu geben.
gängeln, v. : beim Gehen leiten, führen,
eig. gehen machen (auch tändeln, schlendern,
d. j. Goethe 1, 372). Bei Luther gengeln.
Iterativ zu mhd. gengen «gehen machen».
Davon Gängelband, n.: Band, an dem man
ein Kind gehen lehrt, 1716 bei Ludwig.
Gangspill, s. Gang.
Gans, f. (PI. Gänse): der Schwimmvogel
lat. anser. Mhd. gans (Gen. gense), ahd.-ndl.
gans, cans f.; dazu mnd.-mndl.-fries.-ags. gös,
engl, goose, anord. gas, schwed. gas f., ämi.gaas.
Der Lautverschiebung gemäß stimmend mit
lat. anser m. (aus '^ hanser), gr. xr]v m. f.,
lit. £({sis f., aind. hqsäs m., hq^sf f. «Gans»;
abg. gqsi f. ist wohl aus dem Germanischen
entlehnt. Neben gans steht ein Stamm ohne
auslautendes s und miteinerDentalerweiterung
in dem vom Plinius bist. nat. 10, 22 erwähnten
ganta f., dem mnd. gante «Gänsei-ich», ags.
ganot m. « Wasser vogel», engl, gannet «Eot-
gans», ahd. ganazo, ganzo, mhd. ganze, ganzer
(nhd. noch als Eigenname) «Gänseiisch» ent-
spricht (s, u,). Dieser Stamm ist auch ins
Romanische gedrungen, prov. ganta, ganto,
afranz. gante, jante. Ein dritter Stamm liegt
in ags. gandra m., engl, gander «Gänserich»
vor. ABL. Ganser, (-5, PI. wie Sg.), ge-
bräuchlicher Gänserich (-s, PI. -e), m.:
männliche Gans, 1408 in Grimms Weisth. 1,
573 Ganser, im 17. u. 18. Jh. auch Gänser,
älternlid, auch Ganser t, Gänsert, Gansart.
Ganshart, im 16, .Jli. noch Ganßer, mhd.
ganzer neben älterm ganze, genz, ganiz (Mone
Anz. 3, 50, 8), ahd. ganazo, ganizo, ganzo m.;
dazu mnd. gante, iid.ganter. gantert und gante.
mndl. ghent, ndl. gent m. «Gänsex'ich», ags.
ganot, ganet m., engl, gannet «Rotgans».
Gänserich, eine Erweiterung von Ganser
nach Enterich, im 16. Jh. Genserich (Kh-ch-
hoff VVendunmut 234^). Als deutscher Name
der Pflanze potentilla anserina entstand im
619
Gant
gar
620
16. Jh. genserich (bei Alberus Dict. EE4*)
aus grenserich (1470 bei Diefenbach mkt.-
hochd.-böhm. Wb. 219, auch bei Louicerus),
das Kraut heißt auch Grensing, mhd. gren-
sinc, grensich, aber schon ahd. gensinc neben
ijrensinc m. ZTJS. Cränseblume, f. (Pl.-w):
Maßliebe. 1561 beiMaalergfe)isW?lwe, aber mhd.
gensebluome m. f. «ligustrum» (weiße Glocken-
blume). Gäiiseei, n. {-es, PI. -er), 1522
bei Luther Genßey, mhd. gansei n. Oälise-
fuß, m.: das Kraut chenopodium, Melde,
gr. xnvÖTTouc, im 16. Jh. gänsfuß (Diefenbach
Gl. 11^; im Buchdruck «Anfiihi-ungszeichen»,
im PI. Gänsefüße 1800 bei J. Paul Titan 1, 57,
Oim. Gänsefüßchen 1805 bei Täubel Wb.
d. Buchdi-uckerkunst 1, 100, dafür bei Geßner
Buchdruckerkunst (Leipzig 1743) 438 Gänse-
augen,nib hei Adelung Hasenöhrchen. Gänse-
haut, f.: (bildlich) Menschenhaut, die durch
Kälte oder Schreck schaudert (bei H. Sachs
5, 151). Gänsehirt, m. (-en, PI. -en\ 1470
in Diefenbachs mlat.-hochd.-böhm. Wb. gans-
Jiirt, 1517 heiTrochnsGl^ genßeherte. Gänse-
kiel, m.^ Schreibfeder. S. Kiel. Gänse-
klein, n. (-s): die edlen Eingeweide, Flügel
und Füße der Gans, 1775 bei Adelung, süd-
ostdeutsch Gänsejung n. ; wenn mit dem Blute
der Gans gekocht, Gänseschwarz n. (1741 bei
Frisch) oder Gihisepfeffer m. (1691 bei Stieler).
Gänsemarsch, m. {-es): Marsch, wo einer
einzeln hinter dem andern geht, um 1830 auf-
gekommen, dafür 1808 bei Campe Gänsegang,
Schweiz. Katzenscliwanz (Pestalozzi Lienhart
2, 27). Gänsewein, m. {-es): scherzhaft für
Wasser, schon im 16. Jh. (1572 bei Fischart
Pract. 5 gänßwein).
Gant, f. (PI. -en): gerichtlicher Verkauf
an den Meistbietenden, Zwangsversteigerung.
Oberdeutsch: mhd. (im 14. Jh. am Oberrhein)
gant f., aus gleichbed. ital. incanto m., von
lat. in quantum «für wieviel? wie hoch?».
^Ganter, ndd. Form für Ganser (s. d.).
"Ganter, Kanter, m. {-s, PI. wie Sg.):
Kellerlager, Gestell für Bierfässer. Zurück-
gehend über das Romanische (ital. cantiere m.
«Werft, Stapel», franz. chantier m. «Stapel-
block, Stütze») auf lat. cantherium n. «Joch-
geländer, jochartiges Gestell». In Oberdeutsch-
land seit dem 16. Jh. belegt und noch heute
in Österreich, Bayern, Schwaben und der
Schweiz lebendig.
ganz, adj. u. adv.: unverletzt, ungeteilt,
unverküi'zt, vollkommen ; (dann) gesamt, voll-
ständig. Mhd. ganz, ahd. ganz, hnnz, Adv.
ganzo; vorgedrungen ins Mnd., Mndl. und
Afries. gans, nfries. ganfsch, entlehnt schwed.
ganska, dän. ganske. Trotz verschiedner Ver-
suche (vgl. Brugmann Idg. Forsch. Anz. 5, 18)
dunklen Ursprungs. ABL. Gänze, f. (PI.
-n): ganzes, festes Gestein, im Bergbau be-
reits im 16. Jh. (1562 bei Mathesius Sai-epta
89^). Mhd. genze, ahd. ganzi f. «Ganzheit,
Vollständigkeit», ganzen, v.: ganz machen.
Bis ins 17. Jh., mhd. genzen, ahd. genzan (in
gigenzan), nur noch in ergänzen (bei Luther).
Ganzheit, f., mhd. ganzheit und ganzenlieit f.
gänzlich, adj. u. adv.-. vollständig, völlig,
mhd. ganzlich., genzlich, im Adv. ganz-, genz-
liche, genzlichen.
gar, adj,: bereit, liereitgemacht, fertig;
vollständig, völlig fertig gekocht (mhd.);
fertig geerbt (mhd.); (als Adv.) vollständig,
vollends. Im 16. Jh. garh (H. Sachs 9, 105)
mit h aus w, mhd. gare, gar (flekt. garexoer,
garwer, Adv. auch garwe), ahd. garo (flekt.
garawer, Adv. garo, garaivo); dazu asächs.
garu, garo, ags. gearo (Adv. gearufue, geanve),
engl, yare, anord. görr, Adv. görva. Da
neben asächs. garu, ags. gearo «bereit» ein
gleichbed. asächs. aru, ags. earu, isl. örr er-
scheint, hat man das g als Rest der Partikel
got. ga, nhd. ge aufgefaßt. Der Stamm ar
gehört vielleicht zu gr. dpapicKeiv «zusammen-
fügen», lat. artus m. «Gelenk, Glied» und
deren Sippe. Auch aind. dram «passend, zu-
gegen, zurecht, genug», ja lat. arvum n. «Saat-
feld», eig. «das Zubereitete» könnten ver-
wandt sein. ABL. Gare, f. : das Garsein, Zu-
bereitetsein, z. B. des Kupfers in der Schmelze
(bei Hübner 1712 Gar), des Leders (1775 bei
Adelung), die Besserung, die man an den
Acker dui'ch Düngung und Bearbeitung wendet
(1731 in Zincks öcon. Lex.). Mhd. garwe,
ahd. garawt f. «Zubereitung, Zurüstung». S.
Gäre. ZUS. Garaus, m.: völliges Ende
{einem den gar aus machen bei Fisch art Garg.
355). Bei Luther neben garauß m. auch
garaus n. (noch bei (Günther 512 Neutr.),
urspr. im 15. Jh. garauß m. (Tucher Bau-
meisterb. 60, 5 fg., Städtechr. 2, 11, 8) «die
letzte Tages- oder Nachtstunde und das Ge-
läute am Schluß derselben nach der alten
Nürnberger Uhr, welche die Stunden von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zählte,
sich also nach der Länge des Tages ver-
änderte»; noch heute wird in Nürnberg Abends
der Garaus geläutet. Garkoch, m. {-es,
PI. -koche) : Koch, der gewerbsmäßig zu jeder
621
Garant
garen
622
Zeit zubereitete Speisen feilhält, 1540 bei
Alberus Dict. p3^ und im 15. bis 16. Jh.
aus Xordhausen garkoch m. Garküche, f.
(PI. -n): öffentliche gewerbsmäßige Speise-
wii'tschaft, 1540 bei Alberus garküch, im
16. Jh". auch jarkiiche (jarkuchen f. 1517 bei
Trochus 0 5% 1537 bei Dasypodius, in Würz-
burg bis ins 18. Jh.).
Garant, m. f-ew, PI. -en): Gewährsmann,
Bürge. Im 18. Jh. aus gleichbed. franz. garant,
span.-portug. garants, ital. guarento m., ent-
lehnt aus ahd. iverento m. «der Gewährlei-
stende», afries. icerand, warend, mnd. warent
ra., engl, warranter «Gewähi-smann», dem
substantivisch gebi'auchten Pai-t. Präs. von
ahd. weren, afries. ivera, wara, nd. waren \
«Gewähr leisten» (s. gewähren). Garantie, \
f. (PI. -/(): Gewährleistung, Bürgschaft. 1688'
bei Liebe, 1691 bei Stieler aus gleichbed.
franz. garäntie, mlat. warandia f., dem Ger-
manischen entlehnt, afries. warande, warende 1
f. «Gewähr», garantieren, v.: Gewähr'
leisten, büi-gen, Avofür haften, 1691 bei Stieler
aus gleichbed, franz. garantir. \
Garans, s. gar. \
^ Garbe, f. (PI. -n): Getreidebund. Mhd. 1
garhe, md. auch garwe, ahd. garha, karpa f.; '■
dazu and. garva, mnd. mndl. garve, ndl. gar ff.
Ins Eomanische aufgenommen: franz. gerhe,
älter garbe, prov.-span. garha f. Daneben
im 15. Jh. grabe, grape, grappe, nd." grave f. j
(Diefenbach Gl. 258° usw.). Urverwandt mit '
aind. grbhriäti «ergreift», gräbhds m. «Hand-
voll», aw. g)-ab- «ergreifen», abg. grabiti^
«raffen», lit. grebiu «hacken». Zur Bedeu-
tungsentwicklung vgl. ags. gripa m. «Koni-
gabe» zu gripan «ergreifen».
■Garbe, f.: die Pflanze millefolium, Schaf- 1
garbe fs. d.). 1482 im Voc. theut, k2=^ garh.
mhd. garwe, ahd. yarwa, yarawa, garuwa f.;
dazu mndl. garwe, ndl. gerw, ags. gearwe,
garuwe f., engl, yarrow. Herkunft dunkel.
'Garde, f. (PI. -n)-. Schutz-, Leibwache. >
1474 am NiedeiThein garde (die Ijurgundische
Tnippe im Heere Karls d('S Kühnen, Wier-
straat S. 9 Groote), dami zu Ende des 15. Jh.
in Süddeutschland gard f. (Liliencron 2, 419), '
im 16. Jb. durch Einfluß der Heere Karls V.
guardi f. (bei H. Sachs Pastn. 44, isl quarti, ,
hei RoUenhagen Froschm. 2, 3, 7 gwardi).
Aus franz. garde, ital.-span. guardia f. «Wache,
Hut/>, von ahd. warfa f. «Wache» (s. Warte).
Garderobe, f. (PI. -n): Kleiderkammer,
-schrank, -von-at; zugleich Bedieutenzimmer
(bei Hübner 1712, Schiller Kabale 5, 6j, da-
nach Dienerschaft (eb. 4, 9). Im 16. Jh.
gardenrobhe m. «Gemach für Silbergeschirr»
(Zimm. Chron.- 3, 161, 29). Aus franz. garde-
robe f. «Kleiderkammer», zusammenges. aus
dem Imp. garde «bewahi'el» und robe, ital.
roba, prov. raiiha f. «Kleid, Geräte», mlat.
rauba f. «Kriegsbeute, Raub», von ahd. rouba
m. «Raub, Beute, Rüstung. Kleid», asächs.
girUbi n. «Kleidung».
Gardiau, m. (-s, PI. -e): Vorsteher eines
Bai-füßerklosters. Mhd, gardiän m., aus ital.
guardiano m., eig. «Hüter», von guardia f.
(s. Garde).
Gardine, f. (^Pl. -n): Bett-, Fenstervor-
hang, 1598 bei Hutter Lexic. harmonicum
668 Gardine faber 1716 bei Ludwig noch
Gordine), 1477 clevisch im Teuthonista und
1495 in der Kölner Gemma F 2<^ gardyn, nach
mndl. gordyne f. aus ital.-span.-mlat. ( um 600)
cortina f. «Vorhang», zu lat, cartrna f. «Run-
dung, Kreis, Vorhang». ZUS. Gardinen-
predigt, f. (PI. -eii): Straü-ede der (Gattin
hinter der Bettgardine, 1796 bei J. Paul
Siebenkäs 3, 22, 1791 bei Roth; vgl. dem
Mann die Gardinen oder ümbhangs Messen
lesen 1693 Zincgref Apophthegmata 4, 141.
Gardist, m. (-en, PI, -en): Soldat der
Garde (s. d.i. 1791 bei Roth.
Gare, f., s. gar und gäi-en.
gären, v. (Prät. gor, Konj, g&re, Paa-t,
gegoren, in bildhcher Bed, schwachflektiert
Prät. gärte, Part, gegärt): innerlich bewegt
zur Zersetzung schäumend aufbrausen. 1678
bei Krämer gähren, 1718 bei Kirsch gehen,
1722 bei Frey er geren (aber noch bei Günther
542 Part, gejohren), 1482 im Voc. theut. 1 8''
geren oder je)-en, mhd. jesen ( mit g statt j
nur in den Formen mit i, 3. Pers. Präs. gist
und girt, aber md. bereits im 14. Jh. bei
Megenberg 8, 30 die 3 PI. Präs. gereut; ferner
Prät. jas, PI. jären, Pai-t. gejesen, das r drang
aus dem Prät. ins Präs., in den Inf. jern
und ins Part., im 15. Jh. gejeren), ahd. jesan.
Durch Anlehnung an gar (s. d.) hat sich y
in allen Formen durchgesetzt. Die starken
älternlid. Formen des Sg. Präs. gier, gierst,
yiert, die noch im 16. Jh. geläufig sind und
teilweis noch 1691 von Stieler (gierst, giert),
1716 von Ludwig (gieret) verzeichnet werden,
sind seit dem 16. Jh. diu-ch die zum schwach-
biegenden Faktitiv ahd.jerjan, gerjan «gären
machen» gehörigen Formen gäre, gärst, gärt
verdrängt worden. Ahd. jesan entspricht
623
Gargel
Garten
624
genau aind. jäsati, jäsjati «wird heiß, siedet»,
aw. jah- «sieden», gr. Z^eiv (aus *z:^ceiv, vgl.
lecTÖc) «sieden», kyim: iäs «fervor, ebullitio».
S. gäschen, gischen, Gäscht, Gischt. ABL.
Oäre, auch Gare, f.: Gärung, der gehörige
Grad der Gärung, im Gebiet des Backens und
Brauens frühzeitig mit Gare (s. d.) vermengt.
1678 bei Krämer Gähre, Gehre, 1598 bei
Colerus 2, H 1« Gehr, Gahre (des Mostes),
md. im 13. Jh. gcere f. (in uhergcere).
Gargel, f. (PI. -»)= ^^^i ^^^ Böttchern
Rinne in den Dauben zum Einsetzen des
Bodens, Kimme. Rheinisch, schon im 13. Jh.
gargele f.; daneben mhd. gargole f. «Rinne
mit Mundstück», aus franz. gargouille, span.
gargola f. «Traufröhre, Wasserspeier der
Dachtraufe». Herkunft unsicher.
Garkoch, Garküche, s. gar.
^Garn, n. [-es, PI. -e): gesponnener Faden:
Gestrick, Netz zum Fange (daher die RA.
ins Garn gehen aus der Jägersprache). Mhd.
garn, ahd. garii. Icarn n.; dazu mnd. </ar«, ndl.
garen, aga.gearn n., engl.yarn, anord. garn n.,
schwed.-dän. garu. Urspr. «die aus getrock-
neten Därmen gedrehte Schnur», s. "Garn.
ZUS. Garngabel, f. : Gabelstange zum Stellen
der Jagdnetze, Forkel. 1741 bei Frisch.
^Garn, n. (-es, PI. -e): der zweite Magen,
Netzmagen der Wiederkäuer. Schwab, giirn
n. «Ochsengedärm», ahd. mittigarni, mittila-
carni, and. midgarni n., ags. micgern «Fett-
netz inmitten der Därme» (noch erhalten in
Schwab, miggär n. «Ochsengedärm»), anord.
görn f. «Darm», PI. garnar «Eingeweide».
Urverwandt mit lit. zärna f. «Darm», aind.
hirdi. «Ader», hiras m. «Band, Gürtel», alban.
zord f. «Gedäi*me», lat. haru- in haruspex
«Eingeweideschauer, Wahrsager aus den Ein-
geweiden der Opfertiere», gr. xop^'1 f- «Darm,
Darmsaite» (davon lat. chorda, franz. cor de,
ital. corda, cordella f. « Strick, Schnur, starker
Faden»).
Garnele, f. (PI. -n): Art kleiner See-
krebse ohne Seheren. 1716 bei Ludwig der
PI. Garneelen, 1556 bei Frisius Nomencl. 61^
und 1561 bei Maaler Garnat oder Garnol m.,
1563 bei Forer Fischb. 127 fg. Gernier m.
Aus gleichbed. nd]. garneel i. (1599 bei Kiliau)
neben garnaaf f.
garnieren, v.: einfassen, verbrämen; aus-
schmücken, auszieren. 1712 bei Hübner gar-
niren «die Kleider mit güldnen oder silbernen
Tressen auszieren», im 16. Jh. vergarniren bei
Fischai-t Garg. 175, Part, garnirt oäevmeuhlirt
1716 bei Ludwig. Nebst ndl. garnieren «zu
Schutz befestigen» (1599 bei Kihan), aus franz.
garnir, afranz. guarnir, ital. guarnire «mit et-
was versehen, ausstatten», aus gleichbed. germ.
*ivarnjan zu ahd. warnön, warnen.
Garnison, f. (PI. -en): Besatzung, Be-
satzungsmannschaft. Um 1600 (bei Henisch
1616 Guarniso)!, 1616 bei Wallhausen Corp.
mil. 175 Garnison) entlehnt aus gleichbed.
franz. garnison f., von garnir (s. garnieren).
Garnitur, f. (PI. -en): Besatz, Einfassung;
Ausstattung, Auszierung. 1712 bei Hübner,
aus gleichbed. franz. garniture, ital. guarnitura
f., von franz. garnir (s. garnieren).
garstig, adj. u. adv.: verdorben schmeckend
oder riechend; schmutzig (1678 bei Krämer,
bei Lessing 3, 41); (übertragen) widerwärtig,
liäßlich, abscheulich (l)ei Luther). In der
1. Bed. 1420 md. garstig (Schröers Vocab. 31 ^),
mnd. garstich, garsterich (vgl. galsterig) und
gasterich, gastrig, mndl. gherstich, 1599 bei
Kilian garstigh, gherstigh. Weiterbildung des
Adj. mhd. -mnd. garst «i'anzig, verdorben»,
anord. gerstr «mürrisch», zu mhd. (14. Jh.)
garst m., ahd. gersti f. «ranziger, stinkender
Geschmack oder Geruch». Wohl zu \\i.grams
«ekelhaft, widerwärtig», grasä f. «Abscheu,
Ekel». Außerdem kann lat. fastidimn n. «Ekel»
(aus *farstidiim%) oder horrere «schaudern,
sich. entsetzen» dazu gehören. Vgl. Walde.
Garten, m. (-s, PI. Gärten): umzäuntes
Land zum Anbau. 1439 in den Weisth. 6,
165 Garten, aber noch bis ins 18. Jh. Garte
(bei Weismann 1703), bei Luther meist Garte
(Gen. Garten), nur vereinzelt Garten, mhd.
garte, ahd. garto, carto m. ; dazu asächs. gardo,
afries. garda m. «Garten», got. garda m. «Ge-
hege, Hürde». Daneben die ältre starkÜekt.
Form mhd. (selten) gart, ahd. gart, cart m.
«Kreis, Garten», asächs. gard m. «eingefrie-
digtes Grundstück», im PI. «Wohnung, Haus»,
ags. geard m. «Umfriedigung, Garten, Woh-
nung», engl, yard «Hofraum», anord. ^ar^r m.
«umschließender Wall, Zaun, Mauer, Hof-
raum, Gehöft», in Zusammens. «Garten», got.
gards m. «Haus», in Zusammens. «Garten,
Kreis», urspr. «Einzäunung eines Grundstücks»,
zu got. gairdan «gürten, umschließen». Da
wir nicht entscheiden können, ob der Dental
auf idg. dh oder t zurückgeht, so ist über
die Verwandtschaft nicht sicher zu urteilen.
Auf dh weisen lit. zardis m. «großer um-
zäuuter Weideplatz», aiud. grhäs m., grhäm n.
«Haus», aw, gBrdda- m. «Höhle» (bei denen
625
Gas
Gasse
626
aber die Gutturale nicht stimmen), auf t
lat. hortus m. «Gehöft, Gehege, Grarten»,
cohors f. «Gehege, Hof», gr. xöproc m. «Ge-
hege, Viehhof, Weideplatz». Aus dem Ger-
manischen entlehnt sind abg. gradü ra. «Garten,
Stall, Stadt, Mauer», niss..90roJ« Stadt», poln.
yrod, böhm. hrad «Burg», femer rumän. gard
«Zaun», ital. giardino, prov. jardin, gardin,
franz. jardin m. «Grarten», aus dem afranz.
gardin wiedenim engl, garden. Der Plui-.
lautet mhd. garten, noch bei Luther Garten.
vereinzelt Gerten, der Umlaut schon 1439
in den Weisth. 6, 167 Gärten, daneben vom
16. bis ins 18. Jh. der starkflekt. Plur. Gärte
(Gryphius 1663 S. 199, Lohenstein Rosen 106,
Günther 269, Kleist Frühling 43). ABL.
Gärtner, m. (-s, PI. wie Sg.) : Gartenkünstler;
(in Nordostdeutschland) Kossat, Hintersasse
(1422 im Voc. Vrat.). Im 16. Jh. (bei Luther)
bis ins 17. Jh. oft ohne Umlaut Gärtner, mhd.
gartenoere, später auch gertencere (Fundgr. 1,
372^*), ahd. gartinäri neben älterm gartari m.
(das erste von der schwachen Form, das
zweite von der starken oder vom Stamme ge-
bildet), aus dem Germanischen entlehnt abg.
gradinar'i und gradari m. «Gärtner». Davon
Gärtnerei, f. (PI. -en), 17 16 bei Ludwig,
dagegen 1678 bei Krämer Gärterey; gärt-
nerisch, adj., 1718 bei Kirsch; gärtnern, v.:
Gailenpflanzung treiben, 1808 bei Campe, für
das frühere gartnen (1556 bei Frisius und
noch Schweiz., gärtnen bayr.-alem.), gärteln
(1703 bei Weismann gärtlen), nd. gardene)-en,
garner en, daher in Norddeutschland Gärtnierer
m. «Gärtner».
Gas, n. (Gen. Gases, PI. Gase): luftförmig
entwickelte Flüssigkeit. Ein von dem Alchi-
misten Johann Baptista van Helmont aus
Biüssel (gest. 1644) zur Bezeichnung der
durch Kälte erzeugten feinen (wässerigen)
Ausdünstung willkürlich erfundenes Wort, bei
dem ihm das gr. Chaos (s. d.j vorschwebte.
1712 bei Hübner, 1779 bei Krünitz, 1796 bei
Adelung verzeichnet, durch die Luftballon-
fahrten seit 1783 aufgekommen und beson-
ders durch die Gasbeleuchtung seit 1><26 ver-
breitet. Bei Helmont als Neutr., am Mittel-
i-hein als Fem., in Obersachsen als Mask.
gebraucht, mit langem Vokal, aber in Nord-
deutschland im Nom. Sg. meist kuiv, aus-
gesprochen (daher im Plur. bei Inimermann
Münchh. B. 6, Kap. 10 Gasse), während die
Bühne Gas fordert.
gäschen, v.: aufbrausen, schäumen. 1691
Weigaad, Deutsches VVorteibuch. 5. Aod.
bei Stieler das Subst. Geschling, 1741 bei Frisch
gäschen (aber 1734 bei Steinbach jeschen, Prät.
josch, Part, gejoschen), fränkisch im 14. Jh.
gesehen (Buch v. guter Speise 6, 14), zu mhd.
jesen, ahd jesan «gären» (s. d.). Vgl. gischen.
Davon Gäscht, m. (-es): Gärschaum, Schaum.
Bei Lohenstein in Hoffmannswaldaus usw.
Ged. 6, 14 Gäscht, 1562 bei Mathesius Sar.
152^ Gescht (neben Gesch 212^), aber bei
Lohenstein Kos. 88 und Günther 496 .Jäschf,
1711 bei Rädlein .Jescht oder Gast, im 15. u.
16. Jh. gest (Diefenbach Gloss. 548*^), mhd.
jest m.; dazu ndl. bei Kilian 1599 ghest,
ghist m. Vgl. Gischt.
Gasel, n. {-[e]s,. PI. -e) und Gasele f.
(PI. -n): Name einer bei den Persera sehr
beliebten Form lyrischen Gedichte. Aus ai*ab.
ghazal «Liebeslied». Durch Platen, Rückert
u. a. eingeführt.
gassäten gehen: müßiggängerisch auf der
Gasse umherschwärmen, besonders des Nachts,
Im 16. Jh. (1574 bei Höniger Narrensch. 99*),
aus dem gleichbed. studentischen gassatim
gehen (bei Grimmeishausen Simpl. 348), dessen
gassatim halblateinisches Adv.: daüiv gassatum
gehn (bei Fischart Garg. 271. norb 1703 bei
Weismann).
Gasse, f. (PI. -»): zwischendm-chgehender
Weg, enge Straße (von letzterm Worte, das
ui'spr. die breite Land- und Heerstraße be-
zeichnet, in neurer Zeit m Norddeutschland
mehr und mehr verdrängt). Mhd. ga^^e (stark-
und schwachbiegend), ahd. ga^^a, gaza f.; dazu
mnd. gate, (entlehnt) engl, gate «Tor, Weg»,
anord. gata f. «Pfad, schmaler Gang, Gasse»,
schwed. gata, dän. gade, got. gatwö f. «Gasse».
Vielleicht gleichen Stammes wie ältermd. gat,
gaz, asächs.-mnd.-ndl. gat n. «Öflnung, Lücke,
Loch, Höhle», ags. geat n. «Tür, Tor»,
anord. gat n. «Höhle», dän. gat «Loch» (da-
her Kattegat «Katzenloch») oder mit Falk-
Torp aus Präfix ga- und *teivöH «Reihe»,
das zu nhd. Zeche gehöil; Giomdbedeutung
wäre dann «das Gereihte». .2775'. GaSSen-
hauer, m. (s, PI. wieSg,): gemeines Gassen-
lied. Im 16. Jh. Gassenhauicer , zunächst
s. v. a. Gassenläufer (1586 bei Mathesius
Syrach 1, 52*), von älternhd. und bayr. hauen
«laufen», dann Tanz auf der Gasse mit der
Tanzweise (1536), endlich 1517 bei Aventin
1,542, 12 gassenhawer die nuin auf der lauten
schlecht, 1556 bei Fiisius ein gemein vnd
Schlacht gassenlied, ein gassenhauwer, im 17.
und 18. Jh. auch ohne tadelnden Nebensinn
4U
627
Oast
Oatte
628
s. V. a. Volkslied (s. d.). Gassenjunge, m.
(-n, PI. -n), 1728 bei Stoppe Ged. 1, 71.
Gast, m. (-es, PI. Gäste): besuchender,
beherbergter, beköstigter Fremder ; auf frem-
der Bühne auftretender Schauspieler (im
19. Jh.); überhaupt Mann, Gesell (1589 bei
Rhau geistl. Gesangb. Von'.). Mhd. (/asf
«Fremdling, landfahrender Krieger, Held,
auch bewirteter Fremder», ahd. gast «Fremd-
ling»; dazu asächs.-ndl. gast, ags. gcest, gast,
gest, gist, giest «Fremder, Feind, Gast», (aus
dem Nordischen) engl, guest, anord. gestr,
schwed. gast, dän. gjest «Gast», got. gasts
m. «Fremder», der Lautverschiebung gemäß
stimmend mit lat. hostis «Femd» urspriing-
lich «Fremder», vgl. hospes aus *hosti-pes
«Gastfreund», abg. gostl «Gast, Genosse,
Freund». ABL. Gasterei, f. (PI. -e/i): Gast-
mahl. Im 16. Jh. (H. Sachs Fastn. 16, 253,
Scheidt Grob. 3164), bei Luther mit Umlaut
Gesterey. gastieren, v.: zu Gaste haben,
bewirten (bei Goethe, 1691 bei Stieler, dafüi-
bereits im 16, Jh. gasten, das im 18. Jh. bei
Bürger auch in der Bed. «zu Gaste sein»
erscheint); von Schauspielern, als Gast auf-
treten, Gastrollen geben (Anfang des 19. Jh.).
gastlich, adj. und adv., mhd. gast-, gest-,
gastlich, ahd. durch ungastlichi f. «Ungast-
lichkeit» bezeugt, ags. gastlic: im 17. und
18. Jh. nicht mehr gebraucht, kam das Wort
in den letzten Jahrzehnten des 18. Jh. durch
Voßens Homerübersetzung wieder in Umlauf.
Gastung, f. (PI. -en): BeAvii'tung, Gasterei,
mhd. gastunge f. ZUS. gastfrei, adj. und
adv.: freigebig gegen Gäste, bei Luther.
Gastfreund, m. {-es, PI. -e), 1561 bei Maaler
als Übersetzung des lat. hospes, dafür 1537
bei Schaidenreißer Odyss. 75^ ain gast vnd
freund; das Wort fand aber keine Aufnahme,
erst durch Voßens Odyssee-Übersetzung 1781
hat es Verbreitung gewonnen; davon Gast-
freundscliaft, f., 1616 bei Henisch. Gast-
geber, m. (-S, PI. wie Sg.): Gastwirt (mhd.
gastgeher neben gastgehe m.); der ein Gast-
mahl gibt (1711 bei Rädlein). Gasthalter,
m. (-S, PI. wie Sg.): Gastwirt (14B3 bei
Diefenbach-Wülcker gasthelder, um 1480 im
Vocab. praedicant. 12^ gasthalter); der eine
Gasterei gibt (1718 bei Kirsch). GasthauS,
n, i-hauses, PI. häuser), ahd.-mhd.-)nnd. gast-
hüs; dazu ags. gasthüs n., engl, guest-house,
anord. gestahüs n., aber ndl. gasthuis n. «Spital».
Gasthof, m.: vornehmeres Gasthaus, 1420 bei
Diefenbach-Wülcker; dazu ags. gasthof m.
Gastmahl, n. (-s, PI. -niähler), 1561 bei
Maaler. Gastrecht, n.: Recht der Gast-
freundschaft. 1616 bei Henisch. Gastwirt,
m. (-es, PI. -e), 1635 bei Heydenreich Leipz.
Cron. 351. Davon Gastwirtschaft, f.: Wirts-
haus. Erst im 19. Jh.
gastrisch, adj.: den Unterleib, Magen
betreffend. Ende des 18. Jh., von gr. YOCTtip
f. «Unterleib, Magen».
Gastronom, m. (-s, PI. -en): Feinschmecker,
Kenner der Koch- und Tafelkunst. Bildung
der neusten Zeit. Aus gr. Yöcrrip (s. gast-
risch) und -vojnoc von v^jueiv «zuteilen». Dazu
Gastronomie, f., aus gr. Yacxpovoiaia f.
«Vorschrift zur Pflege des Bauches».
gäten, s. jäten.
gütlich, auch gättlich, adj. u. adv.: sich
wohlfügend, passend, schicklich, gleichmäßig,
nach Faßlichkeit und Bequemlichkeit groß,
mittelgroß. Md. auch bei Goethe 30, 114.
Früher auch oberd., mit den Nebenformen
gättlich, gettlich (Mumer Gäuchmatt 5285),
göttlich, götleich (Nürnb. Pol.-Ordn. 153 aus
dem 14. Jh.) und gattlich (Frankf. Ref. 6,
4, 5, auch bei Goethe Wilh. Meist. Wanderj.
2, 5); nd. gädlik, ndl. bei Kilian gadelick,
1477 clev. gheäelyk. Gleicher Abstanmuing
wie Gatte (s. d.).
Gatt, n.: Loch, s. Gasse.
Gatte, m. {-n, PI. -n): der ehelich Ver-
bundene (1652 bei Rist himml. Lieder 3, 161).
Der Bedeutung nach eine Spezialisierung
(genauer die Ehegatten Garg. 93) aus mhd.
gate neben gegate m. «der Gleiche, Genosse»,
selten «der zui* Zeugung Verbrmdene»; dazu
asächs. gigado m. «Seinesgleichen», mnä. gegade,
ags. gegada m. «Genosse», ui'spr. schAvache
Form zum Adj. ahd.gegat «verbunden, gleich,
wozu passend». ^BL. gatten, v.: zusammen
verbinden (trans. und refl. bei S. Franck Para-
doxa 158 und moriae encom. 15^); sich paaren
(Fastnachtsp. des 15. Jh. 1160); Wai-en sor-
tieren (1691 bei Stieler). Ahd. gaton (in
hegaton «erj-eicheu, wofür sorgen»), mhd.
gaten intr. «zusammenkommen», tr. «Gleiches
zu Gleichem gesellen, vereinigen». Gattin,
f. (PI. -nen): die ehelich Verbundene. Erst
im 18. Jh. bei Günther 661. Gattung, f.
(PI. -en): das durch Verwandtschaft Zusam-
meugehöiüge. Erscheint y.uerst im 15. Jh.
(Nürnb. Pol.-Ordn. 222, Nicl. v. Wyle 282),
bei Luther Matth. 13, 47; die älteste Be-
deutung ist «zueinander passendes Paar»
(Fastnachtsp. 517, 26), später bedeutet das
629
Gatter
gaukeln
630
Wort auch s. v. a. Gatte] im 16. u. 17. Jh.
und noch Schweiz, wird es wie «Art und
Weise» gebraucht.
Gratter, n. (-s, PI. wie Sg.): verschi-änkte
Stäbeverbindung als Tor, Schranke oder
Zaun. In den Wörterbüchern des 17. und
im Anfang des 18. Jh., sowie noch alem.
und bei Goethe 34, 1, 266 Mask., mhd. guter
m. n., im 15. Jh. auch Fem. (schwachbie-
gend), ahd. gataro m. Da das Wort ahd.
mit valvae «Türflügel» glossiert wird, und
sonst nicht in den germanischen Sprachen
vorkommt, so könnte es mit Kluge eine
Zusammensetzung aus ga- «ge» und tor sein.
ABL. gatteru, v.: mit gatterähnlichem
Muster versehen (mhä. gatern): durchs Gatter
spähend belauera, gieiüg blicken (1691 bei
Stieler).
Gattung, s. Gatte.
gatzen,- gätzen, v.; gackern, schreien
wie ein Huhn nach dem Eierlegen (König
vom Odenwald und Fastnachtsp. des 15. Jh.
259, 22). Aus gleichbed. mhd. gagzen, wie
mhd. blitzen aus hliczen; im 15. Jh. schwäb.
(Diefenbach Gl. 161^) und noch 1703 bei
Weismann 141*'' gatzgen. Vgl. gacksen.
Gau, m. (-es, PI. -e): abgegrenztes Land-
gebiet, Landesabteilung. Aus md. gouwe,
gou, mhd. göuwe, göu, ahd. gawi, gewi, gowi n. ;
dazu afries. gä. gö, ags. an Namen -ge, ebenso
and. -gö, got. gawi n. (Gen. gaujis)., Ahd.
auch das Fem. gaiva, gowa und gawia, goivia,
mnd. gö f., nd. gohe f. Herkunft unsicher.
Vgl. Feist Btr. 15, 54 f. (aus *ga-wih, wih
zu lat. vicus m. «Dorf»), Schrader Idg. Forsch.
Anz. 9, 172 (aus *ga-atvia zu gr. oTri «Dorf»),
ühlenbeck Btr. 30, 282. Der Plur. bisweilen
Gauen (Schubart 2, 328, Goethe 2, 33; 34, 1, 3),
bereits 1663 bei Schottel 462% und zwar als
Plur. des Fem. Gau. Das Mask. zuerst im
17. Jh. (1612 bei Lehmann Speyr. Chron. 4, 9),
wie es scheint in Gelehrtenkreisen nach dem
Genus von lat. pagiis {dei' Pagus oder Gaw
ebd.). Das veraltende Wort wurde im letzten
V^iertel des 18. Jahrh. wieder aufgefrischt,
während sich in oberd. Mundarten das Neutr.
Gäu in den Bedd. «Land im Gegensatz zur
Stadt, flaches Land im Gegensatz zum Ge-
bii'ge» erhalten hat.
Gauch, m. {-es, PI. -e und Gäuche):
einfältiger, dummer Mensch, Narr, Schelm.
Mhd. gouch, ahd. gouh m. «Kuckuck, Tor,
Narr»; dazu ags. geac, (aus dem Nordischen)
uordengl. gaick, anord. gaukr, schwed. gök,
däu. gjög, norweg. gauk m. «Kuckuck». Ur-
sprung nicht ganz klar. Wahrscheinlich zu
anord. ^e«/ja «spotten, ausschelten», ami.hovati
«nift», abg. züvati «rufen».
Gauchheil, n. {-s. PI. -e): die Pflanze
anagallis. 1432 göchail (Petters Vocabular
292 a), als Fem. 1540 bei Alberus Dict. GC2b
ghocheyl, gaucheyl. Der Name daher, daß
man dem Kraut Kraft beilegte, den Wahn-
und Blödsinn (vgl. Gauch) zu heilen (Grimm
Gesch. d. deutsch. Spr. 204), auch sein Saft
als Mittel diente, den Biß eines tollen Hundes
unschädlich zu machen (Loniceinis 204% vgl.
Schiller z. mecklenb. Kräuterb. 2, 30*). Oft
vermengt mit dem Namen der Schafgarbe
• gachheü «schnellheilendes Wundkraiit» (im
14. Jahrh. Mone Anz. 4, 247).
Gaudleh, m. {-es, PI. -e): listiger, ver-
schlagner Dieb; pfiffiger, verschlagner und
gewandter Schelm. Im 17. Jh. (1657 bei
Schuppius Freund in der Not 92) aufge-
nommen aus gleichbed. nd. gaudef, ndl. gauw-
dief m., zusammenges. mit nd. gau, ndl. gauw
«geschwind, gewandt», 1691 bei Stieler und
1716 bei Ludwig gau «schnell auf etwas».
Das Wort gehört wohl zu jäh (s. d.).
gau(lieren,verb.(refl.)sich freuen; (trans. )
erfreuen. 1617 im teutschen Michel 21, aus
lat. gaudere «sich freuen». — Gaudiuni, n.
{-s): große Freude. Gegen Ende des 18. Jh.
allgemeiner geworden (Schiller Räuber 1, 2,
Kabale 5, 5), aus gleichbed. lat. gaudium n.,
bayr.-österr. Gaudi, f. nach Freude.
gaukeln, verb.: Zauberei, trügerisches
Blendwerk treiben; sich närrisch, possenhaft,
oder leicht, schnell und spielend hin- und
herbewegen. Mhd. goukeln, gougeln, ahd.
gougelan und goukelön, gougolön, mit Umlaut
md. gaukeln, bei Luther geuckeln neben
gauckeln, im lö.Jh.getvkeln (Diefenb.Gl.48*):
dazu mnd. gökelen, gökelen, mndl. gökelen.
Abgeleitet von ahd. goucal, coukel, mhd. goukel,
gougel n. «Zauberei, Taschenspielerei, nämsches
Treiben», nhd. Gaukel m. (Adelung), selten f.
(Steinbach 1, 563), (aus dem Ndd. entlehnt),
schwed. gyckel, dän. gjögl. Dazu gibt es ab-
lautende Formen mhd. giege und giegel m.
«Narr, Betörter», gogel m. «ausgelassner Scherz,
Possen», gogelen «sich ausgelassen gebärden»,
ndl. guig f. «Spottmaul», giegelen «lachen»,
so daß das Woi-t alt sein wird. Wahrschein-
lich zu derselben Wurzel wie Gauch (s. d.).
ABL. Gaukelei, f., bei Luther Gauckeley,
Geurkeley, Geugeley, dazu mnd. yochelie, umdl.
40*
631
Gaul
Gaze
632
gokeUe f. Gaukler, m. {-s, PI. wie Sing.):
Taschenspieler, Jahrraarktskünstler; mhd.
goukelcere, goiigelcere, ahd. coucaläri, gouguläri,
mit Umlaut bei Luther geuckler, geugler;
dazu mnd. gokeler, mndl. gokelere, entlehnt
anord. kuklari m.; im 15. Jh. rhein. jaiikeler,
jeukeler (Diefenb. Gl. 307 <=) und nä. jokeler
mit dem sachlich übereinstimmenden mlat.
joculärius, joculäris, joadätor in Berührung
gebracht. Davon Gaukleriu, f., 1541 bei
Prisius 525^ gaucklerin, im 15. Jh. geuklerin
(Diefenb. Gl. BOl^), und gauklerisch, adj.,
1541 bei Prisius 162^ gaiigglensch, gaucklerisch
r,51^. ZUS. Gaukelbild, n.: trügerisches
Bild, mhd. goukelhilde n. gaukelhaft, adj.,
1775 bei Adelung. Gaukelspiel, n., mhd.
goukel-, gougelspil n.
Gaul, m. (-es, PI. Gäule, unüblich Gaule
Lichtwer Pab. 1, 5, Rückert 1, 22): geringes
Pferd, aber auch stattUches Roß (Luther
Jerem. 8, 16, Goethe 8, 102, Voß II. 4, 500).
Prühmhd. gül m. «Ungetüm» (vom Teufel,
güle von einem Götzen, urgM von einem
Ebei-), seit dem 14. Jh. verächtUch vom
Pferde gebraucht (Liedersaal 3, 619, 14, im
PI. giule), daneben schon mnd. gfd, güle m.
vom starken Streitroß, 1429 im Lib. ord. rer.
14 '^ gaid «Beschälhengst». Dazu ndl. guil f.
«Stute», die noch nicht geworfen hat, im
17. Jh. ghuyl «alter Hengst», 1599 bei KiUan
guyle «Pferd»; in schwed. Mundarten gule,
knie m. «altes Pferd», gula, kula f. «alte
Stute, Mähre». Die Etymologie ist ganz
unsicher. Von Charpentier KZ. 40, 441 zu
aind. ghötas «Pferd» aus *ghöltas gestellt.
Vgl. noch Wood Btr. 24, 528.
Gaumen, m. (-5, PI. wie Sg.): die als
Geschmacksorgan geltende obere Wölbung
im Munde. Die Nebenform Gaiim {-es, PI.
-e, -en), noch bei Goethe, Schiller, Bürger usw.,
ist auf die Dichter- und Volkssprache be-
schränkt. Mhd. goume, goum neben guome,
guoni, md. göme, göm und gfime (letztres
noch bei Luther Hiob 29, 10), ahd. goumo
neben giiomo und giumo m.; dazu mnd.
gume, ags. göma (engl, gums «Zahnfleisch»),
anord. gömi und gömr, schwed. gom m., dän.
gumme «Gaumen». Verwandt lit. gömurJs m.
«Gaumen», lett. gämurs «Luftröhre». Vom
gleichen Stamme auch wohl lat. faux f.
«Schlund, Kehle», gr. xaOvoc «auseinander-
klaffend». Aus der schwachen Deklination
tritt schon das gekürzte mhd. gotim und
giiom in die starke über, bei Ickelsamer 12
findet sich der Gen. gumens. ABL. gäumelu,
V.: lüstern sein wonach (1754 bei Rost schöne
Nacht 2). Vgl. kämt, gaimen oder gämen
(d.i. gäumen, gaiimen) «lüstern sein», 1808 bei
Campe Gaunielei f. «Lüsternheit, Leckerei».
Gauner, m. (-s, PI. wie Sing.): listiger
Betrüger. 1753 bei Lessing d. junge Ge-
lehrte 1, 6 Gauner, bei Frisch aus einer
Biberacher Pürschordnung von 1722 Jauner
(noch bei Schüler 1, 209), rotwelsch im 15.
und 16. Jh. und noch heute ^o^erm. «Spieler,
im Land umherstreichender Falschspieler»
(Weimar. Jahrbuch 4, 98, auch bei Fischart
Großm. 50, Philander v. Sittewald 2, 634),
von rotwelsch jo?iew «spielen» (im 15. Jh. und
noch heute), 1494 bei Seb. Brant Narrensch.
63, 46 junen, aus hebräisch jänä (bei den
Juden jo»o gesprochen) «Gewalttätigkeit üben,
übervorteilen, betrügen, überlisten», ABL.
Gaunerei, f., gaunerisch, adj., gaunern,
verb., sämtlich 1803 bei Jagemann, 1787 bei
Kramer Jaunerey, jaunerisch, jaunern.
Gaupe, f. (PI. -n): Giebel Vorbau mit
Öffnung, aber auch Dachöffnung mit vor-
springender besondrer Bedachung und be-
weglichem Verschlusse, Dacherker. In Franken,
Oberhessen, am Mittelrhein, im 15. Jh. gupe f.
Nach der Nebenform Gauke f. zu schließen,
wohl s. V. a. Ausguck, von gauken «aus-
spähen, gucken», 15. Jh., Liliencron 1, 432*),
ohers'ächs. gäken «gaffen», hess. geipen «gaffen»,
engl.-schott. goup, gouk «spähend oder starr
blicken».
ganzen, verb.: bellen; bellend reden;
scheltend anfahren. In der Schweiz, am
Rhein und im westl. Mitteldeutschland. 1540
bei Alberus Dict. Q H gautzen, im 15. Jh.
kautzen (Diefenb. Gl. 70^). Zusammenhangend
mit ags. i^eafff. «Torheit, Leichtsinn», anord.
geyja (Prät. gö) «bellen, ausschelten», gauäi.
«das Bellen», dän. gjö «bellen, schelten».
Weiter sind vielleicht stammverwandt aind.
hävati «naft», abg. znvati «rufen».
Gavotte, f. (PI. -n): eine Art Tanz;
Musikstück. Über gleichbed. franz. gavotte
aus provenz. gavoto. 1791 bei Rotb.
Gaze, f. (spi-ich Gase, PI. -»): Flortuch,
Schleiertuch. 1649 bei Spee Tmtzn. B. 113
Silbergaß, 1715 bei Amaranthes Gaze oder
Gage (spr. Gasche), bei Wieland Klelia 1, 85
Gase f. Aus gleichbed. franz. gaze, span.
gasa f., benannt nach der Philistäerstadt Gaza
in Palästina, woher das durchsichtige Gewebe
bezogen wurde.
633
Gazelle
Gebarsch
634
Gazelle, f. (PI. -n): Hh-schziege, eine Art
Antilope. Im 18. Jh. (1727 bei Hübner
Gazella) aufgenommen aus gleiebbed. franz.
(jazelle, span. gazela f., das dem gleichbed. arab.
ghazäl entstammt.
ge-j unbetonte, untrennbare Vorsatzpaiükel
in Zusammensetzungen, urspränglich zur Be-
zeichnmig des Zusammenseins, des Zusammen-
gehörigen, vor Subst. auch das Ergebnis des
im zugehörigen Verb ausgedriickten Vor-
ganges, vor Adj. das Zueigensein dessen, was
das zugehörige Subst oder Verb ausdriickt,
vor Verben das Geraten in einen Zustand
oder den Abschluß eines Vorganges, die
Dauer und Vergangenheit (bes. im Part. Prät.)
bezeichnend, endlich aber oft nur den Begi'iff
des einfachen Wortes verstärkend. Mit Vor-
silbe (je- und Suffix -jo, das Umlaut bewirkte,
wurden seit alter Zeit neutrale Kollektive
gebildet, vgl. viele der folgenden Artikel.
Mhd. ge-, ahd. gi-, ga-; dazu asächs.gi-, mnd,
ge-, mndl. ghe-, afries, ge-. gi-, ie-, ags. ge-, gi-,
anord. nur spurweise g-, schwed.-dän. ge-,
got. ga-. Gewöhnlich wird lat. co-, con-, aun-
«mit, zusammen» als verwandt angesehen.
Die Sinnesübereinstimmung ist in der Tat
vollkommen, aber die Lautverschiebung
stimmt nicht. In manchen Wörtern erscheint
ge- vor Vokalen oder l, n, r zu bloßem g- ge-
kürzt (Ganerhe, gönnen. Gunst, Glaube, gleich,
Glück, Gnade, grob usw.). In nominalen Zu-
sammensetzungen lag urspmnglich der Ton
auf dem ga-, und es mußte dann das a er-
halten bleiben, wie z. B, Gastein. In einzelnen
verdunkelten Zusammensetzungen scheint sich
dies ga- erhalten zu haben, vgl. Gau. Gatter.
Geäder, n. (-s): Gesamtheit der Adern.
Mhd. geceder n., Kollektiv von Ader.
Geäß, n. (-es, PI. -e): Nahrung des Wildes.
In der 1. Hälfte des 1-5. Jh. gecege (PI. ge-
ce^^er Schiltberger Reise HO), Kollektiv zu
Aas. Aß n. «Viehfutter».
Geäste, bayr. auch Geäst, n. (-es, PI. -e):
Astwerk. 1774 beim j. Goethe 3, 23.
Gebäck, m, n. (-es, PI. -e): Gesamtheit des
miteinander Gebackenen, z.B. ein Gebäck Brot.
Im 14. Jh. md. gebac m.: A''erstärkung des
gleichbed. Back m., md. im 14. Jh. hack m.
Gebäck, n. (-es, PI. -e): das Backen.
Gebackenes, Backwerk. Im 15. Jh. gebäck
( Weisth. 6, 536 aus der Moselgegend), bei
Fischart Garg. 158 das gebäch. Verbalsubst.
zu hacken (s. d.).
Gebälk, n. (-es), unverkürzt Gebälke
(Rückert 3, 39): Balkenwerk. Im 15. Jh.
rheinisch gehelke n., Kollektiv zu Balken (s. d. j.
Gebäude, n. (-s, PI. wie Sg.): Bandwerk,
Kollektiv zu Band n. Mhd. -mnd. gehende,
ahd. gibenH n. «Fessel, Riemen», dann «Band,
Kopfputz der Weiber», insbes. die Stim- und
Wangenbinden. Noch wetterauisch mit Scliap-
pel und Gebetide «mit allem, mit der ge-
samten Habe»; vgl. Schappel.
gebaren, verb. (Goethe 28, 36. 6, 33 j,
j jetzt meist refl.: sich betragen. Mhd. gebären,
ahd. gihären. gehärön; dazu mnd. gebären,
mndl. ghebaren, ags. gebcEran. Verstärktes
gleichbed. mhd. hären, zu mhd. bar f. «Ali,
und Weise, wie sich etwas zeigt», mit mhd.
gebär m. «Benehmen, bes. schickliches und
freundliches» (s. Gebärde), von ahd. heran
«tragen». ABL. Gebärde, f. (PI. -n): Ari,
wie jemand sich äußerlich zeigt in Bewe-
,gung und Handlung. Bei Luther Geberde f.
I und n., 1561 bei Maaler Gebärd f., mhd.
I gehmrde f. und n., ahd. gibärida f.; dazu mnd.
j geherde f. gebärden, v. refl., bei Luther.
gebärdig, adj.: sich schön oder froh ge-
' barend (Goethe 4, 170), 1582 bei Fischart
Garg. 225, s. ungebärdig.
! gebären, verb. (Präs. gebäre, gebierst, ge-
biert, Prät. gebar, Konj. gebäre, Part, ge-
boren, Imp. gebier und gebäre) : zur Welt
bringen. Bei Luther und noch 1734 bei
Frejer Orth. geheren, bei Maaler, Fischart,
Henisch gehären, 1664 bei Duez gebähren und
gebehren, mhd. gebern, ahd. giberan; dazu
mnd. -mndl. geheren, asächs. giberan, ags. ge-
beran, got. gahairan. Zusammengesetzt mit
mhd. hern, ahd. heran, afries. und anord. hera,
ags. heran, engl, bear, got. bairan «tragen»,
durch die Zusammensetzung mit ge- driickt
das Verbum den Abschluß der Handlung des
Tragens aus. Übereinstimmend mit lat. ferre
«tragen, bringen», gr. (pepeiv, kelt. herim
«trage», abg. hirati «nehmen, sammeln»,
aind. bhdrati «trägt». Von diesem Stamm
! sind ferner abgeleitet -bar. Bahre , Bärme,
Bürde, empor, enthehren, gebühren (s. d.),
ABL. Gebärerin, f. : Mutter, fi-ühmhd. ge-
hererinne f., zu mhd. geherer m, «Erzeuger,
Vater». ZUS. Ge])ärniutter, f.: Fruchtsack
der Beckenhöhle, 1597 bei Wirsung Arzneib.
501 Gebeermutter, älter Bärmutter (s. d.).
G^barsch, m., in der (Kinder-) Redens-
, art Gebarsch Xehmarsch «Schenkender und
; das Geschenkte gern Zuiückfordernder», 1540
bei Alberus Dict. Tt 3*» geh ars nem ars, bei
635
Gebäii
gebildet
636
Luther 5, 398 =* usw. im PI. Gebers Nemers,
sogar 7, 262^ ein rechter Gehers Nemers.
Wohl eine grobwitzige Umbildung der mhd.
Bedeutungsnamen Gehhart imd Nemhart.
Gebäu, n. {-es, PI. -e), üblicher Ge-
bäude, n. {-s, PI. wie Sg.): kunstgerecht
Aufgebautes. Bei Luther gehe^v und geheivde,
mhd. gehiuwe, md. gehilwe und gehüivede, ge-
hüide (daneben gehmveze. gehüze), ahd. ge-
biuive und gahüid n. (daneben ahd. gehiuweda,
gehüeda f.) ; dazu mnd. gehüive und gehUivete,
gebUwte. gahüete n. Beide von hatten (s. d.).
Gebauer, n., seltner m. {-s, PI. wie Sg):
^^ogelkäfig. 1659 bei Butschky Kanzl. 438.
Verstärktes Bauer (s. d.).
gebe, s. gäbe.
Gebeier, von beiem (s. d.).
Gebein, n. {-es, PI. -e): Gesamtheit von
Knochen {Beinen). Mhd. und md. geheine,
ahd. gibeini rv., Kollektiv von Bein. Daneben
md. gebeinde, gebeinte, im 15. Jh. köln. ge-
heime, im 14. Jh. nrhein. gebenze, nmd. ge-
beute, geheinte n.
Gebelfer, n. (-5): anhaltendes Belfern.
Bei Stiel er 1691 Gebelfere, bei Schuppius 847
Gepelve^; beim j. Goethe 3, 524 Gepelfere.
Gebell, n. {-es): wiederholtes Bellen. Im
14. Jh. gebelle n. (Monumenta boiea 39, 278).
geben, verb. (Präs. gebe, gibst, gibt —
die früher übliche Schreibung giebst, giebt
ist beseitigt — , Prät. gab, Konj. gäbe, Part.
gegeben, Imp. gib): zu Annahme, Empfang
bieten. JVIhd. geben, ahd. geban; dazu asächs.
getan, mnd. und ^nndl. geven, ags. gifan,
engl, giroe, afries. geva, jeva, anord. gefa,
schwed. gifva, dän. give, got. giban. Das ge-
raeingermanische Wort, das die in den übrigen
Sprachen auftretende Wurzel dö «geben» ver-
tritt, ist in den andern Sprachen noch nicht
nachgewiesen. Man stellt es zu lit. gabenti
«herbeischaffen, l)ringen», air. gabim «ich
nehme», womit nichts gewonnen ist. Vgl.
noch Walde s. v. habere. Das Präs. bei
Luther gibst, gibt, Imp. gib, daneben seit
dem 17. Jh. die Formen mit ie (Schuppius,
Fleming, Gottsched). Das unpersönliche es
gibt mit dem Akk. der Sache (im 16. Jh.
es gibt, mhd. e^ gibt Märe vom Feldbauer
239) bed. «es bringt hervor, es wird werden,
dann es ist oder sind vorhanden». ABL.
Geber, m. {-s, PI. wie Sg.): der Gebende.
Mhd. geber, ahd. gebari, mnd. gever m. Ur-
sprünglicher mhd. gebe, ahd. gebo, asächs.
geto, ags. gifa m. «Geber».
Gebet, n. {-es, PI. -e): Bitte, Rede an
ein höhres Wesen. Mhd. gehet, ahd. gibet,
gäbet n. ; dazu asächs. gibed, ags. gebed, ge-
hedd n. Das zugrunde liegende ahd. het, mhd.
bet, bete n. (noch bei Luther Bet, Bett n.)
«Bitte, Gebet», ist mit ahd. beta, mhd. bete
f. «Bitte» abgeleitet von bitten (s. d.), nicht
von beten, das erst von ahd, bet sich bildete.
Die Nebenform Gebete n. bei Luther und
noch Wieland Amadis 2, 166, Rückert 1, 122,
mhd. gebete f.
Gebettel, n. (-s): wiederholtes Betteln.
1741 bei Frisch.
Gebhart, Mannsname. Mhd. Gebehart,
ahd. Gehahart {geba «Gabe», hart «stark»).
Gebiet, n. {-es, PI. -e): Bereich des Be-
fehlens. Mhd. gebiete, gebiet n. f., md. ge-
bite, gebit n. «Befehl Gebot, Territorium,
Gerichtsbarkeit, Botmäßigkeit»; die Form
Gebiete noch bei Fleming 120, Haller 224,
Lessing 6, 476, Schiller Demetr. 2, 2. Von
gebieten, v. (Präs. Prät. gebot, Konj. ge-
böte, Part, geboten, Imp. gebiete): wozu hin
seinen Willen bieten, zur Befolgung nötigend
seinen WiDen kundtun. Im Präs. älternhd.
du gebeutst, er gebeut, Imp. gebeut (mhd.
gehiutest, gebiutet, Imp. gebiut), bei Luther
und noch altertümlich bei Goethe, Schiller,
H. V. Kleist. Mhd. gebieten, ahd. gabiotan,
gihiotan; dazu asächs. gibiodan, mnd. geheden,
nnd. gebeen, mndl. ghebieden, nndl. gebieden,
ags. gebeodan, zusammenges. mit bieten (s. d.),
ABL. Gebieter, m., mhd. gehietcere, ge-
Meter m.; davon Gebieterin, f., mhd. ge-
bietcerinne, gebieterinne, gebieterin f. gebie-
terisch, adj., 1711 bei Rädlein, dafüi- 1678
bei Krämer gebietisch. Gebietiger, m.:
Befehlshaber, mhd. gebietegcere, md. gebitegere
m., jetzt nur noch altertümlich gebraucht.
Gebilde, n. {-s, PI. wie Sg.): zusammen-
gesetztes Bild; feine Leinewand mit einge-
wobenem BUdwerk (am Nieder-, Mittel- und
Oberrhein. In der 1. Bed. mhd. gebilde n.
«Form der äußern Erscheinung, Gestalt, Stern-
bild», ahd. gebilide n.; dazu mnd. gebilde, ge-
helde (auch Vorbild, Beispiel) n.: im altern
Nhd. ist das Wort entschwunden, bis es 1766
bei Klopstock Oden (1771) S. 213 in dem
auffälligen PI. Gehilder, sowie S. 241 in ihr
Gebild aus dem J. 1767 wieder auftaucht und
bald in Aufnahme kommt.
gebildet^ adj., eig. Partizipium vom v.
bilden «mit Bildern verzieren; ein plastisches
Kunstwerk hervorbringen» (so noch in wohl-
637
Gebinde
Gebrech
638
ijehildef). Auf das Geistige übertragen erst i
bei Herder. Subst. der Gebildete seit der '
zweiten Hälfte des 18. Jb.
Gebinde, n. (s, PI. wie Sg.) : Zusammen-
gebundenes, als Garnmaß 20 oder 40 Fäden
(1715 bei Amarantbes, scbon mnd. hindt n. j
«60 Fäden»); Gefäß, Faß, bes. im Wein- und I
Bierhandel (1734 bei Steinbaoh). Mhd. ge- \
binden. «Band», gebint n. «Verbindung». Von
binden (s. d.).
Gebirge, u. (s, PI. wie Sg.), gekürzt
Gebirg: Gesamtheit von Bergen. Mhd. ge-
birge, ahd. gibirgi, gabirgi n., Kollektivum
von Berg (s. d.). Die Schreibung Gebiirge
bei Wieland, Herder, Schiller, Goethe usw.,
Gebürg bei Fischart, Grimmeishausen usw.,
schon 1401 gebiirge (Frankf. Reichskorr. 1,
92), darauf beruhend, daß in mhd. und früh-
nhd. Zeit bei Orts- und Burgnamen häufig
Berg und Biirg wechseln und sich vermengen.
Davon gebirgig, adj., 1616 bei Henisch ge-
bürgig. gebirgisch, adj.: aus dem Gebirge
stammend, ihm eigentümlich, bei Geliert ge-
bürgisch, 1590 bei Albinus Bergchron. 86
alpgebirgisch, im 15. Jh. gepirges bei Schiit-
berger 105 N., neben pirgesch 87.
Gebiß, n. (Gen. Gebisses, PI. Gebisse):
Mauleisen des Zaumes; Gesamtheit der Zähne
als Werkzeug zum Beißen (Ende des 15. Jh.
bei Harff Pilgerfahrt 137, 14 gebijss): (rhein.-
wetterauisch) vieles wiederholtes Beißen (schon
ahd. f/a&ij «mordacitas»). In der l.Bed. mhd.
gebi^, ahd. gabi^, gibig, mnd. gebit n, Subst.
zu beißen (s. d.).
Gebläse, u, (-s, PI. wie Sg.): die Blase-
bälge eines Ofens oder einer Orgel; Venti-
iationsapparat. In beiden Bed, 1562 bei Ma-
thesius Sarepta 100 ^^ geplese und 208^ gehlese,
211*^ gebleß. Subst. zu blasen (s. d.).
geblümt, adj.: mit Blumen geschmückt.
Mhd. gebliiemet, Part, von blüemen und ge-
blüemen «mit Blumen schmücken», dann über-
haupt «schjnücken, verherrlichen».
Geblüt, n. {-es), unverkürzt Geblvte:
(4esamtheit des Blutes im Körper (spätmhd.
geblüefe n.) ; Blutsverwandtschaft (bei TiUther) ;
Volksabstammung, Volksart (bei Luther Stücke
in Esther 6, 8); (md. und Schweiz.) monat-
liche Reinigung. Kollektivum v(jn Blut.
Gebot, n. {-es, PL -e): Willenserklärung
zur Befolgung, Befehl; Anerbietung bei Kauf
und Versteigerung. Mhd. gebot n. «Befohlenes
wie Angebotenes» (auch Einsatz im Spiel),
ahd. gabot, gibot n.; dazu asächs. gibod, mnd.
gebod, gebode, mndl. ghebot, afries. ebod, ags.
gebod n. «Gebot, Befehl», neben gleichbed.
mhd.-mnd. bot, ags. bod, anord. bod n. (auch
Einladung, Auffordening). Subst. zu bieten
und gebieten (s. d.). Vgl. botmäßig.
Gebräme, n. {-s, PI. wie Sg.): Rand-
besatz, Besatz am Kleide. Bei Luther Jes.
3, 20 gebreme, mhd. gebrceme und gebreme n.,
von mhd. brcemen. brenien (s. Brame).
Gebrau, n. m. {-es, PI. -e): einmaliges
Brauen; das durch ein Brauen gefertigte Ge-
tränk. Nürnbergisch im 14. Jh. gebraw n.
(Nünib. Pol.-Ordn. 212, 7), md. im 14. Jh.
gebrüive n. ra. Subst. zu brauen (s. d. und
Gebräude).
Gebrän, n. {-es, PI. -e): auf einmal Ge-
brautes. Im 15. Jh. bei Wolkenstein Nr. 91,
82 (Schatz) gepreu, bei Rosenblut gepreü n.
Abgeleitet von brauen (s. d. und Gebräude).
Gebrauch, m. {-es, PI. Gebräuche), statt
des nui' noch altertümlichen Brauch (s. d.),
Mhd. gebrüch m. «Benutzung», dann «Ge-
wohnheit, Sitte»; dazu mndl. ghebrüc «Ge-
nuß». Subst. zu gebrauchen und brauchen.
gebrauchen, v.: in bestimmter Beziehung
brauchen, mhd. gebrochen, ahd. gabruchan
«benutzen genießen»; dazu mnd. gebrUken.
mndl. ghebrüken, nndl. gebruiken, ags. stark-
])iegend gebrücan (völlig genießen). ge-
bräuchlich, adj.: in Gebrauch (Gewohn-
heit) befindlich, gewöhnUch gebraucht, 1482
bei Melber Ff 6'* gebruchlich, bei Luther ge-
breuchlich «zum Gebrauch dienend», mhd. in
der Bed. «genießend» gebruchlich, Adv. ge-
brüchliche.
Gebräude, n. (s, PI. wie Sg.): Avie Ge-
bräu (s. d.). Md. 1457 gebruwede, 1438 ge-
braiüde n. (Germ. 28, 366). Abgeleitet von
brauen (s, d.j.
Gebrause, n. {-s, PI. wie Sg.j: em wie-
derholtes Brausen. Md. im 14, Jh. geprüse n.
Subst. zu brausen (s. d.).
Gebrech, m. n. {-es, PI. -e): hörbares
Brechen; Gebrechen (Klopstock Mess. 4, 198
Gebrech n.). Mhd. gebrech n, und gebreche m.,
ahd. gapreh, gipreh n. «Gekrache, lautes Ge-
töse». Gebreche, n. {-s, PI. wie Sg.): von
Wildschweinen umgebrochener Boden, auch
der Rüssel der Wildschweine, weidmännisch
1763 beiHeppe(Te&räc/t, mhd. ^e&recÄen. «umge-
brochenes Bauland, Brachland». Gcbrecheu,
n. {-s, PI. wie Sg.j: fühlbarer Mangel. Md.
im 13. Jh. und 1385 gebrechen n. «Mangel,
Fehler» (Städtechr. 1, 240, 22j, der subst.
639
Oebreit
Geburt
640
Inf. des Zeitworts gehrechen (s. d.), vermengt
mit mhd. gehreche m. «Abgang, Mangel, Be-
schwerde, Krankheit», Mitte des 15. Jh. ge-
hrechen ni. Städtechron. 2, 329, 11, älternhd.
Gehrech m. (Luther 1, 66'^, Duez 1664), Ge-
brechen m. (Luther 4, 108^, Schuppius 242).
gebrecheil, v.: fühlbar raangehi. Mhd. ge-
brechen intr. «brechen, mit Gewalt dringen»,
gegeii einem «von ihm aljfallen, ihm untreu
werden», gebrechen an einem «von ihm weichen,
ihm mangeln», ebenso mir gebricht ein dinc
oder unpersönl. eines dinges oder an einem
dinge; dagegen trans. mhd. gebrechen «brechen,
wegbrechen, Abbruch tun, verwehren, unter-
Averfen», ^h^.gihrechan. gaprechan undasächs.
gihrekan «zerbrechen», got. gabrikan «zer-
brechen, niederwerfen», gebrechlich, adj.:
mangelhaft: mit einem Körperschaden be-
haftet, in beiden Bed, mhd. gebrechlich; dazu
Grebrechliehkeit, f., mhd. gebrechlicheit f.,
1274 gebrechlickeit (Germ. 28, 366).
(jebreit, n. {-s. PI. wie Sg.): sich aus-
breitendes Gelände (Goethe 13, 24; 50, 219
Gehreite). Daneben Gebreite, f. (PI. -n) : ein
Feld von gewisser Größe. Mhd. gebreite f.
«Ackerbreite, sich ausbreitendes Ackerge-
lände», ahd. gibreitta f. neben gahraite, ge-
hreite n. Subst. zu breiten (s. d.).
Gebresten, n. (-s, PI. wie Sg.): Mangel,
Gebrechen; herzbrechender Kummer, Brast
(s. Braß). Der subst. Inf. des älternhd. Zeit-
worts gebresteii (mhd. gebresten, ahd. gihrestan
«fühlbaren Mangel woran haben»), schon im
14. Jh. md. gehristen n. «Mangel», vermischt
mit älternhd. Gehresten m. «Mangel» (1537
bei Dasypodius), 1573 bei Ölinger 51 gepräst,
mhd. gebreste m. und gebrest m. n. «Bruch
als Schaden, fühlbarer Mangel», md. im 14. Jh.
gebrist, ahd. im 11. Jh. gibrist m., neben
einfachem mhd. brest und breste, ahd. hresto
m. «Mangel», Subst. zum mhd. Verbum
bresten, ahd. brestan (s. bersten).
Gebrüder, PI: Brüder als zusammen-
gehörig. Mhd. gebruoder und gebrüeder, md.
gebrüdere, ahd. gibruoder PI.; dazu asächs.
gibröäar, ags. gebrödor, gebröära, gehrödru PI.
Vgl. Geschwister.
Gebrüll, n. (-es), unverkürzt Gebrülle:
wiederholtes Brüllen. Mhd. gebrülle n., Subst.
zu brüllen (s. d.).
Gebrumme, n. (-s), gekürzt Gebrumm:
wiederholtes Brummen. 1595 bei Rollen-
hagen Froschm. 3, 3, 12, 89 Gehrum, 1663
bei Schottel 1004, 17 Gebrumme.
gebschnitzig, adj.: gern gebend, frei-
gebig. Im westlichen Mitteldeutschland (auch
gebschnützig, gebschnetzig). Spätmhd. (hess.)
in einer 1428 vollendeten Handschr. der h.
Elisabeth gehesnytzig, im 14, Jh. gehesnitz
(Elisabeth 7930) «verschwenderisch mit Geben».
Gebücke, n. {-es, PI. -e): zur Grenze,
besonders aber zur Schutzwehr gegen den
Feind angelegte dicht verwachsne hohe Hecke.
Am Mittel- und Oberrhein (Gehucke, Gebücke,
Gehicke, Gebick). 1469 aus Nassau g^eftwcÄen.
«ineinander gebognes undverflochtnes Gebüsch
als Waldgrenze» (Arnoldi Beitr. 110), ebenso
1320 ans dem Unterelsaß (Weist. 1, 670) und
im 14. Jh. ndrrhein. gebücke n. (v. d. Hagens
Germania 6, 260, 337), aber in der Bed. «ver-
flochtne Heckenschutzwehr» 1366 gebücke n.
(Gudenus Cod. dipl. mogunt. 2, 1159), Subst.
zu mhd. bücken, md. hucken «biegen, nieder-
biegen» (s. bücken). Davon im 15. Jh. das
Adj. gehuckt, gebickt «von einem Gebück
umgeben» (Weist. 3, 488 und 5, 319, 4).
Gebühr, f. (PI. -en): was sich gebührt
(spätmhd. gehiir n.); gebührender Anteil
(westfäl.-rhein. im 14. Jh. gebur n. Germania
20, 36, mrhein. im 15. Jh. gepilrre, gepurre n.),
schuldige Abgabe (Gehiir f. bei Luther), ge-
bührende Zahlung, Kosten (1583 bei Mone
Anz. 8, 166, bes. im Plur., 1691 bei Stieler).
Ahd. gihuri f. in andrer Bed. «casus, sors,
evehtus», aber got. gabaur n. «Steuer*». Vgl.
Meringer Idg. Forsch. 18, 205. Von ge-
bühren, V.: als angemessen zukommen.
Bei Luther gehüren, mhd. gehürn, aber fast
nur md. vorkommend geburn, gehorn, trans.
«heben», intr. «sich erheben für jem,, wider-
fahren, zuteil werden, rechtlich zukommen»,
refl. «sich ereignen», ahd. gihurjan, giburren
«als angemessen zukommen, sich ereignen»;
dazu asächs. giburian «sich zutragen,, statt
haben, den Verlauf haben», mnd. geboren
«zukommen», ags. gehyrian «sich begeben,
ereignen, als angemessen zukommen», anord.
byrja «sich ziemen». Das einfache mhd.
hürn, md. burn, hörn, hurren, ahd, burjan,
burren «erheben, hervorbewegen, in die Höhe
halten, mnd, hören «heben», ist gleichen
Stammes wie mhd, beni, ahd, heran, «zum
Vorschein bringen, tragen» (s, gehären).
gebührlich, adj., mhd. gebUrlich, md. gehor-
lich, and, giburilic «gebührend, gelegen,
recht»; davoij Gebührlichkeit, f,, spätmhd,
gebürlichkeit, md, im 15, Jh. giborlichkeii.
Geburt, f, (PI. -en): das Zurweltbringen ;
641
Gebüsch
gedenken
642
das Zurweltgebrachte, Mhd. gehurt, ahd,
gihurt, gaburt f., dazu asächs. giburd, mnd.
gebort, geburt, ags. gebyrd f., engl, birth, anord.
burdr m., got. gabaürßs f. Wie das einfache
mhd.-ahd. burt f. «Geburt» zu ahd. beran
(s. gebären). Urverwandt mit aind. bhrtis f.
«das Tragen, Unterhalt, Pflege». ABL.
gebürtig, adj.: örtHch herstammend, mhd.
geburtich, ahd. giburtig neben einfachem mhd.
bürtec, ahd. burüg (s. hurtig). ZUS. Ge-
burtstag, m. bei Luther, mhd. gebtirttac,
ahd. giburtitag, giburtdag und giburtitago m.
Gebüsch, n. (-es, PI. -e): Gesamtheit
von Büschen. Unverkürzt Gebüsche (Wie-
land 23, 292, Goethe 2, 89). Mhd. gebüsche.
md. 1375 gepusche (Schäfer Sachsenchronik
1, 385). Kollektiv von Busch (s. d.).
Geck, m. (-e7i, PI. -en): alberner einge-
bildeter gefallsüchtiger Mensch. Md, im 14,
und 15. Jh: gec, gecke, ndrhein, im 14, Jh,
geck m,, oberd. Ende des 15. Jh. gecke, gäck
m. «Narr», ebenso mndl. gheck, (entlehnt aus
dem Ndd.) dän. gjäk, schwed, gäck, Island.
gikkr m., mnd. geck adj. «töricht, närrisch»,
urspr, wie es scheint «drehbar, verdreht»,
daher mnd, geck m. «di-ehbarer Deckel eines
Gefäßes, die Stange, woran das Hauptsegel
befestigt ist, verdrehtes gestörtes Gehirn der
Kälber», Starkflektiert bei Lessing 6, 502;
7, 27. Im 16. bis 18. Jh. nordd. Jeck (1505 Rö-
moldt Laster d, Hofi"art 4, 4, HombuTg Clio
F 4, Hoffmannswaldau Ged. 6, 342). Nicht
verwandt mit mhd. giege m. «Nan*», giegen
«äffen», wohl aber mit schwäb.-östr. gagg m.
«einfältiger Mensch, Tölpel». Weitere Her-
kunft unbekannt. Vgl. aber Uhlenbeck Btr. 26,
290. ABL. gecken, v.: empfindlich zum
besten haben, narren, ndrhein. im 14. Jh.,
spätmhd, im 15, Jh. und mnd. gecken, mndl.
ghecken. geckenhaft, adj., 1796 bei Adelung
geckhaft, bei Goethe 7, 146 Adv. geckenhaft.
Geckerei, f., spätmhd. im 15. Jh. geckerie f.
geckisch, adj., 1482 im Voc. theut, bb4'^,
Gedächtnis, n. {-nisses, PI. -nisse): das
Denken woran; Fähigkeit im Geiste festzu-
halten (im 14. Jh. bei Megenberg 4, 31 ge-
doechtnüss). Bei Luther Gedechtnis n. f., mhd.
gedcehtnisse, -nüsse n. f., «Andenken, Erinne-
rung», ahd. githehtnissi «Andacht, (xelübde».
Von gedacht, ahd. gidäht, Part, von gedenken
und denken (s. d.).
gedackt, von Orgelpfeifen: mit einem
Deckel bedeckt. 1691 bei Stieler, aus mhd.
gedact, dem Part. Prät. von decken (s. d.).
Weigand, Deutsches Wörterbuch. ö.Aufl.
Gedämmer, n. (-5): das Dämmern. Mhd.
gedemer n. «Dämmerung, Dunkel», zu ahd.
deniar m. «Dämmerung».
Gedanke, m. {-ns, PI. -n): mit Urteil
verbundene Vorstellung. Bei Luther Luk.
9, 46 ein gedancken, bei Lessing 3, 21 u, ö.
Gedanke f., mhd. gedanke m. und starkflekt.
gedanc m., ahd. gadanc, gidanc m. ; dazu asächs.
j githanco m., ags. geponc m. n. «Gedanke»,
j Zu denken. ZUS. Gedankengang, m,, bei
I Campe als neu. gedankenlos, adj,, 1755
[bei Rabener 4, 110. Gedankenstrich, m,,
1775 bei Adelung, gedankenvoll, adj., im
'17. Jh. bei S. Dach 865 Österiey,
Gedärm, n, {-es, PI, -e): Gesamtheit der
Därme des Körpers, Mhd, gederme, md, auch
j gedirme, ahd, gidermi n., Kollektiv zu Darm.
' Gedeck, n, (-es, PI. -e)-. das vollständige
! Tischzeug. 1775 bei Adelung. Mrhein. im
14. Jh. gedeck n. «worüber schützend zu
! Deckendes» (Weist. 4, 622, 25), ahd. gideki
«tectum», mnd. gedecke n. «Zimmerdecke».
Davon verschieden spätmhd. gedecke f. «Decke
woräber». Beide Subst. zu decken (s. d.).
gedeihen, v. (Prät. gedieh, Konj. gediehe,
j Part, gediehen) : vorwärts, in einen vollkom-
meneren Zustand kommen. Mhd. gedihen
(Prät. gedech, Plur. gedigen, Part, gedigen),
auch gedien, ahd. gidihan; dazu asächs. gi-
thlhan, mnd. gedien, gedigen, ags. gepeon, got.
gapeihan. Das einfache nhd, nur noch dich-
i terisch vorkommende deihen, mhd, dihen, ahd.
I dihan, asächs, thlhan (nebst dem Faktitivum
I thengjan in a-, anthengjan «vollbringen, vol-
lenden»), ags. peon, got, ^ei'Aaw «wachsen, zu-
j nehmen, vorwärts kommen» gehört zusammen
I mit lit. tenkü, Inf, tekti «hinreichen, sich hin-
erstrecken», tänkus «dicht, dicht zusammen-
stehend», air, co-tecini «coagulo», töcad, kymr.
tynged «Glück», aw. taxma- «tapfer, tüchtig»,
Superl. tancista-. Es hätte also im Germa-
nischen ein Übertritt von der e- in die i-
Reihe stattgefunden. Vgl. noch Zupitza Gutt.
140 und Osthoff Idg. F'orsch. 8, 140. Dazu
j Part, asächs. githungan, ags. gelungen «voll-
kommen» (s. gediegen). Aus dem Germani-
schen entlehnt ital. tecchire, afranz. tehir
«wachsen». ABL. gedeihlich, adj., 1648
bei Weckheriin 2, 189, 44 F. gedeylich, 1663
, bei Schuppius 725 gedäidich.
gedenk, adj., dichterisch für eingedenk
; (s. d.), bei Schiller, Goethe. In den Wörter-
büchern fehlend,
I gedenken, v. (Prät. gedachte, Konj. ge-
41
643
Oedicht
Oeest
644
dächte, Part, gedacht) : denken (Hagedorn Od.
50, Lessing 11, 113); lebhaft, innig an jem.
oder etw. denken, eingedenk sein, im Sinne
haben (mit Gen., aber auch mit Dativ der
Person und Akk. der Sache, Goethe Tasso
3, 2). Mhd. gedenken (Prät. gedähte, Part.
gedäht) intr. «denken», dann «eingedenk sein»
mit Gen., «zudenken, bestimmen» mit Gen.
und Dat., trans. «auf einen Gedanken kommen,
ausdenken, zu Ende denken» mit Akk. oder
Inf., ahd. gadenchan, githenken; dazu asächs.
githenkean «denken, erdenken», ags. ge^encan,
gepencean «denken, gedenken, bedenken, be-
sorgen, worauf denken». Auch substantivisch
Oedenken, n.: das Denken (mhd. gedenken
n.); Erinnerung (bei Luther).
Gedicht, n. (-es, PI. -e): geistiges Er-
zeugnis in Versen. Unverkürzt Gedichte
(Geliert 4, 80, Lessing 3, 15, Uhland 104),
mrhein. 1469 gedichte n. (Yoc. ex quo), mhd.
getihte, getiht n. «schriftliche Aufzeichnung,
niedergeschriebenes dichterisches Erzeugnis,
Erdichtung, Betrug (Fälschung), Dichtlomst,
Kunstwerk». Subst. zu dichten (s. d.).
gediegen, adj.: durch Austrocknung,
durch Ausscheidung fremder Bestandteile
rein, zusammengedrängt und fest; (bildlich)
lauter, rein, echt, gehaltvoll, vollkommen,
vortrefflich. 1482 im Voc. theut. K4* ge-
diegen, mhd. gedigen, ahd. gidigan, gadigan
«vorwäi'ts gekommen in der Zeit, ausge-
wachsen, reif, fest, hart, trocken, lauter, rein,
gehaltvoll, tüchtig», asächs. githigan, das als
Adj. gebrauchte Part. Prät. von gedeihen
(s. d.). Von Edelmetallen 1546 bei Agricola
interpret. rer. metall. 474 fg. und 1557 im
Bergbuch 80. ABL. Gediegenlieit, f.,
mhd. gedigenheit f. «Tüchtigkeit», ahd. ge-
digenheit f. «Wachstum».
(xedinge, n. (-s, PI. wie Sg.) : endliche Über-
einkunft worüber; Mietwohnung (Apostelg.
28, 30). Mhd. gedinge, ahd. gidingi n. «Ge-
richt, Übereinkunft, Vertrag, Versprechen,
Bedingung», von ahd. dingön «dingen» (s. d.).
Verschieden von mhd. gedinge m. f. n., ahd.
gidingo m. und gidingi f. n. «das Rechnen
worauf, Zuversicht, feste Hoffnung», von ahd.
dingen «worauf rechnen, hoffen», das aus
gleichem Stamme wie dingön entsprossen ist.
(xedöber, n. (-s): angelegentliche Be-
sprechung. Jüdisch-deutsch. 1584 bei Ma-
thesius Hochzeitpred. 20^. Subst. zu döhern
s. dihhern. Wetterauisch Gediwwer n.
Oedrang, n. {-es) -. das Sichdrängen. Mhd.
gedranc m. n. «Gedränge, Drangsal», mnd.
gedrang «Bedrängung». Verstärktes Drang.
gedrang, früher gedrange, adj.: eng bei-
sammen (gedrängt), enge. Bei Wieland 18,
99. 22, 233, Schiller 11, 241. Mhd. gedrenge
«gedrängt», Adv. gedrange «mit Drängen, fest,
innig». Von dringen (s. d.).
Gedränge, n. (-s, PI. wie Sg.): das Sich-
drängen, die sich drängende Menge. Mhd.
gedrenge, ahd.gidrengi n., Kollektiv von Drang.
Gedresche, n. (-s) -. wiederholtes Dreschen
oder Draufschlagen, spätmhd. gedresche u.,
Subst. zu dreschen (s. d.).
gedritt, adj.: aus drei bestehend, drei-
fach. Anfang des 16. Jh. gtrytt bei Lenz
Schwabenkrieg 112^ fg., abgeleitet von dritt
(s. d.). Dafür mhd. gedriet, Part, von drien
« verdreifachen ».
gedrungen, adj.: fest zusammen, dicht,
vom fleischigen Körper 1511 bei Keisers-
berg Granatapfel 11^ getrungen, eig. Part.
Prät. von dringen (s. d.). Davon Gedrungen-
heit, f., im 19. Jh.
Geduld, f. (ohne PI.): ertragende Seelen-
milde. Bei Krämer 1678 und Stieler 1691
Geduld, älternhd. bis ins 19. Jahrh. Gedult
(Günther 21, Haller 192, d. j. Goethe 2, 462),
mhd. gediilt, gedulde, gedolt, ahd. gidult f.;
dazu asächs. githidd, ags. gepyld f. Wie ein-
faches mhd. dult, ahd. dult, thult und thulti f.
Substantiv zu dulden (s. d.). Davon gedulden,
V. refl., mhd. gedulden, ahd. githulten. ge-
duldig, adj., 1664 bei Duez geduldig, älternhd.
gediiltig (bei Luther), mhd. gedultec (auch ge-
lassen, nachsichtig), ahd. gidultic, ags. gepyldig.
gedunsen, vgl. aufgedunsen.
geeignet, partiz. Bildung zu eigen, sich
eignest, erst 1801 von Campe eingeführt statt
geeigenschaftet (16. Jh.), qualificiert.
Geescha, f. (PI. -s): Teemädchen: In
neurer Zeit aus dem Japanischen durch eng-
lische Vermittlung entlehnt.
Geest, f. (PI. -e): hohes trocknes ^Sand-
land. Niederdeutsch. Altfries, gest, gast,
mnd. 1139 gest, sonst geest, gast f., aus fries.
gast «unfruchtbar». Dazu ags. gmsne «un-
fruchtbar», ahd. keisem, keisini f. «Unfrucht-
barkeit», keisen «Bedürftigkeit» (Notker Ari-
sto tel, Abhandl. 73, 128). Diese Formen weisen
auf urgerm. gais. Daneben stehen aber Ahn-
liches bedeutende Formen mit m -Vokalismus:
nd. güst plögen «brach ackern», güst, göst,
gost «unfruchtbar» (von der Kuh), rnnd. guste,
ndl. gust, ebenso Schweiz, gust, güst «unfrucht-
645
Gefach
gefallen
646
bar, keine Milch gebend». Wie sich diese
Formen zueinander verhalten, ist unklar.
ZUS. Geestland, n., 1663 bei Schuppius
607, afries. gest-, gästlond n.
Gefach, n. (s, PI. -e): Fach. Westdeutsch.
1678 bei Krämer.
Gefahr, f. (PI. -en): überkommendes
Übel, drohender Nachteil. Spätmhd. geväre
f. «Hinterlist, Betrug, böse Absicht», in der
heutigen Bed. bei Luther 1, 405^ und im
Teuerdank 98, 156, zusammenges. mit Fahr
(s. d.). RA. G. laufen «sich einer Gefahr
aussetzen», eig. «hineinlaufen», 1716 bei Lud-
wig, aber noch bei Steinbach 1734 in G. laufen.
Kaufmännisch 1678 bei Krämer auf euer G.
«auf euer Risiko und Kosten».
Gefährde, f. (PI. -n)-. Hinterlist, böse
Absicht; Gefahr (Goethe 1, 248, röm. Eleg.
12). Mhd. gevcerde f. n., md. geverde, geverd
«Hinterhst, Betrug, böse Nebenabsicht», neben
gleichbed. mhd. gevcere f. n., md. gevere, gever
(vgl. ohngefähr), älternhd. im 16. u. 17. Jh.
Geferde, Gefürde f. «Gefahr», seit dem 18. Jh.
nur noch altertümlich; dazu mnd. geverde n.
«Hinterlist, Gefahr», mndl. gheveert. Yev-
mittelst -de (s. d.) abgeleitet von ahd. fären,
mhd. vären «nachstellen» (s. befahren, Fahr).
gefährden, v.: in Gefahr bringen. Mhd.
(md.) selten geverden (Kulm. Recht 5, 21),
dann erst wieder bei Stieler 1691 gefärden,
seit Adelung 1777 aufgekommen für das im
16. und 17. Jh. gebräuchliche gleichbed. ge-
f ehren, gefahren, mhd. gevceren «hintergehen,
betrügen», neben ahd. gifären «nachstellen,
streben», mhd. gevären (auch gefährden), noch
Schweiz, gefahren «Gefahr laufen».
gefährlich, adj.: mit drohendem Übel
verbunden (1537 bei Schaidenreisser Odyss.
52 '^ gefärlich). Mhd. gevcerlich «hinterlistig,
verfänglich», neben mhd. vcerlich, md. verlieh
«hinterlistig, mit Gefahr verbunden», älter-
nhd. f ehrlich, fährlich, ahd. im Adv. färliKlw
«heimlich, plötzlich», ags. föerlic, Adv. fmrlice
«plötzlich». Wie das mhd. Adj. gevcere, md.
gevere, gever «heimlich nachstellend, hinter-
listig, feindselig, versessen worauf» (so noch
wetterauisch geßr), ahd. giväri, abgeleitet
von ahd. fären, mhd. vären «nachstellen»
(s. befahren. Fahr). Dazu Gefährlichkeit,
f., 1517 im Teuerdank 98, 179 geferlichait f.
«Gefahr», im 15. Jh. gevärlichait, geverlichait f.
«Feindseligkeit, Betrug», md. im 14. Jh. ver-
lichkeit f. «Bedrohung durch Übel», bei Luther
2. Kor. 11, 26 Ferligkeit.
^Gefährte, m. {-n, PI. -n): Fahrt-, Weg-
genosse. Mhd. geverte, ahd. gafarto, giferto,
giverto m., bei Luther Geferte, noch im 18. Jh.
Geferte, Gef ehrte, 1678 bei Krämer Gefährte,
schwankend im 17. Jh. Geferde, Gef ehr de,
Gefährde. Abgeleitet von Fahrt (s.d.). Dazu
mnd. geverde m., mit andrer Bildung mndl.
gevaer und ags. gefera m. ABL. Gefährtin,
f., mhd. gevertin f.
-Gefährte, Gefährt, n. (-s, PI. wie Sg.):
Fuhrwerk (1616 im bayr. Landi-echt); Fahr-
zeug (Huber bei Schiller 4, 166, 8); Aufzug.
Mhd. geverte, gevert u. «Fahrt, Weg, Zug,
Reise, Gesinde, Aufzug, Erscheinung, Be-
nehmen, Lebensweise, Lebensverhältnisse,
Schicksal, Umstände», spätahd. geverti n.
«Gang, Benehmen», abgeleitet von ahd. fart
«Fahrt» (s. d.) als dessen Kollektiv. Dazu
mnd. geverde, gevere n. «Gefährt, Fahrt, Zug,
Aufzug, Ereignis», mndl. geveerde, geveerte
und gevaerde, gevaert. Weidmännisch Ge-
fährt n. und f. «Fährte», 1719 bei Fleming
t. Jäger 95% zusammenges. mit Führte (s. d.).
Gefalle, m. {-ns), gewöhnlich Gefallen,
m. (-s): was einem gefällt, angenehmes, zu-
neigendes Gefühl wovon, gefälliges Tun. Der
Nom. Gefalle (bei Lessing 1, 591 u. 8, 196,
Goethe an Riemer 2. April 1829) ist noch
mitteldeutsch; der Akk. Gefallen m. ist seit
dem 16. Jh. belegt (Amos 5, 22), offenbar
hat das älternhd. Gefallen n. (bei Alberus
1540 und Maaler 1561) seinen Einfluß geübt.
Mhd. geval (Gen. gevalles) m. «Fall, Zufall»,
dann «Wohlgefallen» nach gevalle (einem ze
gevalle leben, aber spätmhd. ze gevallen kumen
«gefällig werden» Vintler 8582), ahd. gival m.
«das Fallen der getöteten und verwundeten
Krieger». Von Fall (s. d. und gefallen).
Gefälle, n. {-s, PI. wie Sg.): das Fallen;
Baumsturz d. i. vom Baume herabgestürztes
Gehölze; wovon zu Entrichtendes, Abgabe;
stark trinken können. Mhd. gevelle n. «das
Fallen, Fall des Wassers, Absturz, Baum-,
Felssturz, Geklüfte, guter Fall der Würfel,
Glück, im 14. Jh. ge feile n. «die einem zu-
fallende Abgabe, fälliger Zins» (Städtechron.
9, 601, 28), ahd. gefelli n. «Einsturz», mnd.
gevelle n. «Zufall, glückhches oder böses
Schicksal». Substantivbildung zu Fall (s. d.).
gefallen, v. (Präs. gefalle, gefällst, gefällt,
Prät. gefiel, Konj. gefiele, Part, gefallen): an-
genehmes, zuneigendes Gefühl für sich er-
wecken. Mhd. gevallen, ahd. ga-, gifallan
«fallen, zufallen, sich fügen, angemessen sein»,
41*
647
gefällig
geflissen
648
dann in der heutigen Bed. (mhd. immer mit
dem Zusatz wol, ha^, beste, ühele), die von
der Beute- oder Erbteilung durchs Los aus-
gegangen ist, urspr. mir gevellet eg wol oder
übele «mir fällt ein gutes oder schlechtes Los
zu, ein willkommenes oder unwillkommenes».
ztfS. CirefallSUCllt, f., von Campe als Ver-
deutschung von Koketterie gebildet (s. Hey-
natz Antibarb. 2, 16), ebenso das Adj. ge-
fallsüchtig für kokett.
gefällig, adj.: wohlgefallend, gelegen;
Gefallen erweckend, freundlich, anmutig. Mhd.
gevellec, gevellic, ahd. ge fellig «zufallend, an-
gemessen, passend, schicklich, günstig, an-
genehm»; dazu mnd. gevellich «gefallend, paß-
lich», ndl. gevallig. Adjektivbildung zu ge-
fallen \mdi Gefallen. JLBi^. Gefälligkeit, f. :
gefälliges Tun (1691 bei Stieler); gefälliges
Wesen, Anmut (Günther 177); Wohlgefallen
(Goethe 24, 67). Mhd. gevellekeit f. «göttliches
WohlgefaUen, Huld», 1482 im Voc. theut. ko^
gefelligkeit, hequenikeit «Faßlichkeit».
Gefangenschaft, f.: das Gefangensein,
mhd. 1383 gevangenschaft f. (Mone Ztschr.
6, 111). gefänglich, adv. (und dann adj.)
zum Part, gefangen, mhd. im Adv. gevangen-
liche, gefengliclien «nach Art eines Gefangenen»,
als Adj. 1519 bei Mm-ner Gäuchmatt v. 943.
Gefängnis, n. {-nisses, PI. -nisse): Ent-
ziehung der Freiheit; Ort der Gefangenen
(1476 bei Kriegk Bürgertum 2, 353 gefengnis).
;^Ihd. gevancnisse, gevencnisse, gevancnusse f.
n. «Gefangenschaft, Gefangennahme», neben
gleichbed, vancnisse, vencnisse f.; dazu nmd.
gevenhiisse n., mndl. gevancnesse, nndl. ge-
vangenis f. Von fangen (s. d.).
Gefäß, n. [-es, PI. -e): Geschirr, Behälter;
Wasserfahrzeug (auf der Weichsel, wie 1464
foss n. «Lastschiff auf dem Rhein», bei Mone
Ztschr. 9, 29); am Degen die Stelle, wo man
ihn faßt (1616 bei Henisch); Riemen, womit
man den Falken faßt und hält, das Geschühe,
die Fessel (1580 bei Sebiz Feldbau 570, mhd.
gevagßede n.). Ursprünglich Substantivbildung
zu fassen in verschiedenen Bed., wie ahd.
givägi n. «Proviantladung», noch bayr. Ge-
fäß n. «die Ladung eines Isarfloßes» (schon
im 17. Jh.), neben ahd. giva^^idi n. «Last»,
und md. gevege n. «Schmuck, Ausrästung»
(h. Elisabet 904) zu mhd. va^gen, ahd. fag^on
«aufladen, beladen, ausrasten, schmücken».
Die wie ein Kollektiv zu Faß (s. d.) er-
scheinende Bed. «GeschiiT» ist mitteldeutsch,
im 13. Jh. gevege n. «Speise- und Trinkge-
schirr als Gesamtheit», ebenso im 14. Jh.
geßse n. «Böttchergefäß» (Michelsen Rechts-
j denkm. 270), vom einzelnen Geschirr geveze
j n. 1343 bei Beheim Evangb. Marc. 7, 4; dazu
' mnd. gevete n. Die unverkürzte Form Gefäße
n. noch bei Brockes 3, 195 und Goethe 2, 106.
gefaßt, adj.: bereit (1642 bei Duez, im
16. Jh. gerüstet); innerlich vorbereitet (P.
Fleming 341 gefast). Eig. Part. Pass. zu
fassen und sich fassen.
Gefecht, n. {-es, PI. -e): Kampf mit
Waffen. Mhd. gevehte, im 15. Jh. auch ge-
wicht, ahd. ga-, gifeht, einmal gifihf, ags.
gefeoht n. ünverküi-zt Gefechte n. noch bei
Lessing 5, 32. Zu fechten (s. d.).
Gefieder, n. {-s, PI. wie Sg.): Gesamt-
heit von Federn am Vogel, am Pfeil usw.;
Gesamtheit von Vögeln (Schiller Teil 3, 3);
i Vogel (Lessing 1, 112). In der 1. Bed, mhd.
gevidere, gevider, selten geveder n. «Gesamt-
heit der Federn am Vogel, am Pfeil, auf
einem Helm, im Federbett»; in der 2. Bed.
«Federvieh» 1482 gefieder (Voc. theut. k4^).
I Kollektiv zu Feder (s. d,), wozu das Adj.
' mhd. geveder, ahd. gafedar «befiedert».
gefiedert, adj.: mit Federn zum Fluge
versehen. Bei Luther gefiddert, mhd. ge-
vidert, ahd. gefideret, Part. Prät. von fiedern.
j Gefilde, n. (-s, PI. \ne Sg.): Gesamtheit
oder. Gebreite des Feldes. Mhd. gevilde, ahd.
gifildi n. «freies Feld, Flachland». Kollektiv
von Feld (s. d.). Der Plui-. Gefilder bei
P. Fleming 17 usw. und Wieland 31, 53
j schon ahd. bei Notker kefilder.
Geflatter, n. (-s): immittelbar wieder-
holtes Flattern. 1741 bei Frisch. Im Ab-
lautsverhältnis Geflitter und Geflatter bei
Goethe 2, 89, md. im 14. Jh. gevlitter n.
«heimhches Lachen, Gekicher».
Geflecht, n. (-es, PI. -e) : Flechtwerk. 1482
im Voc. theut. k5*' geflecht. Unverkürzt bei
Goethe Faust8367 Geflechten. Zu flechten (s.d.).
geflissen, Part.: unausgesetzt woraufhin
tätig, entschlossen; absichthch. Mhd. ge-
vliggen, ahd. gifli^an, gifli^gan, Part. Prät.
I von ahd. fli^an, gifli^an, mhd. vli§en, gevU^en
«Fleiß anwenden, sich befleißen» (s. Fleiß
und befleißen). Davon Geflissenheit, f.,
im 15. Jh. bei Wyle 311, 17 geflissenhait imd
294, 16 gefliessenhait f. geflissentlich, adj.
eifrig, bestrebt, absichtlich, ui'spr. Adv. zu
geflissen, 1741 bei Frisch, ohne eingeschobenes
t im 16. Jh. geflissenlichen (Zimm. Chron. ^
3, 391, 11).
649
Geflügel
gegen
650
Geflügel, n. (-S, PI. wie Sg.): Gesamt-
heit von Flügeltieren; Vogel (Opitz 1, 61,
selten); G-efieder (Maler Müller 1, 37). In
der 1. Bed. spätmlid. gefliigel n., von Flügel
als dessen Kollektiv.
geflügelt, Part.: mit Flügeln versehen,
1537 bei Dasvpodius geflüglei.
Geflüster, n. (-s): anhaltendes Flüstern
(Maler MüUer 1, 31). 1777 bei Adelung Ge-
flister n. Ton flüstern (s. d.).
Gefolge, n. (-S, PI. wie Sg.): Gesamtheit
der begleitenden Personen, Hofstaat (1616
bei Henisch Gefolg) ; dann büdlich Begleitung
(bei Geliert). Ahd. im 9. .Jh. gafolgi n. «das
Folgen»; dazu ndl. 1598 ghevolgh «Gefolge»,
jmord. fylgi n. «Unterstützung, Beistand»,
fylgd f. «Begleitung, Gefolge». ABL. Ge-
folgschaft, f., im 19. Jh.
Gefräß, n. (-es, PI. -e) -. Speise als derber
Ausdruck:* Schlemmerei; Maul (1582 bei Fi-
schart Garg. 337, noch in der Volkssprache).
Mhd. gevrce^e n. «das Fressen, Schlemmen,
Lüsternheit». Kollektivum zu Fraß (s. d.).
gefräßig, adj. : viel fi'essend, 1616 beiHenisch,
mhd. vrm^ic.
Gefreiter, der Gefreite (-n, PI. -n): vom
Schüdwachestehen befreiter Soldat. 1617 bei
Wallhausen Corp. mil. 109 Gefreyter. Part.
Prät. von freien, mhd. vrien «wovon frei-
machen, befreien» (1596 bei Fronsperger
Kriegsb. 1, 18* so sei ein jeder wider das-
selbig Fendlin gehörig auff die Wacht ziehen
und deß nieinandt gefreyet seyn).
gefreund, adj.: als Freund d. h. durch
Verwandtschaft verbunden. Xur noch alter-
tümlich. Mhd. gewinnt, substantivisch PI.
gevriunde, md. gefrünt, ein zu mhd. vriunt m.
«Freund, Verwandter» gebildetes Adj., auch bei
Luther als Substantiv der und die Gefreundte,
bestimmter die Gefreundin (Werke 8, 127 ^ Jen.
von 1543); davon verschieden das gleichbed.
Part, gefründet im 14. Jh. (Städtechron. 8,
379, 8), bei Luther 8, 41** gefreundet, zu mhd. '
vriunden, gevriunden «zum Freunde d.h. durch
Verheiratung zum Verwandten machen».
gefrieren, v. : zusammen-, fest-, anhaltend
frieren. Mhd. gewiesen, ahd. ga-, gifriosan.
Von frieren (s. d.) und ge, das hier noch I
die alte Bedeutung «zusammen» hat. Dazu
das Part, gefroren: durch vermeintliche
Zauberei unverwundbar, fest (Schiller Wallen-
steins Tod 5, 2), 1626 im Fadingerlied und
1648 bei Kemnitz schwed. Krieg 1, 174* ent-
sprechend ahd. gafroran «in Eis verwandelt».
Gefüge, n. (-.s, PI. wie Sg.): Verbindung
oder Zusammensetzung eines Körpers, 1734
bei Steinbach. Im 17. -Jh. in der Bed. «Schick-
sal». Zu p.igen (s. d.).
gefüge, gefügig, adj.: sich leicht an-
j passend, wozu schickend. Mhd. gevüege, md.
gevüge, auch «fügsam, schicklich, höflich»,
ahd. gafogi «zusammenhangend, passend, ge-
eignet»; davon abgeleitet spätmhd. im 15. Jh.
geßgig «die Schicklichkeit beobachtend», 1734
bei Steinbach in der Bed. «sich einfügend».
Gefügigkeit, f.: Biegsamkeit, 1808 bei
Campe, spätmhd. ^e?;2<e^ec/«eiY «Wohlanständig-
keit» neben gleichbed. mhd. gevuocheit f.
Gefühl, n. [-S, PI. -e): Sinn des prüfen-
den Berührens; Seelenbewegung und -Stim-
mung. 1678 bei Krämer Gefühl n. in beiden
Bed., 1691 bei Stieler Gefüle n., aber schon
md. im 14. Jh. gevTden «fühlen», gevfdlich
«fühlend», gefülichkeit f. «Gefühl» (Myst. 1,
26, 27), gevülunge f. «das Fühlen». ZUS.
gefühllos, adj., bei Gottsched, gefühl-
TOll, adj., 1769 bei Herder.
gegen, präp. mit Akk.: in der Richtung
auf . . hin oder her; (nhd.) annähernd, bei-
nahe. ^Ihd. gegen, zusammengezogen gein,
gen (s. gen), früh am Xiederrhein gagen, ahd.
gagan, gegin, md. auch jegen, kegen, kein,
ken-, dazu mnd. jegen, randl. jeghen. L'r-
sprünglich mit dem Dativ verbunden, der
noch im 17. Jh. und selbst 1767 bei Lessing
7, 135 vorkommt, daneben im Mhd. und Mnd.
bereits mit Akk., ebenso ags. ongean mit Dat.
oder Akk., gean mit Dat. Dazu das mhd.
Adverb gegen, gegene, gagen, gagene, ahd.
gagani, gagene «entgegen», ags. gean, ongean,
engl, again «wieder»; nur adverbial in Zu-
sammensetzungen steht asächs. gegin, anord.
gagn. Vgl. entgegen. Die Hei*kunft ist dunkel.
Seit alter Zeit versucht man es mit gehen
zu verbinden, vgl. G. E. Karsten Btr. 16, 564,
doch ist das sehr unsicher. ABL. Gegend,
f. (PI. -en): sich ausdehnende Richtung, aus-
gebreitete Landfläche, Landschaft. Mhd. ge-
gende, gegent, spätahd. gegende f., aber md.
gegenöte, geinöte, getiöte und geinde f., mnd.
jegenöde und jegenet f., mndl. jeghenode. Da-
neben mhd. gegene, fiüh gegine, mnd. jegene,
gegene f. «Gegend, Landschaft», ältemhd.
Gegenheit f. «Gegend» (z. B. bei Luther 3,
96*). Von gegen, wie ital. contrada f. und
franz. contree f. «Gegend» von dem lat. Adv.
contra «gegen», also urspr. «das entgegen-
liesrende Gelände» und Xachbilduns des Ro-
651
gegen
(xehasi
652
manisclien. gegueil, v. in begegnen, ent-
gegnen (s. d.), mhd. gegenen, gagenen, alid.
gaganan «entgegenkommen, -treten». Gegner,
m. {-s, PL wie Sg.), 1641 bei Schottel 313 '^
Gegener, 1691 bei Stieler 634 Gegner, mnd.
im 14. Jahrb. gerichtlich jegenere m.; dazu
Gegnerin, f., 1691 bei Stieler; gegnerisch,
adj., 1775 bei Adelung als oberdeutsch;
Gegnerschaft, f., erst im 19. Jh. ZUS.
mit gegen: Gegenbild, n., bei Luther 6, 231 ^.
Gegendienst, m., mhd. gegcndienst m.
Gegenfüßler, m., als Verdeutschung von
Antipode (s. d.) 1648 bei Zesen Dögens Bau-
kunst, aber schon bei Fischart Pract. Großm.
1607 A3^ die Gegenfüßigen und 1586 in der
Daemonomania 31 Gegenfüßling. Gegen-
gift, n., 1638 bei P. Fleming 220. Gegen-
liehe, f.: erwidernde Liebe, 1541 bei Frisius
569 ^ Gegenpart, m. (-s): Gegenpartei,
1437 in Homeyers Richtsteig 308. Gegen-
satz, m., 1541 bei Frisius 614^. Gegen-
SChwäher: Väter von Verlobten oder Ehe-
leuten. Schon 1561 bei Maaler. Noch jetzt
schweizerisch und durch G. Keller allgemein
bekannt geworden, gegenseitig, adj.: ent-
gegengesetzt, der Gegenpartei angehörig (bei
Thomasius kl. Schrift. 289) ; wechselseitig (1711
bei Eädlein). Gegenstand, m.: als Über-
setzung des lat. objectuni (s. Objekt), eig.
«das Entgegenstehende», 1691 bei Stieler, vom
philosophischen Gebrauch der Chr. Wolffschen
Schule aus im 18. Jh. allmählich vei'breitet
(s. Gegenwurf); die ältre Bed. ist «Wider-
stand» (1581 bei Fischart Bienenk. 2^), «Gegen-
satz» (1663 bei Schottel 145), wie schon ahd.
gaganstentida f. «entgegenstehendes Hinder-
nis». Davon gegenständlich, adj. statt
objektiv, 1808 bei Campe als neu. Gegen-
stück, n., 1775 bei Adelung. Gegenteil,
n.: Gegensatz, 1537 bei Dasypodius, aber
mhd. im 14. Jh. gegentail m. «Gegenpart vor
Gericht», noch bei Ludwig 1716 als Mask.
und bei Lessing 3, 308 als Neutr. in der Bed.
Gegenpartei, gegeniiher, Präp. und Adv.,
1537 bei Dasypodius gegenüber, der abhängige
Dativ stand in der altem Sprache dazwischen
(1540 bei Alberus dict. HhA^ Saxenhausen
ligt gegen Frankfurt über, vgl. Goethe 8, 40
und 19, 188). Gegenwart, f., mhd. gegen-
ivart und gegen wurt, ahd. gagan-, geginwerti
und gaganwurti f., asächs. gegimvirdi f., ab-
geleitet von dem ahd. Ad^. gaganivarti, gagen-,
gegimverti, gegimvart, mhd. gegemvart «ent-
gegen gewendet, gegenwärtig», mit Dativ der
Person; dazu asächs. geginward, -iverd Adj.,
anord. gagnvart, -vert Adv. «gegenüber».
Gegenwart als grammatischer Ausdruck für
das Präsens erst im 19. Jh., dafür noch 1808
bei Campe wie bei Gottsched und im 17. Jh.
bei Gueinz und Schottel die gegemvärtige
Zeit, gegenwärtig, adj., mhd. gegenwertic,
-würtic, ahd. gagemvartig, gagen-, geginwertig
und gagenwurtig. Gegenwehr, f., 1447 bei
Haltaus 615. Gcgcnwnrf, m., als philoso-
phischer Ausdruck für lat. objectum, Gegen-
stand (s. d.), schon mhd. gegenivurf, -worf m.,
bis zur Mitte des 18. Jh. gebraucht.
Gegitter, n. (-s, PI. wie Sg.): Gitter-
werk (Goethe 37, 265), Spätmhd. im 15. Jh.
gegiter n., von Gitter (s. d.).
gehaheu, v. refl.: sich in irgendeinem
Zustande befinden und benehmen; sich übel
anstellen. Mhd. gehaben, ahd. gahaben, gi-
haben «halten, sich befinden», auch refl. «sich
benehmen, sich gebaren»; dazu mnd. gehebben
«haben», ags. gehabban «halten», got. gahaban
«halten, haben, festhalten», refl. «sich ent-
halten» (s. haben). Als Anwunsch an einen
Abschied Nehmenden schon mhd. gehabe dich
wol (Iwein 6566).
Gehalt, m, (-es, PI. -e): körperhcher Ge-
samtinhalt (1775 bei Adelung); innerer Wert
(1477 bei Würdt wein diplom. magunt. 2, 368 fg.);
Amtseinkommen an Geld, Besoldung (1741
bei 'Frisch, seit dem 18. Jh. auch Neutr.,
z. B. Gleim bei Lessing 13, 69 [was jetzt
durchgedrungen ist], mit dem PI. Gehälter
neben Gehalte). Sonst spätmhd. geholt m.
«Gewahrsam, Gefängnis», wie ags. geheald m.
«Bewahrung», Schweiz. Gehalt m. n. «Schrank,
Fach, Aufenthaltsraum».
Gehänge, n. (s, PI. wie Sg.): Vorrichtung
zum Umhängen des Degens (1618 bei Schöns-
leder Wehrgeheng) ; angehängter Schmuck (bei
Schönslederj ; Bergabhang (1517 im Teuer-
dank 31, 29 geheng); Eingeweide (1476 bei
Diefenbach nov. gl. 302* gehenge); die Ohren
des Jagdhundes (1763 bei Heppe). Substantiv-
bildung zu hängen und hangen. In der 1. Bed.
die Nebenform Gehenk n., 1727 bei Aler Ge-
henck des Degen, 1664 bei Duez Wehrgehenck
n., mhd. gehenke n. «Zierat am Brustriemen
des Pferdes», wie gehange (Erec 7752), 1482
im Voc. theut. k5^ gehenck an eine)" in fei.
Gehasi, m.: naseweiser Mensch. Im 17. Jh.
gebräuchlich bis ins 19. Jh., umgeformt aus
dem Wox't Hase in der älternhd. Bed. «wunder-
licher Mensch, Geck, Schalk» mit scherzhafter
653
gehässig
gehen
654
Anlehnung an den biblischen Namen 2. Köu.
4 fg. (Schuppius 1663 1, 530). Vgl. Haselant
gehässig, adj.: Haß hegend; dem Hasse
ausgesetzt, hassenswert. iihd. geheg^ic, ge-
Jia^^ic in der 1. Bed., abgeleitet von mhd.
gehag «feindselig, voll Haß» (s. d.). In dei'
2. Bed. 1691 bei Stieler, wie hässig (im 15. Jh.)
und häßlich (mhd.). Gehässigkeit, f., 1741
bei Frisch.
Oehäuse, n. (s, PI. wie Sg.): Behälter.
Im 15. Jh. geMise, geheus n., auch in der
urspr. Bed. «Häusermenge, Haus, Hütte».
Kollektiv zu Haus (s. d.).
Gehege, n. (-s, PI. wie Sg.) : umschließen-
der Zaun u. dgl.; das durch den umschließen-
den Zaun Geschützte, abschließende Einfrie-
digung (2. Mos. 19, 12 u. 23). ÄIhd. gehege n.
«Einfriedigung, Schutzwehr, Verhau, dichtes
Gebüsch», das Kollektiv von Hag (s. d.). In
der 2. Bed. als Jagdrevier im 14. u. 15. Jh.
gehege, geheige, schon in den langobard. leges
Rotharii 324 fg. de gahago oder galiagio «Wald
des Königs», in den leges Baioar. 21, 6 de
kaheio. BÄ. einem ins Gehege gehen, kommen
«in sein wirkliches oder vermeintliches Recht
eingreifen» (1672 Köhler Kunst über alle K.
43, 19); gemeint ist der Hof zäun und Hof-
raum um das Wohnhaus, wie 1562 bei Ma-
thesius Sar. 13*' dem andern in sein Gehege
fallen im eigentl. Sinne und 1656 bei Prätorius
Storchs Winterquartier 314 ins Gehege fallen
bildlich.
geheim, adj.: vertraulich; verborgen vor
andern (1664 bei Duez). Spütmhd. im 15. Jh.
geheim «vertraulich, vertraut», d. h. zum Hause
gehörig. Gebildet zu heim (s. d.), wie mhd.
geheime f. «Vertraulichkeit, Heimlichkeit» und
geheimde f. «Heimlichkeit, Geheimnis». ABL.
Geheimnis, n., 1528 bei Luther Postill 43^
und 310^; dazu Geheimniskrämer, m.,
bei Schiller Parasit 2, 1, und geheimnisvoll,
adj., 1711 bei Rädlein. ZUS. Geheimrat,
m. (-S, PI. -rate), unverkürzt Geheimerat, 1664
bei Duez Geheimer rath (dagegen 1616 bei
Henisch Gehaime rath «Ratskollegium»), bei
Luther de^' heimliche Rat, im 14. Jh. innerister
rat des chüniges (Gesta Rom. 38), mhd. heim-
lichcere m. und im 14. und 15. -Jh. geheimer
m.; dazu im 18. Jh. die kanzleimäßige Neben-
form geheimder Rath, Geheimderath, 1663 bei
Schuppius 10 geheimter Rath {IQM geheimhde)'
Raht), in Anlehnung an das älternhd. Kanz-
leiwort Gehaimhd f., mhd. geheimde f. «Ge-
heimnis».
Geheiß, n. {-es, PI. -e) : mündliche Kund-
gebung zur Befolgung. Mhd. geheige n., neben
mhd. geheig m., ahd. gaheig m. «Versprechen,
Befehl, Gebot»; dazu mnd. gehete, geheite und
mndl. geheit, gheheet n. «Gebot», ags. gehät n.
und got. gahait n. «Verheißung».
gehen, v. (Prät. ging, Konj. ginge, Part.
gegangen, Perf. mit sein, in md. Mundarten
mit haben): sich mittels der Füße fortbe-
wegen, überhaupt sich fortbewegen; sich wo-
hin begeben. Wie ehe aus eh erweitert ist,
so bei Luther gehen aus gehyi, mhd, und ahd.
gen, gän, neben ahd. gangan, was einem an-
dern Wortstamm zugehört (s. unten). Das
Präs. lautet mhd. ich gän, gen, auch gange
wie ältemhd. und noch oberd. ich gang, du
gast, gest, er gät, get, ahd. ich gän, gen und
gangu, Prät. mhd. gienc und gie, vei-einzelt
im 15. — 17. Jh. gung, ahd. giang, Part. Pass.
mhd. gegangen, meist gangen wie häufig älter-
nhd. und noch beim j. Goethe 2, 94 gangen,
ahd. gigangan, Imperativ ahd. gang wie älter-
nhd. und noch bayr.-alem. gang, Plur. get,
gänt. Das Prät. hat im Md. und Mnd. Ver-
kürzung des Vokals erfahren, md. gmc, später
ginc, mnd. genk, gink, bei Luther giiig neben
gieng, bei Steinbach 1734 und Adelung 1775
ging mit Berufung auf die kurze (md.) Aus-
sprache; der Konj. Prät. bei Lessiag auch
gänge, wie noch oberd. In den übrigen ger-
manischen Sprachen entspricht asächs. gangen
(Präs. ik gangu, Prät. geng, Pai-t. gegangan),
mnd. gän, mndl. gaen, afries. gimga und gän,
ags. gangan, gongan (Präs. gange, gonge und
gä, Prät. geong, giong, geng, aber auch schwach-
biegend gengde, Imp. gang, gong und gä, Part.
gasigen, gongen und gän), engl, go, anord.
ganga (Präs. geng, Prät. gekk, PI. gengu, Part.
genginn), schwed. gä, dän. gaa, got. gaggan
(Prät. schwachflekt. gaggida), aber krimgot.
geen. Überbleibsel eines dritten Wortstamms
ist das got. Prät. iddja, ags. eode «ging», ent-
sprechend dem aind. Impf. äjäm. äjät zu
jäti, aw. jäiti «geht, fährt», ui-verwandt mit
lat. eo «ich gehe» (Inf. ire), gr. €T|ui (Inf.
iivai), lit. eimi, abg. idq, air. ethaim, aw.
aeimi, aind. emi «ich gehe», während der
germ. Stamm gang- gemäß der Lautverschie-
bung mit lit. ze7igiii «ich schreite», prazanga f.
«Übertretimg», aw. zanga m. «Knöchel», rapers.
zang «Fuß», osset. zängä «Unterschenkel»,
aind. jänghä f. «unteres Bein, Fuß» stimmt.
Der Stamm gä-, ge- ist dagegen noch nicht
aufgeklärt. Nach Kluge soU es aus ga- «ge»
655
Gehenk
Gehülfe
656
und der Wz. ei- «gehen» zusammengesetzt
sein, vgl. dagegen Streitberg Idg. Forsch. 6,
148. Am ehesten ist es mit aind. hä «gehen,
schreiten» zu verbinden, vgl. Walde s. v. eo,
anders Karsten Btr. 16, 565.
Gehenk, s. Gehänge.
geheuer, adj.: sich sicher fühlend, be-
sonders vor Unheimlichem. Mhd. gehiure
«sanft, anmutig», auch «ohne Zauberei zu-
gehend, mit Unheimlichem nicht behaftet»,
zusammengesetzt mit dem ahd. und asächs.
Adj. Muri in unhiuri «grausig, schrecklich»,
ags. heore, hyre «freundlich, sanft, mild, will-
fährig», unhyre, MwMore« grausig, entsetzlich»,
anord. hyrr «froh, munter», üliyrligr «wUd
aussehend»; dazu mnd. gehüre, mndl. ghehuer
«heiter, froh». Stammverwandt mit ahd.
Miüon, hion PI. «Hausgenossen», hiivisM n.
«Familie, Hauswesen, Haushaltung», anord.
hjön, hjün n. pl. «Hausleute», hyskin. «Haus-
genossenschaft», genau wie unheimlich und
heimlich «einheimisch, vertraut» zu Heim ge-
hören. Ygl. auch aind. gSvas, giväs «ver-
traut, lieb».
Gehilfe, s. Gehülfe.
Gehirn, n. {-es, PI. -e) -. Hirn, eig. Gesamt-
heit des Hirnes. Unverkürzt Gehirne bei Klop-
stock Mess. 93, Wieland 18, 165, Rückert 1, 10.
Mhd. gehirne n., Kollektiv von Hirn (s. d.).
Gehöft, in Österreich auch Gehöfte, n.
(-es, PI. -e): Gesamtheit der Hofgebäude.
1410 md. gehofte, 1400 gehoffte, IS09 gehüfte n.
(Höfer ürk. 79). KoUektiv zu Hof (s. d.).
Gehölz, n. {-es, PI. -e): kleiner Wald,
Waldung. Mhd. gehülze, gehölze n. Kollektiv
von Holz (s. d.).
Gehör, n. {-s): das Höi-en, der Hörsinn.
Mhd. selten gehoere n., häufiger gehcerde f. n.,
bei Luther Gehöre und Gehör, bei Logau,
Lohenstein und vereinzelt noch im 18. Jh.
Gehöre n. Substantivbildung zu hören (s. d.).
gehorchen, v.: worauf hörend, folgsam
sein. Md. im 13. u. 14. Jh. gehorchen, auch
«zuhören». Von horchen (s. d.).
gehören, v.: nach dem Verhältnisse der
Abhängigkeit oder mit Grund zukommen.
Mhd. gehoeren, md. gehören «hören, worauf
hören, bes. mit Nachfolge», dann «zukommen»,
ahd. gahorran, gihoran «hören, gehorchen»;
dazu in gleicher Bed. asächs. gihörian, ags.
geheran, gehyran, got. gahausjan «hören».
ABL. gehörig, adj.: zugehörig (1486 in
Frankf. Reichskorr. 2, 482); erforderlich (1507
bei Wllwolt V. Schaumb. 119); angemessen.
zweckentsprechend (Adelung 1796, d. j. Goethe
3, 696); gebührend (1711 bei Rädlein). Nur
in der Bed. «folgsam, gehorsam», mhd. gehoerec,
md. gehörec, ahd. gahörig, asächs. gihörig.
Gehörn, n. {-s, PI. -e) -. Geweih, die Hörner.
Mhd. gehürne n., 1534 bei Franck Weltb. 49^
Gehörn. Kollektiv von Hörn (s. d.). ge-
hörnt, part. Adj. : Hornhaut habend, Homer
habend. Mhd. gehurnt, Pai-t. Prät. von mhd.
hürnen «mit Hörnern versehen, auf dem Hörne
blasen», got. haürnjan «das Hörn blasen»,
asächs. humid «mit Hörnern versehen».
gehorsam, adj.: auf den Wülen des an-
dern hörend und zugleich folgend. Mhd,
gehorsam, ahd. ga-, gihorsam; dazu asächs.
gihörsam (in ungihörsam), mnd. gehörsam,
ags, gehi/rsum, neben ahd,-mhd,-mnd. hörsam,
ags. hyrsum. Jetzt oberd. und westmd. mit
kurzem, aber norddeutsch und ostmd. mit
erhaltenem ö. Davon Gehorsam, m. (-s),
ahd. gihörsami f. neben horsamt f., mhd. und
älternhd. gehorsame, gehör sam f., aber md.
im 13. Jh. gehörsam m., auch bei Luther
meist Mask. gehorsamen, v.: gehorsam
sein, mhd. und mnd, gehorsamen, ahd. gihor-
samon und hörsamön, ags, {ge)hyrsumian.
Gehre, f, (PI. -n) : Zwerchfuge der Tischler,
Niederdeutsch (1767 im Brem, Wb., 1727 bei
Hübner Gehrung, Gehr- Hobel, Gehrmaß).
Eins mit Gehren, m, {-s, PI, wie Sg,) : keü-
förm-iges Stück, Zwickel im Kleid oder im
Hemd; der damit besetzte Kleiderteil unter
den Hüften, Schoß ; keilförmig zwischenliegen-
des Ackerbeet. In diesen Bed. (die sich nach
I der Form des Wurfspeereisens entwickelt
j haben) mhd. gere m., ui'spr. «Wurfspieß», ahd.
gero m. «Spieß, Meerzunge, Seebucht»; dazu
afries. ^äre f. «Rockschoß, Gewand», ags.gära
I m. «Landzunge», anord. geiri m. «dreieckiges
Zeugstück», abgeleitet von dem starkflekt,
Ger (s. d.), ahd. ger m. «Wurfspieß, Wui-fspieß-
eisen, Pfeü», Aus dem Ahd, entlehnt franz,
\giron, ital. gherone m. «Schoß, Schleppe».
Gehrung, f,: Fläche oder Richtung schräg
im rechten Winkel verlaufend, bei Tischlern
und Zimmerleuten, 1757 in Eggers Kriegslex.
Gehülfe, m. {-n, PI. -n)-. dienender Mit-
helfer; Helfer, Mhd, gehilf e, gewöhnlich ge-
helfe, ahd. (bei Notker) gehelfo m., gebildet
zu ahd. helfa f. «Hilfe». Der md. Form hülfe f.
«Hülfe» aber entspricht md. im 14. Jh. ge-
hulfe m., bei Luther Gehülffe. Davon Ge-
hülün, f., bei "Fischart Garg. 100 EhgeJiülffin,
dafür bei Luther Gehülffe f., mhd. gehelfe.
657
Oeier
Geisel
658
gehilfe f. Die Schreibung Gehilfe ist nicht
mehr zulässig.
Geier, m. (-s, PI. wie Sg.): der Raub-
vogel, lat. vultur; in Verwünschung und Aus-
ruf verhüUend für Teufel (1660 bei A. Gry-
phius Dornrose 51, 5). In der 1. Bed. bei
Luther Geyer und Geir, md. 1470 geier, mhd.
und ahd. gir m., mnd. gire m. Zusammen-
hängend mit ahd. gwi «gierig» (in hovegiri
m. «Hof Schmarotzer») und girheit f. «Grierig-
keit», mhd. gir (in schatzgtr), gier, frühmd.
gire «gierig, begierig», im 15. Jh. md. und
nd. geyrich «gierig» (Diefenbach gl, 411''),
1540 bei Alber us dict.Vu 4^ gre?/er/iei^« Gierig-
keit» und 1550 in den Fab. 29, 20 das Adv.
geierlich «gierig», daher noch ostmd. geier
«nach Wohlgeschmack wählerisch-begierig in
Speisen» (schon 1540 bei Alberus dict. Vu4^
und in den Fab. 4, 5 geier «speisegierig,
gierig») und Geiermauln. (1612 bei Taubmann
Plautus 11 10'' Geyermaul «Feinschmecker»).
Die romanischen Wörter ital. girfalco, franz.
gerfaut, spän. gerifalte sind nicht die Quelle
des deutschen Wox'tes, sondern aus dem
Germ, entlehnt.
Greifer, m. (-s): ausfließender Speichel.
Mhd. im 14. Jh. geifer m., mit den Neben-
formen gefer, gever im 15. Jh., Gäfer 1691
bei Stieler, wetterauisch Gäwer m. Ver-
mutlich zusammenhängend mit Island, geipr
«offenen Mundes, gähnend», älternhd. im
16. Jh. geifert «gaffen, verlangend blicken»
(Pauli Schimpf 123 Ost.) und geifferig «gierig»
(Franck Paradoxa 199^), bayr. gaifen «klaffen,
auseinanderstehen», tirol. Geffe f. «Maul»,
oberhess. geipen «Maulaffen feilhalten, gähnen»,
nd. gipern «verlangen» und weiter zu der
unter gähien behandelten Wurzel. Davon
geifern, v.: Speichel fließen lassen, mhd.
geifern; geiferig, adj., 1561 bei Maaler, aber
bei Stieler 1691 geifericht, gäfericht: Oei-
ferer, m., bei Luther, im 15. Jh. gifferer m.;
Oeif erlätzchen, n. : Lätzchen für geifernde
Kinder, 1775 bei Adelung, Geifertüchlein 1741
bei Frisch, Geiffertuch 1664 bei Duez (s.
Schlahhertuch); Geiferwurz, f: Bertram
(s. d.), 1561 bei Cordus.
Geige, f. (PI. -n)-. Violine. Mhd. im 12. Jh.
gige f., mndl. ghighe, anord. glgja f Wahr-
scheinlich ein einheimisches Wort, benannt
nach der gaukelnden Bewegung des Streich-
bogens, zu mhd. gugen gagen «von der Wiege»,
Siiiord. geiga «schräg gehen (von Geschossen)».
Die Neuerung an der Geige war das Griff-
Weigand, Deutgches Wörterbuch. 5. Aufl.
brett, das der altern Fiedel (s. d.) fehlte.
Die Etymologie ist unbekannt. Vgl. Meringer
Idg. Forsch. 16, 128. Aus dem Germanischen
entlehnt afranz. gigue, ital. und provenz. giga f.
«Geige». ABL. geigen, v.: auf der Geige
spielen, mhd. gigen, auch bildlich einem die
wärheit gigen «einem derb sagen» von dem
Hin- und Herfahren des Bogens; dazu anord.
gigja. Geiger, m.: Geigenspieler, mhd.
gigcere, giger m.
geil, adj.: zu üppig (von Pflanzen); all-
zuviel von Geschlechtslust in seiner Natur
getrieben. Mhd. und ahd. geil «von wilder
Kraft, sich allzuviel fühlend, übermütig, mut-
willig, üppig, überaus freudig», die Bed. «un-
keusch» vereinzelt schon im 13. und 14. Jh.
(Renner 3108, Keller Schwanke 7), ahd. im
Substantiv keilt f. «petulantia carnis»; «üppig
wuchernd» vom Weinstock 1527 bei Luther,
«fruchtbar» vom Acker und von Tieren 1482
im Voc. theut. k6''. Dazu asächs. gel «über-
mütig, üppig, leichtfertig», ndl. (/ei^ «brünstig»,
ags. gäl «überaus freudig, voll Geschlechts-
lust», got. in gailjan «erfreuen». Urverwandt
mit lit. gailiis «jähzornig, scharf, Schmerz
empfindend, mitleidig», abg. zelü «heftig»,
vielleicht auch aind. Mlä «Leichtsinn, Sorg-
losigkeit», vgl. V. Bradke KZ. 28, 298. S. aber
auch E. Schröder ZfdA. 42, 64. ABL. Geile,
f.: Geilheit, im PI. Geilen schon mhd. «die
Hoden». Mhd. geile, ahd. geilt f «ÜlDcrmut,
Lustigkeit», daneben spätmhd. geil m. «Über-
mut» und mhd. geil n. «Fröhlichkeit, lustiges
Wachstum, Wucher, Hode» (s, Bibergeil),
mhd. geilheit f. «fröhliche Tapferkeit, Aus-
gelassenheit», geilen, v.: ausgelassen, über-
mütig sein (Schiller 1, 221, Fiesco 1, 9), mhd.
geilen, ahd. geilen; trans. mhd. geile^i «fett,
üppig machen», noch bayr.-östr. «düngen».
Dagegen gehört Geiler, m.: Bettler, Land-
streicher, bayr. von frechen Bettleni Geiler,
Bettelgeiler, mhd. gilcere, giler m., zu mhd.
gilen «betteln», bei Luther und noch im
18. Jh. bei Hamann und Blumauer geilen.
Geisel, m. (-s, PI. Geisel und Geiseln):
Leibbürge. Häufig im Nhd. auch Fem.,
vereinzelt bei Luther, Rädlein, Steinbach,
Heine Romanz. 93. Mhd. gisel m. u. n., ahd.
gisal m., ags. gisel, anord. gisl m. «wer sich
im Kriege gegen seinen Feind gefangen und
in die volle Gewalt seines Besiegers hingibt,
dann überhaupt, wer mit seinem Leibe wo-
für büi-gt». Urverwandt mit alth-. giall m.
«Geisel»! Dazu Geisel SChaft, f.: Bürgschaft
42
659
Geiser
Oeist
660
mit dem Leibe (Herder Cid Nr. 17), mhd.
giselschaft f.
Greiser, m. (s, PI. wie Sg.): heiße Quelle,
Spnadel, bes. auf Island. In neurer Zeit
aus dem isländ. geysir, eig. «Wüterich» von
anord. geisa «wüten» (s. Geist) entlehnt.
Geiß, f. (PI. -en): Ziege. Oberdeutsch.
Mhd, und ahd. geig f. (der PI. ahd. gei§i,
mhd. geige, schon im 16. Jh. bei Fischart
Garg. 414 Geisen); dazu mndl. geit, ags. gät
f., engl, goat, anord. geit, got. gaits f. mit
dem Dim. gaitein, ahd. geigen, ags. gceten n.
«Zicklein», übereinstimmend mit lat. Imedus
m. «junger Ziegenbock». Abg. koza f. «Ziege»,
kozilü m. «Bock» dagegen ist urverwandt mit
mnd. höken, huken, mndl. hoekijn, ags. hecen n.
«Zicklein». Vgl. Kitzlein, Haber geiß. ZUS.
Geißbart, m.: Pflanze mit laugen, einem
weißen Bart ähnlichen Blumenzasern (Spiraea
aruncus und ulmaria), 1546 bei Bock 107'^,
bei Dasypodius 1537. Geißblatt, n.: wohl-
riechende Pflanze (CaprifoHum), deren deutsche
Art (Waldrebe) die Ziegen fressen, im 15. Jh.
bei Diefenbach gl. 98 *> gaißUat. Geißbock,
m.: Ziegenbock, mhd. geigboc m. Geißfuß,
m. : Pflanze mit ziegenfußartigem Blatte (Aego-
podium podagraria), 1588 bei Tabernämon-
tanus, Mhd. geigvuog m. «Ziegenfuß», Mitte
des 15. Jh. geißfuß m, «vom gespaltenes
Brecheisen». Geiß-, Geißenmilcli, f.:
Ziegenmilch, mhd. geipnilch, aber Geißen-
milch ist zusamm enges, mit dem mhd. Adj.
geigin, ältenihd. geyssen, schon frühmhd.
geiginin milch.
Geißel, f. (PI. -n): Schlag-, Züchtigurgs-
werkzeug mit Riemen zum Schwingen; (west-
md.) Deichsel. In der 1. Bed. mhd. geisel,
ahd. gaisala, geisüa f., im 15. Jh. vereinzelt
geißel (Diefenbach. gl. 237*^), elsäss. im 14. Jh.
geischel, im 17. Jh. bei Duez und Krämer
Geissei, im 18. Jh. bei Eädlein und Gottsched
Geißel zur Unterscheidung von Geisel (s. d.).
Dazu mnd. geisel, mndl. gesele, ndl. geesel f.
«Peitsche», anord. geisl m. «Stab beim Schnee-
schuhlaufen zum Beschleunigen des Laufes».
Demnach ui'spr. wohl der Geißelstock mit
Schnur, seit dem 15. Jh. allmähhch durch
die zum Teil aus Leder hergestellte Peitsche
(s. d.) zui'ückgedrängt, aber noch in Ober-
deutschland, Hessen, Luxemburg, Westthü-
ringen u. im Erzgebirge. In der Bed. «Deichsel»
1540 bei Alberus dict. Bb2^ geissei, noch
wetterauisch Gaisiln f., in Hessen Geischel,
Gischel f., mi-hein. im 15. Jh. gysel (Diefenb.
gl. 576^). Da man von der Bedeutung «Stab,
Rute» ausgehen muß, so ist Ger (s. d.) ver-
wandt. Vgl. auch noch E, Schröder ZfdA.
42, 64. ABL. geißeln, v., mhd. geisein.
Geißler, m., mhd. geiseler, elsäß. im 14. Jh.
geischeler m.
Geist, m. (-es, PI. -er): bewegender be-
lebender Hauch; der Gotteshauch; die in
einem Wesen wirkende Grundkraft, daß es
denkt; unkörperliches überirdisches Wesen;
(nhd.) bildlich von Stimmungen und Rich-
timgen des Menschengeistes (1525 bei Zwingli
vom Teuf r 3* Geist der Einträchtigheit, bei
Luther 3, 26^ der zornige Geist); der geistige
Inhalt oder Sinn im Gegensatz zum Buch-
staben (2. Kor. 3, 6) ; aus Köi^pern entwickelte
Kraftflüssigkeit, Quintessenz (1582 bei Fischart
Garg. 294 Geist m. als Alchemistenwort, vor-
her bei Paracelsus Opera 1, 2^ die Geist der
Kreuter und Würzen, vom schäumenden Wein
1685 bei Grimmelshausen Simpl. 2, 53, 18 KUr.
daß er im Einschencken rauschet und seine
Geisterlein über das Glas hinausspringen).
In Bed. 1 — 4 mhd. geist m. (PI. geiste und
im 14. Jh. auch geister), ahd. geist m. (PI.
geista); dazu asächs. gest, geist, mnd. geist,
nnd. geest, mndl. gheest, afries. gast, ags. gast,
gcest m. (engl, noch ghost «Gespenst» und
vom heiligen Geist, s. u.), dafür im Got.
ahma m. (s. Atem) und im Anord. andi m.,
önd f. «Geist». Verwandt mit got. usgaisjan
«erschrecken, von Sinnen bringen», usgeisnan
«außer sich geraten», anord. geisa «wüten»,
engl, aghast «aufgeregt, zornig», aind. hedati
«er ärgert, kränkt», hedas n. «Zorn». Vgl.
V. Bradke KZ, 28, 295, Insbesondere der
böse Geist, mhd. der boese geist «der Teufel»;
guter Geist «Schutzgeist», 1540 bei Alberus
dict. BB 2^ guter Geyst, guter Engel nach
Ps. 143, 10 (ahd, bei Notker din guote geist);
der heilige Geist, ahd. zuerst wiher dtum,
dann heilager geist, mhd. der heilige geist,
verkürzt heiliggeist, heili-, heile-, heilgeist,
asächs. helag gest, ags. hälig gast, engl, the
holy ghost, dafür anord, heilagr andi, got. ahma
weihs. ABL. -geistern, s. be-, entgeistern.
geistig, adj,, mhd, geistic, mnd, geistich.
geistlich, adj,: im Gegensatze von weltlich
und fleischlich, in der altern Sprache auch für
geistig, mhd. geistlich, ahd. geistlich, bei Notker
auch geislich, asächs. gestlik, afries. gästlik,
jestlik, ags. gästllc, engl, glwstly ; subst. Geist-
licher, m,: Priester. Seit dem 15, Jh,; dazu
Geistlichkeit, f., mhd, (md,) geistlichkeit,
661
Geiz
Gelage
662
mnd. geistlicheit f. «geistliches Leben, Fröm-
migkeit», dann «geistlicher Stand, Gesamt-
heit der Geistlichen». ZUS. 1) mit dem PI.
Geister: geisterbleicll , adj., bei Schiller
Fiesco 5, 12 u. Wallenst, Tod 4, 11. geister-
haft, adj., bei Goethe 20, 310. Geister-
stunde, f., bei Gotter Ged. 1, 155. Geister-
welt, f., bei Haller Ged. 172, Hagedorn 1, 59.
2) mit dem Gen. Geistes: Geistesabwesen-
heit, f., bei Campe 1808, daraus gebildet
im 19. Jh. geistesabwesend. Geistesgegen-
wart, f., bei Herder Ideen 4, 320. geistes-
krank, adj., bei Campe 1808. 3) mit Geist:
geistlos, adj., md. im 14. Jh. geistelos. geist-
reich, adj., bei Luther sowohl «voll religiösen
Geistes» 3, 282^, als auch in weltlichem Sinne
3, 72^ geistreicher Kopff und in Bindseils
Bibelausg. 7, 417 geistreicher Poet, geist-
voll, adj., 1741 bei Bodmer,
^Geiz, TU. {-es, PI. -e): zu entfernende
wuchernde Xebentriebe an Pflanzen, bes.
zwischen Blattstielen am Weinstock, am Tabak.
1721 bei Jablonsky. Ln Rheingau auch Fem.
Eins mit dem folg. "Wort, eig. «der den Saft
gierig saugende und den fnxchttragenden
Zweigen entziehende Schoß».
"Geiz, m. (-es): allzu große Begierde, Geld
und Gut zu haben und zu behalten. Älter-
nhd. Geit, mhd. und ahd. git m. «Heißhunger,
ungezügelte Gier, Habgier», woneben mhd.
gite f., Ende des 13. Jh. gize (j. Titm-el 3338),
im 14. Jh. geifz, geiz m. «Habsucht»; dazu
afides. gää «etwas Erwünschtes», ags. gäd,
gced n. «Mangel, Armut, Verlangen, Begierde»,
got. gaidiv n. «Mangel», asächs. meti-gedea f.
«Nahrungsmangel», urverwandt mit lit. geidzii
«ich begehre» (Inf. geisti), abg. zida^ «ich er-
warte» (Inf. zidati). Da mhd. t nicht zu
nhd. z wird, so ist G. erst wieder eine Rück-
bildung von geizen, v. : Geiz üben, bei Luther
geitzen, mhd. von git abgeleitet gitesen, gitsen
«gierig, habgierig sein» neben gleichbed. ^i^e«,
ags. gitsian «begehren» nebst gltsung f. «Hab-
gier». ABL. geizig, adj.: allzusehr mit Geld
und Gut zurückhaltend, im 15. Jh. gitzig,
geytzig, geiczig, im heutigen Sinne, mhd. gitec,
gitic, ahd. gitag «gierig, habgierig». ZUS.
Geizhals, m.: der Geizige, bei Luther, urspr.
ältemhd. gieriger Hals oder Schlund. Geiz-
kragen, m.: Geizhals, 1808 bei Campe,
zusammenges. mit Kragen im Sinne von
«Hals».
Gejaid, n. (-es): Jagd. Bei Uhland 410
aus ältenihd. Gejaid, mhd. gejeide, gejegede n.
neben gejaget, gejeit und gejege n., Substantiv
zu jagen (s. d.).
Geklüft, n. (-es), wie es scheint, von
Klopstock gebüdet.
Geköse, n. (-s) : wiederholtes Kosen. Mhd.
geköse, ahd. kichosi und chösi n. «Gespräch,
Geschwätz», abgeleitet von kosen (s. d.).
Gekreisch, n. {-es, PL -e): starkes, wie-
derholtes Kreischen. Md. im 15. Jb.. gekrtsche,
gekriesch, ndrhein. im 15. Jh. gekrisch, ün-
gewöhnhch Gekreusche n. (Lessing Em. Gal.
4, 3), 1691 bei Stieler.
Gekritzel, n. (-s): Kritzelei. 1678 bei
Krämer.
Gekröse, n. (-s, PI. wie Sg.): das kleine
Gedärme; vielgefältelte Krause (1562 bei Ma-
thesius Sar. 69'' Gekröse, 1590 bei Fischai-t
Garg. 3 Gekröß neben älternhd. Kröß n.).
In der 1. Bed. mhd. gekrosse n. neben kroese n.
(ahd. chrose «Krapfengebäck»); dazu mnd.
gansekroese, gosekros, mndl. kroos, kroost,
kroes, kroest «Gänse- und Entenklein». Eines
Stammes mit kraus (s. d.).
Gelache, n. {-es, PI. -e) und Gelächter,
n. (-S, PI. ■svie Sg.): starkes, wiederholtes
Lachen. Ndrhein. im 14. Jh. gelach, spätmhd.
1412 gelech (Diocletians Leben 2172j, Sub-
stantiv zu lachen. Gelächter, mhd. gelehter
n., ist Kollektiv zu mhd. lahter n., im 15. u.
16. Jh. lechter, ahd. hlahtar, lahter n. «das
Lachen» (dazu ags. hleahtor, hlehter m., engl.
laughter, anord. hlätr m., dän. latter), einer
Ableitung von lachen (s. d.). In übertragener
Bed. östr. hölzernes Gelächter «die Stroh-
oder Holzfiedel», schon im 16. Jh. bei Schade
Sat. 2, 233, stählern Gelächter in Mozarts
Zauberflöte, wofüi- später Glockenspiel.
Gelage, n. (-s, PI. wie Sg.), verküi-zt
Gelag: Zusammensein zu lustigem Trinken
oder Speisen. Im 18. Jh. durchgedrungen
füi- ältres Gelach (1501 im Leipz. Yoc. opt.
Bb4^, allgemein im 16. und 17. Jh., noch
bei Wieland und Lichtwer) neben Geloch,
Gloch und Gelack, vereinzelt bereits im 16. Jh.
Gelag (Froschmeus. 1, 2, 6), Glag (Waldis
Es. 4, 68, 18), aber schon im 14. Jh. ndrhein.
geloch, geloyg, 1435 in einer Düsseldorfer
Schützenurkunde gelaich, mnd. gelach neben
lach (auch md. 1517 bei Trochus 0 3^ contu-
bemium, societas, ein laech), mndl. gelach
und gelage, nndl. gelag n. Die ältre Bed.
ist «Zeche, Zusammengelegtes zu Trunk oder
Schmaus, Gesellschaft, Gilde». Abgeleitet
von legen (s. d.), vom Zusammenlegen des
42*
663
gelahrt
gelb
664
Geldes, älinlich wie got.gabaur m. «Schmaus»
und gabaur n. «Steuer» zu got. gabairan «zu-
sammentragen ».
gelahrt, statt gelehrt. Nur noch alter-
tümlich. Md. im 14. Jh. gelärt (füi- mhd.
geleret), im 15. und. 16. Jh. auch oberdeutsch.
S, lehren. Gelahrtheit, f., im 17. Jh. bei
Rachel 8, 422.
Gelände, n. (-5, PI. wie Sg.): Landschaft.
Mhd. gelende, ahd. gilenti n. «Land, Gefilde».
Kollektiv zu Land (s. d.).
Oeländer, n. (-s, PI. wie Sg.): Stangen-,
Latten-, Eisenstabgerüste' zum Einfriedigen
oder Daranlehnen. Mhd. im 14. Jh. gelanter,
im 15. Jh. gelenter, gelender n. Kollektiv zu
mhd. lander n. «Stangenzaun, Zaunstange,
Latte» (noch oberd. Lander f.), wohl urver-
wandt mit lit. lentä f. «Brett». Der Neben-
foi-m Gelände n. (schon 1580 bei Sebiz Feld-
bau 50 Gelänt, zu bayr.- alemann. Lande f.
«Latte», das bereits im 16. Jh. bei Fron-
sperger bezeugt ist) entspricht 1477 clevisch
gelynt, mnd. glint, nnd. glind n. «Umfriedung
mit Brettern oder Latten». Davon gelän-
dert, adj.: mit Geländer versehen (Schiller
Spaziergang 39), 1616 bei Henisch ein ge-
lenderter Steg.
gelangen, v.: sich bis wohin erstrecken;
bis wohin kommen. Mhd. gelangen, ahd. gi-
langon. Verstärkung von langen (s. d,).
Crelärr, n. {-es, PI. -e): schlechtes, der
Ausbesserung bedüi-ftiges Gebäude ; unfest ge-
wordnes Gerät. Noch wetterauisch Gelirr;
dazu östr. Glär n. «Platz, Gelieger». Ahd.
giläri n. «Wohnung» (z. B. bei Otfrid 1, 11, 11
alt giläri «alter Wohnsitz»), abgeleitet von
dem in Ortsnamen (Goslar, Fritzlar) vor-
kommenden ahd. lär «Niederlassung, Wohn-
sitz», als dessen Kollektiv. Unbekannter
Hei'kunft.
Gelaß, n., auch m. (Gen. Gelasses, PI.
Gelasse) : Raum zum Aufbewahren, Bequem-
lichkeit im Hause (bei Frisch 1741). Mhd.
gelcege n. «Niederlassung, Niederlassungsort»,
auch «das aus dem Nachlasse des verstorbnen
Eigenmannes dem Herrn Gebührende» (auch
lag m.) und «Benehmen, Gebaren», geläg m.
n. «Verleihung, Benehmen»; dazu mnd. lät,
mndl. ghelaet «Gebärde, Benehmen». Sub-
stantiv zu lassen (s. d.). gelassen, Part,
als Adj.: mäßig bei Gemütsbewegung, schon
mhd. gelägen, urspr. «gottergeben», Part. Pass.
von mhd. gelägen, ahd, gilägan «er-, unter-,
niederlassen», im Ahd. auch «zugestehen».
Davon Gelassenheit, f., mhd. gelägenheit f.
« Gottergebenheit, Ergebenheit».
Gelatine (spr. zelatine), f.: Gallertstoff.
Aus gleichbed. franz. gelatine f., gelehrte Ab-
leitung von lat. gelätus «gefroren», Part.
Pass. von geläre «gefrieren machen». 1727
bei Hübner Gelatina.
geläufig, adj.: sich leicht und schnell
bewegend (Opitz Ps. 45) ; wohlerfahren, wohl-
bekannt (1734 bei Steinbach, geläuftig bei
Leibniz). Eine Verstärkung von läufig (s. d.).
ABL. Geläufigkeit, f., 1745 bei Weber.
Geläute, n. (-s, PI. wie Sg.): das Läuten
der Glocken, mhd. geliute n., auch allgemein
«Schall, Getöse» (ahd. gilüti n., ags. gehlyd,
gehlyde n.). Substantiv zu lauten, läuten (s. d.).
gelb, adj., bei Luther und noch in md.
Mundarten gel, wie fahl neben falb, mhd.
gel (Gen. gelwes), ahd. geh (mit 0 aus w,
Gen. gelawes), mit b aus w bereits im 14. Jh.
gelb; dazu asächs. gelo, in schwacher Form
gelowo, mnd. gel, geel, mndl. ghelu, gheluw,
ndl. geluw neben geel, ags. geolo (Gen. geolwes),
engl, yelloiü; dazu ablautend anord. gulr,
schwed.-dän. gul. Mit i aus mit j gebildeten
Formen mhd. gilweg neben gehveg, gilwen
«gelb färben», gilweht, gihoeleht «gelblich»,
gilwe f., ahd. giliwi f. «gelbe Farbe», noch
i nhd. gilblich, vergilbt. Der Lautverschiebiing
gemäß stimmend mit lat. helvus (entlehnt
aus* dem Keltischen (?) gilvus) «honig-, hell-
gelb», gr. x^öoc m. «grüngelbe Farbe», x^<^n
f. «erster grüngelber Pflanzentrieb», x^"JP<ic
«hellgiün, gelblich», lit. zälias «grün», abg.
I zelenü «gelb, grün», awest. zairi- «sjelb, ffold-
[ färben», aind. häri- «gelb, blond». Lit. geisvas
i «gelblich, fahl», geitas «fahlgelb» bieten
! Schwierigkeiten im Guttural. ABL. gelben,
V.: gelb werden, spätmhd. im 14. Jh. gelben
I (Megenberg 39, 14). gelblich, adj., 1616
1 bei Henisch, gelblicht 1562 bei Mathesius
Sar. 41 % mhd. gelbloht (s. gilblich). ZUS.
Gelbgießer, m.: der Geräte aus Messing
gießende Handwerker, 1741 bei Frisch aus
älterm nd. geelgeter (1594 bei Chyträus), ndl.
1598 gheelghieter. Gelbschnabel, m.: zu-
nächst der noch nicht oder doch kaum flügge
Vogel, weil er zu beiden Seiten des Schnabels
gelb ist, dann bUdlich ein junger unerfahmer,
noch unselbständiger junger Mensch (1586
Mathesius Syi-ach 1, 38^ der PL Geelschnebel,
ebenso {ranz. ,bec-jaune. bejaune m., vgl. geel
umb den Schnabel Luther 7, 223^ J., ich weit
dirs gelb vom snabel iv iischen Sachsenheim
665
Geld
Gelenk
666
Mörin 548). Gell)SUCllt, f., mlid. gelsuhff.
GelhwiWZ, f.: Pflanze mit inwendig safran-
gelber Wurzel zum Färben (curcuma longa)
oder gelbem Safte (chelidonium majus). In
der 1. Bed. 1721 bei Jablonski, Gilhmirtzel
1588 bei Tabemämontanus.
Geld, n. {-es, PI. -er): als allgemeines
Zahlung-smittel anerkannter Gegenstand. Bei
Luther und im 17. Jb. nocb Gelt, mhd. gelt
n. und m. (Gen. geltes und geldes, PI. gelt
wie noch im 16. Jh.), ahd. gelt n., seinem
Stammworte gelten (s. d.) gemäß zunächst
«Zahlung, die geleistet wird, Ersatz, Ein-
kommen, Rente, Schuldforderung», dann «ge-
prägtes Geld und dessen Ersatz in Papier»;
dazu asächs. geld n. «Yergeltung, Zahlung,
Opfer», mndl. geld und afries. geld, jeld n.
«geprägte Münze», ags. gild n. «Vergeltung,
Ersatz, Opfer», auord. gjald n. «Erstattung,
Steuer», schwed.-dän. gjceld «Bezahlung», got.
gild n. «Steuer, Zins». ZUS. Geldbeutel,
m., 1663 bei Schottel 507 a. Geldbrief, m.:
Brief mit Geld, in dieser Bed. noch nicht
bei Campe. Im 15. Jh. Schuldverschreibung.
geldgierig, adj., bei Fischai-t Ehez. B 6.
Geldkatze, f. : hohler Gürtel als Geldbeutel,
1741 bei Frisch (s. "Katze). Geldsack, m.,
bei Luther, ndl. 1598 geldsak bildlich «der
Reiche». Geldsclineiderei, f.: Betrügerei
mit Geld, Prellerei, 1787 bei Kramer, im
eig. Sinne Geldschneider «Münzbeschheider»
1616 bei Henisch. Geldstrafe, f., 1541 bei
Frisius 565^ Gältstraaff.
Gelee, n. (spr. Me, -s, PI. -S): Sülze,
Dicksaft, eig. Gefrornes, kalte geronnene
Brühe. 1715 bei Amaranthes. Das franz.
ffelee f, aus lat. geläta, dem Fem. des Part.
Prät. von lat. geläre «gefrieren machen».
gelegen, Part, als Adj.: der räumlichen
Ausdehnung nach befindlich; nach Faßlich-
keit erwünscht, passend (bei Luther). 'MhA.
gelegen, ahd. gilegan «in Beziehung worauf
Lage habend, nah angi'enzend, nah verwandt,
•benachbart», Part, Prät. von liegen und ge-
liegen (s. d.). Dazu Gelegenheit, f., mhd.
gelegenheit f. «Art und Weise des Liegens,
Lage, Beschaffenheit, Angrenzung», älternhd.
im 16. Jh. «Gegend, bequeme Nähe, bequeme
Sachlage», gelegentlich, adj., mhd. gelegen-
lieh «gelegen, sich darbietend», im Adv. ahd.
gelegenlicho «\vie mein Nächster», mhd. ge-
legenlwhe «angrenzend», 1734 bei Steinbach
gelegentlich «bei Gelegenheit, bei angemeßner
Verbindung von Umständen».
gelehm, adj.: leicht sich fügend und
biegend. Im westl. Mitteldeutschland (wetter-
auisch gellm). Md. im 14. Jh. geleme als Adv.
bildlich «zutunlich, sich schmiegend traulich».
gelehrig, adj.: leicht und gern sich lehren
lassend. 1420 geierig, aber schon im 13. Jh.
md. ungelerich. Eine Verstärkung des gleich-
bed. ahd. le)-ig, noch im 16. u. 17. Jh. lehrig,
mnd. lerich.
Gelehrsamkeit, f., im 17. Jh. bei Leibniz,
von gelehrsam (1578 bei Fischart Ehz. E2^),
gebraucht als Substantiv zu gelehrt, Part,
als Adj., mhd. geleret, gelert, ahd. galerit,
gilert, Part. Prät. von lehren (s. d.), wovon
das mhd. Verbum geleren, ahd. ga-, gileran.
Geleise, s. Gleis.
Geleit, n. (-es, PI. -e), unverkürzt Ge-
leite (Schiller 11, 35), mhd. geleite, geleit n.
«Leitung, eln'ende Begleitung, Begleitung mit
Schutz, insbes. zu landeshen-lichem Schutz»,
mnd. und ndl. geleide n. Von geleiten, v.:
mit jem. auf dem Wege sein, bes. zu seiner
Sicherheit, mhd. geleiten, ahd. gileitan «mit-,
wohin leiten» (s. d.), ags. gelößdan. ZUS.
Geleitsniann, m.: Führer, Begleiter, mhd.
geleitesman und geleitman, md. leitesman, leit-
man. Geleitswoche, f.: die Vorwoche der
Messe (in Frankfurt a. M.), zu mhd. geleite n.
«die Begleitung, die der Herr des Landes
dem reisenden Kaufmann ziim Schutze gibt»,
dann auch «der ZoU für diese Begleitung».
Gelenk, n. (-es, PI. -e): Zusammenfügung
zweier Körper, mittelst welcher diese bewegt
werden können (im 16. Jh.). Mhd. gelenke n.
«der biegsam schmale Leib zwischen Hüfte
und Brust, die Taille, Biegung oder Falte
(des Kleides), Beugiing, Verbeugung». Kol-
lektiv zu mhd. und noch bayr. lanke, ahd.
hlancha, lancha f. «Weiche, Lende», d.i. «die
Stelle über der Hüfte wo der Körper sich biegt»
(s. Flanke), ags. hlenca m., hlence f., anord.
hlekkr m. «Ring», im Plur. «Kette», schwed.
to'wÄ;m.,dän.W!«Ä:e «ineinander greifendes Ghed»,
engl, link «Kette, Kettenglied» (auch nhd.
1517 bei Trochus Q5^ gelenck «Kettenring»,
ebenso bei Sturz 2, 108). Dann aber auch
als Substantiv zum Adj. gelenk md. im 14. Jh.
gelenke «Gewandtheit», und als Verbalsub-
stantiv zu lenken, Lenkung (bei Luther 1,
491^ Jen.) «die richtige Lenkimg bei einer
Wegebiegung» (in Sachsen iind Thüringen).
Daneben mhd. gelanc m. «Gelenk». Weiter
gehört das Wort zu lat. clingo bei Festus
«umgürte», aind. grtdkhalä f. «Kette, Fessel».
667
gelfen
geloben
668
Weitre Verwandtschaft unsicher. Vgl. Walde
s. y. gelenk, adj.: biegsam und gewandt.
Mhd. gelenke wie Gelenk (s. d,), abgeleitet
von mhd. lanke f. «Lende». Davon das gleich-
bed. Adj. gelenkig, 1664 bei Duez. Da-
von Gelenkigkeit, f. im 18. Jh.
gelfen gelfern, v.: zu laut und daher
widerlich laut werden. In Franken gelfen,
gilfen, bei Adelung 1775 gälfern, nd. galfern,
galpern, 1595 im Froschmeus. 1, 2, 2 gilfern,
im 16. und 17. Jh. gelfen, gilfen (Wunder-
horn 4, 182), gilpfen (Weller Dicht. 84), mhd.
gelfen, gelpfen (Prät. galph) «laut werden,
schi-eien, bellen, übermütig sein, prahlen»,
refl. «woiüber fröhlich sein», nebst dem Subst.
mhd.-ahd. gelf, gelph, asächs. gelp m. «Hohn»,
gelpquidi«.Y{.6)im:edie-i>, spätmhd,g'i7/'m. «Schrei»;
dazu ahd. gelhon «einem etwas weis machen»,
asächs. galpon «laut rufen, sich rühmen», ags.
gilpan, gelpan «sich rühmen», anord. gjalfr n.
«Brausen, Brandung», mnd. gelve «Wasser-
woge». Wohl Ableitung von gellen. Man
vergleicht noch aind. pra-gälbhati «ist mutig,
entschlossen», pragalhhäs «mutig, entschlossen»
(mit g aus gh wegen des hh).
(xelichter, n. (-s) : Gleichheit des Wesens ;
Inbegriff von Personen gleichen Wesens. Im
15. Jh. bei Beheim Ged. 9, 936 glihter, 1562
bei Mathesius Sai-. 97^ Gelichter, in Wörter-
büchern erst bei Steinbach 1734, mit ver-
ächtlichem Nebensinn seit dem 17. Jh. (Simpl.
3, 12 Kurz); Nebenformen Gelächter (1648
bei Harnisch aus Fleckenland 74), Glifter
(bei Abr. a. S. Clara Judas 1, 298, noch bayr.-
tirol.), siebenbürg. Geläfter «eins von einem
Paar». Davon mhd, im 14. Jh. gelichtergit m.
«Angehöriger derselben Familie», im 13. Jh.
glihtride f. «Geschwisterschaft» (Berthold v.
Regensburg 1, 93, 7), im 12. Jh. gliherte f.
«Geschwisterlichkeit» ('?). Man faßt jetzt Ge-
lichter als Kollektivbildung zu ahd. lehtar,
lehter und gilehter «Gebärmutter». Dies ist
abgeleitet von liegen, eig. «Ort des Liegens»,
vgl. and. lätr n. «Liegestätte» und entspricht
gr. X^Kxpov n. «Bett, Ehebett». Dabei bleiben
die Formen mit f unaufgeklärt.
gelieben, v.: Heb sein, belieben. Nur
noch altertümlich. Mhd. gelieben «angenehm
sein oder werden», mnd. geleven; trans. mhd.
geliehen, ahd.giliuhan «lieh, angenehm machen»,
ags. gelufian «lieben». Geliebte, m. und f.,
das Part. Prät. von lieben (s. d.) als Sub-
stantiv, in allgemeiner Bed. bei Luther (im
Predigtstil Geliebte in dem Herrn 1678 bei
Ki'ämer), im engern Sinne 1541 bei Frisius
QZ^ die Geliebte «amica».
geliefern, v.: aus dem flüssigen Zustand in
einen festern übergehen. 1562 bei Mathesius Sar.
80 ^ geliefern, mhd. gelibern, liberen ; dazu das
Part. Prät. ahd. im 11. Jh. giliber 6t a geronnen»,
mhd. gelibert, md. im 14. Jh. gelibbrit und im
15. Jh. geleffert, 1595 im Froschmeus. 1, 2, 11
gelebert (spätere Var. gelievert, geliewert) ; dazu
mnd. leveren «gerinnen machen». Gleichen
Stammes wie Lab und Lebermeer (s. d.).
geliegen, v.: niederliegen, zu liegen
kommen, niedersinken, -fallen ; niederkommen,
ins Kindbett kommen (l. Sam. 4, 19). Mhd.
geligen, ahd. giligan «daniederliegen, sich
niederlegen», im Mhd. auch vom Kindbett.
gelind, adj.: unverkürzt gelinde, mhd.
selten gelinde, verstärktes lind (s. d.). Oe-
lindigkeit, f., bei Luther.
gelingen, v. (Prät. gelang, Konj. gelänge,
Part, gelungen): gut vonstatten gehen, ge-
wünschten Erfolg haben. Verbunden mit
sein, bei Luther (1. Makk. 2, 47) mit haben.
Mhd. gelingen, ahd. gilingan; auch das ein-
fache mhd. und mnd. lingen bed. «vorwärts
gehen, glücken». Gleichen Stammes wie
ahd.-asächs. lungar, mhd. lunger, ags. lungre
«rasch, schnell»; dazu gr. dXaqppöc «schnell»,
aind. laghüs, raghüs «rasch, schnell, leicht» u. a.
Weiter aind. kmghati, latdghäjati «springt
auf, verletzt, beleidigt», auch rqJiate «rinnt,
eilt», awest. rdnjaiti «macht Glück», ir. lei
«Sprung». Auch gr. eXeyxeiv «schmähen, ver-
achten» könnte verwandt sein. Gmndbedeu-
tung «aufspringen», auf der andern Seite
könnte auch lit. linkti «sich biegen», lenkti
«biegen» herangezogen werden.
gell, adj.: gellend. 1482 im Voc. theut.
k6*> gell, mnd. ghel. Zu gellen, v.: hell,
scharf durchdringend schallen. Jetzt schwach-,
ehedem starkbiegend, mhd. gellen (Präs. gille,
Prät. gal, Plur. gullen) «die Stimme laut hören
lassen, klingen», ahd. gellan; dazu rnnd. gellen,
gillen, ndl. gillen, ags. gellan, gillan «klingen,
die Stimme ertönen lassen», anord. gjalla,
gella «ertönen». Die Wurzel gel «tönen» auch
vielleicht in gr. xeA.ibüjv f. «Schwalbe».
geloben, v.: sich mit Worten feierlich
wozu verbindlich machen. Mhd. geloben, ahd.
gilobon «beifällig erheben», dann «Beifall
gebend sich wozu verbindlich machen, ver-
sprechen, vei^loben». Zusammenges mit loben
(s. d.). Davon CJelÖbnis, n., im 15. Jh. gelobe-
nisse, gelobniß, 1616 bei Henisch Gelöbnuß.
669
Gelos
Oelze
670
Gelos, n. (-es): Exkremente des Wildes.
Weidmännisch, 1582 in Feyerabends Weid-
werkbuch 37 '^ Geloß, 1580 bei Sebiz Feldbau
573 GZoyÖ, im 15. Jh. ^r^o.se n. (Schmeller 2 1, 977).
Kollektivbildung zu ^Los (s. d. und Losung).
Gelse, f. (PI. -n): Schnake, Mücke. Baj^r.-
östeiTeichisch. 1687 bei Hohberg 1, 453 "^
Gelsse, bei Abr. a S. Clara Etwas f. Alle 2,
626 Gölsen f., 1678 bei Ki-ämer Golse, um
1480 im Voc. ine. teut. kl^ golsen f. Von
gelsen «summen, schreien», noch bayr.-elsäss.,
einer xlbleitung von gellen.
■"gelt, das zur Interjektion gewordene
Präs. des Konj. von gelten (es gelte): «nicht
wahr?» als Aufforderung zur Bejahung, wohl
auch zur Mitverwunderung. Im 14. Jh. mhd.
^eWe (Königshofen 261, 16, zu lat. num in
der Vulgata 2. Mos. 2, 14). Aus der Rede
der. Wettenden entnommen, wie gleichbed.
was gelt's im 16. Jh. und wie der Plur. geltet
als Interj., 1558 im Katziporus L7'', bei Fi-
schart Garg. 143,noch schles. und oberdeutsch.
■gelt, adj.: keine Milch gebend, nicht
trächtig, unfruchtbai'. Mhd.-ahd. und noch
obd. galt, md. im 14. Jh. gelde; dazu ags.
gelde, nordengl. geld, schott. yeld, anord. geldr,
norweg. gjeld, altschwed. galder, dann gaalt,
jetzt gall. Die einmalige ahd. Glosse gialta,
«sterilem» (Steinmeyer- Sie vers 2, 656, 45)
knüpft das Wort an alt (s. d.) und ahd. gial-
tinön neben alten, elten «aufschieben, ver-
zögern», gialtinoti f. «Hindernis»; Hildebrand
im D. Wb. aber vermutet Zusammenhang
mit anord. galdr «Zaubersang, Zauberei» und
als urspr. Bed. «verhext».
Gelte, f. (PI. -n): kleineres eimerartiges
hölzernes Schöpf-, Aufbewahrungsgefäß zu
Flüssigkeiten. Mhd. gelte, älter gellste, gellite,
ahd. gelta früher gellita, gellida f., mnd. gelte,
ndd. auch gute, wie ags. gellet n.? «großes
Trinkgefäß» entnommen aus mlat. galleta,
gallidai. «Gefäß, Kübel».
gelten, v. (Präs. gelte, giltst, gilt, Prät.
■galt, Konj. gälte und gölte, Part, gegolten):
Dargeliehenes oder dessen Wert zurückgeben,
vergelten (nur noch dichterisch); einen ge-
wissen Preis haben; wofür gehalten werden;
abzielend richten nach . . ., abzielend betreffen
(mit Dat., früher auch mit Gen. oder Akk.).
Mhd. gelten (Präs. gilte, Prät. galt, Plur.
gulten, Konj. gulte, gülte, Part, gegolten, da-
her älternhd. Prät. golt, Konj. gülte, gölte),
md. auch gelden, ahd.geltan «zm-ückerstatten,
bezahlen, opfern, vergelten», im Mhd. auch
«eintragen, kosten, wert sein»; dazu asächs.
geldan, «zahlen, vergelten», ndl. gelden «kosten,
wert sein», afries. gelda, jelda «vergelten»,
ags. gieldan, gildan, geldan «bezahlen, zurück-
erstatten», eu^.yield «eintragen, zugestehen»,
anord. gjalda, altschwed. gjalla, dän. gjälde
«bezahlen», got. in fra-, usgildan «vergelten»,
ürsprtinglich hängt das Wort mit dem heid-
nischen Opferdienst zusammen und bed. „ dem
verleihenden Gott in Dank oder Sühnung
darbringen, gleichsam als Gegenwert geben",
daher ags. gieldan «opfern, weihen», gield,
gild n. und asächs. geld n. «Opfer» (s. Geld,
Gilde, Gülte). Aus dem Germanischen ent-
lehnt abg. zledc^ «ich zahle, büße». Die Ver-
wandtschaft mit altir. gell n. «Pfand», gellaim
«ich verspreche», gr. Te\6oc n. «schuldige
Gebühr» ist sehr unsicher. Vgl. Osthoff Idg.
Forsch. 4, 268. Sichere Anknüpfung fehlt.
ABL. Geltung, f.: Wert, 1616 bei Henisch,
aber 1470 geldungk «census».
Gelübde, n. (-s, PI. wie Sg.): feierliches
Versprechen. Mhd. gelühede, gelübde f. n.,
md. geliihde n. und gelobede, gelohde, gelöhde n.,
ahd. güuheda f., von geloben (s. d.).
Gelüng, n. (-S, PI. -e): das Geschlinge
1540 bei Alberus dict. Ee2^ Gelimg, md. im
15. Jh. gelunge n., Kollektiv von Lunge (s. d.).
Gelüst, Gelüste, n. (-es, PI. -e), älter
auch Gelüst m. : mit angenehmer Empfindung
verbundene Begierde. Mhd. gelust m. f. und
gelüste m., ahd. gilust f., Nebenform von Lust
(s. d.), als dessen Kollektiv aber mhd. ge-
lüste n. Als Verbum zu Gelust gelüsten,
V. impers. mit Akk. (seltner Dat.) der Person
und Gen. der Sache oder mit Präp. (nach,
wider) oder Inf. mit zu. Mhd. gelüsten, ge-
lüsten, ahd. gilusten, ags. gelystan.
Geize, f. (PI. -n): verschnittenes weib-
liches Schwein. Mhd. galze, geize f. «ver-
schnittene Sau», ahd. galza, gelza f. «junge
Sau»; dazu mnd. gelte und 1477 clevisch
gylte f. «verschnittenes Mutterschwein», ags.
gilte f. und engl, gilt «junge Sau», anord.
galti, göltr m., gyltr, gylta f. und schwed.-
dän. galt «verschnittener Eber», desselben
Stammes wie anord. gelda «kastrieren», geldr
«entmannt». Doch stimmt die Lautverschie-
bung nicht, und man müßte für geize eine
Grundform geldnö- «voraussetzen». Dann
könnte auch -gelt verwandt sein. Man ver-
gleicht aind. hudus m. «Widder», falls dies
für hrdus steht. ABL. geizen, v. : ein Tier
durch Verschneiden unfruchtbar machen, md.
671
Gemach
gemem
672
um 1400 geizen (Rothe Diu-. Chr. 565). Gelzer,
Dl. (-5, PI. wie Sg.) : dei- Schweineschneider. In
der Schweiz imd im Elsaß. ZUS. Gelzen-
leichter, m. (s, PI. wie Sg.): Schweine-
schneider, ^och in der Wetterau und am
Yogelsberg. Md. um 1400 gelczenlichter m.,
zu mhd. Uhfen «glätten, kastrieren» (noch
bayr. leichten), von mhd. lihte «glatt», liehen,
ahd. lichon «glatt machen, polieren».
Gemach, n. (-es, ältemhd. auch PI. Ge-
much): Ruhe, Wohlbehagen, Bequemlichkeit;
(PL Gemächer, seltner Gemache) Bequem-
lichkeitszimmer. In der 1. Bed. mhd. gemach
m. n., ahd. gimah n., mnd. gemuck, gemake n.,
mndl. ghemack, in der 2. Bed. mhd. gemach n.
«Ort der Ruhe und des Sichpflegens, Zimmer,
Wohnung», dann auch «Abtritt» (1316 ein
haimlicher gemach), ebenso mnd. Von ge-
mach, adj., wohl sich fügend, bequem, mit
Bequemlichkeit langsam, mhd. gemach, ahd.
gamah, gimah, Adv. gimahlw, ags. gemcec (eig.
«womit verbunden, wozu sich fügend, wozu
gehörig», wie anord. niakr «passend»), zu-
sammengehörig mit machen (s. d.). Davon
gemächlich, adj.: zu Bequemlichkeit ge-
neigt, nach Bequemlichkeit langsam, mhd.
gemechlich, ahd. gimahWi, mndl. gheniackelick;
dazu das Adv. ahd. gamahlihho, mhd. gemech-
Kche, im 15. Jh. auch gemelich, bei Rachel
Sat. 4, 111 Var. gemählich (vgl. allmählich).
Gemächlichkeit, f., bei Fischart gl. Schiff
623 Gmachlichkait.
^Gemacht, Gemachte, n. {-es, PI. -e)-.
Zeugungsghed. Im mrhein. Voc. ex quo 1469
gemechte n., spätmhd. gemecht n., weiterge-
bildet aus dem gleichbed. mhd. gemäht f. und
PI. gemehte, ahd. gimah t f. und n. Dazu and.
gimaht «penis» mndl. ghemahte. Zusammen-
gesetzt mit ahd. muht f. (s, Macht), also zu-
nächst «das Zeugungsvermögen des Mannes».
-Gemachte, n. {-s, PI. wie Sg.): das
Gemachte, bes. Kunst- oder Handwerksarbeit;
letztwillige Bestimmung, Testament (diese
Bed. im 18. Jh. veraltet). Mhd. gemechte,
gemecht n., von machen (s. d.).
Gemahde, m. f. n. {-n, PI. -n): Reihe
niedergemähten Grases. Im westl. Mittel-
deutschland (1208 bei Kehrein Nassau Nachtr. 17
gemäd f. «was ein Mann an einem Tage mähen
kann»). Zsgs. mit mhd. mäde f. «Mahd».
Gemahl, m. (s, PI. -e) : der ehelich Ver-
bundene. Älternhd. im 16. Jh. Gemahel,
mhd. gemahele und gemahel, ahd. gimahalo
m. «Verlobter, Bräutigam, ehelich Verbun-
dener», zu ahd. gimahalan und mahalen «zu-
sammensprechen, verloben», abgeleitet von
ahd. mahal n. «Vertrag, Ehevei-trag, eig. Ver-
sammlung, Gerichtsversammlung, Gerichts-
verhandlung, Gerichtsstätte» (s. Mahl 1).
Gemahl, n. (-s, PI. -e): ehelich verbun-
dene Person, vorzugsweise die weibliche,
spätmhd. im 15. Jh. gemachel n. (Städtechron.
4, 123, 1), gemechel n. Fontes rer. austr. 2,
18, 493 von 1405), dann bei Luther Gemahl n.
Gemahlin, f. (PI. -nen): Gattin, 1468 ge-
mahelin (Germania 28, 367), dafür mhd. ge-
mahele, gemahel f., ahd. gimahala, gimäla f.
«Verlobte, Braut, ehelich Verbundene» (eig.
«die Zusammengesprochene»); vgl. auch and.
gimehlida f. «Gattin».
gemahnen, v.: nachdrücklich oder stark
erinnern. Mhd. und mnd. gemanen, ahd. und
asächs. gimanön, ags. gemanian, zusammenges.
mit mahnen (s. d.).
Gemälde, n. {-s, PI. wie Sg.): gemaltes
Bild. Mhd. gemcßlde, md. gemeide, ahd. gimä-
lidi n. neben gimäli n., mhd. gemcele, älternhd.
Genial, im 17. Jh. Gemüht n. Von malen (s. d.).
Gemarkung, f. (PI. -en): Gemeindegrenze
und -gebiet, im 18. Jh. (Maler Müller 1, 304
von 1775). Nebenform zu Markung (s. d.
unter Mark 1).
Gemäß, n. (-es,.Pl. -e): tiefes Maß; Maßart.
1543 bei Mich eisen thüring. Rechtsdenkm. 50
Gemeß n., Kollektiv von Maß (s. d.).
gemäß, adj.: nach Verhältnis (urspr. nach
dem Maß) übereinstimmend. Mhd. gemcele
«Maß haltend, mäßig», dann mit Dat. «ange-
messen», md. geme^e, ahd. gemäße «ange-
messen» von messen (s. d.), wie genehm
(s. d.) von nehmen; dazu mndl. gemaet, ags.
gemcete und mcete neben gemet, dem ahd. gime^,
me§ (in ungime^ und unme^, asächs. ungimet)
entspricht. ABL. Gemäßheit, f., im 16. Jh.
bei Kirchhoff Wendunm. 1, 539 Gemeßheit
(zu gemäß «entsprechend»), aber mhd. gemce^-
heit f. «Mäßigimg».
Gemäuer, n. (-s): Mauerwerk, bes. altes
(bei H. Sachs Gemewer). Mhd. gemiure n.,
Kollektiv von Mauer (s. d.).
gemein, adj.: mehr als einem, dann der
Menge zusammen eigen oder zukommend;
allzu vertrauHch (bei Luther 1, 363** J.); zur
großen oder niedern Menge gehörig (mhd.),
sowie derselben gemäß (in geringschätzigem
Sinne 1616 bei Henisch, verächtlich in mora-
lischer Beziehimg 1775 bei Adelung, jedoch
schon mhd. gemeine wip «allen ohne Unter-
673
gemein
Gemüse
674
schied gemeinsam»). In der 1. Bed. mhd.
gemein, ahd. gimeini, Adv. gimeino; dazu
asächs. gimene, afries. gemene und mene, ags.
gamcene (engl. mea)i «niedrig, verächtlicli»),
got. gamains «gemeinsam», aber auch «pro-
fan» im Gegensatz zu «heihg», aus ga- und
main. Übereinstimmend mit lat. communis
(altlat. comoinis) «gemeinschaftlich, allgemein,
gewöhnlich, leutselig, niedrig», osk. mmnikad
«communi». Das Grundwort moin gehört
einer weitverbreiteten Wui'zel an, vgl. Me-
ringer Idg. Forsch. 18, 270, communis am besten
mit ihm zu moenia PI. «Mauern», d. h, «wer
mit mir die Mauern teilt», vgl. Geselle. ABL.
Gremeine, Gremeinde, f., mhd. gemeine,
ahd. gimeint, got. gamainei f. «Anteil, Ge-
meinschaft, Mitgenossenschaft», im Mhd. auch
«zusammengehörige Ortsgenossenschaft und
deren gemeinschaftlicher Gnindbesitz»; da-
neben mhd. gemeinde, ahd. gimeinida f, andd.
gimentho m. «Gemeinschaft» (lat. communio f.),
im Mhd. die Ortsgenossenschaft in büi'ger-
lichem oder kirchlichem Sinne und deren
Grundeigentum, vgl. got. gamaiyips f. «Ge-
meinde, Versammlung». Gemeinheit, f.,
mhd. gemeinJieit i. «Gemeinde, Gemeinde-
besitz», im 15. Jh. «Gemeinsamkeit», in der
Bed. «sittHche Niedrigkeit» erst am Anfang
des 19. Jh. gemeiniglich, adv., mhd, ge-
meinecltche neben gemeinliche, ahd. gimeinWio
(zum Adj. mhd. gemeinlich, ahd. ge)neinWi).
gemeinsam, adj., mhd. gemeinsa7)i, ahd. ^a-
meinsam. Gemeinsamkeit, f., 1482imVoc.
theut. 13^, mnd. mensaniheit f. Gemein-
schaft, f., mhd. gemeinschaft f. (auch «Ge-
meinde, fleischliches Beiwohnen»), ahd. gimein-
scaf f. gemeinschaftlich, adj., 1691 bei
Stieler. ZUS. Gemeingeist, m., zuerst bei
Herder, dann bei Schiller als Übersetzung
des engl, public spirit, franz. esprit public.
Gemeingut, n.: gemeinsamer Besitz, bei
Bürger II. 1, 124, geistig bei Schiller lO,
383, 22. gemeinhin, adv.: gewöhnlich, bei
Adelung 1796, gemeine hin 1734 bei Weber,
dafüi' im 16. Jh. in der gemeine hin (Luther
4, 26^ Jen.), gemeinnützig, adj., bei S.
Franck Chron. 14« '^ gemein nutzig, Paradoxa
Nr. 180 gemeinnützig. Gemeinplatz, m., 1770
von Wieland 14, 293 als Übersetzung von lat.
locus communis gebildet, wofür sonst Gemein-
ort (Lessing 10, 190 von 1778). Gemeinsinn,
m.: der gemeine Menschenverstand (lat. sen-
sus communis, 1691 bei Stieler); Gemeingeist
(bei Herder und bei Voß 2, 233). Anders
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
mhd, im 14. Jh. der gemeine sin (Mystiker
2, 538, 10 f.), entsprechend in der mittelalter-
lichen Philosophie sensus communis, bei Ari-
stoteles Koivr] aicörjcic «der sechste allgemeine
Sinn, in dem sich die Wahrnehmungen der
fünf Sinne zur Einheit sammeln». Gemein-
wesen, n,, 1663 bei Schottel 442^ für lat,
respuhlica. Gemeinwohl, n,, im 18. Jh.
bei Voß nach engl, common weal.
gemessen, Part. Pass. von messen (s. d.)
als Adj.: genau abgemessen (Lessing 7, 67),
kurz und knapp (Goethe 8, 124 gemessene
Ordre).
Gemisch, n. (-es, PI. -e): Mischung, 1616
bei Heuisch, aber schon ahd. gimisgi n. neben
gimiskida f., mhd. im 14. Jh. gemischt n.
Gemme, f (PI. -«): Edelstein: geschnittner
Stein, Ringstein. Mhd. gimme, ahd. gimma f.,
gegen 1200 ndrhein. gemme f , aus gleichbed.
lat. gemma f.
Gemse, t (PI. -n)-. wilde Bergziege. 1537
bei Dasypodius Gems f. und bei Luther der
PI, Gemsen, mhd. genieße, ahd. gami^a f. und
das Dim. gamictn n., alemannisch Gamsch
(bereits im 14. Jh.), Gemsch f., daneben mhd.-
ahd. gam^ m., im Teuerdank gembs m. mit
schwacher Flexion, noch oberdeutsch Gems
m,, bayv.-tkol. auch Neutr., wie Schweiz.
Gemschi n. Ein Alpenwort, entlehnt aus
gleichbed. ital. und welschtirol. camozza, chur-
welsch comuotsch, chamotsch, ladin. gamouc,
neuprov, camous, franz. chamois, span. gamuza,
canmza, port. camuga, camurga f. und lat.
im 5. Jh. n. Chr. camox (vgl. Much ZfdA.
42, 168, Liden KZ. 40, 260), ZUS. Gems-
hart, m.: Schmuck am Hute aus Gems-
haaren. Erst im 19. Jh. in die Schriftsprache
aufgenommen. GemsbOCk, m., 1537 bei
Dasypodius. Gcms-, Gemsenkugel, f:
Ballen im Magen der Gemse, 1697 bei Ettner
unw. Doctor 801 Gemskugel.
Gemüll, n. (-s): dvu-ch Zermalmen Ent-
standenes, aufgehäufter Staub, Kehricht. Mhd.
gemülle, gemiil, ahd. gamulli n., von mhd.
müllen, ahd. muljan, mullcm «zerreiben, zer-
malmen»; dazu md. gemolle, mnd. genmlle,
gemul n. S. Müll.
Gemüse, n. (-s, PI. wie Sg.): aus Garten-
oder Feldgewächsen gekochte Speise, eig.
breiartige; dann jene Garten-, Feldgewächse
selbst. In der 1. Bed. bei Luther 2 Kön,
4, 38, in der 2, Bed. bei Spee Trutznachtigall
80 B. Spätmhd. geniüese, mnd. gemöse n.
«Speise, Brei», Kollektiv von Mus (s. d.).
43
675
gemüßigt
gmeigt
676
£jemüßigt, s. -müßigen.
gemut, adj.: in der Seele gestimmt. In
wohlgemut So mhd. gemuot, md. gemüde,
aber ahd. gimuati «angenehm, lieb, gütig»,
von Mut (s. d.) gebildet.
Gremüt, n. (-es, PL -er): Gesamtheit der
eicfentümlichen Seelenstimmungen. Die un-
verkürzte Form Gemüthe u. noch bei Lessing
3, 285, Goethe 50, 263 und Faust 176. Mhd.
gemüete, getmiote n. in obiger Bed., aber auch
«Herz, Inneres, Stimmung, Verlangen, Lust,
Begehren, Ansinnen», ahd. gimuati n. «das
Angenehme, Gnade, Vortreffhchkeit»; dazu
mnd. gemöde, gemöte, gemöt, mndl. gemoede,
nnld. gemoed n. «Gemüt». Kollektivbildung
zu Mut (s. d.). Der Plur, im 16. Jh. Gemüte,
Gemüt (noch bei Goethe 6, 191 Gemüthe),
aber bereits bei Fischart Nachtr. 1382 rmd
Garg. 453 Gemüter. ABL. gemütlich, adj.:
das Gemüt beti-effend (1572 bei Wirsung
Arzneib. 513), mhd. gemuotlich «der ange-
nehmen Seelenstimmung entsprechend, ge-
nehm», md. im Adv. gemütliche «gern, frei-
willig» (zu ahd. gimuati n. «das Angenehme,
Liebe», gimuati Adj. «angenehm, lieb»), noch
im 16. Jh. gemütlich «lieb, willkommen», dann
1723 bei den Herrnhutern in der Bed. «ge-
mütvoll», in dieser tiefern Bed. von Goethe
in die Schriftsprache eingeführt, im 19. Jh.
ironisch verflacht. Gemütlichkeit, f., 1775
bei Adelung, ZUS. Gemütsart, f., bei
Geliert 3, 39. Gemütsbewegung, f., 1654
bei Olearius pers. Rosenthal 7, 20. gemüts-
krank, adj., 1691 bei Stieler. Gemüts-
krankheit, f., 1727 bei Aler. Gemüts-
mhe, f., 1691 bei stieler, Gemüthesruhe bei
Lohenstein Hyac. 83, Gemütsruwigkeit 1596
bei Hulsius. Gemütsstimmuug, f. Ende
des 18. Jh. aufgekommen.
gen, präp.: gegen. Üblich nur noch von
der Richtung nach einem Orte oder einer
Weltgegend, und in gen Himmel. Mhd. gen,
gein, zusammengezogen aus gegin (s. gegen),
im 16. Jh. auch gehn, ghen geschrieben, jetzt
kurz gesprochen.
genant (spr. zenänt), s. genieren.
genäschig, adj.: naschhaft, in den Fast-
uachtsp. des 15. Jh. 857, 22 geneschig, nebst
mhd. genesche, genasche n. «Nascherei» abge-
leitet von naschen (s. d.).
genau, adj.: sich fest anschließend; selbst
im Kleinsten übereinstimmend; sehr sparsam.
Md. und selten mhd. genouwe, genäive «sorg-
fältig», im 15. Jh. bei Diefenbach gl. 412^
genauwe. gnauwe, gnau «sparsam», als Adv.
mhd. genouioe, 1482 genaue «kaum». Wie
das einfache mhd. Adj. nou. nouve, naive
«eng, sorgfältig», Adv. nouwe, nauwe «knapp,
kaum», ebenso mnd. nouwe, nau Adj. und
Adv,, mndl. nauwe, nndl. naauw «eng, pünkt-
lich». Die Etymologie ist schwierig. Früher
stellte man das Wort zu nahe (so Hilde-
brandt im DWB.) mit Ausfall eines Guttu-
rals. Doch weisen die bedeutungsverwandten
ags. hneatv, an. hnöggr «karg, geizig» auf ein
h im Anlaut. Dazu weiter an. hiöggva
«schlagen, stoßen», die nebst ahd. hniuivan
wohl mit gr. Kvüeiv «kratzen» verwandt sind.
Anderseits haben ahd. ganüan «stoßen», anord.
gnüa, schwed. gno, dän. gmi «kratzen», got.
Imauan (aus hi-nauan?) «zerreiben», zu denen
genau auch gehören könnte, kein h im An-
laut gehabt. Davon Genauigkeit, f., 1664
bei Duez.
Gendarm (spr. zqddrm), m. (-en und -s,
PI. -en): bewaffneter Schutzmann zur öffent-
lichen Sicherheit. Bei Roth 1791 noch Gens
d'armes. Campe 1813 Gendarme, aus franz.
gendarme m., urspr. gens d' armes «Leute der
Waffen, Waffenmänner», in Frankreich seit
Karl VII. (15. Jh.). Name der schwergepan-
zerten Reiter in den Ordonnanzkompagnien,
dann seit 1660 einer Eskadron der königl.
Haustruppen und seit 1791 des Straßenpolizei-
korps beim französ. Heere. Gendarmerie, f.,
1703 im Zeitungslex,, aus iranz. gendarmerie t
Gene, f. (spr. zene), s. genieren.
Genealogie, f. (PL -n): Geschlechtskunde,
-folge, -register. Md. im 14. Jh. genealogye f.
(Hans Marienlieder 789), 1538 bei S. Franck
, Chron. d. Teutschen 75 '^ Genealogy, aus gr.-
lat. genealogia, gr. YeveaXoYia f. «Geschlechts-
herleitung», zusammenges. aus gr. Yeved f.
[«Geburt, Geschlecht», und -\oYia von dem
j von Xeftiv abgeleiteten -Xoyoc «kundig».
genealogisch, adj.. nach gr. YEveaXoTiKÖc.
genehm, adj.: gern genommen, annehm-
I bar; wohlgefällig, angenehm. Mhd. gencenie,
! md. geneme, 1429 genem, ahd. nur nämi, ent-
1 sprechend got. nems in andanems «angenehm»;
; dazu mnd. geneme, mndl. ghename. Zu nehmen
(s. d.), wie gäbe (s. d.) zu geben. Davon
! genehmigen, v., 1775 bei Adelung, dafür
I im 17. Jh. genehm halten. Genehmigung,
f., 1747 bei Reichard Historie d. deutschen
[ Sprachkunst 441, wofür im 17. Jh. Genehm-
haltung und Genehmhdbung.
1 geneigt, Part. Pass. von neigen (s. d.)
677
general
generös
678
als Adj.: günstig, wohlwollend, mhd. (md.)
geneiget. Davon Geneigtheit, f., bei Besser
Schriften 334 vom J. 1717.
general, adj.: allgemein (1548 bei Waldis
Esop 4, 4, 72 Capifel general, heute General-
kapitel); in Zusammensetzung namentlich bei
kriegerischen und geistlichen Begriflen imd
Ämtern «Ober-, Haupt-» (s. Genei'al). Aus
lat. generalis «allgemein», eig. «die Gattung
(lat. genus n.) betreffend», woher das franz.
Adj. general. ZUS. Generalbaß, m. : Haupt-,
Grundbaß, 1626 General-Baß (Germania 29,
352), 1638 bei H. Albert Arien Vorr. S. 2.
Generalbeichte, f.: umfassende Haupt-
beichte, bei Grimmelshausen Simpl. 2, 173, 2
Elh: General Beicht. General marsch, m.,
allgemeiner Heeresaufbruch, 1691 bei Stieler.
Generalprobe, f.: Hauptprobe, 1595 bei
Prätorius Anatomia Luthei-i 3, 84 Generalproh.
Generalyersamnilung, f. Erst im 19. Jh.
General, m. (-5, PI. -e und Generäle, im
17. u. 18. Jh. Generals, z. B. Moscherosch
Phil. 1, 288 und noch bei Schiller Pikk. 2, 7):
Heerführer. Kirchlich bereits im 13. und
14. Jh. mhd. greneraZ m. «Haupt eines Mönchs-
ordens», aus mlat. generalis (s. general). Als
deutsche Kriegswürde im 17. Jh. (1616 bei
Wallhausen Kriegsmanual 135 ff.), von fran-
zösischen Heerführern vereinzelt schon 1510
bei "VTeUer Zeitungen 17, aus gleichbed. franz.
general m., gekürzt aus schon 1349 bezeugtem
capitaine general (bei Weller 55 übersetzt
durch Hauptnian general). Der höchste Be-
fehlshaber des Kriegsheeres hieß mhd. houbet-
man, im 16. Jh. der oberst Hauptmann (1556
bei Frisius 1057^), 1535 oberste)- Veldliaupt-
man (Mone Anz. 8, 301), 1596 bei Fronsperger
Kriegsb. 1, 47 ''ff. General Oberst Hauptmann,
General Oberster, General Oberst, im 17. Jh.
General (1648 bei Kemnitz schwed. Krieg
1,9'' nebst Generalat n. «Feldhermamt, Ober-
befehl» 1, 294^) und Generalissimus, m. I
(1665 bei Böckler Kriegsschule 37, franz. im
16. Jh. generalissime m.), ein neugebildeter
Superlativ des lat. generalis. Dazu Genera- ,
lin, f., bei Grimmelshausen Simpl. 2, 315, 16
Kllr. Generalität, f.: Gesamtheit der Feld- :
herren, 1651 in Möhners Reise 86 Generalitet, :
im Simpl. 153 und 444 Generalität. ZUS. '
Generaladjutant, m.: Adjutant im un-
mittelbaren Dienst des Oberfeldherm, 1651 \
in Möhners Reise 89, nach span. ayudante
general, woher auch franz. adjudant general '\
(s. Adjutant). Generalauditeur, m.: derj
I oberste i-echtsgel ehrte Richter im Heerwesen,
1665 bei Böckler Ki-iegsschule 54 General
Auditor neben Generalgeicaltiger m. ^Qi&nersX-
profoß» 58, General- Auditeur im Anfang des
17. Jh. bei Besser Schriften 352 (s. Auditeur).
Generalfeldmarschall,m.,i665beiBöckler
Kriegsschu\e4:lGeneral-Feld-Marschalk<i-Oher-
befehlshaber des Heeres» (s. Feldmarschall,
eig. der oberste Reiterfühi-er). General-
fei dzeugmeister, m.: der oberste Befehls-
haber über das Geschützwesen (Feldzeug),
1678 bei Krämer, 1646 Generalreichsfeldzeug-
meister (Germ. 28, 367), 1535 der oberste
Zeiigmaister bei Mone Anz. 8, 301. General-
leutnant, m., 1617 bei Wallhausen Corp.
mil. 10 General Leuttenampt, 1648 bei Kem-
nitz schwed. Krieg 1, 96^ General Lieutenant
«Stellvertreter des Generals, des obersten
Feldherrn» (s. Leutnant). Generalmajor,
m., jetzt der Nächste im Range nach dem
Generalleutnant, im 17. und 18. Jh. General
Major oder General Wachtmeister «der oberste
Befehlshaber der Wachen» (1665 bei Böckler
Kriegsschule 51, Generalmajeur 1663 bei
Schuppius 1, 249, General- Wachtmeister 1632
bei Opel und Cohn 30j. Krieg 420, 121), s.
Major. Generaloberst, m., 1565 in Fron-
spergers Kriegsbuch General Oberst, General
Oberster «oberster Heerführer», 1632 bei Opel
und Cohn 420, 124 General- Obrister «der
Oberstkommandierende einer Waffengattung».
Generalquartiermeister, m., 1665 bei
Böckler Kriegsschule 52 «der Oberste über
das Quartier-, sowie über das Festun gs- und
Belageningswesen». Generalstab, m., die
Gesamtheit der zum Stabe eines Generals
gehörigen, insbes. der mit dem Kriegsplan
und der Ausführung der Anordnungen des
Oberfeldhen'n betrauten höheren Offiziere,
1665 bei Böckler 37.
generalisieren, v. : verallgemeinera. Aus
gleichbed. frz. generaliser, abgeleitet von
general. 1813 ziemlich eingebürgert fCampe).
Generation, f. (PI. -e7i): Zeugung (1712
bei Hübner): Geschlechtsfolge, Menschenge-
schlecht, d. h. die Menschen aus der Zeit
von 30 Jahren (1728 bei Sperander). Aus
lat. gener ätio f. «Zeugung», von lat. generäre
«zeugen, erzeugen».
generell, adj.: allgemein, im allgemeinen.
Mit der Endung eil umgebildet aus lat. gene-
ralis (s. general). 1813 bei Campe.
generös (spr. zenerds), adj.: großmütig,
freigebig. Aus gleichbed. frz. genereux und
43*
679
genesen
Genieß
680
dies aus lat, generösus «edel». 1727 bei
Sperander genereux «gi-oßmüthig, adelich».
genesen, v. (Präs. genese, genesest, genest,
Prät. genas, Konj. genäse, Part, genesen): ge-
rettet werden, heü davon kommen, in den
Zustand des Gesundseins übergehen, von
einem Kind entbunden werden. Mhd. ge-
nesen (Präs. genise, genisest, geniset, daher
noch im 16. und 17. Jh. geniesest, geniest,
Prät. genas, Part, genesen), ahd, ginesan und
einmal die 3. Sg. Präs. nisit; dazu asächs.
ginesan, mnd. genesen und nesen, ags. genesan,
got. ganisan «errettet, erhalten werden», wo-
zu das Kausativ got. ganasjan, ahd. ginerjan
«gesund machen, heilen, erretten»; vielleicht
auch got. gansjan «verm-sachen» aus ga-ns-jan
«hervorkommen machen». Gleichen Stammes
wie nähren (s. d.) und urverwandt mit gr.
v^o|Liai «ich kehre zurück», vöctoc m. «Heim-
kehr», aind. näsafe «er gesellt sich zu»,
Ndsatjäu «Götterärzte», aw. nä>9/iai^'a«Name
eines Geistes». Aus dem Germanischen ent-
lehnt abg. gonisti, gomznajti «gerettet, wer-
den». ABL. Genesung, f., 1616 bei Henisch.
genial, adj.: starkgeistig, schöpferisch,
geistig schwungvoll. Gegen Ende des 18. Jh.
(1797 bei Schiller 11, 141), etwas früher
genialisch (bei Wieland 10, 243, Goethe Briefe
2, 25). Zu Genie (s. d.), der Form nach zu
dem lat. Adj. geniälis «seinem genius d. i.
seinem eingebornen Geiste gütlich tuend.
Genialität, f., 1797 bei Schiller 11, 177.
Genick, n. (-es, PI. -e): die Gegend der
Halswirbel. Die vollere Form Genicke noch
bei Wieland 22, 158, Rückert 1, 530. Mhd.
genic, genicke n., im Ablautsverhältnis zu
gleichbed. Nacken (s. d.), um 1480 im Voc.
ine. teut. iS^ genack neben genacken h8^
als Mask., bayr. Genäck und tirol.-österr.
Gnack n. ZUS. Genickfang, m.: Stich
ins Genick mit einem spitzen Messer, weid-
männisch 1719 bei Fleming Jäger 2, 107^
Genück-Fang. Genickfänger, m.: Nick-
fänger (s. d.). Genickstarre, f.: Krank-
heit, die sich in einem Steifwerden des Nackens
äußert. Neuere Bildung.
Genie (spr. fem), n. (-s, PI. -s): Schöpfongs-
kraft, feuriger Schöpfergeist (bei Geliert 5,
79 vom J. 1751) ; Person voll feurigen Schöpfer-
geistes (1739 bei Liscow 741, 10). In der
Bed. «natürliche Anlage und Geschicklichkeit
wozu» schon 1706 bei Menantes Allerneueste
Art a6^ und 1715 bei Elis. Charlotte 2, 630.
Auch als Mask. bei Wieland, Schiller Künstler
255. Nach der Aussprache mehrmals bei
Herder, bei Schiller Wall. Lager V. 209
Schenie geschrieben. Aus dem gleichbed.
franz. genie m., urspr. «Schutzgeist», von lat.
genius m. «Schutzgeist, Geist» (s. Genius).
ZUS. Geniestreich, m., 1782 im Almanach
der Bellettrist. 100. Dagegen Genietruppen,
PI., Geniewesen, n., in der Militärsprache
seit dem 18. Jh. nach franz. genie m. «In-
genieurkunst, Ingenieurkoi'ps», von mlat.
genium für ingenium n. «Maschine, kunst-
volles Werkzeug», im Lat. «Erfindungsgeist,
geistreiche Erfindung» (s. Ingenieur).
genieren (spr. few-), v.: Zwang antun,
beschweren, lästig fallen. Beim j. Goethe
3, 498 geniren und nach der Aussprache 3,
563 scheniren, ebenso bei Hermes Soph. 2,
651 schenieren. Aus franz. gener «martern,
quälen, belästigen», afranz. gehine, nfranz.
gene f. «Folter, Qual, Zwang», abgeleitet aus
kirchenlat.-hebr. gehenna f. «HöUe», hebr.
gehinnöm «Tal des Gewimmers» auf der
Südseite von Jerusalem, dem Götzen Mo-
loch geweiht, genant (spr. zenänt): be-
lästigend. Aus franz. genant. Part. Präs. von
gener. Noch nicht bei Campe 1813. Gene
(spr. zene), f.: Zwang, den man sich auf-
erlegt. Aus gleichbed. franz. gene f. (s. o.).
Bei Campe 1813.
Genieß, m. (-es, PI. -e), mhd. genieß,
md. genl^ m. «das Genießen, Benutzung,
Nutznießung, Ertrag, Nutzen, Vorteil, Lohn,
Genuß •>•>, neben gleichbed. mhd. niegm., ältemhd.
Nieß (s. Nießbrauch) ; dazu mnd. genet m. n.,
mndl. geniet n. Bayrisch. Von genießen, v.
(Prät. genoß, genössest usw., Konj. genösse,
Part, genossen): zu guter An-, Verwendung
haben; angenehm empfinden; Speise oder
Trank zu sich nehmen. Mhd. genießen (Präs.
geniu§est, gemutet, daher älternhd. bis Ende
des 18. Jh. geneußest, geneußt und Imp.
geneuß, Prät. mhd. genog, Konj. genügte, Part,
genügten), md. genigen, ahd. giniogan; dazu
mnd. geneten, mndl. genieten, aber got. ganiu-
tan «fangen» nebst nuta m. «Fänger, Fischer».
Zusammengesetzt mit mhd. niesen, ahd. niogan,
älternhd. nießen (noch bei Wieland an Merck
16. Jan. 1777 und schweizerisch), asächs.
niotan, afries. nieta, niata, ags. neotan, anord,
njöta, got. niutan, gleichbed. mit genießen,
urverwandt mit lit. naudä f. «Nutzen», naüdyti
«begehren», panüsti «sich gelüsten lassen».
Aus dem Deutschen noch Nutzen und Ge-
nosse (s. d.). Die Zugehörigkeit von lat.
681
Genist
genug
682
nutnre «ernähi-en» ist zweifelhaft. Vgl. '
Walde s. v. ABL. genießbar, adj., 1691 '
bei Stieler.
Genist, Geniste, n. (-es, PI. -e): Abgang
von Stroh, Eeisicr usw., eisr. «was der Vogel
zum Xestbau braucht». Mhd. geniste, genist n. j
«Nest», Kollektiv von Xest (s. d.), bereits
im 14. Jh. in der heutigen Bed. Xoch obd.
Genitiy, Genetiv, m. {-s, PI. -e): Fall
auf die Frage wessen? Zeuge-, Besitzfall.
Aus lat. genitivus, nach den besten Hand-
schiiften genetivus «Angeborensein, Zeugung
anzeigender» (zu ergänzen casus, s. Kasus),
gebildet nach gleichbed. gr. -feviKr) f. (nämlich
TTTlLciC «Fall».
Genius, m. (PI. Genien): Schutzgeist,
Flügelgeist. Als Schutzgeist des Dichters
schon bei H. Sachs 1, 437 flf., im 18. Jh. durch
Winkelmann, Lessing, Wieland in der Lite-
ratur heimisch geworden. Der PI. Genien bei
Klopstock Od. 193. Aus glbd. lat. genius m.
Genösse, m. (-n, PI. -n), verkürzt Genoß:
Gefährte, Teilhaber, eig. der Mitgenießende.
ähnlich wie gleichbed. got. gahlaiha m., eig.
«Brotgenosse» (s. Laib), und Kompagnon (s. d.,
abgeleitet von lat. pänis m. «Brot». Etwas
anders Meringer Idg. Forsch. 18, 234 «der zum
Vieh (ahd. no^, anord. naiit, ags. nyten) gehört».
Mhd. starkbiegend geno^. gnog, ahd. ga-. ginö^
m. neben schwachflekt. (selten) mhd. genöge,
gnö^e, ahd. ginögo m.; dazu asächs. u. mnd.
genöt, ndl. genoot, ags. geneat, anord. nautr m.
ABL. GenOSSame, f. (PI. -??): Verein von
Teilhabern (Schiller Teil 2, 2), mhd. genog-
same^. « Genossenschaft, Gesamtheit von(fi-eien
oder hörigen) Standesgenossen, Gemeinde
Gleichberechtigter, Vereinigung, Ausglei-
chung», ahd. ginö^semi f. «Verbindung», ab-
geleitet von dem ahd. Adj. gino^sam «in
Gesellschaft zu reden wissend, gesellig», mhd.
geno^sam « ebenbürtig». Genossenschaft, f.,
1648 bei Zesen Ibr. 210, aber Gnoßschafft
1654 bei Logau 3, 1, 20, mhd. genö^schaft,
gnö^schaft, ahd. ga-, ginö^scaf. ginopcapht f.,
nndl. genootschap n. Genossin, f. (PI. -neyi):
Gefährtin, mhd. genö^inne, genoe^inne, ahd.
gino^inna f., wo neben mhd. genaue f. «Gattin».
Genov^fa, Frauenname, ahd. Genovefa.
Ursprünglich fränkisch. Dunklen Ursprungs.
Genre (spr. fe>ar), n. (-S, PI. -s): Gattung,
Art (1797 bei Goethe an Schiller 3, 148 u.
239, 1813 bei Campe nicht verzeichnet); (in
der Malei-ei) das Gebiet des allgemein Mensch-
lichen. Aus gleichbed. franz. genre m., von
lat. genus (Gen. generis) n. «Geschlecht, Art».
ZTJS. Genrebild, n.: bildliche DarsteUung
aus dem gewöhnlichen Leben, erst nach 1800.
Gentleman (spr. cUentlman), m. (-S, PI.
Gentlemen) : Mann von Büdung und Anstand.
Aus dem gleichbed. englischen gentleman.
1791 bei Eoth.
genug, adv.: so viel als erfordert wird.
Mhd. als Adv. gemioc. gnuoc, ahd. ginuog. gnuog,
md. genüc, genüch, gnüc, das unflekt. Neutrum
des mhd. Adj. genuoc «him-eichend, manch,
viel», ahd. ginuogi, ginnoc, md. genüc, genüch;
dazu als Adj. und Adv. asächs, ginög, mnd.
genöch, ennöch, noch, afries. enoch, anoegh,
noch, ags. genüg, genöh, engl, enough, anord.
Adj. gnögr und nögr, Adv. gnöga, nögu, nög,
got. Adj. ganöhs. Gleichen Stammes wie die
Prät. Präs. got. ganah, ahd. ginah «es genügt»
und got. Mnah «es darf', es muß», sowie
anord. nä «erreichen». Der Stamm iiah ge-
hört einer weitverbreiteten Sippe an, die
«tragen» bedeutet. Hierher gr. ^ve-fKeiv «brin-
gen», ö-fKoc m. «Tracht, Last», Ht. nesti, abg.
nesti «tragen», daraus dann die weitere Be-
deutvmg «erlangen», in aind. agnöti, aw. as-
naoiti «erreicht, erlangt», ai'men. hasanem
«komme an, komme zu etwas», lat. nancisci
«erreichen», ir. at-chöni-naic «accidit», cöini-
nactar «potuerunt». Got. ganah bedeutet
also «er hat getragen, ertragen». Vgl. Me-
ringer Idg. Forsch. 18, 218. Mit Nasal ge-
nung, mimdai-tlich in IVlitteldeutschland, da-
her bei Goethe und früher bei Giyphius
und H. Sachs, bereits im 15. Jh. genung und
im 14. Jh. genunk. ABL. Genüge, f., mhd.
genüege, md. genüge, gnüge, ahd. ginuogi, gi-
nögii. «Fülle, Übei-fluß», dazu asächs. ginögi f.
«Befriedigimg», mnd. genoge f. Durch Ver-
mischung mit Geniigen n. (schon mhd. ge-
nüegen n.) entstand im 17. Jh. das Neutr.
Genüge (noch bei Wieland und Schiller),
verschieden von ahd. ginuagi n. «das Aus-
reichende, die Genüge». Dafür got. ganauha
m. «Genüge, Genügsamkeit», genügen, v.:
Genüge leisten, hinreichend se'm,inh.d.gt'nüegen ,
'^genuogen, md. genügen, ahd. ginuogan; dazu
mnd. genügen, nögen, ndl. genoegen, anord.
\gnoegja, got. ganöhjan «Genüge leisten, be-
friedigen», ganöhnan «genug sein oder wer-
. den», geuüglich, adj., mhd. genüegtlich,
^ mnd. genöchlik, mndl. ghenoegheb'jk. genug-
sam, adj. mhd. genuocsam, gewöhnlich aber
geniihtsam, ahd. ginuhtsam, asächs. in ginuht-
samitha f. «Fülle» (von mhd. genuht, ahd.
683
Oenus
Ger
684
ginuht, ags. genyht, anord. gnött f. «Genüge,
Menge, Überfluß»). genÜgSam, adj. zu
genügen: «leicht zu befriedigen», im 15. Jh.
bei Nicl. v. Wyle 315, 18; dazu Grenügsam-
keit, f., 1741 bei Frisch, in der Bed.«Genüge»
1691 bei Stieler. ZUS. GeilUgtuung, f.,
1482 imVoctheut. IS'' genugtuung, 1429 bei
Diefenbach nov. gl. 327^ genngtunung.
Genus, n.(P\. Genera): Sprach geschlecht.
Das lat. genus n. «Geschlecht», insbes. auch
(nach gr. y^voc n.) «das grammatische».
Genuß, m. (Gen. Genusses, PI. Genüsse):
das Genießen, bes. mit Lust (1716 bei Ludwig).
Seit dem 17. Jh. allmählich eingebürgert für
das ältere Genieß (s. d.). 1664 bei Duez,
aber vereinzelt vielleicht schon im 13. Jh.
im Berliner Heldenbuch 5, 40** nach genn^^e.
Mnd. bereits im 15. Jh. genut m. häufig neben
genet m., mndl. genot n. ZUS. Genuß-
mittel, n., 1663 bei Schottel 532 Genos-
niittel (wie 1678 bei Krämer Genoß m. «Ge-
nuß» und bei Lohenstein Armin. 1, 554 u.
1081 genoßbar «genießbar»). Genußsucht,
f. und genußsüchtig, adj., 1808 bei Campe
als neu.
GenÜSSel, n. (-s, PI. wie Sg.): Gewürm.
Bei Goethe 3, 251 Schlangen-Genüssel r\. Ab-
geleitet von mhd. genisse n. «Gewürm», Kol-
lektiv von ahd. nesso m. «Wurm».
Geograph, m. (-en, PI. -en): Erdbe-
schreiber. 1595 bei Welser-Werlichius Chron.
4, 81. Nach gr, YeiuYpdqpoc «erdbeschreibend»,
dann als Subst., von gr. yla, yr\ f. «Erde»
(mit der in der Zusammensetzung auftretenden
Form f۟)- aus t^o-) und einer Ableitung von
Tpdqpeiv «schreiben». Dazu Geographie, f. :
Erdbeschreibung, Erdkunde, 1534 bei S.Franck
Weltb. 62 '^ Geographey f., aus gr.-lat. geö-
graphia, gr. Teu^Tpacpia f., geographisch,
adj., nach dem gr. Adj. YeoJYPctcpiKÖc. Geo-
logie, f.: Lehre von der Beschaflenheit der
Erde. 1727 bei Hübner. Geom^ter, m.
(-S, PI. wie Sg.): Landmesser, 1540 bei Al-
berus dict. Vu 2 % als Eigenname eines Bau-
meisters mhd. Geometras, aus gr.-mlat. geo-
meter statt des älteren gr.-lat. geönietres, gr,
T€U)|adTpr|c m., von gr. Y^a, fr\ f. «Erde» und
einer Ableitung von lu^xpov n. «Maß», luexpeTv
«messen». Dazu Geometrie, f.: Feldmeß-
kunst, mhd. geometrie, jeometri f., aus gr.-lat.
geötnetria, gr, Yei^nexpia f.; geometrisch,
adj., 1558 bei Rivius geometrische Büxen-
meisterey, nach dem gr.-lat. Adj. geömetricus,
gr. Y^u^MefpiKÖc.
Georg, Mannsname. Ahd, Georgjo, Gorjo.
Aus gr.-lat. Georgius, gr. FeuupYioc, zu gr.
YeiupYÖc m, «Landbauer, Ackermann», nebst
gr, Y^ujpTeiv «Land bauen» zusammenges. aus
gr, yia, fr\ f, «Erde» und einer Bildung von
^PYov n. «Werk, Arbeit», Dazu als Frauen-
name Georgine, nach franz. Georgine; die
gleichnamige, aus Mexiko stammende Pflanze
{Dahlia, bez. Georgina) dagegen ist zu An-
fang des 19. Jh. nach dem Petersburger
Professor Joh. Gottlieb Georgi benannt,
Gepäck, n, [-es, PI, -e): die zusammen-
gepackten Sachen, Kollektiv von Pack. Im
18, Jh. auch vmverkürzt Gepäcke n, (Lessing
10, 79), 1540 bei Alberus dict, U4:^ Gepeck,
ndi-hein. im 14, Jh. und mnd. gepack n. Vom
Gepäck des Heeres seit dem siebenjährigen
Kriege (Jahn deutsches Volkstum 375), für
das im 17, und 18. Jh. übliche Bagage f., aber
schon 1617 bei Wallhausen Corp, mil, 213
Gepäck, in den Landsknechtsheeren Plunder.
Gepflogenheit, f. (PI, -en): Art und
Weise, wie man seither zu tun gepflogen hat.
Brauch, Im 19. Jh. aus der österreichischen
Geschäftssprache übernommen.
Geplärr, n. (-es, PI, -e): Gelärm, Ge-
schwätz, Mhd, gehlerre, geplerre, gehlär n.
Substantiv zn plärren (s. d,). Anders älternhd.
Geplärr n. «Blendwerk», 1482 bei Melber
B 5^ gepler (Var. geplerr), zu älternhd. Plärr,
Plerr n, f, «Nebel vor den Augen, falsches
oder doppeltes Sehen»,
Gepolter, n. (-s): wiederholtes Poltern
(s, d,). Bei Luther 3, 532^, im 15, Jh. md.
gehulder bei Diefenbach gl. 601 *'.
Gepräge, n. (-s, PI. wie Sg.) : aufgepreßtes
Zeichen oder Bild. Bei Luther 8, 250 ^ Ge-
prege, bei S. Pranck Chron. 193*^ Gebräge,
im 15, Jh, geprege, gepreche (Voc, 1482), ge-
prech, mhd, gehrceche, gep-cBche, gepräche, md,
gehreche, gebrech n. in der heutigen Bed.,
ahd, gibrächi n, «erhabenes Bildwerk», Sub-
stantiv zu prägen (s, d.).
Gepränge, n. (-s): feierliche Pracht,
Prunk. Spätmhd, im 1 5, Jh, gepräng (Wolken-
stein Nr, 59, 49 Schatz), geprenck n, Sub-
stantiv zu prangen (s, d,),
Ger, m, (-es, PI. -e): Wurfspieß. Nur
noch altertümlich. Mhd. ger und gere, ahd.
ger und gero m. «Spieß, vorn mit breitem
Eisen, zu Wui'f und Stoß», im 12, Jh, durch
die Eitterwaife, den Speer (s, d,) verdrängt;
dazu asächs, ger, ags, gär, anord, geirr m.
Mit ui-spiünglichem s lat. gaesuni n. und gr.
685
gerad
Geraufe
686
Yaicoc m., ycTcov u. «leicliter gallischer und
spanischex- Wurfspieß», ebenso in altgerma-
nischen Eigennamen wie Radagaisus usw.
Gleichen Stammes wie Geisel (s. d.), urver-
wandt mit altir. gae «Spieß» und vielleicht
mit gr. xaioc m. <f Hirtenstab», aind. hesas n.
«Verwundung». Mit ahd. ger zusammenge-
setzte Personemiamen sind: Oerbert, ahd.
Gerperht, Gerp-aht, der zweite Bestandteil
zu ahd. hrehan «glänzen»; Gerhard, ahd.
Gerhart; Gerliiid, Gerlinde, ahd. Gerlint; \
Gertrud, Gertraud, ahd. Gertrüt, der
zweite Teil vielleicht zu a.novd. ßrüdr f. «Wal- ;
kyre», spätei" angelehnt an mhd. trüt «traut».
^ gerad, gerade, adj.: gleichpaarig, ohne ,
Bruchteil durch 2 teilbar. Mhd. gerat, gerade,
ahd. gerad (nur von Zahlen). Zu got. rapjö f.
«Zahl», garapjan «zählen, rechnen», demnach ,
eig. «gleichzählend».
' -gerad, gerade, adj, (Komp. gerader, i
Superl. geradest): in einer und derselben
Richtung fortlaufend oder -gehend nach keiner
Seite abweichend; in übertragner Bed. offen
und ehi-lich (vom Charakter 1616 bei Henisch,
von Worten 1566 bei Mathesius Luther 203, 22
Neudr.). Mhd. gerat, gerade «geschwind,
schnell bei der Hand, gewandt, tüchtig», dann
im Md. (14. Jh.) «schnell aufgeschossen»,
frisch und lang aufgewachsen (Ködiz 18, 12),
der Länge nach ausgestreckt (ebd. 97, 21),
der Länge nach ununterbrochen . und zu-
sammenhängend (ebd. 83, 22), ahd. giradi
«velocissimus», ags. gerade «rasch». Zu-
sammenges. mit dem ahd. Adj. hrat, rat «ge-
schwind, schnell», mhd. rat, mnd. rat, rode,
nndl. rad, ags. hrced, hrcect und rcede, anord.
hradr, im Adv. ahd. hrato, lirado, rado, mit
dem Komp. hrador und Superl. kradost. Das
Adv. gerade «eben, just», mhä. gerade «rasch,
schnell, sogleich», bei Mone Schauspiele des
MA. 2, 392 u. 397 grad «genau, eben», ahd.
girado für das lat. ecce. Substantivisch in
der Geometrie Gerade, f. : gerade Linie, wahr-
scheinlich um 1830 von Jak. Steiner einge-
führt, wie schon bei Galilei retta f. als Ab-
kürzung von linea retta. ABL. Geradheit,
f., 1482 im Voc. tbeut. 18^ geradheit «das
Wohlgewachsensein, Wohlgestalt»,
Gerade, f. (ohne PI.) : die fahrende Habe
der Frau, deren Hauptteil der weibliche
Schmuck und Zierat ist. Norddeutsch im
Gebiet des sächsischen Rechts bis ins 18. Jh.
(bei Geliert und Rabener). Im Sachsen-
spiegel gerade f., mnd. rade f. und gerade f. u.
(mit Anlehnung an Gerät). Die Verbindung
mit anord. reiäa f. «Schmuck», reidi n. «Schiffs-
und Roßzierat» (Hildebrandt DWB.) scheitert
am Vokalismus. Das Wort muß zu Bat
(s. d.) gehören,
Geräms, n. (-es, PI, -e): Gitterwerk. Bei
Goethe 26, 12, Geremß 1537 bei Dasypodius,
ndrhem. im lA.S'h.geremzen., Kollektivbildung
von mhd. ram, ahd. rawa «Gestell» (s. Rahmen).
Geränium, n .(-s, PI. Geranien): eine Pflanze,
Storchschnabel. Aus gleichbed. gr. fepöviov
von Y^pavoc f. «Kranich». 1727 bei Hübner.
Gerät, n. (-es, PI. -e): beweghches Be-
sitztum in Werkzeugen usw. Bei Schiller
Kab. 2239 und Goethe Faust 676 unverkürzt
Geräte n., Kollektiv zu Rat (s. d.). Mhd.
gercete, md. gerete, gei'ede, ahd. giräti n. «Be-
ratung, Beirat, Überlegung, Fürsorge, Hilfe,
Ausrüstung, Vorrat, Fülle, Reichtum», im
Md. «Hausrat, Zeug»; dazu asächs. girädi n.
« Hilfe, Vorteil », mnd. gerede n. « G erat ». ABL.
Gerätschaft, f., 1507 beiWilwoltv.Schaumb.
152 geretschaft, mnd. geratscap (Diefenbach
nov. gl. 387 a).
geraten, v. (Präs. gerate, gerätst, gerät,
Vräi. geriet, Kon}, geriete, Fart. geraten): von
erwünschtem Fortgang sein ; glücklicher, daim
zufälligerweise Wohin gelangen. Zusammen-
gesetzt mit raten (s. d.). Mhd. geraten (Präs.
geratest, geratet, umgelautet geratest, ge^'cetet
und gercet, Prät. geriet), ahd. girätan (Präs.
girätis, girätit, Prät, giriat) «anraten, guten
Rat halten und geben», hieraus dann im
Mhd. auch die heutigen Bedeutungen und
«entbehren, entraten»; dazu asächs. girädan
«ratend bewirken», mnd. geraden «gelingen,
zu etwas kommen», got. garedan «worauf
bedacht sein». Mit dem Imperativ ist zu-
sammengesetzt: Geratewohl, n., bei Luther
Geratrvol u., 1561 bei Maaler Geradtwol m.,
dafür 1574 bei Horscht Geheimnisse der
Natur 4, Q 2 ** auff ein Berahtwol.
Geräuch, n. (-es, PI. -e): Räucherwerk.
Bei Luther Ger euch. Spätahd. im 11. Jh.
gerouche n. x Räucherung». Substantiv zu
oberd. rauchen, nhd. roiihan «räuchern, rauchen
machen», dem Faktitiv von ahd. riohhan
«ausdünsten» (s, riechen).
Geraufe, n. (s, PI. wie Sg.): Streit mit
Raufen an den Haaren; Streit mit TätUch-
keiten, bes. im Durcheinander. 1678 bei
Krämer Gerauff', bei Luther Gereuffe, bereits
um die Mitte des 14. Jh. gereuffe n., Sub-
stantiv zu raufen (s. d.).
687
geraum
Gericht
688
geraum, adj.: viel Raum enthaltend;
lange Zeit (im 15. Jh.). Im 15. Jh. geraum,
mhd. gerüme, gerüm, ahd. nur im Adv. gi-
rümo «bequem, günstig»; dazu mnd. gerüme,
ags. gerüme. Zusammengesetzt mit dem
gleichbed. mhd. Adj. rüm, älternhd. räum,
ahd. r^)ni und r^m, asächs.-mnd.-afries.-ags.
rüm, ndl. ruim, anord, rümr, schwed.-dän.
rum, got. rüms «geräumig», das zum Subst.
Bmim (s. d.) gehört. ABL. geräumig,
adj., 1711 bei Rädlein, geräumig 1640 bei
Comenius, mhd. gerümeclich.
Geräumte, auch Geräum de, n. (-.?, PI.
wie Sg.): zu Ackerland abgeholzter Wald-
platz; ausgehauner Richtweg im Walde. In
der 1. Bed. in der brandenburg. - kulmbach.
Waldordnung von 1531 Geräumd; in der
2. Bed. 1763 bei Heppe Jäger Geräumt. Ab-
leitung von räumen (s. d.).
^Geräusch, n. (-es, PI. -e): wiederholtes
Rauschen (s. d.). Unverkürzt Geräusche bei
Weiße Opern 3, 60. Bei Alberus dict. 1540
r3^ Gereusch, bei H. Sachs Geräusch, mhd.
geriusche, md. gerüsche n.; dazu mnd. gerüsch,
mudl. gheruysch.
-Geräusch, n. {-es, PI. -e): das Einge-
weide geschlachteter Tiere, bes. Hei'z, Lunge
und Leber. 1557 bei Montanus Wegkürzer
27^ Gereusch, 1482 im Voc. theut. p6^ in-
gerewsch, mhd. ingeriusche n., wo in- wie in
älternhd. Ingeweide (s. Eingeweide); dazu
mnd. rusch. Dunklen Ursprungs,
gerhen, v.: durch Beizen zu Leder und
dgl. bereiten. Im 15. Jh. gerhen, mhd. gerwen,
gereiven, clevisch 1477 gherwen, mnd. geren
«gerben», ahd. garawen gar d. i. «bereit
machen, zubereiten, rüsten»; in diesem all-
gemeinern Sinne auch mhd. gerwen, garwen,
asächs. garuwian, gerivean, and. wfg-gi-gerwi
n. «Streitausiüstung», ags. gearwian. Abge-
leitet von gar (s. d.). ABL. Gerber, m.;
Leder bereitender Handwerker, mhd. gerewer,
gerwer, 1302 gerber, ahd. ledergerwere neben
ledergaratvo, mhd. ledergerwe m.; dazu mnd.
gerwere, gerer, nnd. garwer m. Davon Ger-
berei, f., 1691 bei Stieler.
Gerbert, Mannesname, s. Ger.
Gerd, Mannesname, Küi'zung aus Ger-
hart (s. Ger).
Gereb, n. {-es, PI. -e)-. die obern Ein-
geweide (Lunge, Leber, Milz, Herz) des ge-
schlachteten eßbaren Tieres, Westmd. Gerdb^
Ger ab, Geraub, bayr.-östr. Gereb mit den
Nebenformen Greh, Kreh, 1424 gereb n.
(Schmeller), in der Zimm. Chi-on. ^ 3, 412, 41
krebe m.; dazu mndl. gheroof, vläm. geroof.
Wohl zu Bebe, ahd. reba, ahd. hirnireba
«Hirnschale», eig. «was sich um das Hirn
schlingt». G. also soviel wie Geschlinge.
gerecht, adj.: geradlinig, gerade; ohne
Schmälerung und Beugung des Rechts. Mhd.
gereht in beiden Bed., auch «leibhch geschickt,
tauglich, schuldlos, richtig, rechts», ahd. gireht,
gr cht «gerade, geradlinig»; dazu got. garaihts
«mit dem Recht übereinstimmend, rechtlich
gesinnt»; im Adv. got. garaihtaba «gerecht,
mit Recht», ahd. grehto «gerade, also, denn»,
mhd. gerehte «bereit, rechts». Zusammen-
gesetzt mit dem Adj. recht (s. d.). Davon
Gerechtigkeit, f., mhd. gerehtikeit, gerehte-
keit f. «sittliche Paßlichkeit, Rechtspflege,
rechtlich gegründete Befugnis, Gerechtsame,
Vorrecht, rechtlich begründeter Anspruch
oder Abgabe». Gerechtsame, f.: Recht,
Vorrecht, 1594 bei Frischlin Nomencl. 425.
gereichen, v.: wohin seinen Ausgang
nehmen, zu etwas ausschlagen (bei Luther),
namentlich in der RA. zur Ehre g. Mhd.
gereichen «reichen (s, d.), erreichen».
gereueu, v. : reuen (s, d.). Mhd. geriuwen
«in Reue versetzen, Reue empfinden».
Gerfalke, Gierfalke, m. (-%, PI. -n):
größte Art der Jagdfalken, im äußersten
Norden heimisch. Mhd. gerfalke, gerfalk,
girfalco (Mone Anz. 8, 396, 188); dazu ndl.
giervalk, engl, gerfawcon, gerkin. Entlehnt
aus anord. geirfalki m. «der isländische Jagd-
falke», eig. «Speerfalke, dessen Sitzstange
ein Ger (s, d.) ist». Aus dem Germanischen
im 12. Jh. entlehnt franz. gerfaut, prov. gir-
falcs, ital. girfalco, gerfalco m., mlat. girfalcus,
gyrofalco m., umgedeutet auf gr.-lat. gyrus m.
«Kreis», weil dieser Falke im Kreise fliegend
die erspähte Beute verfolgt, daher im 15. Jh.
bei Mynsinger 8 girofalck durch, zivirhelfalck
verdeutscht (von md. zwirwelen «wirbeln»).
Gerhard, s, Ger.
^Gericht, n. {-es, PI. -e): angerichtete
Speise. Mhd. gerillte n. Subst. zu richten (s. d.)
im Sinne von «anrichten, zur Schüssel ordnen».
^Gericht, n. {-es, PI. -e): Handlung,
Amt, Oi-t, Bezirk, Entscheid des Richtens
d. i. Rechtsprechens. Mhd. gerihte, geriht,
ahd. girihti n.; dazu mnd. gerichte n. (auch
Richtung, Lage), ags. geriht n. «gerade Rich-
tung, Recht». ' Substantiv zu richten (s. d.).
ABL. gerichtlich, adj., 1482 in Nürnb.
Pol.-Ordu. 48 Baader. Gerichtsbarkeit, f..
689
geriehen
gern
690
1691 bei Stieler Gerichtbarkeit (gerichfbar
1591 bei Haltaus Gloss. germ,), ZUS. Ge-
richtsamt, n., bei Luther Gerichtampt.
Gericlltsdiener, m., 1519 in Tirol. Weist.
1, 132, 1. Gerichtshalter, m.: Geriehts-
vei-walter. 1691 bei Stieler. Gerichtshof,
m.: Gerichtsversammluüg, bes. ein höhres
Gericht, 1738 bei Hayme jui-ist. Lex., eig. der
Ort der Gerichtssitzung ("Weist. 6, 586, 2).
Gerichtsrat, m.: Ratsmitglied eines Ge-
richtshofes (Goethe 10, 327), in der Bed. ge-
richtliche Beratung 1566 bei Fronsperger
Kriegsb. 1,7^, Schöffenkolleg 1658 in den "Weist.
1, 607. Gerichtsschreiber, m., 1457 in
Xümb. Pol.-Ordn. 178 gerichtschreiber. Ge-
richtsstätte, f., im 15. Jh. gerichtstat bei
Diefenbach gl. 311^, cleyisch 1477 gerichtstede.
Gerichtsvollzieher, m., neugebildet in der
deutschen Zivilprozeßordnung von 1877.
gerieben, Part. Pass. von reiben (s. d.)
als Adj.: schlau, durchtrieben, verschmitzt,
1482 im Voc. theut. m 1 ^.
gerieren, v. refl.: sich auffükren, be-
nehmen, wofür ausgeben (Goethe 2, 200 u.
5, 1, 139). Aus lat. garere «führen, verrichten»,
refl. «sich betragen», woher franz. gerer.
Gerill, s. Gerüll.
gering, adj.: unschwer, unwichtig; niedrig
an "Wert. Unverkürzt geringe bei Rückert
2, 538. iihd. geringe «leicht, nicht schwer
an Gewicht, beweglich, behende, schnell»,
md, im 14. Jh. in der heutigen Bed., ahd.
nur in ungiringi «gewichtig» imd im Adv.
giringo «leicht»; dazu mnd. geringe und mndl.
gheringh cschnell, hastig». Zusammengesetzt
mit dem gleichbed. mhd. Adj. ringe «leicht,
behend, unbedeutend», ahd. rinki, /jn^fi «leicht,
an Gewicht und Wert klein». Vielleicht zu
gr.^i)jqpa «leicht, schnell» (aus*n«.9/t'^-). ABL.
geringfügig, adj., 1616 bei Henisch, dafür
im 16, Jh. gering füg; Geringfügigkeit, f.,
1691 bei Stieler. geringhaltig, adj., in
der württemb. Zollordnung von 1618 Einl.
geringschätzig, adj., 1507 bei Wüwolt V.
Schaumb. 138 geringschätzig, 1468 im Cod.
dipl. Sax. II, 12, S. 251, 7 geringeschetzig.
Geringschätzung, f., 1482 im A'oc. theut.
ni 1 ^ geringschetzung.
Gerinne, n. (-s, PI. wie Sg.): künstlich
angelegter Wasserlauf. Spätmhd. im 15. Jh.
ge)-inne n. Substantiv zu rinnen (s. d.),
gerinnen, V. (Prät. gerann, Fart. geronnen) :
zusammenrinnen, dicklich oder fest werden,
sich zersetzen. Mhd. gerinnen (Prät. geran,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Part. gerunne7i), ahd. ga-, girinnen; dazu and.
girinnan, got garinnan «zusammenlaufen (von
Menschen)». Zusammenges. mit rinnen (s. d.)
I und ge in der alten Bedeutung «zusammen».
'Gerinnsel, n. (-s): Zusammengeronnenes,
1546 bei Bock Kräuterb, 286 ^ G'ertnse? n. «Lab».
' Gerippe, n. (s, PI. wie Sg.): Knochen-
gerüst des Köi-pers. 1669 bei Grimmeishausen
Simpl. 305. Kollektiv von Eippe (s. d.).
gerippt, Part, als Adj.: mit Rippen ver-
sehen, gestriemt, 1616 bei Henisch.
Germäne, m. (-n, PI. -n): urdeutschem
Stamm Angehöriger. Im 15. Jh. (1469 in
Städtechron. 4, 347, 22 German m.) als ge-
lehrte Übertragung aus lat. Germänus m.,
dem Xamen der deutschen Völker bei Kelten
und Römern. Eine Deutung des Xamens
hat sich trotz aller Mühe nicht geben lassen
und ist auch, wie bei den meisten Volks-
namen, aussichtslos. Wir haben es wahr-
scheinlich mit dem auch sonst vorkommen-
den Namen eines kleinen Stammes zu tun,
der dann auf das größere Volk übertragen
worden ist. Literatur über die Deutungs-
frage bei Bremer Grd. d. germ. Phil. - 3,
738ff. Germanien, das Land der Germanen,
Deutschland, im Anfang des 15. .Jh. ('ZfdPh.
5, 288) aus lat. Germania, germanisch,
adj., 1775 bei Adelung, germanisieren,
V., bei Herder 1, 407. Germanist, m. {-en,
PI. -en): Kenner oder Forscher der alten
deutschen Sprachen, der deutschen Alter-
tümer, des deutschen Rechts (schon im 18. Jh.),
der deutschen Geschichte. In der ersten Hälfte
des 19. Jh., ebenso das davon abgeleitete Adj.
germanistisch.
Germer, m. (s): die weiße Nieswurz,
veratrum album. Mhd. gervier (Voc. opt.
43, 77), ahd. germarrun (noch Schweiz. Gei--
meren f., vgl. Schweiz. Id. 2, 418).
gern, unverkürzt .^erwe, adv.: dem "Wunsche
gemäß, mit Freude; leicht möglich. Mhd.
gerne in beiden Bed., ahd. gemo «mit Ver-
langen, mit Freude, aus freien Stücken»,
dazu asächs. gerno, mnr}!. ghe^-ne, VindX.gaame,
geeme, afries. jerne, gerne, ags. georne, anord.
gjarna, schwed. gärna, dän. gjeme. Das zu-
gehörige Adj. ahd. gern, gerni «begierig»,
asächs. ger7i, ags. georn, anord. gjarn, got,
in faihugairns «habgierig», mhd. in Zusammen-
setzung yiiu-, miete-, wipgerne «auf Neues,
nach Lohn, nach "W^eibem begierig», ist im
Beginn des 16. Jahrb. erloschen. Gleichen
Stammes wie das mhd. imd ahd. Adj. ger
44
691
Gerner
geruhen
692
«begehrend, verlangend», mhd. geren, gern,
ahd, ^eröw, geren «begehren», und Gier (s. d.).
Urverwandt mit gr. xaxp^w «sich freuen»,
xapd f. «Freude», osk. her est, umbr. heriest
«er wird begehren oder wollen», aind. Mrjati
«er hat gern, begehrt», aw. zara-va. «Streben,
Ziel». Statt des Komp. und Supei'l. mhd.
gerner, gernest, ahd. gernor, gernöst) wii'd in
der Schi-iftsprache seit dem Anfang des 18. Jh.
(Frisch 1741) lieber, liehst gebraucht, aber
aus der Volkssprache noch bei Schiller Räuber
4, 3 am gernsten. ZUS. Gernegroß, m.:
wer gern über andre hinaus will, 1575 bei
Fischart Garg. 56 Gerngroß.
Gerner, s. Kamer, Kerner.
gerochen, s. rächen.
Geröll, GerÖUe, n. (-s, PI. -e)-. fort-
rollende Steine in Flußbetten und an Berg-
hängen, 1734 bei Steinbach Gerolle n. S.
Gerüll.
Gerste, f. (Fl -n unüblich): die Getreide-
art hordeum. Mhd. gerste, ahd. gersta f.
mit schwacher Flexion; dazu asächs. gersta
f., mnd.-nd, gerste f., mndl. gherste, ndl.
gerst, garst f. Urverwandt mit lat. hordeum
(aus horzd-) n., gr. KpT n., Kpiör] f., armen.
gari, iran.-pehlew. jurtäk, zurtäk, balutschi
zurt. Vgl. Hoops Waldbäume 364. Urbe-
deutung des Wortes ist unklar. Die Gerste
gehört jedenfalls zu den ältesten Kultur-
pflanzen, die schon die Indogermanen an-
bauten. Dafür im Ags. here m., engl, harley,
anord. barr m. «Gerste», got. barizeins «aus
Gerste bereitet», urverwandt mit lat. far n.
«Spelt, Dinkel», lat. farlna f. «Mehl», abg.
bürü m. «Hirse», brasino n. «Speise», kymr.-
korn.-bret. bara m., air. bairgen, nir.-gäl.
bairghean «Brot, Kuchen». ZUS. Gersten-
brot, n., mhd. gerstenbröt und girstin bröt,
ahd. PI. girstinu bröt, also zusammenges. mit
dem Adj. mhd.-ahd. girsttn, im 14. Jh. gerstein
«von Gerste bereitet», and. gerstin. Gersten-
korn, n., mhd. gerstenkorn, ahd. gerstun körn
in eig. Bed., im 13. Jh. auch als kleinstes
Gewicht rmd Längenmaß (Basler Bischofs-
recht § 8, 10 gerstenchorn); dann wegen ähn-
licher Gestalt «Geschwulst am Augenlide»,
1540 bei Alberus dict. T2'^. Vgl. Hoops a.a.O.
374. Gerstensaft, m. : Bier, 1748 bei Brockes
ird. Vergnügen 9, 145, in der Bed. «Gersten-
schleim» 1540 bei Alberus dict. ttl^.
Gerte, f. (PI. -n) -. dünner biegsamer Holz-
schößling. Mhd. gerte, ahd. garti, gardea,
gerta f. «Rute, Zweig, Stab»; dazu asächs.
gerda, and. gerdia, mnd. garde, gerde, mndl.
gaerde, gheerde, ndl. garde, afries, ierde, ags.
gerd, geard, gyrd f., engl. yard. Entweder
zu mhd.-ahd. gart m. «Stachel, spitzer Treib-
stecken», got. gazds m. «Stachel» (wie Sort
zu got. huzd n. «Hort, Schatz»), anord. gaddr
m. «Stachel, Spitze», urverwandt mit lat. Äa.sfa
f. «Stange, Spieß», vgl. Sievers Zum ags.
Vocalismus 25. Oder auch zu abg. zridi f.,
russ. zerdl f. «dünne Stange». Vgl. noch
Walde s. v. hasta.
Gertrud, s, Ger.
^Geruch, m, {-es, PI. Gerüche): durch
die Nase empfundene Ausdünstung, Duft;
der Riechsinn. Mhd. geruch m. in beiden
Bed., im 15. und 16. Jh. auch geroch, mndl.
gheroke. Zusammenges. mit mhd. ruch m.
«Dunst, Duft» (s. Ruch), von riechen (s. d.j.
"Geruch, m, {-es, ohne PI.): Leumund,
Ruf. Gleichzeitig mit dem Eindringen des
nd. Wortes Gerücht (s. d.) neben obd. Ge-
rüft n. erscheint in der hochd. Schriftsprache
des 15. und 16. Jh. (zuerst 1475 in den Monu-
meuta Habsburgica 1, 1, 453) das Neutr. ge-
rueche (1487), geruche, gerüech (1518), ge-
ruch (H. Sachs Fastnachtsp. 32, 371), geruch
(Schmeller) neben obd. gerüfe, gerüf, md.
(14. Jh.) gerüfe n. «umhergehendes Gerede,
Leumund, Ruf»; dieses Neutr. Geruch tritt
durch Vei'mischung mit der bildlichen Ver-
wendung von ^Geruch (2. Mos. 5, 21) im 17.
und 18. Jh. in das mask. Geschlecht über;
Luther 1, 362^ und Logau 3, 92 verbanden
sogar Gerücht (s. d.) mit riechen.
Gerücht, n. {-es, PI. -e): umlaufendes
Gerede wovon, Leumund; rühmendes Ge-
rede, Ruhm (Schiller 5 ^, 76, spätmhd. gerucht
Boner Edelstein 96, 52 Var.). Mnd. geruchte,
gerochte n. «das Rufen, Lärm, Hilfsgeschrei»,
dann «Gerede, Leumund, guter Ruf», ent-
sprechend dem mhd. geruofte, gerüefte, ahd.
gehruafti n. «das Rufen, Geschrei, Hilfs-,
Ivlageruf», md. im 14. Jh. gerUfte n. «rühmen-
des Gerede, hoher Ruf». Das nd. Wort
drang zunächst ins Md. (1493 geruchte n.
«Lärm» bei Liliencron 2, 325^, 1495 gerücht
Weist. 1, 648) und von dort in die hochd.
Schriftsprache (bei Luther Gerüchte, Gerücht
n. in den heutigen Bed., noch bei Wieland
Oberon 12, 39 und Lessing 2, 182 Gerüchte n.).
geruhen, v. : huldvoll genehmigen, gnädig
belieben. Von hohen Personen und mehr im
Hofstil (1431 in den Städtechi'on. 5, 375, 13
vom Kaiser, 1334 ebenda 1, 419, 14 vom Bui-g.
693
geruhig
Geschäft
694
grafen, mhd. im Iwein 4773 von Gott, bei
Luther geruiven, 1616 bei Henisch geruhen).
Mhd. geruochen, md. gerüchen, älternhd. ge-
ruochen, gerüchen, geruohen «seinen Sinn
worauf richten, Rücksicht nehmen, bedacht,
besorgt sein», dann «sich angelegen sein lassen,
gerne wollen, belieben, gewähren», mnd. ge-
röken, gerüken. Dieselben Bedeutungen hat
das einfache obd. ruechen, mhd. ruochen, md.
rüchen, röchen, ahd. ruochan «sorgen, be-
achten, besorgt sein»; dazu asächs. rökian,
ags. recan, engl, reck, anord. röekja. Abge-
leitet von mhd. ruoche, ahd. ruohha f. «Über-
legung, Berücksichtigung, Sorgfalt, Sorge»,
ahd. ruoh, mhd. ruoch m. «Sorge», verwandt
mit ahd. rahha f. «Rede, Rechenschaft» (s.
rechnen). Völlig verschieden von älternhd.
geruhen, mhd. geruoiven, geruon «ruhen»,
mnd. geroiiiven.
geruhig; adj.: völlig ruhig; gelassen,
ruhig-behaglich. Mhd. geruowec, gerüeivec,
md. germvec, bei Luther gerügig, bei Fisch-
art Garg. 398 geruhig, im 16. Jh. auch geruig.
Zusammengesetzt mit ruhig (s. d.). geruch-
Sani, adj.: Ruhe habend; Ruhe gewährend.
1429 geruhsam, md. im 15. Jh. gerügesam,
bei Melanchthon geruhsam. Zusammenges.
mit ruhsam (s. d.).
GrerÜll, n. (-S, PI. -e): Zusammen- und
Durcheinandergerolltes, bes. lockiges Gestein
(1562 bei Mathesius Sarepta 100 '"' GeThülle,
bei Goethe 6, 157 Gerül); alter unbrauchbarer
Hausrat (1715 bei Amaranthes Gerülle n.).
Substantiv von rollen, nd. rullen. S. Geröll.
Gerumpel, n. (-s) : wiederholtes Rumpeln.
Mhd, gerumpel n. Substantiv von rumpeln
(s. d.), ebenso mit Umlaut Gerumpel, n.
(-s): rumpelndes, mit dumpfem Geräusche
wackelndes und zusammenbrechendes, also
altes schlechtes Gerät, 1537 bei Dasypodius
Gerumpel, mhd. gerumpel n. (Suso Briefe 35).
ABL. Gertimpler, m. (-s, PI. wie Sg.):
Trödler. Im Elsaß. Vennischung vait Krempler
(s. d.). ZUS. Gerümpelmarkt, m.: Trödel-
markt, 1577 bei Fischart Elöhh. 1371 Grümpel-
markt, angelehnt an das ältre Grempelmarkt
(Ausgabe v. 1573 v. 1358.) (s. Krempel).
Gerüst, n. (-es, PL -e) : leicht aus Balken
oder Stangen und Brettern aufgerichtetes
Bauwerk oder Gestell. Unverkürzt Gerüste,
II. bei Schiller 6, 384. Mhd. ycriiste, ahd,
gahrusti, girusti n. «Zu-, Ausrüstung, Waffen-
rüstung, Gerät, Werkzeug, Gestell, erbaute Vor-
richtung wozu, Schmuck», Von rüsten (s. d.).
Gesäme, n. (-s, PI. wie Sg.): Sämerei.
1616 bei Henisch, ohne Umlaut Gesanie bei
Luther 2, 1 1 1 ^ Eisl. Kollektiv von Same. Da-
für 1562 bei Mathesius Sar, 169^ Gesemicht n.
gesamt, adj.: ohne Unterschied in eins
begriffen. Mhd. gesament, gesamnet, md. ge-
samt, ahd. gisamanot «gesammelt, vereinigt,
verbunden», Part. Pass. von mhd. samenen,
samnen, samen, ahd. samanon «sammeln»
(s. d.). Davon Gesamtheit, f., 1797 bei
Heynatz Antib.
Gesandte, m. (-w, PI.-»): mit einer Sen-
dung in Staatsangelegenheiten föimlich und
feierlich betrauter Staatsbeamter, dann als
ständiger Vertreter seines Staates bei einer
auswärtigen Regierung. Im Anfang des
16. Jh. (bei Luther), dafür im 15. Jh. un-
gekürzt gesanter pote ( Voc. 1482 m 1 ^) s. Bote.
ZUS. Gesandtschaft, f., 1656 bei Olearius
pers. Reis. 1, 4, ndl. 1598 ghesandschap.
Gesang, m. (-es, PI. Gesänge)-, das Singen;
das gesungene Gedicht. In beiden Bed. mhd.
gesanc m. und n. (auch älternhd. und noch
bayr. Neutr.), aber ahd. gisanch n. «stimmen-
des Zusammensingen». Zusammenges. mit
Sang (s. d.). In der Bed. «Abschnitt oder
Teil eines Epos» 1626 bei Dietrich v. d.
Werder Gottfr. v. Bulljon als Übertragung
des ital. canto, das schon bei Dante vorliegt.
ZUS. Gesangbuch, n., um 1480 im Voc.
ine. teut. 12'' gesangkhuch.
Gesänge, n. (-s) -. vieler, wiederholter Ge-
sang. Bei Luther Luk. 15, 25 das Gesenge,
mhd. gesenge n. Kollektiv von Sang (s. d.).
Gesäß, n. (-es, PI.- e): Stuhlsitz (1. Kön.
10, 19); Sitzteil des Körpers, der Hintere.
In der letzten Bed. mhd. gescB^e, ges(ß§, md.
gese^e, aber meist wie ahd. gisä^i n. «Sitz,
Niederlassung, Wohnsitz, Wohnung», im Mhd.
auch «Lager, Belagerung»; dazu mnd. gesäte
n. «Besitztum», gesete n. «Sitz, Stuhl», mndl.
ghesate n. «Wohnstätte». Zu sitzen (s. d.).
Gesäufte, n. (-s): Sauferei. Bei Goethe
Faust 4864 und schon im 16. Jh. bei Schwei-
nichen 1, 200. Nebenform zu Gesäufe n.,
im 16. Jh. (z. B. Schweinichen 1, 101), jetzt
Gesaufe n.
Geschäft, n. {-es, PI. -e): Geschaffnes,
Werk (Ps. 92, 5, veraltet); was zu schaffen
ist, Beschäftigung, Verrichtung, obliegende
Tätigkeit, Angelegenheit; Anordnung (Apostel-
gesch. 7, 53, veraltet). In diesen Bed. mhd.
yeschefte, gescheft n. und gesche/fede f. n.,
auch «Geschöpf, Beschaffenheit, Gestalt», so-
44*
695
geschehen
Geschichte
696
wie «letztwillige Verfügung, Testament, ge-
richtlicher Vertrag», geschaft f. n. «Zeugungs-
glied» (noch md. und Schweiz. Geschäft n.),
aber ahd.gascaftf. u. gescaffeda, gescephededa f.
«Schöpfung, Geschöpf» (gascaft auch «Schick-
salsbestimmung»), wozu and. giskaft f. «Her-
vorbringung», ags. gesceaft f. n., got. gaskafts f.
Substantivbildungen zu schaffen (s. d.). Die un-
verkürzte Form Geschäfte n. noch bei Wie-
land Idiis 260, Goethe Faust 10451 und Tasso
672 usw. ABL. geschäftig, adj.: eifrig
tätig, md. im 14. Jh. gescheftig neben mhd.
gesche/fic; davon Geschäftigkeit, f., 1541
bei Frisius 236 ''. geschäftlich, adj., ebd.
576^, aber ahd. gascaftlih «vom Verhängnis
herbeigeführt, verhängnisvoll». ZUS. Ge-
schäftsfreund, m., 1808 bei Campe. Ge-
schäftsführer, m., ebd. Geschäftsmann,
m. (PI. Geschäftsleute), bei Goethe, aber 1478
in den Monumenta Habsburgica 1, 2, 617
gescheftman «Testamentsvollstrecker». Ge-
schäftsträger, m., 1775 bei Adelung Ge-
schäftträger, gebildet nach franz. charge
d'affaires.
geschehen, v. imp. (Px-äs. es geschieht,
Konj. geschehe, Prät. geschah, Konj. geschähe.
Part, geschehen): wirklich werden, insbes.
durch höhre Schickung; zuteü werden. Mhd.
geschehen, m.d. gesehen, geschm, ahd. gascehan:
mnd. gesehen, clevisch 1477 geschyen, mndl.
geschien, ndl. mit eingeschobnem d geschieden,
ags. gesceon. Daneben das einfache Verb ahd.
scehan «durch höhre Schickung sich ereignen»,
mhd. schehen, afries. skia, ags. sceon, (entlehnt)
isländ. ske, dän,-schwed. ske. Die Grund-
bedeutung ist «springen, sich plötzHch wen-
den», und das Wort ist daher verwandt mit
ähg.skokä m. «Sprung», ahg.skakati «springen»,
lit. sokti «springen, tanzen», aix*. scen (aus
*skakno) «Schreck», derscaigim (aus *de-pro-
skakö) «trenne mich». Aus dem Germ, ge-
hören noch hinzu als Intensivum schicken
(vgl. zucken zu ziehen), ags. sceacqn «eilen»,
anord. skaga «hervorragen». Das Präs. lautet
ahd. giskihit, bei Notker gesciehet, geschiehet
und vereinzelt keschiet, mhd. geschiht, ge-
schieht und geschiet, im 14. Jh. geschieht, md.
auch geschiht, geschet, älternhd. bei Luther
und noch bei Lessing 4, 138, Goethe Jery
7, 28 und Rückert 1, 200 geschieht. Das Prät.
starkflektiert ahd. giscah, vereinzelt gescahe,
PI. gescähen, mhd. geschach und ebenso ältei'-
nhd. bis ins 17. Jh., woneben im 15. Jh. ge-
schähe, geschache (noch bei Lessing 10, 5
geschähe); das Part. Prät. ahd. gescehan, ge-
scehen, mhd. geschehen, älternhd. geschechen.
Im Niederländ., Altfries., Ags. und im Nor-
dischen jedoch ist bei diesem Worte nur die
schwache Flexion üblich, die auch im Mnd.
(Prät. geschude, geschede neben geschach) und
im Md. auftritt (Prät. gescMde, Part, geschit,
geschiet und geschieht). Mhd. auch ich ge-
schihe «gelange». ABL. Geschehnis, n.;
Ereignis, im 19. Jh. neu auftretend, aber
schon im 15. Jh. geschanuß «Schickung»
(Diefenbach gl. 186^); dazu nndl. geschiedenis
n. «Geschichte» (s. d.).
Gescheid, n. {-es, PI. -e): Trockenmaß
von ^/g^ Malter oder ^/g Metze. Am Mittel-
rhein, in Oberhessen, Schwaben. 1494 in
Weist. 6, 44 geschaide n., wohl eins mit ahd.
geskeite n. «Teilung, Scheidelinie, -punkt»,
mhd. gescheide n. «Grenze» neben ahd. gascait,
gisceid m. «Unterscheidung, Ab-, Einteilung»
und sceit m. «Scheidung, Trennung». Von
scheiden (s. d.).
Gescheide, u. {-es, PI. -e): Gedärm des
Wildes. Weidmännisch, 1721 bei Jablonsky,
1727 bei Hübner. Von scheiden (s. d.), eig.
«das aus dem erlegten Wild Auszuscheidende
oder Auszuwerfende».
Geschein, n. {-s, PI. -e): am Weinstock,
erscheinende Traubenknospe. Rheinisch (1838
bei Weber öc. Lex.) wie gleichbed. Schein m.
In der Bed. «Geschlechtsteil» 1585 in Ai'i-
stoteles Probl. 111^.
gescheit, adj.: gesunden Menschenver-
stand habend, sowie diesem entsprechend,
geistig scharf, schnell und gewandt. Bei
Luther gescheid und geschiede, 1488 gescheit
(Städtechron. 3, 142, 7), mhd. geschide. Von
scheiden (s. d.), also urspr. «geistig sondernd,
geistig durchdringend». Aus falscher Ab-
leitung seit dem 17. Jh. gescheut, 1663 bei
Schuppius 1, 550, noch bei Lessing 1, 319
und Schiller Räuber 5, 1. Davon Gescheit-
heit, f., 1716 bei Ludwig.
Gesclienk, n. (-es, PI. -e): freiwillige
Gabe. Unverkürzt Geschenke n. bei Geliert
3, 83, Rückert 1, 147. Md. im 14. Jh. ge-
schenke n. in heutiger Bed., im 12. Jh. aber
neben gcschinke n. «Eingeschenktes». Sub-
stantiv von schenken (s. d.),
Geschichte, f. (PI -n): was (von selbst-
tätigen Wesen) geschieht; Folge und Inbe-
gi'ifi' geschehner Dinge; Erzählung von Ge-
schehnem (im 15. Jh. geschieht f. Städtechron.
5, 175, 30, abstrakt 1644 bei Moscherosch
697
Geschick
Geschlecht
698
Philander 804), Mhd. geschult und ahd. ge-
seiht f. «Schickung, Zufall, Ereignis, Vorgang»,
im Älhd. auch «Angelegenheit, Sache, Ding,
Zukommendes, Eigenschaft, Weise», im j.
Titurel 4220, 1 geschichte f., woneben md. im
14. Jh. geschichte n. «Begebenheit», nmd. ge-
schieht f. und n., auch bei Luther Geschieht
n, und f., seit dem 17. Jh. gewinnt das Fem.
Geschichte die Oberhand mit dem PI. Ge-
schichten, der sich zuerst 1507 bei Wilwolt
V. Schaumb. 5 u. 113 nachweisen läßt, aber
noch bei Lohenstein Soph. 7, Günther 170,
Brockes 2, 261 der PI. Geschichte. Zusammen-
gesetzt mit ahd. seiht (nur in Zusammensetz.),
mhd. scliiht, md. Schicht f. «Schickung, Er-
eignis, Begebenheit, Sache, Eigenschaft, Ord-
nung, Reihe» (s. Schicht), einer Ableitung
von ahd. seehan «geschehen» (s. d.). Davon
igeschichtlich, adj.: historisch, 1691 bei
Stieler, aber' mhd. das Adv. geschichteeUchen
«zufällig». ZUS. Geschichtsbuch, n.: Hi-
storienbuch, mhd. im 14. Jh. geschichte-, ge-
schichtbuoch n. (Walther v. Rheinau 2, 20 fg.).
Geschichtschreiber, m., 1414 bei Diefen-
bach gl. 279^ geschichtschriber.
Geschick, n. (-es, Pl.-e): höhre Schickung,
Schicksal (fmhnhd., z. B. bei Luther); rechte
Art, wie sich eins zum andern ordnet, dann
rechte Art sich leicht worein zu finden, gute
Angemessenheit zu gesellschaftlichen Verhält-
nissen; wiederholtes Hin- und Herschicken
(1741 bei Frisch, aber schon 1535 bei Micyllus
Tacitus 52^ Geschick n. «Geschenksendung»), i
Mhd. geschicke n. «Anordnung, Vermächtnis, :
gute Beschaffenheit und Gestalt des Leibes, i
Benehmen», Tondi. geschieh n., 1429 bei Diefen- 1
bach nov. gl. \%Q^ geschickt «höhre Schickung». '
Von schicken. ABL. geschicklich, adj. : ;
geziemend, geeignet, geschickt, älternhd. im ;
16. Jh. und noch bei Goethe 50, 63; davon
Geschicklichkeit, f.: Fähigkeit, bei Luther
1, 379^, am Ende des 15. Jh. auch «gute
Beschaffenheit, Faßlichkeit».
• geschickt, adj.: paßlich beschaffen; der
guten Sitte gemäß. Ursprünglich Part. Pass.
von schicken (s. d.). Mhd. grescÄücÄe^ «passend*,
doch zuerst «geordnet, bereit, gerüstet, fertig,
gestaltet».
Geschiebe, n. {-s, PI. wie Sg.): durch
Wasser fortgeschobne Gesteintrümmer, Ge-
röll. 1601 bei Uttmann Bergbericht 29 Ge-
schieh, 1562 bei Mathesius Sar. 140 -"^ Geschiebe,
1557 bei Agricola Bergwerk Index 29* Ge-
schuhe. Zu schieben (s. d.).
Geschirr, n. (-es, PI. -e): Werkzeug jeder
Ai't zum Gebrauche; Gesamtheit der Gefäße;
Bespannung des Wagens und dieser selbst
(spätmhd. im 14. u. 15. Jh.). Mhd. geschirre,
ahd. giscirri n. «Werkzeug, Gerät, Gefäß»,
im Mhd. auch «Geschlechtsglied», bes. das
männliche. Von schirren (s. d.). Da das
Wort isoHert steht, ist eine sichre Anknü-
pfung nicht möghch. Es könnte zu scharren
(s. d.) gehören. BA. gut Geschirr machen:
«ausgelassen lustig sein, gut empfangen und
bewirten», nhd. vom Ende des 15. bis ans
18. Jh. umgedeutet aus gleichbed. franz. faire
honne chere, zu afranz. chiere, span.-prov.
cara f. «Gesicht, Antlitz, Mene» (das auf
gr. Kdpa f. «Haupt, Anthtz» zurückgeführt
wird), woher auch mndl. goede sier, goed
chiere (eiere) rnaken und nhd. 1507 bei Wil-
wolt V. Schaumb. 154 guet schier machen,
noch kurhess. icunderliches Gesehirr machen
«seltsam reden oder handeln», schles. das
macht ein böses Geschirr, d. h. «böses Blut».
geschlacht, adj.: geartet; gut geartet,
gleichartig, fein, edel. Mhd. geslaht, ahd.
gislaht «zugehörig» zu ahd. slahfa f. «Ge-
schlecht» (s. d.).
geschlank, adj.: ebenmäßig lang und
biegsam. 1566 bei Mathesius Luther 168, 22
Neudr., noch bei Voß und Lichtwer. Xeben-
foi-m geschlang 1597 bei Colerus Hausb. 10, 4.
Zusammenges. mit schlank (s. d.).
Geschlecht, n, (-es, PI. -er) : die Gesamt-
heit der von einem Wesen Herstammenden,
Familie, Nachkommenschaft; Adelsfamilie
(Lessing Nathan 2, 7), Adel (Goethe 3, 164,
schon um 1400 bei Liliencron Volksl. 1, 167);
Gesamtheit der Menschen in einem Zeitalter,
Generation (14. Jh. im Cod. Tepl. Matth. 11,
16): Menschenklasse (Schiller Picc. 5, 1, schon
ahd.); der natürliche Geschlechtsunterschied,
das männliche mid weibliche Geschlecht Tnihd.) ;
das grammatische Geschlecht der Wörter (als
Übertragung des lat. geyius n. 1640 bei Schottel
im Erzschrein 250); Art, Gattung überhaupt
(mhd.). Unverkürzt Geschlechte n. noch bei
Schubart 2, 80, ühland 144 u. 264. In der
1. Bed. mhd. geslehte, geslähte, gesieht, ahd.
gislahti n. (für ältres kunni n., s. unter König),
auch «natüi'liche Eigenschaft, angebome Be-
schaffenheit». Kollektiv von ahd. slahta f.
und slaht n., mhd. slahte f. «Art, Geschlecht,
Nachkommenschaft, Verwandtschaft», abge-
leitet von ahd. slahan in der Bed. «arten,
nachschlagen» (Notker Boeth. 122, 132 näh
699
Oeschlinge
Geschoß
700
tien foräeron slalian). Der Phiv. uilid, ge-
slehte, bei Tiuther GescUechte und so noch
Günther 437, Klopstock Mess. 1, 110, aber
bereits im 16. Jh. Geschlechter (Zimm. Chron. -
3, 211, 41, Fischart Garg. 31). ABL. GrC-
SChlechter, m. {-s, PI. wie Sg.): reichs-
städtischer Patrizier, 1507 bei Wilwolt v.
Schaumb. 107, von geslaht n. «ratsfähige Pa-
trizierfarailie» (1386 bei Mone Zeitschr. 15, 43),
geschlecht n. «Gesamtheit der Patrizierlamilien»
(1517 bei Trochus E3*). geschlechtlich,
adj., 1808 bei Campe. ZUS. Oeschlechts-
register, n., bei Luther Geschlechtregister.
Geschlechtsteil, m., 1794 bei Nemnich
neben Gcschlechtsglled. Geschlechts-
trieb, m., 1775 bei Adelung. Gcschlechts-
WOrt, n.: grammatisch der Artikel, 1640 bei
Gueintz und Schottel im Erzschrein 248 fg.
Geschlechtwort, 1690 bei Bödiker Geschlechts-
wort.
Geschlinge, n. (-s, PI. wie Sg.): der
Schlund des geschlachteten Tieres mit Lunge,
Leber und Herz, welche daran hangen. Md.
1462 geslingk, geslynckt und 1466 gesling im
Cod. dipl. Sax. 2, 8, 339, 1616 bei Henisch
Geschling, aber 1691 bei Stieler Geschlüng,
1716 bei Ludwig Geschlüncke, bayr. Ge-
schlünkel, Geschlunkel n. Das Woi't ist Kol-
lektivbildung zu Schlunk m., einer Neben-
form von Schlund. ,
geschmack, adj.: schmackhaft. Mhd.
gesniac, gesmach, ahd. gisniag, gasmah. Zu
schmecken (s. d.).
Geschmack, m. {-es, PI. Geschmäcke,
burschikos Geschmäcker) : Empfindung mittels
Zunge und Gaumen; Geschmackssinn; das
Schmecken als Eigenschaft eines Dinges (mhd.);
Wohlgefallen (1541 bei Franck Sprichw. 1,
112'' einen Gschmack abgewinnen); Gefühl
für das Schöne (vereinzelt schon 1651 bei
Harsdörffer die Fortpflanzung der Hochlöb-
lich Fruchtbringenden Gesellschaft, mit einer
Rede von dem Geschmack vermehret, allge-
meiner seit Anfang des 18. Jh. der gute Ge-
schmack oder kurzweg Geschmack als Über-
tragung des franz. bon goüt, das sich nach
Span, buen gusto gebildet hatte). In den bei-
den ersten Bed. mhd. gesmac, gesmach, ahd,
gesmah und gismaho m., auch «ausströmender
Geruch» (s. schmecken); dazu mnd. gesmak m.
«Geruch». Zusammenges. roxi Schmack (s. d.).
ZTJS. geschmacklos, adj.: ohne Schmecken
(1716 bei Ludwig); ohne Schönheitssinn (1775
bei Adelung nebst Geschmacklosigkeit, f.).
geschmackvoll, ad,].: guten Geschmack,
Schönheitssinn besitzend, bei Herder.
Geschmeide, n.(-s,Pl, wieSg.): Schmiede-
werk, bes. als Schmuck. Im 15. Jh. gesmeide,
mhd. gesmide, gesmitn . «Metall, sowie daraus Ge-
schmiedetes, Metallgeräte, Metallrüstung, Me-
tallschmuck», ahd. gasmide n. «Metall», mndl.
ghesmyde. Kollektiv von ahd. smida, mhd.
smule f. «Metall», mit langem Stammvokal
wie ahd. smidäri, smeidar m. «Metallarbeiter»
neben smid m. «Schmied» (s. d.). Dazu ge-
schmeidig, adj. : leicht zu bearbeitend ; nach-
giebig gestaltbar (1616 bei Henisch); leicht
nachgiebig. Mhd. gesmidec «leicht zu schmie-
dend», dann «mit Gefälligkeit nachgebend»,
um 1480 im Voc. ine. teut. i3^ geschmeidig
«nachgiebig weich», mndl. ghesmydigh und
ghesmyd. Geschmeidigkeit, f., 1590 bei
Paracelsus Schriften 6, 381.
Geschmeiß, n. {-es): belästigende In-
sekten; dann bildlich von Menschen und als
Schimpfwort (Luther 4, 319^). Unverkürzt
Geschmeiße n. bei Goethe Xenien 240, Schiller
11, 128. Mhd. gesmeide n. «Auswurf aus dem
After, Unrat, Schmetterlings-, Eidechseneier,
Brut». Von schmeißen (s. d, ^).
Geschöpf, n. {-es, PI. -e): geschaffnes
Wesen. Unverkürzt Geschöpfe n. noch bei
Wieland Amadis 168. Bei Luther Geschepffe,
Ge§chepff, 1482 im Voc. theut. m 2^ geschopff,
1515 bei Hüpfuff Voc. 72 » geschopff n. Sub-
stantiv zu mhd. schepfen, scheffelt «schaffen»,
wovon auch älternhd. im 16. Jh. Geschöpft,
Geschöpfde f., mhd. geschephede, geschöpfede,
ahd. gescepheda f. «Schöpfung, Geschöpf» (s.
Geschäft).
^Geschoß, n. (Gen. Geschosses, PI. Ge-
schosse): Waffe, die fortgeschossen wird;
Werkzeug, mit dem man schießt. Mhd. ge-
schog m. n. und geschog n. in beiden Bed., ahd.
gisco^ n. «Wurfspieß, Pfeil»; dazu mnd. ge-
schöt, mndl. geschöt, ags. gescot n. «Wurf-
spieß». AVie das gleichbed. mhd. scho^] schog,
ahd. sco§ n. zu schießen (s. d.). Im Mhd.,
Mnd. und Älternhd. auch in der Bed. «Ab-
gabe, Steuer, Zins», zu schießen im Sinne
von «zuschießen, beisteuern».
"Geschoß, n. (Gen. Geschosses, PI. Ge-
schosse): Stockwerk eines Hauses. Mhd. ge-
schog n., zu schießen in der Bed. »schnell
emporwachsen», woher auch älternhd. Ge-
schoß «Schößling an Pflanzen, Knopf oder
Jahrwuchs an Rohrgewächsen», mndl. gescot
n. «Schößlincr, Stockwerk».
701
geschraubt
Geschworne
702
geschraubt, Part, von schrauben (s. d.)
als Adj.: gekünstelt, eig. künstlich hochge-
dreht. Bei Luther Tischred. 413 % Fischart
Garg. 342.
(ireschrei, n. [-es, PI. -e)-. wiederholtes
Schx-eien; Gerede, Gerücht (um 1480 im Voc.
ine. teut. i3^, bei Schiller Kab. 1, 1). In
der 1. Bed, mhd, geschreie, geschrei, auch
geschreige, ahd. giscreigi n. ; dazu mnd. ge-
schrige n. neben geschricJit m. n., mndl. ghe-
schrey n. Kollektiv zu ahd. screi m. (Gen.
screiges), von schreien (s. d.),
GrCSChÜtz, n. (-es, PI. -e): große, schwere
Schußwaife, Kanone (1512 bei Soltau Volksl.
2,66); Gesamtheit solcher Schußwaffen. Mhd.
geschütze, geschütz, fiiih geschuzze, md. ge-
schütze n. «Schießzeug, Gesamtheit von Schieß-
waffeh, (im 14. Jh.) von Feuergeschützen»,
mnd. geschiitte n. Kollektivbildung zu mhd.
schug, schitz m. «Schuß» (s. d.).
Geschwader, n. {-s, PI. wie Sg.): Reiter-
schar; Flottenabteilung; langgedehnter Zug
von vielen einzelnen. In der 1. Bed. 1537
bei Dasypodius und der PI. Geschiüäder 1532
bei Busteter ernstl. Bericht 29, 36, älternhd.
auch vom Fußvolk; dazn mndl. gheswadder ;
in der 2. Bed. 1775 bei Adelung; in der
3. Bed. bei Schiller Kraniche v. 18 und schon
1575 bei Fischart Garg. 376 ein Geschwader
Merchen (Tauchervögel). Wie mhd. swader
«Heerhaufe», älternhd. Schtvader m. n. und
mnd. swade, Schwade m., geswat n. «Reiter-
schar», entlehnt aus ital. squadra, span. es-
quadra f. «Viereck von Reitern, Rotte», ui'spr.
«Winkelmaß», franz. escadre, älter esquadre f.
«Flottenabteilung», von ital. squadrare «vier-
eckig machen» (s. Eskadron, Schwadron).
Geschwätz, n. (-es, PI. -e): wortreiches
oder trauliches Gespräch; gehaltloses Spre-
chen. Mhd. geswetze n. Zu schivätzen (s. d.).
geschwätzig, adj.: gesprächig, schwatzhaft,
bei H. Sachs Fab. 348, 8 geschiveczig , zu-
sammeng. mit spätmhd. swetzic (s. schwätzig) ;
davon Geschwätzigkeit, f., 1577 bei Fischart
Flöhh. 0 7^ V. 1292 Gschwetzigkait.
geschweige, konj.: abgesehen von, um
wieviel mehr, eig. ich schweige still in Be-
treff, lat. ne dicam. 1517 im Teuerdank 109,
81 geschiveig, bei Luther geschweige, geschweig
neben schweige, schweig und ich geschweig,
im 15. Jh. im Buch der Beispiele der alten
Weisen 148, 27 ich geschwyg als steigernder
Zusatz. Von dem intrans. Zeitwort älternhd.
geschtveigen, mhd. gesungen, ahd. giswigen und
gisiüigan «stillschweigen, stumm sein». Dazu
transitiv geschweigeu, V. (Prät. geschweigte,
Part, geschweigt): schweigen machen, zum
Schweigen bringen, mhd. gesweigen, ahd. gi-
siveigan u. gesweigen, gesweigön (s. schtveigen).
geschwind, adj. : in kurzer, selbst kürzester
Zeit sich fortbewegend. Um 1480 im Voc.
ine. teut. k 4*> geschwinde, mhd. gesivinde
«kühn, ungestüm, schnell», im altern Nhd.
auch «klug, schlau, arglistig». Zusammenges.
mit älternhd. schwind, mhd. sivinde, sivint
«stark, gewaltig, heftig, gescheit, listig, be-
tiügerisch», ahd. in Eigennamen wie Adal-
sivind, Irminswinda; dazu asächs. swüti, swiä,
ags. swlp «stark, heftig», anord. smnnr «klug,
verständig», auch «starkströmend», got. swinßs
«stark, kräftig, gesund» und in Eigennamen,
z. B. Reccasuinth, Amalasuintha. Vielleicht
verwandt mit air. fetaini, setaim «ich kann».
Der Vergleich mit lit. sventas, abg. sv^tu,
aw. spanta- «heilig» (Johansson Btr. 15, 238)
hat eine Parallele an gi\ iepöc «heilig», aind.
isiräs «kräftig». ABL. Geschwindigkeit,
f.: Schnelligkeit, 1516 bei Pinicianus N4*^,
älternhd. im 16. Jh. auch «Ungestüm, Klug-
heit, Schlauheit».
Geschwister, n. {-s, PI. wie Sg.): Kin-
der von einerlei Eltern. Mhd. geswister PI.
«Schwestern», dann mit Einschluß der «Bini-
der», ebenso ahd. und asächs. gisivester PI.
«leibliche Schwester», mhd. geswester, ags. ge-
sweostor, eine alte Plui'albildung zu Schwester,
genau wie Gehrüder (s. d.). Jedoch später
als Kollektiv von Schivester aufgefaßt, daher
im Sing, als Neutr, sowohl von der Gesamt-
heit der Binider und Schwestern (im 16. Jh.
bei Schweinichen 2, 202, bei Lessing Natham
1, 2) als von einzelnen Personen (Weist, 1,
654 von 1384, beim j. Goethe 1, 261). Mit
andrer Bildung mhd. der PI. gesiüisterde, ge-
swistride (noch Schweiz, Gesehwisterte , Ge-
schwüsterte^ und das Neutr, gestvistergit, meist
im PI. gesivistergide. ABL. geschwister-
lich, adj., 1514 bei Keisersberg Eschenginidel
a3^ geschwiisterlich. ZUS. Geschwister-
kind, n., 1429 im Liber ord. rer. 5^ ge-
stvisterchind , neben mhd. gesivisteride kint,
gesivistergidkint ; ander Geschwisterkind «deren
Großeltern Geschwister waren», bei Luther
Tischred. 315 ^
Geschworne, m. (-n, PI. -n) : eidlich wozu
Vei-pflichteter. Mhd. gesworne m., die schwache
Form von mhd. gesivorn, Part. Prät. von
schwören (s. d.). ZUS. Geschwornenge-
703
Geschwulst
Gesind
704
rieht, n.: Scliwurgericht, gleich nach An-
fang des 19. Jh. für engl, und franz. jury.
Geschwulst, f. (PI. Geschivülste): krank-
haft geschwollne Köi-perstelle. Mhd. geswulst,
ahd. gisivulst f. Von schwellen (s. d.).
Geschwür, n. {-s, PI. -e) -. eiternde Köri^er-
stelle. Bei Luther 3. Mos. 13, 10 u. 28. Neben-
form zu älterahd. Geschwär (noch bei Lessing
7, 282), mhd. geswer, ahd. giswer n. Von
ftchwären (s. d.).
geseglieil, v.: zum Wohl, zum Gedeihen
werden lassen; Abschied nehmend segnen oder
mit Anwunsch von Wohlergehen verlassen
(Tobias 5, 24), überhaupt Abschied nehmend
verlassen. Mid. gesegenen, gesegen, in diesen
Bed, rad. geseinen, ahd. giseganon «segnen,
einsegnen», zusammenges. mit segnen (s, d.).
Geseier,n. (-s): unnützes Gerede, schelten-
des Geschrei, Wirrwarr von Stimmen. Aus
dem Judendeutsch, von hebr. gezerä «Be-
hauptung, (erregte) Disputation».
Gesell, m, (-en, PL -en), unverkürzt Ge-
selle: Mit- und Gleichtätiger; ausgelernter
Handwerksgehilfe. Mhd. geselle, ahd. giselljo,
gisello m. urspr. «Saal-, Hausgenosse», dann
«Gefährte, Freund», im Mhd. auch «Freundin,
Geliebte, Standesgenosse, Partner», im 14. Jh.
«Hilfsgeistlicher, Handwerksgesell» (neben
älterm knecht, knappe). Abgeleitet von Saal
(s. d.). Davon gesellen, V., mhd. gesellen,
ahd. gisellan «zum Gefährten machen», ge-
sellig, adj.: zu Verbindung und Umgang
gern geneigt, mhd. gesellec «zugesellt, ver-
bunden, nach guter Kameraden Art freund-
lich, lebenslustig». Geselligkeit, f., mhd.
gesellekeit, gesellikeit f. «das freundschaftliche
Verhältnis der Genossen zueinander, höfisches
Betragen». Gesellschaft, f., mhd. geselle-
schaft, geselschaft f. «Genossenschaft, freund-
schaftliches Verbunden- oder Beieinandersein,
Freundschaft, Liebe, Gesamtheit der Gäste»
(Tristan 585), «Handelsgenossenschaft» (Ber-
thold V. Begensb. 1, 216, 26), ahd. gisellascaf,
giselliscaft f. «Genossenschaft»; dazu mnd.
geselschop, mndl. gheselschap. In der Bed.
«das Menschengeschlecht in seiner sozialen
Ordnung» 1482 bei Melber Bb5^ societas
humana, bürgerlich geselscJiafft , im 18. Jh.
allgemeiner geworden als Übertragung des
franz. societe f. Gesellschafter, m.: Mit-
glied einer Handelsgesellschaft (1560 bei
Diefenbach-Wülcker 616); guter Unterhalter
(1691 bei Stieler), gesellschaftlich, adj.,
1716 bei Ludwig.
Gesetz, n. (-es, PI. -e)-. zur Befolgung
Festgesetztes. Unverkürzt Gesetze n. bei
Geliert 1, 46. Mhd. gesetze n., mit den Neben-
formen gesatz n., gesalzt f. n., gesetzede n. f.,
ahd. gisezzida f.; dazu mnd. gesette und ge-
säte n. Von setzen (s. d.). ABL. gesetz-
lich, adj., Anfang des 15. Jh. gesetzlich bei
Diefenbach gl. 322 c. ZUS. Gesetzbuch,
n., bei Luther, gesetztpuch 1327 in Nürnb.
Pol.-Ordn. 22, gesatzbüch in St. Galler Stadtb.
des 14. Jh. Gesetzgeher, m., zu Anfang
des 15. Jh. gesetzgeber bei Diefenb. gl. 323^.
gesetzmäßig, adj., 1691 bei Stieler, gesatz-
mäsig 1581 bei Fischart Bienk. 208^.
gesetzt, Part, von setzen (s. d.) als Adj.:
ruhig, ernst, 1751 bei Klopstock Mess. 4, 614.
Schon mhd. gesetzen bedeutet «sich setzen
machen, beruhigen, stillen». In der Bed.
«vorausgesetzt, den Fall gesetzt» mit folg.
Nebensatz 1607 bei Sattler Phraseologey 216,
gesetzt daß 1612 bei Albertinus Lustg. 215^.
Gesicht, n. {-es)\ Sehkraft; (PI. -e): Bild
der Einbildungskraft; (PI. -er): Vorderseite
des menschlichen Kopfes. In den beiden
ersten Bed. mhd. -ahd. gesiht f., md. gesichte,
gesicht n., auch «Ansicht, Anblick», im Mhd.
auch «Aussehen, Gestalt»; in der Bed. «Ant-
litz» 1494 bei Brant Narr. 92, 60 gsiecht
und schon einmal ahd. gesiht in der St. Galler
Hdschr. von Notkers Ps. 104, 4, der Plur.
Gesichter 1520 bei Keisersberg Narrenschiff.
Dazu and. gisiht f. «Ansehen, Anblick», mnd.
gesichte n. «Anblick, Aussicht», mndl. ghe-
sicht n., ags. gesiht, gesihp f. «Sehkraft,
Traumgesicht, Anblick». Von sehen (s. d.).
ZUS. Gesichtskreis, m., 1648 bei Zesen
Dögens Baukunst. Gesichtspunkt, m.:
der Standpunkt des Beobachters, im 17. Jh.
bei Leibniz, 1538 bei Dürer Underweisung
K2'' des gesichts pwickt, nach m\at. punctum
Visus. Gesichtszug, m., 1753 bei Lessing
3, 386 der PI. Gesichtszüge.
Gesims, n. (-es, PI. -e): vorstehender
Rand an Bauwerken usw. Md. im 14. Jh.
gesimse n., Kollektiv von Sims (s. d.).
Gesind, m. (-es, PI. -e), nur im gewöhn-
lichen Leben ein zu Hausdienst Dienender
oder eine solche Dienende. Bei Goethe 6, 128.
Mit starker Flexion mhd. gesint, ahd. gasint,
asächs. gislct, ags. geslp m., schwachbiegend
mhd. gesinde, ahd. gisindo m. «Gefolgsmann,
Gefährte», im Mhd. auch «Hausgenosse», eig.
«Weggenosse», anord. sin7ii, got. gasinpja,
-gasinpa m. «Reisegefährte». Abgeleitet von
705
Gesindel
Gespenst
706
ahd. sind m. «Reise, Heereszug», asächs. sid,
ags. siß m. «Reise, Weg», anoi'd. sin7i n., got.
sbips m. «Gang, Mal», urverwandt mit air.
set, bret. hent, akymr. hint «Weg». Das
Kollektiv zu Gesind m, ist Gesinde, n. (-s,
PI. wie Sg.): Dienerschaft, bes. die niedrige
des Hauses. Mhd. gesinde n. «Dienerschaft,
Hofdienerschaft, Gefolge», ahd. gisindi n.
«Reisegefolge, bes. bewaffnetes»; dazu asächs.
gesiäirx. «Gefolg-, Gesellschaft, Hausgenossen-
schaft, Volk», ags. ges'ip n. «Gefolgschaft».
ZUS. Gesindestube, f.: Stube für die Haus-
dienerschaft, bei Grimmeishausen Simpl. 57
Gesind-Stuhe.
Gesindel, n. {-s, PL wie Sg.): schlechte,
verachtete Leute. Kollektiv von Gesinde
(s. d.), mhd. gesindelin n. «Reisegefolge», bei
Luther Gesindlin «Hausgenossenschaft», dann
«Leutchen, Völkchen», verächtlich 1550 bei
Alberus Fai). 20, 59 loß Gesindlin, bei Kirch-
hoff Wendunm. 5, 9ß roh wild umst Gesindle,
1734 bei Steinbach Gesindel.
gesinnen ayi einen, v.: ihn darum an-
gehen. Mit Akk. oder einem Satz. Im
Kanzleistil, höflicher als befehlen und vor-
nehmer als bitten (vgl. ansinnen). Schon
mhd. an einen etwa^ gesinnen. Ahd, gisinnan
«eine Richtung nehmen, gehen, reisen», dann
«seine Gedanken worauf richten, woran denken,
wonach streben», mhd. gesinnen «worauf
denken, begehren, verlangen». Zusaminenges.
mit sinnen (s. d.). Im Part. Prät. gesonnen
sein « entschiednen Sinnes und Willens sein,
im 17. Jh. bei P. Fleming 77. gesinnt,
partizip. Adj. zu Sinn (s. d.): den Sinn, die
Entschließung habend. Mhd. gesinnet «mit
Weisheit imd Kunst begabt», dann «eine Ge-
sinnung habend». Gesinnung, f., 1751 bei
Ficssing 3, 244. Davon gesinnungstÜchtig.
Schlagwort seit den vierziger Jahren des 19. Jh.
Vgl. Ladendorf.
gesittet, Part, als Adj.: Sitte habend,
besonders gute; guter Sitte gemäß. Mhd.
gesitet «geartet, nach Übhchkeit gewohnt»,
ahd. gasitöt «gehörig eingerichtet oder ge-
ordnet, angeboren», Part. Prät. von ahd. sitön,
gasitön «einrichten», got. sidön «sich als Sitte
aneignen, üben», dazu mnd. gesedet. Mit
mhd. gesitet mengte sich das ebenfalls von
Sitte abgeleitete Adj. mhd. gesife, gesit, ahd.
gesit «geartet, gewohnt». Gesittung, f., bei
Campe unter Zivilisation Nachweis von 1773.
gesonnen, s. gesinnen.
^Gespan, m. (-s, PI. -e)-. Gefährte; Mit-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
I geselle, Mitknecht. Mhd. gespan m. «eng-
I verbundner Genosse». Nicht zu dem in
Spanferkel (s. d.) vorliegenden Span «Mutter-
brust» gehörig (wie mkdi. spi'ninehruoder, ahd.
spunnipruoder «^Milchbrader» zu mhd. spünne,
ahd. spunni f. n. «Mutterbrust»), sondern aus
der Sprache des alten Fuhr- und Fracht-
wesens weiter verbreitet, eig. «der die gleiche
Spannarbeit Vemchtende», da zur Bedienung
eines Fi-achtwagens mindestens zwei Mann
j nötig waren (1540 bei Alberus dict. Hh3*
' Gespan «öuörexvoc, carpentarii vocabulo Ge-
span se invicem salutant», als Bezeichnung
des Fuhrmanns 1557 beiWaldis Esopus4,73,21,
Mathesius Luther 1566 S. 438, 6 Neudr.,
; Fischart Gai'g. 458 usw.), dann überhaupt
Mitgesell in einem Handwerk (Eulenspiegel
Kap. 39). Anders got. gajukö m. «Genosse»,
eig. «der Mitangespannte».
"Gespan, m. (-s, PI. -e) : imgarischer Be-
zirksoberster. Aus magyar. ispan, das dem
slav. ziipan «Burggraf» entnommen ist. Da-
von Gespanschaft, f.: einem Gespan unter-
gebner Bezirk, 1695 bei Ziegler tägl. Schau-
I platz der Zeit S. 1430 ^ Spanschaft 1691 bei
Stieler.
Gespänge, n. (-s, PI. wie Sg.): Spangen-
I werk, mhd. gespenge n., Kollektiv von Spange
(s. d.).
Gespann, u. (-es, PI. -e): vor ein Fuhr-
werk zusammengespannte Tiere. 1541 bei
Franck Sprichw. 2, 131^ Gespan neben um-
gelautetem Gespan 2, 10^, dazu clevisch 1477
gespenne «perde:>. Von spannen (s. d.).
Gesparr(e), Gespärre n. (-s, PI. wie Sg.) :
Sparren werk, Gebälk. ^Mhd. gesperre, ahd.
gisperri n., Kollektiv von Sparre^i (s. d.).
Gespenst, n. {-es, PI. -er): Truggebüde,
bes. geisterhaftes; umgehender abgeschiedner
Geist. ]Srhd. gespenste n. «Trugbild», bes.
«teuflisches», neben mhd. gespanst, gespetist f.
«Lockung, Verlockung, Trug, Phantom, Gei-
stererscheinung», ahd. gispanst f. «Lockung».
Dazu and. gispensti n., mnd. gespenst n. «Ver-
lockung». Abgeleitet von ahd. spanst, mhd.
spenst f. «Verlockung», mhd. spanen, zu ahd.
spanan «locken, reizen», and. spanandelik
«lockend», das zu gi\ cirdeiv «ziehen» gehört.
In der Bildung ist lat. Abi. {mea) sponte f.
«freier Wille, Antrieb» verwandt. ABL.
gespenstig, adj.: unheimhch, geisterhaft,
bei Goethe Faust 9980, aber mhd. gespenstec
«verführerisch», ahd. spenstig «verlockend».
gespenstisch, adj., bei Schiller 13, 176.
707
Gespiele
Gestein
708
Gespiele, m. (-n, PI. -n): Spielgenosse,
insbes. in der Jugend. Mid. gespile, gespil m.,
mndl. ghespele. Von Spiel (s. d.). Dazu
Gespielin, f., 1587 bei Mathesius Diluvium
420 ** Gespilin, für mhd. gespile, gespil f.
Gespilde, n. (-s) und Gespilderecht, n.:
das Vorkaufsrecht des Nachbars an früher zu-
sammengehörigen, später abgespaltnen Grund-
stücken. Thüring.-westfälisch. Bei Musäus
Volksm. (1826) 4, 54 Gespilde n., ebenso 1491
in den Rastenberger Statuten § 46. Zu spalten
(s. d.), vgl. gespült Gilt «pars praedii divisi»
bei Frisch 2, 289 '^ und das mhd. Adj. u. Adv.
zwispilde «in zwei Teile geteilt, zvv^iefach».
Gespinst, n. (-es, PI. -e): Gesponnenes.
Mhdi.gespiinst n. und f., neben spätmhd. gespünn,
mnd. gespin n., im 15. Jh. auch gespinß n.
Gespons, m. n. {-en, PI. -en): der Bräuti-
gam, die Braut. Veraltet. Spätmhd. gespwitze,
gespunse, gesponse m, und f., aus lat. sponsus
m. und sponsa f. «der, die Verlobte».
Gespött, n. (-es, Pl.wieSg.): vieler, wieder-
holter Spott. Mhd. gespötte, gespöt, md. ge-
spote n., Kollektiv von Spott (s. d.).
Gespräch, n. (-es, PI. -e): Unterredung.
Unverkürzt Gespräche n. bei Lessing 1, 212.
^Ihd. gesprceche n. «Sprach vermögen, das
Sprechen, Besprechung, Unterredung, Bera-
tung», md. gespreche, ahd. gisprächi n. «Bered-
samkeit, Rede», dazu mnd. gesprake, gespreke,
mndl. ghespraeck n. Abgeleitet aus Sprache
(s. d.). Davon gesprächig, adj., mhd. im
12. Jh. gesprechig (Sumerl. 8, 40), aber meist
mhd. gespr(ßche, md. gespreche, ahd. gisprächi
«beredt», wie noch oberd. und md.
Gest, f.: Hefe. Aus dem Nd., s. Gäscht
Gestade, n. (-s, PI. wie Sg.): Lahdrand
eines größren Gewässers. Im 17. Jh. Gestade
(Fleming 76), mhd. gestat n., zusammenges.
mit mhd. stat m. n. «Ufer» (s. Staden).
gestalt, adj.: beschalFen, im Äußern vor
Augen stehend. Bei Lichtwer Fabeln 1, 9,
ferner in der Wendung hei so gestalten Sachen
(Wieland, . Schiller usw.) und in Zusammens.
wie wohl-, ungestalt, feingestalt (Goethe 2, 143),
schöngestalt (Schiller eleus. Fest .36). Mhd.
gestalt (auch wolgestalt, ungestalt), ahd. gistalt
«beschaffen, eingerichtet» (auch ungistalt «häß-
lich»), mnd. gestalt, eig. Part, von stellen (s.d.).
Aus dem Adj. bildete sich das Subst. Gestalt,
f. (PI. -en): das Äußere, wie ein Ding sich
vor Augen stellt und eingerichtet ist. Mhd.
gestalt f. «äußres eigentümliches Aussehen,
Beschaffenheit», im 14. Jh. auch «der Träger
der Gestalt, Person» (Megenberg 470, 18);
dazu mnd. gestalt n. f. «Beschaffenheit, Ver-
hältnis». Vgl. dergestalt. Von Gestalt abge-
leitet gestalten, V. : bilden, formen, 1537 bei
Dasypodius, refl. 1525 bei Zwingli Touf f 2^;
Gestaltung, f., bei Dasypodius.
geständig, adj.: zugestehend, einräumend.
Bei Luther 1, 344'' gestendig. Mhd. gestendec
«beständig, unveränderlich, beistehend», dann
«zustimmend, einwilligend» (Haltaus 690 vom
J. 1326). Abgeleitet von mnd. gestant n.,
altjülisch gestant m. «Geständnis, Bekenntnis»
zu gestehen (s. d.). Dazu Geständnis, n.,
1663 bei Schottel 376** aus Carpzov 1638.
Gestänge, n. [s, PI. wie Sg.): im Bergbau
Stanzenwerk zum Auspumpen desWassers usw.
(1562 bei Mathesius Sar. 145^), sowie das
Schienengleis für die Förderkarren im Schacht
(1408 im Schladminger Bergbrief). Kollektiv
von Stange (s. d.).
Gestank, m. (-es, PI. Gestänke): übler
Geruch. Mhd. gestanc m. (PI. md. gestenke),
zusammenges. mit Stank (s. d.), als dessen
Kollektiv mhd. gesfank n. (Megenberg 163, 23),
im 16. Jh. Gestänck, Gestenck n.
gestatten, v.: stattgeben, geschehen lassen.
Mhd. gestaten, ahd. gistatön, zusammenges.
mit ahd. statön '< einen Standpunkt, festen
Stand geben», dann «zulassen», abgeleitet von
ahd. stata f. «Standpunkt, bequemer Ort oder
Zeitpunkt, gute Gelegenheit». S. Statt.
Geste, f. (PI. -n): ausdrucksvolle Hand-
oder Körperbewegung. Um 1500 bei Diefen-
bach gl. 261 ^' gesten machen, von einem Gaukler
oder öfifenthchen Spaßmacher, ebenso 1495
in der Kölner Gemma J8^, dazu ndl. 1598
geste. Aus lat. gestus m. «Gebärdenspiel der
Redner und Schauspieler», eig. die Art, wie
man den Leib trägt, von lat. gerere «an sich
tragen, vemchten».
gestehen, v.: sich stellen, insbes. zu-
sammenrinnend fest oder dicklich werden
(im 14. Jh. bei Megenberg 81, 17 u. 477, 28);
ein Bekenntnis ablegen, eig. aussagend hin-
stehen. Mhd. gestän, gesten, ahd. gistantan,
gistän «stehen bleiben, sich stellen, stand-
halten, beistehen, zugestehen, bekennen, zu
stehen kommen, kosten»; dazu asächs. gistan-
dan, gistän «feststehen, zukommen, wider-
fahren, gereichen», ags. gestandan «stehen,
standhalten, sich wogegen erheben».
Gestein,' n. (-s, PI. -e): Steinmasse, Ge-
birgsart (1562 bei Mathesius Sar. 63*» Ge-
steine n.). Mhd. gesteine n. «die Edelsteine.
709
Gestell
Gesuch
no
und Schmuck davon», noch dichterisch bei
Rückert. Kollektiv von Stein (s. d.).
Gestell, n. (-S, PI. -e): aufgestellte Vor-
richtung. Unverkiirzt Gestelle n. bei Goethe
1, 178. Mhd. gestelle n. «MühlengesteU,
Rahmenwerk», auch «äußre Gestalt», ahd.
gistelli n. «Zusammenstellung, Stellung, Stand-
ort», Kollektiv von ahd.-mhd. stal m. «Stelle,
Gestell, Stütze», zu stellen (s. d.).
gestern, adv.-. vorhergehenden Tages.
Mhd. gester und gestern, md. gesteren, ahd.
gesteron, gesteren und gestre (auch zusammen-
ges. egestra, egestere «übermorgen»); dazu
mnd. u. ndl. gisteren, clevisch 1477 gisteren,
ags. giestran-dceg, gyrstan-dceg, engl, yesterday
«gestern», got. gistradagis «morgen» (anord.
l gär «gestern, morgen», schwed. igär, dän.
igaar «gestern» geht auf eine Form mit
Länge zurück), also ux^spr. «den andern Tag
von heute -aus». Dazu lat. heri «gestern»,
hesternus «gestrig», gr. x9ec, albg. dje, aind.
hjäs «gestern». ABL. gestrig, adj., mhd.
gest(e)ric, ahd. gesterig, dazu ndl. 1 598 ghisterigh.
Gestikulation, n. (PI. -ew) : Gebärdenspiel,
im 18. Jh. aus lat. gesticulätio f. gesti-
kulieren, V.: Gebärden, Handbewegungen
machen, 1694 bei Xehi-ing gesticuliren, aus
gleichbed. lat. gesticuläri, von lat. gesticulus
m., dem Dim. von gestus m. (s. Geste).
Gestirn, n. (-es, PI. -e): Sternbild, heller
Stern. Mhd. gestirne, gestirn, auch gestirre,
ahd. gistirni und gistirri n. «die Gesamtheit
der Sterne, Konstellation (Zusammenstand)
von Sternen», im Mhd. auch «großer Stern».
Kollektiv von Stern (s. d.).
^gestirnt, partizip. Adj. zu Stern (s. d.):
mit Sternen besetzt, sternvoll. Mhd. gestirnet,
ahd. gestirnöt.
^gestirnt, pai-tizip. Adj. zu Stirne (s. d.):
mit einer Stirne versehen. Äfhd. gestirnet.
Gestöber, n. (s, PI. wie Sg.j: wieder-
holtes Stöbern (s. d.j; Dm-cheinanderstieben.
Md. im 13. u. 14. Jh. gestobere, gestubere n.
«staubauf wirbelnd es Getümmel, Auflauf», im
1 5. Jh. bei Os w. V. Wolkenstein >^r. 78, 5 (Schatz),
gestöber n. «aufwirbelnde Staubmasse».
Gesträuch, n. (-es, PI. -e)-. beieinander-
stehende Sträuche. Unverkürzt Gesträuche
n. bei Bürger 23, Goethe Faust 3892. Md.
im 14. Jh. gestrüche n., im 15. Jh. gestrüch,
1420 bei Diefenbach gl. 501*^ gestreuge. Kol-
lektiv von Strauch (s. d.).
gestreng, adj.: streng (s. d.). Mhd. ge-
strenge «stark, gewaltig, tapfer», als Ehren-
prädikat des Ritterstandes schon um 1300
(bis ins 18. Jh., Schiller Räuber 5, 1, Teil
.3, 3), dann auch in der Bed. «keine Nach-
sicht übend».
Gestrick, n. (-es, PI. -e): Geschling oder
Gewinde von Stricken; Netzgeflecht; Strick-
arbeit. In der 1. Bed. 1590 bei Fischart
Garg, 241, in der 2. Bed. bei Brucker Straßb.
Verordn. 183 von 1425, in der 3. Bed. Ger-
mania 18, 377 (15. Jh.). Kollektiv von Strick.
Geströhde, n. (-s): Strohmenge, Stroh-
gewirre (Goethe 31, 99 u. 145). Bei Luther
Geströde, Gestrod, 1487 in den Tannrodaer
Statuten geströde n. Kollektivbildung zu
Stroh (s. d.), wie gleichbed. mhd. gestrowe,
geströe, ahd. gistraivi, gistrowi n.
Gestrüpp, n. (-es, PI. -e): durcheinander
gewachsenes, rauh hervorstarreudes niedriges
Gebüsch. Im 16. Jh. bei H. Bullinger Refor-
mationsgesch. 3, 87 Gestrüpp, unverkürzt bei
P. Fleming 118 Gestrüpe, bei Goethe 36, 53
Gestrüppe. Kollektiv von mhd. strupfe « strup-
piges Gewächs». Mit verdünntem Vokal bei
Henisch 1616 und Adelung 1775 Gestrippe,
bei Goethe 34, 1, 22 Gestripp. Andrerseits mit
langem Stammvokal (wie mhd. strüp «strup-
pig») und umgelautet Gestreuppig 1616 bei
Henisch, gestreiipich neben gestrüppich 1508
in Weist. 6, 43, 10 ff". Vgl. struppig.
Gestühl, n. (-S, PI. -e): Stulilwerk; Ge-
stell, worauf etwas ruht (bei Luther 1. Kön.
7, 27 fl'.). Mhd. gestüele, gestuole, md. gestüle,
gestöle n. «Stuhlmenge, Stuhl, Thron», ahd.
gastuoli n., Kollektiv von Stuhl (s. d.).
gestunden, v.: xlufschub gestatten, Frist
geben. 1691 bei Stieler. Zusammenges. mit
gleichbed. stunden, von Stunde (s. d.). '
GestÜppe, n. (-S, PI. wie Sg.): fliegender
Staub; Staubähnliches. Mhd. gestüppe, md.
gestuppe n.; dazu mnd. gestubbe n. «Staub».
Kollektiv von mhd. stuppe, stüppe, ahd. stuppi
n. «Staub, Staubähnliches» wie Sand, Asche,
got. stubjus m. «Staub», zu stieben (s. d.).
Gestüt, Gestüte, n. (-s, PI. wie Sg.):
Pflegeort für Zuchtpferde. 1582 bei Fischart
Garg. 280 Gestud, bei Fugger Gestüterey 1 584
Gestüt n., Kollektiv von mhd. -ahd. stuot f.
«Herde von Zuchtpferden» (s. Stute).
Gesuch, n. (-es, PI. -e): angelegentliche
Bitte, insbes. an eine Behörde. 1616 bei
Henisch. Dagegen mhd. gesuoch m., md. ge-
such m. «das angelegentliche Suchen, Auf-
suchen, Spüren auf Wild, Recht des Auf-
j und Besuchens eines Weideplatzes», daim
45*
711
gesnnd
Getrümmer
712
«Erwerb, Gewinn, Geldzins», welche letzteren i
Bedeutungen schon ahd. gisuoch m. hat, bei
Luther Gesuch n, «das Streben nach Gewinn». ■
Das heutige Neutr. ist Substantiv zu suchen
(s. d.), das Mask. der altern Sprache aber j
eine Zusammensetzung mit mhd.-ahd. suoch
m. «das Suchen, Erwerb, Zinsertrag».
gesund, adj. (Komp. gesunder und ge-
sunder, Superl. gesundest und gesundest) : un-
verletzt oder ungestört am Ganzen der natür-
lichen Lebenstätigkeit und Lebenskraft; der •
natüi-lichen Lebenstätigkeit zuträglich oder i
förderlich. IMhd. gesunt in beiden Bed., nur <
in der ersten «unverletzt, heil» ahd. gisunt
und gisunti, asächs. gisund, mnd. sund, ndl.
gezond, afnes. sund, ags. gesund, engl, sound.
Verwandt entweder mit lat. sänus «gesund»
oder mit got. swmps «stark, gesund» (s. ge-
schwind). ABL. gesunden, v., mhd. ge-
sunden, gesunten, tr. «gesund machen, am
Leben erhalten», intr. «gesund werden, am
Leben bleiben », Ahd.gesujiten « gesund machen ».
Gesundheit, f., mhd. gesuntheit f. In der
Bed. «Trinkspruch auf die Gesundheit Jmds.».
1646 bei Philander 4, 206. ZUS. mit dem
mhd.-ahd. Subst. gesunt m. «Gesundheit»:
Gesundbrunnen, m.: Heilquelle, 1595 bei
Welser- Werhchius Augsb. Chron, 13, 81 vom
J. 1551.
Getäfel, n. {-s, PI. wie Sg.): Bretterbe-
kleidung. Mhd. gefevel, n., Kollektiv von
Tafel (s. d.).
Getier, n. (-s, PI. -e): Tierwelt, Tiere.
Mhd. getier n,, Kollektiv von Tier (s. d.).
Getöse, n. (-S, PI. wie Sg.): wiederholtes
Tosen (s. o.) 1537 bei DasjqDodius Getöß,
ndrhein. im 14. Jh. gedoü, gedoys n., mhd.
gedoß^e n, «stai'kes Geräusch, Wasserfall»,
Kollektiv von mhd.-ahd. dö^ m. «Geräusch».
Getränk, n, {-es, PI. -e)-. Trank. Unver-
kürzt Getränke n. bei Goethe Tasso 2890,
Paust 223. Md. im 14. Jh. getrenke n., auch
«Trinkgelage». Dafür mhd. getraue n., auch
bei Luther 4. Mos. 6, 3. Zusammensetzungen
mit Trank (s. d.).
Getratsch[e] , Getratsch [e] , n. (-s):
ausplauderndes Gerede. Beim j. Goethe 2,
385 und Ivindleben 1781. Von tratschen,
tratschen «plaudern, klatschen» (s. d.). Ver-
wandt mit geträsch n. «Geräusch» (15. Jh.
in Städtechron. 5, 106, 15), schles. - Schweiz.
Trasch m. «LäiTn, Geschwätz», Drasch 1531
bei Hedio Josephus Von-.
getrauen, v. refl. {ich getraue mir oder
mich): sich seiner Kraft und des Erfolges
ihrer Anwendung bewußt sein. Mhd. ge-
trüwen. getrouiven, ahd. gatrüen, gitrüwen
«worauf trauen, sich worauf stützen», bes.
«mit Hoffnung des Erfolges, glauben, anver-
trauen, zutrauen», dazu asächs. gitrUön, gi-
trüoian, ags. getreoivan, got. gatrauan «ver-
trauen». Zusammenges. mit trauen (s. d.).
Getreibe, n. {-s): wiederholtes Treiben.
1641 bei Schottel 499. Entsprechend mhd.
getrip n. «Getreibe». Von treiben (s. d.).
Getreide, n. {-s, PI. -e): Mehl gebende
Körnerfrucht. Mhd. getregede, geträgede, ge-
treide n. «alles, was getragen wird, Kleidung,
Gepäck, Last», auch «Gestell zum Tragen,
Tragbahre, was der Erdboden als auf ihm
gewachsen trägt», z. B. Gras, Blumen usw.,
überhaupt «Nahning, Lebensmittel», spätahd.
getragide n. «Einkünfte, Besitz». Von tragen
(s. d.). In der Bed. «Frucht, die der Baum
trägt» 1546 bei Bock Kräuterb. 2, 66^ das
getreid, das sind die runde zepfiin am Bircken-
haum . . . das Erlen getreid. Die Bed.
«KörnerfiTicht» zuerst md.im 14. Jh. getreigede,
getreide n. (Freiberg. Stadtr. Kap. 42, 12 und
49, 15) und von da im 14. und 15. Jh. nach
Oberdeutschland vorgedrungen, auch als Mask.
bayr.-östr. traid und getreid bereits im 15. Jh.
getreu, adj.: treu. Waä. getriuwe, getriwe,
getriu, ahd. gitrimvi, gitrüwi: dazu asächs.
gitrimvi, ags. getreowe. Zusammenges. mit
treu (s. d.). Davon getreulich, adj., mhd.
getrimvelich, ahd. getriuicelih, im Adv. gitriu-
Ucho, mhd. getriuwe-, getruwe-, getrüeltche,
bei Luther getrewlich.
Getriebe, n. {-s, PL wie Sg.): das Be-
treiben, Antreiben wozu; Triebwerk. Tu der
1. Bed. bei Luther, vgl. ahd. anagatrip m.
I «Antrieb»; in der 2. Bed. spätmhd. im 15. .Jli.
getribe n. «Triebwerk der Mühle», im Berg-
' bau 1562 bei Mathesius Sar. 139^ Getribe
«stützendes Holzgeiüst» und 1557 bei Agri-
' cola Bergw. S2^ Getriebe «Räderwerk». Zu
Trieb und treiben (s. d.), vgl. Getreibe.
getrost, adj.: ruhig und zuversichtlich
vertrauend. Mhd. getrost, ahd. gitröst, gidrost;
dazu mnd. getrost, getrosten, v. refl. (mit
j Gen. der Sache): verzichten in ruhiger Zn-
vei'sicht eines Ersatzes. Mhd. getroesten tr.
«zuversichtlich machen», refl. in heutiger
j Bed., ahd. gitrostan «trösten».
Getrünimer, n. (-s): Masse von Ti-üm-
I mern. 1776 bei Bürger 206. Kollektiv zu
1 Trümmer (s. d.).
713
Getto
gewähren
714
Getto, m. n. {-s, PI. -s): Judenviertel.
Aus ital. ghetto m. «Judeagasse», das von
talmudisch ghet «Absonderung» stammt.
Getümmel, n. (-s): verwon-nes unge-
stümes Sich -dui'cheinander- bewegen. Bei
Luther Getümel, Getümele, mhd. getumele,
getmnmele n. Zu ahd. tumilon «sich drehen»,
s. tummeln.
geuden, s. vergeuden.
Gevatter, m. (-s, PI. -n)-. geistlicher ilit-
vater als Taufpate, iihd. gevatere, gevater,
ahd. gevatero m.; dazu mnd. gevadder, mndl.
ghevadere, ags. gefcedera, dem kirchlich-mlat.
compater m. nachgebildet. Die schwache
Flexion des Sg. noch im 17. Jh. Abgeleitet
von Vater (s. d. und vgl. Gote. Pate). Als
trauHche Anrede unter Freunden und Be-
kannten bereits im 15. Jh. (Dekameron 583, 9
K.). Bä. Gevatter stehen: Taufzeuge sein
(im 16. JK bei Ayrer Dramen 2469, 34 K.
zu Gfatter stehn) ; fbüdlich) « vei-pfändet sein»,
burschikos 1744 bei Melissus Salinde 167, zu
Gevattern stehn bei Günther 167, eig. vom
Bürgen gemeint «Bürgschaft leisten» (Gott-
helf Uli d. Pächter 310). ABL. Gevatte-
rin, f., im 15. Jh. gevatterin, gevätterin (De-
kameron 462, 12 u. 17 K.); dafüi- mhd. ge-
vatere, ahd. givatara f., ags. gefcedere f.
Gevatterschaft, f., mhd. gevater schaß f.,
mnd. gevadder schap. ZUS. Gevattersmann,
m.: Gevatter, 1691 bei Stieler Gevattermann,
aber bei H. Sachs Fastnachtsp. 82, 1 ff. Gfatter-
mann «der Ehemann der Gevatterin».
geviert, partizip. Adj.: als regelmäßiges
Geviert (Quadrat) erscheinend, regelmäßig
viereckig. Mhd. gevieret, geviert, ahd. gefierot,
dem lat. quadrätus nachgebildet. Zu mhd.
vieren, das nur in der refl. Bed. «sich zu
Vieren scharen, sich vervierfachen» belegt
ist. Substantivisch ins Geviert, im Geviert
(Viereck, Quadrat), bei Luther ins, im Ge-
vierde. ZUS. Geviertmeile, f.: Quadrat-
meile, von Campe 1808 neugebildet.
Gevögel, n. (-S, PI. wie Sg.): Gesamtheit
von Vögeln; Geflügel. }<lhd. gevügele, gevügel,
gevögele, md. gevugele, gevogele, ahd. gifugili
n., Kollektiv von Vogel (s. d.).
Gewächs, n. {-es, PI. -e): Wachstum,
Art des Wachsens, Wuchs (Lessing 1, 465);
Gewachsnes, Pflanze; Ertrag an und von
Pflanzen (bei Luther); bildlich, Nachkommen-
schaft (Jes. 48, 19); Auswnichs an einem
Körper, bes. einem tierischen (1516 in Städte-
chron. 25, 56, 14 gewechs). Bei Luther Ge-
wechs, Gewechse, mhd.gewehsen. «Gewachsnes,
Pflanze» (nur als letztes GHed in Zusammen-
setzungen), im 15. Jh. gewachs, gewechs n.,
in der Bed. «Wachstum des Holzes» 1506
in der Bamberg. Waldordnung gewächß n.
(östr. Weist. 6, 417, 32): dafür mhd. das Fem.
gewahst, geioähste «Wachstum, Gewachsnes,
Pflanze, Wuchs», ahd. giwahst, giwahsti f.
«Wachstum, Wuchs», Abgeleitet von wachsen
(s. d,), wie gewächsig, adj.: Wachstum
fördernd, fruchtbar, 1604 bei Colenis Hausb.
3, 126 geivechsich, bei Opitz Ps. 65 geivächsig,
noch wetterauisch, daneben bei Colerus 3,
121 getvechsicht in. derBed. «schnell wachsend».
ZUS. Gewächshaus, n., 1712 bei Hübner
Gewächs-Hauß , dafür 1691 bei Stieler Ge-
wächsstube.
gewahr, adj., in gewahr werden: mittels
der Sinne zum Bewußtsein von einem Dinge
usw. kommen. Mhd. gewar werden, ahd.
giwar werdan, asächs. giwar weräan «ansich-
tig, bewußt werden, bemerken», mit Gen.
das Adj. mhd. gewar, ahd. und asächs. giioar
«beobachtend, bemerkend, aufmerksam, sorg-
fältig, vorsichtig, scharfsichtig», ndl. gewaar,
engl, aware, zu mhd. war, ahd. wara f. «das
sorgende Sehen worauf. Acht, Aufmerksam-
keit» (s, wahren, wahrnehmen).
^Gewähr, f. (ohne PI.): das Einstehen
wofür zur Sicherheit. Mhd. geiver f. neben
wer f. (s. Währtnann). Zum Zeitwox-t mhd.
wem, ahd. iceren (s. gewähren).
^Gewähr, n. {-es, PI. -e) und f.: einem
Bergbauer zum Lohne gegebnes Stück Feld,
in bestimmtem Maße 14 Lachter lang und
7 breit (Adelung). 1562 bei Mathesius Sar.
29^ ff. Gewer, Geivehr f. Entweder aus mhd.
gewer f. «Gewährung» hervorgegangen oder
aus mhd. gewere, geioer f. «förmliche Ein-
kleidung, Einsetzung in den Besitz eines
Grundstücks (mlat. investitura f.), Besitzüber-
gabe, rechtskräftig gesicherter Besitz, tat-
sächliche Innehabung desselben. Besitzrecht»,
ahd. geiveri n. «Einkleidung in den Besitz»,
von ahd. giwerjan und icerjan, ags. werjan,
anord. verja, got. wasjan «kleiden, bekleiden»,
urverwandt mit lat. vestlre «kleiden», gr.
^vvucGai aus *FecvucOai «kleiden», aiiid.-aw.
väste «er kleidet sich», armen, z-genum «ziehe
an, kleide mich an».
gewahren, v.: gewahr werden, bemerken.
Mhd. geicarn, zu mhd. icar, ahd. ivara f.
«Aufmerksamkeit» (s. gewahr).
gewähren, v.: für Geltung und zur
715
Gewahrsam
gewarten
716
Sicherheit einstehen (Thümmel Eeise 6, 309) ;
zuteil werden lassen, bewilligend zukommen
lassen; geiüähren lassen: unbehindert tun
lassen. In der 2. Bed. bei Luther geiceren,
1561 bei Maaler geiüären, 1616 bei Henisch
geivehren und gewähren. Mhd. geivern «zu-
gestehen, was einer zu fordern hat, leisten,
bezahlen, durch Leistung wozu bringen, woran
gewöhnen, wofür einstehen, gewährleisten»,
ahd. giweren, giweron, giweran «-leisten», zu-
sammenges. mit gleichbed. mhd. wem, ahd.
weren (auch afries. wera, wara «gewähr-
leisten») woher entlehnt die unter Garant
(s. d.) behandelten romanischen Wörter. Die
weitere Verwandtschaft des deutschen Wortes
ist unklar. Vgl. v. Bahder DWB, 13, 786.
ABL. Gewährung, f., 1616 bei Henisch.
Gewahrsam, m. (-s): Aufsicht, Obsorge;
leichtes Gefängnis; (veraltet) sicherer Aufent-
halt, Wohnsitz (Mathesius Luther 64, 18
Neudr.). Mhd. gewarsame f. «Aufsicht, Sicher-
heit, sicherer Ort, Gefängnis» (1499 bei Halt-
aus 709). Das Fem. bis ins 18. Jh., noch
bei Adelung und Schiller. Zum mhd. (md.)
Adj. gewarsam «vorsichtig, sorgsam», von
gewahr (s. d.).
Gewährschaft, f.: das Einstehen wofür
zur Sicherheit. Mhd. geiverschaft f. «rechts-
kräftig gesicherter Besitz, Innehabung mit
rechtlicher Sicherheit». Zusammenges. mit
Geivähr f. (s. d. 1), ebenso Gewährsmann,
m.: der wofür Einstehende, Bürge, 1663 bei
Schottel 290 G eiv ehrmann , 1691 bei Stieler
Getüärmann neben Wärmann, mhd. tverman
m., noch bei Lessing 4, 90 Wehrmann.
Gewalt, f. (PI. -en): zwingende Macht;
gesetzlose Macht. Mhd. geivalt m. und f.,
im Md. überwiegend f., ahd. giwalt m. und f.
(auch bei Lutber und Henisch 1616 Mask.
und Fem., letzteres in Luthers späteren
Schriften vorwiegend, bei Duez 1664 und
Stieler 1691 nur Fem., aber noch Dornblüth
1755 verlangt das Mask.); dazu asächs. gkcald
f., mnd. geivaU, geweläe f. n., ags. geweald
m. n. Von walten (s. d.) ABL. gewaltig,
adj., mhd. gewaltec, gewaltic, selten geweltic,
md. geiveldic, ahd. giwaltig, giiv eltig, im Adv.
gewaWgo, mnd. geweldich, geivaldich: davon
gewaltigen, v.: unter seine Gewalt bringen,
bewältigen (Goethe Wahlverw. 1, 13 usw.),
mhd. gewaltigen, geweitigen; in der Bed.
«bevollmächtigen» gewaltigen bei Adelung.
gewaltsam, adj., im 15. Jh. in der Rechts-
sprache, mhd. nur in den abgeleiteten Subst.
geivaltsam m. «Macht, Vollmacht» und gewalt-
same f. «obrigkeitliche Gewalt, herrschaft-
liches Gebiet», älternhd. «widerrechtliche
Gewalt» (bei Henisch). Gewaltseligkeit,
f., bei Lessing 7, 135. ZUS. Gewalthaber,
m., fiühnhd. Gewaltstreich, m., 1808 bei
Campe. Gewalttat, f., zuerst 1663 bei
Schottel 1230, dann erst wieder 1775 bei
Adelung, gewalttätig, adj., bei Zesen.
•Gewand, n. {-es, PI. Getcänder)-. anzu-
legendes Kleid; Tuch zu lOeidung. Älhd.
gewant n. «Kleidung, Kriegskleid, Rüstung,
Zeugstoff», ahd. (12. Jh.) nur in iadegiivant;
dazu mnd.-mndl. gewant (entlehnt?), nach
Wunderlich DWB. dasselbe wie ahd. gitvant f.
«Grenze», d. h. Ort, wo man sich wendet.
Völlig verschieden von gleichbed. mhd. ge-
wcete, ahd. giwäti n., dem Kollektiv von wät
f. (s. Wat). ZUS. Gewandhaus, n.: Ge-
bäude zum Verkaufe von Tuch, Leinwand
u. dgl. auf Jahrmärkten und Messen, spätmhd.
und md. 1365 geivanthüs n. Gewand-
SChneider, m.: Tuch- und Leinwandhändler
im Kleinen, Schnittwarenhändler, mhd. ge-
wantsnider m., eig. «Tuchausschneider», ge-
wandsweise, s. quantsweise.
gewandt, adj.: sich leicht bewegend und
helfend. 1678 bei Krämer von Pferden und
Schiffen. Mhd. gewant «angewandt, aus-
schiageud wozu, zuteil geworden, beschaffen,
bewandt, sich verhaltend», (mit Dat. der
Person) «jmds. Verhältnissen angemessen».
Part. Prät. von wenden (s. d.) und gewenden,
mhd. gewenden, ahd. giwentan «umwenden,
umkehren». Davon Gewandtheit, f., 1779
bei Lessing Nath. 3, 4.
Gewann, f. (PI. -en): die aus ähnlich
liegenden Äckern, Wiesen oder Gärten be-
stehende, ein Ganzes bildende Unterabteilung
der Flur. Entstanden (in Westdeutschland)
aus Gewand f., noch in Nürnberg «Acker-
beet», d. h. «Pflugland bis zu den Pflug-
kehren, die seine Grenze bilden», mhd. ge-
wände f. «Acker, Ackerbeet, Grenze, Umkreis»,
aber ahd. giwanta f., giwant m. «Bewandtnis»,
eig. «Wendung»; dazu asächs. giwand n. «Ende,
Zweifel, Bewandtnis». Vgl. Gewende.
gewarten, v.: warten (Schiller, Bürg-
schaft 111). Veraltet. Mhd. ^e?t'arfe?i« worauf
schauen, (mit Dat.) wonach ausschauen, (mit
Gen.) schauend achthaben, sich wessen zu
jmd. versehen, sich bereithalten», ahd. gi-
tvarten (mit Gen.) «sich wessen versehen,
achthaben auf, (mit Dat.) sich bewahren,
717
Gewäsch
gewieft
718
sich hüten». Davon gewärtig, adj.: etwas
erwartend (mit Gen., selten Akk.j; zu Befehl
stehend, zum Dienst bereit fmit Dat.). ^Ihd.
geivertic in beiden Bed. gewärtigen, v.,
bei Lessing Nath. 2, 1.
Grewäsch, jetzt überwiegend gegenüber
Gewäsche, n. (-s, PI. wie Sg.): geist- und
gehaltloses Gerede. Bei Luther Geivesck,
Geivesche n. Von spätmhd. (15. Jh.) waschen, •
weschen «schwätzen» (s. ivaschen). \
Gewässer, n. (s, PI. wie Sg.) : Wasser-
masse, Wasserlauf. Spätmhd. getvezzere n.
Kollektiv von JVasser (s. d.).
Gewehe, n.(-s, PI. wie Sg.): fortgesetztes
Weben ; Gewobenes. In letzter Bed. mhd.
gewebe n., ahd. gaicep, giivebe n. Von ivehen.
Gewehr, n. (-s, PI. -e): Kampfwaffe;
Feuerwaffe; die untern Eckzähne des männ-
lichen Wildschweins, die Hauer (1719 bei
Fleming Jäger 2, 107, dafür 1582 bei Feyer-
abend Weidwerkb. 1, 59 ^ das Gewäff, 3, 88*'
das Geicerf). Mhd. geiver n., gewere f. «Wehr,
Verteidigung, Waffe, Verteidigungs-, Befesti-
gungswerk», ahd. giiver n. «Kampfwaffe,
(Treib-) Stachel». Von Wehr (s. d.). ,
Geweih, n. (-es, PI. -e): die Homer desi
Hirsches. 1562 bei Spangenberg Jagteuffel
Q4* Geweihe n., mhd. gewige. gewihe (Kolm.
Meisterl. 190, 57), auch hir^gewige, hirggewic,
md. hirsgewie n. Urspiünglich «Kampfwaffe
des Hirsches», Kollektiv von mhd. wie m, n., j
ahd. wig, wie m., asächs. wig m., ags. wlg n.,
anord. vig n. «Kampf, Schlacht, Krieg», zu
ahd. ivtgan, mhd. ivigen, ags. wlgan, got.
weihan «kämpfen, streiten». S, ^Getcicht.
Gewende, n. (-s, PI. wie Sg.): Stelle der
Pflugwende oder Pflugkehr, Ackergrenze;
Acker seiner Länge nach bis zur Pflugkehr.
Mhd. gewende f. «Wendung, Abgang» und
gewende n. «Ackermaß einer Landgebreite,
bis der Pflug gewendet werden muß», 1482
im Voc. theut. bb2*' und m6* gewende, ge-
wendt «Maß der Weite, soweit ein Roß läuft»
(roßlauff, Stadium). Ja Ostpreußen ehemals
ein Flächenmaß von ^j^^ Morgen oder 30
Quadratfuß (Baczko Preußen 2, 134) und ein
Längenmaß von 60 Ruten oder V.j^ Meile
(Frischbier preuß. Wb.). Von wenden (s. d.
und vgl. Gewann).
Gewerbe, n. (-s, PI. wie Sg.): Dreli-,
Bewegungspunkt wovon; Betrieb und Be-
schäftigung als Nahrungszweig (Erwerb).
Mhd. gewerbe n. «Wirbel, Gelenk, Geschäft,
Tätigkeit», dann 1408 " Truppen werbmig»,
neben mhd. gewerp m. (auch geiverf. gewerft)
«aufgetragnes Geschäft, Tätigkeit um des
Erwerbes vrillen, Bewerbung, Truppenwer-
bung, Verhandlung vor Gericht, Vertrag»,
1451 gewerbe PI. «die Drehachsen der Tore».
Von werben (s. d.). ABL. gewerblich,
adj., bei Campe 1808 als neu.
Gewere, f., s. Gewähr 2.
Gewerk, n. {-es, PI. -e): Gesamtheit der
einerlei Werkgeschäft Betreibenden ; Gesamt-
heit der Meister eines Gewerbes oder Hand-
werks. L'nverkürzt Gewerke n., hervorge-
gangen durch Anlehnung an das Mask. Ge-
ivei'ke (s. d.) aus md. gewerke n. «vollendete
Arbeit, Gewebe, Bau», 1616 bei Henisch
«Gewerck, Tagarbeit», ahd. giwirchi «Bau-
arbeit», asächs. giicirki n. «Tätigkeit, Arbeit,
Werk», einer Ableitung von wirken (s. d.),
verschieden von ahd. ^m'erc/( n. «Werk», asächs.
giwerk n. «Tun, Handlung, Werk, Bauwerk»,
ags. geiveorc, gewere n. «Werk, Bauwerk,
Barg», einer Zusammensetzung mit Werk.
Gewerke, m. (-«, PI. -n)-. Bauhandwerker:
Inhaber von Kuxen eines Bergwerks. Ein
mitteldeutsches Wort, schon im 13. und 14. Jh.
md. geiverke m. «Handwerks-, Zunftgenosse,
Teilhaber an einem Bergwerk». Von Werk
(s. d.). ABL. Gewerkschaft, f.: die sämt-
lichen Ge werken einer Bergzeche, 1562 bei
Mathesius Öar. 98^ u. 139^ Gewerckschaff't;
Arbeiterverband, 1868 aufgekommen als Gegen-
bildung gegen die von M. Hirsch ins Leben
gerufenen GewerkTcreine.
^Gewicht, n. (-es, PI. -e)-. Geweih des
Hirsches. Weidmännisch. 1587 im F-aust-
buch 76, bei Gilhusius Grammatica 1597 S. 64
u. 83. Mit ableitendem t von ahd. wigan
(s. Geweih).
"Gewicht, n. (-es, PI. -e)-. Schwere: Maß
der Schwere; festbestimmtes Metallstück als
Norm beim Abwiegen oder als Anhängsel
zum Beschweren. Unverkürzt Gewichte n.
bei Haller 38. Mhd. gewihte, geiciht n. (auch
bildlich); dazu mndl. geicichte, ndl. gewigt,
ags. gewiht n., engl, weight, mnd. wicht f.,
anord. vcett f., (entlehnt) schwed. vigt, dän.
vegt. Von wiegen (s. d.). In der Bildung ent-
spricht lat. vectis m. «Hebel, Hebebaum».
ABL. gewichtig, adj., 15f;i bei Maaler,
clevisch 1477 gewichtich.
gewieft, adj.: gewiegt; gewandt, schlau.
In denWörtei-büchern nicht verzeichnet. Wohl
von wiebeln (s. d.) «sich hin- und herbewegen».
Mundartlich götting.-waldeck. geioipt.
719
gewlegt
Gewissen
720
gewiegt, partiz. Adj. : worin wohlerfahren,
gleichsam von Kindesbeinen an. 1561 bei
Maaler gewieget in gerichtshendlen «homo
fori alunmus». Part. Prät. von nihd. wigen
«wiegen, in der Wiege schaukeln».
gewierig, adj.: gewährend, zustimmend.
In der Kanzleisprache. 1612 bei Diefenbach-
Wülker 619 ^^ gewierig. Von gewähren (s.d.).
Grewild, n. {-es): Gesamtheit von Wild;
ein "Wild (Jagdtier). Spätmhd. gewilt n.
kollektiv, 1541 bei Frisius 364^ ein Geivild.
Kollektivbildung von Wild n. (s. d.). Aber
mhd. gewüde n. «Wildnis, Wildheit», vom
Adj. wild (s. d.).
gewillt, in gewillt sein : den Willen, Ent-
schluß wozu haben. Schon mhd. gewilt sin.
IVIhd. gewillet, gewilt ist Part. Prät. von mhd.
wülen «willig machen», refl. (mit Gen. der
Sache) «sich wozu entschließen, wozu neigen»,
ahd. willeon, willön «zu Willen sein, will-
fahren, geneigt sein», abgeleitet von Wille.
Crewimmel, n. (-s), mhd. gewimmel n.,
von wimmeln (s. d.).
Gewinde, n. (-s, PI. wie Sg.): Gewun-
denes; sich Windendes. 1616 bei Henisch
«Gewind, Schrauben, Waltzen». Von winden.
Gewinn, m. [-es, PI. -e)-. das Gewonnene.
Mhd. gewin m. «Ei-langung, Erlangtes, Erwerb,
Vorteil, Nutzen», ahd. ga-, giwin m., zunächst
«Kampf, Anstrengung, Arbeit», dann «Erlan-
gung durch Sieg, Erlangtes, Erwerb»; dazu
asächs. giinn n. «Streit, Feindschaft», mnd.
gewin m. n. «Erwerb, Pachtung», ags. ge^vin
n. «Kampf, Anstrengung, Mühe, durch Mühe
Erlangtes». Von gewinnen, v. (Prät. gewann,
Konj. gewänne und gewönne, Part, geivonnen):
durch Arbeit und Mühe, dann überhaupt
durch Tätigkeit oder durch Glück wozu
gelangen oder es erstreben, erlangen; ein
Mehr im A''ergleiche zu dem Aufgewandten
erlangen; ringend gegen Widerstand zum
Obern werden. ^Ihd. gewinnen «siegen, dui'ch
Sieg, Mühe, Arbeit wozu gelangen, anschaffen,
verschaffen, erwerben, in die Gewalt be-
kommen, durch Rechtsverfahren erlangen,
gerichtlich überwinden», ahd. ga-, giwinnan
(Prät. giwan, PI. giiounnun, Konj. giivunni,
Part, giwiinnan) «durch Kampf, Mühsal, An-
strengung erlangen», dann «überhaupt erlangen,
in Besitz nehmen»; dazu asächs. giwinnan
«durch Arbeit erreichen», afries. gewinna
«erlangen», ags. geivinnan «kämpfen, durch
Kampf erlangen, erobern, erringen», got.
gawinnan «leiden». Von ahd. winnan «in
Leiden sein, laut klagen, angesti*engt und
mühevoll arbeiten, kämpfen, erlangen», mhd.
ivinnen «sich abarbeiten, wüten, streiten»;
dazu asächs. und ags. winnan «leiden, er-
tragen, ringen, kämpfen, kämpfend oder ar-
beitend erringen», engl, win, afries. winna
«erlangen, erreichen», anord. vinna, schwed.
vinne, dän. vinde «ausrichten, vollfükren,
arbeiten, bearbeiten, überwinden, über-
treffen», got. winnan «Schmerz empfinden,
leiden». Die Wurzel iven kehrt in gleicher
Gestalt, aber in abweichender Bedeutung in
den verwandten Sprachen und im Germ,
wieder. Meringer Idg. Forsch, 16, 181 geht
von einer Grundbedeutung «ackern» aus,
unter der sich die verschiedenen Bedeutungen
von «sich mühen», trohnen (s. d.), Wonne
(s. d.), gewöhnen «sehr wohl vereinigen lassen».
Vielleicht entspricht lat, cönor aus *covenor
dem germ. Wort genau. ABL. Gewinner,
m., mhd. gewinner m. Gewinst, m. (-es,
PI. -e), bei Luther W, 6, 449 und Weish, 15, 12.
ZUS. Gewinnsucht, f., 1711 l)ei Rädlein;
gewinnsüchtig, adj., Ijei Luther 2, 373^ J.
geicinssüchtig, l)ei Henisch 1616 gewinsichtig
«der nur allein auff gewin sihet».
Gewirr, Gewirre, n, (-s, PI. -e): Ver-
wirrung; Verworrenes. Bei Luther Gewirre
und Gewerre, mhd. gewerre m. und n., spät-
mhd.^ gewier n., mnd. gewerre, geiver n. Von
wirren (s. d.).
Gewissen, n. (-s, PI. wie Sg.)-. das sitt-
liche Bewußtsein. Mhd. getviß^en n. «das
Wissen, die Kenntnis, Erkenntnis», der als
Substantiv gesetzte Inf. des mhd. Zeitwortes
geivi^^en, ags. geivitan «wissen». In dieses
Neutr. aber ging völlig über das mhd. Fem.
geicig^ene, meist gewiggen (auch schon ge-
wissni, gewissen) «Wissen, Kenntnis, Mit-
wissenschaft, Erkenntnis des sich Schickenden,
inneres Bewußtsein und so in der heutigen
Bed.», ahd. gewig^em f. «sittliches Bewußt-
sein», in Bedeutung und Bildung deni lat.
conscientia f. entsprechend und von dem
ahd. Adj. giwi^gan, mhd. gewi^^en «bewußt,
verständig» abgeleitet, zu wissen (s. d.) ge-
hörig. Gleichbedeutende andere Bildungen
im Ahd. sind die Fem. giwl^^a, giivi^gida,
giwi^geli und das Neutr. giwizzi, dafür got.
mipwissei f. ABL. gewissenhaft, adj.,
1641 bei Schottel 315. gewissenlos, adj.,
ebd. 357 aus Luthers Schriften. ZUS. Ge-
WiSSenshiß, m., 1691 bei Stieler, vgl. Hiob
27, 6.
721
gewiß
Gewürm
722
gewiß, adj,: wirklich, außer allem Zweifel;
zuverlässig; bestimmt, festgesetzt; keinen
Zw^eifel hegend, sicher; ii-gendein. '^Ihd.gewis
«wirklich, zuverlässig, sicher», ahd. giwis und
wis (in umvis), im Adv. mhd. gewisse, ahd.
giwisso; dazu asächs.-afries. wis, and. giivisso,
ndl. wis, gewis, ags. gewiss, anord.-schwed.-dän.
viss « sicher -y und unviss «unsicher», got. nui' in
unwiss «ungewiß». Alte Partizipialbildung
zu wissen (s. d.), urspr. «gewußt, sicher ge-
wußt», ABL. Gewißheit, f., mhd. gewis-
lieit, ahd. giwisheit f. gewißlich, adv. I)ei
Luther, mhd. gewislich Adj., gewisltche, ge-
luisselichen Adv., ahd. giwislicho Adv.
Gewitter, n. {-s, PI. wie Sg.): Wetter
mit Blitz imd Donner. Mhd. gewitere, gewiter,
ahd. giwitiri n. «Unwetter», noch bei Luther
Gewitter im Sinne von «Wetter, Witterung»;
dazu ags. geweder, geivider n. « Unwetter >\
Kollektiv von Wetter (s. d.). ABL. ge-
wittern, V., bei Campe aus Schiller.
GewOge, n. (-s) : das Hin- und Herwogen.
Ende des 18. Jh. bei Matthisson Ged. 122.
Von wogen (s. d.).
gewogen, Adj.: wohlwollend zugeneigt.
1593 bei J. V. Braunschweig ungerat. Sohn
4, 3. Eigentlich Part. Prät. von wägen (s. d.)
im Sinne von «zuwägen». ABL. Gewogen-
heit, f.: Zuneigung, 1616 bei Henisch.
gewohnen, v.: gewohnt werden, sich
gewöhnen. Noch bei Luther, Alberus und
Frisius 1541 geiconen, jetzt veraltet. Mhd.
gewonen, ahd. giwonen, asächs. giwonön, ags.
gewunian «an einem Orte sich dauernd auf-
halten, bleiben, verweilen, verharren» (s.
wohnen), dann «gewohnt sein». Abgeleitet
vom älternhd. Adj. gewohn, mhd. gewon, auch
gewone, gewan, ahd. giwon (in der uhd. Schrift-
sprache verdrängt durch gewohnt, aber
noch in md. Mundarten gewohne; dazu asächs.
giwono, giwuno, mnd. gewone, gewonen, gewanen,
nd\.gewoo7i, ags.gewun, anord.uawr «gewohnt».
Von diesem Adj. stammen auch die folgenden
Wöi-ter: gewöhnen, v.: gewohnt machen,
bei Luther und Henisch 1616 gewenen und
gewehnen, 1541 bei Frisius gewennen und ge-
icenen, 1618 bei Schönsleder geioönen und
gewenen, 1664 hei Duez gewöhnen und ge-
wehnen, aber noch bei Stieler 1691 bloß ge-
wejien. Mhd. gewenen, ahd. giwennan; dazu
and. ^«rermia/i «sich gewöhnen», nd\. gewennen,
ags. gewenian und wenian, anord. venja (Prät.
vanda). Gewohnheit, f., mhd. gewone-,
gewonheit, im Schwabenspiegel und 1482 im
Wbijjaiiil, Deutsches WuiterbucL. 5. Aufl.
Voc. theut. m5^ gewanheit, ahd. giiuona-,
giwoneheit f.: dazu and. giwonohed, ndl. ge-
woonheid f. In gleicher Bed. ahd. giwona,
mhd. gewone, geicon, gewan f., mnd. gewonte,
gewante f. gewöhnlich, adj., mhd. gewone-
lich, gewon-, gewönlich «der Gewohnheit gemäß,
hergebracht»; dazu ags. gewunelic, aber mnd.
gewontlik. gewohnt, Nebenform des alten Adj.
gewohn, an dessen Stelle es tritt, der Form
nach zugleich Part. Prät. von geivohne^i (s. d.),
bei Luther gewonet, 1482 im Voc. theut.
m 5^ gewanet, vereinzelt schon md. im 14. Jli.
gewonet (Jeroschin 21723), mnd. gewant. Ge-
wöhnung, f., 1541 bei Frisius Q9^ Gewenung.
Gewölbe, n. (-s, PI. wie Sg.): hohlrund
gemauerte Decke, sowie der darunter be-
schlossene Raum; Kramladen, urspr. mit ge-
wölbter Decke (Leipz. Urkundenbuch 1, 435
vom J. 1484). In der 1. Bed. bei Luther
Geweihe, Geivelb, 1664 bei Duez Geweih, 1678
bei Krämer Gewölh, wie bereits im Laurin
(Straßburg 1509) gewölh neben gewelh, mhd.
gewelbe, ahd. giicelbi n. Zu wölben (s. d.).
Der Plur. bisweilen Gewölber (Lessing 10, 66,
HaUer 61, Zachariä Phaeton 1, 54).
Gewölk, n. {-es, PI. -e): Mehrheit von
Wolken. Gewölck 1616 bei Henisch, imver-
küi'zt Gewölke n. bei Goethe Iph. 1753, Schiller
11, 82, bei Luther Gewolcke, Gewölcke, Ge-
wülcke, auch Gewolcken n. Mhd. gewülke,
gewölke n., älter gewulkene n., Kollektiv von
mhd. wölken, wulken n. «Wolke» (s. d.).
Gewölle, n. (-5, PI. wie Sg.): Auswurf,
den die Raubvögel täglich in der Frühe aus
dem Kröpfe speien, aus Unverdaulichem wie
Haaren, Federn usw. bestehend. 1558 bei
Heuslin Vogelbuch 183^ Gewäll, 1582 bei
Feyerabend Weidwerkbuch 2, 53^ Gewöll, aber
noch 1741 bei Frisch Gewell n. Mhd. geioelle,
gewel n. «Brechmittel füi" den Falken und
Gebrochenes (Gewölle)», von mhd. wüllen,
md. wollen, loillen, ahd. wullon und tcillon
«Ekel empfinden, Übeisein oder Erbrechen
haben», aber wohl mit Anlelmung an mhd.
wellen, ahd. icellan «wälzen, rollen» (ahd.
grweZn. «Zusammengerolltes», wie Schlangen-
geringel, hohle Wogenkämme, Pechklumpen).
Gewühl, n. (-s): anhaltendes Wühlen;
wirres Durcheinander. Unverkürzt Gewühlen.
bei Schiller 11,372. Bei Henisch 1616 Getvuel
«Gemenge des Volcks». Von ivühlen (s. d.).
Gewürm, n. (-s, PI. -e) : Würmermenge ;
dann der Wurm (bei Luther, Schiller). Bei
Luther Geivürm, mhd. gewürnie n. «Menge
46
723
Gewürz
Gicht
724
von Würmern, von kriechenden Tieren über-
haupt, von Schlangen oder Drachen», Kol-
lektiv von Wurm (s. d.).
Gewürz, n. (-es, PI. -e): scharfen ange-
nehmen Geschmack mitteilende Speisezutat
aus PflanzenstofFen. Bei Luther Gewürtz, im
15. Jh. bei Wyle 279, 3 geivürtz n. Kollektiv
von Würz (s. d.), aber in seiner weitern Ent-
wicklung als Substantivbildung zu würzen
(s. d.) empfunden. ZüS. Gewürzkrämer,
m., 1616 bei Henisch. Gewürznelke, f.,
1741 bei Frisch 2, 6^ der PI. Gewürz-Nelken
neben Würz-Nelken 461'', 1691 bei Stieler
Geivürznägelein (s. Näglein, Nelke).
Gezäh, Gezähe, n. (-s): das gesamte
Werkzeug des Bergmanns. 1693 bei Schönberg
Berg-Info rm. 2, 44 Gezähe, 1669 in der kurköln.
Bergordn. 7, 25 Gezeu, in einem alten sächs.
Bergreien bei Döring 2, 60 Gezäiie, 1562 bei
Mathesius Sar. 196^ Gezaw n. Mhd. gezouwe,
gezowe n. «Gerät, Werkzeug», im 14. Jh.
gezaive, md. im 14. Jh. gezöu, thüring. 1447
gezauge, dazu mnd. getoutoe, getow n. «Ge-
schirr, Gerät jeder Ai't». Von mhd. zomven,
zöutven «tun, machen, fertigmachen, bereiten »,
ahd. zaujan, zoujan «machen, bearbeiten, ver-
fertigen»; dazu mnd. touwen «Leder bereiten,
weben», ags. tawiari «bereiten, zurichten»,
auch «übel zurichten», engl, taw «weißgerben,
durchpi'ügeln», anord. toeja, tyja «helfen,
nützen», got. taujan «tun, bewirken». Weitre
Anknüpfung in den verwandten Sprachen ist
unsicher. Vgl. Osthoff Idg. Forsch. 5, 282,
Lorentz ebd. 342.
Gezänk, n. (-es, PI. -e) -. vieles, wiederholtes
Zanken. Mhd. gezenke n. Von zanken (s. d.).
Gezeiten, PL: der Wechsel von Ebbe
und Flut. Norddeutsch, mnd. getide n. «Flut-
zeit», entsprechend mhd. gezit f. n. «Zeit,
festgesetzte Gebetstunde (horae canonicae),
Zeitlauf, Begebenheit». Zgs. mit Zeit (s. d.).
Gezelt, n. (-es, PI. -e): das Zelt (s. d.).
Mhd. gezelt, ahd. gizelt n.
Gezerre, n. (-s): vieles, wiederholtes
Zerren. Bei Luther 7, 266'' Jen. Md. im
18. Jh, gezerge n., im 14. Jh. gezarre n. «das
Reißen, Zerren». Kollektiv von zar m. «Riß»
und Substantivbildung zu zerren (s. d.).
Gezeug, n. (-es): das gesamte Werkzeug
des Bergmanns (vgl. Gezäh); Gestein- und
Wasserhebemaschine im Schacht. In der
1. Bed. 1617 bei Löhneyß Bergwerk 10, in
der 2. Bed. 1557 bei AgncolaBergwerkb.l22f.
Mhd. geziuc m. u. n. «Gerätschaft, Werkzeug,
Maschine zum Kriegsgebrauch», zusammen-
ges. mit Zeug (s. d.).
Geziefer, n. (-s, PI. wie Sg.): kleines
unansehnliches Getier (Goethe 17, 19). Früh-
nhd. Gezifer (Schmeller- 2, 1087). S. Un-
geziefer.
geziemen, v. (Präs. es geziemt, Prät.
geziemte, Part, geziemt, mit Dat. der Person) :
nach gebildeter Ansicht passend sein. Bei
Luther gezimen, gezymen, 1522 bei Murner
Luth. '^avr 3384 gezimmert, aber mhd. stark-
fiekt. gezemen «angemessen sein». S. ziemen.
geziert, Part. Prät. von sich zieren als
Adj.: allzu zierlich. In der altern Bed. «mit
Auszeichnung verschönert» um 1480 im Voc.
ine. teut. i 7 ^ gezyrt. S. zieren. Dazu Ge-
ziertheit, f.: überzierliches Benehmen, im
19. Jh., aber 1628 bei Münster Cosmogr.
S. 1122 Gezierdtheit f. «Zierat».
Gezimmer, n. (-s): Gesamtheit bearbei-
teten Bauholzes; aufgeschlagner Holzbau; im
Bergwerk die Zimmerung, Holzstützen, Trag-
stempel (1617 bei Löhneyß Bergw. 9); vieles,
wiederholtes Zimmern. Mhd. gezimber, ge-
zimmer und ahd. gazimhari, gizimbiri n. «Bau-
materialien, Bauholz, Bau, Gebäude». Ab-
geleitet von Zimmer (s. d.), in der obigen
letzten Bed. aber von zimmern (s. d.).
gezogen, Part. Pass. von ziehen (s. d.)
als Adj.: mit schwachgewundnen Zügen oder
Längsfurchen versehen. 1590 bei Fischart
Garg. 286 geschraubte oder gezogene Büchsen.
Gezücht, n. (-es): aufzuziehendes oder
aufgezognes Gezeugtes. Nur in verächtlichem
Sinne. Bei Luther 8, 268 Weim. Getzichte und
Matth. 3, 7 Otter gezichte, mhd. selten gezühte
n., Kollektiv von Zucht (s. d.), mhd.-ahd.
zuhti. «Aufzuziehendes, aufzuziehende Junge».
Gezwatzer, n. (-s) : wiederholtes Zwatzern
(s. d.), bei Goethe 16, 3.
Gezwerg, n. (-es, PI. -e): Gesamtheit
von Zwergen (Goethe Gezwerge n. als Kol-
lektiv 25, 1, 151); Zwerg. Mhd. getwerc n.
(md. m.) und ahd. gitwerc n. «Zwerg», zu-
sammenges. mit twerc Ziverg (s. d.).
Gezwitscher, n. (-s): das Zwitschern
(s. d.). 1664 bei Duez 1, 471*^ Gezwitser
der Vögel.
^Gicht, f. (PI. -en): im Hüttenbau, auf
den Hochofen führender Gang zum Hinauf-
schaffen der Kohlen und Eisensteine. 1712
bei Hübner. ' Nach Weigand von gehen wegen
mhd.giht f. «Gang, Reise» und in Zusammensetz.
kirchgiht f. «Kirchgang», sunne-, sunngiht f
725
Gicht
Gienmuschel
726
«Sonnengang, -wende» (Johannistag), neben
ahd. gälit (in hettegaht f. «Bettgehzeit»), got.
gäMs f. »Gang» (nur in framgähts f. « Fort-
gang »,imiaf^ä/«fe f. «Eingang»), wie ahd. gingen
«nachfolgen» neben ahd. gangan «gehen».
Bei dieser Erklärung maßte mhd. giht an-
gesetzt werden, was nicht möglich ist.
"^Gicht, f. (PI. -en): Aussage, Bekenntnis,
Geständnis. Xoch bei Frisch 1741, aber be-
reits 1775 bei Adelung als veraltet. ÄIhd.
giht, ahd. jiht f., mnd. gicht f., abgeleitet von
ahd. jehan, gehan «sagen, aussagen», mhd.
jehen, gehen, asächs. gehan (vgl. Beichte).
ABL. gichtig, adj.: eingestehend, geständig.
Veraltet, aber noch 1741 bei Frisch. 3klhd.
gihtic, ahd. jihtig, gihttg, mnd. gichtich,jichtich.
ZUS. Gichtzettel, m.: ärztlicher Fundzettel,
Bericht über den Befund der Vfunde usw.,
1741 bei Frisch, noch, in pommerischen Akten
des 19. JE.
'^Gicht, f. (mundartlich n., Gen. -es, PI.
-er): Gliedersucht, ki-ampfhaftes Gliederreißen.
Mhd. giht n. (selten f.) neben dem Kollektiv
gegihte n., md. gicht f. (einmal m.), bei Luther,
Albei-us, Duez, Stieler Fem., bei Weckherlin
1, 494 Neutr.; dazu mndl. und nndl. jicht f.,
ags. gicßa, gihpa m. «Gliederlähmung». Spät-
mhd. und älternhd. auch im Sinne von «Schlag,
Schlagfluß» (1421 bei Diefenbach nov. gl. 280*,
1664 bei Duez), ebenso mnd. gicht f. (auch
Diefenb. gl. 412*), vgl. gichthrüchig. Die
Herkunft ist unaufgeklärt. Im oberd. Volks-
mund der PI, Gichter «Krämpfe, Zuckungen,
bes. bei Kindern», 1756 bei Albr. v. Haller
Onoraatologia medica 1, 474, bei Schiller 1,
162, 34. ABL. gichtiSCh, adj.: gichtartig,
1775 bei Adelung, dafür 1691 bei Stieler
gichtig, mhd. gihtic «gichtbrüchig», gichterig,
gichterisch, adj.: gichtartig, von der Gicht
oder von Gichtern befallen, 1725 bei Bräuner
Thesaui'us sanitatis 49 und bei Schiller Räuber
2, 1 gichtrisch, bei Grillparzer Ahnfrau 3
gichtrich. ZUS. gichtbrüchig, adj. : glieder-
lahm mit Schmerzen verbunden. Bei Luther
gichtbrüchig «vom Schlage gelähmt», ebenso
in der Bibel 1483 Bl. 497^ (Luk. 5, 18) gicht-
hrüchig, md. im 14. Jh. gichtbruchig, von md.
gichtbroch f., bei Luther Gichtpruch f. «Läh-
mung mit Gliederreißen», vgl. rad. im 14. Jb.
äi gicht hatte di frouwe gebrochin ivol sibin
jär (Ködiz 77, 32).
Gickelgackel , m.: kicherndes Lachen
mit ernstlosem Benehmen. Bei Lessing 1,
357. Bildung mit Ablaut von gickeln neben
gicheln (s. kichern) und gackeln, 1616 bei
Henisch gicMen, gicheln oder gachlen «cachin-
nari, d. h. schallend oder roh lachen».
gicksen, kicksen, V.: feinre unartikulierte
Töne aus der Kehle ausstoßen. 1537 beiDasy-
podius gigtzen, mhd. gigzen, gichzen, gichsen,
gekzen, ahd. giccazan, noch um 1480 im Voc.
ine. teut. i7^ gikatzen. Im Ablaut zu diesem
Wort steht gacksen (s. d.), bei Fischart Nachtr.
3645 gichsen und gachsen, wie schon mhd.
bei Gottfr. v. Xeifen 52, 13 u. 22 gigen gagen
als interjektionelles Lautspiel. Dazu die BA.
er loeiß weder Gicks noch Gacks (Wieland
18, 150), «er ist tümmer als eine Ganß» (Räd-
lein 1711), 1691 bei Stieler weder Gigs noch
Gags, 1589 bei Paracelsus Schriften 2, 80
iveder gykes noch gagkes, sowie der mund-
arthche Ausdruck Gickgack ra. «Gans», mhd.
gigä als «Schrei der Gans». Gicksgacks,
m.: inhaltleeres Gerede, alberaes Geschwätz,
als Titel eines obd. Flugblattes um 1620
Sieben lächerliche Geschnälz oder Gikes gakes
Ofenloch, 1663 bei GiyiDhius Horrib. 68 Kicks-
kacks m., 1510 bei Keisersberg Has im Pfeffer
Cc7^ gickerliß geckerliß. Gickshusten, m.:
Keuchhusten.
^Giebel, m. (-s, PI. wie Sg.): oberste
Raumspitze zwischen den Dachseiten. Mhd.
gibel, md. auch gebel (noch 1517 bei Trochus
PI* gebbel), ahd. gibil m. «Stirn- oder Vor-
dei'seite», auch «Erd- oder W^eltachse (Pol)»;
dazu and. gibillai., mnd. und ndl.gevel, anord.
gaß m. «Giebel», got. schwachflekt. gibla m.
«oberste Spitze, Zinne». Gleichen Stammes
wie mhd. gebel, ahd. gebal m. «Schädel, Kopf»
neben ahd. gibilla f. «Schädel», urverwandt
mit gr. KeqpaXr) f. und raakedon. (bei Hesychius)
■faßaxd f. «Kopf». ZUS. Giebelwand, f.,
mhd. gibelwant, md. gebelwant.
^Giebel, m. (-5, PI. wie Sg.), auch f.
(PI. -n): die Steinkarausche, Cyprinus gibelio.
In Xorddeutschland. 1615 bei Colerus Hausb,
5, 295 Gybel, dafür 1563 bei Forer Fischb. 166^
Gilblichen (nach der gelben Farbe). Neben-
form Gieben m., ahd. guva, aus lat. gobio m.;
dazu franz. gibele f.
Gienmuschel, f. (PI. -n): eine Art See-
lmuscheln, auch Gaffer oder Venusmuschelu
I genannt. 1775 bei Adelung. Zusammenges.
' mit spätmhd. gienen (1429 im Lib. ord. rar.
1 28*-'), mhd. ginen, ahd. ginen «gähnen» (s. d.).
i Ähnlich ist die gr.-lat. Benennung chäma,
gr. xnMH f- «Gienmuschel», urspr. das «Gähnen»,
! zu gr. xaiveiv «gähnen».
•46*
727
Gier
Gimpe
728
Gier, f. (ohne PL) : starkes, heftiges, sinn-
liches Streben wonach. Mhd. gir und ger f.,
auch frühmhd. kir, ahd. giri, kiri f.; dazu
asäehs. giri f. (in fehogiri «Gier nach Reich-
tum»), mnd. gir m. Abstraktbildung aus
dem Adj. ahd. ger und giri, mhd. ger und
glre «verlangend, begehrend, gierig», noch
ostmd. geier (s. Geier), mnd. ger tmd gir,
verwandt mit ge^'n (s. d.) und dem Zeitwort
mhd. gern, ahd. geron «begehren». Ebenfalls
aus diesem Adj. gebildet ist Gicrde, f.,
mhd. girde, auch schon gier de, md. ger de,
ahd. girida f. (woneben selten giridi f.) hef-
tiges Verlangen, im Ahd. auch «Habsucht»,
and. giritha f. «Begierde, Verlangen». ABL.
von Grier: gieren, V., spätmhd. girn, im
15. Jh. gieren, mnd. giren. gierig, adj., mhd.
giric, ahd. girig, afries. gyrig, mnd. das Adv.
girichliken; davon Gierigkeit, f., mhd. und
mnd. giricheit, md. girekeit, afries. giriched f.
gießen, v. (Prät. goß, Plur. gössen, Konj.
gösse, Part, gegossen) : als Flüssigkeit laufen ;
Flüssigkeit oder flüssiges Metall laufen machen.
Mhd. gießen, ahd. gio^an; dazu asäehs. giotan,
mnd. geten, ndl. gieten, afries. giata, ags. geotan,
got. giutan «gießen», anord. gjöta «Junge
werfen». Urverwandt mit gr. x^eiv «gießen»,
xOjaa n. «Guß, Flüssigkeit», lat. fundere (Perf.
fudi) «gießen», aind. hu «gießen, opfern», aw.
zaoßra- n. «flüssige Opferspende, Opferguß»,
Sivm. jaunem «weihe, bringe dar». Alternhd.
und noch altertümlich lautet der Sg. Präs.
du geußest, er geußet, geußt, der Imp. geuß,
mhd. giu^est, ginget, ging. ABL. Gießer,
m., 1537 bei Dasypodius. Gießerei, f., 1678
bei Krämer. ZUS. Gießbach, m.: Bach
durch Regen-, Schnee wasser, 1616 bei Henisch.
Gießkanne, f., 1640 bei Comenius Gieß-
kann f.
^ Gift, f. (PI. -en) : Gabe, Schenkung. Bei
Bürger 50, ferner in Braut-, Mitgift, Giftbude
(in den Nordseebädern). Mhd. und ahd. gift
f. ; dazu mnd. gifte, gift f., mndrhein. gicht f.,
afries. jeft m. f. n. «Gabe», ags. gift f. «Mit-
gift», im PI. (f. und n.) «Hochzeit», engl, gift
«Mitgift», anord. giptt «Gabe», got. giftsi. (in
framgifts, fragifts «Verleihung, Verlobung»).
Abgeleitet von geben (s. d.).
"Gift, n. (-es, PI. -e): verderbliches, töd-
liches Mittel. Mhd. und ahd. gift f., daher
noch bei Opitz, Gryphius, Lohenstein, Weise
und Günther 106 Fem., dagegen das Neutr.
erst nhd. (1595 bei Rollenhagen Froschm, 1,
1, 5 [v. 73J, Opitz usw., schon mhd. vergiß
f. und n. m. «Gift»); daneben auch Mask.,
bei Luther, P. Fleming 388, Günther 6 und
381, Haller 155, j. Goethe 2, 29 und 3, 334,
Schiller Kab. 5, 7, bes. in der Bed. «Bos-
heit, tötlicher Haß, Zorn» (bei Luther Gifft
und Galle). Es ist dasselbe Wort wie ^Gift,
wie auch vergeben (s. d.) schon mhd. und
ahd. in der Bed. «vergiften» gebraucht wird.
Die altern Ausdrücke für Gift waren ahd.
eitar n. (s. Eiter) und luppi n. (s. Lab). ABL.
giftig, adj., mhd. giftic, bei Luther in der
Bed. «boshaft», ZUS. Giftmischer, m.,
1741 bei Frisch.
Gigant, m. (-en, PL -en): ungeheui-er
Riese. Mhd.-ahd. gigant m. ; dazu ags. gigant
m. Aus gr.-lat. Gigäs (Gen. Gigantis), gr.
fiYoc m. «himmelanstürmender Riese», woher
auch afranz. und aengl. geant, nfranz. geant,
engl, giant, ital. gigante m. Davon gigan-
tisch, adj., bei Wieland, Schiller.
Gigerl, m. (-s, PL -s): Stutzer. In den
90 er Jahren des 19. Jh. von Wien aus ver-
breitet, von mhd. giege, giegel m. «Narr».
Vgl. Ladendorf.
Gilbe, f. (ohne PL): gelbe Farbe. Mhd.
gilwe, im 14. Jh. gilbe, ahd. gelawt, giliwi f.
Von gelb (s. d.). gilben, v.: gelb färben,
gelb werden, mhd. gihven, frühnhd. gilben.
gilbig, gilbicht, adj.: gelblich, spätmhd.
1420. gihvecht, abgeleitet von Gilbe, gilb-
lich, adj.: gelblich, spätmhd. 1470 gilblicht.
Gilbert, Mannsname. Ahd. Güabert, Gil-
bert, Gilperht.
Gilde, f. (PL -n): zu gleichem Geschäft
und Zweck verbundene Körperschaft, Innung
der Kaufleute und Handwerker. Erst nhd.,
bei Luther, Fischart Bienk. 28^, aufgenommen
aus mnd. gilde f. n. «Innung, Gildeschmaus»,
clevisch 1477 ghylde, mndl. ghilde (auch «ge-
meinsame Mahlzeit»), nndl. gild n.; dazu afries.
ielde, iold anord. gildi n. «Bezahlung, Ab-
gabe, Steuer, Gelage, Schmaus, Gilde» (11. Jh.),
schwed. gille, dän. gilde, (aus dem Nord.) engl.
guild «Gilde». Von gelten (s. d.) im altern
Simie von «opfern», daher eig. «Opfer, Opfer-
schmaus, Festversammlung, geschloßne Ge-
sellschaft». Vgl. Geld. ZUS. Gildebrief,
m.: Aufnahmezeugnis in eine Gilde, bei Ade-
lung 1775 aus Niedersachsen.
Gilte, s. Gelte.
Gimpe, f. (PL -n), nd., dagegen hd. Qimpf
m. (-es, PL -e): vom Knopfmacher gearbeitete
Kundschnur zum Besätze. 1767 im Brem.
Wb. der PL Gimpen, bei Adelung 1775 Gimf
729
Gimpel
Gitarre
730
m., entlehnt aus engl, gimp, guimp «Art Seiden-
spitzen oder Seidentressen», von fvanz. guimpe
f., -cihRnz. giämple «Schleier, flatternder Stoff»,
das anf ahd. wimpal (s. Wimpel) zmnickgeht.
Gimpel, m. {-s, PI. wie Sg.): der Blut-
iink; (bildlich) einfältiger Mensch. Li urspr.
Bed. spätmhd. gümpel m., 1616 bei Henisch
und 1664 bei Duez Gimpel, aber bei Logau j
1, 221 und Weise Erzn. 26 Gimpel. Nebst i
mhd.gumpel m. «lustiges mutwilliges Springen,
Possen» abgeleitet von mhd.-älternhd. gumpen \
«hüpfen, springen», engl, to jump «s]irmgen»,\
das man mit gr. ctGeiußoöca (Hesych) «aus- j
gelassen» vergleicht. Gimpel bedeutet also
eig. «mutwilliger Hüpfer, Springer», wie mhd. 1
gumpelman (PI. gumpelliute) und gumpelkneht j
m. «Springer, Possenreißer, Narr». Andre j
Namen des Vogels sind Dompfaff (s. d.),
Schwab. Goll m., thüring. Liehig m.
GingaHg, m. (s, PI. -s) -. ein feines Baum- 1
wollenzeug, urspr. ostindisches, angeblich aus
javanisch ginggang «verbleichend». 1775 bei
Adelung.
Ginst, m. {-es, PI. -e) und Ginster, m.
(-5, PI. wie Sg.): das Pfriemenkraut (s. d.).
1485 bei Diefenbach gl. 259° ginst, 1489 bei
Brack i5^ ginster, clevisch 1477 gynster, 1694
bei Tabernämontanus Genst, Genster m., schon
ahd. im 10. Jh. geneste. 1678 bei Krämer
Ginstern f. Aus gleichbed. lat. genista, genesta
f., woher ital. ginestra f., franz. genet m.
Gipfel, m. {-s, PI. wie Sg.): höchste
Spitze des Baumes, Berges u. dgl. Spät-
mhd, im Anfang des 15. Jh. gipfel und güpfel
m. , auch älternhd. Güpffel (S. Franck mor.
encom. 61», Calepinus 1579 S. 808 *), (Hppel
(1630 bei Lehmann Flor. 159). Nach Wad-
stein Btr. 22, 241 entlehnt aus afranz. c.epel
«Schoß, Schößling», das von lat. cippus m.
«Spitzsäule» stammt. Doch kann es auch
von mhd. gupf gupfe m. «höchste Spitze»
abgeleitet sein, das, von Kopf, Koppe, Kuppe
(s. d.) nicht zu trennen, ebenfalls romanischen
Ursprungs ist. Davon gipfeln, v., 1808 bei
Campe. gipfelig, adj., 1691 bei Stieler
gipfelicht. ZUS. Gipfelpnnkt, m., im 19, Jh.,
eig. «der Kulminationspunkt der Gestirne»,
bei Campe 1801 Gipfelschoung ra.
Gips, m. {-es, PI. -e): eine kalkige Erd-
art. Mhd. und spätahd. gips m., bayr.-schwäb.
und im Odenwald Ips m. (bei Hebel), Vgl.
über Ips Hörn Btr. 22, 218. Entlehnt aus
gleichbed. gr.-lat. gypsum n,, gr. YÜvfoc f.
Davon gipsen, V. : mit Gips überziehen, spät-
mhd. 1463 gipsen, nach lat. gypsäre. gipsen,
gipsern, adj., bei Goethe 20, 248 gypsen,
bei J. Paul 31, 34 gipsern.
Giraffe, f. (PI, -n): der Kamelparder in
Afrika. Ende des 15. Jh. bei Harff PUg.
102, 11 der PI. geraffen, 1534 bei S. Franck
Weltb. 216^ der PI. Zirafen, 1562 in Reis-
buch des heil Lands 1, 366 Gieraffa, 1606
bei Gesner Tcones animalium quadruped. 125
Giraffa, im Index Giraff. Aus ital. girafa,
franz. girafe f., von der arab. Benennung
zaräfa (vulgärarab. dschräfa).
Girant, Girat, s. Giro.
Girlande, f., in Bayern und Österreich
auch Guirlande (PI. -n): Blumengewinde,
-gehänge. Im 18. Jh. (Schiller 3, 476) aus
franz. guirlande^ altfranz. garlande, aspan.
guarlanda, ital. ghirlanda f. «Geflecht, Ranke,
Kranz», unsichrer Herkunft, nur vermutungs-
weise abgeleitet von mhd. uieren «mit Gold
umflechten oder einfassen».
Giro (spr. ziro), n. {-s, PI. -s und Giri):
das Umschreiben, übertragen des Wechsels
oder eines Bankguthabens auf einen andern.
1712 bei Hübner, aus gleichbed. ital. giro m.,
von gr.-lat, gyriis m., gr. yöpoc m. «Runde,
Kreis». Dazu girieren, V., Ende des 17. Jh.
bei Nehiing, nach ital. girare. Von dem Ver-
bum abgeleitet als Part. Präs. Girant, m.
{'Cn, PI. -en): der Übertragende, als Part.
Pei*f. Pass. Girat, m. {-en, PI. -en): der, auf
dessen Namen die Übertragung lautet. Beide
1813 bei Campe.
girren, v.: den Liebeston girr von sicli
geben. Bei Luther von den Tauben, bei
Schupp 2, 10 von Menschen, aber bei Dasy-
podius 1537 und Hulsius 1596 in der Bed.
«seufzen» (statt kirren, s. d.), bei Schubart
1, 25 stöhnen, 1512 bei Murner Schelmenzunft
25, 5 von der Tür. Mhd. girren und gtirren
von lautem wie girr, gurr tönendem Tier-
geschrei, z. B. des Esels (Freidank 140, 7
gurren mit den Var. gurren, girren), im Ab-
laut zu mhd. garren «zwitschern, pfeifen».
gischen, v.: aufbrausen, schäumen, üb-
licher als gäschen (s. d.). Bei Goethe 3, 276.
Md. 1470 gischen, fiiihmhd. ergischen «auf-
schäumen», zu mhd. jesen, iihä. jesan «gären»
(s. d.). Davon Gischt, m. {-es, PI. -e):
brausender Schaum. Bei Adelung 1775, Goethe
84, 1, 357 f., Schiller Taucher 35, statt des
altera Gäscht (s. d.), mhd. jest m. neben
gis f., mundartlich Gisch m.
Gitarre, in Bayern und Österreich auch
731
Gitter
Glast
732
Gruitarre, f. (PI. -n): die spanische Zither.
1714 bei Wächtler, Kitarre 1615 bei Alber-
tinus Landstörtzer 453. Aus span. guitarra,
franz. guitare, ital. cliitarra f., von gr. Kiödpa
f., nicht von dem aus dem Griechischen ent-
lehnten lat. cithara f., das zu ital. cetera, cetra,
prov. cidra, citola, afranz. citole f. wurde,
woraus mhd. zitöle, zitöl f.
Gitter, n, (-s, PI. wie Sg.): Werk aus
verschränkt verbundnen Stäben. Spätmhd.
im 15. Jh. giter, guter, mhd. geter n,, Neben-
form von Gatter (s. d.). Vgl. Gegitter. ABL.
gittern, v., spätmhd. in vergitern.
Glacehandschuh, m.: Glanzhandschuh,
Handschuh aus feinem Leder. Aus gleich-
bed. franz. gants glaces pl. in der neuern Zeit.
glace ist Part, von franz. glacer, abgeleitet
von lat. glacies f. «Eis», also eig. «übereisen»,
dann «glänzend machen», glacieren, v. :
gefrieren machen ; glänzend machen, aus franz.
glaser s. o. Mit glasieren (s. d.) zusammen-
gefallen.
Glacis (spr. Glaßi), n. (Gen. u. PI. eben-
so, spr. Glaßis) : sanfte Abdachung der äußern
Brustwehr, die Feldbnistwehr. 1712 bei
Hübner, aus franz. glacis m. «Gleite, Ab-
dachung», von afranz. glagoier, glacier «gleiten»,
zu lat, glacies f. «Eis, Eisfläche», mlat. 1270
glatia f. «Fläche, Abdachung».
Glander, f. (PI. -n): Gleitbahn auf dem
Eis, Eisscholle. Ober- und niedersächsisch,
1775 bei Adelung, 1767 im Brem. Wb., zu
spätmhd. glindeJi «gleiten». Thüring. Gländer,
Glenner, hess. Gläner f. Anders mhd. glander
m. «Glanz, Schimmer», Abstraktbüdung zum
mhd. Adj. glander «glänzend, schimmernd»,
das mit Glanz (s. d.) verwandt ist. ABL.
glandern, v.-. auf dem Eise schleifen, 1781
bei Kindleben.
Glanz, m. {-es): in hohem Grad aus-
strömendes oder zui'ückgeworfenes Licht.
Mbd. glänz m., nebst dem Adj. mhd. und
ahd. glänz «glänzend»; ins Xdl. entlehnt glans
m., bei Kilian 1598 glants. Stammverwandt
mit den gleichbed. mhd. Substantiven glanst
m., glins m., glinster n. m., glinstere f., glander
m. (s. Glander), sowie Glast (s. d.) und den
Verben mhd. und älternhd. glinzen «glänzen,
schimmern», glintzern (1562 bei Mathesius
Sar. 140 ^'j gelinzern bei Harff 158, 18 um
1500), mhd. glanstern, glinsten, glensten, glin-
stern, glinsen, glanstern «glänzen, strahlen».
Zu dieser Sippe gehören wahrscheinlich eine
große Anzahl mit gl anlautender Worte, ohne
daß man über ihr gegenseitiges Verhältnis
ins klare kommen könnte. Zu der Basis
gland zunächst wohl abg. gl^dati «sehen», zu
einer nasallosen Form glast (s. d.), vielleicht
auch Glas (s. d.). Von einer Wurzel mit
I -Vokalismus stammen gleißen (s. d.), glitzern
(s. d.), Gleimchen (s. d.), Glimmer (s. d.),
glimmen (s. d.), von einer e-ö -Wurzel glühen
(s. d.). ABL. glänzen, v.: leucbten, mhd.
glenzen (auch «glänzend machen»), ahd. glänzen,
glenzen, ndL bei Kilian glantsen. glänzig,
adj., im 15. Jh. glantzig (Diefenb.-Wülcker).
Glas, n. (-es, PI. Gläser): aus dem mit
Pottasche oder Soda geschmolznen Kiesel ent-
standne harte durchsichtige Masse; Gefäß
daraus. In beiden Bed. mhd, und ahd. glas
n, (im Ahd. auch «Bernstein»); dazu and.
glas, gles, ndl. glas, ags. glces n. (woneben
glcer n. «Bernstein, Baumharz»), engl, glass,
anord. gier n. «Glas»; ins Lat. aufgenommen
glesum n. «Bernstein». Vielleicht zu Glast
und Glanz (s. d.). ABL. glasen, v., mhd.
in er- und verglasen. Glaser, m., mhd.
glascere. glaser, 1517 bei Trochus F4^ gleßer.
gläserig, adj., 1562 bei Mathesius Sar. 275^
glesericJit. gläsern, adj., bei Luther glesern,
ebenso im 15. Jh. bei Diefenbach gl. 624%
mhd. gleserin, aber gewöhnlich mhd. und ahd.
glesin. glasig, glasicht, adj., um 1500
glaßig (Diefenbach gl. 624^), ndrhein. 1495
glasich (Kölner Gemma K 1 ^). ZUS. Glas-
fenster, n., mhd. glase-, glasvenster. Glas-
fluß, 1775 bei Adelung. Glasglocke, f.,
1808 bei Campe. Glashütte, f., spätnihd.
Anfang des 14. Jh. glashütte (Habsb. ürbar-
buch 44, 21). Glasmaler, m., im 16. Jh. in
der Zimm. Chron. - 2, 606, 4. Glasscheihc,
f., spätmhd. 1495 glasschihe.
glasieren, v. : mit einer Glasmasse über-
ziehen. 1562 bei Mathesius Sar. 144^' und
schon sp'Ätmhd. glasieren, mit fremder Endung
statt glasen. Dafür bei Luther Sirach 38, 34
und 1678 bei Krämer glasuren, von tllasür,
f. (bei Krämer), das ebenfalls von Glas mit
fremder Endung gebildet ist.
Glast, m. {-es): Glanz. Nur noch obd.
und dichterisch (Goethe 6, 218). Mhd. glast
m. (woneben gleichbed. gleste f. und glester
m.), gleichen Stammes wie Glanz (s. d.) und
anord. glcßsa «glänzend machen», glcesiligr
«glänzend, leuchtend». Dazu glasten, v.:
glänzen, mhd. glesten, spätmhd. glasten, im
Ablaut stehend zu glosten (s. d.) und spät-
mhd. glusten (Fastnachtsp. des 15. Jh. 1302).
733
glatt
Glaubersalz
734
glatt, adj. (Komp. glatter, glätter, Sup.
glättest, glättest, in Osterreich nur die erstem):
glänzend eben; zum Gleiten eben. ^Did. und
ahd. glat in beiden Bed., im Ahd. auch «leuch-
tend» von der Sonne (Otfrid 2, 1, 3); dazu
asächs. gladmöd «frohmütig», ndl. bei Kilian
glad «glühend, glänzend», glat «glatt, fröh-
lich, angenehm», afries. gled «glatt;> ags.
.^/(ef? «glänzend», dann «froh, angenehm», engl.
glad. «fröhlich», anord, gladr «glänzend, froh,
erfreulich», schwed.-dän. glaä. Gleichen
Stammes wie Glast und Glanz (s. d.), ur-
verwandt mit abg. gladükü «glatt», lat. glaber
•< glatt», vielleicht auch mit lit. glödüs '< glatt
anliegend», apreuß. glosto ;; Wetzstein». Der
Komp. ohne Umlaut bei Luther glater, der
Superl. bei Goethe 31, 70 glättest, wie ahd.
glatest, aber schon 1555 bei "Wickram mit
Umlaut gleitest. Das Adv. glatt, ahd.
gldto «glänzend», mhd. glat «eben», nhd.
in übertragner Bed. «ohne daß auch nur
etwas bleibt, ganz und gar», bei Frisch
mit Beleg aus dem 16. Jh. ABL. Glätte,
f.: Ebenheit, mhd. glete f., aber ahd. glati
«Kälte, Frost» (Steinmeyer-Sievers Gl. 1, 6, 6);
in der Bed. «glasartige glänzende ßleischlacke,
die sich fettig anfühlt» bereits 1482 im Voc.
theut. 11* glett f., 1557 bei Agricola Bergw.
S 2 * Glette, die rotgelbe heißt Goldglätte, die
hellgelbe Silber glätte (bei Duez 1664 Gold-,
Silber glette). glätten, v.: glatt machen, 1482
im Voc. theut. ll** gleiten-, davon Glätter,
m.: Hobel (glatt machendes Werkzeug), 1662
bei Stoer 21^0^ ZTJS. Glatteis, n., 1616
bei Wallhausen Coi^j. mil. 221 Gladeyß, 1598
bei Colerus Hausb. 2, 83 (E 1 ») Glateis. Glätt-
holz, n., 1678 bei Krämer Glättholtz «Buchs-
baumglättholz des Schuhmachers».
Glatze, f. (PI. -n): haarlose Stelle auf
dem Kopfe. Bei Luther. Mhd. glaz, glatz m.
«Kahlkopf», auch «obere Kopffläche». Im
Ablaut dazu das gleichbed. ältemhd. Glitze f.
(1624 bei Opitz Poet. 12, 1664 bei Duez),
mhd. glitze f. «Glanz» (neben gliz m.), dann
Glatze. Vgl. gleißen. ABL. glatzig, adj.,
im 15. Jh. glatzig bei Diefenbach gl. 91'", bei
Dasypodius 1537 glätzig, mhd. glatzeht, glatzet.
ZUS. Glatzkopf, m., 1517 bei Keisersberg
Emeis 46'».
glan, adj.: geistvoll, scharfsichtig, klug.
Nur noch in Niederdeutschland. Ahd, glau
und gilau (flekt. glawer), mhd. nur in glou-
heit f., asächs. glau ( Akk. glauwon) : dazu ags.
gleaw «einsichtsvoll, klug», anord. glöggr ^sorg-
' fältig, genau, deutlich», norw, glögg «schai-f-
: sinnig», got. Adv. glaggivö. glaggmiba «genau,
sorgfältig». Zusammenhang mit ahd. gluoan,
ags. glötcan «glühen», anord. glöa «leuchten,
, glühen», dän.-schwed. glo ^<scharf anbhcken,
I glotzen» ist möglich. Brugmann Ber. der
I Sachs. Ges. d.W. 1897, 23 vergleicht lit. zvilgeti
i «glänzen, blicken,. Vgl. Glaubreclit.
Glaube, m. {-ns, PI. -«), seit dem 18. Jh.
, auch Glauben, m.: Fürwahrhalten aus Hin-
\ geneigtsein; die Gott zugeneigte Gesinnung;
i Libegiiff der einer Religionsgemeinschaft
' eignen wesentlichen Lehren von Gott und
dem, was mit ihm in Verbindung steht. Mhd.
1 gelouhe, glaube, ahd. giloubo m., woneben das
j Fem. mhd. gel&uhe,gloube, ahd. gilouha,gloubat:
dazu asächs. gilö'bo m., mnd. gelove, gelöf, ndl.
! geloof, ags. geleafa m. Im Ältemhd. und
Mnd. auch kaufmännisch < Kredit» (noch 1678
, bei Krämer auf Glaub «auf Borg»^, xgl, Gläu-
I biger. Von glauben, v.: für wahr halten,
! mhd. gelouben, glauben, auch gleuben (daher
; bei Luther gleuben und im 17. und 18. Jh.
bei Lohenstein, Freyer, Haller 17 und 208
glauben), ahd. gilouban, galauban, glauben;
' dazu asächs. gilöbian, mnd. geloven, ndl. ge-
i looven, ags. gelyfan, gelefan, got. galaubjan;
daneben das Adj. galaufs < schätzbar, wert-
' voll», so daß glauben also wohl bedeutet
«für wei-tvoll halten». Anders Kluge ZfdW.
7, 169. Gleichen Stammes wie erlauben (s. d.),
j und wie Lob und Heb (s. d.). gläubig, adj.,
bei Luther gleuhig, ohne Umlaut glaubig bei
Henisch 1616 und als Adv. bei Schiller Räuber
2, 1, mhd. gelaubec, gloubic, im 14. Jh. gläubig,
ahd. giloubig, gläubig, asächs. gilöhig (in un-
gilöbig): daher Gläubiger, m.: Kreditgeber,
der auf Treu und Glauben (s. d.) Verborgende,
Glauben Habende, um 1480 im Voc. ine. teut.
h6*' gleubiger, 1510 im Cod. dipl. Siles. 20,
, 178 gelaubiger, 1420 bei Schröer Vocab. 605
glouber. ABL. von Glaube: glaubhaft,
adj., mhd. geloubehaft, glaubhaft, glaublich,
adj., 1537 bei Dasypodins glaublich, bei Luther
gleublich, wie 1426 gleivblich (Germania 28,
368), mhd.-ahd. gelaublich, Adv. ahd. gilaup-
Uhho, gloublicho. ZTS. glaubwürdig, adj.,
bei Luther 8, 150 W. glaubicirdig, im 15. Jh.
glaubwürdig (Nürnb. Pol.-Ordn. 135J; davon
Glaubwürdigkeit, f., 1541 bei Frisius 698*
Glaubwirdigkeit.
Glaubersalz, n.: weißes abführendes Salz,
eine Verbindung von schwefelsaurem Xatron
und Kalk, von dem Arzt Johann Rudolf
735
Glaubrecht
gleich
736
Glauber (tl668) gefunden und in seiner Schrift
de natura salium 1658 empfohlen.
Crlauhrecht, Mannesname. Ahd. Glaupe-
raht, zusammenges. mit glau (s. d.) und -hert.
glanch, adj.: (bergmänn.) von weiß blauer,
dem Schimmel ähnlicher Farbe (1741 bei
Frisch), dann (weil dergleichen Gestein ge-
haltlos ist) taub, ohne Erzgehalt (1693 bei
Schönberg 2, 45), aber 1562 bei Mathesius
Sar. 105* in der Bed.« glänzend, schimmernd»,
mhd. glücke, noch tirol. glauch «hell, glän-
zend >\ Verwandt mit glüh, glühen (s. d.).
Olecke, f. (PI. -n) : die von der Sichel oder
Sense niedergelegte, noch nicht zusammenge-
bundne Garbe auf dem Acker. Westmittel-
deutsch. Entstanden aus Gelege (henneberg.
im 18. Jh. Geleg n., Weist. 3, 582, noch
thüring.-hess.); dazu ndl. 1598 ghelegge «Garbe»,
vläm. geleg n. (PI. geleggen). Von ahd. gilegan,
geleckan «niederlegen», mndl. ghelegghen.
gleich, adj.: in den Merkmalen völUg
übereinstimmend; geradlmig. Noch l^ei
H. Sachs geleich, mhd. gelich, glich, ahd.
ga-, gilih; dazu asächs. giUc, mnd. gelik,
ndl. gelijk, afi-ies. lik, ags. gelte, engl, like,
anord. likr und glikr, schwed. lik, dän. lig,
got. galeiks. Das Adv. gleich, mhd. geliche,
gliche, glich, ahd. galihho, im 11. Jh. glicho,
asächs. gilico, afries. llc, einmal gelle, ags.
gelice, anord. lika. Gewöhnlich erklärt als
«von übereinstimmender (Leibes-) Gestalt»,
indem man das Stammwort -leich (mit ge-
kürztem Vokal in Adj.- und Adv.-Zusammen-
setzungen -lieh, s. d.) mit mhd. Itch f. «Leib,
Körper, Leibesgestalt» (s. Leiche) zusammen-
bringt. Auf der andern Seite zieht man als
urverwandt heran lit. Ugiis, apreuß. polligun,
polygu, lett. lidz «gleich». Beides zusammen
geht nicht, -gleichen in meines-, deines-
gleichen usw. ist erstarrter schwach flekt.
Genitiv, gebraucht für alle Kasus und Ge-
schlechter, während mhd. min geliche (Akk.
minen geliehen), ahd. min gilicho (Nom. PI.
mine gilichon) regelrecht flektiert wurde oder
min usw. als Gen. des Personalpronomens un-
flektieii; blieb, daher noch bei Luther (Hiob
1, 8. 2, 3. 9, 32) sein gleiche, mein gleiche.
ABL. (vgl. auch Gleisner): Gleiche, f.:
Gleichheit, völlige Übereinstimmung (2. Kor.
6, 16), mhd. geliche f. «Gleichheit, Gleichnis»,
ahd. gelichi f. gleichen, v.: gleichsein;
gleichmachen. In der 1. Bed. mhd. ge-
liehen, im 14. Jh. geleichen, md. glichen; in
der 2. Bed. mhd. geliehen, ahd. galihhan «gleich-
stellen», got. galeikön «vergleichen, das Gleiche
tun, nachahmen», refl. «sich gleichstellen».
Die urspr. schwache Flexion trat im 17. Jh.
(Moscherosch Phil. 2, 605) bei der 1. Bed. in
die starke über (Prät. glich, Part, geglichen),
wohl nach der Ähnlichkeit von bleichen,
schleichen, streichen, weichen, blieb aber in der
Bed. «gleichmachen» erhalten (Prät. gleichte
Schiller Hero 9, Part, gegleicht Thümmel Reise
2, 156). Gleicher, m. (-s): die gleichweit
von den Polen entfernte Mittelhnie der Erde,
Äquator, 1741 bei Frisch, aber bei Stieler
1691 in der Bed. «in gleiche Teile Teilen-
der, Gleichmacher». Gleichheit, f., bei
Luther Gleicheit, mhd. gelicheit. Gleichnis,
n.: Ebenbild (Schiller Braut v. Mess. v. 910);
vergleichende bildliche Rede, Parabel, bei
Luther Gleichnis n. imd f., mhd. gelichnisse,
-niis f. n. «Gleichheit, Bild, Vorbild, bildliche
Rede», ahd. galihnassi, -nessi, gilihnussi, -nissi
f. n. und gilihnissa f. gleichsam, adv.: in
Vergleich oder voller Ähnlichkeit zutreffend,
bei Luther gleich sam «gleich als», mhd.
geliche sam, aus zwei Adv. zusammenge-
schoben, denn das zweite Wort ist das mhd.
Adv. same, sam «eben wie, als ob», ahd. und
asächs, sama, sanio «ebenso, ebenwie», ags.
same, urverwandt mit gr. 6|u6c, aind. sama,
aw. hama-, häma- «derselbe, gleich». Glei-
chung, f., mhd. gelichunge f. «Vergleichung,
Ähnlichkeit; arithmetisch und astronomisch
1716 in WolflFs mathemat. Lex. ZUS. gleich-
artig, adj., 1775 bei Adelung, gleicher-
maßen, adv., eig. zusammengeschobner Ge-
nitiv, 1525 in Reichsordn. V2S^ gleicher massen.
gleichfalls, adv., bei Henisch 1616 gleich-
fals, 1582 bei Fischart Garg. 333 gleichs falls,
1557 bei Sleidanus (übers, v. Stamler) gleiches
falls, gleichförmig, adj., mhd. im 14, Jla.
glichförmig (Gottesfreunde 34). Gleichge-
wicht, n., 1727 bei Hübner, 1728 bei Brockes
ird. Vergn. 3, 207. gleichgültig, adj.: gleich-
viel geltend (1678 bei Krämer); unerheblich,
unbedeutend (1691 l)ei Stieler); übertragen
auf den Menschen, dem alles gleichgültig,
unerheblich ist (1775 bei Adelung, Schiller
Räuber 4, 2). Gleichmaß, n., 1678 bei
Krämer, gleichmäßig, adj., bei Luther
und 1525 in Reichsordn. 128^. Gleichmut,
m.: gesetzte, aufi'egungslose Seelenstimmung,
1691 bei Stieler; gleichmütig, adj., in
Luthers Postille 1528 gleichmütig «gleichge-
stimmt», das Adv. gleichmütiklich «mit Gleich-
mut» 1514 bei Keisersberg Klappermaul 80''.
737
Gleimchen
Grletscher
738
gleichnamig, adj., 1537 bei Dasypodius
gleichnamig als Übersetzung des gr.-lat. ho-
monynmm, ahd. gelihnamig «aeqiiivocus».
gleichseitig, adj., 1691 bei Stieler. gleich-
wichtig, adj.: von gleichem Gewicht, 1616
bei Henisch. gleichwie, adv. und konj.,
bei Luther gleich wie. gleichwohl, adv.
und konj. der Entgegensetzung, bei Luther
gleichwol, im 15. Jh, glicheiool «in gleicher
Weise» (6riseldis5, 11 Schröder), 1435 gliche-
wol «trotzdem» und 1444 glichwol «obgleich»
(Germania 28, 368). gleichzeitig, adj,, 1796
bei Adelung.
Oleimchen, n. (s, PI. wie Sg.)-. Glüh-
würmchen, Johannisfünkchen (1802 bei Voß
Ged. 1, 330). Norddeutsch. 1540 bei Alberus
dict.. Xx 2* sant Jolians gleimchin, mhd.
gltme und gleime, gleim m., ahd. glimo und
gleimo m. «Glühwürmchen» (woher der Eigen-
name Gleim); dazu asächs. glinio m. «Glanz,
Schimmer», nd. glem m. «Lichtstreifen» (Groth
Quickborn 215), ags. glcem m. «Glanz», engl.
gleam «Strahl, Glanz». Zu mhd. glimen
«leuchten». Vgl. glimmen.
Grleis, n. {-es, PI. -e): Weg-, Radspui'.
Gekürzt aus Geleise, 1678 bei Krämer Ge-
leiß, Gleiß n. Mhd. vereinzelt geleis f. und
1311 geleise n. (Weist. 1, 761, 18), gewöhn-
lich leise, leis f., ahd. ivaganleisa f., daher
noch mundartlich und bei Goethe 1, 295 1. H.
Gleise f., W. 1, 265 Geleise, wie 1616 bei
Henisch Gleisse f. und bei Stieler 1691 Gleiße f.
Gleichen Stammes wie mhd. leist, got. laists
m. «Spur» (s. Leisten). Urverwandt mit lat.
Ura f. «Furche», lit. Itse f. (apreuß. lyso) und
abg. lecha f. «Beet».
Gleisen, PI.: Parallellinien. Neubildung
der jungem Zeit.
gleisen, v. (Prät. gleiste, Part, gegleist):
sich einen trügerischen Schein geben. Her-
vorgegangen aus ältemhd. gleichsen, mhd.
gelichesen, gelihsen, glihesen, ahd. galihhison
«einem gleichtun, sich stellen, sich verstellen,
•heucheln» und Wihisdn «vergleichen, sich ver-
stellen», abgeleitet von ahd. -lih und gelih
«gleich» (s. d. und -lieh), woneben das weiter-
gebildete gleichbed. Zeitwort mhd. gelichsenen,
fiühnhd. geltdisenön (Spec. eccl. 144, 7), ndl.
1598 ghelijksenen , nhd, 1616 bei Henisch
gleichßnen und gleißnen. Die Lautanglei-
chung des ch zu s erfolgte dui'ch md.-nd.
Einwirkung (wie in einem titeUosen mystisch-
allegor. Gedicht von 1486 Bl. a7'' ryßnen
statt mhd. richsenen «hen-schen», md. osse
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
für mhd. ohse «Ochse»), daher zunächst md.
1343 in Beheims Evangehenbuch Luc. 20, 20
u. 47 glisen «heucheln», 1477 clevisch glyssen.
Die dadurch nahegelegte Vermischung mit
gleißen (s. d.) schon bei Luther. ABL.
Gleisner, m, (-s, PI. wie Sg.): Heuchler,
bei Luther Gleissener, Gleyßner, um 1480
im Yoc. ine. teut. h 6 ^ gleisner oder gelisner,
im 15. Jh. gleichsner, geleichsner, mhd. ge-
Itchsencere, glichsener (Berthold 62, 4) neben
gelichescere , ahd. lihhisäri und gelichisäre,
md. 1343 glisenere und im 12. Jh. glissencere
m. (Fundgr. 1, 153, 25), sowie mit Anlehnung
an gleißen früh im 14. Jh. md. glisenere
(ZfdA. 9, 258 f.) ; dazu mnd. glisenere, glissener,
clevisch 1477 glyssener, ndl. 1598 ghelijksener
und gleysener. Gleisnerin, f., mhd. glich-
senerin. Gleisnerei, f., bei Luther Gleis-
nerey, md. 1343 glisenerie f. (Beheim Evan-
gelienbuch Matth. 23, 28); dazu clevisch 1477
glyssery, mnd. aber glytzerie, gleyzerie f.
gleisnerisch, adj., 1616 bei Henisch.
Gleiß, m. {-es, PI. -e), auch Gleiße, f.
(PI. -n): Hunds-, Glanzpetersilie, lat. aethusa
cynapium. 1561 bei Cordus Gleiß, Glyssen,
1588 bei Tabernämontanus Gleißpeterlin. Be-
nannt nach dem Glanz der untern Seite der
Blätter. Denn mhd.-ahd. gli^ m. und mhd.
gli^e f. «Glanz», von gleißen (s. d.).
gleißen, v. (Prät. gliß, Plur. glissen, Konj.
glisse, Part, geglissen, auch schwach gleißte,
gegleißt): blendendes Licht oder augenblen-
denden Schein von sich werfen. Mhd. glimen
(Prät. glei§, Plur. gliggen), ahd. gligan; dazu
asächs. glitan, ags. glitenian neben glisian,
glisnian (afries. glisa), anord. glita, got. glit-
munjan «glänzen». Eine Weiterbildung ist
glitzern (s. d.). Vgl. Glatze, Glanz. Verwandt
ist wohl gr. yi}.\h\hv m. «Schmuck, Prunk»,
X^ibri f. «Weichlichkeit, Üppigkeit».
gleiten, v. (Prät. glitt, Konj. glitte, Part.
geglitten): ausrutschen; sich glatt und leise
worüber hinbewegen. Aber nhd. auch in
schwache Biegung übergegangen, Prät. gleitete
(Lessing 2, 9, j. Goethe 3, 290), Part, gegleitet
(Stieler hochd. Sprachk. 157, Schiller Teil 4, 3).
Mhd. starkflekt. gliten (Prät. gleit, Plur. gliten),
mndrhein. glülen; dazu asächs. glldan, mnd.
gliden, mndl. glijden, afries. glida, ags. glulan
(Prät. gläd, Plur. glidon), engl, glide. Ver-
wandtschaft mit glatt (s. d.) ist möglich, wenn
man von einer indogerm. Basis *gMejädh aus-
geht.
Gletscher, m. (-s, PI. wie Sg.): Eislager
47
739
(xlil)ber
Olimpf
740
im Hochgebirge. 1546 bei G. Agricola de
re metallica 479 Gletzscher. Das Wort stammt
natürlicb von lat. glacies f. «Eis» und ist
wahrscheinlich von Wallis, Uri, ünterwalden
ausgegangen. Vgl. Meyer-Lübke ZfdW. 2, 74.
Der deutsche Name ist bayr.-tirol. Kees n.
01il)l)er, m. (-s): schlüpfrige, glatte Masse.
Aus dem Niederdeutschen, wo schon mnd.
gUbberich «glatt, schlüpfrig». In den Wörter-
büchern nicht verzeichnet, aber in der nord-
deutschen ümgangsspi'ache verbreitet. Sub-
stantivbildung zu dem unter geliefern be-
handelten Verb um.
Olied, n. (-es, PL -er): mittels eines Ge-
lenkes verbundner beweglicher Körperteil;
Teil eines Ganzen; Mitglied einer sozialen
Gesamtheit (md. im 14, Jh.); Generation, die
gleichzeitig lebenden Personen einer Familie
(bei Luther); Reihe einer Heeresabteilung
(1507 bei Wilwolt v. Schaumb. 113 f.). In
den beiden ersten Bed. mhd. gelit, glit n.
(PI. gelit und gelider), auch gelit m. (PI. ge-
lide), noch bei Luther Gelied, Gelid neben
Glied, ahd. gilit n. «Verbindung, Gelenk», mnd.
gelit n., ndl. gelid n. «Reihe» (PI. gelederen).
Vom gleichbed. mhd. lit m. n. (PI. lit, lide,
lider), ahd. lith. lid m. n. «Glied, Gelenk,
Teil, Stück», im Mhd. auch «Zeugungsglied,
Verwandtschaftsglied, Mitglied, Genosse»; da-
zu asächs. lid m, (PI. liäi), mnd. lit, let n.
(PI. lede, ledere, lidder), ndl. lid n. (PI. leden),
afries. lith, letli n., ags. li^ m. n., anord, liär
m. (PI. liäir), got. lipus m. «Glied»; wohl
verwandt mit lat. lituus m. «Krummstab 'der
Auguren, das gekrümmte Signalhorn»; glei-
chen Stammes sind auch wohl ags. lim n.,
engl, limh «Ghed, Zweig», anord. linir m.
«Glied», lim n. «Zweig», schwed.-dän. lem
«Glied», lit. liemuo m. «Stamm, Statur», auch
ahd. lidan «gehen, sich bewegen» (s. leiten)
bringt man mit Glied zusammen. ABL.
gliederig, adj., 1616 bei Henisch glidig,
1691 bei Stieler glidericht, 1768 bei Moer-
beek gliederig. gliedern, v., 1691 bei Stieler.
glidern. Grliederung, f., 1808 bei Campe.
ZUS. Grliedmaßen, Plur.: die Glieder des
Leibes. Bei Luther Glidmaß, Gelidmas n.
Sg. u. Plur., im PI. auch Gliedmaßen (2. Makk.
7, 11), md. im 14. Jh. gelideme^e n. Sg. und
Plur., mhd. lidemä^, lidemce^e n. «Leibes-
glied», in dieser Bed. entwickelt aus mhd.
gelidemä^e f. «Maß der Glieder, Leibeslänge»,
1561 bei Maaler Glidmaß f., «Leyhs lenge,
die grosse des leyhs, statura», also wohl iirspr.
«Maß, die rechte Art der Glieder», ähnlich
1477 das Adj. geliedsmessig von einer Wunde
die geliedz dieff und gelieds lanck ist (Weist,
2, 245), im 15. Jh. lidmessig «mit geraden
ebenmäßigen Leibesgliedern» (Ehingen 4).
Zusammenges. mit 3faß , Maße (s. d.), wie
afries. lithmäta PI. «Gliedmaßen» mit afries.
mäte, mete f. «Maß»; dazu der Plur. ndl.
lidmaten, Island, lidamöt, schwed, ledamot,
dän. ledemod «Gliedmaßen».
glimm, adj.: funkenglühend, 1680 bei
Lohenstein Sophonisbe a 6^. Wie das spät-
mhd. Subst. glim m. «Funke» abgeleitet von
glimmen, v. (Prät. glomm, Konj. glömme,
Part, geglommen, daneben seit dem 18. Jh.
schwachbiegend Vröi. glimmte, ^d^xi. geglimmt):
in einzelnen zündenden Funken glänzen. Mhd.
glimmen «glühen, glänzen, blitzen» (ZfdA. 3,20),
Prät. glam, noch bei Lohenstein Rosen 92
glani, bei Gottsched glomm ; dazu ndl. glimmen.
Bei Luther glümmen, glummen, 1540 bei Al-
berus dict. Hh 1 und Ccl^ ich glum, noch
wetterauisch glummen; dazu 1562 bei Ma-
thesius Sarepta 84^ Füncklein oder Glüm-
merchen, 174^ Glümmerlein und Füncklein.
Gleichen Stammes wie mhd. glhnen «leuchten,
glänzen» (s. Gleimchen), glamme f. «Glut»,
sowie anord. gljä, glcea «leuchten, funkeln».
Dazu noch schw ed. glimta, dän.glimte«glä,nzer\»,
engl, glimpse «Glanz» u. a. Vielleicht urver-
wandt mit gr. x^iot'veiv «wärmen», x^iapöc
«warm». ABL. Glimmer, m. (-S, PI. wie
Sg.): Katzengold, Katzensilber, 1530 bei G.
Agiicola de i-e metallica 134. glimmern,
V. : funkenartig, in Zitterlicht glänzen (Goethe
3, 222 u. 14, 198), md. im 14. Jh. glimmeren
«glänzen, leuchten»; dazu engl, glimmer, (ent-
lehnt) schwed. glimra, dän. glimre. glim-
merig, adj., 1691 bei Stieler glimmericht.
Olimpf, m. (-es): in Beziehung worauf
kundgegebne schonende nachsichtige Zartheit.
Mhd. gelimpf, glimpf m. «Angemessenheit,
angemeßnes ai'tiges Benehmen», (im 15. Jh.)
«ft-eundliche Nachsicht», ahd. gelimpf «Über-
einstimmung». Von ahd. gilimpfen, galimfan
und limphan «angemessen sein», mhd. gelimpfen
(auch tr. «angemessen machen») und limpfen;
dazu ags. gelimpan «sich zutragen, sich er-
eignen». Dem germ. Stamm *lemp entspricht
lautlich genau lat. limhus m. «Besatz am
Kleide», aind. lämbate «hängt herab, senkt
sich usw.», und auch die Bedeutungen lassen
sich wohl vereinen. Veraltet, dagegen noch
in Gebrauch ve)'unglimpfen und glimpflich,
741
glinstern
glotzen
742
adj.: rücksichtsvoll, mlid. gelimpflich, ahd.
güimflih, Adv. gilhnflihho ; dazu ags. gelimpUc,
adv. gelimplice «günstig gelegen».
glinstern, glinzen, s. Glanz.
glitsch, interj., bei Scliiller Räuber 3, 2.
Von glitschen, v.: mit größrer Geschwin-
digkeit gleiten. Im mrhein. Voc. ex quo 1469
glitschen neben glitsen «ausgleitend fallen».
Abgeleitet von gleiten (s. d.). Nach Campe
von Wieland in die Schriftsprache einge-
führt. Dazu glitschig, adj., 1691 bei Stieler.
glitschicht] woneben 1768 bei Moerbeek glit-
sch er ich t, glitscherig.
glitzern, V.: kleine häufige, zitternde Licht-
blitze von sich geben. Mhd. im 14. Jh. glit-
zern ; dazu engl, glitter, anord. glitra «funkeln»,
sehwed. glittra, älterdän. glidre. Iterativ von
ältemhd. - mhd. glitzen «glänzen», woneben
mhd. glitzenen, ahd. glizinon, ags. glitenian
«glänzen, schimmern»; abgeleitet von gleißen
(s. d.) wie die Subst. mhd.-ahd. gliz m., mhd.
glitzet, anord. glitn. «Glanz». AjBL. glitzerig,
adj., 1537 bei Dasypodius, glitzericht 1540 bei
Alberus dict. KkB^.
Crlohus, m. (Gen. Globus u. Globusses,
PI. Globen u. Globusse) : drehbare künstliche
Kugel, entweder die Erde oder den Stern-
himmel abbüdend. Im 16. .Jh. aus lat. globus
m. «Kugel».
Glocke, f. (PI. -n): hohle khngende Halb-
kugel; Schlaguhr, Uhr (z. B. Glock dm «genau
3 Uhr», bei Yoß Briefe 1, 96, eig. -so die Glock
zehne schlegt 1540 bei Hug Rhetorica 141^).
In der 1. Bed. mhd. glocke, glogge f. (auch
Glockenrock, Limb. Chron. 39, 5 von 1350),
ahd. glocca, glogga f ; dazu and. glogga «Glocke»,
mnd. klocke f. (auch «Uhr, Stunde »j, mndl.
klock, ags. clugge (engl, clock aus dem Ndl.),
anord. klokka, klukka, sehwed. klocka f , dän,
klokke. Aus mlat. (8. Jh.) clocca, cloca f.
«Kirchenglocke» (woher auch franz. cloche,
prov. cloca, clocha f., russ. kolokolü m, «Glocke,
ScheUe», dafür ital. campana f.), entweder
■ aus dem Keltischen (air. cloc m., kymr. doch f.)
oder onomatopoetisch oder nach Schuchardt
aus lat. ^clocca aus Cochlea f. «Schnecken-
turm». ABL. Glöckchen, n., md. im 14. Jh.
glockicMn. Glöckner, m.: Küster, Türmer,
mhd. glockencere, gloggenoere, woneben im
15. Jh. glockler, gloggler m. ZUS. Glocken-
hlume, f , 1482 im Voc. theut. nn 6^ weyß
glockenplum. Glockengießer, m., mhd.
glockengießer, mnd. klockengeter m. Glocken-
joch, n. : (.Querholz, woran die Glocke zum
I Bewegtwerden im Glockenstuhle befestigt ist,
: 1482 im Voc. theut. 12^ glockenjoch, ahd.
glocam joch. Glockenspeise, f: Glocken-
! metall, mhd. glocke-, glockenspise, mnd. klocken-,
' klocksptse f. Glockenspiel, n. : zum Spielen
einer Melodie harmonisch gestimmte Glöck-
chen, 1691 bei Stieler Klockenspiel. Glocken-
stuhl, m.: Gestell, Gebälk, worin die Glocke
i hängt, 1703 bei Weismann 161*. Glocken-
turm, m., mhd. glockenturn.
Glorie, f. (PI. -n)-. Ruhm, Herrlichkeit;
Strahlenschein um eine Gestalt, Heiligenschein.
Mhd. glorje, später auch glöri f., aus lat.
I glöria f. «Ruhm». Dem kirchlichen Rufe
gloria in cxcelsis deo (Luk. 2, 14) entlehnt
ist der Zecherruf beim Anstoßen gling glang
gloria (Uhland Volksl. 576, erste Hälfte des
16. Jh.). gloriieren, v. : sich i-ühmen (Goethe
8, 32), mhd. glorieren «prangen», von lat.
glöriäri «sich rühmen, großtun». ZUS. glor-
reich, adj., 1759 bei Lessing 2, 105. glor-
WÜrdig, adj., 1691 bei Stieler.
Glosse, f. (PI. -n): beigefügtes, erklären-
des Wort, erklärende Bemerkung, auch Neben -
bemei-kung f Lessing 1, 476), hämische Be-
merkung. Mhd. glöse f. «erklärende Anmer-
kung», aus gi'.-lat. glössa f. «veraltetes oder
fremdartiges und daher der Erklärung be-
dürfendes Woi-t», gr. Y^üJcca f., eig. «Zunge,
Sprache». Glossär, n. (-s, PI. -e und Glos-
sarien): Erklärungswörterbuch, mhd. im 12. Jh.
glösar n., aus lat. glossärium, glösärium n.
«Wörterbuch zur Erklärung veralteter oder
fremdartiger Ausdrücke«, glossieren, v.:
wozu Glossen machen, mhd. glosen tmd gla-
sieren «auslegen», aus gleichbed. mlat. glosare.
glosten, V. : glühen (Schiller Räuber 2, 1),
ghmmen. Schweizerisch-Schwäbisch. Mhd.
glosten neben glosen «glühen, glänzen», wie
mhd. glose f. «Glut, Glanz» neben gloste, glostf.
«Glut, Hitze». Verwandt mit Glast, Glanz
(s. d.). Auch in der Bed. «mit leuchtenden
Augen sehen, scharfhinsehen»(MusäusVolksm.
1, 13 glosten, Physiogn. Reisen 2, 30 glostem,
um Magdeburg glustern, vgl. götting. gluster
«Mensch mit lebhaften, feurigen Augen», west-
fäl. glüren «einen mit den Augen scharf an-
sehen»).
glotzen, V.: stan* sehen. Mhd. glotzen:
dazu engl, gloat «hämisch blicken, anstarren»,
anord. glotta «spöttisch lächeln», vgl. dän.
glo und sehwed. glo «glotzen» unter glau.
Vielleicht urverwandt mit abg. gl^deti, gl^dati
«schauen». Im Gedanken an Klotz (s. d.)
47*
743
Glück
glummeu
744
bei Wieland 22, 221 mit k geschrieben, gleich-
sam «mit weitaufgespen'ten klotzähnlichen
Augen», schon im Renner Frankf. 1549 Bl. 35
klotzen. ZUS. Glotzauge, n., 1741 bei Frisch.
Glück, n, {-es, PI. -e): Gunst des Schick-
sals, Zukommendes nach Wunsch. Noch im
18. Jh. häufig Glücke (G-ottsched Cato 77 neben
üngelücke, Hagedorn Od. 72, Lessing 1, 47,
Goethe 1, 48 u. 3, 61). Mhd. gelücke, glücke n.
(auch «Zufall, Lebensberuf»), 1482 im Voc.
theut. 1 1 '^ f. geluck, gluck ; dazu mnd. gelucke n.
und lucke n. «Los, Schicksal», dann «glückliches
Schicksal», mndl. geluk; von da vorgedrungen
ins Nordische und Englische, anord. (14. Jh.)
lukka f., schwed. lycka, dän. lykke, engl, luck
«Glück». Herkunft unsicher. ABL. glücken,
V., mhd, gelücken, glücken, 1482 glucken.
glücklich, adj., im 15. Jh. bei Diefenbacii
gl. 244^ gelucklich, 1482 bei Melber X 7 ^ gluck-
lich «durch Glück zuteil werdend», das Adv.
glickeliche um 1400 in Städtechron. 8, 444, 3,
woneben im 15. Jh. das Adj. gluckig, glückig,
bei Diefenbach gl. 467^ glickig; dazu mnd.
die Adj. geluckich, luckelich und luckich, so-
wie das Adv. geluckeliken. glückselig, adj. :
voU Glück, im 15. Jh. bei Diefenbach gl. 244*^
gluckeselig, 1482 im Voc. theut. ll^ gluck-
selig, abgeleitet von glücksal n. «Glückszu-
stand» (Brant Narrensch. 23, 5); dazu Glück-
seligkeit, f., um 1480 im Voc. ine. teut. h 7 ^
geluckseligkeit. Z?7*S. Glücksbude, f. : SjDiel-
bude zu Gewinn oder Verlust, 1669 bei Prä-
torius Glückstopf, Titelbild. Glückshafen,
m.: Glückstopf, 1618 bei Schönsleder Glück-
hafen. Glückskind, n., bei P, Fleming 541.
Glückspfennig, m., 1669 bei Prätorius
Glückstopf 459. GlÜckspilz, m.: Empor-
kömmhng durch schnell zukommendes Glück,
bei Schiller Parasit 1, 1. Glücksrad, n.,
mhd. gelückrat und gelückes rat. Glücks-
ritter, m., 1775 bei Adelung. Glücksspiel,
n.: Hazardspiel, 1526 bei Luther Glückspiel,
in der Bed. «Spiel des Schicksals» 1531 bei
Hedio Josephus Vorr. 4 ^ Glücksspiel. Glücks-
topf, m.: Gefäß, aus dem in der Glücksbude
die Lose gezogen werden, bei P. Fleming 313.
Glückwunsch, m., 1691 bei Stieler, dafür
1571 bei Rot Glückwünschung, 1485 gelücks-
wünschung (Nürnb. Pol.-Ordn. 72).
Glucke, Klucke, f. (PI. -n): Bruthenne.
Bei Luther Hiob 9, 9 Glucke, mit dem stimm-
haften md. Anlaut füi- spätmhd. kluck f.
(Mone Ztschi'. 3, 408 von 1409), mnd. klucke f.;
zusammenges. Gluckhenne, f., bei Luther,
Kluckhenne 1538 bei Hei*r Acker werk Colu-
melle. Zu glucken, v., vom Rufen der
Bruthenne, mhd. Mucken, mehr md. gluggen;
dazu ndl. klokken, ags. cloccian, engl, duck,
lautmalenden Ursprungs wie gleichbed. lat.
glöcire und gr. K\uücceiv. Davon als Ver-
stärkungswort glucksen, v., 1508 in der
Straßbui'ger Gemma k 1^ clucktzen, 1562
bei Mathesius Sar. 226^ kluchzen, 1537 bei
Dasypodius kluxen, 1540 bei Alberus dict.
Hh2^ glucksen, bei Musäus Volksm. 2, 118
Glucksen n.
Glücker: Tonkügelchen, s. Klicker.
glücklich, Glücksbude usw., s. Glück.
Glufe und G^fe, f. (PI. -n): Stecknadel.
1 Oberdeutsch. 1482 im Voc. theut. 1 2 '^ glufe
neben guffe, 1489 bei Brack d2^ spinter, ein
[ vorspang oder ein gluff. Dunkler Herkunft.
I giuh, adj.: glühend (Bürger 320), auch
glüh. Bei Luther glu, gluio (Dan. 10, 6)
} «glühend», dann «hell, poliert», 1562 bei
, Mathesius Sarepta 104**, mnd. glue, glo «glän-
j zend, leuchtend». Vgl. glau, glauch. Von
I glühen, V, : feurig glänzen ; brennend heiß
j sein, Mhd. glüejen, glüewen, glüen, md. gluwen,
gluen, ahd. gluoan, gliiojen, gluon; dazu and.
j glöian «glühen», mnd. gloien, glogen, mndl,
gloeijen, ags. glöwan, engl, glow, anord, glöa,
j schwed.-dän. glo «glotzen, gaffen, glänzen».
! ABL. Glut, f. (PI. -en), mhd. gluot f, «Hitze,
feurige Kohlen» (PI. glüete), md. glüt, ahd.
gluot, glöt f.; dazu mnd. glöt £, nndl. gloed m.,
afries. glöd, gled, ags, gled, anord. glöd f. Die
Wurzel glö gehört vielleicht zu lit. zlejä f.
«Halbdunkel in der Dämmerung», doch kann
I auch Glanz, glatt, gelb u, a, verwandt sein,
oder kymr. glo «Kohle». ZUS. Glühwein,
m., 1808 bei Campe. Glühwurm, m., bei
Voß Luise 1, 809.
glum, adj.: trübe (von Flüssigkeit). Bei
Luther Hes. 32, 2 und Harsdörffer lust- u,
lehrreiche Gesch. 1, 126 glum, bei Francisci
Lusthaus 409 glumm, noch nd. glum «trübe,
dunkel, müirisch»; dazu mnd. und md. glü-
mende Part, «heimtückisch», md. im 14. Jh,
heglümen «trübe machen, hinters Licht führen»,
ags.glöm m.(?) «Düstei'nis, Dämmerung», engl.
glum «finster, müiTisch», gloom «Dunkelheit,
Trübsinn», anord. gläm-syni f. «Sehschwäche,
welche dem Auge die Dinge anders als in
Wirklichkeit erscheinen läßt», ^Zämrm.«Mond»,
urverwandt 'mit lit. zlejä «Dämmerung».
glumnien, v.: glimmen (s. d.). Dazu das
Iterativ glumsen, V.: schwach fortglimmen,
745
glnpen
Gneist
746
1587 im Buch d. Liebe 191*^ neben glunsen
185% mhd. glünsen, md. im 14. Jb. glunsen.
glupen, V.: einen heimlichen schnellen
BHck tun, bes. mit großen Augen seitwärts
lauernd; von unten aufblicken (Bürger Mac-
beth 1, 6). 1775 bei Adelung als niedersäch-
sisch, mnd. glupen, ndl. 1598 glupen, gloepen
«heimtückisch lauem», jetzt gluipen, afries.
glüpa «verstohlen sehen», mengl. gloppen
«anstaiTen». Dunklen Ursprungs. Vielleicht
hängt abg. glipati «sehen» irgendwie mit
dem Wort zusammen. Davon glupSCh, adj.:
heimtückisch. Ndd. 1775 bei Adelung glupisch,
bei Hermes Soph. Reise 4, 238 gluhpsch.
Olut, s. glühen.
Glyzerin, n. (s): Ölsüß, Scheelesches
Süß. 1776 von Scheele entdeckt. Gebildet
von gr. Y^uKepöc «süß».
Onade, f. (PI. -n): WohlwoUen (Nieder-
neigen) gegen den Geiingern, hohe Gewogen-
heit. In der Anrede Euer G-naden ist es
Plural und Übersetzung des lat. vestra de-
mentia. Mhd. genäde, gnade, ahd. ginäda,
gnäda f. «Medei-neigung, Ruhe» [die sonne
geht zu gnaden Weist. 1, 744), «rahige Lage,
Behagen, Glückselicrkeit, Neisnincr zu etwas,
Herablassung zu Beistand, helfende Geneio^t-
heit, Hilfe und Erbarmen, Huld, Dank» (eig.
«Niederlassung, Fußfall um zu danken»); dazu
asächs. näda und ginääa f. «Huld, Bannherzig-
keit», mnd. gnade, genade f. «Ruhe, , Herab-
lassung, Gunst, Vergünstigung, Privilegium»,
ndl. genade, afries. genäde, gnäde und näthe,
näde f. «Huld, herablassende Hilfe», anord.
näd f. «Gnade» im PI. nääir «Ruhe, Schlaf»,
schwed. näd f. und dän. naade «Gnade». Die
Bedeutungen des Wortes lassen sich aus der
von «niedemeigen» ableiten. Aber in den
verwandten Sprachen liegt schon die Be-
deutung «Hilfe» vor, so in got. nißan «unter-
stützen», air. ar-neithim «ich stütze, halte»,
aind. näthäm n. «Hilfe, Zuflucht», näthas m.
«SchutzheiT», nadhamänas «Hilfe suchend,
bittend». Daher wird man von dieser Be-
deutung ausgehen müssen. ABL. gnaden,
V.: Gnade erzeigen, mhd. genäden, gnaden,
ahd. ginädon, ginäden, gnaden; dazu asächs.
ginääon. gnädig, adj., mhd. gencedic, gncedic,
«wohlwollend, barmherzig, liebreich», ahd.
ginädig, gnädig, Adv. gnädigo; dazu asächs.
ginääig «harmherzig, liebreich», schwed. nädig
und dän. naadig «gnädig», dagegen anord.
nädugr «ruhig». ZUS. Gnadenbild, n.,
bei Luther. Gnadenbrot, n., 1741 bei Frisch,
Gnadenjalir,n.: Jahreseinkünfte eines Amtes,
die die Witwe nach dem Tode des Mannes
genießt, 1657 bei Speidel Speculum 511, aber
spätmhd. im 14. Jh. gnädenjär n. «kirchliches
Jubeljahr» (Städtechron. 5, 45). Gnaden-
pfennig, m.: goldne Medaille als fürstliches
Gnadengeschenk (Brustschmuck), 1666 bei
Besold Thesaurus 327. gnadenreich, adj.,
mhd. ge7iädenriche. Gnadenstoß, m.: Todes-
stoß aus Gnade, urspr. dem geräderten Ver-
brecher vom Henker gegeben, 1775 bei Ade-
lung, anders mhd. genädenstog m. «Anregung
der Gnade». Guadenwahl, f.: Prädestina-
tion, 1663 bei Schottel 425.
Gnatz, m.: Übellaunigkeit der Kinder.
Norddeutsch. Identisch mit dem folgenden.
Gnätze, f.: Schorf, Hautausschlag. Bei
Luther 3. Mos, 14, 56 Gnetz f., auch Gnatz
m., 1716 bei Ludwig der Gnatz, die Gnätze
oder der Gneiß auf den Köpfen der Kinder.
Noch nd. und kurhess. Gnatz m. «Grind,
Schorf, Krätze». Md. im 15. Jh. gnaz m.
«Grind» (Diefenbach gl. 264^) und 1296 in
dem Beinamen gnazoge «Grindauge» (Ger-
mania 20, 40), um 1300 bildlich «Kargheit
(Schäbigkeit), Knauserei», urspr. wohl «das
Schaben, Reiben». Zu ahd. gnitan, md. und
mnd. gnlden, ags, gnldan, cnidan, anord. gniäa,
dän. gnide «reiben». Weiter gibt es Formen
mit anlaut. h anord. hnita «mit etwas stoßen»,
lit. kmsti «wühlen». ABL. gnatzig, adj.,
bei Luther gnetzig und gnetzicht. gnatzig,
adj.: übellaunig.
Gneis, m. (-es, PI. -e) : schieferiger Granit,
aus Feldspat, Quarz, Glimmer. 1557 beiAgri-
cola Bergwerkb. S2^ Gneus, 1562 bei Ma-
thesius Sar. 197* gneysiger Stein, 1698 bei
Schönberg Geneis, 1712 bei Hübner Geneiß.
Vermutlich urspr. Nebenform von Gneist
«Funke» (s.^ Gneist), wie beiParacelsus Chirurg,
Schriften (I6I8) 317 Geneiß n. «Funkenasche».
Die Schi-eibung Gneus beruht auf Anknüpfung
an genießen, weil dies Gestein nach Berg-
mannsglauben viel gutes Ertz, unter toelchem
es bricht, gleichsam vor sich geneust und es
verzehret und rauhet (Hübner 1712).
^Gneist, m. (-es, PI. -e): Funke, sprühen-
des Flämmchen. Mhd. ganeist, ganeiste, ge-
neiste, gneiste m. f., ahd. ganehaista, gneista f.
und gneista, gnanisto m., woneben ahd. ga-
neistra, ganastra, mhd. ganeister, ganster,
gänster, geneistei', gneister f. ; dazu ags. gnäst
m., anord. gneisti m., dän. gnist «Funke».
Verwandtschaft unsicher. Preuß. knaistis
747
Gneist
Gold
748
«Brand», abg. gnetiti «anzünden» können nicht
beide gleichzeitig verglichen werden.
^Gneist, m, {-es): fest auf der Kopfhaut
schuppig sitzender Grind oder Hautschmutz.
Wetterauisch. 1482 gnyst im Voc. theut. m7^,
im 15. Jh. bei Diefenbach gl. 264 ^ geniste,
genist, 1716 bei Ludwig Chfieiß m. neben
Gnatz (s. Gnätze), 1741 bei Frisch Chieis,
Gnistm., mnd. g^iist «Räude, Hautausschlag»,
tirol. Gneist n. «kleingeschnittnes oder ge-
schabtes Zeug», Gneis «Kopf schuppe». Wohl
abgeleitet von ahd. gnitan (s. Gnätze).
Gnenn, m. : Vater, s. Knän.
Gniddelstein, m.: Nahtklopfer bei Leinen-
zeug, anstatt der Plätte. Norddeutsch, Mnd.
gnidelsten m. «Glättstein», von nd. gnideln,
gniden «glätten, plätten», mnd. gniden «reiben»
(s. Gnätze).
Gnom, m. (-en, PI. -en): Erd-, Berggeist.
1775 bei Adelung, aus gleichbed. franz. gnome,
ital. gnonio m., von mlat. gnomus m. «Erd-
geistchen» (im 16. Jh. bei Paracelsus), zu
gr. Yviij|üri f. «Erkenntnisvermögen, Geist».
Gobelin (spr. gohel^), m. (-s, PI. -s und
Gdbeline) : Teppich mit eingewirkten Bildern..
Benannt nach dem Ei-finder Jean Gobelm in
Paris (15. Jh.).
Gockel, m. (-S, PI. wie Sg.): Männchen
des Hühnei-\'iehs. In ältrer Zeit auch Gückel,
so 1540 bei Alberus dict. Hh2'i und 1556
bei Frisius 940", 1537 bei Dasypodius Guckel,
Gugel, 1589 bei Bebel Facetiae 128=^ Gockel
(1558 Gogkel), 1538 bei Serranus Göcker. In
Zusammensetz. 1596 bei Hulsius Gugelhan.
bei Schuppius 773 Gockelhan, bei Schiller
Wall. Lager 9 Gökelhahn, mnd. kukelhän.
Lautmalende Bildung, wie gleixjhbed. mndl.
kocke m., ags. coc m., engl, cock, fi"anz. coq
m., anord. kokr m. «Hahn», lat. coco vom
Hahnenlaut, wie im Alsfelder Passionsspiel
40^ gucze gu gu gä.
Godel, f. (PI. -n): Patin, s. ^Gote.
Gold, n. {-es, PI. -e): das edelste MetaU
lat. aunim. Mhd. golt, ahd. gold n.; dazu
asächs.-afries.-ags.-engl. gold, ndl. goud, anord.
gull, goll, schwed.-dän. guld, got. gnlp n. Ur-
verwandt mit abg. zlato, russ. zoloto n., lett.
ze'lts m. «Gold», aind.Jiiranjam «Gold», aw.
zaranja- n. «Gold», aind. hätakam «Gold» aus
*haltakam. Daß das Wort zu *gelh gehört,
ist durchaus nicht sicher, vgl. Hirt Ablaut 88.
Eher steckt darin ein Volksname, wie in aind.
hätakam «ein Land». Aus dem Germanischen
entlehnt finn. kulda, kulta «Gold». ABL.
golden, adj., noch altertümlich gülden, gülden,
mhd.-ahd.-asächs. guldm; dazu ndl. gouden,
afries. gelden, gülden, golden, ags. gylden, engl,
golden, anord. gullinn, schwed. gyllene, dän,
gylden. golden, v, in vergolden, mhd.
ver gülden, ver gülden, altertümlich vergidden
(Goethe 1, 90), vergülden (Schuppius 251).
goldig, adj., süddeutsch als Kosewort, bei
Schiller 2, 144; altertümlich guldig bei Cha-
naisso 3, 133. güldisch, adj.: goldhaltig
(im Bergbau), 1775 bei Adelung, göldisch
1721 bei Jablonsky. ZUS. Goldammer, f,,
spätmhd. im 15. Jh. goltamer f., im Voc. ex
quo 1469 goltamnierlin n. goldfarben, adj.,
bei Luther goldfarh, mhd, goltvar (s. -farh).
Goldfinger, m.: Ringfinger, der Finger zu-
nächst am kleinen, mhd.-spätahd. goltvinger
(Steinmeyer-Sievers Gl. 3, 72, 8), afries. und
ags. goldfinger. Goldfisch, m.: aus China
stammender, 1691 nach England und von
da in Eui'opa verbi'eiteter goldglänzender
karpfenartiger Fisch, Cyprinus auratus (in
China bereits im 5. Jh. n. Chr. in Garten-
teichen und Porzellanvasen gehalten); anders
1482 im Voc, theut. 14^ golt fisch «Teichforelle»,
salmo fario; (jetzt auch in Übertrag. Bed.)
«reiches Mädchen», goldgelb, adj., 1537
bei Schaidenreißer Odyssea 96^, 1616 bei He-
nisch. Goldglätte, s. Glätte. Goldgrube,
f.: 'Goldbergwerk, 1429 goltgrueh und 1414
goltgrohe (Diefenbach gl. 62*^); auch in Über-
trag, Bed, Goldhähnchen, n. : der Sommer-
Zaunkönig, Sylvia regulus, der kleinste Vogel
Europas, benannt nach der gelben Haube, um
1500 goldhandel (Diefenbach nov.gl. 181^), 1557
bei Heußlin Vogelb. 66^ Goldhendlin, 1664
bei Duez Goldhahnichen. Goldkäfer, m.,
1595 bei Rollenhagen Froschm. 1, 2, 15 Gold-
kefer, 1466 goltkeher (Diefenbach n, gl.- 43^).
Goldkorn, n., 1616 bei Henisch Goldkörnlein.
Goldlack, m,: die wohlriechende Pflanze
Cheiranthus cheiri, 1798 bei Nemnich,, dafür
im 16. Jh. geel Yeiel (Fuchs 1542), geel Vio-
Violaten (Bock 1546). Goldmacher, m.:
Alchymist, 1646 bei Moscherosch Phil. 1, 61.
Goldmann, m.: Kosewort für einen be-
sonders lieben Mann, bei Geliert 8, 415.
Goldschmied, m., mhd. goltsmit, ahd, golt-
sniid, ags. goldsmip m. Goldsohn, m., 1775
bei Adelung als Kosewort der Meißner (Ober-
sachsen) wie ßoldkind und Goldtochter. Gold-
stück, n., 1616 bei Henisch Goldstuck, an-
ders bei Luther Golds Stücke. Goldwage, f.,
749
Golf
Gose
750
spätmhd. 1455 goltwäge f. RA. seine Worte
auf die Goldwage legen, vgl. Sir. 21, 27.
Golf, m. (-es, PI. -e): Meerbusen. In
der ersten Hälfte des 15. Jh. golffe (Altswert
228, 2), 1534 bei Franck Weltb. 209^ der
Akk. Sg. Cholfen, 1562 bei Mathesius Sar.
201^ Golff. Aus gleichbed. franz. golfe, ital.
golfo va., von gr.-spätlat. colpus m. «Meer-
busen», gl'. köXttoc m. «Busen, Meerbusen».
Golllcht (mit ö), n. {-es, PI. -er): Talg-,
ünschlittlicbt. Ein durch Mitteldeutschland
vom Rhein bis Schlesien, sowie durch die
Oberpfalz nach Franken und Schwaben sich
hinziehendes mundartlich es Wort. Bei H.Sachs
[1, 317^] Goliecht, im 15. Jh. gollicht (Folz
Fastnachtsp. 8, 1219) und PI. golliechter
(Schmeller - 1, 893), guliechte (Inventar Elsen
von Holzhusen von 1410 im Archiv zu Frank-
furt a. M.), guUiecht im Einnahme- und Aus-
gabeverzeichnis des Klosters Marienborn bei
Büdingen von 1493, aber bereits im 13. -Jh.
ndrhein. guleweke «Lichtwoche, Woche der
Lichtmesse» (Haupts Ztschr. 15, 516). Da-
für umgedeutet obersächs.-posen. Gokellicht.
schles. 1728 bei Stoppe Ged. 1, 188 Goock-
licht, zu mhd. gogelen «hin und hergaukeln,
sich hin und herbewegen», also «Licht zum
Leuchten beim Umhergehen im Hause».
GÖlse, f.: Schnake, s. Gelse.
Gondel, f. (PI. -w): venetianisches Lust-
schiffchen. 1664 bei Duez Gondel. Gondole,
1616 bei Henisch Gundel «ein Venedisch
Schifflin», 1597 bei Wickram RoUw. 190,
2 Kz. Giindelle f., 1594 bei Frischlein Nomen cl.
Kap. 171 das Dim. Giindelein n. Aus gleich-
bed. ital. gondola f., dem Dim. von gonda f.
«Gondel». Davon Goiideliei", Gondoller, m.,
(-S, PI. -e): Gondelführer. Aus gleichbed.
ital. gondoliere m. 1703 im Zeitungslex.
Gondolirer.
gönnen, v.: gerne sehen oder gestatten,
daß jem. Gutes oder Übles zukomme, er es
habe. Bei Luther gönnen, gönnen, günnen. noch
im 17. Jh. bei Fleming, Logau usw. günnen,
mhd. günnen, günnen, ähd.gi-, geunnan, günnen,
asächs. giunnan, ndl. günnen, ags. geunnan,
von ahdi.unnan «gönnen, vergönnen, erlauben»,
ags. unnan, anord. unnxi (auch lieben), schwed.
Unna, dän. unde. Wegen der Ableitung Gunst
(s. d.), wohl aus ans entstanden und vielleicht
gehörig zu gotganisan «genesen, gerettet wer-
den», gr. viojj.a\ «kehre zurück», aind. näsate
«gesellt sich», Grundbetonung wohl «heran-
gehen». Das Präsens zeifft in der altem
Sprache Präteritopräsensfonn: mhd. gayi, noch
bei Luther ich, er gan neben ich günne, ags.
gean und an, anord. ann; das Prät. lautet
ahd. giansfa und geonda, im einfachen Verb
onda, asächs. gionsta, ags. geüde und Ude^
mhd. gunde, gonde, bei Luther gönnete und
gönste, gunste, im 17. Jh. bei den Schlesiern
gunte, noch bei Zachariä Ren. 263 vergönnte;
das Part. Pass. mhd. gegunnen, günnen, später
gegunnet, auch geganst, bei Luther gegönnt,
schles. im 17. Jh. gegunt, ags. geunnen, anord.
unnat. ABL. Gönner, m., beiLuther Gönner,
Gönner, mhd. gunner, gUnner, md. gonner;
dazu Gönnerschaft, f., 1775 bei Adelung.
Göpel, m. (-S, PI. ^vie Sg.): aus einer
senla-echten Spindel bestehendes Hebezeug
über der Grube zur Windung aus tiefem
Schacht; (später) in der Landwirtschaft ein
Triebwerk. 1546 bei Agricola de re metallica
483 Keppel, pyramis, aedificium super puteum
extructum, ebenso 1562 bei Mathesius Sar.
22^ u. 196*^ Gepel «das Gebäude, Zechhaus,
worunter die Hebemaschine steht» (Bl. Lll^
Göpel), 1594 bei Frischlin Xomencl. 112 Ge-
pell «Roßmüll, machina tracta ab eqms».
Göre, f. (PI. -n) und Gör, n. (PI. -en):
Kind, kleines Kind, Mädchen wie Knabe.
Niederdeutsch. 1598 bei Helvig 144 Göre
«Pomerani in contemptum pro infante», 1652
bei Lauremberg 2, 11 Gör f. Dazu engl, girl
«Mädchen», mittelengl. girle; anders Schweiz.
giirrli n. «hübsches, schalkhaftes, lebhaftes
Mädchen», welches Dim. von Gurre (s. d.)
«Stute» ist. Göre ist von Möller Btr. 7, 542
mit gl". Trapöevoc, lat. virgo f. verbunden, was
trotz aller Einwände richtig sein kann. An-
ders Holtbausen Arch. f. neuere Spr. 107, 379 f.
Gösch, m. {-es, PI. -e) auf f. (PI. -en):
viereckige Flagge am Ende des Bugspriets.
Niederdeutsch. Dazu ndl. geus, entlehnt
schwed.-dän. gjös. Nach Falk-Torp identisch
mit ndl. gens «Bettler».
Gosche, Gusche, f. (PI. -w): Maul als
niedriger Ausdruck. 1556 bei Frisius 432*
Gosche «Schlund, Maul», ebenso bei H. Sachs
Fastn. 85, 201, Fischart Garg. 337 und 1640
bei dem Schlesier Scherffer Grob. 139 u. 218,
sonst in Mitteldeutschland Gusche f. (Günther
125). Vielleicht zu aind. ghösati «tönt, ver-
kündet, iTift aus», ghosas m. «Lärm, Getön»,
aw. gaos «hören», apers. gausa «Ohr».
Gose, f. : Weißbier, das angeblich in Goslar
zuerst gebraut sein und von dem Flusse Gose,
an dem Goslar liegt, den Namen tragen soll.
751
Gosse
Gott
752
Vielleicht aber nd. gös «Gans», wie denn
viele Biere nach Tieren benannt sind, vgl.
Broyhan. Schon 1332 mnd. gose (Höfer
ürk. 257), 1575 bei Fischart Garg. 86 Goß- 1
larisch Gause und 148 Goß. \
Gosse, f. (PI. -n) : Giißstein der Küche ; j
Straßenrinne. 1517 bei Trochus 0 3'' ein \
gosszen. Von gießen (s. d.). j
^Gote, f. (PI. -«), auch dim. Göäel: die:
aus der Taufe Hebende und Gehobne. Mhd.
göte, götte m. und gote, gotte f. «Pate, Patin
und JPatenkind», ahd. gota f. «Taufzeugin», |
1664 bei Duez 46 Göte f., 1669 im Simpl. 403 j
Göth f. «Patin». Noch in Ober- und Westinittel- '
deutschland Gott f. und Gott m. Vielleicht
abkürzende Koseformen füi* die als geistlicher
Vater oder geistliche Mutter des Täuflings '.
(lat. pater, mater in Deo) geltenden Tauf- '
zeugen, wie die mit Gott (s. d.) zusammen-
gesetzten vollem Formen zeigen: ags. god-
fceder m. «Pate», godmödor f. «Patin», god-
sunu m. und goddöhtor f. «Patenkind», ent-
sprechend engl, godfather, godmother, godson,
goddaughte?', anord. guäfadir, guddöttir, dän. i
gudfade)', gudmoder, guddotter, schwed. gud-
fader «Pate», gudnior «Patin», gudson und
guddotter «Patenkind», aus gudfader und ^
gudmor. Auch ndl. 1598 goede und goede-, j
godmoeder «Patin», godvader «Pate». Aber
unser Wort kann auch eine Büdung sein
wie got. gudja, and. godi «Priester».
'Gote, m. (-n, PI. -n): Volksname. Got.
Gut-ßiuda f. «Gotenvolk», bei den Griechen
FötGoi, foTToi, bei den Römern Gotones oder
Gothones (Tacitus Germ. 44), Gothi ( Eutrop),
bei S. Franck Chron. (1551) 157^ f. Gothier,
Gotthier, bei Aventin Gothen (4, 963, 23),
GoUen, Gouten usw. Davon gotisch, adj.:
den Goten eigen: altdeutsch (in der Bau-
kunst, 1741 bei Frisch); im 18. Jh. altfrän-
kisch, altmodisch (Lessing 11, 136, Wieland
6, 170, Schiller 6, 346, 6, Wagner Kinderm.
11 Neudr.), nach franz. gothique «altvaterisch».
Gott, m. (-es, PI. Götter): übernatürliches
höchstes Wesen. Mhd. -ahd. got m. (Gen.
gotes): dazu asächs.-ndL-afries.-ags. god m.,
anord. god, gud m. n., got. gup (Gen. gudis)
m. n. Eine alte partizipiale Bildung, urgerm.
*gudom, idg. *ghutoni, die man zu verschie-
denen Verben der verwandten Sprachen stellen
kann, entweder l) zu aind. am «anrufen»,
hUtä- und aw. -zbäta «genifen», abg. 2rat;(j«ich
rufe», lit. zaveti «besprechen, zaubern», oder
2) zu aind. hu «opfern», hutäs «geopfert»,
gr. x^eiv, x^TÖc «gießen, gegossen», oder 3)
zu lat. fovere «wärmen» oder lat. favere
«günstig sein». Ebenso verschieden wie die
Wurzeln kann auch die Bedeutung sein, ent-
weder abstrakt «die AniTifung, die Opferung»
oder «das angerufne, das geopferte» usw.
Irgendwelche Sicherheit ist nicht zu gewinnen.
Wenn Götze (s.d.) wirklich zu Gott gehört, so
wiese das auf eine ursprüngliche Bedeutung
«Büd, Figui-». Vgl. Osthoff Bezz. Btr. 24, 177.
Uhlenbeck Btr. 30, 285. Der Plur. lautet
ahd. gota, mhd. gote, göte und neutr. göter,
wie got. PI. Neutr. guda. Vgl. Götze, Güt-
chen. ABL. Göttin, f. (PI. -nen), mhd.
gotinne, gotin, mit Umlaut gütinne, götinne,
göttin, ahd. gutinna, gutin f.; dazu ndl. godin,
ags. gyden f. göttern, v. in vergöttern, bei
Luther göttern «göttliche Ki-aft und Art ver-
leihen», mhd. vergoten «götthch machen, in
Gott verwandeln». Gottlieit, f., mhd. -ahd.
goteheit, gotheiti. göttlich, adj., mhd. gote-,
gotlich, göte-, götlich, md. godelich, ahd. gote-,
gotlth: dazu asächs. godlic, anord. gudligr.
ZUS. 1) mit Gott-: gottloh, interj., früh-
mhd. gote-, gotlop, eig. «(dem) Gott sei Lob».
gottlos, adj., bei Luther, schon got. guda-
laus «ohne Gott». Gottseiheiuns, m.: der
Teufel, bei dessen Anblick man diesen Schutz-
ruf ausstößt (Goethe 13, 65 von 1802). gott-
selig, adj., bei Luther, eig. «in Gott selig»;
dazu Gottseligkeit, f., ebd. gottvoll,
adj., im 19. .Jh. — 2) mit dem Gen. Gottes-:
Gottesacker, m.: Totenfriedhof, 1544 bei
Luther Ausleg. d. Ep. u. Ev. von Ostern
FF 6 ^ tvir Deudschen von alters solche Be-
grebnis nennen Gottesacker. Gottesdienst,
m., mhd. im 14. Jh. gotsdienst. Gottes-
furcht, f., bei Luther: gottesfürchtig,
adj., bei Luther gottfürchtig, bei Steinhöwel
Esop 72 gotzßrchtig , mhd. im 14. Jh. got-
fm-htic. Gottesgahe, f., mhd. gotes-, gots-
gabe. Gotteshaus, n., mhd. gotes-, gots-
\hüs, ahd. gotes hüs; dazu asächs. godes hüs,
afries. godis-, godeshüs, woneben mhd. gothüs,
got. gudhüs n. «Tempel». Gotteskasten,
m.: Behälter zur Verwahi'ung des Kirchen-
. geldes, bei Luther. Gotteslästerer, m.,
I 1495 in Reichsordn. 26^ gottßlesterer ; Gottes-
lästerung, f., 1517 im Frankf. Reichskorr.
2, 933 gotslesterung. Gotteslohn, n., bei
Luther 1, 317*^ J. Gottespfennig, m.:
Handgeld, dessen Annahme zu Dienstleistung
I verbindend ist, im 15. Jh. gotsphennig, gocz-
p fennig und gotsheller (Diefenbach gl. SO**,
753
Gottfried
Gracht
754
nov. gl. 35^). Gottestisch, m.: xUtar, 1645 '
bei Zesen adr. Rosemund Xachschr. Gottes-
urteil, n., 1775 bei Adelung. — 3) mit dem
PI. Götter-. Götterbild, n.: (bUdl.) gött-
liche Erscheinung, bei Goethe Iph. 2, 2.
Gottfried, Mannsname, ahd. Gota-, Goda-,
Godofrid, zusammenges. aus Gott und Friede.
Gotthard, ahd. Gotahart, zusammenges. aus
Gott und hart. Gottliel), ahd. Gotleip, asächs.
Godolef: das später zu lieh umgedeutete -leih
bedeutet «der Zurückgelaßne, Sohn, Abkömm-
ling», von leihen (s. hleihen).
gottlob, gottlos, gottselig usw., s. Gott.
Götze, m. (-n, PL -n) : falscher Gott. Seit
Luther 1520 in der Bed. «Bild eines Ab-
gotts» und «Abgott», im 15. Jh. bei Rosen-
plüt Fastnachtsp. 3, 1181 «aus Holz ge-
schnitztes Bildwerk», ebenso im Spruche von
einem Dompropste zuWüi'zburg in der Münch-
ner Hdschr. von 1476 ßl. 125» — 126*^ der
Plur. gocze, göcze «geschnitzte Götterbilder»
und 1594 bei Prischlin Xomencl, Cap. 157
simulachrum, effigies, Bildstock, Götz, ndl.
1598 godse. In übertragner Bed. «dummer,
unbeholfner Mensch, Dummkopf» 1494 bei
Brant Narrensch. 46, 14, Trochus 1517 G3^
stultus gotze, H. Sachs Fab. 185, 112, Luther
8, 319* J.; ferner «Schwächling» im 15. Jh. |
bei Diefenbach gl. 526 ^ semivir gocze. Hilde-
brand (Beiträge z. deutsch. Untemcht 129)
erklärt Götze als «Hausgeist, Kobold», dann
«Abbild eines Kobolds» (s. Ölgötze); bei Uh-
land Yolksl. 754 ist götze «der Hauskobold,
traute Hausgott». Götze ist Dim. von Gott
(s. d.), wie Spatz von Spar, Petz von Bär,
also gleichwertig mit mhd. götelm, gütel (s.
Giltchen). Vgl. v. Bahder Btr. 22, 531 und
auch Meringer Idg. Forsch. 18, 280. ZTJS.
Götzendiener, m., Götzendienst, f., beide
bei Luther.
Gouvernante, f. (PI. -n)-. Erzieherin, Hof-
meisterin. 1728 bei Apinus. Gouvernantin
1714 bei Wächtler. Aus gleichbed. franz.
.gouvemante f., eig. Part. Präs. zu gouverner
«ein Schiff steuern«, dann «regieren, leiten»,
von gleichbed. lat. guhernäre, gr. Kußepväv.
Gouverneur, m. (-s, PI. -e): Statthalter,
Befehlshaber. 1669 im Simpliciss. 51. Aus
gleichbed. franz. gouvernenr m., von lat.
gubernätor m. «Steuermann, Lenker, Leiter».
Grab, n. (-es, PI. Gräber): Grube zur
Totenbestattung. Mhd. grap, ahd. grab n.
(PI. grehir) ; dazu asächs.-mnd. und ndl. graf,
afries. gref, ags. grcef, graf n., engl, grave,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
anord, gröf, schwed. graf f., dän. grav. Von
graben (s. d.). ZUS. Grabmal, n., bei
Luther. GrabSChrift, f., 1562 bei Mathe-
sius Sar. 294% Grabeschrifft bei Luther 8,
411* J. Grabstein, m., um 1480 im Voc.
ine. teut. k 2 *.
grabbeln, V.: herumtasten, herumgreifen
(fiiiher auch mit den Füßen herumfahren,
was jetzt krabbeln (s. d.). Vielleicht mit
diesem gleich, oder auch mit grapsen (s. d.)
vei^wandt. In Norddeutschland.
Graben, m. (-s, PI. Gräben): sich hin-
ziehend in die Länge gegi'abne Erdvertiefung.
Um 1480 in Voc. ine. teut. kl^ graben, 1540
bei Alberus dict. A2* Grab m., mhd. grabe,
ahd. graho m. ; dazu and. gravo m., mnd, und
mndl. grave m., got. graba f., anord. gröf f.
«Höhle, Grab». Der umlautende PI. Gräben
schon im 16. Jh. (greben 1529 bei Liliencron
3, 597», 1531 bei Hedio Josephus Antiqu.
142*) statt des urspr. schwachen PI. Graben
(noch bei Voß H. 2, 153, Goethe 30, 134 1. H.
= W. 33, 131, wo Gräben). Von graben, v.
(Präs. grabe, gräbst, gräbt, Prät. grub, Konj.
grübe, Part, gegraben): mit einem scharfen
oder spitzen Werkzeuge Vertiefungen machen.
Mhd. graben, ahd. gräban (Präs. grabu, grebis,
grehit, Prät. gruob, Part, grahan und ga-,
gigraban): dazu andfränk. and. gravan,
mnd. und mndl. graven, engl, grave, afries.
greva, grova, ags. grafan, anord. grafa, schwed.
gräfva, dän. grave, got. graban. Urverwandt
mit abg. grehq «ich grabe, rudre», grobü m.
«Grube, Grab», lett. grebt «sckrapen, aus-
höhlen». Dagegen wegen mangelnder Laut-
verschiebung nicht mit gr. Ypctqpeiv «einritzen,
schreiben». Vgl. Griffel, Grube, grübeln,
Gruft ZUS. Grabscheit, n. {-es, PI. -e):
Werkzeug zum Graben der Erde. Bei Licht-
wer Fab. 4, 18 Grabescheit, bei Wieland Ob.
9, 23 Grabescheid. Mhd. grabeschit, 1429 im
Lib. ord. rer. 9^ grabschit n., zusammenges.
mit ahd. seit n. «hölzerner Stiel». Grab-
stichel, m. : Werkzeug der Goldschmiede und
Graveure, 1489 bei Brack g2^ grabstickel.
Grachel, f. (PI. -n): die lange spröde
Ährenspitze. 1755 bei Adelung. Schlesisch-
auch «Spreu». Vielleicht zusammenhängend
mit md. (13. Jh.) grach n., dessen Bed. «Ähren-
feld» nur Vermutung ist.
Gracht, f. (PI. -en) : Kanal. Niederdeutsch.
Mnd. und mndl. gracht, graft f., mndrhein.
gracht f. entsprechend mhd. graft f. «Graben»
zu graben.
48
755
Grad
Gran
756
Grad, m. (-es, PI. -e): Stufe; 360ster
Teil des Kreises. IMlid. grät m. «Stufe»
eigentlich und bildlich (PI. gr(Bte, gräte, md,
grete), im 14. Jh. gräcl, ahd. gräd m. « Schritt,
Stufe»; dazu mnd. grät n. Aus gleichbed.
lat. gradus m., woher ital.-span. grado, franz.
degre m. gradieren, v.: zu einem höhern
Grad an Güte bringen, z, B. in Salinen das
Salzwasser durch Reisig abtröpfeln lassen
zum Verdunsten des wilden Wassers, 1712
bei Hübner. Bei Rot 1571 gradirn «nach
Graden abschätzen», z, B. Gold und Silber,
auch die Wärme in 4 Graden bis zur Siede-
hitze. Nach mlat. gradare «aufwärts gehen»,
davon Gradierwerk, m. Im 18. Jh. dafür
Gradierhaus oder Leckiverk. graduieren,
V.: einen höhern akademischen Grad ver-
leihen, im 15. Jh. bei Nik. v. Wyle 353, 16
gradmvieren , aus mlat. graduare «zu einem
höhern akademischen Grad fortmckenlassen»,
von lat. gradus m.
Graf, m. {-en, PI. -en): der Nächste in
der Würde nach dem Fürsten. Unverkürzt
noch 1673 bei Weise Erzn. 23 Graffe, bei
Rückert 3, 60 Gräfe. Mhd. gräve, gräf m.
(PI. gräven, auch grceven) urspr. «höhrer
weltlicher Befehlshaber und Gerichtsvorsitzer»,
dann als «erbliche Würde», ahd. grävo. grävio,
gräveo m., md. und mndrhein. grabe und mit
Umlaut greve, grebe m.; dazu mnd. greve,
afries. greva m., und mit Ablaut ags. gerefa,
gereafa, groefa m. (zusammenges. scir-gerefa
«Vorsteher» einer scir «Gaus», engl, sheriff),
aus dem Mnd. entlehnt anord. greift m. Der
Ursprung ist nicht sicher ermittelt. Am
nächsten liegt Zusammensetzung aus gi- und
einem rSb-, röb, dessen Bedeutung aber auch
nicht klar ist. Anderseits vergleicht man got.
gagrefts f. «Beschluß, Befehl». Aber dann muß
man ags. girefa von (?ra/" trennen. Heyne ver-
tritt im WB. die Ansicht, daß G. ein Lehnwort
aus gr. YPa'PEÜc «Schreiber» sei. Die Bed.
«Vorsteher» noch in hess. Grebe m. «Dorf-
vorstand» (schon bei Kirchhoff Wendunmut
1, 178), siebenbürg. Grefm. «Richter», aachen.
Grif in. «Zunftvor Steher», ferner in Deich-,
Salzgraf (s. d.). ABL. Gräfin, f., mhd.
grcBvinne, grcevin. gräflich, adj., 1642 bei
Duez gräffelich, 1582 in Weist. 1, 645 grave-
lich. Grafschaft, f., mhd. gräve-, gräf-
schaft f.
gram, adj. : wogegen übelwollend gestimmt.
Mhd.-ahd. gram «feindselig aufgeregt, erzürnt,
unmutig»; dazu asächs.-ndl.-ags. gram, anord.
gramr, dän. gram. Aus dem Germanischen
entlehnt afranz. gram, ital. gramo «betrübt».
Gleichen Stammes wie grimm (s. dort Näheres).
Aus dem Adj. gebildet Gram, m. (-s): an-
haltende tief im Innern nagende Beträbnis
worüber, mhd. (1412) gram m. «feindselige
Stimmung», mnd. gram m. «Grimm, Erbitte-
rung, Zorn». Von gram abgeleitet grämen,
V.: in Gram versetzen, mhd. gremen, ahd.
gremjan, gremman (Prät. gremita, gramda)
«zornig, unmutig machen, aufregen», im
Mhd. auch intr. «zornig sein worauf» und
refl. «sich härmen»; dazu ags. gremian, grem-
man, anord. gremja, schwed. gräma, dän.
grämme, got. gramjan (aufreizen, erzürnen).
grämlich, adj.: verdrießlich, 1691 bei Stieler
(dafüi- bei Henisch 1616 und Duez 1664
grämig), mhd. gramelich, greme-, gremlich
«zornig, grimmig», ags. gramlw «grimmig»,
anord. gramligr «verdrießlich»; dazu Gräm-
lich keit, f., 1691 bei Stieler.
Gramm, n. {-es, PI. -e): Gewichtsemheit
von 18^/05 ^^'^"- 1^6^ ^^ Deutschland, 1800
in Frankreich eingeführt. Aus franz. gramme
m., von gr.-lat. gramma n. «Schriftzeichen,
■'/.24 Unze», gr. Ypd|U|ua n. (s. Grammatik).
Grammatik, f. (PI. -en): Sprachwissen-
schaft; Sprachlehre. Um 1522 bei Ickel-
samer 37 Grammatic, mhd. grämatica und
grämatic, ahd. grämatich f. Aus gleichbed.
gr.-lat. grammatica, gr, YPö^MaxiKri f., das
(mit Ergänzung von t^x^i f. «Wissenschaft»)
subst. Fem. des gr. Adj, Tpam-iaTiKÖc «schrift-
kundig, nach den Sprachregeln», einer Ab-
leitung von Ypd|U|ua n. «das Eingegrabene, der
Buchstabe», zu ypdqpeiv «einritzen, schreiben».
Grammatiker, m.: Sprachgelehrter, schon
ahd, gramatichäre m,, mhd. grämaticus m.
«Lese- und Schreib kundiger, Lateingelehrter»,
aus gr.-lat, grammaticus m, «Sprachgelehrter»,
dem substant, Mask. des gr.-lat. Adj, gram-
maticus. grammatikalisch, adj,, 1663 bei
Schuppius 1, 604 grammaticalisch , aus dem
von grammatica abgeleiteten lat, Adj, gram-
maticälis. grammatisch, adj,, bei Luther
3, 68^ J., nach dem gr.-lat. Adj. grammaticus.
Gran, m. {-es, PI. -e): ^/g^ Quentchen
Apothekergewicht. 1562 bei Mathesius Sar.
236* G^-an oder körnlein, weil man etwan
die kleinen Geivicht nach Poxhörnleinkörnern
getheylet und geeicht hat, 236*^ ein Karat
(Gold) sol gradirt sein in vier Gran, ein
Gran in drey Gren. Aus lat. gränum n.
«Korn, Getreidekom», dann im Mlat. (wo
757
Granat
an'anulieren
758
auch granus m.) «kleinstes Gewicht». S.
Gerstenkorn. Grän, m. (-es, PI. -e): ^'^o
Karat bei Gold-, ^,.^g Lot bei Silberge-wicht,
überhaupt -^ ogg Mark. 1562 bei Mathesius
(s. 0.) Gren, aber schon 1354 bei "Würdtwein
Diplom, magunt. 2, 184, 2 u. 215 der PI.
green, 227 der PI. grein. Aus franz. grain
m., von lat. gränum (s. Gran).
•^Granat, m. (-es, PI. -en): ein roter
Edelstein, aber auch von gelber, grüner
brauner und sam m etschwarzer Färbung. Mhd.
granät m., aus gleichbed. mlat. granatus m.
(nämHch lapis «Stein»), dem Mask. des lat.
Adj. gränättis «mit Körnern oder Kernen
versehen» (s. Granatapfel), von lat. gränum
n. «Korn»; der Name daher, daß dieser Edel-
stein meist in Körnern gefunden wii-d.
"Granat, m. : an der Xordseeküste für
Garneelen (s. d.) oder Krabben. 1741 bei
Frisch unter Garneelen.
Granatapfel, m.: Frucht des Granat-
baumes in Asien usw. Mhd. granätapfel m.,
auch bloß granät, aus mlat. granatum n.
(nämlich malum « Apfel >), dem subst. Xeutr.
des Adj. granatus (s. Granat), eig. «viel-
kemiger Apfel».
Granate, f. (PI. -n)-. mit Schießpulver
gefüllte Kugel. 1616 bei Wallhausen Kriegs-
manual S. 68 Granate, S, 75 Granade, aus
gleichbed. ital. granata. granada f. (dort bereits
im ersten Drittel des 16. Jh.), franz. grenade
f., woher bei Archenholtz 2, 385 u. 421 Gre-
nade f., eig. «nach Art eines Granatapfels
mit Körnern, d. h. Pulverkömem gefüllte
Kugel» (im altem Ital. granata f. «Granat-
äpfel», 1726 bei Fleming teutsch. Soldat 74^
«wegen der Ähnlichkeit mit den Granat-
äpfeln also genennet». S. Grenadier.
Grand, m. (-es, PI. -e): grober Kiessand.
1775 bei Adelung. Dem Niederd. entnommen,
wo grand auch «Weizenkleie». Gleichen
Stammes wie ags. grindan (Prät. grand, Part.
gründen), engL grind «zermalmen, mahlen»,
m-verwandt mit lat. frendere «zerknirschen,
zermalmen, knirschen», lit. grendu «reibe»,
vielleicht auch gr. xovbpöc (aus xpovbpöc) m.
«Graupe, Korn», Tgl. Mulm. Davon grandig,
adj.: grobkiesig, bei Fiisch 1741, in der Bed.
stark, sehr, 1669 im Simpliciss. 195 u. 276.
Grande, m. (-n, PI. -n): die Adeligen
in Spanien, die sich vor dem König bedecken
dürfen. Aus dem span. grande m. (s. u.),
1694 bei Nehring. Davon Grandezza, f.:
Würde und Anstand eines spanischen Granden,
1663 bei Schuppius 1, 542, Grandeza 1617
im t. Michel 43. Aus gleichbed. span, gran-
deza, ital. grandezza f. grandios, adj.:
großartig, bei Goethe 30, 87, 88 u. 176, aus
ital. grandioso, franz. grandiose, zu ital.-span.
grande, franz. grand, lat. grandis «groß».
Granit, m. {-es, PI. -e): aus Quarz, Feld-
spat und Glimmer zusammengesetztes hartes
Gestein von kömigem Gefüge. Mhd. grdnit
m., aus mlat. granitura marmor, woher auch
iidiX. granito, franz. granitm., eig. «viel Kömer
führendes Gestein», zu lat. gränum n. «Korn».
Davon graniten, adj., bei Schiller 11, 297.
Granne, f. (PI. -n)-. Eückenborste des
Schweines; Ahrenstachel. ]^Ihd. grane, gran
f., eig, wohl «Haarspitze», dann «Barthaar»,
zumal der Oberlippe, «stacheliges Haar» bei
Tieren, «Gräte», ahd. grana. grane f. < Schnum-
bart, Gräte» (noch wetterauisch Gröne f.
und 1540 bei Albems dict. Hh3^ Gran i.
«Gräte», siebenbürg. Grünen «Schnurrbart»),
1420 md. grayn f, «Ahrenstachel»; dazu ags.
granu, anord. grön f. fPl. granar) «Barthaar
an der Oberlippe». Urverwandt mit altir.
grend, kymr.-bret. grann «Schnui-rbart, strup-
piges Haar», alb. krqndd f. «Weinrebe, Sti'oh-
halm», gegisch kran9 «Stachel, Dom». Aus
dem Germanischen entlehnt altfranz. grenon
«Lippen- und Kinnbart», span. grena «ver-
worrenes Haupthaar», altspan. grenon «Bart»,
ital. granata «Besen», mlat. (bei Isidor 19,
23, 7) granus «Zopf».
Grans, m. (-es, PI. -e) und Gransen,
m. (-S, PI. wie Sg.): Schiffsschnabel; über-
haupt Schiffsspitze. Bei Schiller TeU 4, 1
Gransen m. (aus Tschudi entnommen). Mhd.
grans m. «Schnabel des Vogels und des
Schiffes, Maul oder Rüssel des Tieres, Maul
des Menschen, hervoiTagender Körperteü»,
ahd. grans und granso m. «Schiffsschnabel,
Vorderteil des Schiffes». Herkunft unsicher,
^^ach Wadstein Btr. 22, 248 aus gi-rans, vgl,
mhd. rans m., isl. rone «Rüssel». Zupitza
Gutt. 176 vergleicht abg. grani f. «Ecke».
gransen, v. : weinerlich tun. Norddeutsch,
1696 im Schelmuffsky- 23, 1728 bei Menantes
allemeueste Art 378. Litensivum von mhd.
granen, grannen «weinen, flennen», ahd, gra-
nön «grunzen», anovdi.grenja «heulen, brüllen»,
wie grinsen von mhd. grinnen, gleichen
Stammes wie greinen (s. d.).
granulieren, v.: kömig machen. 1562
bei Mathesius Sar. 231^ (Münzen) granuliren.
Aus franz. gramder 'Metall körnen», von
48*
759
Oraphit
Orat
760
lat. gränulum n. «Körnchen», dem Dim. von
gränum n. «Korn».
Graphit, m. {-es, PI. -e): Eeißblei. Zu
Anfang des 19. Jh. aus gleichbed. fi*anz.
graphite m., von gr. ypäqpeiv «schreiben».
grapsen, v.: schnell fassend greifen. Bei
Goethe 1, 209. Norddeutsch auch grapscheil.
Abgeleitet von grappen (bei Luther 6, 326^
und Henisch 1616), 1477 clevisch grabhen
«zugi'eifend fassen oder packen», mhd. gräpen
«greifen»; dazu engl, grab und grasp «packen»;
urverwandt mit lit. grehiu, grepti «hacken»,
grabineti «hin- und hergr6ifen», abg. gräbiti
«greifen», aind. grhhnati «ergreift», iran. grah-
« greifen». Vgl. greifen.
Gras, n. (-es, PI. Gräser): Halmpflanze.
Wegen Verlängerung des a im Nhd. bei Dasy-
podius 1537 Graaß und so in der Bühnen-
sprache, aber in Norddeutschland auch mit
dem urspiünglichen kui'zen a gesprochen.
Mhd. gras n. auch «Grasplatz, Rasen», ahd.
gras n. «Gras und Kraut»; dazu asächs. gras,
mndl. gras, gars, ghers, afries. gres, gers,
ags. grcßs, gcers, engl, grass «Gras», anord.
gras n. «Gras, Ki-aut», schwed.-dän. grces,
gut. gras n. «Kraut». Dazu mit Ablaut,
mhd. gruose f. «Saft und junger Trieb der
Pflanzen». Vgl. auch ags. grced, gcerd m.(?)
«Gras». Dadurch wird Verbindung mit lat.
grämen n. «Gras» axis ghradhsmen wahrschein-
lich, vgl. Walde. ABL. grasen, v., mhd.
grasen, ahd. grason. grasig, grasicht, adj.,
mhd. grasec, ahd. graseg, 1540 bei Alberus
dict. ee3^ grasechtig. ZUS. Grasaffe, m.,
bei Goethe häufig als Scheltwort für junge
Mädchen oder Frauen (z. B. Faust 3521,
"Briefe 3), vgl. Grasteufel, grasgrün, adj.,
mhd. gras-, grasegriiene. Grashüpfer, m.:
Heuschrecke, 1741 bei Frisch Grashupfer,
1616 bei Henisch Grashopper; dazu nd.-mndl.
grashopper, engl, grasshopper, ags. gcershoppa
m. Grasmücke, f. (PI. -n): der kleine in
Hecken lebende Singvogel currüca, mhd.
grase-, grasmucke, spätahd. grasmucca f., 1557
bei Heußlin Vogelb. 66 ** Graßmusch oder
Graßmuck, leychtgrün gefärbt. Graspferd,
n. : Heuschrecke, 1663 bei Schottel 439. Gras-
teufel, m. : lächerlicher oder häßlicher Feld-
teufel, 1575 bei Fischart Garg. 17.
Grasen, n. (-s): Schauder. Bei Claudius
8, 170. Mnd. grese «das Schaudern, Grausen»,
gresen «schaudern», nnd. gresen; dazu mnd.
greselik «Schauder erregend», Adv. grisliken,
clevisch 1477 gryslic «schrecklich»; verwandt
mit ags. grislw, grysUc «schauderhaft», engl.
grisly «scheußlich». Diese Formen weisen
auf eine e- oder z- Wurzel, daneben steht
eine M-Wurzel in asächs. gruri m. «Schauder,
Grausen», d. Graus (s. d.).
graß, adj. (Komp. grasser, Superl. grrassesi) :
wütend, schrecklich, zurückschreckend. Beim
j. Goethe 3, 643, Voß 2, 214. Mhd. gra^
«leidenschaftlich erregt, wütend» (mit dem
Subst. gra^, grä§ m. «Wut» und dem Zeit-
wort grämen «leidenschaftlich aufgeregt sich
gebärden, aufschreien, übermütig, anmaßlich
tun»), ahd. nur Adv. gra^^o «heftig, stai'k,
sehr», verwandt mit got. gretan «weinen»,
anord. grata «weinen, laut jammern». Dazu
weiter aind. hrädate «tönt» und mit w-Voka-
lismus, ags. greotan «weinen». Davon abge-
leitet, aber sich mit nd. greselik mengend
(s. Grasen), gräßlich, adj.: schrecklich,
Grauen erregend, bei Luther greslich, greßlich,
md. im 14. Jh. greulich «hocherzürnt, schreck-
bar zornig».
grassieren, v.: im Schwange gehen,
herrschen, wüten. 1617 im t. Michel 21,
aber schon bei Luther 2, 423 ^ Eisl. grassiren
und mhd. gradieren wüten (neben grämen,
s. graß). Aus lat. grassäri «herumgehen,
hai-t verfahren, wüten».
Grat, m. (-es, PI. -e): Spitze, oberster
sich hinziehender scharfer Rand wovon. Mhd.
grat m. (PI. grmte, md. grete) «Spitze, spitzer
Fischknochen, Ähren-, Distelstachel, scharfer
Rand, Rückgrat, Bergiücken, Mitte wovon».
Solmsen KZ. 37, 580 vglt. poln. grot, tschech.
hrot m. «Pfeilspitze, Wurfspieß», russ. grot m.
«Wurfspieß». Weiter ist auch wohl Granne
(s. d.) verwandt. Aus dem alten Plur. Gräte
entwickelte sich nhd. Gräte, f. (PI. -n):
federharter spitzer Fischknochen, 1605 bei
Hulsius Grad, bei Duez 1664 und Stieler
1691 Gräte f., bei Krämer 1678 Grat n., aber
noch 1662 bei Stoer Gratt m., wie 1616 bei
Henisch Grad m., bei Dasypodius 15^7 und
Alberus 1540 Grat m. Davon gräten, v.
in entgräten (1540 bei Albenis dict. ql*),
ausgräten, bei Henisch 1616 und Duez 1664
gräten «Fische entgräten», mhd. grceten «Lein-
wand aufzupfen». ZUS. mit Grat: Grathobel,
m. : Hobel zum Stoßen oder Ziehen des Crrates
(der Schärfe) an Einschiebeleisten, 1741 bei
Frisch. Gratsäge, f. : Säge zum Einschneiden
der Leisten ip hartes Holz, bei Frisch. Grat-
tier, n.: auf Felsenspitzen lebende rötliche
Gemsenai-t, 1775 bei Adelung, Schiller Teil 4,3.
761
gratis
Graus
762
gratis, adv.: unentgeltlich. 1562 bei
Mathesius Sar. 256^, Fischart Garg. 248. Aus
gleichbed. lat. gratis.
grätschen, v, : mit auseinander gesperrten
Beinen gehen; beim Turnen eine Übung mit
auseinander gesperrten Beinen ausfühi-en. 1678
bei Krämer grätschen, schles. 1640 bei Schertfer
Grob. 42 grätschen. Abgeleitet von greten
«in weitem Schritte auseinanderspreizen» (bei
Luther Hes. 16, 25), md. um 1300 greten
(Germania 6, 275; 20, 40), spätmhd. in der
1. Hälfte des 15. Jh. gräten «schreiten» (Teufels
Netz 7669), wohl verwandt mit mhd. griten
«die Beine auseinanderspreizen», griteliche
und gritelingen Adv. «mit ausgespreizten
Beinen», ahd. higritu «ich schi-eite dazu, fange
an», ahd. gritmäli «Schritt», got. grids f.
«Schritt, Stufe», das urverwandt ist mit lat.
gradi «sckreiten», gradus m. «Schritt, Stufe»,
abg. gredq «ich komme», altir. ingrennim
«ich verfolge». ABL. grätschelii, v., 1640
bei Comenius, gretscheln 1574 bei Horscht
Geheimnisse der Xatur 4, M 2 ^. Grrätscher,
m., 1775 bei Adelung.
gratulieren, v.: Glück wünschen. Bei
Rot 1571 und Kirchhoff Wendunmut 1, 51.
Aus gleichbed. lat. grätuläri.
grau, adj. (Komp. grauer, Superl. grauest) :
mittelfarbig zwischen schwarz und weiß.
Älternhd. und 1482 graw, bei Henisch 1616
grauw, mhd. grä (Gen. gräwes), ahd. gräo
(flekt. gräwer); dazu and. appul-gre «apfel-
grau, scheckig», mnd. grawe, gra, grau, ndl.
graauw, ags. gröeg, engl, grey, gray, anord.
grär, schwed. grä, dän. graa. Genau ent-
spricht lat. rävus (aus *hrävus) «gi-au, grau-
gelb», während gr. xäpoTroc «strahläugig», lit.
zeriti «strahlen», abg. ^zre7i «glänzen, sehen»
wurzelverwandt sind. Vgl. Walde. Substan-
tivisch (xrau, n., mhd. grä n. ABL. grauen,
V., mhd. gräwen, ahd. gräwen «grau sein
oder werden», nhd. nur noch von der Morgen-
dämmerung, graulich, adj. : ein wenig grau,
1616 bei Henisch grawlecht und mit Umlaut
gräuwlich. ZUS. Graubart, m., 1678 bei
Krämer. Grrauwerk, n.: das graue Fell des
sibirischen Eichhorns, mhd. gräwerc und grä
n., ndrhein. im 13. Jh. graewerc (Wallraf 30).
Grau, m. (-en) : Schauder (Göckingk im
Götting. Musenalm. 1777 S. 8), bei Henisch
1616 Grau, bei Luther Gräwen (Akk.), mhd. i
grüwe m. Durch Übergang des n des Gen.
in den Nom. auch Grauen m., verdrängt
durch den substant. Infinitiv Grauen n. (1664
bei Duez Gräwen, schon mhd. grüwen n.).
Gräuel, gräulich, s. Greuel, greulich. Von
grauen, v.: tief erregende Furcht haben
(Schiller Hero 3), zumeist unpersönlich {mir
graut) : Widerwillen mit Schauder wovor emp-
fi:nden. Mhd. grüwen, md. grüen, ahd. ingruea.
Weiter sind wohl verwandt anord. gruna
«beargwöhnen», grunrm.. «Ahnung, Verdacht».
Vgl. noch Wiedemann Bezz. Btr. 27, 288.
(S. auch Graus.) Davon abgeleitet graueln,
V., 1669 im Simplic. 445, grawein 1534 in
Dietenbergers Biblia Rom. 2, 22, wo bei
Luther greweln, mhd. grimveln, griulen, md.
grüweln, grülen. grauerlich, adj.: Grauen
erweckend, bei Herder von deutscher Art
u. K. 100, Goethe 33, 95. ZUS. mit G^-auen
n.: grauenhaft, adj., bei Wieland Ob. 2, 6.
graueuvoll, adj., bei Klopstock Mess. 2, 73.
Graupe, f. (PI. -w): gröbster Teil ge-
pochten Erzes; enthülstes Getreidekom. In
der 1. Bed. 1557 bei Agricola Bergw. 283fF.
Graupen und Gräuplin, 1562 bei Mathesius
Sar. 139^ Graupen und Greuplein «graupen-
förmiges Zinnerz»; in der 2. Bed. Graupen
1542 bei Luther in der Hausrechnung; süd-
ostdeutsch im 15. Jh. eysgrüpe «kleines Hagel-
korn» (Weinhold schles. ^Vb. 29 ^j, bei Henisch
1616 Graupen «Hagel, Schloßen». Das Wort,
das sich von Obersachsen und Schlesien aus
verbreitete, stammt vielleicht aus dem Slavi-
schen, abg. krupa f. «Krümchen», lausitz-wend.
krupa und serh. kr ujM « Getreidegraupe, Hagel-
schloße», woher auch schwed. gröpe, grjupe,
norw. gröpe «Schrot». Davon graupeln, v.:
in kleinen Körnern hageln, 1711 bei Rädlein,
graupeln 1775 bei Adelung, bei Luther 1,
368^ Eisl. es graupet.
^ Graus, m. (-es) : haarsträubendes Grauen
(Lessing Nath. 5, d), mhd. grüs m. neben
grüse m. «Gegenstand des Grauens, Schreck-
bild»; dazu das Adj. graus: Grauen erregend
(Schiller Räuber 4, 51, bei A. Gryphius (1698)
2, 21, mhd. grüs. ABL. Grausal, n., bei
Tieck und Voß, mhd. grüwesal n. grausen,
V. impers. (mir graust), mhd. grüsen, griusen,
ahd. im gleichbed. irgrüwisön, -grüisön, -gru-
sön. Alle abgeleitet von grauen (s. d.). Sub-
stantivisch Grausen, n., mhd. grüsen n.,
davon die Adj. grauseuhaft, Ende des
18. Jh.; grauseuYOll, 1736 bei Haller Ged.
156, imd mhd. grüsenlich «Grausen erregend».
Von Graus abgeleitet grausig, adj., spätahd.
griusig, und grauslich, adj., mhd. griuslich,
grüslich. Vgl. gruseln.
763
Graus
greinen
764
-Graus, Graiiß, m. [-es, PI. -e): Sand-,
Steinkorn (oberpfälz.) ; Steiuschutt, Geröll,
Tiünuner (beiBrockes 9, 51, öfter bei Goethe,
z. B. Faust 7802 Ch'aus). Mhd. gru^ m.
«Sand-, Getreidekorn». Gleichen Stammes
wie Grieß (s. d.) und G-rUtze (s. d.) Ver-
wandt sind lat. rüdiis n. «zerbröckeltes Ge-
stein, Geröll, Schutt», lit. grüdas, \Qii.graiids
m. «Korn», abg. gruda f. «Scholle», Mi.grÜdzu,
grusti «stampfen».
grausam, adj. : durch Zufügen von Übel
grauenerregend; roh mid gefühllos (bei
Luther). Älhd. grüwesam, grüsam, im 15. Jh.
grausam « Schrecken erregend». Zusammenges.
aus dem Verbvim grauen (s. d.) und -sam.
Grausamkeit, f., 1537 bei Dasypodius.
Grauwerk, s. grau.
Graveur, m. (-s, PI. -e) : Stempelschneider,
Kunststecher. 1712 bei Hübner, aus gleich-
bed. franz. graveur m., dafür mhd. grahcere,
grober m., 1498 stempfelgraber (Mone Ztschr.
2, 430), in der Zimm. Chrou.- 1, 512, 7 sigel-
greher m., ndl. 1598 graverer m. gravieren,
V.: mit dem Grabstichel stechen oder schnei-
den. Im 18. Jh. aus franz. graver «eingraben,
einprägen», das dem gleichbed. nd.-ndl. graven
entlehnt ist, aus dem Französ. hinwieder, ndl.
1598 graver en.
gravieren, v.: beschweren, zur Last
fallen, be-, anschuldigen. Schon mhd. gra-
vieren, aus lat. graväre «beschweren, be-
lästigen, drücken», vom lat. Adj. gravis
«schwer, belastet». Dazu auch Gravität, f.:
feierhcher Anstand, feierlich-ernstes Wesen,
bei Henisch 1616 und Eot 1571 Gravitet,
aus lat. gravitas f. «Schwere, würdevoller
Ernst, sittliche Würde». Davon gravita-
tiscll, adj,: gewichtig, 1593 bei Helber 13
gravitetisch.
Grazie, f.: Anmut; (PI. -n) Huldgöttin.
In der 1. Bed. 1771 bei Klopstock Od. 157
u. 257, in der 2. Bed. 1575 bei Fischart Garg.
136 Gratie. Aus gleichbed. lat. grätia f.
graziös, adj.: anmutig, holdsehg, bei Goethe
gracios und graziös, aus lat. grätiösus, franz.
gracieux; dazu ndl. 1598 gracelick.
^Grebe, m. (-w, Pl. -n): Dorfvorstand,
Schulze, s. Graf.
"Grebe, f., s. Griebe.
Gregor, Mannsname, aus gx-.-lat. Gregorius,
gr. PpTTföpioc, eig. «Wachsamer», von fpnTopeiv
«wachen».
Greif, m. {-es und -en, PI. -e und -en):
fliegender Löwe mit einem Vogelkopfe;
größte Geierart, der Kondor (1775 bei Ade-
lung). Mhd. starkflekt. grif und schwachflekt.
grife, ahd, grif und grifo m, «der fabelhafte
Vogel Greif», überkommen aus gleichbed,
gr.-lat. gryps und gryphus, gr. ypü^ (Gen,
YpuTTÖc) m., woher auch ital. griffo, grifone,
span. grifo, franz. grifon, ndl. griffoen, engl.
griffin, altir. gr^f. Nach ßeuleaux ist das
griechische Fabeltier mit dem Adlerschnabel
eine Weiterbildung des assyr. k'rub (hebr.
kerüb), einer Figur am Palast des assyr.
Königs Assur-Nasir-pal mit Löwentatzen, Stier-
leib, Flügeln und Menschenkopf, die sym-
bolisch die vier Sternbilder der Tag- und
Nachtgleichen, sowie der Winter- und Sommer-
wenden vereinigt (Löwe, Stier, Wassermann
und Adler, letzterer an Stelle des nahege-
legenen Skorpions),
greifen, v. (Prät. griff, Konj. griffe, Part.
gegriffen): zum Fassen, Halten oder Fühlen
zulangen; festhaltend nehmen. Mhd. grifen,
im 14. Jh. (1389) greifen, ahd. grifan (Prät.
greif, Plur. griffun, Part, griffan) ; dazu asächs,
grlpan, mndl, grijpen, afries. gripa, ags. grlpan,
engl, gripe, anord. gripa, schwed. gripa, dän.
gribe, got. greipan; im Ablaut stehend mit
ahd. greif ön «greifen, tasten», ags. gräpian
«tasten», anord. greipa «fassen, packen», gripr
m. «wertvolles Eigentum», Urverwandt mit
lit,. griebiii «ich greife», graibiti «umher-
greifen», also eine i- Wurzel neben der a- Wur-
zel grab, s, grapsen. Aus dem Germanischen
entlehnt franz. griff er (afranz. grif er) «packen»,
gripper «ergreifen», heimlich rasch entwenden,
griffe f. «Klaue, Kralle», lombard. grippä
«wegschnappen», ital. grifo m. «Greifer,
Rüssel», S. Griff. ABL. greifbar, adj.,
bei Goethe 11, 272.
greinen, v. : den Mund verziehend weinen,
bes. auch von Kindern. Im Nhd. schwach-
biegend, aber mhd. mit starker Flexion grinen
(Prät. grein, Plur. grinen) «den Mund ver-
ziehen lachend wie weinend, knuiTend (zankend)
wie klagend», im 14. Jh. greinen, ahd. grinan
«aus Leidenschaft, Unwillen einen Ton von
sieh geben». Dazu mhd. grinnen «knirschen»,
grennen «angrinsen», ahd. <7ren?ia«« mucksen»,
engl, grin «.greinen», groan «grinsen, stöhnen»,
ags, gränian «kläglich tun, murren», grennian
«grinsen». Vgl. gransen, grinsen. Aus dem
Ahd. entlehnt prov. grinar «grinsen», pikard,
grigner und 'ital. digrignare «die Zähne flet-
schen». ABL. Greiner, m., spätmhd. 1462
greiner m, «Zänker» (Beheim Wiener 12, 20).
765
greis
Grieche
766
greis, adj.: weiß-, altersgrau. Mhd. gris:
dazu asächs. grls, mndl. grijs «grau». Das
Wort stammt aus dem Sdö.. und ist etymo-
logisch unklar, Verwandtschaft mit gi~au
(Ablaut gre-gri) wäre möglich. Substantivisch
Oreis, m, {-es, PI. -e). ■ Die starke Biegung
ist im 19. Jh. durchgedrungen (wie mnd.
gyis, Dat. grlse) statt der ui-spr. schwachen
(Gen. u. Plur. G-reisen), die sich noch bei
Schiller 6, 116; 12, 536, Goethe 2, 66, Schubart
1, 193, ühland, Chamisso und Immermann
findet. ]yrhd. grise m., auch 1650 bei Mosche-
rosch Phil. 2, 146 im Nom. Sg. noch die
schwache Form Greyse m., ebenso in den
Ableitungen greisenhaft, adj,, im 19. Jh.,
und Greisenheit, f.: Zustand, Alter des
Greises, bei Goethe 28, 69. Greisin, f., bei
Voß Id. 12, 44.
grell, adj.: für Ohr oder Auge wehtuend
stark. MhH. grel «zornig schreiend, zornig,
rauh», so noch im 16. Jh. bei H. Sachs
Fastn. 69, 66 und Scheidt Grob. 4691, 1482
im Voc. theut. m7^ gral «zornig, unmutig»,
aber 1581 bei Fischart Bienk. 121^ grell in
Oren lauten, 1562 bei Mathesius Sar. ein
Feur das nicht zu grell und zu groß, 1778
bei Hermes Soph. 5, 693 grelle Mäusaugen.
Von mhd, grellen «durchdringend, vor Zorn
schreien»; dazu ags. gryllan «reizen, erzürnen».
Verwandtschaft -rmi^imdi. ghargharas «rasselnd,
läi-mend», ist unsicher. Vgl. noch G-roll.
Grempel, s. Krempel.
Grenadier, m. (-s, PI. -e): Fußsoldat
ausgesuchter Größe. 1694 bei Nehring G-rana-
dierer, 1726 bei Fleming teutsch. Soldat 146^
G^-anadier, Grenadier «in Teutschland erst
1683 aufgekommen», eig. «Werfer von Hand-
granaten», deshalb 1678 bei Krämer Granaten-
werffer als Übersetzung des ital. granatiere.
Aus franz. grenadier m., von franz. grenade f.
«Granate» (s, d.).
Grensing, m. (-s, PI, -e); die Pflanze
potentiUa anserina. Mhd. und ahd. grensinc
m., abgeleitet von mhd. grans m. «Schnabel»
(s. Grans), entsprechend dem franz. Namen
hec d'oie «Gänseschnabel»,
Grenze, f. (PI. -n): Endpunkt, Endlinie.
Bei Luther Grentze, im 14. und 15. Jh.
grenicz, grenicze, im 13. Jh. im Ordensland
Preußen aufgekommen (Kulmisches Recht
von 1251 S. 4 grenicze), noch bayr.-östr,
Granitz, Gränitz f., aus poln.-russ, granica
czech. kranice f. «Grenzstein, (Frenze», von
foha.grän, russ. gram, czech. hranai. «Ecke».
Das ältere deutsche Wort füi- Grenze war
^lark f. (s, d.). ABL. grenzen, v., 1420
md.g're«ic2m«die Grenze bezeichnen»(Schröers
Vokab. 1659), bei Luther grentzen «mit der
Grenze woran rühren», bei Lohenstein Himmel-
schlüssel 23, 463 «durch Grenze abscheiden»,
Grenzer, m.: Grenzbewohner, Grentzer bei
Luther 1, 363' Eisl. ZUS. grenzenlos, adj.,
bei HaUer Ged. 132.
greten, s. grätschen. Gretchen, s. Mar-
garete.
Greuel ,
(-.§, PI. wie Sg.): Grauen,
Abscheu. Alternhd. GremveJ. Grewel, Griiwel,
mhd. griuwel, ffr'iul, griule, md. grüivel m.
Zu grauen (s. d.) «schaudern». ZUS. Greuel-
tat, f., 1775 bei Adelung. — greulich,
adj.: schauderhaft, abscheulich, im 15. Jh,
grewelich, mhd. griuicelich, griulich, md. grü-
welich, gridich, ebenfalls von grauen abge-
leitet.
Griehe, f., in Norddeutschland Grehe, bayr.
auch Griefe (PI. -n)-. ausgeschmelzter Fett-
würfel. In Mitteldeutschland G^-iefe f. (1562
bei Mathesius Sar. 80*), bei Luther Griebe.
Grihe f., bayr. nui- im PI. Gr'iehen, Greuhen,
Schwab. -Schweiz, Greube, Grübe f, Mhd.
griehe m., spätmhd. auch greube m., md. gribe.
griefe. grlve m., ahd. griubo, griebo m. (auch
Röstpfanne), in der Bibel 1483 Bl. 285'' (Ps.
101, 4) grieb f.; dazu mnd. greve, grive m.,
nnd, greve, grewe, grebe f., ags. greofa, engl.
greaves «Talggrieben», entlehnt dän. fedte-
örrei;e,schwed.^re/t;ar PI. «Grieben». Ursprung
dunkel. Zu grob? Vgl. Groppen.
Griebs, m. {-es, PI. -e): Kerngehäuse des
Kernobstes; Kehlkopf. In der 1, Bed, 1482
im Voc. theut. n 1 ^ grubß und m 8 * grobiß,
auch 1420 grobiß (Diefenbach gl. 52*^), woher
nhd. die seltnere Schreibung Gröbst im mrhein.
Voc. ex quo von 1469 grubß und gribß,
ältemhd. &r^iibs bei Schmeller"- 1, 984 und
1540 bei Alberus dict. Ff 4^ Griebes. Her-
kunft unklar. In der übertragenen Bed,
«Kehlkopf» 1596 bei Hulsius Gi'öhs, nach
dem Volksglauben, daß dem vor Gott er-
schreckenden Adam im Paradiese beim Essen
des Apfels (1. Mos, 3, 6) der Gi'iebs desselben
in der Kehle stecken geblieben sei; die Bed.
Kehlkopf auch in der RA. jem. am Griebs
kriegen «ihn an der Kehle packen». In Magde-
burg spricht man Kripps. S, auch Grotzen.
Grieche, m. {-n, PI. -n), Volksname, Bei
Luther Grieche und Krieche, auch Greke,
mhd. Krieche, ahd. Chreh. Kriah (PL Kriachi)
767
Griefe
Grüle
768
und Kriecho m.; dazu mnd. Gh'eke, mndl.
Grieck, ags. PI. Crecas und Grecas, Greacas,
anord. Grikkr und Girkr m., got. Ereks ni.
Aus gleichbed. lat. Graecus, gr. fpaiKÖc m.
Vffl.Kossinna Festschrift. . . K. Weinholds 27 ff.
Davon grieclliscll , ad]., bei Luther krie-
chisch, krichesch, griechisch, griegisch und
grekisch, mhd. kriechisch, ahd. crehhisc, kriah-
hisg, dazu mnd. grekesch, mndl. griecks, ags.
eredsc und gregisc, anord. grikkskr und
Griefe, s. Griebe.
grienen, v.: selbzufrieden oder schaden-
froh lachen. In Norddeutschland. Niederd.
Nebenform von greinen (s. d.).
Gries, s, Gh-ieß.
Griesgram, m. (-5, PI. -e)-. arge Gräm-
lichkeit; in Grämlichkeit Versunkener. Mhd.
grisgram m. «Zähneknii'schen». Davon die
Adj. griesgrämig, bei Goethe und Wieland;
grisgrämisch, bei Wieland und gries-
grämlich, beiBörne; Griesgrämlichkeit,
bei Seume, Spazierg. 209. griesgrameu,
V. : mit den Zähnen aus Wut, Schmerz usw.
knirschen, muiTen (Kosegarten Rhaps. 3, 195,
Nie. Werther 44), mhd. grisgramen, -grammen,
grustgramen und grisgrimmen , ahd. griscra-
mon, gris-, grus-, cristcrinimon; dazu ahd.
griscramod, cristcrinmiod m. und asächs. grist-
grimnio m. «Zähneknirschen», ags. gristbitian
«knirschend beißen, mit den Zähnen knii'schen»
(neben gristbätian),gristbitung und gristbätung
f. <: Zähneknirschen». Der ei'ste Wortbestand-
teü entspricht dem mhd. gristen «zerreiben,
zermahlen» (in üggristen), ags. grist «Zer-
reibung», gristlung f., «das Knirschen», engl.
grist «das zum Malen bestimmte wie das
gemahlene Getreide», wäkrend im zweiten
Teü des deutschen Wortes, der mit dem
ersten alliteriert, die ahd. Adj. gram und
grim « zornig » wechseln. Bei Luth er 5, 272 ^ J.
(Fabeln 12 Neudr.) sprichwörtlich Gris schlecht
[schlägt] gern nach gramen «ein Dieb zeugt
den andern», schon in Steinhöwels Äsop 88
Österl.
Grieß, m. [-es, PI. -e): grobkörniger
Sand; grobgemahlenes Getreide zu Speisen
(s. Grütze). Mhd. grie^ m. n. «Sandkorn,
Sand, Kiessand, sandiges Ufer, Blasenstein,
mit Kiessand bedeckter Platz, Kampfplatz»,
md. gri§ m., ahd. grio§ m. n. «Sand, Kies,
Strand»; dazu asächs. griot, greot m., afries.
gret, ags. greot m. «Sand, Strand», engl, grit
«Sand, Grütze», anord. grjöt n. «Steine». Zu
mhd. grienen «zerkleinern, zermalmen». Statt
der seit dem 15. Jh. üblich gewordenen
Schreibung Gries (Luther, Schottel 1663,
Stieler 1691, Frisch 1741) ist erst neuerdings
wieder Grieß eingeführt. Über die Herkunft
s. Graus, Grauß. Aus dem Germanischen
entlehnt prov. greza «grobkörniger Sandstein»,
franz. gres m. «Sandstein», afranz. gresle,
neufranz. grele f. «Hagel», afranz. gresille,
neufranz. gresil m, «Graupeln», ital. greto m.
«steiniger Ufersand». ABL. grießein, v.:
in Gestalt kleiner Stücke zerfallen oder nieder-
fallen, 1775 bei Adelung, aber 1616 bei Henisch
tr. griesen in kleine Stücke zermalmen».
grießig, adj., mhd. grie^ich «kömig», 1562
bei Mathesius Sar. 140^ grießlicht. Grieß-
mehl, n., 1482 im Voc. theut. 18*^ gries tnel.
Grießwart, Grießwärtel,m.: (des Kampf-
platzes wartender) Herold bei Kampfspiel
oder ernstem Zweikampf, mhd. grie^wart m.
und schwachbiegend griegivarte m,, im 15. Jh.
auch griesivartel, grieswertel m.
Griff, m. [-es, PI. -e): das Greifen; weid-
männisch, Klaue der Raubvögel; der Teü
eines Werkzeugs, an dem man es greift und
handhabt (1691 bei Stieler). In den beiden
ersten Bed. mhd. grif m., ahd. nur in Zu-
sammensetz, grif; dazu mnd. grepe, gripe m.,
ndl. grep, ags. gripe m., engl, gripe, Island.
grip, schwed. grepp, dän. greb. Abstraktum
zu greifen. Dazu griffein, v.: wiederholt
rasch hintereinander greifen, spätmhd. griffein.
Griffel, m. (-5, PI. wie Sg.): ritzendes
Schreibwerkzeug. Mhd. griffet, ahd. grifil m.
neben vereinzeltem greffel und graf (ge-
schi'ieben zraf Steinmeyer-Sievers ahd. Gl. 1,
255, 24); mit späterer Anknüpfung an Griff
und greifefi (wie Halter von halten), entlehnt
aus gleichbed. gr.-lat. graphium n. (mlat. auch
graphiusm.), gr. Ypaqpeiov, ypaqpiov n., letzteres
auch «Pinsel», woher ebenfalls provenz. grafis,
afranz. ^ra/e «Griffel», nfranz.^re/fem. «Schreib-
stube».
Grille, f. (PI. -n): zirpendes Insekt; (bild-
lich) wunderlicher Einfall. In der 1. Bed.
älternhd. Grill m. (bei H. Sachs, Duez
1664), mhd. grille m., ahd. grillo m., über-
kommen aus gi'.-lat. gryllus, gi'. tP'J^^oc m.
«Heuschrecke, Grashüpfer». Die bildliche
Bedeutung entwickelte sich wie bei Schnake,
Mucke (s. d.), im 15. Jh. bei Eyb 2, 85, 24
grillen haberi in dem Kopf (Fastnachtsp. 5,
298, Trochus 1517 Ol'', Liliencron 3, 474%
Murner Narrenbeschw. 85, 5 u. Schelm. 9, 28),
769
Grimasse
grob
770
schon bei den Römern der Plur. gyylli «bi-
zarre Zusammensetzungen von Tieren» in
der Malerei. ABL. grillen, v.: zii-pen
(Krämer 1678), dann Launen haben, ihnen
nachhängen (Rädlein 1711). In der bildlichen
Bed. auch mit fremder Endung grillisieren,
bei Fischart und Philander, von Goethe 30,
2-1:9 wieder aufgefrischt, grilleuhaft, adj.,
1616 bei Henisch. grillig, adj., 1616 bei
Henisch5rri7%«hh-nwietig». ZUS. Grilleil-
fang, m., 1747 bei Hagedom moral. Ged. 190.
Grillenfänger, m., 1669 bei Gi-immels-
hausen Simpl. 296. Grillenfäugerei, f.,
1673 bei Weise Erzn. 111. grillenfänge-
risch, adj., 1711 bei Rädlein.
Grimasse, f. (PI. -n): Gesichtsverzerrung,
Zerrgebärde; Verstelliing. 1714 bei Wächtler
der PI. Grhnacen. Aus gleichbed. franz.
(jrimace f., das nebst span. grimazo, sowie
span. grimä «Grausen, Schaudern» und portug.
engrimango «Zerrbildung, Betrug» auf ags.
grlma m. «Maske, Gespenst», anord. grima f.
Maske, Larve» oder besser auf ah.d.*gnmmiz6n
«wütend sein» zurückgeführt, wird.
Grimm, m. {-es): heftige Gemütsbitter-
keit wogegen, mhd. grim m. Gebildet aus
dem Adj. grimm, mhd. grimme und grim,
ahd. grimmi und grim, Adv. grimmo <' zornig,
wild, schrecküch», im Ablaut zu ahd. gram
(s. gram) ; dazu asächs.-afries.-ags.-engl. grim,
anord. grimmr. Entlehnt prov. grim «b'etiübt»,
itai.grimo «runzlicht», grimmig, adj., mhd.
grimmic, grimmec, ahd. grimmig, asächs. ^n"w-
mag. Zu mhd. grimmen (Prät. gram, Plur.
grummen) «wüten vor Schmerz, Zorn, Haß,
brummen, brüllen», asächs. grimman «toben»,
ags. grimman «wüten, ungestüm eilen», gri-
metan «toben, bmllen» (wie ahd. grami^^on,
gremi^on). Ui'verwandt mit lit. grumenti «aus
der Ferne dumpf donnern», apreuß. grumins
«Donner», abg. grimeti «donnern», gromü m.
«Donner», gr. xpöuaboc m. «das Knirschen»,
XpeuiZeiv «wiehern», aw. granta «erzürnt»,
npers. yaram «Grimm». Grimmen, n., in
Bauchgrimmen (s. d.) steht statt Krimmen
(s. d.), aber schon spätmhd. grimme m. ; Bauch-
grimmen»; daher nhd. Grimmdarm, m.: der
weiteste dicke Darm (lat. colon) als Sitz des
Bauchgrimmens, derKohk. 1775 bei Adelung.
Grind, m, {-es, PI. -e): Ausschlag; harte
Rinde auf einer Wunde, einem Geschwüre;
der Kopf. In den beiden ersten Bed. mhd.
und ahd. grint m., im Mhd. auch «Kopf-
grind» und dann verächtlich für «Kopf».
Weigand. Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Ablautend zu Grand (s. d.). Davon grin-
dicht, grindig, adj., mhd. grinteht, grindeht,
im 15. Jh. grindig.
grinsen, v.: zähnebleckend das Gesicht
verziehen. Bei Bürger 200, Schiller 11, 254
und 13, 108 in der Schi-eibung grinzen, bei
Weiße kom. Op. 3, 25 u. 36 (Jagd 1, 7 u. 2, l)
in der Bed. «weinerlich tun», me 1691 bei
Stieler grinsen «weinen». Norddeutsch hat
es niu* die Bedeutung «lachend das Gesicht
verziehen». Abgeleitet von mhd. grinnen
«knirschen», gleichen Stammes wie greinen
(s. d. und gransen).
Grippe, f.: herrschendes Schnupfenfieber,
Influenza. Erst nach 1782, wo sich von
Rußland aus die Krankheit über ganz Europa
verbreitete. Aus gleichbed. franz. grippe f.,
und dies nach Wasmer ZfdW. 9, 21 aus
niss. chripi'i m. «Heiserkeit».
Grips, m. : Verstand, Fassvmgskraft. Ndd.
Vielleicht zu greifen, aber die Ableitung bleibt
unklar.
grob, adj. (Komp. gröber, Superl. gröbst):
an Masse stark und groß; unfein. Mhd. grop,
grob, auch einmal gerop, md. grob, grab «dick,
ungebildet derb, nicht wohl angemessen»,
ahd. gerob «dick, wohlbeleibt, tief d. i. rauh
tönend», Adv. gerobo, grobo «tieftonig, un-
geschickt», dazu mnd.-mndrhein.-mndl. grof.
Ein Wort unbekannter Herkunft, das auch
ins Slavische überging (russ. grubyj). ABL.
gröbern, v.: in vergröbern 1719 bei Ej-amer
1,436^ neben vergröben, heHiuther e^itgröben.
Groblieit,f., mhd. grop-, grobheitt Grobian,
m. {-s, PI. -e): grober, ungebildeter Mensch,
1482 im Voc. theut. e 4^ «bauer, rusticus»
grobianus, 1494 bei Brant Xarr. 72, 1 Grobian,
eine komische deutsch-lat. Bildung der Hu-
manisten mit der lat. Endung -änits. gröb-
lich, adj., mhd. grobelich «groQ, stark, heftig»,
Adv. grobeliche, im 15. Jh. gröblich. ZUS.
Grobgrün, n, (-s, PL -e): seidner oder
wollner Stoff mit groben und dicken Fäden,
Bei Frisch mit Beleg von 1500, aber 1575
bei Fischart Garg. 450 und 1678 bei Krämer
Grobgriin, dazu mnd. im 16. Jh. grofgrön.
Umgedeutet aus gleichbed. franz. gros (p'ain,
ital. grosso grano m. (woher auch ndl. grof-
greyn), von mlat. grossus «dick» und lat.
gränum n. «Korn, Kern». Grobschmied,
m.: Eisenschmied, der nur grobe Arbeiten
fertigt (nicht feine künstliche wie Schlösser
usw.), 1640 bei Comenius, aber schon im
15. Jli. gropwerk «grobe Schmiedearbeit»
49
771
Gröbs
groß
772
(Ortloff Distinct. 1, 298). Orol)zeug, n.:
geringes Volk, Pack, umgedeutet aus Krop-
zeug (s. d.)
Gröbs, s. Griebs.
Grog, m. {-s, PI. -s): heißes Getränk
aus Rum und Wasser mit Zucker. Im 19. Jh.
aus gleichhed. engl, grog, angeblich benannt
nach dem Spitznamen des engl. Admirals
Yernon (wegen seines Rockes aus Kamel-
haarstoöj engl, grogram), der zuerst dies Ge-
tränk anstatt unvermischten Rums unter die
Matrosen austeilen ließ.
grölen, in Bayern und ÖsteiTeich auch
gröhlen, v.: mißtönig schreien. Bei Gott-
werth Müller Siegfr. v. Lindenb. 1,71 gröhlen,
1623 bei dem Pfarrer Braun zu Grünberg
in Hessen (Decas XI, 1) grollen und brüllen.
Mittel- und niederdeutsch. Vielleicht ver-
wandt mit mhd. grellen (s. grell).
Groll, m. {-es) : heimlicher finsterer Zorn.
Mhd, im 14. Jh. grolle m., bei Luther Groll
und Grolle m. grollen, v., um 1480 im
Voc. ine. teut. k 4^ grullen (Var. grollen),
md. im 14. Jh. substantivisch ividdirgrullin
n. «Gegengrollen, Gegenwehr». Dazu mhd.
grullen «höhnen, spotten», verwandt mit mhd.
grellen (s. grell).
grölzen, v.: rülpsen, grunzen. 1586 bei
Mathesius Syrach 2, 44^ gröltzen, dazu bei
Emmelius 1592 das Subst. Gröltz m. «Rülps».
Vielleicht zu grellen (s. grell).
grommeln, s. grummeln.
Gropp, m. (-es, PI. -en) und Groppe, f.
(PI. -n): der dickköpfige Fisch Cottus gobio,
Kaulbarsch. Mhd. groppe m., ahd. groppo m.
Vielleicht aus mlat. carabus, corabus ra. (im
Voc. opt. Nr. 40, 23 «carebus» groppe).
Groppen, m, {-s, PI. wie Sg.): weiter
eiserner Kochtopf. Bei Luther 7, 304^ J.
Grope, Gropen m. und 1542 in seiner Haus-
rechnung Groppen, spätmhd. im 15. Jh. grope,
groppe, im 14. Jh. grop m. : dazu mnd. grope,
gropen, grapen, nnd. grapen m., ^'ieUeicht auch
ahdi.griupo m. «Röstpfanne» und weiter norw.
dial. graup f. «Einschnitt, Kerbe», anord.
greypa «in einen Falz einfügen».
^Gros (spr. groh) n.: Hauptmasse des
Heeres. 1648 bei Kemnitz schwed. Krieg 1,
305^. Aus gleichhed. franz. gros m., von
franz. gros «dick, stark, beträchtlich», mlat.
(6. Jh.) grossus «dick».
^GrOS (spr. Gros) n. (ohne Biegung):
12 Dutzend oder 144 Stück. 1702 bei Mar-
perger Kauffmannsmagazin 557 (nach Kluge)
und 1712 bei Hübner Qroß. Wie ndl. gros
aus gleichhed. franz. grosse f. (16. Jh.), ge-
kürzt aus franz. grosse douzaine « Großdutzend »,
von franz. gt^os, s. ^Gros.
Groschen, m. (-s, PI. wie Sg.) : ehemalige
deutsche Sübermünze, an Wert 12 Pfennige
preuß., 10 Pfennig jetziger Reichsmünze. Mhd.
(14. Jh.) gros, grosse m., im 15. Jh. grosch,
grosche, dazu clevisch 1477 crosche. Aus mlat.
(13. Jh.) grossus, eig. «denarius grossus» Dick-
pfennig von Silber oder Gold, woher auch
franz. gros, ital. grosso m. «Groschen», von
mlat. (6. Jh.) grossus «dick». Davon das
Dim. GrÖSChel, n. {-s, PI. wie Sg.): Drei-
pfennigstück, Dreier. Schlesisch, fiiiher auch
in Österreich. 1741 bei Frisch.
groß, adj. (Koimp. größer, Superl. größt):
beträchtlichen Raum einnehmend; (abstrakt)
vor anderm ausgezeichnet. Mhd. und ahd.
gro^ (Komp. mhd. größter, ahd, grö^^er, Sup.
mhd. grcezist, groest): dazu asächs. und nnd,
gröt, mndl. groot, ags. great, engl, great. Her-
kunft unklar. Verwandtschaft vait \at. grandis
«groß» ist wegen des Vokalismus (urgerm.
graut) kaum möglich. Eher gehört anord.
grautr m., dän. gröd «Grütze» dazu. Dann
wäre die ursprüngl. Bedeutung «grobkörnig».
ABL. Größe, f., mhd. grcege, ahd. grö^i f.
größern, v., im 16. Jh. grössern (Serranus
1538, Schwartzenbach 1580), nui- noch in
vergrößern: mhd. bloß größten, md. grölen
«groß machen, groß werden». Großhelt, f.,
oft bei Goethe, mhd. grogheit f. ZUS. groß-
artig, adj., nach Immermann Epigonen um
1830 in Berlin aufgekommen, großherzig,
adj., 1629 bei Opitz 1, 149 groshertzig ; Groß-
herzigkeit, f., 1691 bei Stieler. Großherzog,
m., bei Fischart Garg. 392 und Bienk. 133",
nach ital. gran duca (zuerst 1569 als Titel des
Mediceers Cosimo I. von Florenz). Groß-
hundert,n.: duodezimalesHundert, 120 Stück,
1775 bei Adelung ein großes Hundert, Groß-
hundert nebst Ch'oßtausend n. (1200 Stück),
im 16. u. 17. Jh. im Fischhandel der Nordsee-
städte (1651 bei ColerusHausb. 326^, 1532 bei
Köbel Rechnen S. 120). Die Zählung nach
Großhunderten ist bereits im Altnord, und bei
den Goten vorhanden, großjährig, adj.,
volljährig, mündig, bei Adelung 1796. groß-
mächtig, adj., 1478 bei Nicl. v. Wyle 354, 1
im Titel von Kaiser und König, 1420 bei
Diefenb. gl. 152^ in der Bed. «wohlbeleibt».
Großmaul, n., 1561 bei Maaler. Großmut,
f., 1691 bei Stieler: großmütig, adj., 1440
773
Grossist
grün
774
bei Diefenb. gl. S-iS^ großmüttig , später im
15. Jh. großmütig, aber schon md. im 14. Jh.
grögemfäikeit f. Großmulter, f., spätmhd.
im 15. Jh. großmiiter. Großpapa, m., bei
Günther 667. Großsprecher, m., iml5. Jh.
großsprecher (Diefenb. gl. 268 ^'j; großspre-
cherisch, adj., 1648 bei Zesen Ibr. 353.
großtuig, adj., bei Goethe 80, 229, schon
1517 bei Keisersberg Brösamlin 1, 49^: groß-
tun, V., 1691 bei Stieler. Großvater, m.,
1401 in Frankf. Eeichskorr. 1, 578 großvater.
Die adverbial. Genitiwerbindung größten-
teils 1716 bei Ludwig.
Grossist, m. [-en, PI. -en): Großkauf-
mann, Großhändler, der nur en gros (mndl.
int gros, bei Krämer 1678 in Groß) verkauft.
1801 bei Campe neben Grossierer (schon 1616
bei Henisch), ndl. 1598 grassier, aus gleich-
bed. franz. grossier. mlat. grossarius m.
grotesk, adj.: phantastisch, wunderKch,
grillenhaft. Bei Jamnitzer Xeüic G-rotessken-
Buch, Nürnberg 1610, aber schon 1575 bei
Fischart Garg. 17 grubengrotteschische Krug.
Aus franz. grotesque, nach ital. grottesco, urspr.
«nach Art der Grottengemälde» (in den die
Grotten genannten Trümmern von dem Pa-
laste des Titus zu Eom), also abgeleitet von
ital, grotta (s. Grotte).
Grotte, f. (PI. -n): gewölbte Höhle, bes.
künsthche. Bei Opitz 2, 248 Amst. und
Moscherosch Phü. (1650) 1, 58, Grotta 1617
im t. ilichel 29. Aus franz. grotte, ital. grotta f.,
afranz. noch crote f. «Höhle», wie prov. crota
f., hervorgegangen aus gi\-lat. cryjpta, crupta
f., mlat. grupta, gr. kputttti f. «Grotte, Gruft».
Grotzen, m. (-s, PI. wie Sg.): Griebs,
Kerngehäuse. Mundartlich. Im ersten Viertel
des 16. Jh. gndz, im 15. Jh. gricz (Diefenb.
gl. 52*=), im 14. Jh. grütz (Megenberg 374,7),
in der Bed. «Kehle» mittelgrütz (Xümb. Pol.- !
Ordn. 226). Vielleicht zu Grütze.
Grnbe, f. (PI. -n) -. eingegrabene Vertie-
fung, Mhd. gruohe, ahd. gruoha f.: dazu
andfränk. gruova, engl, groove, anord. gröf,
got. gröha f. Von graben (s, d.). ABL.
Grübchen, Grühlein, n., mhd, grüebelin,
ahd. gruohili n. GrÜbliug, m.: eine Art
Apfel mit Narben, Art eßbarer erdfarbener
narben voller Schwämme, 1741 bei Frisch.
grübeln, v.: bohrend graben; hin und j
her bewegend kratzen, ritzen; eindringend'
wonach forschen oder denken. In der 1. Bed.
mhd. grübelen, ahd. grubilön, spätmhd. auch
«genau nachforschen». Dazu anord. grufa
'«krabbeln», norw. gruvla, gryvla «graben».
Ableitung von graben. ABL. Grübelei, f.,
1775 bei Adelung. Grübler,m., 1664 beiDuez.
Grude, f. (PI. -n)-. heiße Asche; eine Art
Ofen, in dem man die Töpfe in die heiße
Asche setzt. Norddeutsch. Mnd. grude f.
(von 1417 und 1425). 1595 bei Piollenhagen
Froschm. 2, 2, 4 Graud f.
Gruft, f. (PI. Grüfte): Erdhöhle; Toten-
gewölbe. Noch ältemhd. bisweüen Kraft
(Golius 1582), mhd. kruft, gruft, ahd. cruft,
grüß f. «imterirdischer Raum, Höhle». Mit
Anlehnung an graben und Grube aus mlat,
grupta, gr.-lat. crypta f. «Gewölbe, Gruft»,
gl". KpüTiTri f. «unterirdisches Gewölbe», zu
gr. KpuTTxeiv «verbergen».
grummeln, v.: fem donnera. 1786 bei
Bode Jones 4, 264, grommeln bei H. Heine 2,
367. Niederdeutsch (1741 bei Frisch auch
murmeln). Zu mnd. grummen «ein dumpfes
Getöse machen, brummen», das im Ablaut zu
mhd. grimmen steht (s. näheres unter grimm).
Grummet, Grumt, n. (-s): Zweite Mahd
des Wiesengrases. Bei Luther Grumet, 1540
bei Alberus dict. qq 2^ Grummath, 1538 bei
Serranus Grommat, im 15. Jh. grüamat, grü-
mad, grömad, grummat, 1420 in Elsen v. Holcz-
husen Inventar im Archiv zu Frankfui-t a, M,
grümat, verkürzt aus Grün-Mahd «Gras, wel-
ches grün (unreif) gemäht wird, nicht reif
wie das Heu». Vgl. Mahd und Olimet.
grün, adj.: pflanzenfarbig; saftvoll, frisch
(im Gegensatz zu dürr «getrocknet»); unreif,
unzubereitet (Aventin 4, 446, 31); unerfahren
(bei Luther 1, 328*> Eisl.). In der 1. und
2. Bed. mhd. grüene, rad. grüne, ahd. gruoni:
dazu asächs. gröni, mnd. gröne, mndl. groen,
afries, grene, ags. grene, engl, green, anord.
gröenn, schwed.-dän. grön. Zu mhd. grüejen,
ahd. gruoan, grüan «grün sein, wachsen»,
mnd. groien, groen, mndl. groeyen, afries.
gröia, ags. gröivan, engl, grozv, anord. gröa.
RA. jem. nicht grün sein «nicht günstig ge-
sinnt», bei Luther 61, 223 Erl, im Simpli-
ciss, 235, grüne Seite «die linke, die Herzens-
seite, bisweilen auch die rechte», 1582 bei
Fischart Garg. 136 und 381. SubstaQti\äsch
Grün, n., 1561 bei Maaler, als Farbe im
Kartenspiel 1575 im Theatrum diabolorum
438'' (von 1561), vgl, Laub. ABL. Grüne,
f., mhd. grüene, ahd. gruoni f. grünen, v.:
grün sein oder werden, mhd. graonen, md.
grünen, gruonen, seit dem 13. Jh. beginnt da-
für grüenen (eig. «grün machen »j einzutreten,
49*
775
Grund
Gründonnerstag
776
i^runeln, v.: nach frischem Grün riechen,
bei Goethe 6, 27 und Faust 8266. grün-
licht, adj., mhd. im 14. Jh. griienlot Grün-
ling, m.: eine Bimenart (1691 bei Stieler
neben Grünlinger m. «eine Apfelart von
giüner Farbe»; der Grünfink (1557 bei Heuß-
iinVogelb. 67^). ZUS. Gründonnerstag,
m., bei Luther 1538 Griindornstag, mhd. um
1200 der grüene donnerstac, mnd. 1355 der
grone donerstag. Die Benennung bildete sich
nach mlat. dies viridium «Tag der Grünen»
d. h. der öffentlichen Büßer, die nach der
während der Fastenzeit vollbrachten Buße
von ihren Vergehungen und Kirchenstrafen
losgesprochen und als Sündenlose wieder in
die Gemeinschaft der Christen aufgenommen
wurden, um zur heil. Abendmahlsfeier zu-
gelassen zu werden. Jene Lossprechung und
damit auch diese Zulassung waren eine Haupt-
handlung in der fi'ühem Kirche am Donners-
tage vor Ostern als am Tage der Einsetzung
des heil. Abendmahles, wde auch der Name
AnÜaßtag, mhd. antlä^fac «Tag des Erlasses
der Kirchenstrafen und der Wiederaufnahme
in die Kirchengemeinde» zeigt. Daß aber
viridis in der mlat. Kirchen- und Kanzel-
sprache nach Luk. 23, 31 in viridi ligno auch
die Bed. «sündlos» hatte, erhellt aus Melber
1482 Ff 2^ viridis, ein grünender, der da on
snnde ist, grün. Grüukern: Kerne von
«unreifem» Getreide zur Suppenbereitung.
Erst in der neuern Zeit. Grünspan, m.
(-S, PI. -e): grüner Kupferrost, 1558 bei Eber
und Peucer N 2 * G^ilnsjmn oder spanschgriin,
1482 im Yoc. theut. n2^ grunspan oder span-
grun, ebenso 1470 grunspan, neben spätmhd.
spän-, spensgrüen «spanisch Grün», mlat. vi-
ride Mspannm oder hispanicum, weil als Kunst-
produkt (Kupferoxyd verbunden mit Essig-
säure) aus Spanien zuerst zu uns gebracht.
Grünspecht, m.: oben gi'üner Specht, picus
viridis, mhd. gräen-, gruonspeht, ahd. gruon-
spelit m. (Steinmej^er-Sievers 3, 21, 39).
Grund, m. {-es, PI. Gründe): Erdboden;
das Unterste wovon. IVIhd.-ahd. grünt m.,
md. auch f.; dazu asächs. grund m., mnd.
grünt f. (selten m.), mndl. grond, afries. grund,
grond m., ags. grund m., engl, ground, anord.
grund f. «Feldfläche», grnnnr m. «Grund,
Boden», got. in grundmcaddjus «Grundmauer».
Im Mhd. auch «Abgi-und, schmales, tief ein-
geschnittenes Tal, Schlucht, Niederung, Ebene,
Grundstück, Grundeigentum, (im 14. Jh.) Ur-
sprung, Ursache», im Mnd. «der wirkliche
Sachverhalt, auf dem alles beruht». Die
Herkunft ist unsicher. Vielleicht im Ablaut
zu Grand (s. d.) stehend. Vgl. noch Meringer
Wiener SB. 144, 6, 70, Uhlenbeck Btr. 30, 284.
Davon Grundel, f. (PI. -n): die auf dem
Grunde des Wassers sich aufhaltende Fisch-
art gobius, mhd. grundel m., spätahd. grun-
dila f. gründen, v., mhd. gründen «auf
den Grund kommen, Grund finden, festen
Gi'und für etwas legen, erforschen, gründ-
lich erörtern, kundgeben», ahd. gründen «er-
gründen, erörtern»; dazu ags. gryndan «zum
Grund kommen», anord. grunda «denken».
Gründer, m., 1691 bei Stieler, neuerdings
seit dem 7. Jahrzehnt des 19. Jh. «schnellen
Reichtum erstrebender, schwindelhafter Unter-
nehmer von Bauwerken oder einem Geschäft».
grundieren, v.: den Grund, worauf etwas
hervortritt, kunstgemäß zubereiten, bei Goethe
2, 182 neben gründen 46, 377 fg. {gründen
1691 bei Stieler), gründlich, adj., mhd.
gruntlich, im Adv. ahd. gruntWiho, md. 1329
gruntllclien, 1343 grüntUchen (Germ. 28, 369);
Gründlichkeit, f., 1732 bei Gottsched.
Gründling, m.: die Grundel, im 15. Jh. (/rwwt^e-
linc, 1425 grundelingh (Diefenbach gl. 252'' und
nov. gl. 186^). ZUS. Grundbesitzer, m.,
1775 bei Adelung. Grundbirue, f. : Kartoffel,
in der Lausitz und Meißen zunächst die eß-
bare knollige Wurzel der Pflanze Helianthus
tuberosus, dann im 18. Jh. auf die Kartofiel
übertragen (volksmäßig GronwiMr). gruud-
1)ÖS, adj., mhd. grnnthoese. grundfalsch,
adj., 1739 bei Liscow 423. Gruudfeste, f.,
mhd. gruntveste. Grundherr, m., mhd.
grunfherre. Grundlage, f., 1625 bei Stettier
Schweitzer-Chron. 292. Grundlinie, f., 1558
bei Rivius Büxenmeisterey 3, 1, 15^ Grund-
Uni f. grundlos, adj., mhd. gründe-, grunt-
16s, ahd. grunÜös, ags. grundleas; Grund-
losigkeit, f., md. im 14. Jh. grundelösikeit,
gruntlösekeit. Grundriß, m., 1648 bei Zesen
Dögens Baukunst. Grundsatz, m., 1641
bei Schottel 378. Grundsprache, f., 1644
bei Harsdörffer Gespr. 1, 244. Grundstein,
m., beiLuther; äazn ags. grundstänm. Grund-
stück, n., 1641 bei Schottel 378. Grund-
SUppe, f., bei Luther W. 8, 292, mhd. grunt-
sopfe. Gruudwelle, f., mhd. grantweUe.
Grundwort, n., 1641 bei Schottel 346.
Grundzins, m.: auf einem Grundstück
lastende feste^Geldabgabe. 1734 bei Steinbach.
Gründonnerstag usw., s.grün. gruneln,
s. grün. Grüuitz, s. Krinitz.
777
grunzen
Gruillotine
778
grunzen, V., vom rauhen dumpfen Sckreien
des Schweins. ^Ihd.-ahd. grunzen «einen rauhen
tiefen Ton aus der Kehle hören lassen», ahd.
auch «im Unmut das Gesicht verziehen» (lat.
caperare), ferner ahd. grunnizof m. «das
Grunzen»; dazu engl, grünt «grunzen». In-
tensivum zu mhd. grinnen, ags. grunian
«knirschen, grunzen», die wie ahd. grün m.
und grunm f. «Jammer, Stöhnen» im Ablaut
stehen zu ahd. granön «gnmzen», mhd. grauen,
grannen «weinen, flennen» (vgl. grausen, grin-
sen). Vielleicht lautmalenden Ursprungs, wie
lat. grimmre, gr. YPÜ^eiv «grunzen».
Gruppe, f. (PI. -n): Zusammenstellung
mehrerer Gegenstände zu einem Ganzen. 1712
bei Hübner Groupe, aufgenommen aus franz.
groupe m. «ein Haufe Figuren», ital. groppo,
gruppo m., eig. «Klumpen, Pack», die selbst
wieder dem Germanischen entstammen (s.
Kropf). Davon gruppieren, v., 1766 bei
Le.ssing Laokoon 122 (So. 11).
Grus, m. {-es): Schutt. Niederdeutsche
Form für Graus, s. -Grans.
gruseln, v. impers. mir gruselt: über-
läuft schreckhaft die Haut. 1663 bei Schöns-
leder, grüsseln bei H. Sachs 20, 7 grieselen
1691 bei Stieler (auch Goethe 42, 2, 89 grieseln),
mhd. griuseln, Intensiv von mhd. grüsen
«grausen» (s. d.). 1499 im Terenz deutsch
39* ich grusel.
Oruß, m. (-es, PI. Grüße): freuiidlicher
oder feindlicher Anruf als Zeichen der Ge-
sinnung. ]\Ihd. grvo^ m., auch «feindliches
Entgegenkommen, Angriff, Leid», md. grü^,
grög, mnd. gröt m. Von grüßen, v., mhd.
gi-iie^en (einmal gruetzen), md. grüben, ahd.
gruogan «an jem. kommen, herausfordern, an-
treiben», dann «amiifen, anreden, angi-eifen,
freundlich und mit Wunsch anrufen»; dazu
asächs. grötjan «anreden», mnd. graten, gruten
«zum Kampfe auffordern, grüßen», mndl.
groeten, grueten, ags. gretan «feindlich an-
greifen, grüßen», engl, greet «giiißen». Viel-
leicht zu got. gretau «weinen», vgl. graß.
Grütze, f. (ohne PI.): grob gemahlenes,
ausgehülstes Getreide; Brei daraus; bildlich
Verstand. In den beiden ersten Bed. bei
Luther Grütze, Grutz f., mhd. grillze n. m.
«Grobgemahlenes, Giützbrei», ahd. gruzi,
gruzze n. «Kleie, Schrot»; dazu mnd. -mndl.
gorte f., ags. gryita f., engl, grit «Grütze»,
anord. grautr m. « Grütze», dän. gröd. Gleichen
Stammes wie Grieß (s. d.) und mhd. grüg m. f.
«Korn» (von Sand oder Getreide), urverwandt
mit lit. grüdas m. «Getreidekorn», abg. gruda
f. «Scholle», kymr. gro «Grieß», lat. rüdus n.
«zerbröckeltes Gestein». Aus dem Germa-
nischen entlehnt ital. gruzzo, gruzzolo m.
«Haufe zusammengetragener Dinge», aft-anz.
' gruel, n£ranz. gruau m. «Grütze». In der
bildhchen Bed. «Verstand» (bei Günther 518
ein Kopf, der von Xat/ir mehr Spreu als
Grütze führt) ist Grütze umgedeutet aus
ältemhd. Kritz m. (noch hess. Gritz m. «Ver-
j stand, Scharfsinn»), 1685 im Simpliciss. 2, 500
\tveder Witz oder Kritz, bei Eädlein 1711
i iveder Grütz (Gritz) noch Witz haben, öfter
bei Seb. Franck vil Kritz in der Nasen haben
(Moriae encom. 91 u. 149, Guldin Arch. 5^,
Sprichw. 1, 90^) sowohl «Schlauheit» als
«Vorwitz», eig. «Kitzel», zu ältemhd. kritzeln
«kitzeln, jucken» (16. und 17. Jh.).
Guck, m.: Blick, nur in der Redensart
nur auf einen Guck kommen und in Zu-
sammensetzungen ^'le Ausguck. Von gucken,
V.: nach etwas ausschauen, neugierig sein.
Bei Luther, Schuppius, Voß, Goethe 1, 193
mit nd. Schreibung kucken, bei Maaler 1561
guggen, mhd. gucken, gucken, im 15. Jh. gugen,
gugken. Mnd. kiken, nd. kieken ist kaum
vei-wandt, berührt sich aber eng mit unsenn
Wort. ABL. Gucker, m., 1565 bei Para-
celsus opus chii'urg. 30, mnd. kiker m. ZUS.
Guckkasten, m., bei Lessing 6, 106.
Gückelhahn, s. Gockel.
Guer(r)illa (sprich ge-), f. (PI. -s) : kleiner
Krieg; Streifscharen. Aus dem span.^Men'iZZaf.
«kleiner Krieg», von guerra f. «Krieg», fi-anz.
giierre, das dem Deutschen (ahd. iverra zu
icirren) entstammt.
Gufe, s. Glufe.
Gugelhopf, m. {-es, PL -e): Backwerk
aus weißem mit Hefe gegorenen Mehlteig
in einer mit Butter u. dgl. bestrichenen kleinen
runden Form gebacken. Bayr. Gugelhupf,
Gogelhopf, wohl nach der hauben-, bund-
ähnlichen Gestalt, zgs. aus mhd. gugele f.
«Kapuze» (s. Kogel) und einer Nebenform
von bayr. Hepfen f. «Hefe» (zu ahd. hepfan
«heben»).
Guido, Mannsname, langobardische und
dann italienische Form des ahd. Namens
Wito, Wido, von ahd. tcitn n. «Holz» (vgl.
Wiedehopf).
Guillotine, f. (PI. -n): das Fallbeil, die
1789 vom franz. Arzt Guillotin (f 1814) ei--
fundene Köpfmaschine, 1801 bei Campe nebst
dem Zeitwort guillotinieren.
Gulasch
Crurke
780
Gulasch, in Östen-eich auch Gulyas, n.
{-[e]s): Pfefferfleisch. Aus dem Ungarischen
in neurer Zeit.
Gulden, m. {-s, PI. wie Sg.): ehemals
süddeutsche imd östen-eichische und noch
niederländische Münze im Werte von ungefähr
1,70 M, Älternhd. Gvldin, Ghildein, Gülden,
mhd. (im 13. Jh.) guldin, gülden, eig. der
guldin pfenninc «der goldene Pfennig» (lat.
aureus denariiis), zuerst lange Zeit eine Gold-
münze (s. golden und Florin).
Gülle, f. (PI. -n) : Auflösung des Stall-
mistes in Wasser, Mistjauche (Pestalozzi Lienh.
u. Gertr. 3, 171). Ällad. gülle f. «Lache, Pfütze».
Sehr verbreitet in der Schweiz, aber auch
im übrigen Alemannischen. Vielleicht zu
mnd. gole, goel m. f. «Sumpf».
Gülte, f. (PI. -n): zu leistende Zahlung,
Schuld, Zins, jährlicher Zins. Mhd. gülte
(auch gute, gülde), md. gulte, gulde, gilde f.
«Schuld, Zahlung, Einkommen, Kente, Zins
(von geliehenem Geld), Wert, Preis». Von
gelten (s. d.). ABL. gültig, adj., mhd.
1324 guldig «im Preise stehend, teuer», im
15. Jh. guldeg «preis würdig» (Weist. 4, 623, 3),
ferner in mhd. zinsgültic «zahlpflichtig»;
Gültigkeit, f., 1459 gültigkeit (Germ. 28,
869). ZUS. GÜlthrief, m.: Schuld-, Hypo-
thekenschein, Schweiz. Mhd. Id82 gültehriefm.
Gummi, m. (s, PI. -s): Klebsaft aus
Pflanzen, 1534 bei Franck Weltb. 219^ Gummi,
schon im 14. Jh. mhd. gummi arabicum, ent-
lehnt aus gr.-lat. gummi, commi n. (neben
gummis, cummis. commis f.), gr. KÖ|Lt|ui n., von
altägypt. kenii, kami «Gummi von Mimosen-
oder Akazienbäumen». ZUS. Gummibaum,
m.: ostindischer Feigenbaum, Ficus elastica,
dessen Milchsaft den Kautschuk (gummi elasti-
cum) liefert.
Gundelrebe, Gundrebe, f.. die Pflanze
Glechoma hederacea. Mhd. gunderebe f., ahd.
gundereba f. mit acer glossiert, was aber nicht
nur «Ahorn», sondern auch ein Kraut be-
deutet, vgl. Björkmann ZfdW. 3, 288. Die
Ableitung ist dunkel. Gundermann, m.:
Gundelrebe. 1664 bei Duez, umgebildet aus
gleichbed. gunderam, im 15. Jh. bei Diefenb.-
Wülcker neben gunderan, gundram, gundrum,
aber spätahd. gundram.
Günsel, m. (-S, PI. wie Sg.): die Pflanze
Ajuga. 1588 bei Camei-ai-ius 702 Günsel,
1500 bei Bi'unschwyg Destill. 52 gunsel, ahd.
amsele (Steinmeyer -Sievers 3, 52, 39), um-
gebildet aus gleichbed. mlat. consolida f., eig.
«die sehr feste», bezeichnend für die bei
Wunden und Bnichen heilkräftige Pflanze.
Gunst, f.: Wohlgeneigtheit, Wohlwollen;
(PI. Grünste) schriftliche Einwilligung, in der
Kanzleisprache. Bei Luther Gonst. Mhd.
gunst (PI. günste), gonst f. und m. «das Ge-
statten, Wohlwollen, Verleihen, die Einwilli-
gung, Erlaubnis», zgs. aus ahd. gi- «ge-» und
ahd. unst f. «Zugeneigtheit, Gnade, Wohl-
wollen», gekürzt wie gönnen (s. d.) aus ahd.
gi-unnan; dazu asächs. abunst f. «Abgunst,
Neid». Die ältere Form ist ahd. anst f.;
dazu asächs. anst (nur Gen. PI. enstio), ags.
est, anord. äst, srot. ansts f. «Gunst». ABL.
günstig, adj., mhd. günstic, dafür ahd. un-
stig. Günstling, m., 1683 im neuen Dic-
tionar. für einen Eeisenden 141^.
^Günter, m. (-s, PI. wie Sg.): mit Wurst-
füllsel gefüllter Schweinsmagen. Hessisch-
wetterauisch. 1540 bei Alberus dict. Ee 3*
ghünter, bb 3 * gunter. Nach Weigand vom
Stoffe des Füllsels benannt und so aus pola-
bisch guntra «Leber». Unsicher.
"Günter, Günther, Mannsname. Mhd.
Günther, ahd. Chintheri, zgs. aus ahd. gwid
(in gundfano m. «Kriegsfahne»), asächs. güdeat
«Kampf, Schlacht, Krieg», ags. güß f., anord.
güdr und gunnr f., und ahd. hari, heri n.
«Heer» (s. d.).
Gur, f.: feuchte, schmierige, aus dem Ge-
stein ausgärende Masse. Bergmännisch, auch
Guhr geschrieben (bei Goethe 60, 136 1. H.
[Nat. Sehr. 9, 62] gulirweise), 1562 bei Mathe-
sius Sar. 52^ Ghur. Von gären (s. d.), eig.
Gärung, wie 1716 bei Ludwig das Gären
oder die G^ir des Bieres.
Gurgel, f. (PI. -n): Speiseröhre. Mhd,
gurgel, ahd. gurgula f., nach lat. gurgulio m,
«Luftröhre», wodurch das ältere mit dem
lat. urverwandte ahd. querechela, querca f.
«Gurgel» (anord. kverk f.) verdrängt wurde.
Davon gurgeln, V., mhd. gurgeln, gorgeln
«sich gurgeln, einen gurgelnden Ton hervor-
biingen».
Gurke, f. (PI. -n)-. Eankengewächs und
Frucht Cucumis. Bei Eber und Peucer 1549
E 1^ der PI. Görken, 1558 K 8^ Gurcken,
1616 bei Henisch Gurcken, Goreken, Gurchen,
im 17. Jh. Ajurcke (Olearius pers. Reise-
beschr. 103^), nd. 1582 bei Chyträus und
noch ostfries. Augurke, östr. Omorke, dazu
ndl. agurkje' «kleine Einmachgurke», dän.
agurk. Übernommen aus poln. ogurek m.,
russ. o^/recM m., tschech.o/c?0'Ä;a, lausitz.-wend.
781
Gurre
Gymnasium
782
korka f., die auf spätgr. ä-rfoüpiov n. «Wasser-
melone» zurückgehen. Vgl. Kukumer.
Gurre, f. (PI. -n)-. schlechte Stute: schlech-
tes Pferd. Mhd. und mnd. gurre, gorre f.
Noch oberdeutsch und hessisch.
gurren, v. : den Laut gurr von sich geben
(von Tauben). Mhd. gurren vom Schreien
des Esels. Vgl. girren.
Gurt, m. (-es, PI. -e), auch Ourt[e], f.
(PI. -en): Leibriemen, umfassendes Band.
Md. im 14. Jh. gurt m., mhd. nur in Zu-
sammensetzungen wie übergitrt m. «Über-
gürtel», auch «Obergurt» beim Pferde, mnd.-
mndl. gorde m., bei Luther Gh(rt f. Von
gürten, v., mhd. gürten, gurten, garten, ahd.
gurten; dazu asächs, gurdjan, gurdan, mnd.-
mndl. gorden, ags. gyrdan, engl, gird, anord.
gyrda, dafür got. higairdan «umgürten», zu
got. gairda f., anord. gjörä f. «Gürtel».
Gleichen Stammes wie Garten (s. d,). ABL.
Gürtel, m. {-s, PI. wie Sg.), mhd. giirtel
m. f., ahd. g^irtil m. und gurtüa f.: dazu
(and. gurdisU) mnd. gordel n. (selten m.),
afries. gerdel m., ags. gyrdel und gyrdels m.,
engl, girdle, anord. gyrdill m. Davon gürtein,
V., 1691 bei Stieler gürtelen, mnd. gordelen:
Gürtler, m.: Gürtelmacher, mhd. gUrtelcere.
g Urtier.
Gusche, 3. Gosche.
Guß, m. fGen. Gusses, PI. Güsse): das
Gießen: zum Gießen flüssig gemachtes Metall;
Flüssigkeit gegen die Eäude der Schafe. In
der 1. Bed. mhd. -ahd. gug m. (Gen. guzzes).
ZUS. Gußeisen, n., 1775 bei Adelung.
GuätaT, Mannsuame, aus schwed. Gustav.
Gusto, m. (-s) : Geschmack. Bei Herder 1,
305, Goethe 17, 35 und Briefe 1, 165. Aus
gleichbed.ital.und SY>a.n. gusto, yon \a.t.giistusm.
gut, adj.r freundlich verbunden, zugeneigt;
den Sinnen angenehm : die nötige Vollkommen-
heit habend usw. Mhd. -ahd. guot, md. gut,
göt, auch «passend, tauglich, tüchtig»: dazu
asächs.-afries. göd, mndl. goed, ags. göd, engl.
good, anord. gödr, schwed.-dän. god, got. göps
«gut, tüchtig, schön». Gleichen Stammes wie
Gatte (s. d.) und ahd. gatulinc, asächs. gadu-
ling, ags. gcedeling, got. gadiliggs m. «Ver- ,
wandter», sowie mhd. gaten «zusammen-
kommen, vereinigen», mhd. gater, ags. gea-
dor, tögcedere «zusammen»; urverwandt mit
abg. goditi «genehm sein», godinü «genehm»,
godü m. «passende Zeit». Urspr. Bed. wohl
« zusammengehörig, passend >. Statt des Komp.
hesser (s. d.) mhd. auch giioter, md. guter.
RA. für gut nehmen «damit zufrieden sein»,
mhd. ßr guot, verguot nemen. ABL. Gut,
n. (-es, PI. Güter): Besitztum, überhaupt
was uns dienlich ist, Grundbesitz. Mhd.-ahd.
guot n., asächs. göd, ags. göd n. «Gutes», dann
«Vermögen, Besitz, Landbesitz», afries. göd,
gued n. «Vermögen». Dazu die RA. zu gute
halten, kommen, tun usw. «zum Vorteil, in
guter Absicht», mhd. ze guote, ahd. zi guote.
Güte, f., mhd. güete, md. gute, ahd. gxioü
f.; dazu asächs. gödi «Güte», got. gödei f.
«Tüchtigkeit, Tugend»: gütig, adj., mhd.
gnetic, md. gütic: Gütigkeit, f, mhd. güe-
tichait, güetikeit: gütigen, v., in begütigen,
1488 güetigen. guten, v.: gutmachen, mhd.
güeten, ahd. gu.aten, nhd. in vergüten. Gut-
heit, f., mhd. gnotheit f «Güte», gütlich,
adj., mhd. guot-, güetlich, ahd. guotUh, an-
geglichen gaolUh «gütig, freundhch», auch
«ruhmvoll, herrlich»: dazu asächs. göd-, guod-
lic «glorreich, herrlich», afries. gödilik, ags.
gödh'c. ZUS. Gutachten, n.. 1616 bei He-
nisch. gutartig, adj., bei Henisch. Gut-
dünken, n., bei Luther, spätmhd. guot-
danken □. Guthaben, n., 1808 bei Campe.
gutheißen, \., 1601 bei Albertinus Kriegs-
leut Weckuhr 46 ^'j auch als Subst. gut-
herzig, adj., mhd. im 14. -Jh. guothertzig
nebst guothertzikeif f. gutmütig, adj., 1796
bei Adelung. Guttat, f., inhd.-ahd. guot-
tät, guotät f, ags. göddml f : guttätig, adj.,
mhd. giiottcetec; Guttätigkeit, f, 1616 bei
Henisch. gutwillis:, adj., mhd. guotwillic,
ahd. guot willig, asächs. gödu-ülig-, Gutwillig-
keit, f., md. im 14. Jahi-h. gütivdlikeit f
zrs. mit Gut: Gutsbesitzer, m., 1808 bei
Campe.
Gütchen, n. (-s, PI. wie Sg.): Kobold.
Bei Goethe Faust 5848. Wad. gütel, güttel m.
«Kobold», Dim. von Gott (s. Götze), wie
md. im 14. Jh. gotechen n. und mhd. gote-
lin n. «kleiner Gott».
Guttapercha, f : Ledergummi von Su-
matra, eingedickter Milchsaft des Baumes
Isonandra gutta, aus dem Malaiischen, wo
gutta «Gummi, Balsam», percha der Xame
jenes Baumes.
Gymnasium, n. i-s, PI. Gymyiasien):
Gelehrtenschule. Aus gr.-lat. gymnasium, gr,
•fuuvüciov n. «öffentlicher Platz zu Leibes-
übungen», die nackt (gr. -fuuvöc) angestellt
wurden, dann auch «Vei-sammlvmgsort der
Philosophen», daher als Xame für Gelehrten-
schulen von den Humanisten des 15. und
783
ha!
Habe
784
16, Jh. eingeführt. Gymnasiast, m. (-en, I der Leibesübungen, Turnkunst; gymua-
Pl. -e??): Gelehi-tenschüler, 1667 in Gepflückte ! stiscll, adj.: die Körpeiübung betreffend,
Finken S. 4. Dagegen Gymnastik, f.: Kunst | 1575 bei Fischart Garg. 280 gimnastisch.
H
ha! Interj. der Verwunderung, Freude,
des Lachens, Schi-ecks, Hohns usw. Älhd.
ha] als Ausdruck des Lachens wie des Zorns;
nhd. auch mit Gen. verbunden (Klopstock
Od. 2, 189); franz. hal Vgl. haha.
^Haar, m. (-es, PI. -e): Flachs. Nur
noch baj'r.-österr. Mhd. har, ahd. haru, haro
m. (Gen. harwes); dazu afries. her, anord.
hörr m. (Dat. hörvi), dän. hör. Die Her-
kunft ist unsicher, da unklar, ob r auf r oder
5 zurückgeht. Vielleicht zu ^Haar oder zu
Hede (s. d.). Lat. cärere «kratzen, krämpeln»
kann verwandt sein.
^Haar, f. (PI. -en): Höhe, Berg. Bei
Freiligrath (1877) 2, 263 u. 3, 15, aus westfäl.
här f., älter har. Daneben aus gleichem
Stamm westfäl. härd f. (s. Hart).
^Haar, n. (-es, PI. -e). Mhd.-ahd. här n.
(PI. mhd. här, auch umgelautet hcer und
heerer, ahd. här und härir); dazu asächs. här,
ndl. haar, afries. her, ags. hcer n., engl, hair,
anord. här, schwed. här, dän. haar n. Der
PI. Haare im 15. Jh. bei der Hätzlerin 80^
und bei Luther; obersächs.-thüring. auch der
Sing. Haare f. vom einzelnen Haar (Frau
Schlampampe Leben 8). Die Herkunft ist
unsicher. Gewöhnlich gestellt zu anord. haddr
(aus *hazda) m. «Kopfhaar», namentlich der
Frauen, abg. kosmfi m. und kosa f. «Haar»,
cesati «kämmen», lit. kasä f. «Haar», lat.
cärere «Wolle krämpeln», ir. cass «gelocktes
Haar». Nach Detter ZfdA. 42, 55 ist diese
Ableitung wegen des mangelnden ^-Umlauts
im Nordischen unmöglich, die germ. Ginind-
form wäi'e her, was er zu gr. Keipeiv «scheren»
stellt. Anderseits könnte lit. seris m. «Borste»,
sertis « haaren » verwandt sein. ABL. haaren,
hären, v. refl.: die Haare gehen lassen, sie
verlieren; oberd. haaren, v. trans. «raufen», um
1480 im voc. ine. teut. il^ hären «die Haare
ausraufen», haaricht, haarig,adj., im 15. Jh.
hericht bei Diefenbach gl. 435% haaricht 1616
bei Henisch 1009, 55, harig 1482 im voc. theut.
n7^; dazu ags. hceriht. hären, ad].: von
Haar gemacht, mhd. härm, hcerin. ZUS.
Haarhaud, n., mhd. härhant. Haarheiitel,
m., als Männertracht 1734 bei Weber 331^;
in der Bed. «Rausch» 1775 bei Adelung und
bei Lichtenberg in der Methyologie. Haar-
hoden, m., im 17. Jh. bei Grimm eishausen
Simpl. 2, 311, 22 Kz, haarklein, adj., 1658
bei Schoch Stud. Haarnadel, f., 1596 bei
Hulsius, zum Kräuseln des Haars 1537 bei
Dasypodius. haarscharf, adj., 1724 bei
Pistorius Thesaur. par. 7, 69. Haarstern,
m.: Komet, 1689 bei Lohenstein Armin. 1,571;
dafür bei Dasypodius 1537 haarechtiger Stern.
Haarstrang, m.: die Pflanze peucedanum,
mhd. härstranc. Haarstrich, m. : haarfeiner
Strich, noch bei Campe 1808 fehlend. Haar-
tour, f., 1775 bei Adelung, «falsche frisierte
Seitenhaare». Haarwachs, n. (selten m.):
sehniges Ende des tierischen Muskels, als
haarartig gewachsnes Knochenband verstan-
den, spätmhd. 1427 harwachs, sonst im 15. Jh.
haarwachs m. f. n., oberschwäb. haurwachs,
dazu ndl. im 16. Jh. haerivachs bei Kilian;
aber Haar- scheint hier urspr. mhd. har m.
«Flachs» (s. ^Haar), wozu Flachsader und
Flechse (s. d.) stimmen.
Haarrauch, m., s. Herauch.
Hahe, f. (ohne PI.): Besitz. Mhd. hahe,
ahd. haba f.; dazu mnd. und mndl. have, afries.
have f. Die Verbindung Hah und Gut (1537
bei Dasypodius) bedeutet: «bewegliches und
unbewegliches Eigentum», als Neutrum bei
Lichtwer Fab. 2, 20, Schiller Kab. 5, 1. Von
haben, v. (Präs. habe, hast, hat, Prät. hatte,
Konj. hätte, Part, gehabt), mhd. haben, zu-
sammengez. hän, ahd. haben, spät auch häban
und habon; dazu asächs. habbian, hebbian,
mnd.-mndl. hebben, afries. habba, hebba, ags.
habban, engl, have, anord. hava, schwed. hafva,
dän. have, got. haban. Eig. Bed. «halten».
Die Verwandschaft mit dem gleichbed. lat.
habere ist oft bestritten worden, so wieder
von Walde, sie besteht aber doch wohl zu
Recht. Man muß von *khabhe ausgehen.
Entlehnuncr des germanischen Wortes aus
dem Lat. scheijit mir ganz unmöglich. Weiter
dazu alb. kam «ich habe». Jedenfalls ver-
schieden von dem unter hebeii (s. d.) be-
785
Haber
Hache
786
sproclinen Stamme. Das Wort biegt mhd.
im Präs. habe, habest, luibel usw., gewöhnlicli
aber, bes. als Hilfszeitwort zsgez. Imn, hast,
hat, hon, hat, haut, im Prät. hnhete, gewöhn-
lich zsgez. häte, später (mit Angleichung des
h tml t) hatte, Konj. hcete, hete, hete, später
hette, im Part, gehabet, zsgez. gehät (md. ge-
hatt, alem. im 15. und 16. Jh. starkfoniiig
gehaben, gehän, noch Schweiz, gha); ahd. im
Präs. habem, haben, Prät. habeta, vereinzelt
hapta, Part, gihabet; got. im Prät. habaida,
Part, habaips: ags. im Prät. hcefde, Part, hrefed.
Dazu die Imperativischen Bildungen Habe-
dank, m., mhd. habedanc: Habeuicllts, m.,
mhd. haheniht; Haberecht, m., bei Lessing
2, 460, Weiße Lustsp. 1, 235. Haben, n.,
besonders in der kaufmännischen Ausdrucks-
weise Soll und Haben, Übersetzung des lat.
debet und credit, ürspmnglich hieß es: er
soll (debefj und er soll haben (credit). 1791
bei Roth nur noch Haben. Habschaft, f.:
was man besitzt. Im 17. Jh. ZUS. mit
Habe: Habgier, f.: Gier nach Habe, 1796
bei Adelung; habhaft, adj., 1473 bei Halt-
aus habhaft <;mit Besitz versehen); Hab-
seligkeit, f. (PI. -en): alles Avas man hat,
urspr. Fülle der Habe (Stieler 1691, dazu 1716
bei Ludwig das Adj. habselig «reich»); Hab-
sucht, f., bei Hagedorn 1, 79 und Oden (1747)
62; habsüchtig, adj., 1768 bei Moerbeek.
Haber, m. (-.s, PI. wie Sg.), üblicher (aber
urspr. ndd. und md.) Hafer (in Preußen nur
so), m.: Getreideart mit Rispen und langen
spitzen Körnei'n. Mhd. habere, haber m.
schwachflektiert (daher im 15. Jh. im Voc.
ine. teut. und noch mundartlich Habern m.,
bei Luther Habern und Ha fern, mit stai-ker
Flexion im 15. Jh. Städtechron. 5, 41, 5 Dat.
haber, 2, 302, 16 Gen. haberns), ahd. liabaro
ra.; dazu and. havoro, nd. und ndl. haver,
anord. hafri m., aschwed. hagre (dai-aus ent-
lehnt finn. kakra), schwed. hafre, dän. huvre,
Schott, haver, dafür ags. äte f., engl, oats; aus
dem Germanischen entlehnt fi'anz. Jmveron m.
«wilder Hafer >.. Nicht von anord. ha fr, ags.
hcefer m. «Ziegenbock» (lat. ca2)er m. «Bock»,
gr. Koiirpoc m. «Eber»), sondern zu ir. coirce,
kymr. ceirch (Grundforni *korkio ans'*kokrio).
Das germ. b muß aus g "' entstanden sein, was
trotz Zupitza Gutturale in einer Reihe von
Fällen ganz sicher ist. Weiter könnte gr.
Kcixpuc «geröstete Gerste» dazugehören, Lite-
ratur KZ. 40, 436. ZUS. Haberfeldtreiben,
n.: nächtliches Rügegericht in Oberbayern an
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
Sündern gegen die Volkssitte, häufig bei ge-
schlechtlichen Vergehen. Nach Schmeller-
1, 1033 aus der Gewohnheit hervorgegangen,
daß gefallne Mädchen abends von den Burschen
des Dorfs unter Geißelhieben in ein Haber-
feld und von da wieder nach Haus getrieben
wui-den. Haberrohr, n. : Hirtenpfeife, Rohr-
pfeife, bei Günther 1048 und Hagedorn Od. 89,
Übersetzung des gleichbed. lat. avena f.
Habergeiß, f.: Heerschnepfe, scolopax
gallinago , um. 1480 im Voc. Lnc. teut. k 6 ^
habergeiß, so benannt, weil sie zur Begat-
tungszeit hoch in der Luft einen einem fernen
Meckern ähnlichen Ton hören läßt, also zu dem
unter Haber behandelten Wort für «Bock».
Habicht, m. (-s, PI. -e): der Raubvogel
accipiter. Mit angetretnem t bei Luther wie
bereits 1470 im mlat.-hochd.-böhm. Wb. Ha-
bicht, in einer Handschr. des Heinzelein v.
Konstanz 474 aus dem 15. Jh. habeht, aber
vorwiegend im 16. Jh. und noch oberd. Habich,
mhd. habech, habich, auch mit Umlaut hebech,
hebich, ahd. habuh m.; dazu and. hatmc (in
Habuchorst), mnd. havek, havik, afries. hauk,
ags. Imfoc, heafoc, engl, hawk, anord. haukr m.,
schwed. hök, dän. hög. Herkunft unsicher.
Vgl. Zupitza Gutt. 102. Gewöhnlich vergleicht
man russ. köbuz, kobec m, «Art Falke».
habilitieren, v.: seine Geschicklichkeit
zum Lehramt an einer Hochschule bekimden.
1694 bei Nehring, aus mlat. habilitare «ge-
schickt machen», vom lat. Adj. habilis «füg-
sam, geschickt».
Habit, m., auch n. (-5, PI. -e): Anzug,
Tracht; Kleid. 1571 bei Rot, in der engern
Bed. «(Mönchs-) Ordenskleid» schon mhd. abit,
habit m., mndl. abite, afries. habit, abit, aus
franz. habit m. «Kleid, Ordenskleid», von lat.
habitus m. «das Sich-haben, die Tracht».
Habseligkeit, Habsucht, s. Habe.
Habnng, f. (PI. -en): festes Anhalten,
Anhaften; etwas, an das man sich anhalten
kann. Bei Hebel Schatzk. (selts. Gesch.).
Mhd. habunge f. «das Sich-halten, Sich-äußer-
lich-zeigen», ahd. habunga f. 'Aufhalten, Aul-
enthalt, Wohnung» (Glosse zu Sir. 24, 16).
Von laiben (s. d.) in der Bed. «halten».
Hache, m. (-n, PI. -n): junger Bui-sche,
verwegner Kerl (veraltet); Habgieriger (in
Mittel- und Oberdeutschland, dazu das Adj.
hachig «überaus habgierig»). • In der 1. Bed.
mhd. hache m., so noch bei Bürger und
Novalis, sowie als schex'zhafter Schimpfname,
den Kinder Erwachsnen geben, Schweiz. Hach
50
787
Hachse
Hafen
788
ni., dazu Hache f. «leichtlebige Dii-ne» bei
Fischart Garg. 437, spätmhd. haclie m. «junger
]3ursche, Kerl». Dazu der ahd. Eigenname
Hahho, Hahcho. Vielleicht zu hacken in der
Bedeutung «kämpfen», also eig. «Kämpfer»
oder mit Hecht verwandt, das auch in der
Bedeutung «junger Bursche» vorkommt.
Hachse, Hechse, f. (PI. -n): Kniebug,
bes. des Hinterbeins, mit den Sehnen. Mhd.
hahse, hehse, ahd. hahsa f., namentlich vom
Pferde; dazu mnd. hesse, hasse, afries. hoxene f.
Urverwandt mit lat. coxa f. «Hüfte», ir. coss
«Fuß», aind. käksas, aw. kasa- m. «Achsel-
gnibe».
Hack, s. 3Iack.
Hack(e)l)rett, n. (-s, PI. -er) -. Brett zum
Kleinhacken mancher Speisen; dreieckiges Ton-
werkzeug, dessen Drahtsaiten mit zwei vorn
gekrümmten Holzschlägeln geschlagen wer-
den, mit hackendem scharfen Anschlage. In
der 1. Bed. im 15. Jh. hackprett, -hret (Diefenb.
gl. 27*), in der 2. Bed. um 1480 im Voc. ine.
teut. k6^ und 1477 clevisch hackhret, mndl.
hacke-, hackherd.
^ Hacke, f. (PI. -n), auch Hacken, m.
{-S, PI. wie Sg.): Ferse; Absatz an Schuh
oder Stiefel (1715 bei Amaranthes Hacke
im Strumpf). Ein md. und nd. Wort, im
12. Jh. haken «calces» (Steinmeyer - Sievers
3, 439, 58), im 15. Jh. hacken m. (Serapeum
5, 84); dazu clevisch 1477 hacke, ndl. hak f.
«Ferse». Verwandtschaft mit hacken ist un-
wahrscheinlich. Zu a^s. höh m,, heia m., engl.
heel, hough, afries. heia, heila m., anord. hcell
m. «Ferse» kann das Wort aber auch nicht
unmittelbar gehören, da diese auf hanh- weisen.
^Hacke, f. (PI. -n): Axt (süddeutsch);
Werkzeug zum Behacken der Erde. Mhd.
in beiden Bed. Jiacke f.; dazu 1477 clevisch
hack, engl, hack «Spitzhacke». Von hacken,
V., mhd. hacken; dazu afi'ies. hakia (in tohakia
«zerhacken»), ags. haccian, engl. hack. Wohl
gleichen Stammes wie hauen (s. d.), da auch
sonst öfter ein k aus w entstanden ist, vgl.
Quecksilber, doch kann auch eine Wz. hak
zugiTinde hegen, die möghcherweise mit hecken
verwandt ist, das die Bedeutung «stechen»
gehabt haben kann.
Hackelwerk, n. (-s, PI. -e): Zaun, Um-
zäunung eines Gehöftes. Norddeutsch, gleichen
Stammes wie Hag, Hecke (s. d.); mnd. im
15. Jh. hakelwerk, in md. Form im 14. Jb.
hachelwerc n. «umzäuntes Vorwerk».
Häckerling, m. (-s): zu Futter klein
gehacktes Stroh. In Mittel- und Norddeutsch-
land. 1517 bei TrochusK4^ heckerling. In
gleicher Bed. Häcksel, n., auch m. (-s),
1540 bei Alberus dict. Bb 4^ und tt 1^ Haxel,
1596 bei Colerus 9, 8 und 10, 10 Hexel m.,
dafür mnd. 1515 hackeltze. Beide Wörter
von hacken (s. d.).
Hacksch, m. {-es, PI. -e): unverschnittner
Eber. In Mitteldeutschland, im 17. Jahrb.
Hackisch, Hacksch m. ; gleichen Stammes wie
Schwab. Heckel m. «Eber», herheckel «Eber»,
1468 bei Diefenbach nov. gl. 879% mhd. hagen
m. «Stier, Zuchtstier», bei Dasypodius 1587
Hag, noch Schweiz. Hagen, Hegel und schwäb.
Hag, Haigel m. «Zuchtstier». Vgl. hecken.
ABL. hakschen, v.: Zoten reißen. In
Mitteldeutschland und studentisch.
^ Hader, m. {-s, früher auch -n, PI. -n):
zei'rißnes Zeugstück. Mhd. hader m. (auch
schwach hadere), ahd. hadara f.; Nebenform
mhd. hadel m., daher entlehnt franz. haillon m.
«Liimpen». Dazu and. hathilin adj. «hadern,
lumpicht». Vielleicht urverwandt mit gr.
Kevxpujv m., lat. cento m. «aus Lumpen ge-
machter Rock», aind, kanthä f. «zusammen-
geflicktes Kleid», die nasahert sind. Armen.
kotor «Hader» zeigt keinen Nasal. ZUS.
Haderlumpen, m., bei Luther, persönlich
spätmhd. haderlump m. «Lumpensammler,
Mann in zerlumpter Kleidung».
^ Hader, m. (-.9, ohne PI.): Streit, Zwist.
Spätmhd. im 14. Jh. hader, bei Luther Hadder.
Gleichen Stammes wie ahd. hadu-, ags, headu-
«Kampf» in Zusammensetzungen (ahd. Hadu-
ivtg «Hedwig» (s. d.), Haduhrant), anord.
Höär «der blinde Gott des Kriegsglückes,
Balders Bruder», und ifödt«Name einer Wal-
küre»; urverwandt mit abg. kotor a f. «Kampf»
(aus dem Germ, entlehnt?), vc.cath m. «Kampf»,
aind. gätrus «Feind», und vielleicht gr. kötoc
m. «Groll». Vgl. Haß. ABL. hadern, v.,
spätmhd. hadern, davon Had(e)rer, m., um
1480 im Voc. ine. teut. k6^ haderer, md. im
14. Jh. hedderer, heder er. ZUS. haderhaft,
adj., 1650 bei Haltaus 771, hadderhaftig bei
Luther. HaderSUCht, f., 1678 bei Krämer,
das Adj. hadersüchtig: 1641 bei Schottel 369.
■^ Hafen, m. (-s, PI. Häfen): Sicherheits-
bucht für Schiffe. 1517 bei TrochusTS*
have, 1537 bei Dasypodius Haafe, 1561 bei
Maaler Meerhaffen m., aufgenommen aus nd.
haven, have, mnd. havene, have m. f.; dazu
mndl. havene, nndl. haven f., ags. hoefen, hcefene
f., engl, haven, anord. höfn f. (PI. Imfnir),
789
Hafen
Hagel
790
schwed. hamn m., dän. h.avn; entsprechend
dem mhd. hahene, haben f. «Schiffslände»,
neben habe f. und hap n. «Hafen, Meer».
Gleichen Stammes vne Haff (s. d.). Dazu
vielleicht mir. cüau «Seehafen» aus *kopno.
^ Hafen, m. (-.s, PI. Häfen): tiefes Ge-
schiiT, Topf. Oberdeutsch. Mhd. Jiaven, ahd.
hafan m., eig. «Behälter, worin etwas gefaßt
oder behalten wird», vgl. haben. Davon
Hafner, m.: Töpfer, im mrhein. voc. ex quo
1469 hefener, mhdi.havencBre, ahd. /?a/a«flW m.
Hafer, s. Haber.
Haff, n. [-es, PI. -e): <^)stseebucht als
innres Meer {da^ keurisch hob «kurische
Haff» im 14. Jh. bei Suchenwirt 4, 457, da^
vrische hab Livl. Chron. 3830). Aus dem
^Niederdeutschen, mnd. /m/m. n. «Meer, See»;
dazu afries. hef n., ags. hoef n., anord. und
sohwed. hqf n., dän. hav «Meer, offne See».
Vgl. Hafen. Daß die beiden Wörter zu lat.
cayio «fassen», und heben (s. d.) gehören, ist
kaum wahrscheinlich zu machen.
■^Haft, m. (-S, PL -e, auch Haften, bayr.
Hafte): Vorrichtung zum Festhalten, Haken.
Mhd. haft m. (PI. hefte), ahd. haft m. n. (PL
hafta) «Haken, Band, Fessel»; dazu ags. hceft
m., anord. hapt n. «Fessel». Gleichen Stammes
wie heben (s. d.).
^Haft, f. (selten PL -e): Festnahme, Fest-,
Gefangenhaltung. Mhd. haft f., daneben ahd.
hafta f. «Verbindung», andfrk. hafta f. «Ge-
fangenschaft, Gefängnis». Zu dem in heben
(s. d.) vorliegenden Stamm.
^Haft, m. n. (-S, PL -e, -en): die Ein-
tagsfliege, ephemera. 1748 bei Haller Ged.
204 als Bezeichnung am Niederrhein; 1730
bei Frisch Insekten 8, 14 tvann es (Üfer-Äaß)
die Holländer Hafft heißen, so geschieht es,
weil diese Fliegen so dick fliegen, daß sie an den
geteerten Schiffen hafften und hangen bleiben.
-haft, Suffix an Adjektiven: haltend, wor-
an haftend, habend. Fiiiher auch selbstän
diges Adj. mhd.-ahd. haft «gefangen, gefesselt
festsitzend, haftend», im IMhd. auch «einge
nonamen wovon, besessen, wozu verbunden
verpflichtet»; dazu asächs. haft «gefesselt
festbleibend», ags. hoeft «gefangen», anord
haptr m. «Leibeigner», got. liafts «behaftet
gebunden», genau entsprechend lat. captus
«gefangen», gall. captos «gefangen», air. cacht
«Dienerin», kymr. caefh «Gefangner, Diener»
(s, heben). Davon -haftig, Adjektivsuffix,
mhd. -haftec, ahd. -haftig, afries. -haftich,
-heftich.
haften, v.: woran befestigt sein, fest
hangen bleiben; gewährleisten (Haltaus 772
aus dem 15. Jh.). In der 1. Bed. mhd. haften,
ahd. haften, asächs. Jmfton, von dem ahd. Adj.
haft (s. -haft).
Hag, m. (-es, PL -e): umfriedigendes Ge-
büsch: dichtes Gebüsch; Hain. i\Ihd. /iac m. n.
(Gen. hages) «Umfriedigung, Einhegung, Dom-
gebüsch, dichtes Gebüsch, eingehegter Ort,
Park, Wald», ahd. hag, hac m. «Einhegimg,
Stadt» (vgl. die Ortsnamen Kui -hag, -hagen);
dazu ndl. haag f. «Hecke», ags. Jmga m. «Um-
zäunung, Grundstück, Haus», engl, haw «Ge-
hege, Gärtchen», anord. hagi m., schwed. hage
«Umzäunung, Weideplatz», adän. hage «Hecke».
Gleichen Stammes wie Hagen, Hain, Hecke
(s. d.) ; urverwandt mit agall. caium «Gehege»,
kymr. cae «Einfassung», lat. cohus «die Höh-
lung an der Wage des Pfluges, wo die Deichsel
eingefügt wird». Vgl. Walde. ZUS. Hag-
apfel, m.: Meerkirsche, 1482 im voc. theut.
n3^ hagen apffel. Hagehliche, f.: Weiß-
buche, im 15. Jh. hagbuoch, daneben mhd.
hagenbuoche, woraus Hainbuche (s. d.), beides
in urspr. Bed. «zu Umzäunungen verwendete
Buche», ahd. haganbuohlia; davon hage-
hüchen, adj., mhd. hagenhüechm, zsgez. han-
büchen, noch md. hahnehttchen, bes. in der
Bed. «derb». Hagehiitte, auch Hain-
hutte, Hamblltte, f.: Fruchtknopf der
Hagerose, im 15. Jh. hagebute, zsgez. hnbutte
(Diefenbach gl. 125'*^), 1482 im voc. theut. n 6*
hänpote (in hanpotenpatvm) und n3^ hagen-
putz, mhd. bloß butte f., eins mit Blitzen
(s. d.) «Kerngehäuse des Obstes». Hage-
dorn, m. : der Weißdom, mhd. hagen-, Jiage-
dorn m. : dazu ags. hcegßorn, engl, haivfhorn,
anord. hagßorn m., norw.- schwed. hagtorn.
Hageiche, f.: Heckeneiche, 1541 bei Frisius
1164'' Hageych. Hagerose, f.: Heckenrose,
1541 bei Frisius 623 ^ der PL Hagrosen, 1540
bei Alberus dict. FF 3^ hayn rosen.
Hagel, m. (-S, PL unüblich): aus den
Wolken niederschlagende Eisköraer; kleinge-
hacktes Blei und Eisen zum Schießen (Soltau
Volksl. 216 von 1516). In der 1. Bed. mhd.
hagel, zsgez. hole, hail, hei, ahd. ha^al m.;
dazu asächs. hagal, mnd. und ndl. hagel, ags.
hagal, hagol und hcegel m., engl, hail, anord.
schwed.-dän. hagl n. Wohl urverwandt mit gr.
KoixXri^ T^- «Steinchen, Kiesel». Das einzelne
Hagelstück hieß mhd. und älternhd. hagel-
stein und kisel (noch oberd.), ags. hagolstän,
engl. Jiailstone, anord. haglsteinn m. neben
50*
791
Ha^en
Hahn
792
haglkorn u, ABL. hageln, v., mhd. hagelen,
mndl. hagglen, daneben älternhd. kiseln, noch
md. und oberd. kisseln. ZUS. hageldicht,
adj., bei Wieland Ob. 3, 15. Hagelgaus, f.:
Schneegans, wüde Gans, mhd. hagelgans, ahd.
hagügansL «Wasserhuhn», dann (durch Über-
tragung) «Birk-, Haselhuhn» (dafür ahd. /iasi7-
gans), endlich «die Schneegans», und zunächst
benannt, weil das Wasserhuhn durch Geschrei
am Morgen und Auffliegen aus dem Wasser
(1557 Heußlin Vogelb. 22^) oder durch Unter-
tauchen (Schiller Teil 1, l) Gewitter und
Regen ankündigt. Hagelschauer, m., mhd.
hagelschür, ags. hagolscür m. Hagelschlag,
m., spätmhd. im 15. Jh. hagelslach. Hagel-
wetter, n., 1678 bei Krämer.
Hagen, m. (-s, PI. wie Sg.): lebendiger
Zaun. Bei Büi-ger 233, noch niederd.; aber
schon mhd. hagen m. «ümfriedigung, Ver-
hau, Dornbusch, umfriedigter, umhegter Ort»,
ahd. hagan m. «Dornstrauch zur Umhegung»;
dazu and. hagan m. «Art Dornstrauch», mnd.
hagen m. «Hecke, Gebüsch, Einfriedigmig zu
Schutz und Verteidigung, umhegter Ort»,
schwed. hägn, dän. hegn, von ahd. hac m.
«Hag» (s. d.). Vgl. Hain.
hagen, v.: behagen (s.d.). Bei ndd. Schrift-
stellern (Göttinger Musenalm. 1779 S. 88);
and. hagan (?), mnd. und md. hagen, afries.
hagia.
hager, adj.: dürr, mager, schmalleibig.
Um 1300 md. hager (Heinrichs Tristan 5110,
Altväter Darmstädter Bruchst. Bl. 1^)^ 1618
bei Schönsleder mit Umlaut hager; dazu
mengl. hagger, engl, haggard «hager». Dafür
oberd. rahn (s. d.). Nach Zupitza 104 zu
aind. krcäs «abgemagert, hager, schwächlich»,
aw. kdrdsa- «mager». Anders ZfdW. 7, 267.
ABL. Hagerkeit, f., 1691 bei Stieler.
Hager, m. {-s, PI. wie Sg.): Sandhügel
in Strömen, bes. an deren Mündung. 1697
bei Besold Thesaur. 1, 418 Heeger. Nach
J. Grimms Vermutung eine Nebenform zu
Höcker.
Hagestolz, m. {-es, PI. -e): unverheiratet
Gebliebner. Schon mhd. hagestolz (Urkunde
von 1284 bei Mone Anz. 3, 16), umgebildet
aus mhd. hagestalt, ahd. haga-, hagustalt, haga-
stolt m. «Junggesell Verbliebner, Diener, in
Lohndienst Stehender»; dazu asächs. hagu-
stald, hagastold m. «.Diener, Mann überhaupt»,
and. «proselitis», im 16. und 17. Jh. an Hof an-
gelehnt nd. hove-. havestolt, ags. hteg-, hagu-
steald m. «unverheix-atet Gebliebner, Kriegs-
dienst Leistender, Ki-ieger». Ursprünglich
Adj.: ahd. hagustalt Itp «eheloses Leben»,
hagastalt man «Lohnarbeiter», ags. htegsteald
«kämpfend», wonach die älteste Bed. «als
Diener und zwar unverheiratet und kinder-
los auf emem Hag (s. d.), d. i. einem kleinern
Grundstück, einem Nebengrundstück seßhaft» ;
der zweite Wortteil gehört zu got. staldan
«bes-itzen» (s. gestalt). Nach altem deutschen
Erbrechte ging das Hauptgut mit der daran
haftenden väterlichen Gewalt auf den Erst-
gebornen über, während den Jüngern Söhnen
nur Nebenländer und damit Abhängigkeit von
dem Erstgebornen zuteil wurde.
haha! Interj. der Verwundeiiong und
Freude, auch lautes Lachen, mhd. haha, im
15. Jh. bei Eyb Plaut. 80, 12 hiha\
Häher, m. (-5, PI. wie Sg.): ein häßlich
schreiender Waldvogel. Bei Luther Heher,
1557 bei Waldis Es. 1, 29 Häher m., mhd,
heher f., ahd. hehara f.; dazu mnd. heger,
heiger m., ags. higera, higora m. «Häher,
Specht», anord. hegri m. «Reiher». Dazu mit
s-Anlaut norw. skjäre, schwed.-dial. sker, skür,
skära. Vgl. Falk-Torp. Vielleicht verwandt
mit gr. Kicca f. «Häher» (aus *KiKya), aind.
kikidivis m. «blauer Holzhäher», also laut-
malend, oder zu aind. rikharäs «spitzig».
Dann wäre der Häher nach seinem spitzen
Kopfschmuck benannt.
Hahn, m. (-es, auch -en, PI. Hähne, auch
Hahnen): Männchen des Hühnergeschlechts;
Männchen auch andrer Vögel (Geliert 3, 461);
Wetterfahne (1514 bei Keisersberg Schiff d.P.
37^); dem Hahnenkopf Ähnliches z. B. am
Fasse (1510 bei Keisersberg Seelenpar. 51*
Hä7i m.), an der Wasserleitung (im 15. Jb.
bei Tucher Baumeisterb. 168, 4), am Flinten-
schlosse (1575 bei Fischart Garg. 286); bild-
lich: kühner, kecker Kerl (Murner luth, Narr
2155, Keisersberg Brösamlba 2, 71''). In der
1. Bed. mhd. han, haue, ahd. hano m.; dazu
asächs. hano, ndl. haan, afries. hona, a,gs. und
got. haiia, anord. hani m., schwed.-dän. hane.
Gewöhnlich wird als urspr. Bed. «Singer»
(vgl. Otfried 4, 13, 36 er tha§ huan singe «ehe
der Hahn kräht») angenommen, vfie ahg. petlä
m. «Hahn» von abg. j^^^ti «singen», lit. gaidis
m. «Hahn» von lit. giedoti «singen»; m*ver-
wandt mit lat. canere «singen», air. canim
«ich singe», gr. rii-Kovöc «Hahn» (bei Hesy-
chius). Doch liegt viel eher ein altes selb-
ständiges Wort vor, zu dem auch lat. cicönia f.
«Storch» gehört. Die Biegung ist urspr.
793
Hai
Hainbund
794
schwach: mhd. Gen. hanen, PI. hauen, sie
dauert bis ins 18. Jh. (Göthe 2, 267, Schu-
bart 2, 253) und ist noch oberd. ; die starke
Flexion tritt seit dem 16. Jh. auf, bei Keisers-
berg der PI. hen, Itän, bei H. Sachs 9, 50 u. 59
der Gen. deß Haans wad Hanes. Vgl, Henne,
Huhn. RA. der rote Hahn «wie ein Hahn
vom Dach auffliegendes Feuer» (H. Sachs 9,
55). Hahn im Korbe (Facetiae facet. 164),
eig. «das beste Stück unter dem jungen Hühner-
volk im Hühnerkorbe», daher im 16. Jh. der
best Han im Korb (H. Sachs 21, 261, Fischart
Bienenk. 131 "^j. ZUS. l) mit dem schwachen
Gen, Hahnen-: Hahnenbalken, m.: Fii-st-
balken (worauf der Hahn sitzt und kräht),
mhd. hanenbalke, auch hanboum m. Hahnen-
feder, f., bei H. Sachs 9, 125. Hahnenfuß,
m.: die Ranunkel, mhd. hanen-, ha7ievuog, ahd.
hanefuo^ m., der Xame wegen der dem Fuß
eines Hahns ähnlichen Gestalt des Blattes
der Pflanze. Hahnenschrei, bei Luther.
Hahnensporn, m., 1664 bei Duez Hahnen-
spohr. 2) mit Hahne-, Hahn-: Hahnekamm,
ni., im 15. Jh. bei Diefenbach gl. 158^ hanen-,
hanekamp; als Pflanzenname mhd.hanenchamp.
Hahnkräh, f. (Herder von deutscher Art und
K. 101), 1572 bei Fischart Großna. 25 Hanen-
kräh m., dafür mhd. ha7i-, hanekrät f., ahd.
hanacrät, asächs. hanocräd f., ags. hancred m.,
von Rückert 3, 294 erneuert Hankrat m.
Hahnrei, m, (s, PI. -e): Mann eicer un-
treuen Ehefrau, ein urspr, norddeutscher
Ausdruck, mnd. im 15, Jh. hanerei, hanreyge,
in den Facetiae facetiarum 164 hahnreg, 1534
bei Luther 6, 161* J. ein Hanrey wie man
in Sachsseil redet: doch nach Beckmann Gesch.
d. Erf, 2, 269 Hanrey schon 1322 als Beiname
eines Augsburger Müllers. Bei Mathesius |
Sarepta 1562 250* Hanrey m. f. «geschlecht-
lich Ausschweifender oder Ausschweifende»:
in der wahrscheinlich urspr. Bed. Kapaun 1670
bei Abele künstl. Unordnung 2, 309 Haan-
rehf 1717 bei Leibniz Collectanea etymolog. 1,
312 Hahnree. Das Wort, urspr. schwach
biegend, scheint im zweiten Teil abgeleitet
von mhd. reie, reige m. «Tanz» (s. ^Reihen),
«der den Hahnentanz mitmacht» (vgl. Brant
Narrenschiif S. 34* Z.). Y gl. Hörner aufsetzen
unter Honi. hahnebüchen, s. Hagebuche.
Hahnepanipel, m.: Schimpfwort für einen
haltlosen, hin- imd herfahrenden und zappeln-
den Menschen, In Norddeutschland. Unbe-
kannter Herkunft.
Hai, m. (-es, PI. -e): der gefräßige See-
fisch squalus carcharias. 1658 bei Mandelslo
Reisebeschr. 2, 13 Haye m., PI. Hayen, 1741
bei Frisch Häye m., aufgenommen aus ndl.
haai f., anord. här m.. schwed.-dial. ha m., dän.
haa. Man vergleicht aind. catdkus m. «ein
best. Wassertier», das auch die Bedeutung
«spitzer Pflock, Holznagel» hat, wie auch
anord. här «Rudemagel», so daß die doppelte
Bedeutung schon vorhistorisch ist. ZTJS.
Haifisch, m., 1768 bei Moerbeek Hayfisch
neben Hay.
Haiduck, s. Heiduck.
Hain, m. [-es, PI. -e): gottgeweihter Wald
(bei Luther); Hege-, Lustwald (bei Luther
1, 531b Eisl.). Ein mitteldeutsches Wort.
Im 14. Jh. hain m. «umhegter Platz, Ver-
hau:/ (Jaroschin 25<i. 87*), 1338 hayn «um-
hegter Wald» (Weisth, 1, 498 aus der Gegend
von Frankfurt a. M.), noch 1664 bei Duez
Hain. Haine f. «une franche forest, oü il
n'est point permis d'abattre du bois, un bois,
un bois consacre des payens, lucus», schon
im 8. Jh. in dem Orts- und Bachnamen Hein-
bach (Förstemann 2, 630) neben Hakanpach,
Hegenebah, wie noch in den md. Ortsnamen
auf -hain; aus md. hagin, mhd. hagen m.
«Einfriedigung, umhegter Ort» (s. Hagen),
wie auch md. hän, haen «Dornbusch» (Diefen-
bach gl. 192 b), gciion Tacitus Germ, 9. 39 f.
berichtet von gehegten, einer Gottheit ge-
heiligten Baumständen und Wäldern der
Germanen.
Hainbuche, f. (PI. -n): Weißbuche. 1454
md. hainbuche (Weisth. 5, 251), 1521 hanbuche
(l, 538), bei Luther Haynbuche, aus md. hagin-
buche, mhd. hagenbuoche, ahd. hagan-, hagin-
buocha f. Der Name daher, daß die jungen
Stämme sich leicht zu Hecken, Zierbusch-
vverk u. dgl. ziehen lassen. S, Hagebuche
und Hain.
Hainbund, m.: vom 12. Sept. 1772 bis
Ostern 1775 dauernder Dichter- und Freund-
schaftsbund von Göttinger Studierenden, feier-
lich gestiftet am Abende des genannten Tages
unter einer schönen Eiche in einem kleinen
Eichengnmd auf der Rückkehr nach Göt-
tingen, von einem auf das nahe Dorf Weende
gemachten Ausfluge. Jene Jünglinge waren
J. H. Voß, Hölty^ Joh. Friedr. Hahn, Joh.
Thomas Ludwig Wehrs, Joh. Martin Miller
und dessen jüngrer Vetter Gottlob Dietr.
Miller; nachträghch traten bei Boie, Christian
und Friedr. Leopold Stolberg, Karl Fried,
Gramer, Leisewitz. Sie nannte ihre Ver-
795
Haiubutte
halb
796
einigung Bund auch Hain im Gedanken an
den von Klopstock z. B. in seiner Ode Win-
golf als Sinnbild der Dichtkunst gebrauchten,
bes. aber in der 1767 gedichteten Ode «der
Hügel und der Hain» dem Hügel als Par-
nassus entgegengesetzten Hain (des Hügels
Quell ertönet von Zevs, Von Wodan der Quell
des Haitis), zugleich wohl in Hinweisung
auf jenen Eichengrund. Aus beiden Be-
nennungen erfloß später die weitre Hain-
bund, die zuerst Voß S. XXIX der Vorrede
der 1804 von ihm besorgten Ausgabe von
Höltys Gedichten gebraucht.
Hainbutte, s. Hagebutte.
Hakatisten, PI.: Angehörige eines Ver-
eins zur Fördeiiing des Deutschtums in den
Ostmarken. Das Wort ist gebildet aus den
Anfangsbuchstaben der drei Gründer Hanse-
mann, Kennemann und von Tiedemann. Ende
des 19. Jh. aufgekommen.
Häkelei, f.: kleiner Zwist; Häkelarbeit.
Von häkeln, v.-. mit einem Häkchen gTeifen
(1691 bei Stieler Mkelen); mit der Häkel-
nadel arbeiten (im 19. Jh.). Von mhd. Jmkel
n., Dim. von Haken. An häkeln angelehnt,
aber hervorgegangen aus heiklig (s. heikel)
häkelig, häklig:, adj.: schwer zu behandeln,
bedenklich, 1775 bei Adelung.
Haken, m. {-s, PI. wie Sg.): halbkreis-
artige Krümmung woran; gekmmmtes Ende
zum Einhängen; Feuergewehr mit einem
Haken am Schaft zum Auflegen auf eine gabel-
förmige Stütze (spätmhd. Mitte des 15. Jh.
hakenpiichse, 1529 bei Soltau Volksl. 1, 328
hacken, mnd. im 15. Jh. hakebusse); Püug,
dessen zweischneidige Schar nebst den beiden
Moltbrettern die Gestalt eines Pfeilwider-
hakens hat (mhd. der polensche phluoc, der
hake heilet), dann auch Feldmaß (mnd. im
14. Jh.). In den beiden ersten Bed. mhd.
hake, haken, ahd. häko, hägo, häggo m.; dazu
and. hako, mnd. hake, mndl. hoek, ndl. haak,
ags. höc m., engl, hook, mit kurzem Stamm-
vokal ags. haca m., schwed. hake, dän. hage
«Haken» (verschieden von got. höha m., ahd.
huohili n. «Pflug», aber wohl wurzelverwandt^
Vielleicht verwandt mit leit.keg'is m. «Krücke»
(vgl. anord. höekja f. «Krücke», ags. hcecce f.
«Bischofsstab») oder mit lit. saknis f. «Wurzel».
RA. die Sache hat einen Haken «ein Hindernis»,
1575 bei Fischart Garg. 151 es hat ein häcklin.
ABL. haken, v., 1495 in der Kölner Gemma
Rl*^ haken, im 15. Jh. hachen «krümmen,
beugen» (Diefenbach gl. 626^). hakicht.
hakig, adj., 1420 nd. hakich (ebd.), ndrhein.
im 15. Jh. haechetht (ebd.).
hal, adj.: bis zur Saft- und Kraftlosigkeit
ausgetrocknet oder austrocknend (1544 bei
Luther ein holer Wind); dürr und mager.
Westmitteldeutsch. Dazu nd. häl, hcel, ndl.
haal «trocken, düiT, mager» und mit anlaut.
s- schal «trocken, dürr, leck», schwed. skäll
«mager» und weiter gr. cxXi-ipöc «trocken,
düiT, mager». Vgl. Ehrismann Btr. 20, 63.
Davon verschieden südd. hahl, hähl «glatt,
schlüpfrig», mhd. hcele, ahd. häli, anord. hall,
das zu hehlen gehört. ZUS. Haigans, f.:
magre, uugemästete Gans (westmd.), dann
Schelte für ein sich dumm und albern be-
nehmendes Mädchen (Maler Müller 1, 128);
verschieden von Haigans, der Verkürzung
von Hagelgans (s. d.).
halali! weidmännischer Ruf bei der Hetz-
jagd, wann der Hirsch abgehetzt nicht weiter
kann. Der Ton ruht entweder auf der vor-
letzten oder auf der letzten Silbe. Aus gleich-
bed. franz. halali, 1746 bei Döbel Jäger- Pract.
2, 98 ha la lit «ha da liegt er».
•^halb, halben, grundangebende Präp. mit
Gen., hinter dem i'esierten Worte stehend. Mhd.
halbe, halp und halben «auf Seiten, wegen»,
ahd. halb nachgestellte Präp. mit Gen., urspr.
Kasus von Halbe (s. d.), mhd. halbe, und zwar
halben der Dat. PL, halbe und gekürzt halb,
halp der Akk. oder Instr. Sg. Aus einer
Vermischung des Subst. Halbe mit dem Adj.
halb erwuchs des letztern erstarrte Maskulin-
form halber als Präp. mit Gen., 1499 im
Terentius deutsch 9''.
"halb, adj., einen Teil bei Teilung in zwei
gleiche Teile bezeichnend, ■'/.i. Mhd. und
ahd. halp, asächs., afiües. und ndl. half, ags.
healf, engl, half, anord. halfr, schwed. half,
dän. halv, got. halbs. Zur Etymologie geht
Persson KZ. 33, 289 von einer Wm-zel «spalten»
aus, die mit s- Anlaut in gr. cköXoh» m. «Pfahl»,
lat. sculpo «grabe ein» vorhegt. Kluge ver-
gleicht aind. kalpäjati «bringt in Ordnung,
stellt richtig, verteilt». Wurzelverwandt ist
vielleicht auch aind. kala f. «kleiner Teü».
In den Zusammensetzungen anderthalb (l^/.,),
dritthalb (2^/o) usw. schon mhd. und ahd.,
auch ags. öper healf {l'^j.-,), anord. halfr fjördi
(3Vo).^ ABL. Halbheit, f. bei Wieland
3, 150 von 1767. halbieren, v., mhd. hal-
biei^en neben, häufigerm halben, halbicht
(bei Wieland an Merck 1, 249 «unentschieden,
schwankend»), halbig (beiLessing3, 162 «un-
797
Halbe
Hall
798
vollkommen»), adj., bei Serrauus 1538 halbig,
1564 bei Glaser Gesindteufel Fl* halhicht.
ZUS. Halbbruder, m., 1641 bei Schottel
365 ; dazu afries. halfbroder, anord. Imlfhröäir.
halbbürtig, adj., 1691 bei Stieler. Halb-
gott, m., ahd. und spätmhd. halhgot. Halb-
insel, f., 1537 bei Dasyi^odius ein halb insel,
1678 bei Krämer Halbinsul. Halbjahr, n.,
mhd. halpjär: halbjährig, adj., mhd. Äa^j>
jceric. Halbkreis, m., mhd. halb krei^
(Diefenbach gl. 641 «). Halbkugel, f., 1678
beiKrämer. Halbmann, m,: Kastrat, Eunuch
(Schiller Tur. 2, l), spätahd. 1175 halpnian.
Halbmesser, m.: Radius, 1670 bei Stm-m
teutscher Archimedes Vorbericht. Halbpart,
m.: Halbteilung, Hälfte, 1691 bei Stieler.
halbrund, adj., 1678 bei Ki-ämer, dafür
spätmhd. im 15. Jahrh. halb sinivel. Halb-
SCheid, f., das Halbgeteilte, Hälfte, im 14.
bis 15. Jh. -nrhein. halffscheit (Weist. 2, 354),
Skhd. halpgisceid. halbschlächtig, adj.: einen
Halbschlag, eine Unterart bildend (Kant 10, 27);
unentschieden, schwankend, halbschürig,
adj.: unvollkommen (Lessing 7, 43 halbschie-
rig), urspr. von der Schafwolle, die jährHch
zweimal geschoren wh-d, im Gegensatz zur
einschürigen. Halbspäliuer, m.: Halbbauer,
wer nur ein halbes Gespann (2 Pferde) zur
Bewirtschaftung braucht. In !Norddeutsch-
land. Halbstiefel, m., 1664 bei Duez.
halbtot, adj., mhd. halptöt. halbwegs,
adv. : einigermaßen, ziemlich, eig. Akk., mhd.
halben wec, im 15. Jh. bei Rothe h. Elisab.
2042 halbweg; 1734 bei Weber halbwege und
halbwegs (verkürzt aus halbe Wege und halbes
Weges), halbwüchsig, adj., bei Zachariä
1, 250 halbwüchsigt. Halbzirkel, m., mhd.
halb cirkil (Diefenbach gl. 641 «=).
Halbe, f. (veraltet): Hälfte; Seite, Nur
noch in Xorddeutschland in der RA. auf der,
über die Halbe liegen. Mhd. halbe, ahd. halba f.
«Seite, Gegend»; dazu asächs. halba, afries.
halve, ags. ÄeaZ/f. «Hälfte, Seite», a.nord. halfa
«Teil, Familienzweig», got. halba f. «Hälfte,
Seite». Es ist das Grundwort von ^halb und
mit -halb verwandt.
Halde, f. (PI. -7i): der Abhang, Bergab-
hang. Mhd. holde, ahd. halda f., von ahd.
hald, mhd. halt. ags. heald, anord. hallr «nieder-
wärts schräglinig, geneigte. Dazu got. wilja-
halpei f. «Zuneigung, Gunst», aind. katakas m.
«Ring, Armband, Tal», Wi.at-kalte f. «Rücken-
lehne». S. Helling.
Hälfe, m. (PI. -/i): Halbbauer, im Gegen-
satz zum Besitzer eines Vollgutes, am Nieder-
rhein, wohl gekürzt aus Halfwinne, wie die
aachen. Nebenform Halfer m. aus Halfwinner.
Hälfte, f. (PI. -n): einer von zwei gleichen
Teilen. Abstraktbildimg zu halb fs. d. -).
Geläufig bei Luther Helffte, Helfft f., aus
md. und mnd. helfte f. (\b. Jh., z. B. schlesisch
1421); dazu mndl. helft f., afries. halfte, helfte
m., anord. helfd f. Mit andrer Endung im
16. Jh. halfftnoth f. (Stadtrechte v. Arnstadt),
fi-ühmhd. im 12. Jh. halfnotm. (Germ. 20, 41),
ahd. halftanod m. «Hälfte». Früher sagte
man hd. Halbe f. (s. d.) und Halbteil n., mhd.
halpteü m., afries. halfdel, haldel n. «Hälfte».
Vgl. Halbscheid.
"^Halfter, f. (PI. -n) m. n.: ledernes Kopi-
zeug des Pferdes zum Halten. Mhd. halfter,
ahd.halftra f.; dazu anä.halefdra, nnd.halchtei',
kalter, ndl. halster, ags. hcelftre f., engl, halter.
Gleichen Stammes wie älternhd. Helb, mhd.-
ahd. halb m., mnd. helve, helf helft n. «Hand-
habe, Stiel», ags. hielf m., engl, helve «Axt-
stiel». Vielleicht urverwandt mit lit. Mlpa
«Schlinge», kälpa f. «Querholz am Schütten»,
apreuß. kalpus «Rungenstock». ABL. half-
tern, V.: die Halfter anlegen, Anf. des 16. .Jh.
halffteren bei Diefenbach gl. 272 '^.
-Halfter, f. (PL -n), richtiger Holfter
oder Hulfter: Pistolenbehältnis am Sattel.
Die Form Halfter seit dem 17. Jh., 1575 bei
Fischart Garg. 353 Hulfter f., 1669 bei Gi-im-
melshausen Simpl. 241 Pistolludffter, 1775 bei
Adelung Holftei' f. In ältrer Bed. 1482 hulffter
«Köcher» (Voc. theut. p 2*^), mhd. hulft, ahd.
huluft, hulft f. «Hülle, Decke», auch «köcher-
artiges Behältnis», ahd. satilhulft (Diefenbach
gl. 281^), neben mhd. -ahd. hülst f. «Hülle»,
got.hulistr n., ags. heolstor n. «Hülle, Decke»,
Island, hulstr n. «Futteral», ndl.-engl. holster
«Holfter». Von hüllen (s. d.).
Haigaus, s. hal
Halkyonische Tage: nach lat, dies
halcyonii «ruhige Tage im Winter, an denen
der Eisvogel (gr.-lat. halcyon) brütet. 1757
bei Wieland. Vgl. ZfdW. 10, 34.
Hall, m. {-es, PI. -e): fortschwebender
Schall, mhd. hal m. S. hell. ABL. halleu,
V., erst 1440 auftauchend in lüthalend (Diefen-
bach gl. 542^), aber spärlich bis ins 18. Jh.;
dafür mhd. hellen mit starker Flexion (s. hell).
ZUS. Halljahr, n.: das Jubeljahr der Juden,
zuerst bei Luther Halliar, der Name wegen
des Halles der Horner, durch den es ver-
kündigt wurde (3. Mos. 25 und Jos. 6, 4 — 6).
■99
Halle
Hals
800
^ Halle, f. (PI. -n): offner Bau mit einem
bloß auf Säulen oder Pfosten ruhenden Dache ;
von Säulen getragner Vorbau, Bei Luther
häufig, seit der Mitte des 18. Jh. von Dichtern
(Klopstock, Ramler) wieder erneuert. Aus
gleichbed. md. halle (13. u. 14. Jh., Germ.
20, 41), ahd. halla f. «Tempel»; dazu asächs.
holla, ags. heall, engl, hall, anord. höll f.,
schwed. hall, dän, hal «Halle»; aus dem Ger-
manischen entlehnt gleichbed. afranz. hale,
nfranz. halle f. Ableitung von ahd. helan
«verbergen, verdecken» (s. hehlen) ist un-
wahrscheinlich, vielmehr entspricht das Wort
nebst ndd. hille «Ort über den Viehställen,
wo Gesinde und Kinder zu schlafen pflegen»,
dem lat. cella f. «Kammer, Zelle» (beide mit
U aus hl). Verwandt sind noch gr. KaXid f. j
«Hütte, Scheune, Nest», aind. gälä f. «Hütte, 1
Haus, Gemach», ir. cuile «Keller, Magazin».
"Halle, f.: die Salzkote, das Siedehaus
der Salzwei'ke. Im hallischen Talrecht aus
dem 14. Jh. halle f. «Salzwerk», mhd. hal n.,
wie noch schwäb.-bayr. Hall n., womit zgs.
mhd. 1130 halgräve m., ahd. halhüs n. «Salz-
werk», woraus schwäb. Halles n. «Siedhaus».
Nach den meisten neuera Forschern dasselbe
Wort wie ^Halle, es ist aber mit V. Hehn
Das Salz daran festzuhalten, daß in hal das
idcf. Wort Salz steckt und daß das Wort
also aus einer Sprache entlehnt ist, die s in
h verwandelte. Hallore, m. (-en, PI. -en): \
Salzwerkarbeiter zu Halle a. S., erst 1681
der PI. Halloren (Dreyhaupt Saalkreis 1, 510),
entstanden aus der burschikosen Wortbildung
Halloruni (ebd. 1681), auch als Singular, wie
Buckeloruni, wohl umgestaltet aus einem 1668
belegten hahirga «Salzwirker», einer Bildung
aus gr. äXc «Salz» und einer Ableitung von
epYov «Werk». Vgl. Gebhardt ZfdW. 10, 205.
hallelüja, liallehijali: gelobt sei Gott.
Das hebr. hallelüjäh «preiset Jehova», von
hillel «preisen», eig. «glänzen machen» und
Jäh (= jähweh) «Jahwe, Jehova». Im
deutschen Kirchenlied durch Luther, der
haleluia schreibt, kiixhenlateinisch alleluja
(so noch österreichisch).
hallen, Halljahr, s. Hall.
Hallig, f. (PI. -en), auch Halling: kleme
flache, gegen die Flut nicht geschützte Insel.
Aus dem Ndd. unklarer Herkunft, Vielleicht
von hallig für haldig «geneigt».
hallo! Zui-uf des An- und Aufregens;
subst, Hallo, n. (-5, PI. -es). Urspr. Zuruf
an den Fährmann zum Überfahren (1471 in
Weist. 1, 530 sess ein mentsche hinsit Meyns
und riff dri male: hallo, hallo! ivolt der
ferge ine dan nit holen, holen usw.), dann
allgemeiner Ausruf zum Herbeirufen von
Leuten, endlich Hetzruf an Hunde auf der
Jagd (gleichsam zum Herbeiholen des Wil-
des), in den beiden letzten Bed. auch engl.
halloo. Das Wort ist Imperativbildung von
holen «holen» (s. d.), mit dem nachdrück-
lichen Suffix -ä, verdunkelt -6 (vgl. holla,
feuerjo).
Hallore, s. ^Halle.
Halluzination, f. (PI. -en): Art Sinnes-
täuschung, Trugbild. Aus lat. hallücinätio f.
«Träumerei» im 19. Jh.
Halm, m. {-es, PI. -e, fast veraltet -en):
hohler Gras-, Getreidestengel. Mhd.-ahd. halm
m. (PI. mhd. halme und helmer, ahd. halma);
dazu asächs.-ndl.-schwed.-dän. halm, ags.healm,
engl, halm «Halm», anord. halmr m. «Stroh».
Übereinstimmend mit gr. KciXainoc (daraus lat.
colamus, aind. kaldmas) m. «Rohr, Schreib-
rohr, Getreidehalm», lat. culmus «Halm», abg.
slama f., apreuß. salme, lett. salnis «Halm».
Spätmhd. auch die schwache Form holme m.,
woher der nhd. PI. Holmen (Schiller 11, 352).
Hals, m. (Gen. Halses, V\. Hälse): zwischen
Kopf und Rumpf befindlicher Teil des Köi'pers.
Mhd.-ahd. hals m.; dazu asächs, -ndl.- afries.-
anoi'd.- schwed.- dän. -got. hals, ags. heals m.
Urverwandt mit lat. Collum n., alat. collus
(aus *cols-) m. «Hals», ir. coli «Haupt». Vgl.
Uhlenbeck Btr. 30, 287, ABL. halsen, v.,
ahd, halson, halsen und holsan, helsen, mhd,
helsen und in starke Biegimg übergehend
halsen (Prät. hiels); dazu and. helsian, anord.
halsa, engl, halse «um den Hals fallen».
ZUS. Halshand, n., mhd. halshant. hals-
hrechend, Part,, 1678 bei Krämer, Hals-
eisen, n., mhd, halsisen n, «am Pranger
befestigtes Eisenband, das dem ausgestellten
Verbrecher um den Hals gelegt wurde».
Halsgericht, n.: hohe Gerichtsbarkeit und
Gericht über Leben und Tod, md, 1302 bei
I Haltaus 785 halsgerichte m. halsstarrig,
adj., bei Luther, mit Umlaut 1538 bei Serra-
nus halß sterrig, eig. «die Halsstarre habend»,
dafür mhd. /;a/ssfarc, noch im 16. Jh. holßstorck
(Dasypodius, Luther W, 6, 15), 1400 bei Lilien-
cron Volksl, 1, 178^ halsstarg; davon Hals-
starrigkeit, f., bei Luther, im 15, Jh. bei
Diefenbach gl. 430 ^ halßstarckait, 1482 bei
Melber T 6^ halßsterckikeit. Halstuch, n,,
ahd, -mhd. halstuoch, afries. haJsdök m.
801
halt
Hämling
802
halt, Adv. der Bekräftigung: vielmehr,
allerdings, eben, freilich. Mhd. und ahd. halt,
asächs. hald, wie haß (s. d.) ein um die Endung
verkürzter Adverbialkomparativ (zum ahd.
Adv. halto «sehr»), der sich in mhd. haltir,
halter, got. haldis, anord. heldr, dän. heller,
«vielmehr» vollständig zeigt, noch österr. halter
(auch bei Wieland 11,221, Schiller Turandot
4,7). Davon verschieden schles. haldich , hailich,
henneberg. heillich, im Schelmuffsky (1697)
109 fg. halt ich dafür, als zwischengeschobener
Bestärkungssatz. Das oberdeutsche halt wird
auf dieses halt, 1. Sg. vom Yerbum halten
«meinen» zuiückgehen.
Halt, m. (-[e]s, PI. e): Festigkeit, Stütze
(1691 bei Stieler); festes Benehmen (Goethe
23, 178); das Anhalten (Opitz 2, 131); Hinter-
halt (Voß Ilias 6, 189, schon spätmhd. im
1 5, Jh.). Von halten, v. (Präs. halte, hältst,
hält, Pr'dt' hielt, Konj. hielte, Part, gehalten,
Imp. halt, halte): in Fürsorge und Aufsicht
haben ; festsein und -bleiben woran usw. Mhd.
halten, urspr. Verbum. des Hirtenlebens: ahd.
haltan. halthan (Prät. 7Ma?f) «hüten, als Hirte
das Vieh» (Otfrid 1, 12, 1), «bewahren, ver-
wahren», asächs. AaWaw (Prät. /;eM) «hüten, in
Pflege haben, bewahren, fest haben, preisen,
feiern», ags. healdan «bewachen, leiten, inne-
haben, fest-, aufrechthalten», engl, hold,
afries. halda «beobachten, leiten, festhaben»
usw., anord. halda, altschwed. /<aZ/a, " schwed.
hcUlä, got.haldan [Frät. haihald) «hüten, wei-
den». Man kann t als präsensbildend betrach-
ten und als urverwandt aind. kaläjati «treibt,
hält», gr. K^ecBai «antreiben, i'ufen», KeWeiv
«treiben», ßouKÖX.oc m. «Rinderhirt», altir.
&«ac/im7Z «Hirt» vergleichen. ABL. Halter,
m.: Hii't (bayr.). Haltender, Werkzeug etwas
festzuhalten (Behälter 1663 bei Schottel), mhd.
haltcere, halter m. «Hirt, Beobachter, Be-
wahrer, Erlöser, Inhaber», ahd. haltari m.
«Erlöser, Empfänger». Mit Umlaut Hälter,
m. : Aufnahme- und Bewahningsort, bei Frisch
aus Alberus dict. 1540. -haltl;;^ in gold-,
reichhaltig, spätmhd. halteg «festhaltend»,
ahd. nur in Zussetz. -haltic «haltend». Hal-
tlinj^, f., mhd. haltunge f. «Verwahrung, Ge-
wahrsam», dann «das Verhalten». ZUS. halt-
bar, adj., 1691 bei Stieler nebst Haltbarkeit.
Haltepunkt, m., bei Goethe 35, 245.
halter s. halt.
Halunke, m. (-w, V].-n): nichtswürdiger
Mensch. 1527 bei Waldis verlor. Sohn 879
Holunck «nackter Bettler», 1541 Hollunk
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
«Bettler» (Germania 20, 68 bei Beschreibung
eines Brandes in Prag), 1542 bei Alberus der
Barfuser Münche Eulenspiegel No. 94 Hal-
luck «verwildert aussehender Mensch», 1615
bei Wallhausen Kriegskunst zu Fuß 141 Hal-
lunck «Nichtswürdiger», bei Fischart Pract.
Großm. (1607) B 1 » Holunck, noch bei Schiller
Räuber 1, 2 Hollunke. Wohl entlehnt aus
böhm. holomek m. «nackter Bettler, Nichts-
würdiger», von böhm. holy «kahl, nackt, bloß,
arm». Anders H. Schröder Streckformen 11.
Vgl. noch Kern ZfdW. 7, 307.
Hambutte, f. (Voß Luise 1), s. Hagebutte.
^Harnen, m. {-s, PI. wie Sg.): sackför-
miges usw. Fangnetz. Mhd. harne, ham m.,
auch urspr. «Haut, Hülle, Kleid», ahd. -hämo
«Hülle, Kleid» in lihhamo (s. Leichnam), eben-
so asächs. -hämo in güd-, fedhar-, likhamo,
ndl. haam «Fischnetz, Kummet», ags. -hama,
-homa, -ham m., engl, harne «Kummet, Ge-
schiiTstöcke», anord. hamr m. «Hülle, Haut,
Balg», schwed.-dän. ham «abgestreifte Haut,
Balg». Dazu got. -hamöii «kleiden», in af-,
ana-, and-, ga-, ufarhamön, anord. hamast
«die Gestalt eines andern Wesens annehmen».
Außerhalb des Germ, sind noch verwandt aind.
f am f' f. «Hülsenfrucht», gämuljämu. «wollnes
Hemd». Vgl. Hemd.
"Hamen, m. {-s, PI. wie Sg.) : Angelhaken,
Angelrute. Mhd. harne, ham m. (dazu das Dim.
hamel n. «Häkchen, kleines spitzes Werkzeug»),
ahd. hämo m., vielleicht urverwandt mit lat.
hämus m. «Haken, Angelhaken, Angel». Vgl.
aber Walde s.v. Im 16. Jh. ifame m. «hölzerne
gebogne Fessel zum Festhalten von Kühen und
Schweinen», noch westfäl. Ham und westmd.
Hamen va. «Pferdekumt», engl. /tarne «Kumt».
Hamfel s. Hampfel.
hämisch, adj.: versteckt boshaft mit Lust
zu schaden. Mhd. hemisch, hämisch, im 15. Jb.
hämisch, im 16. Jh. in gleicher Bedeutung
heimisch und heimlich, aber mit diesem wohl
nicht verwandt. Im 15. Jh. das mit Dat. der
Person verbundne Adj. hem «zu schaden be-
flissen, aufsässig». Wohl von ^Hamen abge-
leitet, eig. «mit einem Gewand bedeckt», dann
« verhüllt », « versteckt ».
Hämling, m. (-s, PL -e): Verschnittner,
Eunuch. 1486 Hemling als Verdeutschung
von eunuchus, von Gottsched nöthiger Vor-
rath (1757J 1, 39 angeführt, woher das Wort
bekannt und dann von Lichtenberg, Wieland
usw. gebraucht wurde; spätmhd. 1404 hembe-
linc m. «Hammel» (s. d.).
öl
803
Hamme
Hamster
804
Hamme, f. (PI. -n): Hinterschenkel, Hin-
terkeule,bes. des Schweines. Noch oberdeutsch.
Auch Bezeichnung für verschiedne Teile der
Sense, in verschiednen Teilen Deutschlands,
IVIhd. Äamme, ahd. hamniaf. (auch Kniekehle) ;
dazu ndl. kam, ags. hanim f., engl, ham, anord.
hörn f. «Schenkel von Tieren». Wohl aus
*kanniä entstanden und verwandt mit gr.
Kvriiuri f. «Unterschenkel, Schienbein, Wade»,
air. cnäim «Knöchel».
Hammel, ni. (s, PI. Hammel und Ham-
mel) : verschnittner Schafbock. Mhd. hamel m.
(auch abgehauner Stock, schroff abbrechende
Felshöhe), unsicher ahd. Jiamal. Zu dem ahd.
Adj. hamal «verstümmelt», einer Ableitung
von ahd. ham «verkrüppelt» (s. a. hemmen), wo-
von ahd. hamalön, mhd. hameln und harnen
«verstümmeln», ags. hamelian, engl, hamhle
«lähmen», anord. hamha «verstümmeln, hem-
men», norw. hamle «rückwärts rudern». RA.
wiederum auf besagten Hammel zu kommen, bei
Kotzebue die deutschen Kleinstädter (Werke
18, 62), 1575 bei Fischart Garg. 37 aher laßt
uns lüider auf unsere Hammel kommen, über-
setzt nach Rabelais' refournans ä uns moutons,
zurückzuführen auf eine französ. Farce des
15. Jh., l'avocat Pathelin von Pierre Blanchet,
in der ein Prozeß wegen unterschlagner Hammel
verhandelt wird. ZUS. Hammelfleiscll, n.,
um 1480 im Yoc. ine. teut. h 8^ hamelfleisch.
Hammelsprung, m.: kürzre sichre Ab-
stimmungsart, wobei die mit Ja oder Nein
stimmenden Abgeordneten durch die sogeri.
Ja- und Nein-Tür wieder in den Saal ein-
treten (urspr. scherzhaft, den Führern als
Leithammeln nachspringend), 1879 im Klad-
deradatsch 32, 214.
Hammer, m. (-s, PI. Hämmer): Schlag-
werkzeug: Gehörknochen. Mhd. hamer m.
(F\.hemere. hemer), spätmhd. auch «Hammer-
mühle, -werk», ahd. hamar m. (PI. hamara),
dazu asächs. hamur, afries. homer, ags. hamor,
engl, hammer, anord. hamarr, schwed. ham-
marr m., dän. hammer. Urspr. Bed. «Stein-
gerät zum Schlagen», denn anord. hamarr m.
bed. auch «Felswand, Klippe». Urverwandt
mit abg. kamy und kameni m. «Stein», lit.
akmuo m. «Stein», aind. agmä m. «Stein,
Steinwaffe, Donnerkeil, Amboß», gr. öikuujv m.
«Amboß». RA. Unter den Hammer kommen,
«versteigert werden», weil der Versteigerer
durch dreim aligen Hammerschlag den Zuschlag
erteilt. Der Hammer war altes Rechtssymbol.
ABL. hämmern, v., mhd. hemeren. ZUS.
Hammerschlag-, m.: Abfall des gehämmer-
ten Metalls, spätmhd. hamerschlag, im urspr.
Sinne mhd. hamerslac. Hammerschmied,
m., mhd. hamersmit.
Hämmerlein in Meister Hämmerlein, m.:
böser Geist, Teufel (1560 bei Neander Men-
schenspiegel 12^*); Klopfgeist (Frisch 1741).
Übertragen auf den Henker (1546 Meister
Hemerlin) und Gaukler (Fischart Bienk.150^).
Eine verblaßte Personifikation des Donner-
gottes mit Beziehung auf sein Attribut, den
Hammer oder Donnerkeil. In gleicher An-
wendung Meister Hämmerling: Teufel (1619
bei Scheräus Sprachenschule), Henker (16. Jh.),
Possenreißer (1691 bei Stieler).
Hämmerling, m.-. Emmerling, Gold-
ammer. (Zachariä Tageszeiten 1757 S. 20 u.
40). 1616 bei Henisch Hemmerling, mit vor-
getretenem h, wie mhd. im 13. Jh. hamere,
golthamere statt Ammer, Goldammer.
Kämmling, s. Hämling.
Hämorrhoiden, PL: die goldne Ader,
d. i. Blutflnß durch den After. Im 18. Jh.
nach dem PI. haemorrhoides des gr.-lat. hae-
morrhois f., gr. ai|Lio^|)oic «Blutfluß», zgs. aus
gr. aT|bia n. «Blut» und einer Ableitung von
f)d€iv «fließen».
Hampel, m. (-s, PI. wie Sg.): Einfalts-
pinsel. Oberdeutsch. Bei Luther 3, 374^ J. der
Plur. Hempel. ZUS. Hampelmann, m.:
hüpfendes Männchen (Püppchen) im Glase;
Gliederpuppe (1691 bei Stieler Hempelmann,
1666 bei Prätorius Anthropodemus 272 Ham-
pelmännrigen PL); Einfaltspinsel (1558 bei
Lindener Katziporus L 7^ fg. Hampel-, Hem-
pelman). Von hampeln «sich hin und her
Ijewegen» (nd.), neben hammein «springen,
hüpfen» (Fischart Garg. 122 und 251).
Hampfel, Hamfel, f. (PL -n): Handvoll
(S.d.). 1691 bei Stieler. Gekürzt wie Mump fei
aus Mundvoll, Arfel aus Armvoll.
Hamster, m. (-s, PL wieSg.): das Nage-
tier mus cricetus. 1425 nd. hamsier, hampster
(Diefenb. gl.l65<=), 1561 bei Maaler ifawes^er :
aber ahd. hamastro, hamistro m., das lat.
curculio glossierend, das den Kornwui'm, im
Mlat. auch eine Feldmaus bed., mit der fem.
Nebenform ahd. amstra «gurgulio», andd.
hamustra f. «gurgulio». Die Herkunft des
Wortes ist unbekannt. Es besteht wohl Zu-
sammenhang mit abg. chomestar «animal
quoddam», poln. chomik, russ. chomjakü
«Hamster», aber wie dieser aufzufassen, ist
unklar.
805
Hand
handeln
806
Hand, f. (PI. Hände), mlid.-alid. hant f.;
dazu asächs. ndl. liand, afries. Jiond, ags. hand,
hond, engl, hand, anord. ]mid, schwed. hand,
dän. haand, got. handus f. Im Ahd. tritt das
Wort in die i-Deklination über: Gen., Sg. und
Nom. PI. henfi, mhd. hende, im Gen. PI. aber
neben ahd. henteo. hendo als Rest der alten
kons. Deklination hando, mbd. hande ( noch in
allerhand, s. d.) und im Dat. PI. neben hentin
bei weitem üblicher hantum, hantun, hanton,
mhd. handen, was sich noch in ab-, vorhanden,
zu Händen erhielt. Die Ableitung von got.
-hinpan «fangen» (in frahinpan «gefangen
nehmen»), also eigentlich «die Fassende, Grei-
fende» unterliegt starken Bedenken und ist
nur- indirekt möglich. V. Blankenstein Idg.
Forsch. 21, 99 verbindet mit Hand gv. Kaxä
eig. «mit der Hand» u. a. über den Zu-
sammenhang mit hund in hundert s. zehn.
ABL. handlich, adj., mhd. hantlich «mit der
Hand gearbeitet», ahd. hantlth «leicht zu be-
handelnd» (nur in unhantlih). ZUS. Hand-
breit, f., bei Luther. Handbuch, n., spät-
mhd., im 15. Jh. hantbuoch. handfertig', adj.,
1602 bei Kirchhoff milit. disc. 231. hand-
fest, adj. : in feste Hand genommen, gefangen
(mhd.hantveste): mit Händen gewaltig (mhd.);
fleißig, emsig (1537 bei Dasypodius). Hand-
feste, f. (PI. -n): schriftliche Versicherung,
Verbriefung der Rechte durch eigenhändige
Namensunterschrift, mhd. hantveste, a'hd. ha^it-
festi f. Handgeld, n.: Angeld, Ißlß bei
Wallhausen Kriegsmanual 124. handgemein,
adj., 1716 bei Ludwig. Handgemenge, n.,
bei Opel u. Cohn 30j. Krieg 278 vom J. 1631.
handgreiflich, adj., 1618 bei Schönsleder.
Handgriff, m., ahd. hantgrif ra. « Griff mit
der Hand»; in der Bed. «Handhabe» 1664
bei Duez und nd. hanfgreep 1582 bei Chyträus,
technisches geschicktes Verfahren 1640 bei
Lehmann Flor. 205. Handhabe, f.: woran
befindlicher Griff zum Halten, mhd. hanthdbe,
ahd. hanthaba f. handhaben, v., mhd. liant-
haben «fest fassen, halten, schirmen, unter-
stützen». Handhabung, f., mhd. hanthabunge
f. «Schutz, Verteidigung», handhaft, adj.:
in der alten Gei'ichtssprache «handgreiflich
dargetan, offenkundig», mhd. hanthaft in hant-
hafte tat «frische Tat» (bei der der Täter noch
die Waffe usw. in der Hand hat). Hand-
kuß, m., 1678 bei Krämer, handlangen,
V. (Goethe 21, 138), 1562 bei Mathesius Sar.
209'', mnd. handlangen «mit der Hand reichen»,
vielleicht umgestaltet aus mhd. andeJangen
«überantworten». Davon Handlanger, m.,
um 1420 bei Tucher Baumeisterb. 64, 25 hant-
langer. handlos, adj., mhd. hande-, hantlds.
Handpferd, n.: Reservepferd (spätmhd.Äaw^
pfert); Zugpferd, das dem Sattelpferd zur
rechten Hand an der Deichsel geht (1666 bei
Comenius Sprachenthür § 454, dafür spätmhd.
! hantros n.). handreichen, v., spätmhd, hant-
I reichen; davon Handreichung, f., bei Luther.
; Handschelle, f.: Handfessel, 1691 bei Stieler.
I Handschlag, m., mhd,-ahd. hantslac m.
I Handschrift, f., spätmhd. im 15. Jh. hant-
schrift f. «eigenhändige Schrift, Lnterschrift»,
\ auch «Schuldbrief». Handschuh, m., mhd.
j hant-, hentschuoch, ahd. hantscuoh, and. hand-
j sköh m. «Handschuh, Handfessel», frühmd.
hensche, md. und mnd. hantsche, (entlehnt)
' anord. hanzki m. Im Mittelalter diente
der Wurf des Handschuhs als Aufforderung
zum Kampf, daher Fehdehandschuh. Hand-
[ streich, m,: Schlag mit der Hand (1578 bei
Frischlin Nomencl, Kap. 166); in der Bed.
«plötzlicher Überfall» als Übersetzung des
franz. coup de main erst im 19. Jh. Hand-
j tuch, n., mhd. hanttuoch, ahd. hantüch m.
I Handvoll, f., mhd. hantvol f., vgl. Hampfel.
\ Handwerk, n., mhd. hantwerc, ahd, hant-
\ werch n. «Wirken mit der Hand», dann «Ge-
wei'be», ags. handweorc n. «mit der Hand
Gearbeitetes, Handarbeit»; davon Hand-
werker, m., mhd. im 14. Jh, hantwercher,
und Handwerksmann, m., im 14. Jh. haiit-
; werkis man und hantwercmanm. Hand-
wurzel, f.: der zwischen Vorderarm und
Mittelhand liegende Teil des x\rmes, 1691 bei
Stieler. Handzwehle, f.: Handtuch, mhd.
hantttvehele, im 15. Jh, auch hantzwehel, ahd.
! hantdwahila f., bei Goethe 26, 323 Handquele,
zgs. mit mhd. twehele, tivehel, 1482 zwehel,
ahd. dwahilla, twahüla f. «Tuch zum Waschen
und Abtrocknen», von ahd. dioahan, twahan
«waschen», S, Quehle.
handeln, v.: worauf Kraftäußerung an-
wenden, Ableitung von Hand (s, d,). Mhd.
handeln «mit Händen berühren oder fassen,
bearbeiten, tun, erteilen, bewirten», ahd.
hantalön «mit der Hand begi'eifen, worauf
mit Kraftanstrengung wirken», and. handlon
«behandeln, befühlen», ags. handlian «be-
fühlen», engl, handle «handhaben, behandeln,
verwalten», anord. höndla «greifen, behandeln».
In der Bed. «Handel treiben» 1508 in der
Straßburger Gemma r 1 ^ handelen, auch bei
Luther, Von handeln abgeleitet: Handel,
51*
807
Hanf
Hans
808
m. (s, PI. Händel), mhd. handel m. «Art
des Tuns, Begebenheit, gerichtliche Verhand-
lung, Ware»; in der Bed. «einzelnes Kauf-
geschäft» und «gewerbsmäßiger Betrieb von
Kaufgeschäften» bei Luther. Davon Handel-
SChaft, f., 1678 bei Krämer; Haudels-
diener, m., 1663 beiSchottel472; Handels-
niauu, m., 1640 bei Comenius. Händler,
m., spätmhd. im 15, Jh. handeler, handler m.
«Tuender, Vollbringer, Unterhändler»; in der
Bed. «Handelsmann» bei Luther. Handlung,
f., ahd. hantalunga f. «Bearbeitung, Behand-
lung», mhd. handelunge f. «Handhabung einer
Sache, das Tun, Behandlung, Verhandlung»,
im 15. Jh. auch «Betrieb in Kauf und Ver-
kauf», 1701 in Ordnungen d. Stadt Leipzig 62
«Kaufhaus».
Hanf, m. (-es, PI. -e), mhd. hanef, hanf,
ahd. hanaf, hanif m.; dazu (entlehnt and.
hanaf) ags. hcenep, engl, henip, anord. hanipr
m., schwed. hampa f., dän. hanip. Der Laut-
verschiebung gemäß stimmend mit gleichbed.
lat. cannabis f., gr. Kdwaßic f.; abg. und russ.
konoplja f., poln. konop f., lit. kanäpes f. PI.
dacregen weichen im Labial ab. Dazu viel-
leicht aind. ganäs «Hanfart», oss. san «Wein».
Die Herkunft des Wortes ist unklar. Es
handelt sich jedenfalls um ein altes wandern-
des Kulturwort, das aber weder von den
Slaven noch von den Römern oder Griechen
direkt zu uns gekommen sein kann. Vgl.
Walde s. v. Davon hänfen, adj., mhd.
henfin, hanf in, fihä. hanaf in. Hänfling, m.:
der Hanfsamen fressende Vogel Fringilla
cannabina, spätmhd. henfeling m.
Hang, m. (-es, ohne PL): das Hangen
(spätmhd. im 15. Jh. hanck); (P\. Hänge): Ab-
hang (bei Stieler 1691); Trieb (bei Lessing 1,
185, Geliert 7, 204). Von hangen, v. (Präs.
hange, hängst, hängt, bei Luther hangest,
hanget, Prät. hing, Konj. hinge, Part, gehangen) :
woran befestigt oder haftend schweben; nie-
derwärts geneigt sein; woran festhalten. Der
heutige Gebrauch von hangen und hängen
hat sich seit spätmhd. Zeit allmählich ge-
bildet aus einer Vermischung folgender Zeit-
wörter: l) trans. mhd. hähen «hängen» (Prät.
hienc und hie, Part, gehangen), ahd. hähan
(Prät. hianc, Part, gihangan), dazu afries. hüa
(Prät. hing), ags. hön «hängen» (Prät. heng,
Part, hangen), got. hähan «in der Schwebe
der Meinung, in Zweifel lassen», dagegen be-
reits md. im 14. Jh. hangen (Prät. hmc, hinc),
mnd. hangen neben hän (Prät. hink), mndl.
hanghen (Prät. hinc), anord, hanga «hängen»
(Prät. hekk, PI. hengum, Part, hanginn), engl,
hang «hängen und hangen», 2) intrans, und
schwachflekt. ahd, hangen «hangen» (Prät.
hangeta), mhd. hangen (Prät. md. hangete,
mhd. dafür bereits hienc, hie), and. hangon
«hangen», mnd. hangen (Prät. hangede), afries.
hangia, ags. hangian, anord. hanga (Pi-ät.
Jiangdi), got, hähan (Prät. hähaida) «jmdem,
anhangen», .8) dem nhd. hängen (Prät. hätigte,
Vart.gehäyigt) formell entsprechend: bei Luther
hengen «hangen machen», md. im 14. Jh. hengen
«an den Galgen hängen», ahd. hengan (Prät.
hangta) und mhd. hengen «(die Zügel dem
Pferde, das Band dem Hunde) hängen lassen,
gehen lassen, zulassen, gestatten», anord.hengja
«aufhängen». Vgl. fangen aus fahen. Ety-
mologisch entspricht wohl lat, cunctor (aus
*concitor) «zage, zaudere», aind. gätdkate
«schwankt, zweifelt, ist besorgt, fürchtet».
Dazu noch aus dem Germanischen anord.
hcetta f. «Gefahr», v. «der Gefahr aussetzen»
(aus *hanht), norw. hangia «sich mühsam
vorwärts schleppen». Vgl, Zupitza Gutt, 133,
ZUS. Hängematte, f. (PI. -n): hangendes
Lager aus gewebten Stoffen oder Flechtwerk,
1712 bei Hübner Hangmatte, 1782 bei Jacobs-
son Hängematte, übernommen aus holländ.
hangmat, hangmak, das durch Umdeutung
aus .der Sprache der Indianer Westindiens
(haniaca) stammt, woher auch gleichbed.
franz. haniac, span. aniaca, amahaca, port,
maca f,
Hanke, f.: Hüfte, Schenkel des Pferdes
(Rückertll, 278), 1716 bei Hohberg Georgica
3, 2, IQ^. Tirol. Henkel m. «Schenkel». Aus
dem Germanischen entlehnt franz. hanche,
afranz. hanke f. «Hüfte».
Hans, Mannesname, gekürzt aus Johannes
(s. d.), mhd, Hannes, Hans, fmhnhd, als
Appellativum (Gen, und PI, Hansen) in der
Bed, «nach Stand und Vermögen hervor-
ragender Mann» (im 16, u, 17, Jh, die großen
Hansen), dann «in lächerlicher Weise sich
hervortuende Mannsperson» (Fabel-, Groß-,
Prahlhans, im 15. Jh. a a a Hans Stotterer,
Diefenb. gl. 77^), Meister Hans «der Henker»
(bei Luther 3, 397**). Ha7is von Rippach
(Goethe Faust 1, 2189 f.) ist eig. das ober-
sächs, Schimpfwort Hans Arsch von Rip-
pach (Goethe in Hanswursts Hochzeit), 1736
bei Trömer Toucement des Deutsch-Fran^os
Schritften 269 Hanß Ars von Rippach, 1706 bei
Menantes Allerneueste Art 598 Hans-Tumm
809
Hanse
har!
810
von Rippach. Hans (Tapps) in allen Gassen
«am'uhiger Mensch, der sich um alles kümmert»
(1541 bei Franck Sprichw. 2, 49^). Hans
Liederlich (Goethe Faust 1, 2628), bei Hoff-
mamiswaldau Ged. 2, 255. ZTJS. Hansnarr,
m., 1512 bei ilumer Narrenbeschw. 64, 58.
Hanswurst, m. (-es, PI. Hanswürste): ge-
meiner Lustigmacher. 1519 Hans worst in
der nd. Übersetzung von Brants XarrenschüF
422* Zarncke, 1556 bei Frey Gartengesellsch.
4* Hans Wurst. Bei Luther?, 407* darumh
Hans Worst, das er starck, fett und völligs
Leibes ist. Bei den Fastnachtsaufzügen lief
ehedem der NaiT mit einer langen dicken
ledernen "Wurst durch die Gassen (Abr. a.
S. Clara Judas 1, 433). Wurst-Hans ist bei
H. Sachs fingierter Name von Fressern. Ahn-
lich heißt der Possenreißer bei den Franzosen
Jean Potage (Johann Suppe), bei den Eng-
ländern Jack Pudding (Häuschen Pudding).
Für den Xan-en im Schauspiel kommt Hans
Wurst zuerst in einem Stücke von 1573 vor.
Hanse, f.: Handelsinnung; Kaufmanns-
gilde mit bestimmten richterlichen Befug-
nissen. So spätmhd. hanse, hans f., 1266 in
mlat. Form hansa f., insbesondre aber der
Bund der norddeutschen Handelsstädte vom
13. bis ins 17. Jh. zum Schutz des Handels
(zuerst 1358 dudesche hense aus Lübeck nach-
weisbar); früher 1127 und 1188 mlat. hansa f.
«Abgabe, Handelsabgabe, Kaufraannsschoß»
(Haltaus 822), mnd. zu Anfang des 14. Jh.
hense, hanse, hanze f. «Gilde der Kaufleute
und Handwerker», auch «das Geld, das für
die Aufnahme in eine Hanse gezahlt wird»,
mndl. hanze «Steuer». Die ältre Bed. ist
«begleitende Schar», ahd. und gotJmnsa, ags.
hös f. Vgl. Uhlenbeck Btr. 30, 288, Kauffmann
ZfdPh.38,238. DazuHanseäte, m.(-n, Pl.-w):
Angehöriger der großen norddeutschen Hanse,
jetzt einer Hansestadt (s. d.), gebildet nach
dem mlat. Adj. hanseaticus , davon hanse-
atisch, adj., 1798 bei Moser patr. Phant.
1, 30, statt hansisch (bei Frisch 1741 aus
dem lübischen Recht). ZUS. Hansestadt,
f.: zum Bunde der norddeutschen Handels-
städte gehörige Stadt, jetzt nur noch Ham-
burg, Bremen und Lübeck. Zuerst 1330 in
einer Krämerordnung zu Anklam nachweis-
bai*. Im 17. Jh. Hansee-Stadt gebräuchlich,
1622 im Tagebuche Christians d. J. von An-
halt 50 Hansel- Städte.
hänseln, v.: einem als Neuling in einer
Gesellschaft durch orewisse Zeremonien auf-
legen, daß er in ihr etwas, besonders freien
Trunk, zum besten gibt; einen aufziehen,
zum besten haben. Li der 1. Bed. 1690 bei
Happel akad. Roman 859, dafüi- 1664 bei Duez
hänsen, hensen, 1562 bei Mathesius Sar. 188^
hansen (von Studenten), eig. «in eine Innung
(s. Hanse) aufnehmen», 1259 köLn. hansin «in
die Kaufgenossenschaft aufnehmen». In der
2. Bed. 1691 bei Stieler hänselen, eig. «zum
Hansnarren haben», abgeleitet von Hansel,
Dim. von Hans (s. d.), im 15. Jh. als Name
des Narren Hensel (Fastnachtsp. 674, 26 f.),
1494 bei Brant Narr. 27, 32 henselin «um-
herziehender Lustigmacher».
Hansnarr, Hanswurst, s. Hans.
Hantel, f. (PI. -n): eisernes Turngerät
als Handhabe zur Stärkung der Armmuskeln.
Vom Turnvater Jahn eingeführtes Wort, aus
nd. (Osnabrück.) hantel f. «Handhabe», eben-
so schon in den Fastnachtsp. des 15. Jh.
1000, 30, während ahd. hantilla, hantella f.
«Handtuch» bedeutet.
hantieren, V.: ein Geschäft treiben. Md.im
14. .Jh. hantlren, spätmhd. im 15. Jh. hantieren
«Kaufhandel treiben, ins Werk setzen, ver-
richten, tun», aus mndl. hantieren «ausüben,
treiben», von afranz. im 12. Jh. hanter «oft
besuchen, hin- und herziehen». Die Schrei-
bungen handieren, handtieren, handthieren
und hanthieren (seit 16. Jh.) suchen falscher-
weise Anlehnung an Hand. Davon Han-
tierung, f., spätmhd. hantierunge f. «Kauf
und Verkauf, Handel, Behandlung».
hapern, v.: stocken, nicht vorwärts-
kommen. 1663 bei Schottel hapei'en, im
18. Jh. in die Schriftsprache aufgenommen
(Hermes 1, 447, Bürger 465), aus gleichbed.
nd. hapern, mndl. kaperen. Das Wort ist
auch in den deutschen Mundarten Mittel-
und Oberdeutschlands verbreitet, und gehört
mit dän. happe, schwed. happla «stottern» zu-
sammen. Auch deutsch kommt happeln vor.
Weitre Anknüpfung fehlt. Davon haperig,
adj.: stockend, 1691 bei Stieler hapei'icht.
happen, v.: schnappen, 1741 bei Frisch,
aus gleichbed. nd. und ndl. happen, woher
iranz.happer (im 12. Jh. belegt) «erschnappen,
packen». Wohl lautmalend. Dazu Happen,
m. (-S, PI. wie Sg.): Bissen. 1741 bei Frisch
Happe, aus dem Niederdeutschen, Davon
happig, adj., 1793 bei Bode Montaigne 5, 248.
har! Fuhrmannszuruf an das Zugtier, links I
Bei Maler Müller 1, 242 har und hat, 1586
bei Fischart Bodinus 307 har har, 1643 bei
811
haranguieren
Harm
812
Philander 2, 301 Mr. Es ist das mhd. Iiar, ahd.
hara, mndl. hare, für mhd. lier, ahd. hera
«her» (s. d,),
haranguieren, v.: durch Halten einer
Rede, durch viele Worte wozu bestimmen.
1582 bei Fischart Garg. 240 harangiren, aus
franz. liaranguer, ital. aringare «eine öffent-
liche Rede halten, feierlich anreden», von
franz. harangue f., ital. aringa f. «öffentliche
Rede», aringo m. «Rennbahn, Turnier-, Tum-
mel-, Rednei-platz», entlehnt aus ahd.-ags.
hring m. «Kreis, Schau- oder Kampfplatz»
(s. Bing).
Harde, f. (PI. -n): Gemeindebezirk von
mehrern Dörfern oder Höfen in Schleswig-
Holstein. Mnd. herde, harde n. Entsprechend
anord. Jieraä n. «Bezirk, Landschaft», von
anord. herr m. «Heer».
Härder, m. (s, PI. wie Sg.): der Fisch
Mugil cephalus, Großkopf, Meeresche. Nord-
deutsch. 1540 bei Alberus dict. q3^ Härder,
dazu ndl. harder, bei Kilian herder, ags. heard-
liara, haerdhera, heardra m. «mugil». Her-
kunft unbekannt.
Harem, m. (-s, PI. -s): abgesonderte
Frauenwohnung bei den Türken usw. Bei
Wieland Oberen 48 Mask., bei Schiller Tui-an-
dot 3, 7 Neutr.; 1728 bei Sperander Harain,
so auch in Lessings Nathan. Aus arab. haram
«das Verbotne, Heilige, Heiligtum, Frauen-
wohnung».
Häretiker, m. (s, PI. wie Sg.): Ketzer.
Aus gr. aipetiKÖc «auswählend, ketzeiisch »,
einer Ableitung von aip^eiv «nehmen, über-
reden». Schon and. begegnet heretikeri m.
«Ketzer», mhd. aber nur {Ji)eresie f. «Ketzerei».
Im 18. Jh. in lat. Foi'm haereticus.
Harfe, f. (PI. -w), Musikinstrument; auch
(in Norddeutschland) Getreidesieb, in den
Alpen ein Gerüst zum Trocknen des Getrei-
des. Mhd. harpfe, herpfe, harfe, ahd. harpha,
harfa f. (noch bei Frisch 1741 Harpfe); da-
zu and. harpa «Foltergerät», ndl. harj), ags.
hearpe, engl, harp, anord.-schwed. harpa, dän.
harpe «Harfe», aber dieses auch «Kornschwinge»,
harpe «fegen, reinigen», schwed. /iarpa «Draht-
sieb für Getreide», entlehnt franz. harpe f.
Der Italiener Venantius Fortunatus 7, 8 im
5. Jh. nennt die harpa ausdrücklich ein bar-
barisches, d. h. germanisches Tonwerkzeug.
Welche Bedeutung ursprünglich ist, scheint
nicht ganz sicher. Die Etymologie ist da-
her unsicher. Vgl. Meringer Idg. Forsch.
16, 128 ff. ABL. harfen, v., mhd. harpfen,
herpfen. Harfner, m.: Harfenspieler, erst
im Ausgang des 18. Jh. (Bürger 267), mhd.-
ahd. harpfcere, im 15. Jh. harpfer, ags. hearpere,
engl, harper, anord. harpari m.; mit roma-
nischer Endung Harfenist, m. {-en, PI. -en),
1556 bei Frisius 561 '^ Harpffenist.
Harke, f. (PI -n): der Rechen. Nord-
deutsch. Bei Goethe 12, 112 aus thürin-
gischer Mundart Harken m., md. 1517 bei
Trochus Q 5^ harcke, 1664 bei Duez Harcke f.
und 1691 bei Stieler Hark f., mnd. harke f.
(Diefenbach gl. 257**), 1477 clevisch harck
und herke, ndl. hark, herk f., schwed. harka
«Egge mit eisernen Zähnen». Urverwandt
mit aind. kharj «kratzen», khrgala- «Büi'ste».
Weitres bei Falk-Torp. Davon harken,
V., 1664 bei Duez, mnd. harken (Sachsen-
spiegel 2, 58, 2), herken (Diefenbach gl. 73^);
dazu anord. harka «zusammenscharren», harki
m. «Abfall, Kehricht».
Harlekin, m. [s, PI. -e): der Hans-
wui'st. 1646 bei Philander 1, 107 Harlequin,
aus früher-franz. harlequin, jetzt arlequin m.;
im Ital. arlecchino m. als Name der komischen
Maske der ital. Bühne. Das franz. Wort
geht weiter Siufhellequin zurück, und dies ent-
stammt einem germ. ellekln, das vielleicht auf
dän. ellekong (s. Erlenkönig) zurückgeht. Der
Erlenkönig ist eigentlich Wotan, der im
Franz. zu einem bösen Geist, dem Teufel
wird. Das mittelalterliche Theater bemäch-
tigte sich des Hellequin und machte ihn zu
einer wichtigen Persönlichkeit, die es dann
wieder unter dem Namen Arlequin — Pariser
Aussprache des Namens — an die itaUe-
nische Komödie weitergegeben hat (Cohen
Geschichte der Inszenierung im geistlichen
Schauspiele des Mittelalters in Frankreich
1907 S. 92f., wo weitre Literatur-).
Harm, m. {-es, ohne PL): tiefer zehren-
der Seelenschmerz. Frühnhd. und mhd. selten
härm m. «Leid, Schmerz», von den Dichtern
des 18. Jh. wieder aufgenommen, ahd.-asächs.
härm m. «Beschimpfung, Kränkung»; dazu ags.
hearm m. «angetanes Leid, Unrecht», engl.
härm, anord. harmr m. «Betrübnis, Kummer»,
schwed. härm «Verdruß», dän. härme «Schmerz,
Trauer, Kränkung». Dazu ahd. haramscara,
mhd. harmschar f. «beschimpfende qualvolle
Strafe», asächs. harmskara, ags. hearmscearu
f. Urverwandt mit abg. sramü m. «Scham,
Schande», .srawiYt «beschämen». Dazu vielleicht
auch aw.fsar^mäi «aus Scham» (Zupitza 183).
ABL. härmen, v. refl., mhd. (md.) hermen
813
Harmonie
hart
814
«Harm veiTirsachen, quälen», auch reflexiv,
ahd. härmen «beschimpfen»; dazu ags. hear-
mian «kränken», anord. harma «Kummer be-
reiten, betrüben». ZUS. harmlos, adj., erst
im 18. Jh. (Klopstock Mess. 25 Umarbeitung)
dem engl, harndess «unschuldig, unschädlich»
nachgebildet. Davon Harmlosigkeit, f.,
erst im 19. Jh.
Harmonie, f. (PI. -n): Übereinstimmung,
Einklang. 1626 bei Zincgref Apophth. 1, 304
Harmoni, 1617 im Teutschen Michel 13 Har-
nioney, aus gi'.-lat. Imrmonia, gr. ap,uovia f.
«Einklang in der Musik», eig. «Verbindung,
Fügung», mlat. armonia, woraus schon mhd.
armonie f. ABL. harmonieren, v., 1728
bei Sperander. harmonisch, adj., im 18. Jh.
(Lessiag 2, 505) gebildet nach dem gr.-lat.
Adj. harmonicus, gr. öpuoviKöc: aus dessen
Fem. gebildet Harmonika, f.: Musikin-
strument,-von Franklin 1763 erfunden, 1791
bei Roth, 1795 bei Voß Luise 3, 707).
Harn, m. (s, PI. -e): Urin. Bei Luther
Harm nach ostmd. Form, mhd. harn, härm,
ahd. harn m.; vielleicht urspr. zusammen-
hängend mit anord. skarn, ags. scearn n. «Kot»,
engl, skarn, afries. skern, die mit gr. cKu'jp n.
«Kot» urverwandt sind. Vgl. noch Zupitza 109.
ABL. harnen, v., mhd. im 14. Jh. härmen,
hermen (Diefenbach gl. 630^). ZUS. Harn-
winde, f.: tropfenweises Harnen bei brennen-
dem Schmerz im Blasenhalse, mhd. harn-,
harmwinde f., zum mhd. Adv. winde «weh,
übel» (s. wind).
Harnisch, m. {-es, PI. -e): Metallrüstung
des Leibes. Mhd. harnas, harnasch, spätmhd.
hämisch, harnusch m. n., Ende des 12. Jh.
entlehnt aus afranz. harnas, franz. harnois,
harnais (woher ital. arnese, span.-port. arnes) ;
ob das Wort aus dem Keltischen stammt, ist
fraglich (bret. liarn, haearn «Eisen»). Nach
Kluge geht es über mengl. harnes «Rüstung»
auf kymr. haiarnaez «Eisengeräte» zurück.
RA. in den Harnisch bringen «kampfgerüstet,
zornig machen», 1626 bei Zincgref Apophth.
1, 45, in Harnasch jagen bei H. Sachs vier
Dialoge (1524) 23, 21. ABL. hämischen, V. :
wehrhaft machen, bei Luther 2, 328*', davon
das Part, geharnischt, spätmhd. im 15. Jh.
gelmr nascht, geharnust.
Harpune, f. (PI. -n): Wurfspieß mit
Widerhaken zum Walfischfang. 1716 bei Lud-
wig Harpun f., 1712 bei Hübner Harponen
PI., 1741 bei Frisch Harpuhn m., aus ndl.
harpoen m., engl, harpoon, von gleichbed.
franz. harpon m., das nebst franz. harpin m.
«Haken», Imrpeau m. «Enterhaken», prov.-span.
arpa f. «Kralle», ital. arpignone m. «großer
Haken» von gr. äpirr) f. «Sichel, Haken, Kralle»
oder dem deutschen Harfe (s. d.) abzuleiten
ist. Davon harpunieren, v., nach franz.
harponner; Harpunier, m., 1712 bei Hübner
Harponier, franz. harponnetir.
harren, v.: ausdauernd warten, mhd.
harren, dazu mhd. harre f. «das HaiTen, Ver-
zögerung». Dunklen L'rsprungs, vermutet
wird, aber kaum richtig, Zusammenhang mit
harsch (s. d.), wie lat, düräre «ausdauern»
und dürus «hart», gr. Kaprepeiv «ausharren»
und Koprepöc «stark». Zupitza 110 vergleicht
lett. ceret «hoffen, ceriba f. «Hoffnung».
harsch, adj.: hart, rauh, bes. durch Auf-
trocknung. 1691 bei Stieler, mnd. harsch
«rauh», stimmend mit mengl. harske, (aus
dem Nord.) engl, harsh «hart, rauh, streng»,
dän. harsk, schwed. härsk «rauh, hart, bitter,
ranzig». Dazu bayr. Harsch m. «Schnee-
kruste», Davon harschen, v.: hart und
trocken werden, 1691 bei Stieler, erharschen
1562 beiMathesiusSar. 79^, dafür mhd.harsten,
verharsten «hart werden» (s. verharschen).
Ableitung von hart (s. d.).
Hart, f.: Wald, Bergwald. Mhd. hart
m. f. n., ahd. hart, hard «Bergwald», daneben
mhd. hart m. «fester Sandboden, unbebautes
Land, Heide, Trift, Weidetrift», noch fränk.
und bayr. Hart m. f. n. «Boden aus Kies
und Sand», Schweiz. Hard f. «Gemeintlift».
Vielleicht Ableitung von hart (s. d.) oder eher
mit -Haar verwandt. Vielfach als Name von
Wäldern und Bergen, mhd. Hart m. «der
Harz» (s. d.), Spehtes hart «Spessart».
hart, adj. (Komp. härter, Sup. härtest):
fest gegen äußre Einwirkung; schwer dmckend.
Mhd. herte, hart (auch drückend, schmerz-
lich), ahd. harti, herti und Imrt; dazu asächs.
und ndl. hard, afries. herd, ags. heard «hart,
stark, tapfer», engl, hard «hart, rauh, schwer»
(dagegen engl, hardy «stark, tapfer» ent-
stammt dem franz. hardi «kühn», das eine
Entlehnung aus dem Germanischen ist), anord.
harär «hart, streng, heftig», schwed. hard,
dän. haard, got. hardus «hart, streng». Das
Adv. lautet mhd. harte, ahd. harto, got. har-
duba. Der Lautverschiebung gemäß stimmend
mit gr. Kparüc, Kparepöc, Koprepöc «stark, ge-
waltig, fest, hart», KÖpra Adv. «stark, sehr»,
KpdToc n. (äol. Kpexoc) «Stärke», und viel-
leicht abg. crüstvü «massiv, fest», russ. cerstvyl
815
Hartschier
Hase
816
«hart, altbacken», aind. kathinas, kdthöras
«hart, fest, steif». ABL. Härte, f., mhd.
herte, ahd. harti, herti f. härten, v., mhd.
hertm, ahd. harten, herten «hart machen»,
mhd. auch intr. und refl. «ausdauern, be-
harren»; dazu asächs. herdian, anord. her da
«stärken», afries. herda, hirda «erhärten, be-
weisen», got. gahardjan «verhärten», härt-
lich, adj., mhd. hertlich. Härtigkeit, f.,
mhd. hertecheit f., zgs. mit dem mhd. Adj.
hertec «hart, streng». ZUS. Hartheu, n.:
das Johanniskraut, hypericum, mhd. hurt-
höuwe, spätahd. harihou n., gleichsam durch
den Stengel hartes Heu. hartherzig, adj.,
bei Luther 3, 390^ J., aber schon got. hardu-
hairtei f. «Hartherzigkeit», harthörig, adj.,
1663 bei Schuppius 2, 162 und bei Duez 1642.
hartköpfig, adj., bei Luther 6, 111 J. hart-
leibig, adj., 1640 bei Comenius. hart- j
näckig, adj.: von Nacken hart, unbeugsam,'
1495 in der Kölner Gemma E 1 "^ hardneckich, !
mnd. hardenacket, hardenackich, schwed. härd- ',
nackad, dän. haardnakket. Hartnäckig- 1
keit, f., 1556 bei Frisius 996«. Hartriegel,
m. (-S, PI. wie Sg.): der Strauch comus
sanguinea, 1616 bei Henisch Hartriegel, 1537
bei Dasypodius Hartrigel, mhd. hartrügele,
harttrügel n., ahd. hartrugil, harttrugil, un-
verküi'zt harttrugili, harttrugelin u., zgs. aus
ahd. hart «hart» (wegen des sehr harten Holzes)
und trugili, trugüin n. «kleiner Trog», das
aber eigentlich den Baum selbst bezeichnete, '
wie das entlehnte franz. troene «Hartriegel»
beweist. Der Stamm des Wortes gehört zu
dem sehr verbreiteten idg. dru «Eiche, Baum»,
z. B. gr. bpOc f. «Eiche», got. triu n. «Baum»,
engl. tree. Vgl. auch schwed. try m., tryg,
fryd «lonicera xylosteum», auch «ligustrum
vulgare». Vgl. Bugge Btr. 13, 509.
Hartschier, s. Hatschier.
^Harz, m. {-es), das nördlichste Waldge-
Inrge Deutschlands, im Mittelalter Hart, aus
ahd. hart «Bergwald» (s. Hart), bereits 1231
md. Harz, Hartz, auch mnd, Harz. Bei
Mone Anz. 8, 153 die Haardt in der Pfalz:
Newenstadt am Hartz.
^Harz, n. {-es, PI. -e): ausgeschwitzter
Baumsaft. Mhd. harz n. m., ahd. harz n.,
auch harztih, harzolm.; dazu and. hart n. Un-
bekannter Herkunft. Vielleicht mit gi: Kripöc
m. «Wachs» wurzelverwandt. Bei Lessing
2, 426 Harzt n., wie Erzt füi- Erz gesagt
wird. ABL. harzicht, harzig, adj., 1537
bei Dasypodius hartzig, ahd. harzeg. harzen.
V.: Harz sammeln (Fischart Großm. CS'');
mit Harz festmachen, auspichen (mhd. herzen,
im 15. Jh. bei Eosenplut harzen).
Hasard, m. (in Hasard spielen), Hasard-
spiel, n.: Wage-, Glücksspiel. 1791 bei Roth
Hasardspiel, zgs. mit franz. hasard m. «Glücks-
fall, Wagnis», afranz. hazart auch «Würfel-
spieler». Unbekannter Herkunft. Aus afranz.
hazart ist entlehnt mhd. hashart, hasehart m.
«Wüi'felspiel, L'nglück», urspr. «der gerin gi'e
Wurf beim Würfelspiele», mndl. hassaert.
Im 17. Jh. wurde das Wort Hazard, Hasard
in der im Französ. entwickelten Bed. «Wagnis,
Risiko» neu aufgenommen (1644 im Sprachen-
verderber).
haschen, v.: schnell zugi-eifend fassen.
Bei Luther hasschen aus der thüring.-ober-
sächs. Mundart, md, im 14. Jh. erhaschen,
den oberd. Dialekten unbekannt. Dunklen
Ursprungs, vielleicht aus *hafsko- zu dem
Stamm in Haft (s. d.). Davon Häscher,
m. {-s, PI. wie Sg.): Büttel, Gerichtsdiener,
bei Luther 7, 368 ^ Hesscher, 1593 bei H. J.
V. Braunschweig 134 (Susanna 4, 4) Häscher.
Hase, m. {-n, PI. -n): das Säugetier lat.
lepus; dann feiger Läufer, Feigling (mhd.).
In iu'spr. Bed. mhd, hase, ahd. haso m,; dazu
mnd. hase, nndl. haas, mit Übergang des s
in r, ags. hara m., anord. heri m., engl.-schwed.-
dän. /;are; dazu mit Ablaut norw. und schwed.
dial, *^"ase (Grf. *Äesaw); entsprechend aind.
gagds m., apreuß. sasins, kymr. ceinach (aus
*kasinako) «Hase», Wohl verwandt mit ags,
hasu «grau». Aus dem Germanischen entlehnt
franz. hase f. «Weibchen des Hasen». ABL.
Häs-chen, Häslein, n., mhd. heselin, häsel u.
hasig, adj., 1691 bei Stieler. Häsln, f., bei
Stieler 1691. ZUS. Hasenfuß, m., mhd.
hasenvuo^ m. «Fuß des Hasen», md. im 14. Jh.
«Feigling». Hasenherz, n., übertr. «feiges
Herz», 1663 bei Schottel 1126«, bei Keisers-
berg Narrenschiff 1520 S. 94«' eines Hasen
hertze «Feighng». Hasenohr, n., Name der
Pflanzen Asarum eui'opaeum und Briza media,
mhd. hasenore, ahd. hasiyiöra. Hasenöhr-
chen, n.: das Anführungszeichen , ", 1775
bei Adelung, ^..Gänsefüßchen. Hasenpanier,
n.: eig. der Schwanz des Hasen, den er beim
Fliehen in die Höhe reckt (Frisch 1741), 1564
bei Glaser Gesindteufel G5^ das Hasenpanir
aufwerfen «fliehen», 1557 bei B. Waldis Esopus
1, 23 das Hasen paner aufstecken, 1507 bei
Wüwolt V. Schaumburg 87 das Hasenhanir
envischen, bei Luther 7, 422« das Hasen Panir
817
Hasel
Hast
818
ergreifen. Hasenpfeifer, m.: die mit Ge-
wüi-zbrühe und Blut crekochten Einoeweide
des Hasen, 1691 bei Stieler Hasen in pfeffer.
bei Luther 7, 242 ^ J., 1510 Keisersberg Haß
im Pfeffer. Hasenscharte, f.: Spalte in
der Oberlippe wie beim Hasen, 1323 liasin-
scJmrte bei Kehreia Samml. alt- und md.
Wörter 68**; dazu ags. hoersceard n. «Hasen-
scharte», afries. haskerde «hasenschartig».
Hasel, f. (PI. -n): der Haselnußstrauch.
iihd. hasel f., ahd. Jiasala f. und Jiasal m.;
dazu ags. h(^sel m., engl, hazel, anord. hasl m.,
schwed.-däu. hasset f., entsprechend lat. (mit
Rhotazismus) corylus, corulus f., air. coli
«Hasel». Davon häseln, adj., mhd. haselin,
heselin. ZUS. Haselhuhn, n.: das Wald-
bahn Tetrao bonasia, mhd. Jiaselhuon, ahd.
TiasilJmon n., es hat seinen Xamen, weil es
gern in Yorhölzern, namentlich Haselge-
büschen Ifbt und die Haselkätzchen (männ-
lichen Haselblüten) frißt. Haselmaus, f.:
gelblichrote Waldmaus, die sich von Hasel-
nüssen nährt, 1540 bei Alberus dict. 112*
haselmauß. Haselnuß, f., mhd. hasel-, ahd.
hasalnu^ f. Haselstaude, f., mhd. Msel-
stüde f. Haselwurz, f. : die Pflanze Asainim,
die gern unter Haselsträuchen wächst, mhd.
hasel-, ahd. hasilwurz f.
Haselänt, m. (-en, PI. -en) : Haselierender,
]S"arr, Prahlhans, 1738 im Kavalier im In'-
garten 310, dafür Haselarius bei Stieler 1691.
Von haselieren, v.: ungestüm lärmen (Schiller
Räuber 2, 3). Mhd. haselieren «unsinnig tun:»,
heselieren «ungestüm, wild machen», aus franz.
harcele)', afranz. herceler «bis zur Peinigung
reizen, plagen, necken», von afranz. herce,
haise, hese, nfranz. herse f. «Egge», das auf
lat. hirpex ra. «Egge» zurückgeht, im 17. Jh.
unter Anlehnung au Hase «Narr», von neuem
aufkommend (1693 hasiliren, bei Stieler 1691
haseliren, in der Hasenjacht des Leporinus
Hasenkopf 1573 und bei Duez 1664 hasiren).
Vgl. Gehasi.
Hasenfuß, Häsin usw., s, Hase.
Haspe, f. (PI. -n): Türhaken, -angel,
Fensterhaken, -angel. 1420 «Türangel mit
dem eingreifenden Loche des Bandes »(Diefen-
bach gl. 100*»), 1425 nd. hespe f. (ebd. 100 «),
md. im 14. Jh. hispe f. «Spange» und hispen
«ringeln», mhd. Jiaspe f. «Garnwinde» (Diefen-
bach nov. gl. 193'^), ahd. haspa f. «soviel Garn
wie auf einmal gehaspelt wird; dazu mnd.
ha^e f. «Garnwinde», ags. hcepse, hcesp «Tür- •
haspe», engl, hasp «Riegel», anord. hesjja f.
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
] «Türriegel, Gai-nhapsel», ebenso dän. haspe
in beiden Bed, Die beiden Bedeutuncren
«Türhaken» und «Garnwinde» lassen sich ver-
mitteln, aber die Herkunft ist unklar. Viel-
leicht aus ""hafsa zur Wurzel haf «fassen»,
vgl. Haft und lat. capsa f. «Behältnis, Kapsel,
Kasten». Aus dem Germanischen entlehnt
afranz. hasple, span. aspa f., ital. aspo m.
«Garnwinde».
Haspel, m. (-S, PI. wie Sg.) und f. (PI.
-n): Garnwinde; Werkzeug zum Aufwinden
(1557 bei Bechius Agricola 177 der PI. Hespel).
Mhd. Imspel m., ahd. haspil m. «Garnwinde,
Weife». Abgeleitet von Haspe (s. d.). Da-
von haspeln, v., spätmhd. haspelen.
Haß, m. (Gen. Hasses, ohne PI.): dauernde
feindsehge Abneigung. Ein Plur. Haß 1531
I bei Hedio Josephus 281 ^. Mhd. und ahd.
ha^ m. (Gen. ha^^es), ahd. einmal /^aj n.;
dazu asächs. heti m., afries. hat, ags. hete m.,
engl, hate, anord. hatr n., schwed. Imt n.,
1 dän. had n., got. liatis n. Verwandtschaft mit
j Hader ist möglich, aber nicht sicher, wohl
aber besteht Zusammenhang mit air. cais.
kymr. cäs «Haß», kymr. cawdd «Beleidigung,
Zorn», gr. Kr\boc n. «Kummer, Trauer». Die
Grundbedeutung ist wohl «verfolgen», die
noch in hetzen zutage tritt. Man kann
daraufhin auch vergleichen aind. cad- «ab-
fallen», gl-. KeKÖbovTo «sie wichen», lat. cadere
«fallen». ABL. hassen, V., mhd. ha^^en,
ahd. ha^^en, ha^^ön (auch verfolgen); dazu
asächs. hettian «verfolgen, verfluchen» und
hatön «hassen, verfolsren», afries. hatia, aofs.
hatian, anord. hata ^verfolgen, hassen». Verl.
hetzen. Davon Hasser, m., mhd. ha^^cere,
ha^^er. häßlich, adj., mhd. ha^^e-, he^^e-
lich, ha^-, he^lich, spätahd. ha^lih, asächs.
heti-, hetelic, ags. hetelic ''voll Haß, höchst
feindselig», dann erst im Mhd. «hassenswert,
verhaßt», endlich spät im 13. .Jh. «zum Hassen
unschön». Vgl. Götze ZfdW. 7, 202. Häß-
lichkeit, f., 1537 bei Dasypodius Heßlig-
keyt, Heßlicheit.
Haß, n. (-es, mit langem ä): Kleidung,
Kleid. Alemannisch-bayrisch. Mhd. hce^e u.
und hä^ m.; dazu ags.hceteru n. PI. «Kleider/ .
Vielleicht urverwandt mit aind. chadis n.
«Decke, Dach».
Hast, f. (ohne PI.): jähe Eüe. Am Ende
des 16. Jahrb. (Rollenhagen Froschm.) auf-
genommen aus gleichbed. mnd. (15. Jh.) hast
m. f., mndl. haest (daher auch fries. haest),
ndl. haast f., die dem franz. haste, häte f.
52
819
hätscheln
Haue
820
«Eile» entstammen. Diese aber sind aus
einem germ. *heist entlehnt, ags. Jmst f.
«Heftigkeit», adj. «heftig», ahd. heisti «heÜigy>,
die weiter zu got. haifsts f. «Streit, Zank,
Wettkampf» gehören. Weitre Herkxmft ist un-
sicher. Zu aind.fc^is «übelgesinnt»? (ühlen-
beck), ir. ciopaim- «quäle» (Zupitza KZ. 36,
244), zu aind.ctbham «rasch, schnell» (Zupitza
182), zu abg. cepiti «spalten». Bei Wieland
Idrisl64Basf m. Davon hasteil, v.: jäh eilen,
gegen Ende des 18. Jh. in die Schriftsprache
auferenommen, vereinzelt schon im 16. .Jh. bei
Wickgram Ovid 5, 13 und 1573 bei Fischart
Flöhh. 1737, sich hasten 1691 bei Stieler, aus
mnd. und mndl. hasten, hastig, adj., 1691
bei Stieler, schon mhd. hastec-, hestecliche
Adv. (neben haste-, hesteltche, mnd. haste-
like) aus mnd. hastich, dazu mndl. haestich.
{ifr'ies.Mestig. Hastigkeit, f., 1691 bei Stieler.
hätscheln, v. : zärtlich, allzu sorgfältig
behandeln. Bereits 1691 bei Stieler hätscheln,
1711 bei Rädlein hätscheln, aber ursprüng-
licher wohl «auf der Eisglitschbahn hingleiten»
(fränkisch, dafür höscheln bei Rädlein), Dim.
■von hatschen, Mfoc/ie?i «schleppend, schleifend
gehen» {heischen Franck Sprichw. 2, 10^, Fi-
schart Garg. 362), tirol. hatschen «streichelnd
liebkosen ;>.
HatSChier, m. (-.?, PI. -e): Leibtrabant,
ehemals zu Pferde. Schon im 17. Jh. (Duez
1664) aus dem noch daneben und früher vor-
kommenden Hartschier (frühnhd. im 16. Jh.
harschier, herschierer, e)~dschier, im 15. Jh.
liertschier Sachsenheim Mörin 478, artschierer
1402 bei Janssen Reichskorr. 1, 660, 7), aus
ital. amere, arcierovo.. «Bogenschütze», franz.
im 12. Jh. archer, von ital. arco, lat. arcus
ni. «Bogen».
Hatz, f. (PI. -en): Jagd mit Hetzen der
Hunde; dann bildlich. Im 16. Jh. bei Aven-
tinus 2, 466, 33 Hatz f., eig. Hatze (Stieler
1691), oberdeutsch unumgelautet, eins mit
Hetze (s. d.); verschieden davon in der Bil-
dung ältemhd. Hatz m. (Liliencron Yolksl.
2, 82, Murner Xan-enb.63, 5). Yon hetzen (s. d.).
Hau, m. (-es, PI. -e): Waldoi-t, wo das
Holz abgehauen wird. Mhd. hou m. (Gen.
houwes) «Holzhieb, Hiebabteilung eines Wal-
des», von hauen (s. d.). Eig. der Hau «Hieb»
(1539 bei Braunschweig Chir. 37 Haiv, mnd.
houw m.).
Haube, f. (PI. -w): i-undliche Kopfbe-
kleidung; ihr in Form, Uberdeckung usw.
Ähnliches. Mhd. hübe f. «Kopfbedeckung für
Männer und Weiber», bes. «für Soldaten»
(Sturmhaube), ahd. hüba f.; dazu mnd. hüve,
ndl. huif, ags. hüfe f., anord. hüfa f. «Mütze,
Kappe», schwed. hufva, dän. hue «Haube».
Dazu anord. hüfr m. «Bauch der SchifFsseite»,
ags. hyfi., engl. Aive« Bienenkorb» und weiter
gT. KÜirr) f. «Höhle» (Hesych), KÜireWov n.
«Becher», lat. cüpa f. «Tonne, Kufe», aind.
küpas m. «Grabe, Höhle». Vgl. Walde s. v.
ABL. hauheu, v.: mit einer Haube be-
kleiden, mhd. hüben, häuheln, v.: mit einem
Häubchen überdecken, 1691 bei Stieler haubelen,
in der Bed. «einem tüchtig auf die Haube
gehen» 1573 bei Fischart Flöhh. 1282 häublen,
zu mhd./tm&eZ n. «Häubchem>. ZUS. Hauben-
lerche, f. : Lerchenart mit einer Haube, d. h.
6 — 12 hervorstehenden Federn oben auf dem
Kopf, 1557 bei Heußlm Vogelb. 170» Heübel-
lerch, bei Duez 1664 Haubellei'che (zum Dim.
mhd. hiubel n. «Häubchen»).
Haubitze, f. (PI. -n): gi-obes Geschütz
zu Kartätschen, Granaten usw. Im 15. Jh.
hauffnitz, hauffenitz, seit den Hussitenkriegen,
aus tschech. houfnice, houfenice f., das urspr.
(hölzerne) Schleuder für Steine bed. Gegen
Ende des 17. Jh. anstatt der Kammerstücke
wieder aufgekommen, 1691 bei Stieler Hau-
bitz f., 1711 bei Rädlein Haubitz m.
Hauch, m. (-es, PI. -e): aus dem Munde
gehende Luft: sanftes Wehen. 1663 bei
Schbttel. Von haucheu, V., mhd. (noch
selten) hüchen, seit Luther allmählich (im
17. Jh. bei Duez, Krämer usw.) in Auf-
nahme gekommen. Ein lautmalendes Wort
(Frisch 1741). Vgl. hauchen.
hauderu, v.: gewerbsmäßig Reisende für
Lohn mit Pferd und Wagen fahren. 1627
bei Zincgref Schulbossen 11 haudern, mit
eingetretnem d aus spätmhd. huren «auf einem
Mietpferd reiten, in einem Mietwagen fähigen »
(beide Bed. 1418 bei Janssen Reichskon-. 1, 318),
mnd. und mndl. huren «mieten» (s. Heuer f.).
ABL. Hauderer, m.: Miet-, Lohnkutscher,
1590 bei Fischart Garg. 15 Huder er.
Haue, f. (PI. -n): Haugerät zur Feld-
arbeit. Mhd. houwe, ahd. houwa f. Von
hauen, v. (Prät. hieb, Konj. hiebe, Part, ge-
hauen): schneidend einschlagen; eindringlich
schlagen. Mhd. houwen (Prät. hie und hiew,
md. im 14. Jh. hieb und Mb, Plur. hiewen,
Part, gehouwen), ahd. houwan (Prät. hiu, hio,
PI. himven), , daneben schwachbiegend mhd.
homcen (Prät. houte, nhd. haute), ahd. houwon
(in gihouwön): dazu starkflekt. asächs. gihauwan,
821
hanem
Haupt
822
mnd. und imidl. houwen, ags. heawan (Prät.
heoio), engl, hew, anord. Jiöggva (Pi-ät. hjö),
schwed. Imgga, dän. Jmgge. Urverwandt niit
abg. kovati «schlagen, schmieden», kovaci m.
«Schmied», lit. käuti «schlagen, schmieden;;,
kovä f. «Kampf». Dazu mit Wurzelerweite-
rung lat. cüdere '^ hauen», ir. cüaä «Kampf..
Vgl. noch Walde s. v. ABL. Hauer, m.:
Holzfäller (spätmhd. hawer): Erzhauer im
Bergwerk (mhd. hower, hemcei' Freiberger
Bergrecht § •22, nhd. nur Häuer); Hau-
zahn des Ebers (mhd. im 1-i. Jh. hawer);
das männhche Wildschwein (im 16. Jh. bei
Kirchhoff Wendunm. 247^ Hauwer). ZUS.
Haudegen, m.: Schlagdegen (1658 beiSchoch
Stud. G 3 ^ Hmcdegen), übertr. derber Krieger
(1803 bei Seume Spaz. 37). Haulaud, n.:
zu Ackerland anget'odeter Waldboden, erst
spät im 18. Jh.
hauerU'; v. : zusammengebückt sitzen (Wie-
land 21, 46), s. kauern.
Haufe(n), m. {-ns, PI. -n) -. Menge beiein-
ander befindlicher oder übereinander liegen-
der Dinge, Schar. Mhd. hüfe, ahd. hüfo m.
(Gen. hüfin), mit Übergang in starke Biegung
frühmhd. hüf m. (Gen. hüfes), woneben md.
und seltner ahd. houfm. (Gen. Iioufes), schon
bei Luther Haufen, aber noch bei Goethe
Faust 402 Haufm. ; dazu asächs. höp, mnd. höp,
hope, hupe, afries. häp, ags. heap m., engl.
heap, aus dem Niederd. entlehnt anord. höpr
m. Man vergleicht abg. kupv, lit. kanpas m.
«Haufen», kupstas m. - Erdhöcker/, lett. kupt
«sich zusammenballen).. Da die Lautver-
schiebung nicht stimmt, muß germ. p aus
pn entstanden sein, häufeln, v., im 15. Jh.
hüffeln, houffeln, hawfeln, abgeleitet von dem
Dim hüff'el «Häufel» (15. Jahrb.). ABL.
häufen, v., bei Luther heuffen, mhd. hüfen
und houfen, ahd. hüfon und houfm, mnd.hqjen.
häufig, adj., in der Bed. «zu Häuf ge-
schichtet, haufenweise» 1540 bei Alberus dict.
gg3^ heuffig, 1514 bei Keisersberg Schiff d.
Penit. 125'^ häuf echt: in der Bed. «oft» 1775
bei Adelung. Häufigkeit, f., 1691 bei Stieler.
ZUS. haufenweise, adv., 1578 bei Fischai-t
Ehzuchtb. J4'^ hauffenweis.
Hang, m. (-es, PI. -e): Hügel. In Berg-
und Ortsnamen wie Donnershaug, Arnshaugk.
Mhd. und ahd. houc n. (Gen. houges): dazu
anord. haugr m., dän. höi, engl, how in Orts-
namen, Aus dem Germanischen entlehnt nor-
mann. hogue «Hügel». Mit grammatischem
Wechsel zu hoch (s. d.) und Hügel.
Hauhechel, f. (PI. -n): die Hülsenpflanze
Ononis. 1561 bei Maaler Hamvhechel, 1537
bei Dasypodius Hemvhechel, d. h. Hechel
(Stachelpflanze), in der, da sie gern an Wiesen-
rainen wächst, das Heu leicht hangen bleibt.
Haupt, n. (-es, PI. Häupter): Kopf; das
Oberste, Höchste, Tomehmste (schon ahd.).
Mhd. honhef, houht, houpt, ahd. houhit, houpit
n.; dazu asächs. höbid, mnd. hövet. höft, nndl.
hoofd, afries. häved, häfd, häd, ags. heafod,
engl, head, anord. (mit urspr. a in der Wui'zel-
silbe) höfud, schwed. hufvud, dän. hoved, got,
hauhiß n. Daneben mit a in der Wurzel-
silbe ags. hafela m. «Kopf», urverwandt mit
aind. kapalam n. «Schädel, Schale», kapüc-
chalam n. «das Haar am Hinterhaupt», lat.
Caput n. «Kopf», capillus m. «Haupthaar».
Das Verhältnis von au zu a ist noch nicht
genügend aufgeklärt, doch liegt wahrschein-
lich alter Ablaut vor (au: iva) mit Schwund
des w nach k. Mit Umlaut (wegen i in -it)
mhd. und md. höuhet, heiibet, heuhf, im 16.
und 17. Jh. Heubt (PI. Heubt und Heubter),
noch erhalten im Dat. PI. zu Häupten (ahd.
zen houbiton), mnd. hövet, nnd. höftn. «Spitze,
Ecke», md. Heid, Heed n. (hess. Häubt, Häud)
«Krauthaupt», 1751 bei Picander 5, 283 Heet
n. «Kopf». ABL. haupten, v., in be-, ent-
haupten, mhd. houbeten, houpten, ahd. houbiton
«den Kopf abschlagen», im Mhd. intr. «wie
einem Haupt anhängen». Häuptling, m.,
1741 bei Frisch aus Ostfriesland, afries. hävd-
ling neben hävding m. «Mitglied des friesischen
Adels», in allgemeiner Bed. 1808 bei Campe.
häuptlingS, adv., bei Voß Ovid 1, 91, im
16. Jh. bei Th. Platter 96 häubtlingen, mhd.
houbetlingen «kopfüber». ZUS. Hauptbuch,
n., 1616 bei Henisch. Haupthaar, n., mhd.
houbethär n. Hauptmann, m., mhd. houbet-
man, ahd. houpitman m. «der Oberste, der
Erste unter Seinesgleichen», im Mhd. auch
«der Anführer im Kriege, Oberbefehlshaber»,
um 1480 im Voc. ine. teut. 13* hauptman
«Befehlshaber über ein Fähnlein», 1561 bei
Maaler Hauptmann über hundert «centuiio»,
Hauptmann über tausend «chiliarchus»; der
Plur. Hauptleute, mhd. houbetliute. Seit 1842
in Preußen für Kapitän eingeführt (ZfdW. 1,
76). Hauptquartier, n., 1617 im Teutschen
Michel 17. Hauptsache, f., im 15. Jh. haupt-,
heuptsach f. «Rechtsstreit, Prozeß»; im allge-
meineren Sinne bei Luther 5, 115^ Heubtsache.
hauptsächlich, adj., 1578 bei Fischart
Ehzuchtb. N 7^. Hauptsatz, m., 1781 bei
823
Hans
Haus
824
Meiner. Vgl. Jellinek Idg. Forsch. 19, 272.
Hauptstadt, f., mhd. houhetstat f. Haupt-
stück, n., spätmhd. houhetstücke n. «Kopf-
stück», auch «grobes Geschütz»; in der Bed.
«hauptsächliches Stück» bei Luther 7, 29*
Hauptstück. Hauptwache, f., 1691 bei Stieler,
dafür 1641 bei Schotte! 379 Hauptivacht.
Hauptwort, n.-. Substantivum, 1748 bei
Gottsched Sprachkunst; in der allgem. Bed.
«hauptsächliches Wort» 1691 bei Stieler.
Haus, n. (Gen. Hauses, PI. Häuser): er-
baute Menschenwohnung; (edles) Geschlecht;
mhd. und ahd. hüs n. (PI. mhd. liüs und
liiusir, ahd. liüs und hüsir), im 11. Jh. auch
Jious; dazu asächs.-mndl.-afries.-ags. Ms, anord.
hüs, nndl. huis, engl, house, schwed. /ms, dän.
Jmus n., got. nur in guäliüs n. «Gotteshaus,
Tempel». Gewöhnlich wird Hütte (s. d.) ver-
glichen, und beide dann zu ags. hydan «ver-
bergen», gr. K€ÜOeiv «verbergen» gestellt. Das
ist aber dui'chaus nicht sicher. Man müßte
von einer Bedeutung «bedecken» ausgehen.
Anderseits bietet sich aind. kösas m. «Behälter,
Scheide, Vorratskammer, Schatzkammer», lit.
Uäuse f. «Hirnschädel», anord. hauss m.
«Schädel» zur Vergleichung. Und schließlich
ist auch Ableitung von kauen denkbai*. Aus
dem Germanischen entlehnt abg. cliyzü «Haus».
Der alte Dat. PI. Hausen, mhd. hüsen, ahd.
liüsun, ist nur noch Ortsname. ABL. hauSGU,
V., mhd. und mnd. hüsen «wohnen, ins Haus
aufnehmen», spätmhd. im 15. Jh. «übel wirt-
schaften, wüsten», ahd. hüsön «wohnen»; da-
von Hausung, f.: Wohnung, Unterkunft
in einem Hause, mhd. hüsunge f. hausieren,
V.: feilbietend von Haus zu Haus gehen, im
15. Jh. hawsiren (Nürnb. Pol.-Ordn. 133), mnd.
huseren, huserern; im 16. Jh. auch in der
Bed. «wohnen» (Fischart Barf. 4603). Hau-
sierer, m.: von Haus zu Haus ziehender
Händler, 1545 im Rotweiler Stadtrecht 1, 52^
Husierer. Häuslein, n., mhd. hiuselin,
ahd. hüsilin n. Daneben mhd. hiusel n., wo-
von Häusler, m.: Dorfbewohner, der nur
ein Haus ohne Feld besitzt, 1691 bei Stieler.
häuslich, adj., um 1480 bei Melber g 7*
hußlich «zum Haus gehörend», als Adv. spät-
mhd. hüslichen, Muslich «mit Haus»; in der
Bed. «gern um das Hauswesen sich küm-
mernd» \)e\\j\xi\\Qr heuslich. Häuslichkeit,
f. : das Hauswesen (1575 bei Fischart Garg. 92) ;
die Liebe zur Hauswirtschaft (1562 bei Mathe-
sius Sar. 9 ^ HeußUgkeyt). ZUS. hausbacken,
part. Adj.: für den Hausbedarf gebacken, 1691
bei Stieler, haußgehachen 1616 beiHenisch; in
Übertrag. Bed. bei Goethe 41, 1, 852. Haus-
ehre, f., mhd. hüsere f. «Ehre des Hauses,
die sich in Freigebigkeit und Gastlichkeit,
in der Sicherheit und Ruhe des Hauses zeigt,
Ehre des Hausherrn, Verwaltung des Haus-
wesens, Haushaltung», im 16. Jh. «Hausfrau,
Hausmutter» (Luther Ps. 68, 13, Alberus Ebb.
G3''). Hauser(e)n, m.: Hausflur, ober-
deutsch-hessisch, 1588 bei Tabernämontanus
Hausehren, s. Em. Hausflur, m. und f.,
1775 bei Adelung. Hausfrau, f., mhd. hüs-
vrouwe, -vrou f. haushalten, v., mhd. hüs-
halten; davon Haushalt, m., 1679 bei Löh-
neys Regierkunst 345^; Haushalter, Haus-
hälter, m., bei Luther Haushalter; Haus-
hälterin, f., 1578 bei Fischart Ehz. H 2^
Haushälterin, anders spätmhd. 1409 hüse-, hüß-
Jialterin f. «Bordellwirtin»; haushälterisch,
adj., 1741 heiFrischhaushalterisch, neben haus-
haltisch im 17. Jh. (Simpl. 4, 6 Kz.j. Haus-
herr, m., mhd. hüsherre m. Hausknecht,
m., spätmhd. hüskneht m. Hauskreuz, n.,
1659 bei Butschky Kanzl. 44. Hauslauch, m. :
Hauswurz, mhd. hüslouch m. hausmachend,
part.: im eignen Hause zugerichtet, für den
Hausbedarf gemacht, 1772 bei Bode Humphry
Klinker 1, 122. Hausmann, m., mhd. hüs-
man m. «Hausvater, Hausbewohner, Miets-
mann, auf dem Turm wohnender Burgwart»,
bei Luther 1, 370^ «Türmer in der Stadt»,
bei Adelung 1775 «Beschließer des Hauses»;
dazu Hausmannskost, f.: Hauskost, 1556
bei Wickram Nachb. 73^. Hausmeier, m.:
Vorsteher der Hofhaltung. Übersetzung des
lat. major domus. Seit dem 16. Jh. bezeugt.
1574 bei Kilian huysmeyer. Hausmeister,
m.: Hausverwalter, 1678 bei Krämer, in der
Bed. «Hausherr» 1561 bei Maaler. Haus-
mittel, 1691 bei Stieler. Hausrat, m.,
mhd. hüsrät m. «die für einen Haushalt
erforderlichen Hausgeräte, auch die Haus-
tiere». Hausrecht, n., 1691 bei stieler.
Hausstand, m.: Haushalt, 1641 bei Schottel
868. Haussuchung,f.: Durchforschungeines
Hauses zur Ermittlung eines Verbrechens, 1517
bei Trochus M 6** hußsuchung, dagegen mhd.
hüssuochunge f. «Hausfriedensbruch», mnd.
hussokinge f. in beiden Bed. Haustier, n.,
1775 bei Adelung. HausTater, m., spätmhd.
hüsvater. Hauswesen, n., 1620 bei Alber-
tinus Lustga^-t. 9. Hauswirt, m., mhd. hüs-
wirt m. «Hausherr, Hausbesitzer, Vorstand
einer Haushaltung». HauSWUrz, f.: das
825
Hausen
Hebel
826
auf den Dächern wachsende saftige Kraut i
Sempervivxim, mhd. und ahd. hüsicurz f. j
Hauszins, m.: Mietgeld für Wohnung, mhd. ■
hüszins m.
Hausen, m. (s, PI. wie Sg.): der große
Stör. Mhd. hüse, schon im 13. Jh. auch hüsen,
ahd. hüso m., mnd. hnsen m. In welchem i
Verhältnis dazu tschech. vyz, polu. tvyz m. I
« Hausen ••> stehen, ist unklar, wahrscheinlich !
sind sie entlehnt. Da der Kopf des Hausen
gepanzert ist, könnte man mit Falk-Torp an
Zusammenhang mit anord. hauss m. «Schädel»,
lit. k'duse f. «Hirnschale» denken. ZTJS.
Hausenl)lase, f.: Leim aus der Leimblase
des Hausens, 1562 bei Mathesius Sai*. 47^
Hausenplase.
hauß, haußen, adv.: hier außen. Mhd.
hü^e, md. hügen, zsgez. aus Jde f/je, hie ügen,
wie mhd, Mnne aus hie inne.
Hausse, (spr. Höße) f.: das Steigen der
Wertpapiere. Aus gleichbed. frz. hausse f.,
das zu haut «hoch» (aus lat. altus) gehört.
Erst im 19. Jh. Gegensatz Baisse f. «das
Sinken der Wertpapiere» aus gleichbed. frz.
haisse f. (von lat. hassiis «niedrig»).
Hauste, m. (-n, PI. -w) und Hausten,
m. (-S, PI. wie S».): Haufen, aufgestellter
Frucht-, Heuhaufen. Mhd. huste m., im 16. Jh.
hauste m. «Haufen»; dazu clev. 1477 huyst
«Komhaufen». Aus *hüfste zu Haufen (s. d.).
Haut, f. (PI. Häute): die natürliche Decke
des Tier- oder Pflanzenkörpers; übertr. der
Mensch selbst (schon mhd.). In ui'spr. Bed.
mhd. und ahd. hüt f. (PI. mhd. Mute, Mut,
ahd. hüti)\ dazu andd. hüd, ndl. huid, afries.
hUd und hede, ags. hyd, engl, hide, anord.
hUd f., schwed.-dän. hud. Urverwandt mit
lat. cutis f. «Haut», gr. kOtoc n. «Haut, Hülle»,
^-fKUTi Adv. «bis auf die Haut», apreuß.
keuto «Haut», Yit.k'autai m. PI. «Eierschalen»,
(mit s-Präfix) gr. ckOtoc n. «Haut, Leder»,
lat. scütuni n. «Schild». Vgl. Schote. ABL.
häuten, V., 1741 bei Frisch trans. u. refl., mhd.
in Mj-, enthiuten; dagegen ist häutein, v., bei
Frisch 1741, von spätmhd. heutel n. «Häutchen»
abgeleitet, häutig, adj. in dick-, tveißhäutig,
mhd. wi^hiutec. Häutung, f, bei Goethe
26, 191. ZTJS. Auf der Volksredensart in die
Haut hinein = durchaus, von Gnind aus,
beruhen: hautehrlich, adj.: grundehrlich,
bei Maler Müller ,3, 64: hautsatt, adj.: völlig
satt, ebenda 2, 23; hautreich, adj.: gi-und-
reich, bei Hebel im geheilten Patienten.
HaTarie, f. (PI. -n): Schaden an dem
Schiff und dessen Ladung außer dem Hafen;
allerlei Schiffsunkosten, als Hafen-, Lotsen-,
Ankergeld etc. 1716 bei Ludwig Äverey,
Avarie. Haverey, Hafer ey, nd. 1582 bei Chy-
träus Cap. 36 haferye f., mndl. im 16. Jh.
averije, haverije, nndl. avarij. havarij f., aus
gleichbed. franz. avarie, ital. avaria f., mlat.
Ende des 14. Jh. aus genuesischen Quellen
avaria, vielleicht aus arab. 'aicär «Gebrechen,
Beschädigung, beschädigte Ware», auwara
«beschädigen». Die Form mit h wohl im
Gedanken an Hafen.
he! Interj. der Anrede, des Fragens,
Lachens, Spottens. Mhd. he als Interj. der
Anrede, Anfang des 16. Jh. im Friedberger
Passionsspiel Bl. 30 '^ he he he als Interj. des
Lachens.
Hebamme, f. (PI. -n)-. Gebm-tshelferin,
Wehmutter. Mhd. im 15. Jh. hehamnie, im
12. Jh. heve-, hev-, hefammet, mit Anlehnung
an Amme (s. d.) aus ahd. hevanna, hevianna,
hefihanna f., das entweder eine Verbalableitung
von heben (s. d.) oder wahrscheinlicher Zu-
sammensetzung mit ahd. ana, mhd. ane f.
«Großmutter» (s. Ahn) ist. Daneben spätmhd.
heh-, hevemuter (Diefenb. gl. 390 ■'^), mnd. heve-
moder f. Hessisch, heißt die Hebamme Elter,
Eller f., das urspr. Großmutter bed.; nndl.
vroedvrouiv f., von vroed «klug, weise» (ahd.
frot, fruot, got. fröps), franz. sage-femme f.
Hebel, m. (-s, PI. wie Sg.): Hebestange.
Spätmhd. 1432 hehel m. in dieser Bedeutung,
Aber schon ahd. hevil, hevilo m. «Hefe»,
eigentlich «Hebemittel». Von beben, v.
(Prät. hob, Konj, höbe, Part, gehoben): in
die Höhe bewegen ; wegschaffen. Mhd. heben,
heven, md. auch haben, ahd. heffan, heven;
dazu asächs. hebbian, mnd. heven, nndl. heffen,
afries. heva, ags. hebban, engl, heave, anord.
hefja, schwed. häfva, dän. häve, got. hafjan.
Das Prät lautet mhd. und ahd. huop, älternhd,
und noch in der Dichtersprache hub, das Part,
mhd, gehaben, ahd. haban, noch 1690 bei
Bödiker gehaben neben gehoben, in Zusammen-
setzungen bei Herder 1, 95 und Wieland 21,
72 aufgehaben. Urvei-wandt mit lat. capere
«fassen», gr. Kujirri f. «Griff». Vgl, Haft,
Hefe. ABL. Hebe, f.: jüdisches Hebopfer,
bei Luther, mit Beziehung auf einen Gebrauch
feierlicher Hebung in die Höhe, Heber, m,:
Werkzeug zum Heben von Gegenständen
(Maaler 1561) und Flüssigkeiten (Stieler 1691).
Hebung, f,, spätmhd, in ent-, nfhebunge;
bei Luther Hebung f. in der Bed. «Opfer»;
827
Hebräer
Hedwig
828
seit Ende des 18. Jb. Hebung und Senkung]
für gr. äpcic und eecic. ZUS. Hebebaiim, j
m., mhd. hebeboum m. j
Hebräer, aucli Ebräer m. {-s, PI. wie j
Sg.): der Jude. 1534 bei Dietenberger Jfe-
hreer, bei Luther Ehreer, aus lat. Hehraeus,
von hebr. 'ibrl «der von jenseit des Euphrat
Gekommene» (hebr. 'eher m. «der Übergang,
das Jenseitige»), zunächst von Abraham ge-
braucht (1. Mos. 14, 13). hebräisch, ebrä-
isch, adj., mhd. hebreisch, hebräisch, ebreisch,
ahd. hebreisc, ebräisc, ehreisc, nach dem gr.-
lat. Adj. hebraicus.
Hechel, f. (PI. -n): Stachelwerkzeug zum
Durchziehen des Flachses und Hanfes. Mhd.
hechel, hachel f.; dazu mnd. hekele, ndl. hekel,
mittelengl. hechel, engl, hatchel und hackte,
(entlehnt aus dem Mnd.) schwed. häckla f.,
dän. hegle. Von ahd. hecchen, mhd. hecken
« hauen, stechen ». Kaum verwandt mit Haken.
ABL. hecheln, v., mhd. hecheln, hachein,
mnd. hekelen, asächs. ihekilod «gehechelt»;
übertr. «prügeln» im 13. Jh. bei Hugo v. Trim-
berg Renner 15049, «vexieren» 1664 bei Duez,
«tadelnd verspotten» 1678 bei Krämer. Da-
von Hechler, m., bei Stieler 1691.
Hechse, s. Hachse.
Hecht, m. (-es, PI. -e): der Raubfisch
Esox lucius; raubgieriger Mensch (mhd. im
14. Jh.), loser Kerl (Wieland 18, 147); studen-
tisch der beißende dichte Tabakrauch (19. Jh.).
In urspr. Bed. mhd. hechet, hecht, ahd. ha-
chit, hechit m.; dazu and. hacth, mnd. und
mndl. heket, ags. hacod, hceced m. Vielleicht
von seinem stachlichten Gebiß oder seiner auf-
fallend spitzen Schnauze benannt und gleichen
Stammes wie ahd. hecchen, mhd. hecken
«stechen» (s. Hechel). Vgl. mnd. hekele
«Stichling». ZUS. Hechtschimmel, m.:
Pferd von hechtgrauer Farbe.
Heck, n. (-S, PI. -e).: breite in einge-
koppelten Feldern den Fahrweg hemmende
Gatter- oder geflochtene Türe (1795 bei Voß
Ged. 102); gegatterte Hoftüre (Hermes So-
phiens Reise 4, 186); der hinterste oberste
Teil des Schiff"es (Jacobsson 1798 und Röding),
früher mit einer Einfassung von Stützen ver-
sehen, die durch Taue oder Ketten verbunden
waren. In Norddeutschland. Mnd. heck n.
«Hecke, Umzäunung, Einfassung, Tor» (von
Holz), 1741 bei Frisch «das den Ein- und
Ausgang desDorfes verschließende geflochtene
Gatter oder Zufalltor». Entsprechend mhd.
heck n. «Hecke, Zaun», s. ^ Hecke.
^ Hecke, f. (PI -n)-. Gebüsch; Zaun. Mhd.
hecke, hegge, ahd. hegga f., daneben mhd.
hecke, heck n. «Dorngebüsch, Umzäunung >^
Entsprechend mittelengl. hegge f., engl, hedge,
neben ags. hege m. «Umzäunung». Ableitung
von Hag (s. d.). Davon heckig, heckicht,
adj., 1662 bei Stoer 236^, heckechtig 1537 bei
Dasypodius ; das Subst. Heckicht n., um 1480
im Voc. ine. teut. 1 4^ heckig. ZUS. Hecken-,
Heckfeuer, n.: Kleingewehrfeuer Einzelner
aus dem Gliede, bei Hippel W. 1, 340 von
1778 Heckenfeuer. Heckenreiter, m.:
Strauchdieb, Buschklepper, 1512 bei Lilien-
cron Volksl. 3, 76^ heckenreiter , 1517 bei
Janssen Reichskorr. 2, 921 heckenreivter m.,
neben heckenruytery f. 2, 875 von 1512 (s.
Reiter). Heckenrose, f.: Hagerose, 1546
bei Bock 2, 19*^ Heckrose, 1664 bei Duez
Heckenrose. Heckwirt, m.: Wirt einer
Winkelschenke, mhd. hecken-, heckioirt.
"Hecke, f. (PI. -n)-. Fortpflanzung durch
Junge oder Brüten. 1731 bei Zinck öcon.
Lex. und 1710 bei Philander v. d. Linde galant.
Ged. 67; dazu mittelengl. hacche, engl, hatch
«das Blüten, die Brut». Von hecken, v.,
1482 außhecken «ausbrüten» Voc. theut. 0 2**
und e3'', mhd. sich hecken «sich fortpflanzen»
(von Vögeln); dazu mittelengl. hacchen, engl.
hatch «ausbrüten». Gleichen Stammes wie
mhd. hagen m. «Zuchtstier» (s. Hacksch) und
ahd. hega-, hegidruos, mhd. hege-, heidruos
f. «Hode, Zeugungsglied», and. heidrosi «ve-
renda». ZUS. Hecke-, Hecktaler, m.:
Zaubertaler zum Reichwerden, 1691 bei Stieler
Hecktaler, 1570 im Abschied des Reichstags
von Speier § 133 Heckenmüntze.
Hede, f. (PI. -n): Werg. Norddeutsch
(Moser Phantas. 1, 116), 1517 bei Trochus
K 6=^ hede, bei Frisch 1741 Heede. Aus
mnd.-nnd. und afries. hede f., müt Ausfall
des r aus mndl. herde, heerde «Flachsfaser»,
entsprechend ags. heorde f., engl, hards PI.
«Flachshede». S. Haar ^.
Hederich, m, (-s, PI. -e): Gundelrebe,
Hedera terrestris oder Glecoma hederacea;
wilder Senf, erysimum, mhd.-ahd. hederich,
hederich m., mnd. hederik, hedderick. Unter
Einwirkung von Wegerich umgebildet aus
dem lat. Adj. heder äceus «efeuähnlich», oder
dessen Stammwort hedera f. «Efeu» nach-
gebildet, wohl zuerst von der efeuähnlich
kriechenden i Gundelrebe.
Hedwig, Frauenuame, mhd. Hedwig,
ahd. Hade-, Hathmvig, zgs. mit ahd. hadu-
829
Heer
heftig
830
«Kampf» (s. Hader) und ahd.-mhd. wie m.
«Krieg, Schlacht».
Heer, n. (-es, PI. -e). Bei Luther Heer,
mhd. her, älter here, ahd. hari, Jieri n. (Gen.
herjes, Dat. herige); dazu asächs. heri m.
«Menge, Volk», mndl. heir n., afries. /lere
und hiri m. n., ags. Äere m. (Gen. heriges),
anord. herr m., schwed.-dän. här m., got.
harjis m., chario- in germanischeu Eigen-
namen zur Römerzeit Chariomerus, Chario -
valda. Urverwandt mit altpreuß. karjis
«Heer», kariawoytis «Heerschau», lit. karias
m. «Heer», käras m. «Krieg», abg. kara f.
«Streit», altir. aiire «Heer, Schar». Dazu
auch gr. Koipavoc m. «Heerführer, Herrscher»
aus *korjanos, das Bugge Btr. 21, 422 mit
anord. Herjann, einem oft vorkommenden
Namen Odins verglichen hat. Vgl. Herberge,
Herzog. ABL. heeren, v.: mit einem Heere
d. li. mit Krieg überziehen, dann verwüsten,
berauben, ältemhd. heren, hergen, jetzt nur
noch in verheeren, aber noch fränk. heren
«übel hausen», bayr. hergen «verwüsten»,
mhd. heren, hern, aber auch herjen, herigen,
hergen, ahd. herjan und harjon, herjon, her-
rdn\ dazu ags. herigan, engl, harry, harroiv
«plündern», anord. herja «Krieg führen, plün-
dern, einen Eaubzug unternehmen», schwed.
här ja, dän. härje «verheeren». ZUS. Heer-
bann, m.: Aufgebot sich zum Ki'iegsheere
zu stellen, mhd. herhan, ahd. heriban m.
«Aufgebot der Freien zur Heeresfolge», im
Mhd. «die Mannschaft durch Aufgebot», da-
her altertümlich bei Schiller Teil 2, 2 Heri-
hann m. Heerbiene, f.: Eaubbiene, 1765
bei Overbeck Bienenwörterb. 39, zu heeren
(s. d.). Heerfahrt, f., mhd. hervart, ahd.
herifartt Heerführer, m., mhd. herfuerer
im Voc. opt. 23, 6. Heergewäte, Heer-
gewette, n.: die fahrende Habe, die sich
auf Bewaffnung und Rüstung des Mannes
bezieht und nur auf den Mannsstamm und
Verwandte männlicher Seite forter1)en kann
(vgl. die Gerade), mhd. hergewcete n., eig.
«Kriegsgewand, Kriegsrüstung» (ahd. giwäti
n. ist Kollektiv von wät f. «Kleidung»), mnd.
herwete, herewede und hergeivede n., 1663 bei
Schottel 483 Heergewette. Heerhorn, n.,
mhd. here-, herhorn, ahd. herihorn n. Heer-
melster, m.: Vorgesetzter eines Gebietes
bei Ritterorden und Anführer des Ordens-
heeres, 1734 bei Steinbach. Heerrauch, s.
Herauch. Heerschar, f., mhd. herscJmr f.
Heerschau, f.: Besichtigung eines ausge-
rückten Heeres in und zu Kriegstüchtigkeit,
mhd. herschouwe f. Heersteuer, f.: Kriegs-
steuer, von Kriegsdienst befreiende Lehn-
gutssteuer, mhd. herstiure, ahd. heristiura f.
Heerstraße, f.: Landstraße, 1517 bei Tro-
chus J4* hehrstraß, «via regia», ahd. heri-
strä^a f. (md. im 14. Jh. hersträge f. «Milch-
straße am Himmel»), ags. herestrcef f. Heer-
wagen, m.: Rüst-, Kriegswagen bei Feld-
zügen, Sternbild des großen Bäi-en, mhd.
herivagen in beiden Bed. Heerweg, m., mhd.
herivec m. Heerwurm, m.: wie ein Wurm
(Schlange) lang dahinziehendes Heer, bei
Goethe 7, 177: in dichten Scharen ziehende
Raupenart, 1775 bei Adelung.
Heerling, s. Herling.
Hefe, f. (PI. -n): durch Gärung ausge-
schiedne und wieder Gäning erzeugende
Sproßpilze; bildl. Auswurf, Bodensatz (im
15. Jh. Städtechron. 3, 142, 21). In urspr.
Bed. bei Luther Hefen f., aber noch im
18. Jh. bei Hagedoi-n Od. 48, Klopstock,
Bürger 85, Hölty Kenner 145 Hefen m.,
mhd. hehe, heve, hefe, hepfen m. und f.,
spätahd. hepho m., woneben mhd. hevele,
hefel m, und hebel n., ahd. hevil, hevilo m.
«Hefe», zu ahd. hefjan «heben» (s. d.); dazu
ndl. hef, heffe f., ags. hcßfe m. Vgl. Bärme.
ABL. hefig, adj.,"l711 bei Rädlein, hefficht
1678 bei Krämer.
Heft, n. (-es, PI. -e): Handhabe eines
Schneide-, Stechwerkzeugs; Spangennadel zum
Festhalten (1517 bei Tro"chusR2» heffte, 1716
bei Ludwig Heftm.); geheftetes Papier (1740
bei Hagedorn 1, 57). In der 1. Bed. mhd.
hefte, ahd. hefti n. «Messer-, SchwertgriflF».
heften, v., mhd. heften, ahd. heften «fest-
haltend (haß) machen, befestigen»; dazu
andfrk. heftian, ags. hceftan «heften», got.
Imftjan «sich anhängen», eine Ableitung vom
Adj. ahd. haft, got. hafts (s. -haft). Heftel,
m. und n. (-s, PI. wie Sg.): Häkchen am
Kleide zum Festhaken, mhd. heftel, haftet n.
neben heftelin, haftelin n. «Spange zum Zu-
sammenhalten des Kleides», Dim. zu mhd.-
ahd. haft m. «Band, Halter» (s. ^Haft); dazu
Heftelmacher, m., 1568 bei H. Sachs Be-
schreib, aller Stände d 2. Davon heftein,
V., 1691 bei Stieler hefteten. ZUS. mit heften:
Heftpflaster, n., 1741 bei Frisch. Heft-
zwecke, f., junge Bildung.
heftig, adj.: sehr streng, ungestüm. Mhd.
heftec, heftic, auch haftig, häftig «festbleibend,
beharriicli, mit Beschlag belegt», dann «ernst,
831
Hege
Heide
832
wichtig, stark, ungestüm», aus spätahd. heiftig,
Adv. heifteclichen «ungestüm», mhd. Adv.
liaifdichen (Kaiserchron. 188, 1 Diemer) nebst
dem mhd. und spätahd. Adj. heifte «unge-
stüm» (noch bayr. halft), gleichen Stammes
wie got. haifsts m. «Streit, Zank» (s. Hast).
Vgl. noch Uhlenbeck Btr. 30, 286. ABL.
Heftigkeit, f., 1482 im Voc. theut. o 1^
liefftigkeit.
Hege, f. (PI. -n): Schutz; durch Verbot
geschützte Fläche. Mhd. hege, ahd. hegt f.
«abschließende, schützende Umzäunung, ura-
zäuntes Buschwerk». Von hegen, v.: um-
zäunen, durch Umzäunung schützen ; in seinem
Schutze halten, anhaltend bei sich bewahren
(schon mhd.). In der 1. Bed. mhd. hegen,
ahd. heJcjan; dazu mnd. hegen, heien, mndl.
heghen, afries. heia, ags. hegian, engl, hedge,
abgeleitet von Hag (s. d.) eigentlich «mit
einem Zaun umgeben». ZUS. Hegereiter,
m.: berittener Forstaufseher, im kursächs.
Jagdmandat vom 8. April 1629 Hege-Beuter.
Hegewiese, f.: Wiese mit Gartenrecht, auf
der niemand ohne des Eigentümers Willen
weiden darf, 1731 bei Zinck ökon. Lex. Hege-
"wisch, m. : zum Zeichen der Hegung ausge-
steckter oder ausgehangener Strohwisch, 1775
bei Adelung Hägeivisch. Hegezeit, f.:
Schonzeit des Wildes, 1746 bei Döbel Jäger-
Prakt. 3, 119^
Hegemonie, f. (PI. -n): Oberherrschaft,
Aus gleichbed. gr. rjYCMOvia f. im 19. Jh.
^ Heger, m. (-s, PI. wie Sg.): Hüter
eines Geheges; Art kleiner Lehnsleute. In
der 1. Bed. 1470 md. heger m. «Waldhüter»
(Diefenbach mlat.-hochd.-böhm. Wbch. 173),
in der 2. Bed. 1322 heghere PI. bei Haltaus
777. ZUS. Hegergut, n.: kleines Lehns-
gut, 1321 heger-, heigersgüd bei Haltaus.
-Heger, s. Hager.
Hehl, n. und m., in kern oder keinen
H haben (mit Gen.) und kein H aus etwas
machen (erst im 19. Jh.): verheimlichen. Bei
Luther kein heel haben, mhd. hode haben mit
Gen. oder unpersönl. mich hat hcele mit Gen.,
von mhd. hcde, md. hole, hele f. «Verheim-
lichung», während Hehl n. (mhd. sunder hcel,
md. sunder hei «offenbar») das substantivisch
verwendete Neutr. des Adj. mhd. hcele, hcel,
md. hele, hei «verhehlend, verhohlen, ver-
borgen» ist. hehlen, v. (Prät. hehlte): tief
verbergen vor jemand, mit stai-ker Flexion
mhd. kein (Präs. Ml, Prät. hal, Plur. häle7i,
Part, geholn), ahd. helan, asächs. und ags.
helan, afries. heia, nhd. nur noch im Part.
verhohlen, daneben mit schwacher Biegung
md. heln (in entheln «aus der Verborgenheit
nehmen» und verheln «verbergen machen»),
ahd. hellan, hellian, asächs. bihelian, ags. be-
helian «verbergen», nhd. bei Luther Stieler,
Rädlein hälen, 1664 bei Duez hälen, hählen
und heelen, 1663 bei Schottel hehlen. Ur-
verwandt mit lat, celäre «verhehlen, ver-
bergen», das dasselbe lange e zeigt wie mhd.
hcele (s. Hehl), lat. occulere «verbergen, be-
decken», ir. celim, kymr. celu «verhehle».
Die Wurzel zeigt mannigfache Ableitungen,
vgl. Hülle, hüllen, Hülse, hohl. Höhle, Hölle,
Helm, doch ist die Grundbedeutung kaum
die von «verbergen», sondern die von «be-
decken» gewesen. Vgl. noch Walde s. v. celäre.
ABL. Hehler, m,, mhd. helcere, heier m.
hehr, adj.: Ehrfurcht gebietend, feierlich
stimmend. Bei Luther hehr, mhd.-ahd, her
«hoch und herrlich, erhaben, vornehm, heilig»,
im Mhd. auch «stolz, hochmütig, froh», asächs.
mnd, her «vornehm, zu vei'ehrend», 1690 von
Bödiker 173 und von Adelung 1775 als ver-
altet bezeichnet, Ende des 18. Jh. neu ein-
geführt (1781 bei Klopstock 2, 44 und Voß
Od. 12, 449); dazu ags. här «altersgrau», engl.
hoar, hoary «grau», anord. harr «grauhaarig,
grau». Entsprechend abg. serü «glaucus»,
russ. seryj, poln. szary «grau», nslow, serec
«Greis», Vgl, noch Uhlenbeck Idg, Forsch,
17, 97, Vgl. Herr, herrlich.
hei! Intevj, der Belebung, Ermunterung,
Freude, Verwunderung. Mhd, hei, hey, heia,
heiahö, anord. hei, wie lat. heia, eia, gr, eia,
provenz, hahi, hai, hay. heida! Interj. des
Lebensmutes, auch nachdrücklicher Zuruf
(Lessing 10, 239, hey da Wieland 11, 229),
1 Heide, m, {-n, PI. -n)-. wer nicht Gott
verehrt, Md, im 14, Jh. heide m., gekürzt
aus mhd, heiden m. «Sarazene, Mohamme-
daner», ahd, heidan m. «Nichtchrist», noch
älternhd. Heiden m.; dazu and. hethino m.
«Heide», mnd, und ndl, heiden, afries, hethin,
hethen, ags. hceden m., engl, heathen, das
zum Subst. gewordene Adj. mhd, heiden,
ahd. heidan, asächs. hethin, ndl. heiden, afries.
hethin, hethen, ags. hceden, anord. heiäinn
«heidnisch», urspr. «ländlich», eine Ableitung
von Heide f. (s. d. -) und Nachbildung des
christlich-lat. pägänus m. «Heide», eig. im
Lat. «Dorf-,' Landbewohner», zuerst jedoch
Adj. «dem Dorf angehörig, ländlich» (von
\at. pägus m. «Dorf, Gau»), dann «heidnisch»,
833
Heide
Heil
834
nachdem unter Konstantin d. Gr. und seinen
Nachfolgern das Christentum römische Staats-
religion geworden und die altväterliche Götter-
verehrung aus den Städten auf das Land
zurückgedi'ängt worden war. Daher zunächst
got. Jiaipnö f. «Heidin , zu got. Jiaißi f. «un-
bestelltes Feld», haipiwisks «wild», und wohl
durch den Einfluß des Christentums der Goten
auf die übrigen Germanen übertragen. W.
Schulze dagegen Sitz.-Ber. d. Berl. Ak. 1905,
726 ff. hält got. haipnö (spr. Mp) für entlehnt
aus gr. eSvoc, dialektisch e9voc «Volk». Dann
kann Heide nicht aus dem Gotischen stammen.
Aus \dLi.pägänusm. «Heide» entlehnt gleichbed.
ital.-span. pagano, franz. paien, rumän. pägän,
abg.-russ. poganü m. ABL. Heidin, f. (PI.
-nen), mhd. heideninne, heidenm, heidenin f.
heidnisch, adj., mhd. heidenisch «saraze-
nisch», ahd. heidanisc «nichtehristlich», mnd.
Iieidensch.. Heidentum, n., mhd. Jieiden-
tuom m., ahd. heidantuotn m. n. «unchrist-
liches Wesen», ags. hädendöni m.
'Heide, f. (Pl.-w): waldlose wildgränende
Ebene. ^Ihd. im 12. Jh. heide f. (ahd. heida
kommt nur als Pflanzenname vor, s. '^Heide) ;
dazu mnd. hede, heide, ndl. heide, ags. hcep
f., engl, heath, anord. heidr f., schwed. hed
m.., dän. hede, got. haipi f. «unbestelltes
Feld». Urverwandt mit gall. -cetum, kymr.
coit «Wald», lat. -cetum in hücetumn. .; Kuh-
trift». S. Heide ^ ZUS. Heide(n)lerche,
f. : auf der Heide und deren Bäumen lebende
Lerche, 1557 bei Heußlin Yogelb. 170^ Heid-
lerch f. Heiderauch, s. Herauch. Heid-
SChnucke, f.: kleine Art Schaf, bes. in der
Lüneburger Heide, 1775 bei Adelung, Heide-
schnacke f. 1731 bei Zinck ökon. Lex. 2134.
S, Schlucke.
'^ Heide, f. (PI. -n)-. der auf Heiden
wachsende kleine Strauch erica, Heidekraut.
Mhd. heide, ahd. heida f.; dazu ndl. heide,
ags. hcep f., eins mit dem vorhergeh. Worte
(s. '^ Heide), dessen Bed, auf die im Heide-
land hauptsächlich wachsende Pflanze über-
tragen ist. ZUS. Heidekraut, n., spätmhd.
heidekrüt.
Heidekorn, n. [s, PI. -e): der Buch-
weizen (s. d.). 1604 bei Colerus 3, 130 Heide-
korn, 1409 heidenkorn n. bei Mone Ztschr. 3,
408, dafür 1449 heiden m. (Städtechron. 2,
319, 27), 1530 bei Peypus Heydel (Diefenb.
gl. 409 b), 1517 bei Trochus K 5» hädelkorn,
noch süddeutsch Heiden und Heidel m., weil
die Pflanze und ihre Fx-ucht aus heidnischen,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
mohammedanischen Ländern (Griechenland
und Asien) nach Deutschland kam, s. ^Heide.
Damit stimmen überein die gleichbed. Be-
nennungen: Tater- oder Tatelkorn n., d. h.
von den Tataren bezognes Korn, böhm.-
poln. und Ungar, tatarka f.: in Preußen und
den nissischen Ostseeprovinzen Gricken m.
und Grick f., 1785 bei Hennig preuß. Wb.
Ch'ücken, aus lit. grikas m., poln. gryka f., eig.
«griechisches Kom»; böhm.-poln. pohanka f.,
von pohan, polmniec m. «der Heide»: franz.
hie sarrasin m., früher Med turchique.
Heidelbeere, f. (PI. -n): die schwarz-
blaue Beere des Vaccinium myrtillus. Mhd.
heit-, heidelber n. f., ahd. heitperi n., d. i.
«die auf der Heide wachsende Beere».
Heidelerche, Heidschnucke, s. -Heide.
heidi! Ausruf der Lust; aber auch «auf
und davon, im Umsehen verloren», 1782 bei
G. Müller Si egf r. v. Lindenberg 4, 204 heidi gehn.
Heiduck, m. {-en, V\.-en): großer Diener
in ungarischer Tracht (im 18. Jh. vom Wiener
Hof aus, 1703 im Zt. Lex., 1757 bei Eabener
Sat. 4, 41), urspr. in Ungarn heimischer Volks-
stamm, der in seiner Nationaltracht seit dem
16. Jh. am ungarischen und polnischen Königs-
hofe Kriegsdienste leistete (Kiechel Reisen 100
Heuduck, Fischart Großm. 72 Heyduck). Eben-
sowohl vom wie hinten betont. Von hajdük,
dem Plur. des ungar. hajdu «Infanterist»,
später «Gerichtsfron, Trabant».
heikel, adj.: ekel, an Geschmack schwer
zu befriedigend, kleinlich wählerisch; mit
Sorgfalt, Zärtlichkeit, Schwierigkeit zu be-
handeln, bedenklich. Ln 16. Jh. bei Jobs.
Nas Wamungsengel 102 heikel «empfindlich,
kleinlich besorgt», 1618 bei Schönsleder ÄazcfceZ,
1663 bei Schuppius 768 haiggel, bei Grimmeis-
hausen 2, 239, 14 Kell, hechel, Var. Mckel,
1691 bei Stieler hekel, schlesisch 1652 bei
Scherffer Ged. 19 u, 622 hakel. Oberdeutsch,
dafür niederd. ekel (vgl. 1616 bei Henisch
Eickel m. füi- Ekel). Es ist unmöglich, über
das gegenseitige Verhältnis von heikel und
ekel ins Klare zu kommen. Davon gleichbed.
heiklig, adj., 1670 bei Abele künstl. Un-
ordn. 1, 283.
Heil, n. (-S, ohne PI.), mhd. heil n. «Ge-
sundheit, Glück», (verhüllend auch) «Unglück»,
dann im Md. «Beistand, Hilfe», ahd, heil n.
«Glück»; dazu and. hei «Vorbedeutung», ags.
höil n. «Gesundheit, Glück, günstiges Vor-
zeichen», anord. heill n. «Vorzeichen, bes.
glückverheißendes», heill f. «Glück, Heil».
53
835
heil
Heim
836
heil, adj. : unbeschädigt, unverletzt, von Ver-
letzung wiederhergestellt, mhd. und ahd. heil
«gesiAid, unverletzt, gerettet»; dazu asächs.,
mnd, und afries. hei, nndl. heel, ags. häl,
engl, ivhole und aus dem Altnord, entlehnt !
hau, hole, anord. heill, schwed.-dän. hei «un-
schadhaft, ganz», got. hails «gesund, der Ge-
sundheit dienlich». Als Grußformel in alt- ,
germanischer Zeit der Nom. des Adj.: got.
hails! ags. wes hol! Urverwandt mit abg. ''
celü «ganz, heil», altpr enßi.kailüstikan (Akk.) j
.«Gesundheit», altir. cel, kymr. coil «Vorbe-
deutung», gr. KoTXu ■ TÖ KaXöv bei Hesych.
Vgl. Zupitza 105, Walde s. v. caelehs. ABL.
■^heilen, v. : heil werden, mhd. heilen, ahd.
heilen, ^heilen, v. : heil machen, mhd. heilen,
ahd. heilen (auch erretten) ; dazu asächs. helian,
afries. heia, ags. hcelan, engl, heal, anord.
heila, got. hailjan. Heiland, m. (s, PI. -e) :
Erretter des Volkes, Erlöser der Menschen,
das kirchlich in der vollen alten Form als
Subst. bewahrte Partiz. Präs. von heilen ^,
mhd. und ahd. heilant, heiland, asächs. he-
liand, ags. hcelend m. heilig, adj.: gött-
liches Heil bringend, sittlich und geistlich
rein, dann ausschließlich gottgeweiht, mhd.
heilec, ahd. heilac, heilig, asächs. helag, mnd.
hillich, afries. helich, Mich, Mich, ags. hälig,
engl, holy, anord. heilagr, got. auf einer
Kuneninschrift hailag (dafür bei ülfilas weihs,
s. weihen); substantivisch der Heilige, mhd.
heilige, ahd, heilago m. (damit zgs. Heiligen-
schein, m., bei Kl. Schmidt und Campe 1808);
dazu Heiligkeit, f., mhd. heilecheit, heile-
keit, ahd. heiligheit, afries. heliched f.; Titel
des Papstes, heiligen, v., mhd. heiligen,
ahd. heilagon, asächs. helagon, ags. hälgian;
Heiligung, f., mhd. heiligunge, ahd. heili-
gunga, ags. hälgung f.; Heiligtum, n., mhd.
heilec-, heilictuom n. (auch Reliquie, iusbes.
die Reichsinsignien und Reichsheiligtümer),
ahd. heiligtuom n. ZUS. 1) mit dem Adj.
heil in der Bed. «vollständig, ganz»: heilfroh,
adj.: ganz und gar froh, in Mitteldeutsch-
land, bei Thümmel Reise 6, 72. — 2) mit Heil:
heilbar, adj., mhd. /ie^7fe^^e «Glückbringend»;
im Nhd. «zu heilend» als Zusammensetzung
mit heilen, 1734 bei Steinbach, heillos,
adj., im 16. Jh. ohne körperliche Gesundheit,
ohne Wohlfahrt, arm, elend, dann in mora-
lischem Sinne böse, abscheulich (bei Luther
und 1507 bei Wilwolt 67). heilsam, adj.,
mhd. heilsam «Heil bringend», ahd. heilesam,
Adv. heilsarno, and. helsamo «auspicato». Heil-
tum, n.: heilkräftige Reliquie (Tieck Nov. 10,
291), mhd. heiltuom n., veraltet. — 3) mit
heilen: Heilbrunnen, m.: Gesundbrunnen,
bei Luther. Heilkunde, f., 1796 bei Adelung.
Heilbutt, m. (-S, PI. Heilbutte) auch
Heilbutte, f. (PI. -n): der große norwegische
Plattfisch Pleuronectes hippoglossus, 1795 bei
Nemnich Heilbutt, Heiligebutt, Hille-, Hillig-
butt m., anord. heilagr fiskr, dän. hellebut,
helleflyndre, schweä.helge-, hälleflundra, isländ.
heilagfisk, ndl. heilbot, helbut, halibut, Jwlibut.
Eigentlich also «der heilige Butt», vgl. PK-
nius bist. nat. 9, 47.
Heim, n. (-s, PI. -e): eignes Haus und
Hauswesen. Mhd. imd ahd. heim n. «Haus,
Wohnort», im 16. Jh. veraltet, am Ende des
18. Jh. unter Einfluß des engl, home erneuert
(Fr. L. V. Stolberg 2, 228); asächs. hem n.
«Haus», mnd. heime f., heim n. «Heimat»,
afries. häm, hem m. f. «Haus, Dorf», ags.
häm m. «Haus, Wohnort», engl, home, anord.
heimr m. «Haus, Wohnung, Welt», got. haims
f. «Dorf, Flecken». In Ortsnamen -heim,
mhd.-ahd. -heim, engl. -ham. Urverwandt
mit gr. Kuu|uri «Dorf», apreuß. seimlns, Ut.
seimtna f., lett. sa'ime f. «Gesinde», abg.
seminü m. «mancipium», seml f. «persona»
(dagegen sind apreuß. caymis «Dorf», lit.
kienias «Bauernhof», [kaimtnas «Nachbar»]
wohl aus dem Germanischen entlehnt), air.
cöim «Heb, wertvoll». Vgl. Zupitza 49. Viel-
leicht ist auch der unter Heirat besprochene
Stamm verwandt, heim, adv.: nach Hause,
mhd.-ahd. heim, der Akk. Sg. von Heim,
entsprechend ags. häm, engl, home, anord.
heim; dagegen der Dat. Sg. von Heim ad-
verbialisch mhd.-ahd. heime «zu Hause», noch
in Mitteldeutschland heme (s. daheim), anord.
heima. ABL. Heimat, f. (ohne PI.), mhd.
heimote, heimöde, heimöt, heimuote, heimuot
f. n., im 15. Jh. auch heimät, ahd. heimuoti,
heimoti n., mnd. hemode, heimode n. f. «Vater-
haus, Vaterland», mit der gleichen Ableitungs-
silbe wie Armut, Einöde; dagegen mit andrer
Zusammensetzung got. haimöpli n. «heimat-
liches Gut, Erbgut», ahd. heimödil n. «Hei-
mat»; dazu heimatlich und heimatlos,
adj., bei Schiller (Campe 1808). Heime, f.
(PI. -n), gewöhnlich im Dim. Heimchen,
j n. (-S, PI. wie Sg.): die Hausgrille, mhd,
1 heime m., ahd. heimo m., ags. häma m., ahd,
' auch müchheimo m., mhd. mücheime m., noch
I Schweiz. Muchheim f. und Heimuch m. (Maaler
I 1561, ahd. heimamuch «gi-illus»), entweder
837
Heim
heint
838
zu ahd. mühhan «heimlich lauernd anfallen»
(s. meucheln), eig. das im Versteck lauernde
Heimchen, oder besser zu got. müka- «sanft,
freundlich» (in mükamödei f. «Sanftmut»); im
Dim, Heymchin 1540 bei Alberus dict. Cc 3,
clev. 1477 heymken n., dafür mhd. heimeltn n.,
ahd. heimili n. heimeln, v.: heimatliche,
vertraute Gefühle erregen, schweizerisch (bei
Salis), vgl. anheimeln, heimisch, adj., mhd.
heimisch, ahd. heimisc «zum Hause gehörig».
heimlich, adj., mhd. heime-, heim-, heinlich,
ahd. heimüich «zum Hause gehörig, nicht
fremd, vertraut», dann «fremden Augen ent-
zogen, verborgen vor andern» (auch in das
heimliche Gemach, 1482 im Yoc. theut. o2*
heymlich gemache) ; Heimlichkeit, f., mhd.
heime-, heimlicheit f. heimseil, v. in eiii-
heimsen (s. d.), mhd. heimsen «heimbringen,
an sich nehmen», ZUS. Heimhürge, m.:
Üntervorsteher der Gemeinde, mhd. heim-
hürge, ahd. heimhurgo m.: in Obersachsen
«Leichenbestatter» (Dresdner Leichenordn.
von 1686), dazu Heimbürgin f. «Leichenfrau»
(kursächs. Reskript von 1773). Heimfall,
m., 1691 bei Stieler; heimfallen, v., bei
Luther und 1540 bei Albenas dict. x 2^.
Heimgart(pn, m.: trauliche Zusammenkunft
außei'halb des eignen Hauses, Besuch, auf
alemann.-bajr.-österreichisch. Gebiete, schon
mhd. heim-, heingarte m., auch in urspr.
Bed. «eingefriedigter Garten». Heimkehr,
f., bei Klinger 6, 20 und Schiller 6, 351.
heimleuchten, v.: die Gäste abends mit
Fackeln oder sonstigen Leuchten nach Hause
geleiten, dann fortprügeln, beides 1775 bei
Adelung; tadelnd zurechtweisen (Reiskens
Lebensbeschr. 117). heimsuchen, v., mhd.
(schon im 12. Jh.) heime suochen «besuchen,
feindlich anfallen», urspr. «zu Hause, in seinem
Hause aufsuchen»; Heimsuchung, f.: «Be-
such des strafenden Gottes, bei Luther, mhd.
heimsuochunge f. « Hausfriedensbruch ». Hei m-
tücke, f.: heimliche Hinterlist, bei Klop-
stock 12, 42, fafür bei H. Sachs haimliche
Duck, hemische Duck; heimtückisch, adj.,
1575 bei Fischart Garg. 91 heimdückisch, 248
heimduckisch. heimwärts, adv.. 1535 im
Aimon c heimwerts , mhd. heimtvart, -wert,
ahd. heimtvartes, heimortes und heimort.
Heimweh, n.: krankhafte Sehnsucht nach
der Heimat, ein urspr. schweizensches Wort,
1678 in des Basler Arztes Job. Jakob Härder
Dissertatio medica de vocTaX.Yia oder Heim-
wehe oder Heimsucht, 1705 in Scheuchzers
Seltsamer Naturgeschichten des Schweizer-
landes wöchentliche Erzehlung Nr. 15, S. 57
Heimwehe n., danach bei Steinbach 1734 Heim-
weh n., femer um 1715 auch Heimwehe f.
bei Callenbach Wurmland 53. Vgl. Kluge
ZfdW. 2, 234. Heimwesen, n., mhd. heim-
wesen n. «Hauswesen».
Hein in Freund Hein: der Tod, nach
alter Ansicht als wohlwollendes freundliches
Wesen aufgefaßt. Erst 1774 von Claudius
mit der Schreibung Hain eingeführt und
schnell geläufig geworden, 1778 bei Lessing
12, 505 Freund Hein, als vriend Hein selbst
ins Neuniederl. eingedrungen. Hein ist nd.
Koseform von Heinrich und wie engl, old
Harry, the Lord Harry Name des Teufels,
der auch spätmhd. Heyn heißt, 1570 bei
Agricola Sprichw. 321^ Henn «der Teuffei»;
ebenso sind Heinrich und Heinz Kobold-
namen, volkstümliche Umschreibungen für
gefürchtete Wesen.
Heinrich,Mannsname. Mhd. Hein-, Heim-
rieh, ahd. Heimirich, Heim-, Heinrih, zgs.
aus ahd. heim n. «Haus» (s. Heim) und rih
(s. -rieh). Sanfter Heinrich im Osterland
ein gutmütiger, sich viel gefallen lassender
Mensch, dann ein langsamer Walzer, auf
einem Tanzliede beruhend: in Berlin dagegen
eine Art gemischten Branntweins (Germania
5, 384). Die Pflanzennamen : höser Heinrich
(Orobanche major, Sommerwurz, 1541 bei
Gesner Catalogus plantanim), großer Heinrich
(Inula helenium, Alantwurz, bei Nemnich 1794),
jM^er JEfmncA(Chenopodium bonus Henricus),
der gemeine Gänsefuß, 1530 bei Brunfels und
Bock), stolzer Heinrich (dieselbe Pflanze, bei
Bock), gehen, wie es scheint, auf die Vor-
stellung von Eiben und Kobolden, denen man
den Namen Heinrich oder Heinz beilegte und
die Heilkraft jener Kräuter zuschrieb (s. Hein).
heint, adv.: diese (vorhergegangene oder
nächstkommende) Nacht. Mhd. hint, hinat,
hinet und (vielleicht eine Analogiebildung nach
heute) hinte (noch obersächs. hinte), unver-
kürzt Mwa/i^, hineht, im 15. Jh. heinacht, heint,
ahd. hinaht, entstanden aus einem Kasus eines
alten Demonstrativpronomens, dessen Reste in
got. himma daga «an diesem Tage», und hitia
dag «bis auf diesen Tag», uyid hita nu «bis
jetzt» (Akk. Sg. Neutr.) erhalten sind. Die
Etymologie dieses Stammes ist nicht ganz
klar. Einerseits stimmt hi-, ho- zu lit. sis,
abg. sl, arm. -s «dieser», alb. si-vjet «in
diesem Jahr», gr. crmepov aus *kjämeron
53*
839
Heinz
heiser
840
«heute», anderseits in der Bedeutung vor-
trefflich zu lat. hie, vgl. heute und hodie.
Das Lat. und Germ, könnte man aber nur
unter dem Ansatz von kh vereinigen, vgl.
haben, Hamen. Die Schwierigkeiten sind
noch nicht gelöst. Vgl. Bi-ugmann Abh. K.
Sachs. Ges. d. Wiss. 22, Nr. 6, S. 69 ff. Im
Deutschen zeigen den Stamm h noch heuer,
heute, hier (s. d.) und vergleiche her, hin,
hinnen. Aus Vermischung mit heute ent-
stand die Form heunt (bei Maler Müller,
1691 bei Stieler und schon 1388 heunt Nürnb.
Chron. 1, 156, 14).
Heinz, kürzender Kosename für Heinrich
(s. d.). Mhd. Heinze. Als Name des ge-
schäftigen Hauskobolds alsdann auf Geräte
angewendet, wie die Wasserhebemaschine im
älteren Bergbau (1562 bei Mathesius Sar. 207*
Heintz). Auch auf Tiere übertragen, z. B.
als Name des Zugochsen (Frisch 1741), des
Katers (1595 bei Rollenhagen Froschm. Heinz
der Waldkater, s. Hinz), der wilden Wald-
bienen [Waldheinzen 1765 bei Overbeck
Bienenwbch.). Zgs. mit dem Dim. Heinzel
m. (oberd. Name des jungen Pferds oder
Stierkalbs, älternhd. Spielpuppe, Marionette)
Heinzelmäunclien, n.: Kobold, Hausgeist,
1540 bei Alberus dict. BB3^ Heintzelmann,
Heintzelmenchen, bei Luther Heinzlein, 1646
bei Philander 5, 328 Hanselmännerlein PI.
Heirat, f. (PI. -en): Eingehung der Ehe.
Bei Luther Heyrat f. und meist m., mhd.-
ahd. Mrät m. und f., urspr. «Zurüstung des
Hausstandes», noch bayr. Heirat m. «Ehe-
vertrag», wetterauisch Heurat m. «Bräuti-
gam in Beziehung auf die Braut»; durch
Anknüpfung an heuern (s. d.) «mieten» vom
16. bis 18. Jh. die Schreibung Heurat (1535
im Aimon J 4 Heurath m.). Zgs. mit ahd.-
mhd. rät m. «Beratung, Verhandlung, Zu-
rüstung» (s. Bat) und einem Wortstamm,
der vorliegt in got. heiwafrauja m. «Haus-
herr», ahd. hiwo m. «Gatte, Hausgenosse»,
hiwa f. «Gattin», Mun PI. «beide Gatten,
beide Dienstboten», Mwiskin. «Famüie, Haus-
gesinde, Haushaltung», huvan «heiraten», ags.
hiwan PI. «Hausgesinde», hlreä, Mrd m. und
Mwrceden f. «Familie, Haushalt», hlwisc n.
«Familie», hlwian «heiraten», anord. hjü,
hjün PI. «Mann und Frau, Ehepaar, Dienst-
boten», hyski n. «Hausgenossen, Familie»,
hyhyli PI. «Hauswesen, Haus, Inbegriff der
Hausleute», urverwandt mit lat. clvis m.
«Bürger», ir. cm «Mann», lett. seivai. «Weib»,
aind. f^vas «lieb, wert», ctws« günstig, gütig,
heilsam». Zu dem Stamm des Wortes ge-
hört auch wohl Heim (s. d.). Weitere Ver-
gleiche bei Walde s. v. clvis. ABL. hei-
raten, V., mhd. Mräten, wodurch das gleich-
bed. mhd. Miven, hten verdrängt wui'de. Im
16. — 18. Jh. die Schreibung heuraten, woraus
verkürzt schwäb. heuern «heiraten» (ßchuha,rt
2, 254), schon 1523 bei Luther 1. Mos. 38, 8
sich verheiren.
heisa! Interj. der Lustigkeit. 1668 bei
Schuster bestrafte Verleumdung 56 heissa,
aus hei (s. d.) und sa\ (s. d.), noch bei Wie-
land 11, 214 hey sal
heisch, s. heiser.
heischen, V.: abfragen, um etw. anliegen;
dringend fordern. Mhd. heischen, ahd. (selten)
heiskon mit Anlehnung an heißen (s, d.) aus
mhd. eischen, ahd. eiscön «forschen, fragen,
fordern» (wovon ahd. eisca f. «Frage»); da-
zu asächs. escon, nndl. eischen, afries. äskia,
ags.äscian, äxian, enghask, (entlehnt) schwed.
äska, dän. äske. Urverwandt mit lit. jieskoti,
abg. iskati «suchen», armen, aif «Unter-
suchung», aind. icchäti «er sucht», die mit
einem Suffix -sko von einem Stamme abge-
leitet sind, der noch in aind. esäs m. «Wunsch,
Wahl», lat. aeruscäre «bitten» voi'liegt. Nach
Analogie von heißen bildete sich im Mhd.
und. Älternhd. starke Flexion: Prät. iesch
und hiesch, Part, geeischen und geheischen
(noch bei Goethe 8, 152 geheischen). ZUS.
Heischesatz, m.: aus einem Satze hervor-
gehender, ohne Beweis zuzugebender Satz,
Postulat, 1716 bei Christian Wolff Mathemat.
Lex. 1086.
heiser, adj.: rauhen, unreinen Klanges.
Mhd. heiser (auch unvollkommen, schwach,
Mangel habend), im 12. Jh. heisir, mittels
der Ableitungssilbe -er, ahd. -ar (vgl. hitter,
hager, mager) aus gleichbed. mhd. heis, heise,
ahd. heis, heisi; dazu nd. im 15. Jh. hes,
ags. häs, mit r mittelengl. hörse neben höse,
engl, hoarse, mndl. heersch neben heesch. Mit
Übergang des s in seh md. 1340 heish
(Fundgr. 1, 376^), aus dem Md. bei Luther
und Geliert 1, 70 heisch, mnd. hesch, heisch,
nndl. heesch, und demgemäß im 16. bis ins
19. Jh. heischer (1588 bei Tabernämontanus,
noch Lessing 1, 131, Uhland und Rückert).
Die verschiednen Formen erfordern eine
Grundform *hairsa-, vielleicht dui'ch Um-
stellung aus *haisi'a-, für das aber etymo-
logische Anknüpfung fehlt. ABL. Heiser-
841
heiß
Hekatombe
842
keit, f., md. im 14. Jh. haiserhait, im 15. Jh.
haysercJiait, -keit (Diefenb. gl. 485*^).
heiß, adj.: empfindlich oder brennend
warm. Mhd. und ahd. heig: dazu asächs.-
mnd.-afi'ies. het, mnd. auch hot, nndl. heet,
ags. hat, engl, hot, anord. heitr, schwed. het,
dän. hed, im Adv. mhd. heige, ahd. heigo,
asächs. heto, ags. häte. Gleichen Stammes
wie Hitze (s. d.), got. heitö f. «Fieber». Ge-
wöhnlich vergleicht man lit. kaiträ f. «Feuer-
glut», kaitrüs «Hitze gebend», kaltinti «er-
hitzen», doch stimmt der auslautende Dental
nicht (vgl. Zupitza 112), und die Worte könnten
aus dem Genn. heiter entlehnt sein. Viel-
leicht zu aind. cvindate «glänzt, leuchtet»,
lit. svidüs «blank, glänzend», d. iveiß, got.
heits mit idg. Schwund des w. ZUS. Heiß-
hunger, m.: brennender, unwiderstehlicher
Hunger, bei Krämer 1678; davon heiß-
hungrig, adj., bei Opitz (1629) 1, 128.
Heißsporn, m.: stürmischer Hitzkopf zur
Tat, eingeführt durch Schlegel Shakesp. Hein-
rich IV. 1. Teil, nach engl, hotsjpur.
^heißen, V. (Prät. hieß, Konj. hieße, Part.
geheißen): ausdrücklich wozu antreiben (mit
Akk., derpativ erst im 18. Jh.); einen Namen
geben oder führen. In beiden Bed. mhd.
heilen, ahd. hei§an (Prät. hia§, hieg, Part.
hei^aii) ; dazu asächs. hetan, nndl. heten, afries.
heta, ags. hätan, anord. heita, schwed. hetta,
dän. hede, got. haitan (Prät. haihait) «nennen,
rufen, einladen, befehlen» und im Pass. Jiai-
tada «ich werde genannt, heiße», wie ags.
hätte Präs. und Prät. «ich heiße, ich hieß».
Im Prät. ndrhein.-md. im 12. Jh. hei§, wie
noch heute wetterauisch heiß] die ahd. ein-
fache Form des Part. Prät. hei^an, mhd.
heilen, klingt noch in Verbindung mit dem
Hilfszeitwort haben durch, z. B. er hat ihn
gehen heißen. Ein in Form und Bedeutung
genau entsprechendes Wort liegt in den ver-
wandten Sprachen nicht vor. Je nachdem,
was man als ursprüngliche Grundbedeutung
ansetzt, kann man vergleichen: abg. cediti
«seihen», lit. skiesti «scheiden», gr. cxi^eiv
«spalten», also urspr. «unterscheiden», oder
lat. caedere «hauen», Grdb. «mit einer Marke
versehen». Beides unsicher. Vgl. Uhlenbeck
Btr. 30, 287.
"heißen, s. hissen.
Heister, m. (-.§, PI. -n): junges, stabartig
emporgeschossenes Buchenstämmchen. 1663
bei Schotte!, 1775 bei Adelung als nieder-
sächsisch, auch noch in Hessen gebräuchlich.
Mhd. (fi-änk.-hess.) heister m. «junger Buchen-
stamm»: dazu mnd. heister, hester «junger
Baum», bes. von Eichen und Buchen, ndl.
heester m., woraus entlehnt franz. hetre, fiiiher
hestre m. «Buche», fries. hestei'. Mittels der
Ableitungssilbe ahd. -tar (s. Holunder, Wach-
holder) aus einem Wortstamm, der noch in
andd. Hesiioald, dem Namen des Höhenzugs
an der Euhi-, mlat. silva Caesia, vorliegt.
Vgl. noch Hellquist Ark. 17, 66.
-heit, Ableitungssilbe, die Art und Weise,
den Zustand, das Wesen, die Gesamtheit be-
zeichnend. Mhd.-ahd. -heit, ags. häd, engl.
-hood und -head; dagegen als selbständiges
Wort mhd. heitt «Art und Weise, BeschaflPen-
heit, Stand», ahd. heit m. f. «Art, Geschlecht,
Stand, Person», noch wetterauisch ledige)' Heit
«im ledigen Stande»; dazu asächs. hed m.
«Stand, Würde», ags. häd m.« Art, Geschlecht,
Person, Inbegriff von Personen», anord. heidr
m. «Ehre, Würde», got. haidus m. «Art,
Weise». Gleichen Stammes wie heiter (s. d.),
anord. heid n. «wolkenloser Himmel», genau
entsprechend aind. Ä;e#r/sm. «Lichterscheinung,
Helle, Bild, Erkennungszeichen», dazu aind.
cetati «nimmt wahr». Vgl. -keit.
heiter, adj.: rein an Licht, hell, klar;
angenehm stimmend und gestimmt (1741 bei
Frisch, doch schon 1510 bei Keisersberg Sieben
Schänden h 6^ «ruhig, von Leidenschaft frei»,
ausgehend von der Bed. «klar», z. B. heiter
reden 1556 bei Frisius 789^). In urspr. Bed.
mhd. heiter, ahd. heitar «hell, glänzend, wolken-
los»; dazu asächs. hedar, ags. hädor', anord.
heidr, schwed. heder, dän. häder; urvei^wandt
mit ablautendem aind. citräs «glänzend»,
awest. cipra- «hell, bunt», (mit s im Anlaut)
lit. skaidriis «hell, klar». Das Wort ist
eigentlich eine Ableitung von -heit (s. d.).
ABL. Heitre, f.: Klarheit, Helligkeit, mhd.
heitere, heiter f., ahd. heitert f.; bei Klop-
stock 1773 auch wie Äthe>' (s. d.) gesetzt.
heitern, V.: in auf-, erheitern, mhd. heitern,
ahd. heitarön, asächs. hedron. Heiterkeit,
f., mhd. heiterkeit f.
heizen, V.: heiß machen. 'Mhd.-ahd. heizen
neben heilen (vgl. heizen): dazu ndl. heeten,
ags. hcetan, engl, heat «heizen», anord. heita,
«heiß machen, sieden;. Davon Heizer, ra.,
1691 bei Stieler. Heizung, f., ebd.
Hekatombe, f. (PI. -n): großes, feier-
liches Opfer, urspr. von 100 Rindern oder
Widdern. 1756 bei Wieland Cyrus 2, 298,
aus gr.-lat. hecatombe, gr. iKaTÖußn f., zgs.
843
Hektar
hell
844
mit ^Kaxöv «hundert» und -ßn, das zu ßoöc
«Rind» gehört.
Hektar, m. n. {-s, PI. -e)-. Bodenflächen-
maß von 100 Ar oder 10000 Quadratmetern.
1868 gesetzlich aufgenommen aus franz. hec-
tare m., zgs. aus gr. ^kotöv «hundert», und
Ar (s. d.).
hektisch, adj.: schwindsüchtig, auszeh-
rend. Im 18. Jh. (Goethe 27, 202), aus gleichbed.
gr.-mlat. hedicus, gr. ^ktiköc, urspr. «eine
Eigenschaft, einen bleibenden Zustand habend».
hektographieren, V. : vervielfältigen. Von
gr. ^KOTÖv «hundert» und Ypoiqpeiv «schi'eiben».
Bildung der neuern Zeit.
Hektoliter, n. m. (-s, PI. wie Sg.): 100
Liter. 1868 gesetzlich aufgenommen aus franz.
hectolitre m., zgs. aus gi\ dKaxöv «hundert»,
und Liter (s. d.). Die deutsche Benennung
für Hektoliter ist Faß n.
Held, m. {-en, PI. -en): mutvoller, aus-
harrender Kämpfer; der Mittelpunkt einer
Begebenheit (im 18. Jh., z. B. bei Wieland
19, 283, aber noch von Schönaich 1754 ab-
gelehnt). In der 1. Bed. mhd. Jielt, im 12. Jh.
helit, helet m., PI. helide, helede (fmher kommt
das Wort im Hochd. nicht vor) : dazu asächs.
lielith, Jieliä m. «Mann», mnd. lield, ags. hoß-
lep, heleß und hcelem. «Mann, tapfrer Kämpfer»,
anord. höldr und halr m. «Mann». Wohl zu
ir. calatJi, kymr. caled «hart». Anders Sobnsen
KZ. 34, 548. Held hatte urspr. starke Flexion,
mhd. Gen. heldes, PI. helde, der Gen. Heldes
noch bei Eabener Sat. 4, 10, der Akk, Sg.
Held bei Luther, Lessing 1, 207 und Schiller
1, 344 und 347; erst in der zweiten Hälfte
des 14. Jh. taucht einzeln der schwachbiegende
Plur. Helden auf, und die schwachen Formen
überwiegen schon zu Anfang des 16. Jh. ABL.
Heldin, f., md. im 13. Jh. heldinne f. ZUS.
Heldenbuch, n., im 15. Jh. helden buch
(Gödeke Gr. - 1, 274). Heldengedicht, n.,
1669 bei Grimmeishausen Simpl. 262. helden-
haft, adj., 1691 bei Stieler. heldenmäßig,
adj., 1673 bei Weise Erzn. 99. Heldenmut,
m., 1642 bei Duez vmd 1657 bei Schuppius
267; heldenmütig, adj., 1691 bei Stieler.
Heldensage, f., bei Goethe 28, 143. Helden-
tat, f., 1664 bei Duez. Heldentum, n.,
bei Wieland Musarion 18.
helfen, v. (Präs. helfe, hilfst, MIß, Prät.
half, Konj. Mlfe, auch wie älternhd. hülfe,
Part, geholfen): sich tätig annehmen; tätig
unterstützen, fördern. Mhd. helfen, ahd.
helfan (Präs. hilfu, hilfis und hilfist, hilfit,
Prät. half, PI. hulfun, Konj. hulfi,, Part, gi-
holfan, das Prät. im 17. Jb. auch half (Stieler
1691), der Plur. noch bei Luther wir hülfen,
neben sie holfen (1. Chron. 13, 12), ir Imlft
(Richter 12, 2), 1580 bei Wui-stisen Basl.
Chron. 201 sie halfen; dazu asächs. helpan,
mnd. und ndl. helpen, afries. helpa, ags. hel-
pan, engl, help, anord. hjalpa, schwed. hjälpa,
dän. hjälpe, got. hilpan. urverwandt mit,
aber mit unregelmäßiger Lautverschiebung,
lit. selpiii «ich helfe», selbiuos (?) «suche mir
zu helfen», pasalpä f. «Unterstützung». ABL.
Helfer, m., mhd. helfcere, helfer, ahd. hei-
färi m.; dazu mndrhein. helpere, mnd. helper;
Helfershelfer, m., im 15. Jh. helffershelffer
m. «Mithelfer im Streit, Streitgenosse» (1412
beiHaltaus, 1449 bei Janssen Reichscorr. 2, 106).
hell, adj.: schallend, hoch klingend ; lichter
Farbe; augenscheinlich, offenbar ((Zie helle War-
heit, 1642 bei Armatus Rettung der edlen
teutschen Hauptsprache B 1^). Mhd. hei
«tönend, laut, glänzend, licht», erst im Nhd.
auf Farben übertragen, die sich dem Weiß
nähern (1691 bei Stieler hellbraun), ahd. hei
«tönend» (nui- in gihel, unhel, missahel).
Gleichen Stammes wie Hall (s. d.) und mhd.
hellen, ahd.-and. hellan «ertönen». Dazu wohl
noch anord. huellr «hell, laut», und mit an-
laut. -s nschwed. shwella «^viderhallen», anord.
skual «Plauderei» und aus andern Sprachen
gr. KeXaboc m. «Getöse», Ka\eiv «rufen», lat.
caläre «ausrufen», lett. kaföt «schwatzen»
u. a. Vgl. Walde s. v. GewöhnHch wird
auch holen (s. d.) hierhergestellt. In schwacher
Form helle im 15. Jh. bei Diefenb. gl. 95°
und 542'', noch bei Goethe 1, 196, Rückert
Ged. 289; das Adv. mhd. helle, noch bei
Uhland Ged. 817 helle. Die hellen Tränen
(1561 im Amadis 1, 92 die hellen Zäher),
urspr. die «lichten, blinkenden». De/" helle
Haufe, im 16. Jb. «das durch lautes Geräusch
und Waffenglanz weithin bemerkbare Haupt-
heer» (bei H. Sachs 10, 109 der hell Häuf),
danach bildlich mit, in hellen Haufen (1624
bei Opitz Werke 231 mit heuern Haufen).
ABL. Helle, f.: Helligkeit, mhd. helle f.
hellen, v. : hell machen (nur in auf-, er-
hellen); hell werden, mhd. hellen, bei Goethe
3, 3 sich hellen. Helligkeit, f., 1537 bei
Dasypodius. ZTJS. Hellseher, m.: der
Seher verborgner Dinge auf übernatüi-lichem
(magnetischem) Wege, 1710 bei Gottschling
Gracians Criticon 3, 163 nach dem franz.
dairvoyant.
845
Hellbauk
Hemd
846
Hellbauk, s. Hölle.
Hellebarde, f. (PI. -n)-. Spieß mit Beil-
eisen zum Hauen und Stechen. Mhd, und
nocli im 16. Jh. helmbarte, dann abgeschwächt
h^ln-, hellen-, helbarte f., d. h. Barte (s. ^Barte)
zum Durchhauen des Helmes im Kampfe,
aber nicht zgs. mit Hehn «Stiel» (s. d.), den
jede Barte hat. Aus dem Deutschen ent-
lehnt gleichbed. franz. hallebarde, ital.-span.-
portug. alabardaf., hieraus Schweiz, im 16. Jh.
Halleharte, -parte. Davon Hellebardier,
m. (-S, PI. -e). 1597 bei Gilhusius Gramma-
tica 124 Hellpartirer, noch franz. haXlebardier,
Span, alabardero m. «Hellebardenträger».
Heller, m. {-s, PI. wie Sg.): kleinste
Kupfermünze, iihd. hallcere, haller, heller,
häller m., mit Auslassung des Wortes Pfennig
st^att (1359) hale^' phenning, mlat. (denarius)
Hallensis, d. h. zu Schwäbisch-Hall geprägter
Pfennig. Dagegen gleichbed. mhd. und mnd.
hellinc, ahd. JiaUing m. ist aus mhd. helbe-
linc, helhlinc m. «halber Pfennig» gekürzt.
heilig, adj. : abgemattet, müde, abgezehrt,
ganz ausgedorrt; leer oder blöde im Magen,
hungi-ig und durstig (Yoß Luise 2). In der
l.Bed. mh4. hellic.hellec, in der 2. frühnhd.;
mnd. heilich in beiden Bed. Das Adv. hellig
bei Luther Jer. 2, 25. Abgeleitet von dem
mhd. Adj. hei «körperlich nicht kräftig, am
Körper dünn, dürftig», niederhess. hal, hol
«abgemagert, mager, trocken, dürr, aus-
O O 7 O 7 7 7
trocknend», z.B. Hehlsau «mageres Schwein».
Dazu ndd. hal, ndl. haal «trocken» und lett.
kalstu. kalst «vertrocknen, verdorren», kalss
«mager», Äa Zfe^ «trocknen» (Zupitza 113). Da-
von heiligen, v. in ah-, hehelligen, mhd.
helligen, hellegen « durch Verfolgung ermüden,
stören, plagen, quälen», mnd. helligen «er-
müden, quälen».
Helling, f.: die zum Wasser geneigte
Ebene auf der Schiffswerft, dann die Wei-ft
selbst. Mnd. helling f., von mnd.-mhd. helden
«abschüssig geneigt sein», ahd. heldan, asächs.
in afheldjan «zu Ende kommen», ags. hyl-
dan, heldan «sich neigen», anord. halla. Zu
Halde (s. d.').
hellsch, s. höllisch.
^Helm, m. {-es, PI. -e): hohe metallene
Schirmbedeckung des Kopfes; das obere runde
Dach am Kirchturm (1561 bei Maaler). Li
urspr. Bed. mhd. -ahd. heim m.; dazu nd.-
ndl.-afries.-ags. heim m. (im Ags. auch «Be-
schützer, Hülle»), engl, heim, helmet, anord.
hjalmr m., schwed. hjälm, dän. hjelm. got.
hilms m. Gleichen Stammes wie ahd. helan
«verbergen, bedecken» [ä. hehlen), urverwandt
mit aind. gärma n. «Schutz»; aus dem Ger-
manischen entlehnt abg. slemü m. (daraus
lit. Palmas m.) «Helm», ferner ital.-altspan.-
port. elmo, franz. heaume, afranz. hehne, ebne
m. «Helm». ÄBL. helmen, v., nd. 1420
helmen «einen Helm aufsetzen» (Diefenbach
gl. 256 ^j, mhd. gehelmet Part.
"Helm, m. n. {-es, PI. -e): Stiel eines
Hauwerkzeuges. Um 1480 im Yoc. ine. teut.
k 8^ (Diefenbach gl. 104^) heim neben helb,
mhd. halm, halme m. neben halp, help m.
(PI. helbe), spätahd. halbe, helhe m. neben
ahd. halap, halp m. «Stiel, Handhabe», noch
bayi". Axthalh m. f. in der Bed. von hochd.
Axthelm (s. d.); dazu mnd. helve, helf, lielft
n. «Handgriff, Stiel». Gleichen Stammes ^vie
Halfter (s. d.). Davon verschieden ^Helm,
m.: Griff des Steuerruders, dann das Steuer-
ruder selbst. Xd,-ndl. hehn m., dazu ags.
helma m. «Steuerruder», engl, heim «Steuer-
ruder», anord. hjalm f. «Griff des Steuer-
ruders, Ruderpinne»; 1757 in Eggers Kriegs-
lex. 1, 1182 «Helm, der Knopf, der am Griffe
des Steuerruders befestiget ist, es wird auch
für den ganzen Griff genommen», danach
scheint das Wort gleichen Stammes mit Helm '^
zu sein, vgl. ags. heim «Kopf heim und Baum-
spitze, Wipfel».
hem, Literj. des Räusperns, des Bedenkens.
Als räuspernder L^ut schon 1519 bei Mumer
Geuchmatt 3328 und 4852 hem, hem.
Hemd, n. {-es, PI. -en): unmittelbar den
Leib bedeckendes Kleidungsstück. Mhd. he-
mede, hemde n., ahd. hemidi n. «langes Haus-,
Unterkleid», dann in heutiger Bedeutung;
dazu and. hemithi n. «camisia», afi-ies. he-
methe, hamede, ags. heme^e n. diminutive
Ableitung (wie ahd. jungidi, mhd. jungede
n. «Junges von Tieren») von ahd. hämo m.
«Hülle» (nur in Uhliamo «Leichnam», s. d.),
asächs. hämo m. «Hülle, Kleid» (in güdhamo
« Kampf kleid», fedarhamo «Federkleid der
Vögel, des Engels»), nd. ham-, liamel «Nach-
geburt» (Kindeshülle), ags. huma m. «Kleid»,
anord. hamr m. «Hülle, Haut, Balg, äußere
Gestalt», (mit s- Ableitung) hams m. «Hülse,
Schlangenbalg, Fruchtschale», got. nur in
gahamön «bekleiden», afhamön «entkleiden»;
dazu gall.-lat. im 5. Jh. camisia f. «leinener
Überwm-f, Hemd» (woraus altir. caimmse
«Hemd», ital. camicia, camiscia, span.-port.
camisa, franz. chemise f. «Hemd», afranz.
847
hemi-
hepp!
848
canse, cainse «Chorhemd»), camisia ent-
stammt aber wohl dem Germ. Vgl. ^ Hamen.
Älternhd. mit eingeschobenem h Hembde,
Henibd, im 16. und 17. Jh. (Zimra. Chron..
Krämer 1678) und noch in oberd. Mundarten
Hemmat, Hemmet, thür. Hemme, schwäb.-
schweiz. Hemh, bei H. Sachs Hern, Hemm.
Der Plur. lautet mhd. hemde, bei Luther
Hembde (Rieht. 14, 12), noch bei Stieler 1691
Hemde, vom 16. bis ins 18. Jh. Hemhder,
Hemder (noch bei Zachariä Phaeton 1, 34
und 3, 15, Voß Tausend u. e. Nacht 4, 255,
Schiller 4, 18), schon 1400 mhd. hemder (der
heil, drei Könige Buch, Gießener Handschr.
39^), im 18. Jh. durch die schwache Form
Hemden (Adelung 1775) verdrängt,
henii- in Zusammensetzungen, meist aus
neuerer Zeit, «halb», aus gleichbed. gr. fiiui-.
Hemisphäre, f. (PI.-«): Halbkugel. 1786
bei Schiller 4, 112 Hemisphäre f., 1784 bei
Herder Ideen 1, 1, 7 Hemisphär n., bei Les-
sing 5, 342 noch Hemisphärium n. Aus gr.-
lat. hemisphaerium n.,von gr. riini- und ccpmpa f.
«(Erd-, Himmels-) Kugel».
hemmen, v.: nicht weiter lassen. Md.
im 14. Jh. hemmin «zurückhalten, verhmdern»,
spätmhd. im 15. Jh. hemmen «fangen, fesseln»,
hamnen «fangen» (Weist. 1, 102), 1578 bei
Fischart Ehz. M 1^ hämmen «fangen», 1562
bei Mathesius Sar. 217*^ hemmen «hindern»,
neben mhd. hamen «aufhalten, hindern»; da-
zu anord. hemja (Prät. hamda) «hemmen»,
schwed. /?,ämma, dän. hemma «imZaum halten».
Salfränk. ist chamian «drücken, pressen» be-
legt. Wenn dies die ursprüngliche Bedeutung
ist, kann man lit. kamüoti «zusammenpressen,
stopfen», fcms^i «stopfen», Äamsa f., «Stopfung»
vergleichen. Vgl. Zupitza 108. Aus dem
Griech. kann hierher Krmöc m. «Maulkorb»
gezogen werden. Andre stellen es zu anord.
hörn f. «Schenkel» und denken an das Fesseln
des Viehs. Vgl. hemill «Stück zum Binden
des weidenden Viehs an den Schenkeln» und
hafa hemil ä «jem. im Zaume haben». Vgl.
auch lat. pedica f. «Fessel» von pes «Fuß».
ABL. Hemmnis, n., selten auch f., im
19. Jh. (1833 bei Jahn Merke z. d. Volks-
tum 165). Hemmnng, f., 1678 bei Krämer.
ZUS. Hemmkette, f., 1540 bei Alberus
dict. e 2^ Hemmketten f. Hemmschnh, m.:
schuhartige hemmendeVorrichtung am Wagen-
rade, 1566 bei Mathesius Luther 92, 25 (1576
Bl. 40^) Hemschuch.
Hengel, m. (-s, PI. wie Sg.): Wehrge-
hänge. Bei Luther (l. Kön. 22, 34 u. 2. Chron.
18, 33), aber erst in der zweiten Ausgabe
des Jahres 1541 von Luthers Bibel (vgl.
Mathesius Luther 1566 Bl. 164^). Mhd. hengel
m. «das Hängende, Hängsei», ferner «woran
etwas gehängt wird, Eisenhaken», im Md,
«Türangel». Abgeleitet von hangen (s. d.).
Hengst, m. (-es, PI. -e) : unverschnittenes
männliches Pferd. Diese Bed. seit dem 15. Jh.
(um 1480 im Voc. ine. teut. 1 5*^ hengst «equus
non castratus», Anfang des 15. Jh. admissarius,
stüt hengst bei Diefenbach gl. IS''), dagegen
mhd. hengest, hengst, ahd. hengist m. «ver-
schnittenes männliches Pferd, Wallach» (noch
bayr.), dann im Mhd. «großes Pferd über-
haupt». Als älteste Form bietet die Lex Sa-
lica hangisto: dazu mnd, hingest, hengest m.
«Pferd», dann «männliches unverschnittenes
Pferd, Streitroß», afries. hängst, hengst, hingst
m. «männliches Pferd», ags. hengest m. «männ-
liches Pferd », anord. hestr m. «Hengst, Pferd»
überhaupt, schwed. hast, dän. hest «Pferd»,
während schwed. -dän. hingst «Hengst» aus
dem Deutschen entlehnt ist. Das Wort sieht
aus wie ein Superlativ und könnte zu lit.
sankmti «springen machen, sprengen» gehören.
Also eig. «der beste Springer». Als Kom-
parativ dazu vielleicht lat. canterius «Wal-
lach» aus *cancterius. Vgl. Walde,
H-eukel, m. {-s, PL wie Sg,), um 1480
im Voc. ine. teut. i 4* henckel, Var. hengel,
1664 bei Duez Henckel; wovon henkeln,
V. : mit einem Henkel vex'sehen, 1734 bei
Steinbach. Von henken, v.: aufhängen,
mhd. henken (Prät. hancte), ahd. henchan
(Prät. hancta, hangta), neben ahd. hengan
«hängen» (s. d.). ABL. Henker, m, (-s,
PI. wie Sg.), mhd. henker m., daneben auch
hangcere und hdhoere, häher m.: damit .zgs.
Henkersknecht, m., 1664 bei Duez;
Henker(s)mahlzeit, f., letztes Essen des
zum Tode Vei'urteilten, 1699 bei Besold The-
saurus 2, 293*>, Henckermol 1575 bei Fischai-t
Garg. 68, übertr. «die letzte Mahlzeit vor
einem unangenehmen Ereignisse», 1669 bei
Grimmeishausen Simpl. 58 Hencker-Mahl.
Henne, f. (PI. -n)-. das weibliche Huhn.
Mhd. henne, ahd, henna f., woneben hanin.
henin und heninna f,; dazu mnd, henne, hinne,
ags, henn, engl, hen, mit Ablaut anord. höena
f. «Henne», schwed. höna, dän. hone. Femi-
ninbildung zu ' Hahn (s. d.).
Hepe, s. -Hippe.
hepp! hepphepp! Interjektion. Zuruf
849
Heppe
Herbarium
850
an Zugtiere, einen Fuß aufzuheben und Lock-
iTif für die springende Ziege. Dann Spott-
mf für die Juden seit 1819. Vgl. Hipplein.
Heppe, f.: Ziege, s. Hipplein.
her, demonstratives Pronominaladverb: in
der Richtung zu dem Sprechenden. Mhd.
here, hei' «hierher», ahd. hera, am Oberrhein
und in der Schweiz liara, ebenda mhd. und
älternhd. har (s. har), volltönig erhalten in
dem jetzt veralteten, zuerst in der zweiten
Hälfte des 16. Jh. erscheinenden -Jiero (an-,
his-, dahero), abgeleitet von demselben Pro-
nominalstamm wie heute, heint (s. d.); dazu
got. hiri «komm hierher»! ZUS. herab,
adv., mhd. her abe, dagegen älternhd. heräber
ist gekürzt aus mhd. herabher «von — her»;
herablassen, v. refl.: zu einem Niedem
gnädig abwärts steigen, 1716 bei Ludwig;
herabsetzten, V.: geringer machen an Wert
usw., 1757 bei Rabener Sat. 4, 60. heran,
adv., im 17. Jh. (bei Fleming 472 vom J.
1638, gekürzt rane 1601 bei Adrian Mitteil.
377), dafür im 16. Jh. anher. herauf, adv.,
mhd. her üf, ahd. hera üf, hara {(f. heraus,
adv., ahd. herq m^, älternhd. heraußer ge-
kürzt aus heraußher: herausfordern, v.:
zumKampfe fordern, 1590 beiDedekind christl.
Ritter 39*»; herausnehmen, v. refl.: sich
ohne Befugnis eine Freiheit nehmen, 1663
bei Schuppius 650: herausstreichen, v.:
lobend hervorheben, bei Luther 6, 546^,
H. Sachs Fastn. 52, 83. herbei, adv., bei
Luther er hei (2. Mos. 16, 9). herein, adv.,
mhd. her m. herfür, adv., mhd. hei- für
«hei-vor» (s. d.), heute nur noch altertüm-
lich und mundai-tlich. hergegen, adv., volks-
tümlich herentgegen, mhd. her engegene. her-
nach, adv., mhd. her nach, ahd. hera näh,
hara näh «nach diesem, nach dieser Zeit».
hernieder, adv., mhd. her nider, ahd. hera
nidar, hara nidar. herüber, adv., spätahd.
hara (hera) ubere. herum, adv.: im Kreise,
hier- und daher, da- und dorthin, mhd. her
umhe, her umb, vgl. umher, herunter, adv.,
mhd. herundei\ hervor, adv., erst im 16. Jh.
spärlich auftauchend, im. Mhd. her vür, vor
1122 here füre, ahd. hara furi. herwärts,
adv., mhd. herwert, herzu, adv., mhd. her
zuo, ahd. (bei Notker) hera zua, hara zu.
Heraldik, f.: Wappenkunde. 1728 bei
Sperander. Aus dem Fem. des neulat. Adj.
heraldicus, abgeleitet von mlat. heraldus m.
«Herold» (s. d.); die Herolde hatten bei
Turnieren und Festen die Wappen zu unter-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
suchen. Von dem Adj. heraldicus auch He-
räldiker, m. und heraldisch, adj. (bei
Goethe 27, 304).
Herauch, m. (-es, selten PI. -e): der
bläulich-weiße oder bläulich-rote nebelartige
Dunst bei trockner Luft und heißem Wetter.
1579 bei Mathesius Postilla3, 38^ Hehrauch,
1680 bei Lohenstem Sophonisbe 369 Häge-
rauch, bayr. Hairauch, Haidampf, Hainebel
ra. und Gehai n. (Österreich. Kai u., Schweiz.
Gehei m. «Hitznebel, Föhndunst»), abgeleitet
von ahd. hei «heiß, dürr» (Steinmeyer-Sievers
ahd. Gl. 1, 268, 28), hess. 1464 heye, 1476
hege «trocken» (Frisch 1, 396^), noch ober-
hessisch/iei, heie, heige, hege «trocken», schwäb.
gehai «düiT, ausgetrocknet, dunstig bei war-
mem Wetter», Schweiz, gehei «dunstig, tmbe»),
ahd, hei, gihei n. und mhd. gehei, geheie n.
«Hitze, Brand», ahd. arheigen, erheien und
mhd. heien «brennen». Umgebildet, da der
Dunst besonders gegen Höhen hin sichtbar
ist, 1784 im Teutschen Mercur 2, 3 Höhen-
rauch, bei Goethe 30, 53 Höherauch, 1851 bei
Freiligrath neue pol. Ged. 2, 35 Höhrauch,
in Westfalen und Fnesland Haarrauch,
nebhger Rauch, der von dem Brande eines
Moores entsteht (Immermann Münchhausen
3, 100 und 108, zuerst in einer Verordnung
Ernst Augusts von Osnabrück vom 20. April
1720, von westfäl. Haar f. «Höhe», s.'Haar):
ferner Hecrrauch 1796 bei Adelung und
bei Goethe Naturw. Sehr. 1, 64 Heidenrauch
1586 bei Rudolph Zeitbüchlein M 2^, Heide-
rauch 1788 bei Musäus Volksmärchen 2, 44.
heraus, s. hei:
herb, adj.: rauhscharf empfindlich, rauh-
scharf zusammenziehend (von Geschmack).
Md. im 14. Jh. herbe, mhd. hare, har und
hei'e, her, flekt. harewer, harwer und here-
wer, herwer, im 15. Jh. harb; dazu mnd.
herwen «herb machen». Vielleicht gleichen
Stammes wie Harm (s. d.) und das Adj.
asächs. härm, ags. hearm, herm «verletzend,
kränkend, schmerzlich». Vielleicht aber zu
einer Sippe, die «kratzen, scheren» bedeutete,
vgl. Keipeiv, ahd. skeran «scheren», lit. karths
«bitter», aind. kapus «scharf, beißend» u. a.
Vgl. Brugmann Idg. Forsch. 15, 97. ABL.
Herbe, f., spätmhd. herwe, herbe f. Herbig-
keit, f., 1664 bei Duez. herblich, adj.,
1741 bei Frisch. Herbling, s. Herling.
Herbarium, n. (-s, V\. Herbarien): Samm-
lung getrockneter Pflanzen. Aus gleichbed.
lat. herbärium n. von hei'ba f. «Kraut, junge
54
851
herbei
Herkommen
852
Saat». 1727 bei Sperander herharium vivum,
erst 1813 bei Campe Herharium.
herbei, s. her.
Herberge, f. (PI. -n) -. Ort und Haus zum
Übernachtbleiben für Fremde. Mhd. herherge
f. in dieser Bed., ahd. heriberga f. «ein das
Heer bergender Ort, Heei--, Feldlager», dann
«Haus zu Lagerung, zu Übernachtung»; da-
zu and. heriberga f. «Herberge», mittelengl.
her eher ge «Herberge», engl, harhour «Her-
berge, Zufluchtsort, Hafen», (entlehnt) anord.
herhergi n. «Ort zum Übernachten, Wohn-
stätte». Aus dem Germanischen entlehnt
afranz. herherge «Heerlager», nfranz. auherge
f. «Gasthof, Herberge», heberge f. «die Höhe
eines Gebäudes, der Endpunkt einer gemein-
schaftlichen Mauer», altspan.-ital. alber go m.
«Herberge». ABL. herbergen, V., mhd.
herber gen, ahd. herihergöti «ein Lager schlagen,
Feldlager haben», (zuerst im 12. Jh.) «Nacht-
lager nehmen», im Mhd. auch «Wohnung geben,
beherbergen», mnd. herbergen «beherbergen
und Herberge suchen».
Herbst, m. {-es, PI. -e)-. die Jahreszeit
von der späten Tag- und Nachtgleiche bis
zum kürzesten Tage; die Ernte (Schiller 11,
63), bes. die Weinernte (mhd.). Mhd. herbest,
herbst, ahd. herhist m.; dazu mnd. hervest,
nndl. her f st, herft, ags. heerfest m., engl.
harvest (auch Erate), anord. haust n., schwed.-
dän. höstm.. «Herbst». Wohl von einem Stamm
gebildet, der vorliegt in gr. Kapiröc m. «Frucht»,
KopiTiZieiv «ernten», KpdüTTiov n. «Sichel», lat.
carpere «pflücken», lit. kifpti (Präs. kerpu)
«scheren», karptti «mit der Schere schnitzeln»,
aind. krpänas m, «Schwert». Also ein alter
Superlativ «am besten zu schneiden», wobei
wahrscheinlich «Mond» zu ergänzen ist, so
daß das Wort kein eigentlicher Jahreszeiten-
name wäre. ABL. herbsten, v.: ernten
(Pauli Schimpf 93 ^), insbes. Weinlese halten,
mhd. herbisten (Behaim Ev. Luk. 6, 44).
herbstlich, adj., 1541 bei Frisius 114*», nd.
1420 arfstelic bei Diefenb. gl. QS^. Herbst-
Hng, m.: der Blätterschwamm agaricus
deliciosus, Reizker, 1775 bei Adelmig; 1691
bei Stieler «im Herbst gebornes Vieh» und
«später Apfel». ZUS. Herbstmonat, m.,
mhd. herbestmänöt, als Name des Septembers
ahd. herhistmänöt m. Herbstzeitlose, f.,
1775 bei Adelung, s. Zeitlose.
Herd, m. (-es, PI. -e)-. Feuerstätte zum
Kochen im Hause. Mhd.hertm. (Gen. herdes),
ahd. herd m. «Erdboden», dann «Boden (be-
reitete Unterlage) für das Feuer», noch Schweiz.
Herd m. «Erdreich, Boden»; daneben ahd.
herda f.; dazu asächs. herth m. «Feuerherd»,
nndl. heert, haard, afries. herth, hirth, ags.
heorp m., engl, hearth «Herd». Die Herkunft
ist unbekannt. Die beiden Bedeutungen
«Boden» und «Herd» lassen sich vereinigen,
da der ursprüngliche Herd nichts andres als
der Boden war, und so könnte man Verwandt-
schaft mit gr. KpÖToc m. «Schlagen», lit. kertü
«schlage heftig» annehmen, also Herd «das
Festgeschlagne». Ist aber die Bedeutung
«Herd» urspiünglich, so kann man an Ver-
bindung mit got. haüri n. «Kohle» u. a. denken.
Vgl. Zupitza 114 und Walde s. v. carho.
Herde, f. (PI. -w): Menge beisammen be-
findlichen Viehes. Mhd, hert f., ahd. he7-ta f. ;
dazu ags. heord, engl, herd, anord. hjörd,
schwed.-dän. hjord, got. hairda f.; aus dem
Germanischen entlehnt afranz. herde «Herde,
Rudel», a{rn.nz.harde f. «Rudel». Urverwandt
mit aind. gärdhas m. «Schar», awest. sardäa- n.
«Art, Gattung». Daneben steht aber mit
Guttural statt Zischlaut lit. kerdz'us m. «Hirt»
und abg. creda f. «Reihe, Tagesfolge, Herde»,
dessen erste Bedeutung in ahd.Äerto «Wechsel»
wiederkehrt. Vielleicht sind diese aus dem
Germanischen entlehnt, wenigstens in der
Bedeutung «Herde», und ahd. herta, abg.
creda «Wechsel» ist davon zu trennen. ZUS.
Herdenmensch: Schlagwort, von Nietzsche
1869 geprägt.
herein, herfür, hergegen, s. her.
Hergang, m.: Verlauf, 1775 bei Adelung
als oberdeutsch; das Zeitwort hergehn «ver-
laufen» 1647 bei Rompier Reimgetichte 75
es geht hart her.
Hering, m. (-s, PI. -e): der Salzfisch
clupea harengus. Mhd. herinc, md. im 14. Jh.
häring, ahd. härinc und herinc m.; dazu and.
hering, nndl. haring, afries. hereng, ags. hcering
m., engl, herring, mlat. im 6. Jh. haringus.
Dafür anord. sild f., schwed. sill, däh. sild.
Aus dem Gei-manischen entlehnt franz. hareng
m., ital. aringa f., span.-port. arenque m. Die
Form herinc sieht aus wie eine Ableitung
von ahd, heri n. «Heer», also «der in Scharen
ziehende Heerfisch», während ahd. härung
Umdeutschung aus lat. halec «Fischlake, Salz-
fisch» vermuten läßt. Aber es kann auch
ganz etwas andres in dem Namen stecken.
Herkommen, n.: Abstammung (Luther
5,3^); Gewohnheit, Brauch (1452 bei Janssen
Reichskorr. 2, 118 nach altem herkommen).
853
Herling
Herr
854
Herling, m. (-s, PI. -e): um-eife Traube
aus später Blüte. Bei Luther Heerling, mlid.
herlinc m.., entstanden aus Herhling (Frisch
1, 445* «von herb, weil die Zähne davon
stumpf werden»).
Herlitze, f. (PI. -n)-. die Hornkirsche.
1557 bei Lonicer und 1578 bei Frischlein Xom.
Kap. 19 Hei'litze, 1561 bei Cordus Herlitzen-
haum, ahd. arliz-, erlizboum, harlezhoum. Vgl.
Björkmann ZfdW. 2, 214 und Ärlesbaum.
Hermandad, f.: Polizei (in etwas spöt-
tischem Sinne). 1791 bei Roth, Aus span.
santas Hermandades «heilige Brüderschaften»,
von span. herniano «Bnider» aus gleichbed.
lat. germänus. Sie kamen 1466 in Kastüien
zur Abwehr von Räubern auf.
Hermann, Mannsname. Ahd. Hari-.Heri-,
Hermann, eig. aber Appellativ mhd. here-.
hernian, ahd. harr-, herinian, ags. hereman,
anord. hermadr m. «zum Heerdienst verpflich-
teter Freier, Kriegsmann» (s. Heer und Mann).
Falsch für lat. Arminius gebraucht, schon
1536 bei Polychorius. Sueton 16% 1538 bei
S. Franck Chron. 1^^.
Hermaphrodit, m. {-en, PI. -en) -. Zwitter.
1512 in den Reichsordn. 83 '^ Hermofroditen
PI. Von gleichbed. gr.-lat. hermaphroditus m.,
gr. 4p^acppöbiToc m., eig. «Sohn des Hermes
und der Aphrodite».
Herme, f. (PI. -n) -. Bildsäule, bei der nur
der Kopf ausgearbeitet ist. Aus gr. 'Epufic,
eig. «der Name des Gottes». Ende des 18. Jh.
Hermelin, n. (-s, PI. -e): das große weiße
Wiesel des Nordens; m. das Pelzwerk dieses
Tieres. Im Nhd. mit fremder Betonung (nach
ital. ermellino) auf der letzten Silbe, mhd.
und ahd. aber auf der ersten. Mhd. hermelin
n. (auch das Pelzwerk), ahd. Iiarmelm n.,
Diminutiv des mhd. härme, härm, ahd. -and.
harmo m. «Wiesel, Hennehn», ags. hearma m.
«Wiesel», urverwandt mit lit. sermuo, sarmoms
m. «Wiesel, Hermelin», Aus dem Genna-
nischen entlehnt franz. hermine f., afranz. erme,
ermine f., ital. armellino, ermellino m., span.
armifw m., port. armelina f. «Hermelin». Nach
Meyer-Lübke Z. f. rom. Ph. 19, 94flF. steckt das
Wort auch in rhätorom. carmü.
hermetisch, adv.: luftdicht, in herme-
tisch verschlossen. 1716 im Mathemat, Lex,,
aus dem neulat. Adv. hermetice «chemisch», ,
eig, «mit geheimnisvollem Siegel versehen,
mit Bezug auf den luftdichten Verschluß
einer Glasröhre, den Hermes Trismegistus
erfunden, ein mythischer ägyptischer Weiser,
der für den Vater der Alchimie ( philo Sophia
hermetica) gehalten wurde».
hernach, hernieder, -hero, s. her.
hernehmen, v.: tadeln, eig. vor sich
zitieren (vom Richter). 1626 bei Zincgref
Apophth. 1, 170.
heroisch, adj.: heldenhaft, heldenmütig,
heldenmäßig. 1616 bei Albertinus Lucifer 5,
nach dem gr.-lat, Adj. heröicus «den Heroen
angehörig», von gr. rjpuac m. «Heros, Held».
Davon Heroismus, f.: Heldentum. Im 18. Jh,
Heroine, f.: Heldin. Im 17. -Jh.
Herold, m. {-s, PI. -e): Aufseher bei
Turnieren und Festen: feierlicher Bote und
Verkündiger. Spätmhd. im 14. Jh. heralt,
erhalt m., im 16. Jh. Ehrnhold. aus gleich-
bed. afranz, heralt m, (13, Jh,), nfranz, heraut
m,, das nebst ital, araldo, span. haraldo, aspan.
haraute, mlat. haraldus, heraldus, heroldus m.
auf einem vermuteten ahd. heriwalto «Heer-
beamter» beruht, noch erhalten im asächs.
Eigennamen Heriold, anord. Haraldr.
Herr, m. (Gen. u. PI. -en, -n): der Be-
fehlende und der zu befehlen Befugte, auch
als Ehrentitel. In der 1. Bed. unverkürzt
Herre noch bei Goethe 6, 128, Schiller Teil
3, 1. Mhd. herre, herre (in der Anrede her,
her), ahd. heriro, herro, herro m. ; dazu asächs.
herro, ndl. heer, afries. hera, her, aus Nieder-
deutschland entlehnt ags. hearra, herra und
anord, /«erra, herri, schwed,-dän. Äerre m. Ahd.
heriro ist urspr. schwachbiegender Kompa-
rativ von hehr (s, d.), also «der Erhabnere,
Vornehmere, Gewaltigere» oder noch mit der
ursprünglichen Bedeutung «alt»; ähnlich aus
lat. senior «der Altre» franz. seigneur, sire
und sieur, ital. signore, span. senor m. «Herr».
ABL. Herrin, f., 1537 bei Dasypodius, da-
für mhd. vrouive «Frau», ahd. neben fromva
auch herra f. herrisch, adj.: sich als Herr
benehmend, bes. in auffälliger, beleidigender
Weise (1691 bei Stieler), mhd. herisch, hersch
«nach Herrenart sich benehmend, herrlich»,
urspr. von mhd.-ahd. her, hehr (s. d.) abge-
leitet, dann aber auf Herr bezogen, wie mhd.
herrisch bei Frauenlob zeigt, herrlich, adj.,
mhd. herlich, ahd. herlih «erhaben, vornehm,
ausgezeichnet, glänz-, prachtvoll», and. herlik
«vornehm», noch 1540 bei Alberus dict. cc3*
herlich, hehrlich, im Adv. mhd. herlwhe, ab-
geleitet von hehr (s, d,), aber auf Herr be-
zogen, bereits bei Luther herrlich, wie mhd.
herrenlich «herrlich» und and, herrilik (?)
«dem Herrn gehörig», Herrlichkeit, f.,
54*
855
herrühren
Herz
856
spätmhd. hetiicheit f. Herrschaft, f., mhd.
Mrscliaft, ahd. herscaß, herscaf f. «Herren-
würde, Herrenmacht, Hoheit, Herrlichkeit,
Herrenbesitz, oberherrliches Gebiet, Herr und
Frau gegenüber der Dienerschaft»; dazu and.
herskepin. «Herrschaft», urspr. abgeleitet von
hehr (s. d.), später als Ableitung von Herr
umgebildet bei Luther Herr schafft; davon
herrschaftlich, adj., 1691 bei Stieler.
herrschen, v.: Herrenmacht, Obergewalt
haben, mhd. im 13. Jh. her sehen, md. im
14. Jh. herschin, im VoC; ex quo 1469 her-
schen, gewöhnlich mhd. hersen, hersen, ahd,
hei'isön, von hehr ("s. d.) abgeleitet, aber im
Gedanken an Herr bereits ahd. herreson, bei
Luther herrschen. Davon Herrscher, m.,
bei Luther, mhd. im 13. Jh. herscher, dann
her seh er, ahd. herisari m.: Herrscherin, f.,
1691 bei Stieler; Herrschsucht, f., bei
Ludwig 1716 und Thomasius Einl. 203. ZUS.
Herrgott, m., mhd. herregot, 1402 herrgot
m.; Herrgottskäfer, m.: der Blattlaus-
käfer coccinella, 1664 bei Duez Herrgotts-
kühlein, Herrgottsthierlein.
herrühren, v. : von etw. seinen Ursprung
haben, 1642 bei Duez, spätmhd. riieren.
herstellen, v.: in den ui'sprünglichen
Zustand zuräckversetzen , 1741 bei Frisch,
gekürzt aus niederher stellen.
herüber, herum, herunter, hervor,
s. her.
Herz, n. {-ens, PI. -en): aufnehmendes
und ausströmendes Blutgehäuse der Brust;
in der Spielkarte das franz. coeur (1578 bei
Frischlin Nom. cap. 177 Hertz): das In-
nerste, der Mittelpunkt von etwas (1534 bei
Franck Weltb. 165», md. im 14. Jh. der
Butzen am Apfel des Zedernbaums); bild-
lich als Sitz der Seele, Empfindungsvermögen
usw. (schon mhd.-ahd.). Mhd. herze, ahd.
herza n.; dazu asächs. herta n., mnd. herte,
nd.-ndl. hart n., afries. herte, hirte f., ags.
heorte f., engl, heart, anord. hjarta n., schwed.
hjerta, dän. hjerte, got. hairtö n. Verwandt
mit gleichbedeut. lat. cor n. (Gen. cordis),
gr. Kapbia f. imd Kf|p n., abg. snidtce n., lit,
sirdh f., aii-. cride, armen, sirt; awest. zdrdd-,
zdrddkija- n., aind. hfd, hfdajam n. zeigen
andern Anlaut und sind daher von Herz zu
trennen. Der Nom. Sg. unverkürzt Herze noch
bei Lessing 2, 293, Goethe 1, 173, Rückert,
Heine; der Gen. Sg. wie mhd. bei Luther,
Fleming, Logau usw. Herz&ti, spätmhd. im
15. Jahrh. hertzens, wie 1722 bei Freyer
Herzens neben Herzen; der Dat. Sg. bis-
weilen starkflekt., bei Lessing 6, 321 Herze,
wie schon mhd.; ebenso der Nom. PI. mhd.
neben herzen zuweilen herze, im \Q.ih. herzer
(Zimm. Chrom- 1, 418, 38). ABL. Herz-
chen, n.: Liebchen, 1594 bei H. J. von
Braunschweig 426. herzen, v.: liebkosen,
1470 bei Diefenbach gl. 31^ herczen, anders
mhd. herzen «mit einem Herzen versehen».
herzhaft, adj., mhd. herzehaft «beherzt»,
dann «besonnen, verständig»; Herzhaftig-
keit, f., 1537 bei Dasypodius. herzig, adj.:
anmutend, liebenswert, 1561 im Amadis 1, 295,
dagegen mhd. nur in Zussetz. wie steinherzec.
herzlich, adj., mhd. herze-, herzenlich neben
herzeclich, mnd. hertelik. ZUS. Herzaller-
liehste, f., 1595 bei Rollenhagen Froschm.
1, 1, 8, 36, als Adj. oft im 16. Jh. Herzblatt,
n.: das Zwerchfell als Sitz des Lebens, 1711
bei Rädlein; das Innere der Pflanze, 1775 bei
Adelung; der mittlere Teil des Kleeblattes,
1660 bei Fleming 641 bildlich; das Edelste,
Liebste, 1775 bei Adelung. Als Pflanzen-
name schon mhd. herzeblat. Herzblut, n.,
mhd. herzehluot n. herzbrechend, part.
Adj., Ende des 16. Jh. bei Schweinichen 1,
280, bereits mhd. herze-, herzhrechen n. «das
Herzbrechen, der Tod». Herzeleid, n., mhd.
herze-, herzenleit n., daneben herzeleide f.,
mn'd. herte-. hertenlet n. Herzenslust, f.,
bei Luther 1. Thess. 2, 8 Hertzenlust. Herz-
gespann, n. (-.s): Magenkrampf, den man
sich als Spannung der das Herz umgebenden
Haut dachte, 1519 bei Luther Kommentar
zum Galaterbrief He7'zgespan, mhd. herzspan
n. ; dann die Pflanze leonurus cardiaca, gegen
den Magenkrampf angewandt, im 14. Jh.
hertzgespann bei Diefenbach gl, 639», um
1480 im Yoc. ine. teut. 15'' hertzenspan, mud.
hertespan. Herzgrube, f., 1537 bei Dasy-
podius Hertzgrilbel n. herzinnig, adj., 1659
bei Butschky Kanzl. 2. Herzkammer, f.,
1741 bei Frisch, herzlieb, adj., mhd. herze-
liep, mnd. hertelef. herzlos, adj., mhd.
herzelös. herzschlächtig, adj.: herzkrank,
bes. von Pferden, deren sichtbares Flanken-
schlagen (Bauchatmen) in der Herzgegend
als Herzschlag angenommen wird (spätmhd.
im 15. Jh. herzslechtig, 1394 hercz-, hei'czens-
slechtic bei Diefenbach gl. 346°); kurzatmig,
engbrüstig (md. im 14. Jh. herzslähtig). Aus
gleichbed, nd. hartslechtig , «am hartslach
leidend» (mnd. hertslach m., von nd. hart,
hert «Herz») schon in den Brünner Stadt-
857
Herzog
Heu
858
rechten des 13.— 14. Jh. herfscMechtig, hd. im
16. Jh. hartscJdechtig (Frankf. Reform. 2, 9 §5)
und mhd. harteslaht f. «Herzschlächtigkeit
des Pferdes». Im Ahd. heißt der Schrecken
herzeslagöä m., eig. «das Herzschlagen oder
-klopfen ».
Herzog, m. (-s, PI. -e, auch Herzöge):
der im Eange zunächst unter dem Kurfürsten
und Großherzog stehende Füi'st. Xoch im
17. Jh. mit schwacher Flexion (Gen. u. PI.
Herzogen), seit der zweiten schlesisch. Dichter-
schule Ende des 17. Jh. starkbiegend. Mhd.
herzöge, ahd. Äeri-, herzogo, herizoho m.: dazu
asächs. heritogo, mnd. her-, Jiartoghe, her-,
hartoch, afries. hertoga, ags. heretoga, anord.
hertogi m., schwed. hertig, dän. hertug. Zgs.
aus ahd. heri -Heer» (s. d.j und dem von
ziehen (ahd. ziohan, asächs. tiohan, got. tiuhan)
abgeleiteten^ auch in ,ahd. magazoho, maga-
zogo <: Knabenerzieher» ei'scheinenden ahd.
-zoho, -zogo, {== lat. dux m. «Führer»), also
urspr. '^der mit dem Heere auszieht», im
Ahd. «Heerführer, Vorgesetzter des Heeres».
Davon Herzogin, f., mhd. herzoginne, her-
zogin, herzogin, ahd. herizohin, herzogin. her-
zoglich, adj., 1664 bei Duez. Herzogtum,
n., mhd. Iterzogen-, herzogtuom, gekürzt herzen-
tuom n., spätahd. herzogentuom.
herzu, s. her.
Hesse, m. (-w, PL -n): Volksname. Mhd.
Hesse, ahd. Hasso, Hesso m. (auch Personen-
name), mlat. im 8. Jh. Hessus, Hassiis, Hessio,
bei den Römern das nicht unmittelbar iden-
tische, sondern nur stammverwandte Chattus
(Tacitus Germ. 29). Der Name Hesse, idg,
*Cassio- kehrt im Keltischen wieder in Bodio-
casses, Tri-casses (= TpiKdccioi bei Ptol.)
Velio-cassi, Cassi-mara, auch wohl in gr.
Kdccavbpoc, lat. Cassius, ist aber als Name
nicht sicher deutbar. RA. blinder Hesse,
1621 bei Vilmar Id. 43 Uinde Hundehessen,
im 16. Jh. bei H. Sachs 17, 399 die Hessen
engst (vexiert) man mit den Hunden, mit
Bezug auf eine Stammsage, wonach der
Stammesherr der Hessen und Schwaben (1541
bei Franck Spr. 2, 49^ blinder Schvab) von
einem Hunde erzeugt oder als Neugebomer
für einen blinden Hund ausgegeben wurde.
In Wirklichkeit geht der Ausdruck blind
wohl auf die geistige Blindheit und ist gleich
«dumm». Hessen, n.: Hessenland, mhd.
Hessen (Nibel. 175, 1), eig. Dat. PI., aus ze
Hessen « zu den Hessen» gekürzt. heSSisch,
adj., 1561 bei Maaler
hetero-, mehrfach in Zusanamensetzungen,
ist das gr. exepoc «der andre;>. heterodox,
adj.: anders-, irrgläubig, aus gleichbed. gr,
drepöboEoc (-boEoc von böia f. «Glaube»). Im
18. Jh. heterogen, adj : anders geartet, aus
gr. 4Tepo-Y6vr)c «von einem andern Geschlecht
(-fevoc n.)» 1796 von Heynatz durch «un-
gleichartig» verdeutscht. 1710 bei Xehring
heterogenus.
Hetman, m. (-s, PI. -s)-. Kosakenober-
haupt. Aus gleichbed. kleinruss. hetman, ent-
lehnt aus deutsch Hauptmann. 1710 bei
Xehring; offenbar ist der Ausdruck durch
Mazeppa bekannt geworden.
Hettel, f. (PI. -n): die Ziege, bes. die
junge. Alemannisch. Mhd. hatele f., dazu
1563 bei Mathesius Hochzeitpred. 135, 30 das
Dim. Hettlein n., bei Grimmeishausen Simpl.
1 3, 356 Kz. Hetel n. Entsprechend nd. hitte
i f., anord. haäna f. «junge Ziege». Verwandt
! ist ii-. cit «Schaf» (Zupitza 206).
Hetze, f. (PI. -n): Hetzjagd (Ende des
16. Jh. bei Schweinichen 1, 251); Koppel
• Hunde zur Hetzjagd (1775 bei Adelung); das
eilige Treiben (Wieland 3, 33). Vgl. Hatz.
Von hetzen, v.: zu Haß, zu Verfolgimg
reizen, nihd. hetzen, ahd. hezzen, mnd. hissen,
hitzen, hessen «jagen, aufreizen». Gleichen
Stammes wie Haß (s. d.). Hetzer, m., 1691
bei Stiel er, spätahd. ayiahetzari m. « Anhetzer»,
mnd. hitzer. Hetzerei, f., bei Goethe 29, 170.
Heu, n. (-es, ohne PI.): gedörrtes Gras,
insbesondere der ersten Schur. Mhd. höuwe,
höu, heu, ohne Umlaut houive, ahd. hewi,
houwi n., noch im 16. Jh. Hau, Hauw,vfetter-
axLischHä; dazu asächs. houwi, and. höi, mnd.
hoi, hoig, liaw, ndl. hooi, ags. Meg, engl.hay,
anord. hei/ n., schwed.-dän. hö, got. Jiawi n.,
gewöhnlich von hauen (s. d. ) abgeleitet, also
urspr. «abgehauenes Gras». Liden Uppsala-
studier 94 vergleicht lit. sekas m. «Giiin-
futter», aind. ^äJcam n. «eßbares Kraut Ge-
müse». ABL. heuen, v., mhd. höuwen «Heu
machen». ZTJS. Heumonat, m.: Monat der
Heuernte, Juh, mhd. höumanot, -mänet, ahd.
hewimänoth m. Heuschober, m.: Heu-
haufe, im 15. Jh. heicschoher bei Diefenbach
gl. 127^, s. Scliüber. Heuschrecke, f. (PI.
-n): Feldgrille, Grashüpfer, mh.d. höuschrecke,
-schricke m., ahd. hewiscrekko, lumscrecho m.,
das Mask. noch bis ins 17. Jh., 1664 bei Duez
Fem. Heicschreck; dafür ndl. sprinkhaan, ags.
goershoppa m. «Grashüpfer» und gcersstapa
, m, «Grasgänger», engl, grasshopper, got. pram-
859
heucheln
Hexe
860
stei f. Zu ahd. scricchan «aufspringen, in die
Höhe springen» (s. Schreck).
heucheln, v.: sich anders, insbes. besser
stellen, als man ist. Bei Luther aus der
md. Mundart (z. B. 1, 410" vom J. 1521)
und durch ihn in die hochd. Schriftsprache
eingeführt (1520 bei Lüiencron Volksl. 3, 352),
auch seit dem 16. Jh. nd. huchelen, ndl. hui-
chelen. Iterativbüdung von älternhd. hauchen
«sich ducken, bücken» (bei H. Sachs), mhd.
hüchen «kauern, sich ducken», also vom Be-
griff des demütigen Bücken s und Schöntuns
ausgehend. Ähnlich got. liuta m. «Heuchler»,
zu ags. lütan «sich neigen, sich bücken, vor
jem. niederfallen», lot n. «Betrug», anord.
lüta «sich niederbeugen». Anders Franck
und Schroeder Btr. 29, 556. ABL. Heu-
chelei, f., bei Luther. Heuchler, m., bei
Luther, seit dem 16. Jh. mnd. hucheler, hugeler,
ndl. huichelaar; heuchlerisch, adj., 1558
bei Franck Paradoxa 282% neben heuchelisch
bei Luther 1, 41 0^, heuchlisch 5, 206 1'.
heuer, adv.: in diesem Jahre. Mhd. Mure,
hiwer, hiuwer, md. hüre, ahd. hiuro aus hiuru
d. i. hiu järu, dem Instrumentalis des Demon-
strativpronomens, dessen Reste in got. hinima
daga, hina dag (s. heint, heute) vorliegen, und
dem ahd. Subst. Jar n. «Jahr». Davon heurlg,
adj.: diesjährig, mhd. 1294 Murig, im 12. Jh.
hürec (Windb. Psalmen 235).
Heuer, f. (PI. -n)-. Miete, Pacht. Nord-
deutsch, 1697 bei Ettner unwürd. Doktor 404
Heuer, vereinzelt im 17. Jh. Haur. Mnd.
und mndl. hure f., nnd. hür, nndl. huur f.,
dazu ags. hyr f., engl. Mre, schwed. hyra f.,
dän. hyre (Monatslohn der Schiffsleute). Von
heuern, v.: mieten, pachten, (seemännisch)
einen Matrosen anwerben, mnd.-mndl. huren,
nn&.hüren, afries.Äera «pachten», ags.hyrian,
engl, hire «dingen, mieten», auch spätmhd.
hüren «Pferd oder Wagen mieten» (s. haudern).
Unbekannter Herkunft. Vielleicht zu gr.KÜpeiv,
KupeTv «auf etwas stoßen». Vgl. noch heiraten.
^BL. Heuerling, m.: MietUng, Mietsmann,
1741 bei Frisch Heurling, mnd. hürlink, nnd.
hürling, ndl. huurling m. «Mietüng», ags.
hyrling m. «Tagelöhner, Lohnarbeiter».
heulen, v.: kläglich schreien, widerlich
schallende tiefe Klagelaute ausstoßen. Mhd.
hiuweln, Muten, 1420 hewlen (Schröer Voc.
3200), md. und mnd.hülen «heulen, schreien»,
ahd. hiivilön, Mulön «jubilieren». Verwandt
mit ahd. Muwela, hüwela f. «Nachteule» (s.
Eule). Weiter dazu gr. KUJKÜeiv «klagen.
schreien, heulen», aind. fcaM^i« schreit». ABL.
Heuler, m., 1691 bei Stieler; davon Heu-
lerei, f.
Heune, s. Hüne.
heunt, s. heint.
Heumonat, Heuschrecke usw., s. Heu.
heute, verkürzt heut, adv.: an diesem
Tage; dieser Zeit. Mhd. Mute, md. hüte,
ahd. Mutu, Muto, gekürzt und verschmolzen
aus hiu tagu, dem Instrumentalis des Demon-
strativpronomens, das im Got. erhalten ist
(s. heint), und dem Subst. ahd. tac «Tag»,
also gebildet wie das gleichbed. lat. hödie
aus hoc die. Entsprechend asächs. Mudu,
hiudiga, and. hodigö, mnd. hudene, huden, hude
und hodegen, afries. Mudega, hioda, ags. heodoeg,
aber got. im Dativ hinima daga «heute».
ABL. heutig, adj., mhd. Mutec, ahd. Mutig,
dafür mnd. hudelik, in der Genitivformel
heutiges Tages, bei Luther (Bicht. 15, 19)
heutes tags, ahd. Mutiges desses tages.
Hexameter, m. (-s, PI. wie Sg.): der
Sechsfüßler, der Vers des Heldengedichtes
der alten Griechen und Römer. Aus lat.
versus hexameter, von gr. ^5 «sechs» und
ln^Tpov n. «Maß», also «sechs Maße habend».
Wohl erst in der 2. Hälfte des 18. Jhs. ver-
wendet.
Hexe, f. (PI. -n): böse Zauberin. Im
16.. Jh. bei Dasypodius Hägß, Häx, bei Fi-i-
sius 1541 Hägx, bei Fischart Garg. Hechse,
bei Hulsius Dict. 305*^ Hext, mhd. hecse,
hexse, hegxse, häxe, auch hesse, unverkürzt
hegecisse (Wiener Jahrbb., Anzeigeblatt Nr. 41
S. 21^), ahd. hazus, häzis, häzissa, unverküi'zt
hagzissa, hagazussa f., daneben he^esusa; dazu
mndl. haghetisse, haghetesse (auch «Eidechse»),
nndl. heks, ags. hcegtesse, hcegtis f., engl. hag.
Weigand nahm Ableitung von ahd. hag m.
«Einfriedigung» an, entsprechend ahd. zünrite
f. «Hexe», anord. tünriäur PI. «auf dem Zaun
reitende Gespenster». Aber dabei kommt der
zweite Teil nicht zu seinem Recht. Eher ist an
eine -es-Ableitung von einem Stamm hagat-
zu denken, wie Nixe, auch ahd. zaturra
«meretrix», und dieses hagat- vielleicht zu
gr. KriKciCeiv «schmähen». Vgl. die eingehenden
Erörtei-ungen von J, Franck bei Hansen
Quellen und Untersuchungen zui- Geschichte
des Hexenwahns 1901 S. 614—70 (Tdg. Forsch.
Anz. 15, 100). ABL. hexen, v., 1525 bei
Eckstein Coücilium (Kloster 8, 734) hägsen,
dazu afries.hexnajioocna «behexen». Hexerei,
f., 1517 bei Keisersberg Emeis 3* hexerey.
861
M
Hilfe
862
ZUS. Hexenmeister, w., 1561 bei Maaler
Häxenmeister. HexeilSChuß, m.: plötz-
licher rheumatisclier Schmerz in der Hüfte,
vgl. 1562 bei Mathesius Sar. 154^ wie die
ünhulden und Hexen viech und leute glieder
schiessen, hexen und verlehme^i, 1610 bei
Colerus Hausbuch B. 6, Kap. 58 Hexengeschoß
n. «Geschwür, in dem man Haare, Gräten,
Federn findet», ags. hcegtessan gescot in urspr.
Bedeutung.
hi, Laterj. des kichernden Lachens. 1520
bei Wirsung Calixtus B 5^ hi, hi, hi.
hickeln, v.: auf einem Beine hüpfen;
hinken. Hessisch hickeln, fränk. hückeln, 1664
bei Duez hinckelen «auff ein Bein hupffen»,
elsäss. hickeren «krumm gehen, hinken». Mhd.
hickeln «hüpfen, springen».
hie, s. hier.
Hieb, m. i-es, PI. -e): schneidender, dann
überhaupt eindringhcher Schlag. 1506 in
Nürnb. Chron.5, 705, 29 hieb. Von hauen (s. d.).
ABL. Hieber, m.: Hiebwaffe (studentisch
bei Miller Walther 148), 1734 bei Steinbach,
dafür Hiebdegen 1664 bei Duez.
Hiefe, f. (PI. -n): Hagebutte. Fränkisch,
lyihd. hiefe f. «Hagebutte und Hagebutten-
strauch», ahd. hiufo, hiafo m. «Dom, Dom-
strauch»; dazu asächs. hiopo m. «Dorn», ags.
heope f. «Hagedorn», engl, hip, aschwed. hiupon,
ferner ahd. hiufaltar, hiufolter m., hiefaltra f.,
mhd. hiefalter f. «Hagebuttenstrauch» (vgl.
Maßholder-, Wachholder). Vielleicht urver-
wandt mit abg. sipükü m. «Hagerose», bulg.
sipkü «Hagebutte», nslow. scipek, serh. sipak m.
«Granatapfel, Hagebutte». Die Abweichung
in der Lautverschiebung müßte wohl durch
n-Assimilation erklärt werden.
hier, hie, adv.: an diesem Orte. Mhd.
hier, gewöhnlich hie, ahd. Mar, hia: dazu
asächs. her, hier, hir, mnd. hir, mndl. her,
hier, afries. hir, ags.-anord. her, schwed. här,
dän. her, got. her. Eine Bildung zu dem
alten Pronominal stamm, der bei heint (s. d.)
besprochen ist, vgl. her, heuer, heute, hin,
hinnen. In Zusammensetz, hierauf (1561 im
Amadis 1, 14), hieraus (1626 bei Zincgref
Apophth. 1, 73), hierbei (mhd. hie bi), hier-
durch (Amadis 1, 58), hierher (bei Luther
hieher), hierin (mhd. hier inne), hiermit (mhd.
hie mite), hiernach (bei Hulsius Dict. 1605
hienach), hierunter (mhd. hier under), hiervon
(Schuppius 15), hierzu (bei Luther hie zu).
Die Foi-men mit hie sind in Süddeutschland
sehr geläufig. Die bayrische Orthographie
schreibt sie regelmäßig, wenn das zweite Glied
konsonantisch anlautet, Österreich schreibt
hiebet, hiedurch, hie für, hiegegen, und läßt
die andern neben hier- zu. ABL. hiesig,
adj., von hie gebildet wie dasig (s. d.) von
da, 1618 bei Schönsleder, dafür im 15. — 17.
Jh. hieig (Xümb. Pol.-Ordn. 246) und im 16. Jh.
hieisch (Mathesius Sar. 75 *J.
Hieroglyphe, f. (PI. -«): Zeichen der
ägyptischen heiligen Bilderschrift. Zu gr.
iepoYXijq)oc n. «Hieroglyphensehreiber», von
iepöc «heilig» und YXOqpeiv «eingraben». Bei
Goethe Br. 24. 3. 79. hieroglyphisch,
adj., bei Fischart Garg. 40 hierogliphisch,
nach gi\-lat. hieroglyphicus, gr. iepo-fXucpiKÖc.
Hift, m. {-es, PI. -e): Stoß ins Jagdhorn.
Im Xeuw Jag- und Weidwerkbuch (Frankf.
1582) 1, 4^ und 1663 bei Schottel Hift m.,
1664 bei Duez Hifft und Hüfft m. «Weyd-
geschrey, mit dem Hörn oder auch mit dem
Mund», 1678 bei Krämer Hifft n., 1686 bei
Mühlpforth Geistl. Ged. 16 Hift f. «Jagdruf
mit dem Jagdhorn», dagegen 1719 bei Fle-
ming t. Jäger 254* Hief m., wohl zu ahd.-
got. hiufan, asächs. hiovan, ags. heafan und
heofan «klagen, wehklagen». ZUS. Hift-
horn, n. (-S, PL Hifthörner): kleines Hom
des hirschgerechten Jägers, 1719 bei Fleming
teutscher Jäger 253^ Hief-Horn, 1746 bei
Döbel Jäger-Practica 3, 105 Hüffthorn, 1763
bei Heppe Jäger 203 Hifthorn.
Hilfe, f. (PI. -n selten), das Subst. von
helfen (s. d,). Mhd. hilfe, meist helfe, ahd.
hilfa, gewöhnlich helfa f. ; dazu asächs. helpa,
mnd. und afries. helpe, ags. helpe und help,
anord. hjalp f., dän. hjälp. Vornehmlich dnrch
Luther hat sich die aus dem Md. und Nd.
aufgenommene Form Hülfe geltend gemacht,
md. im 14. Jh. hülfe, ahd. einmal hulpa, in
den Psalmen hulpa, mnd. und mndl. hulpe f.,
nndl. hulp neben help f. Die Schreibung
Hülfe ist heute noch zulässig, doch wird
Hilfe vorgezogen. ZUS. Hilferuf, m., 1808
bei Campe HiUfe^'uf als junges Wort, hilf-
los, adj., mhd. helfe-, helflös, ahd, helfelös,
asächs. hulpilös, afries. helpelös: davon Hilf-
losigkeit, f., 1741 bei Frisch, hilfreich,
adj., mhd. helferiche. Hilfsmittel, n., 1581
bei Fischart Bienk. 109^ Hülffmittel. Hilfs-
quelle, f., 1773 von Wieland im Teutschen
Merkur 1, 227 für das franz. ressource f. ge-
bildet. Hilfszeitwort, n. im 19. Jh., dafür
1641 bei Schottel 416 Hülffivort und noch
bei Adelung und Heynatz Hiilfsicort.
863
Hilpertsgriff
Himteu
864
Hilpertsgriff, m.: hinterlistiger Griff,
ränkevolle Handlung (Tieck 15, 316). Noch
koburgisch. 1562 bei Mathesius Sar. 218^
Hilpersgrift, verküi-zt aus Hildebrandsgriff'
(1646 bei Philander 3, 242), in der 1. Hälfte
des 16. Jb. Ä7^;ra«%H;f (Frommann Zeitschr.
2, 21), mit Bezug auf das jüngre Hildebrands-
lied aus dem 15. Jh. Str. 12 (Uhland Volksl.
333): Er erwischt in hei der mitte da er
am sdnvechsten was, er schwang in hinder-
rucke wol in das grüne gras.
Himbeere, f. (PI. -n)-. die rote Beere
des rubus idaeus. 1546 bei Bock 2, 12^
Hymheer f., 1578 bei Frischlin Nom. Kap. 22
Himheer stand und 1616 bei Henisch Himbeer,
Hinnheer, hervorgegangen aus Hindheer f.
(noch im 17. und 18. Jh.), mhd. hindbere n.,
ahd. hintjperi n., d. h. «Beere, die die Kinde
(s. d.), die Hirschkuh gern frißt: dazu and.
hindberi, ndl. hennebezie, ags. hindberige f.,
nordengl. hindberry, dän. hindbär, himbür.
Noch in Ostpreußen Hindbeere (auch Ins-
beere, wohl aus Hindsbeere), in Thüringen
und Obersachsen Hingbeere (bei Adelung
Hünkbeere). Dagegen 1482 im Voc. theut.
o7^ hynper «Wachholder».
Himmel, m. (-,s, PI. wie Sg.): die blaue
Wölbung über der Erde; Sitz der Sehgen:
Baldachin, Tragehimmel (mhd.). Bei Luther
Himel, mhd, himel, md, auch hiemel, ahd.
hiniil m.; dazu asächs. himil, afries. himul,
himel, anord. himill m., schwed. und dän.
himmel, mit l aus n, wie Esel, Kümmel, und
daher hierher got. himins m., anord. himinn m.
Daneben Formen mit t oder f, das in den
obhquen Kasus vor n lautgesetzlich aus m
entstand: anord. Dat. PI. hifnom neben him-
num, Akk. PI. hifna neben himna, in Zussetz.
hifnakonungr m. «Himmelskönig» neben him-
nakonungr, ferner asächs. hetan, hevan m.
«Himmel», mnd. heven m, «der physische
Himmel» im Unterschied von hemmel m. in
rehgiöser Beziehung, ags. heofon m. und heo-
fone f., engl, heaven. Die Etymologie ist
ganz unsicher. Besondre Beziehung zu gr.
KU€\.eepov n. «Stubendecke» besteht nicht, da
l erst im Germ, entstanden ist. Andre nehmen
«Decke» als Grundbedeutung an (Wz. ham
«bedecken», s. Hemd, wie lit. dangüs m.
«Himmel» zu dengiü «decke». Vgl. unten
himilizi). Kluge verbindet H. mit heim, was
unwahrscheinlich ist. Schließlich könnte man
H. auch mit aind. acmä m. «Fels, Stein»
vergleichen (vgl. Hammer), das auch die Be-
deutung «Himmel» hat, ebenso awest. asan-,
asman- m. Vgl. noch Walde s. camur. Für
«Baldachin, Zeltdecke» hat das Ahd. die
Weiterbildung himilizi n., mhd. himelze n.
<. Baldachin, Zimmerdecke», mnd. hemelte n.
«Zimmerdecke, Gewölbe», ndl. hemelte, ghe-
hemelte «gewölbte Decke des Munds, Gaumem>,
noch Schweiz. Himmleze f. «gewölbte Decke,
Betthimmel», fräher auch «Gaumen», wie 1616
bei Heuisch 1375, 13 Himmel im Mund. RA.
im siebenteil Himmel sein, von den 7 Planeten-
himmeln der jüdischen Vorstellung herge-
nommen. Erst im 19. Jh. nachzuweisen. ABL.
llimmeln, v.: zum Himmel streben (Goethe
Pandoral82, schon 1671 bei Otho Krankenti'ost
1265): in den Himmel fahren, sterben (1662
bei Lehmann Flor. 1, 851, noch obei-d. und in
nd. Mundarten); verklärt aussehen (1804 bei
Bentzel-Stemau Das goldne Kalb 3, 81 als
neues Wort). Mhd. himelen «in den Himmel
aufnehmen». Mmmliscll, adj., mhd. hime-
lisch, himelsch, ahd. und asächs. himilisk,
afries. himulisk, himelesk, ags. heofonisc; im
Adv. ahd. himelisko. ZUS. himmelan, adv.,
1663 bei Schottel 523. Himmelbett, n.,
1711 bei Rädlein, dagegen schon um 1480
im Voc. ine. teut. 1 6^ himel ob einem bet.
himmelblau, adj., mhdi.himelblä. Himmel-
fahrt, f., mhd. himelvart, ahd. himilfart f.
himmelhoch, adj., 1645 bei Zesen adriat.
Rosemund 17. Himmelreich, n., mhd.
himelriche, ahd. himilrihhi n.; dazu asächs.
himilrJki, afries. hünul-, himelrlk, anord.
himinriki (daneben himna-, hifnariki), ags.
heofonrice n. Himmelschlüssel, m., mhd.
himelslüggel m. (auch Schlüsselblume, primula
veris), ahd. himilslu^^il m. himmelschrei-
end, part. Adj., 1691 bei Stieler (beruht auf
1. Mos. 4, 10). Himmelskugel, f.: Globus,
1648 bei Kenuiitz schwed. Krieg 1, 305^ von
1631 und bei Schottel 1663 S. 435. Himmels-
leiter, f., mhd. himelleiter f, himmel-
weit, adj., bei Opitz 1, 2; bildlich himmel-
weiter Unterschied 1775 bei Adelung.
Himten, m. (s, PI. wie Sg.): ein Maß
für Getreide usw., etwa 4 Metzen. ISoch
ndd. und ostmitteld. aus dem Ndd. Md.
h&mmete (Germ. 20, 43), 1517 bei Trochus CS*'
hempte «hemina», 1594 bei H. J. v. Braun-
schweig 458 Himpten m., mnd. hemete m,,
nnd. hempte, hempe. himpe, 1741 bei Frisch
als obersächs. Heimbzen m. und thüring. He-
mitze, md. schon 1272 heymetze, sowie in
Zeitzer Urkunden des 15. u. 16. Jh. heimbzen,
865
hin
hinlänglich
866
heimzen, heymitzen, heynitzen, hennitzen, jetzt
Hinzmöß (Germ. 20, 43). YieUeicht aus gleich-
bed. gr.-lat. hemina, gr. i^aiva und rjjaiva f.
hin, adv. : in der Richtung von dem
Sprechenden weg; zu Ende, in Verlust ge-
kommen, verloren (mhd.). Mhd, Mne, hin,
md. auch hen, ahd. Mna, ags. hin (in hingang
«Abgang, Tod»), eine Bildung zu dem unter
heint (s. d.) besprochnen Demonstrativpro-
nomen. Vgl. hinnen. EA. hin und her, mhd.
hin unt her, auch her unde hin; hin und wieder:
hin und zurück, da und dort, daim und
wann, bei Luther. ZUS. hinab, adv., mhd.
hin abe. hinan, adv., bei Luther, hinauf,
adv., mhd. hin nf, ahd. hina üf. hinans,
adv., mhd. hin «j, ahd. hina üg. hinbringen,
V., in die Zeit hinbringen, eig. weiterbringen,
1678 bei Krämer. S. hindurch, hinein, hin-
fcillig usw..
Hinde, f. (PL -n) u. Hindin, f. (Pl.-ne/i):
die Hirschkuh. Mhd. hinde, ahd. hinta, hinda
f.; dazu mnd. hinde, hinden, ags.-engl.-anord.-
schwed.-dän. Mnd f. Als urverwandt gilt
gr. Ke.udc f. (Gen. Keuäboc) «Hirsch, Antilope»,
doch stimmt die Lautverschiebung nicht.
Liden KZ. 40, 257 sieht als Gnindbedeutung
«hornlos» an und vergleicht aind. gämas, für
das er eine Bedeutung «hornlos» erschließt.
Dazu lit. smidas «ohne Höraer», smiilis m.,
smide f. «Rind ohne Hörner», Vgl. noch
Charpentier KZ. 40, 430, W. Schulze KZ. 40,
566. Dazu mit der weiblichen Endung -in
(s. d.) umgebildet 1562 bei Crusius Gramm.
1, 297 Hintin neben Hint, 1664 bei Duez
Hindinne, 1678 bei Krämer Hindin, vor-
bereitet dui'ch die mhd. und mnd. Neben-
form hinden (Diefenbach gl. 115^), in der das
schließende n aus den obliquen Kasus in den
Nom. gedrungen ist. Vgl. Himbeere, Hindläufte.
hindern, v.: rückgängig machen, im Fort-
gang aufhalten. Mhd, hindern, ahd. hintiren
und hinderön: dazu mnd.-ndl. hinderen, ags.
hindrian, engl, hinder, anord. hindra, schwed.
hindra, dän. hindre. Abgeleitet von derPräp.
hinter (s. d.), wie mißern von außer, fördern
von förder. ABL. hinderlieh, adj., spät-
mhd. 1428 hinderlich, mhd. im Adv. unhinder-
lichen «ungehindert». Hindernis, n., mhd.
hindernisse, -nüssen., selten hindernisi. Hin-
derung, f., um 1480 im Voc, ine. teut. 1 7*.
Hindin, s. Hinde.
Hindläufte, f. (PL -n): die gemeine Ci-
chorie. 1595 bei Rollenhagen Froschm. 1, 2,
24 Eindleuffte, 1482 im Voc. theut. o 4*» hyndt-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
lauff, mhd. hintloifte, ahd. hinÜoiplm f., mnd.
hintlope, hintlof. Der Name bed. «am Lauf
der Hinde, d. h. an und in Waldwegen
wachsende Pflanze».
hindurch, adv., mhd. hin durch, s. hin.
hinein, adv., mhd. hin in und in hin, ahd.
hina in. hinfällig, adj.: an Leibeskraft ztim
Hinfallen schwach, mhd. hinvellic «sterbend»,
1483 bei Melber x 2^ hinfellig «leer, gehalt-
los, vergeblich ;>; dann «ohne Bestand, ver-
gänglich» (hinfellig Lob 1561 bei Maaler),
«ohne Halt» fvon Behauptungen, 1663 bei
Schottel 862). hinfort, adv., bei Luther
hin fürt, mhd. hinnen vort. hinfür, adv.,
1464 im Cod, dipl. Sax. reg. H, 3, Nr. 1075
hinfur «femer», ahd. hina füre, 1508 bei
Keisersberg Pred. 67^ hinfüro, das sich bis
zum Ende des 18. Jh. erhält, in gleicher
Bed. fürhin vom 15. bis ins 18. Jh. hin-
fürder, adv.: hinfort, 1470 im Cod. dipl.
Sax. n, 8, Nr. 1139 hynfurder, nur noch alter-
tümlich, hingeben, v. refl.: sich ganz und
gar widmen, im 18. Jh. (Goethe 28, 30); da-
zu Hingebung, f., bei Goethe 20, 211. hin-
gegen, adv., 1561 im Amadis 1, 315 u. 363;
Konj. da hingegen 1582 bei Fischart Garg. 334.
hingehen, V., mhd. hinegän, ahd. hina gangan.
Hinkel, n. {-s, PL wie Sg.): Huhn, urspr.
Hühnchen. Luxemb., rhein., frank, u. hess.
Hinkel und Hünkel, 1540 bei Albenis dict.
H h 2^ und 1650 bei Moscherosch Phil. 2,
333 Hünckel, schon 1423 md. hiyikel und 1338
hunckel, Geim. 9, 20 hunclen, aus mhd. huo-
nicUn n., ahd. huonichli n. «junges Huhn»
neben ahd. im 8. Jh. huaninchili n. «Junges
eines Vogels» (ZfdA. 3, 464^).
hinken, v. (Prät. hinkte, Part, gehinkt):
mit einem kurzem oder lahmen Fuße gehen.
Bei Luther mit schwacher Flexion (l. Kön.
18, 26), dagegen mit starker Biegung wie
noch oberdeutsch mhd. hinken, (Prät. hayic,
Plur. hunken, Konj. hunke, Part, gehunken),
ahd. hinkan, ags. nur in hellehinca m. «der
hinkende Teufel», anord. hinka «hinken, lah-
men», schwed. dial. hinka «zaudern, säumen»,
dän. hinke, ablautend mhd. hanken. Dazu
aind. khdyd'jati «hinkt», ir. cengim «ich gehe»
(Stokes KZ. 40, 246) und mit anlaut. -s gr.
cKÖZieiv «hinken», wie auch anord. skakkr
«lahm», schwed.-dän. skakk.
hinlänglich, adj.: ausreichend, 1691 bei
Stieler, hiulässig, adj,: fahrlässig, nach-
lässig (Herder zu Lit. 1, 168), um 1480 im
Voc, ine. teut. 1 7 ^ hinlesig, bei Luther hinlessig.
867
hinnen
Hippe
868
^hinnen, adv.: von hier weg, von diesem
Orte weg. Mhd. hinnen, ahd. Mnana, hinan,
hinnan; dazu asächs. Mnana, hinan, hinen,
ags, heonan, engl, hence. Eine Bildung zu
dem unter heint (s. d.) besprochnen Pro-
nominalstamm, wie hin.
"hinnen, adv.: hier drin (l. Kor. 5, 12),
mhd. hinnen und hinne, aus hie innen, hie
inne, noch md. hinne.
hinreichen, x.-. ausreichen, 1711 bei Käd-
lein. hinreißen, v.: fortreißen, mhd. hin
rigen, übertr.in bezug auf Leidenschaften, 1734
bei Steinbach, hinrichten, V.: zugrunde
richten, verderben, bei Luther und 1515 bei
Pleningen Sallust P 2; infolge eines Richter-
siDruchs töten, bei Luther 2. Makk. 7, 41, für
mhd. rihten. Hinsicht, f., 1775 bei Adelung;
hinsichtlich, adv., bei Campe 1808 als neu.
hintan, adv.: hinten an, zuletzt. 171f5
bei Ludwig hintan, früher bei Rädlein und
Stieler hindan, mhd. hindan und hindenän
«liinten hin». Oft auch ist hintan aus mhd.
hin dan «hinweg», hintansetzen, v., 1531
bei Franck Thron. 132».
hinten, adv. Älternhd. hinden, 1678 bei
Krämer hinten, mhd. hinden, früh hindene,
ahd. hintana; dazu asächs. hi hindan «hinter-
drein», mnd. hindene, ags. hindan «hinten,
von hinten», hehindan «hinten», engl, hehind,
got. hindana «hinter, jenseit» (mit Gen.). Dazu
burgund. hendinos «König», ir. cetne «erster»,
gall. Cintu-(gnätos). Vgl. Walde s. v. recens.
^hinter, adj., 1678 bei Krämer, älternhd.
und mhd. hinder, selten hinter, ahd. hintaro
(Komp. hintiror, hintarero, Sup. hintaröst):
dazu and. hindiro, anord. hindri (Supei*l.
hinnstr) «der spätere, folgende», alte Kom-
parativbildung, s. hinter -. Substantivisch
Hintere, m. (Gen. u. PI. Hintern): das Ge-
säß, 1678 bei Krämer Hintere, älternhd. und
mhd. hindere m.
^hinter, präp. mit Dat. und Akk. je
nach den Fragen wo? und wohin? 1664 bei
Dnez und 1678 bei Krämer hinter, älternhd.
hinter, ühd.hintar; dazu mnd.-ags. /a'wfier, got.
und mhd. hinder, im 15. Jahrh. gewöhnlich
hindar «hinter, jenseits». Alte Komparativ-
bildung (entsprechend gr. -xepoc, amd.-taram),
die in hinter ^ adjektivisch gebraucht ist und
zu der ein Superlativ vorliegt, in ags. hin-
dema «der letzte», mit doppeltem Superlativ-
suffix got. hindtimists «der hinterste, ent-
fernteste». ZUS. hinterhleiben, v. : zurück-
bleiben, in bezug auf einen Toten, bei Fleming
132 (40, 6 L.), bes. die Hinterhliehenen, 1734
bei Steinbach, hinterbringen, v., 1678
bei Krämer, hinterdrein, adv., 1775 bei
Engel Philosoph f. d. Welt 1, 20. hinter-
gehen, v., mhd. hinder gän «von hinten über-
fallen, betrügen». Hintergrund, m., 1775
bei Adelung, aus der Malerei. Hinterhalt,
m.: Stütze im Rücken, Rückhalt (1480 bei
Haltaus 914, Reserve von Truppen 1476 bei
Liliencx'on 2, 86^); heimlicher Vorbehalt (1681
bei Riemer polit. Stockfisch 316); Versteck,
um den Feind von hinten zu überfallen, so-
wie die dazu beorderten Trappen (bei Luther) ;
dazu hinterhaltig, adj.: heimlich zurück-
haltend, in bezug auf Gedanken, Gefühle und
Wissen, 1687 bei Hohberg Georgica 2, 854 '^
hinterhältig, vgl. hinder dem Berg halten 1570
bei Agricola Sprich w. 90^^. hinterher, adv.,
1716 bei Ludwig. Hinterlist,!, mhd. hinder-
listm.: hinterlistig, adj., mhd.hinderlistec.
hinterrücks, adv., im 15. Jh. hinterrücks
[hinter mit dem alten Gen. von Bücken, älter
mit dem Dat.), mhd. hinderrucke, ahd. hintar
rukke «rückwärts». Hintersasse, m, (-n,
PI. -w): der hinter einem andern als dessen
Zeit-, Leib-, Erbpächter Ansässige, mhd, hinder-
sce^e. hinder se^^e m. Vgl. Insasse, Sasse.
hinter stellig, adj.: rückgängig, abspenstig
(Wieland Kombabus 444), mhd. hindersteller
«zurückgestellt», dann «sich nach hinten stel-
lend, zuräckbleibend, ungehorsam». Hinter-
teil, n.: Steiß, mhä. hindei'teil, spätahd. hinder-
deil n. hintertreiben, v.: zurücktreiben,
verhindern, bei Opitz 1, 166. Hinterwäldler,
m. (-S, PI. wie Sg.), Übersetzung des amerika-
nischen hackwoodsman ; dann derber Mensch
ohne Lebensart. Schlagwort seit den vierziger
Jahren des 19. Jh. Vgl. Ladendorf, hinter-
wärts, adv., mh.(i..?iindenüert, -wart, im 14. Jh.
hinderwarts, im 15. Jh. hintencerz.
hinilber, adv.: auf die andre Seite hin,
spätmhd. hinüber, s. hin. hinunter, adv.,
bei Luther, hinweg, ad., mhd. himvec. hin-
wieder, adv., mhd. hin ividere. Am wide)-.
hinzu, adv., rad. im 13. Jh. hin zu.
Hinz, Hinze, Name des Katers in der
Tierfabel. Zuerst im Reineke Vos 78. 906 fg.
Niederd. Koseform von Hinrik (mnd. Hintze,
Hintzcke), wie oberd. Heinz (s. d.) von Hein-
rich. Vgl. Kunz.
Hiobspost, f.: böse Nachricht, nach Hiob
1, 14 fg. Bei Goethe (Götz) 89, 40.
^ Hippe, f. (PI. -n): zusammengerollter
oblatenförmiger Kuchen, Waffel. Noch ober-
869
Hippe
Hirse
870
deutsch. Spätmhd. im 15. Jh. hipe, liiepe f.
In den Fasnachtspielen des 15. Jh. 373, 1
hole hip f. «hohle Waffel», daher im 16. und
17. Jh. Hohlhippe f. Da das Wort auch die
Weidenrinde bezeichnet, die von den Knaben
im Frühling zu einer Pfeife hergerichtet wird,
so könnte diese Bed. ui'sprünglich sein, und
das Wort zu got. Mufen (s. Hifthorn) ge-
hören. Der Kuchen wäre dann nach seiner
Gestalt benannt.
■Hippe, f. (PI. -n): Sichelmesser (Offenb.
l-i, 18j; Sense des Todes (Lessing 1, 64).
0 bersächsische Form von Heppe, Hepe, durch
Luther in die Schriftsprache gekommen. Mhd.
(md.) hepe, heppe, ahd. heppa. happa f. «Sichel,
Sichelmesser, Sichelbeil», im 15. Jh. auch heepp
(Diefenbach gl. 606^), 1596 bei Hulsius Heep,
1482 im Voc. theut. n. 7'' happe. Dazu mnd.
hepe, heppe, hiepe. Aus einem germ. Viapja
sind entlehnt ital. accia, azza «Axt», prov.
apcha, frz. hache, span. hacha «Axt», aus
ndfrk. happa frz. happe «Halbki-eis von Eisen,
Krampe». Oberdeutsch noch hap. Herkunft
unklar. Vielleicht zu gr. kottic f. «Schlacht-,
Opfermesser», abg. kopije n. «Lanze», lit.
kapöne f., lett. kapans «Hackmesser», vgl.
Zupitza 114.
^ Hippe, Hippleiii, n. (-s, PI. wie Sg.):
junge Ziege, Zicklein, Zickelchen. 1664 bei
Duez Hippelein, 1586 bei Mathesius Syrach
3, 10 Hepelein, Dim. von bayr. - obersächs.
Heppe f., kurhess. Heppe, Hippe f. «Ziege»,
besonders als Lockruf für diese. !N"ach Kluge
vielleicht Koseform zu habev «Bock» (s.
Haber geiß).
Hiril, n. (-S, PI. -e): das Kopfmark. Mhd.
hirne. Mm, md. kern, ahd. hirni n.; dazu
mnd. kerne, harne n., ndl. hersenen, karsenen
f. und inZusammens./<e>"seu, mittelengl./terrtes,
Schott, harns, anord. hjarni m., schwed. hjärna
f., dän. hjerne «Gehirn». Daneben anord.
hjarsi m. «Kopfwirbel, Scheitel». Urver-
wandt mit lat. cerehrum n. «Gehirn», cer-
' nuus «kopfüber», gr. Koip «Kopf», KÖpa, Kcipri
f. «Kopf», Koipavov, Kcxprivov n. «Haupt, Berg-
gipfel», KÖpcr|f. «Schläfe», xpäviovn. «Schädel»,
armen, sar «Höhe, Gipfel», awest. sarak- n.,
aiüd. giras und glrsäm, fßrsän- n. «Kopf»,
also mit indogerm. k', während got. kairnei
f. «Hirnschädel», anord. hvern f. «die zwei
bootförmigen weißen Knochen im Fischgehirn,
die Gehörsteine», hverna f. «Topf, Schale»,
abg. (^rena f. «Schüssel», aind. karayokas m.
«Schädel, Gefäß» auf indogerm. Ä«" weisen.
ZUS. Hirilgespiust, n., 1716 bei Ludwig,
vgl. das Hirn erspinnt 1648 bei Weckher-
lin 2, 16 F. hirnlos, adj., mhd. kirnelös.
Hirnschädel, m., mhd. himschedel. Hirn-
schale, f., mhd. hirne-, hirnschal, ahd. hirni-
scala f.
Hirsch, m. {-es, PI. -e): mhd. hir^, auch
I hirz, hirtz (noch hess.-alemann. Hirz), 1482
Jim Voc. theut. o 5'^ hirsck (in hirschenpock),
I im 15. Jh. hirß, hirs (auch bei Luther Hirs,
I Hirfs), im 16. Jh. Hirsch langsam vordringend,
1 frühmd. hire^, ahd. hint^, hir§ m.; dazu andfrk.
i hirot m., mnd. herte, harte n., nnd. hart m.,
j nndl. hert n., ags. heorot, heort m., engl.
: hart, anord. hjörtr m., schwed.-dän. hjort m.
j Urverwandt mit lat. cervus m. «Hirsch», kymr.
I carw, körn, carow «Hirsch», apreuß. sirwis
«Reh», gr. Kepaöc «gehörnt» (zu gr. K^pac n.
«Hörn, Geweih», Gen. Kepaxoc), also urspr.
«Geweihtier». Dazu aber auch lit. kcirve,
abg. krava f. «Kuh», also mit idg. Wechsel
von k und k'. Lautlich entspricht gr. xöpuboc
[ m., Kopuböc f. «Haubenlerche». Oberd. biegt
man schwach: Gen. u. PI. Hirschen (wie im
1 IG. und 17. Jh. Teuerdank 30, 20, Waldis Es.
I 2, 11, 16, H. Sachs, Opitz und Hoffmaunswal-
' dau), was auf schwachflekt. mhd. hir^e, hirze
\ m. zmückgeht, auch bei Luther Hohel. 8, 14
' der Dat. Sg. Hirssen. ABL. Hirschling, m.,
der Waldschwamm Agaricus deHciosus und
Ciavaria coralloides, 1741 bei Frisch. ZUS.
Hirschfänger, m.: Seitengewehr des Jägers
I zum Fangen, d. h. Abstechen des Hirsches,
I 1664 bei Duez. Hirschgelos, n., 1775 bei
Adelung, 1741 bei Frisch Hirschgelöse, s.
Gelos. Hirschgeweih, n., 1581 bei Fischart
; Bienk. 200^ Hirtzgeweih, mnd. hertestwich n.,
I s. Geweih. Hirschhorn, n., mhd. kir^hom
'n.; davon hirschlioruen, adj., mhd. 1391
I hirczhormn. Hirschkäfer, m., 1664 bei
; Duez. Hirschkalb, n., 1664 bei Due/..
; Hirschknh, f., 1741 bei Frisch. Hirscl«-
i Schröter, m.: Hirschkäfer, s. Schröter.
Hirschwnrz, f.: das Heilkraut Peuceda-
; nuin cervaria, mhd. hirpvurz, hircesivurz
(Hildegard], mnd. herteswort.
! Hirse, f. (PI. -n), auch noch m. und
\ Hirsen, ni.: die Pflanze Panicum miliaceuni.
j Mhd, Mrse, hirs m., ahd. hirsi und hirso ni.,
I noch oberd. Hirß m., bei Duez 1664 und
Freyer 1722 Hirsen m.; dazu and. kirsi \n.
Das Vqiü. ist in Norddeutschland heimisch
] und jetzt in der Schriltsprache im wesent-
lichen durchgedrungen, 1663 bei Schottel
871
Hirt
Hobel
872
Hirse f., mnd. herse f.; in md. Mundarten
Hirsche f. m,, 1516 bei Pinicianus Prompt.
.J2'^ hirsch, 1638 beiHomburg Clio B8 Hirsche.
Mit der Verbreitung der Fracht nach Norden
auch in die dortigen Sprachen gedi-ungeii,
ndl.-schwed. hirs, dän, hirse, isländ. hirsi,
engl, hirse. Vielleicht zu lat. cirrus m.
«krauses, von Natur gelocktes Haar, Haar-
locke» oder besser zu lat. Geres «Göttin der
fruchttragenden Erde», 11t. serti «füttern»,
sermenls «Begräbnismal», aind. gäspam n.
«junges Gras». Vgl. Walde s. v. Vgl. Fench.
ZUS. Hirsebrei, m., um 1480 im Voc. ine.
teut. 18* hirsprey, Var. hirßbrey, vgl. früh-
mhd. ü§ hirse man den prien tuot (Genesis
24, 36). Hirsekorn, n., mhd. hirsekorn,
ahd. hirsechorn n.
Hirt, m. {-en, PI. -en), unverküi-zt Hirte,
m.: Viehhüter. Mhd. hirte, hirt, ahd. hirti
m.; dazu asächs. hirdi, mnd. herde, ags. hirde,
heorde, engl, herd, anord. hirdir, got. hair-
deis m.; daneben mit andrer Bildung mhd.
hertcere, harter und hirter, mnd. herder, afries.
herdere, ndl. herder, harder m., daher die
Familiennamen Herder, Harder. Lit. kef-
dz'us m. «Hirte» ist wohl nicht urverwandt,
sondern entlehnt. Hirt ist j- Ableitung zu
Herde (s. d.). ABL. Hirtin, f. (PI. -nen),
1575 bei Fischart Garg. 812. ZUS. Hirten-
brief, m.: Brief eines geisthchen Hirten,
bischöfliches Sendschreiben 1775 bei Ade-
lang. Hirtenstab, m., mhd. hirtenstap m.
Hirtentäschel, n.: das Feldkraut Capsella
bursa pastoris mit Samenhülsen wie Täsch-
lein, 1574 bei Fischart Onom. 808^ Hirten-
täsch f., bei Brunfels 1530 und Fuchs 1542
Hirtenseckel m. (s. Täschelkraut).
bissen, V.: Stangen, Eahen, Boote, Flaggen
in die Höhe ziehen. Ein niederd. Seemanns-
wort, 1728 bei Sperander hissen, mit der
Nebenform hiesen, 1582 bei Chyträus tiphissen,
1536 bei Giseke Hamburger Chron. 119 his
up dat segeU, dazu 1741 bei Frisch Hisse
f. «Maschine, womit man im Schiff etw. in
die Höhe heben kann». Entsprechend bei
den andern german. Seevölkern, ndl. hijzen,
hij sehen (spr. heischen), (daraus entlehnt dän.
heise), norweg.-schwed. hissa (aus dem Ndd.),
engl, hoist, verschieden von ndl. hitsen, bei
KUian hisschen und mnd. hissen «hetzen»,
aber in Anlehnung daran 1557 bei Waldis
Esop. 2, 30, 88 die Segel aufhetzen. Aus
dem Niederd. entlehnt gleichbed. franz. hisser
(1664 bei Duez auch hinser, isser), ita.\. issare.
span.-port. izar. Seit 1879 ist auf der deutr
sehen Kriegsflotte heißen statt hissen ein-
geführt. Herkunft unklar.
Historie, f. (PI. -n): Geschichte, Ge-
schichtserzählung, Geschichtsbuch. Mhd.
historje f., von gr.-lat. histaria, gr. icropia
f. « Geschichte ». Historiker, m. : Geschichts-
forscher, -kundiger, Geschichtsschreiber, im
18. Jh. gebildet nach dem substantivisch ge-
setzten gr.-lat. Adj, historicus, gr. icxopiKÖc,
wovon historisch, adj.: geschichtlich, 1575
bei Fischart Garg. 42.
Hitsche, s. Hütsche.
Hitze, f. (ohne PI.): brennende "Wärme:
(schon mhd. bildlich) zu große Gemütser-
regung. Mhd. hitze, ahd. hizzea, hizza f.;
dazu asächs. hittja, mnd. und nndl, hitte f.,
ags. hitt f., anord. hiti m., dän. hede «Hitze».
Gleichen Stammes wie heizen und heiß (s. d.).
Aus dem Ahd. entlehnt ital. izza f. «Zorn,
Unwille». ABL. hitzen, v., mhd. hitzen
«heiß machen», verschieden von mhd. hitzen,
ahd. hizzön «heiß werden, vor Hitze auf-
wallen», hitzig, adj., mhd. hitzic, hitzec.
ZUS. Hitzkopf, m., bei Goethe 30, 186
neben Heißkopf (do, 270). Hitzschlag, m.:
schlagflußartiger Zustand infolge der Sonnen-
hitze, Sonnenstich, Mitte des 19. Jh., vgl.
1576 bei Fischart glückh. Schiff V. 211 Hitz-
stich m. «heißer Stich der Sonne».
ho! Interj. des Zunifs (1561 bei Maaler),
des Zweifels und Einwui-fs (s. hoho, oho).
Auch franz. ho !
Hobel, m. (-S, PI. wie Sg.) : Unebenheiten
abstoßendes Glättwerkzeug des Schreiners.
Mhd. hovel, hohel m., md. 1470 bei Diefen-
bach gl. 325 c hubel (1663 bei Gryphius P.
Squentz 82 Hubel und noch mundartlich),
1540 bei Alberus dict. y 1* Hübet m.; da-
zu mnd. hovel, hoffei, nnd. Iiövel m., (ent-
lehnt) schwed. hi/fvel n., dän. hövl. Unmög-
lich zu heben, trotz nisl. hefill m. «Hobel»
wegen des Vokahsmus. Auch russ. sköbell
f. «Schabmesser» läßt sich nicht vergleichen.
Am nächsten liegt Anknüpfung an schaben
(doch bleiben auch dabei Bedenken) oder
schieben. ABL. hobeln, v., auch bildhch
«von rauher Sitte glätten» (schon 1472 bei
Eyb Ehebüchl. l*' hobeln). Es stammt diese
Bedeutung aus Handwerksbräuchen, vgl. ««-
gehobelt. Mhd. im 14. Jh. hobeln, md. im
15. Jh. hofein, ho fein (Diefenbach gl. 323'^,
325 c) und 1470 hubein, 1540 bei Alberus dict.
11 4^ hübein, mnd. hovelen und im 15. Jh.
873
Hoboe
hoch
874
höffelen (Diefenbach gl. 189^), nnd. höveln,
danach bei Luther (l. Kön. 6, 36) höffein.
Entiehnt schwed. hyfla, dän. hövle, Island.
hefla. ZUS. Hobelbank, f., 1508 in der
Straßburger Gemma hß'^. Hobelspan, m.,
1556 bei Frisius 1169^ Hobelspan PI.
Hoböe, in Österreich und Bayern auch
Oboe, f. (PI. -n): scharftönendes, hölzernes
Blasinstniment. 1703 im Zeitungslex. Haut-
bois «Art Blasinstrument, welche meist bei
den Regimentern zu Fuß und den Dragonern
gebrauchet werden», 1716 bei Ludwig (teutsch-
engl. Lex. 925) Hohoy oder schalmey. Aus
gleichbed. franz. haut-bois m., d. i. wörtlich
«Hochholz» (haut «hoch», bois m, «Holz»],
weil hoch (bis ins 3 gestrichene g) gehendes
hölzernes Blasinstniment. Entlehnt ins Ita-
lienische oboe m. und daher bei uns später
auch Oboe. Hoboist, m. (-en, PI. -en):
Hoboenbläser. 1711 bei Rädlein 489^ «der
auf einer Frantzösischen Schalmey e blaset».
hoch, adj. (flekt. hoher, hohe, hohes, Komp.
höher, Sup. höchst): ausgedehnt nach oben.
Mhd, hoch (flekt. hoher), ho, ahd. höh, ho;
dazu asächs. höh, mnd. hoch, hoge, ho, nndl.
hoog, afries. häch, häg, ags. heah, hea, heh,
engl, high, anord. hör, här, schwed. hög, dän.
hol, got. hauhs. Der Komp. mhd. Jwher.
hoeher, ahd. höhiro, ags. heahra: der Superl.
mhd. höhest, hoehest (noch bei Luther höhest),
host, ahd. höhist, asächs. höhöst, ags.'heahst,
got. hauhists. Das Adv. mhd. höhe, ho, ahd.
und asächs. hoho, mnd. hoge, ags. heah, hea,
got. hauhaba. Dazu mit Ablaut und gramma-
tischem Wechsel Haug und Hügel (s. d.), got.
hiuhma m. «Haufen, Menge», hühjan «sam-
meln, aufhäufen», und weiter lit. kaukarä
f. «Hügel», kaükas m. «Beule», lett. kuckurs
«Höcker, Buckel», russ. kücai. «Haufe», aind.
kucas m. «weibliche Brust». Das schwach-
flekt. Adj. substantivisch die Hohen, mhd.
die höhen «die Großen des Landes». ABL.
höchlich, adv.: in hoher Art, bei Luther,
vom Adj. mhd. höchlich, ahd. höhlih «er-
haben», ags. healic, im Adv. Malice, engl.
highly. höchstens, adv., bei Luther Briefe
2, 662 von 1525. S. Höhe, höhen, Hoheit.
ZUS. Hochachtung, f., 1581 bei Hedio
Josephus Vorr, 5^. Hochaltar, m.: Haupt-
altar, 1775 bei Adelung. Hochamt, n.: die
feierliche Messe vor dem Hochaltar, bei Ade-
lung, hochbegabt, adj., 1578 bei Fischart
Ehz. V^orr. 3^. hochdeutsch, adj.: ober-
deutsch, süddeutsch, 1488 in Städtechron. 3,
67, 16 in hochteutschen landen, um 1480 im
Voc. ine. teut. k 2^ Hochteutschlant und Hoch-
teutscher, von der Sprache 1581 bei Fischart
Bienenkorb Titel auff gut preyt Fränckisch
hoch Teutsch im Gegensatz zu auff Nider
Teutsch; dann «Schriftdeutsch», 1741 bei Frisch
Hoch-Teutsch, wie die Gelehrten teutsch reden
und schreiben, im Gegensatz der unreinen,
ungeschickten teufschen Aussprach und Mund-
Art, hochfahrend, adj., bei Goethe 7, 200.
Hochflut, f., schon ags. heahflöd m., anord.
häflöedr f. Hochgebirge, n., mhd. höch-
gebirge n. von den Alpen, hochgeboreu,
part. Adj., mhd. hoch geborn, höchgeborn
«vornehmem Geschlecht entsprossen, edel»;
jetzt als Titel der Grafen, denen nicht das
höhere erlaucht zukommt, schon 1540 bei
Hug Rhetorica lA^ als Titel der geforsteten
u. nichtgefüi-steten Grafen, hochgelehrt,
part. Adj., mhd. höchgeleret, 1641 bei Schot-
tel 376 hochgelahrt. Hochgericht, n.,
mhd. 1256 högerichte n. «Gerichtsbai-keit
in allen wichtigen bürgerlichen und krimi-
nellen Sachen» (Haltaus 930), spätmhd. im
15. Jh. hochgericht n. «peinliches Gericht»:
dann «Vollziehungsstätte der hohen Gerichts-
barkeit, Richtstätte» (15. Jh., Weist. 2, 51),
«Galgen» (Weist. 2, 410 von 1499). hoch-
geschoren, part. Adj,: vornehm, hochge-
stellt, 1534 bei Wii-sung Calistus cc 3, in urspr.
Bed. mhd. höchbeschorn «mit äußerst be-
schorenem Haar», dann mit Bezug auf die
große Tonsur der hohen Geistlichkeit höhe
beschäm (Erec 6632). hochherzig, adj.,
1641 bei Schottel 376, anders got. hauhhairts,
ags. heahheort «hochmütig». Hochmeister,
m.: der oberste Vorgesetzte eines geistlichen
Ritterordens, mhd. höchmeister, md. im 14. Jh.
hömeistir. Hochmut, m., mhd. höchmuot,
md. hömüt m. «edle gehobene Gesinnung,
große Freudigkeit», dann «die Überhebung
derselben», daneben mhd. hochmiiete, höch-
muot f. «Übermut», ahd. höhmuoti f. «Hoch-
mut» und das Adj. höhmuote «hochmütig).;
hochmütig, adj., md. hömütic, ahd. höh-
muotig im heutigen Sinne, hochnotpein-
lich, adj., als Beiname des Halsgerichts
(s. d. und Hochgericht), 1663 bei Schottel
257, gesteigert aus hochpeinlich 1697 bei Be-
sold Thesauinis 1, 355, vgl. hochnotdringende
Ursachen 1641 bei Schottel 376. Hochofen,
auch Hohofen, m.: hochaufgebauter Ofen
zum Schmelzen von Erzen. Noch bei Schiller
Eisenhammer hoher Ofen. Hochschule, f.:
875
Hocke
Kode
876
Universität, spätmhd. hdchschuol und hohe j
scMol f. Hoclistapler, m.: umherziehender [
vornehmer gaunerischer Bettler, seit der Mitte
des 19, Jh. in der Schreibung Hochstapler
verbreitet, dafür fräher Gauäieb (s. d.), 1753 j
Hochstahler, ein berühmter Dieb (Kluge Eot- !
welsch 1, 229). Zgs. aus hoch «vornehm» und \
statuier, stabuler m. «Bettler, Brotsammler»,
1510 im Liber vagatorum (Kluge a. a. 0. 1,
38 u. 60), in der Lutherschen Ausgabe von '
1528 Staheyler, 1494 bei Brant Narr. 63, 41
stahyl m. «Bettler», hochtrabend, part. !
Adj., schon mhd. hochtrabende in heutiger
Bed. Hochyerrat, m., 1703 im Zeit. Lex.
Hochwald, m., mhd. hochwalt m. Hoch-
wild, n.: alles zur hohen Jagd gehörige
Wild, insbes. das Eotwild, Edelhirsche und
Rehe, 1775 bei Adelung (1762 bei Heppe
Hochwilclpret), dafür 1512 bei Murner Schel-
menzunft 44, 13 hoch gwild, noch bei Schiller
Teil 2, 1 V. 900 Hochgewilde n. liocliwohl-
gehoreil, part. Adj., als Titel Adeliger und
hoher Staatsbeamter gebraucht, 1672 bei Stie-
ler Sekretariatkunst als Titel der Freiherren.
hochwürdig, adj., als Titel von hochge-
stellten Geistlichen, mhd. höchwii'dec xon hoher
Würde, 1326 der howerdege herr (Erzbischof),
dazu Eure Hochwird als Anrede des Erzbi-
schofs bei Liither 1, 6^, jetzt Hoch würden.
Hochzeit, f., mhd. höchzit und hochgezit, im
12. Jh. hohzit f. «Fest, Kircheufest» (die hohe
Zeit, hajr. die hoch Zeit, namentlich Weih-
nachten, Ostern, Pfingsten, Allerheiligen),
soAvie weltliche Festlichkeit, dann festliche
Lustbarkeit, hohe Freude, endlich (Anfang
des 13. Jh.) Vermählungsfeier, Beilager: da-
zu and. höchgitid f., mnd. höchtit f. «Fest-
feier, kirchliches Fest, Vereheliehungsfeier»,
afries. hächtid f. «Festtag», ags. heahtid,
anord. hätiä f. «Fest». Davon Hochzeiter,
m.: Bräutigam, 1582 bei Golius; Hoch-
zeiterin, f.: Braut, 1578 bei Fischart Ehz.
D 7,^, dafür in der Zimm. Chron." 4, 116,
34 Jiochzeite}-e f.; hochzeitlich, adj., mhd.
höchzitlich «festlich, hochfesttäglich >^, um 1480
iin Voc. ine. teut. k 2^ hochzitlicJi in bezug
auf die Vermählungsfeier; ZUS. Hochzeits-
hitter, m.: Hochzeitseinlader, 1675 bei Weise
kl. Leute 375. S. Hohelied, Hohepriester.
'Hocke, f. (PI. -n): Haufe im Feld auf-
gestellter Garben. Niedersächsisch, 1739 bei
Brockes ird. Vergnügen 6, 93, mnd. Jiocke,
hake m. Göttingisch-grubenhagenisch Hucke,
Hucken m. «Haufe von Sachen», altmärk.
Hock m. «Gras-, Heuhaufen», Schweiz. Hock
m. «Haufe», bayr. Hocken, Hocker m. und
tirol. Hock m. «Getreide-, Heuhaufen auf
dem Felde». Urverwandt mit lit. kügis m.,
lett. käudze «auf der Wiese stehender großer
Heuhaufen», lat. cumuhis (aus ^cugmulus) m.
«Haufe». S. Hucke. ABL. hocken, v.:
Getreide in Hocken setzen.
'Hocke, m.: Kleinverkäufer, s. Höke.
Höker.
hocken, v.: zusammengebogenen Leibes,
krumm niedersitzen (1561 bei Maaler hocken,
bei Murner Schelmenzunft hucken); wartend
sitzen (1556 bei Frisius 897^); dauenid fest-
sitzen (1531 bei Franck. Chron. 404^ hucken,
1670 l)ei Grimmeishausen Simpl. 2, 44, 6 Kllr.
über den Büchern hocken; sich auf einen
kauernd niederlassen. In der letzten Bed.
mhd. hucken (a\Ione Schausp. 1, 313). Mnd.
hucken, huken und ndl. 1598 hucken in der
ersten Bed., daneben mhd. hüchen «kauern,
sich ducken» (s. heucheln), ndl. huiken, anord.
hüka «kauern, hocken», hokinn Part, «nieder-
gebogen, krumm», schwed. huka «hocken».
Wohl zu ^ Hocke. ABL. Hocker, m. {-s,
PI. wie Sg.) : wer hockt (in Ofenhocker,
Stubenhocker); Schemel, Zeichenstuhl. (Diese
Bedeutung noch nicht bei Grimm.)
Höcker, m. (-.9, PI. wie Sg.): Auswuchs
des* Rückens, Buckel. Mhd. hoger m. (auch
Bucklichter), im 15. Jh. hogker, hocker, noch
1664 bei Duez Hocker, 1678 bei Krämer
Höcker. Die ältere Forai ist mhd, hover
m. «Höcker» (auch Buckliger), ahd. hovar
m., mnd. hover, have); ags. hofer m., noch
älternhd. im 16. Jh. Hofer (bei Alberus der
Barfuser Münche usw. Nr. 118 Hofer neben
Huber m. in Nr. 302); urverwandt mit lit.
kuprä f. «Buckel, Höcker», kupris m. «der
Bucklige», gr. Köqpoc n. «Höcker, Buckel»,
KÜqpöc «gekrümmt, höckericht», aind. kubjas
«buckelig». Vgl. Hügel und Hübel. Höcker
ist wohl unter Einfluß von hocken aus Hofer
umgebildet. ABL. hÖckericht, adj., mhd.
hockerchf, hogreht, im 15. Jh. höckericht, 1429
hokrot, im 12. Jh. hogeroht, in ältrer Form
mhd. hoveroht, hovereht, ahd. hovaroht «buck-
licht», ags, hoferede.
Hode, f. (PI. -n), auch Hode(n), m. (Gen.
-ns): lat. testiculus. Mhd. hode m., ahd. hodo
m.; dazu afries. hothan m. Anknüpfungen
sind nach mehreren Seiten möglich. Ent-
weder zu lat. cöleus aus *kautsleios, lit. hitis
«Beutel», kymr. cwd «Hodensack» oder zu
877
Hof
höfisch
878
aind. rötlias m. «Anschwellung, Aufgedunsen-
heit»/ Vgl. Walde s.v. ZTJS. Hodensack,
m., im mrhein. Yoc. ex quo 1469 hodensacke
ra., ebenfalls im 15. .Jh. hodensag m. (Diefen-
bach gl. 403 b).
Hof, m. (-es, PI. Höfe): innrer abge-
schloßner Eaum bei Gebäuden; Fürstensitz,
sowie die an demselben oder überhaupt um
den Fürsten versammelten Vornehmen (diese
Bedeutung unter Einfloß Ton franz. cour);
Haus und Wirtschaftsgebäude eines Gutes;
(im 15. Jh. auch schon) heller Xebelring um
Sonne oder Mond. In diesen Bed. mhd. hof
m. (Gen. hoves, PI. hove, höve), md. auch hob,
ahd. hof m. (auch Garten); dazu asächs. hof
m. (PI. ho'bos) «Herrenhof, herrschaftliches
Gut, Palast», ndl. hof n. (auch Garten), afries.
/'o/n. «Haus mit Umgebung, Kirch-, Gerichts-.
Fürstenhof», ags. hof n. «Gebäude, Fürsten-
gebäude »,'anord. hofn. «umhegter Raum mit ;
Haushaltgebäuden, Tempel, Fürstengebäude», i
(entlehnt) schwed.-dän. hof. Über Verwandt-
schaft mit gr. Kfjiroc. m. «Garten» (s. Hufe)
vgl. Sievers ßtr, 16, 237. Von Meringer Idg. i
Forsch. 18, 267 als «Wohngrube» zu aind. i
knpas «Grube, Höhle» gestellt, wohl besser
aber zu Hühel (s. d.) «Hügel». Alles unsicher.
Hoflfart, f. (ohne PI.): das Hochhinaus-
woUen über andre; Großtun mit Gepränge.
Zgs. aus Jwch und Fahrt, noch im 16. Jh.
Hochfart f., mhd. hochvart f., auch höhevart,
hövart, hohe zu varn, d. h, «Art vornehm
zu leben, Glanz und Pracht, edler Stolz»,
dann «Übermut, prangendes Großtun, hoch-
fahi-endes Wesen, Trotz», ahd. höhfart f.
«Übermut», im 14. Jh. hoffart, das im 16. Jh.
zur Herrschaft gelangt, auch bei Luther Hof-
fart; dazu ndrhein. im 14. Jh. höfard, h.öffard
(Kloster- Altenberger Hdschr.), mnd. hochvart,
hovart f. «Hochmut». Davon hoff artig, adj. :
hoch- und übermütig, mhd. hochvertec «hoch-
gesinnt, stolz, prachtvoll», dann in heutiger
Bed. ahd. höh fertig, höhvartig «stolz, über-
mütig, trotzig», im 14. Jh. hoffertic, dazu
ndi-hein. im 14. Jh. höferdig, höfferdig.
hoffen, v.: etwas künftiges Angenehmes
erwarten. Mhd. hoffen erst im 13. Jh. in
österreichischen Gedichten, aber noch nicht
bei Hartmann v. Aue, Wolfram v. Eschen-
Ijach, Gottfried v. Straßburg und im Volks- j
epos, erst nach 1250 wird es häufiger statt
des altem mhd. dingen, gedingen, ahd. dingen !
«hoffen», mit dem Subst. mhd. gedinge m. f. n.,
ahd. gidingo m., gedingt f und gedingi n.
«Denken, Hoffnung». Das Wort ist ins Mhd.
und in die oberd. Mundarten durch das Mittel-
deutsche des 12. Jh. (hoffen) aus dem Xiederd.
eingedrungen: andfränk. föÄojja f. «Hoffnung»,
mnd. hopen, hupen «hoffen», mndl. hopen, zu
ältest ags. im 9. Jh. hopian «hoffen» (engl.
hope), fö/^opa f. «Hoffnung». Entlehnt schwed.
hoppas, dän. haahe. Einer Zusammenstellung
mit lat. cupere «wünschen» widerstreitet dessen
nach dem Gesetze der Lautverschiebung nicht
stimmendes p. Das Wort ist vielmehr mit
hüpfen zu verbinden, und die Bedeutungsent-
wicklung war wohl «aufspringen, erwarten,
hoffen». Vgl. in der Jägersprache der Hirsch
verhofft «sieht sich um, stutzt». ]^och heute
bayr. verhoffen über ein Ding «davon über-
rascht, damber stutzig werden, auffahren»,
Schwab, verhofft «erschreckt». Vgl. DWB.
4, 2, 1668. ABL. hoffentlich, adv., 1664
bei Duez, mhd. das Adj. hoflich, hoffenlich
«Hoffnung erweckend». Hofflinug:, f, md.-
mhd. hoffenunge f.
hofieren, v.: einem Frauenzimmer schön
tun, (ihr als der Herrin) den Hof macheu
(s. Cour); auf den Hof machen, die Notdurft
verrichten (16. Jli., ZfdA. 3, 32, 43). Mhd.
hovieren, hofieren, md. hoveren «sich in fest-
licher Geselligkeit erfreuen, prangen, (mit Dat.)
zur Verherrlichimg musizieren, ein Ständchen
bringen, den Hof machen, galant sein, auf-
warten, dienen», urspr. «das Gefolge sein oder
bilden», zu ahd. hof m. «Gefolge eines Herrn»;
dazu nmd. hoveren, haveren «höfische Be-
lustigungen treiben, aufwarten, schmeicheln ».
höfisch, adj.: bei Hofe gebräuchlich oder
als schicklich geltend. ]\Ihd. hövpsch. hövisch,
höfsch, md. hovesch, hofsch, fmhmd. huvisrh
«zu einem Hofe gehörend, hofgemäß, fein-
gebildet, zart gesittet»; das Wort wui'de ge-
bildet, um das romanische (franz.) courtois,
mhd. kurtois, kurteis auszudriicken. Vgl.
hübsch. Weitre Ableitungen von Hof: höf-
lich, adj.: dem Hoftone, d. h. fein gesitteten
und gebildeten Tone gemäß, mhd. hovelich,
im Adv. hovelich e, ho fliehe, hovelich: dazu
Höflichkeit, f , um 1480 im Voc. ine. teut.
k Z^ hoflichkeit. Höfling, m., mhd. im 12. Jli.
hovelinc m. «dem Hofleben und der Hofsitte
Angehöriger. ZUS. mit Hof: Hofhält, m.
und Hofhaltung, f.: das Hofhalten eines
Fürsten und die Gesamtheit der dazu gehöiigen
Personen und Gegenstände, Hof halt im 19. Jh.,
Hofhaltung 1642 bei Duez. Hoflager, m.:
Ort, wo ein Fürst mit seinem Gefolge vor-
879
Höhe
Hohn
880
übergehend weilt (1575 bei Fischart Garg. 67);
laste Eesidenz eines Fürsten (Ende des 16. Jh.
bei Schweinichen 1, 380). Hofmaiin, m.,
mhd. hoveman m. «Diener am Fürstenhofe,
Hofgut bewohnender Bauer», afries. hofnwn
m. Hofmarschall, m., 1664 bei Duez Hof-
marschalck, dafür Ende des 16. Jh. bei Schwei-
nichen 1, 393 Hausmarschall. Hofmeister,
m., mhd. hovemeister , afries. Jiofmäster m.
«Aufseher über füi'stliche Hofhaltung, Ober-
knecht», erst nhd. «Erzieher», bes. «in vor-
nehmem Hause» (1642 bei Duez), bei Luther i
Sir. 20, 4 Hofemeister «Aufseher und Be- i
wahrer des Gesindes und der Kinder des
Hauses»; davon hof meistern, V.: Mangel- i
haftes an jem. rügen, Ende des 16. Jh. bei
Schweinichen 1, 125. Hofnarr, m., 1556 bei '
Frisius 837''. Hofprediger, m., 1663 bei
Schuppius 42. Hofrat, m., mhd. hoveräi m. '
«die Gesamtheit der Käte eines Fürsten»,
hofrath im 16. Jh. in der Zimm. Chron. ^ 3,
192, 32 «der einzelne Rat». Hof reite, f.
(PI. -n): Hofraum und Gebäulichkeiten eines
Landgutes, mhd. liovereite f. «der Hofraum,
der zu dem Haus und dessen Stallungen, zu \
einem landwirtschaftlichen Gebäude gehörige
freie Spielraum», dann «Bauernhof» (1347 hof-
reit), um 1480 ])ei Steinhöwel Asop306 hofraity
f., noch bayr.- Schwab.- elsäss.-fränk.- hessisch,
wohl in Zusammenhang stehend mit dem ersten i
Teile von shdi.hreiti-, reitihuohai. «Ansiedlung, j
Landgut». Hofschranze, m. (-%, PI. -n) :
verächtliche Bezeichnung für höhre Hofbe-
diente, bei Luther 3, 297 ^ Hofeschrantze, aber j
bei Lessing Em. Gal. 5, 4 Hofschranze f., \
s. Schranze. Hofstaat, m. (-es, PL -e):
Dienstpersonal eines Hofes, 1626 bei Zinc- i
gref Apophth. 1, 331 Akk. Sg. Hoffstaaden.
Hofstatt, f. (PI. Hofstätte): Hofreite (mhd.
hove-, hofstat, ahd. hovastat f. «Grund und
Boden einer Hofbesitzung»); Ort, wo ein
Fürst seinen Hof hält (1631 bei Zincgref
Apophth. 2, 53). Hofstätte, f. (PI. -n):
Stelle eines Bauernhofes oder einer Hofreite;
die Hofreite selbst. 1522 bei Dreyhaupt
Beschreib, d. Saalkreises 1, 940 Hoffstette f.
Höhe, f., das Subst. zu hoch (s. d.). Mhd.
hoßhe, hohe f. (auch Anhöhe, Berggipfel), ahd.
und asächs. höht f., got. hauhei f. hölien, v. :
hoch machen, erh'6hen,mhi.hoehen,'j\id.h6hja)i,
höhen, got. hauhjan. Hoheit, f., mhd. höch-
heit, md. höcheit f. «Erhabenheit, noch im
10. und 17. Jh. Hochheit; als Titel der Fürsten
bei Duez 1664 und Krämer 1678 Hoheit. 1626
bei Zincgref Apophth. 1, 14 Key serliche Hoch-
heit (vom Kaiser), jetzt von Herzögen und
königlichen Prinzen. ZUS. mit hoch: Hohe-
lied, n. (Gen. Hohenliedes): das hohe Lied
Salomos, bei Luther. Hohepriester, m.
(zusammengemckt aus der hohe Priester, Gen.
Hohenpriesters, PI. Hohenpriester), in starker
Flexion Hoherpriester, m. (aus hoher
Priester, PI. Hohepriester), bei Luther, da-
für im Cod. Tepl. di fursten der priester
oder der phaffen.
Höhenrauch, s. Herauch.
hohl, adj. (Komp. hohler, Sup. hohlst):
im Innern leer. Mhd. und ahd. hol, noch
bei Luther und im 18. Jh. hol, 1664 bei Duez
hohl; dazu and.-ndl.-afries.-ags. /io?, anorä.holr,
dän. Md, woneben engl, hollow «hohl». Ge-
wöhnlich zu ahd. helati «umhüllend verbergen»
(s. hehlen) und got. hulundi f. «Höhle», eig.
«die Bergende» gestellt, was aber kaum be-
friedigt. Besser zu lat. cavus «hohl», gr.
KÖoi «Höhlungen» (Hesych), gr. küXo n. PI.
«Vertiefung unter dem Auge» u. a. Vgl.
Walde s. V. ABL. Hohle, f. : tiefgehender
Weg zwischen Berg-, Erdwänden (Goethe 27,
332), mhd.-md. hole f. «Höhle», im 14. und
15. Jh. als Bergmannsausdruck halbrund aus-
gehauner Baum, Trog von einem gewissen
Maße, anord. hola f. «Höhle, Loch». Höhle,
f. (PL -n), mhd.^ hüle f. (auch PI. hiilinen),
ahd. holt f., spätmd. im Voc. theut. 1482 p 1 '^
holint, daneben mhd. hol n. (P\.hölr) «Höhle,
Öffnung», ahd. hol n. (F].holir, holer) «Höhle,
Loch», and.-afries.-anord. hol n., ags. hol und
holh, hole n., engl, hole. Aus dem Germa-
nischen entlehnt afranz. houle f. «Bordell»,
nfranz. houle f. «die hohle See», hulotte f.
«Kaninchenhöhle», höhlen, v.: hohl machen,
mhd. erholn, erhüln «aushöhlen», ahd. holön,
got. ushulön, ags. holian; dazu Höhlung, f.,
1762 im dict. alem. fran^; bei Adelung neben
Höhlung, um 1480 im Voc. ine. teut. ml^
holung. Hohlheit, f.: das Hohlsein, hohle
Stelle, 1495 in der Kölner Gemma E7'^ hol-
heyt, nd. im 15. Jh. bei Diefenb. gl. 138 «^
haelheit, hoylheyd. ZUS. hohläugig, adj.,
1741 bei Frisch, hohläugig 1664 bei Duez.
Hohlhippe, s. ^ Hippe. Hohlkehle, f.:
halbkreisförmig ausgehölte Rinne oder Leiste,
1518 im Anz. d. Germ. Mus. 1866, S. 272 Hol-
kai f., bei H. Sachs 2, 382 Holkel f. Hohl-
spiegel, m., '1716 im Mathem. Lex. 1299.
Hohlweg, m., 1691 bei Stieler.
Hohn, m. (-S, ohne PI.): Äußerung ein--
881
Hohn
Hokuspokus
882
verletzenden, herabsetzenden tJbermutes gegen
jemand. Md. im 14. Jahrb. (selten) Mn m.
«Schmach», noch bei Luther im Sinne von
«Schmach, Schande» (Jer. 31, 19); dafür mhd.
hcene f. und hoeiide f., md. hone f. «Schmach,
Schande, verletzendes hochfahrendes "Wesen»,
ahd. Mna und honida f., asächs. hönäa f., and.
hönitha «Schmach, Schimpf», Substantivum
zum mhd. Adj. hcene, md. hone «verachtet,
durch Schmähung an der Ehre kränkend,
hochfahrend, zornig, böse», ahd. höni und
ags. hean «schmachvoll, verachtet, niedrig»,
got. hauns «niedrig, demütig». Urverwandt
mit lett, /cawns m. «Schmach, Schande, Scham,
Hohn», lit.kuvetis «sich schämen», gr. Koöpoc-
KaKÖc. Vgl. noch Uhlenbeck Btr. 30, 289.
Aus dem Germanischen entlehnt franz. ho7ite
f., ital. onta f., altspan. fonta f. «Schande».
ABL. höhnen, v.,,mhd. hoenen, md. und
mnd. honen, ahd. honen «schmähen, entehren»,
afries. hena «höhnen», ags. hynan, henan «de-
mütigen, schimpflich behandeln», got.haiinjan
«jem. erniedrigen»; aus dem Germanischen ent-
lehnt ital. onire, afranz. honnir «beschimpfen».
höhnisch, adj., mhd. hcenisch. hohnecken,
V.: mit Sticheleien höhnen, 1691 bei Stieler
honecken und honecheln, 1644 bei HarsdörfFer
Gespr. 1, Y5'' honecklen, haji: und nd. ho-
neckeln. Schon Stieler und Frisch betrachten
das Wort als eine Zusammensetz, mit ecken
(in ausecken «ermessen, erwägen», dann «be-
kritteln, tadeln»), bayr. eckein mit jem. «ihm
scharfe, beleidigende, herausfordernde Worte
sagen» (von mhd. ecke f. «hervorstehende
Spitze, Schneide der Waffe»), auseckeln «ver-
spotten» imd durcheckeln «tadelnd durch-
ziehen» (bei Frisch): allein wahrscheinlich
ist es wie thüring.-obersächs. hohniepeln
(auch hohnepiepeln) «verspotten» eine Ver-
stümmelung und Umbildung des nicht mehr
verstandnen älternhd. holhippeln (Luther 1,
861 a), holhippen (H. Sachs Fab. 10, 136)
«schmähen, lästern, spotten», von älternhd.
(15. und 16. Jh.) holhipper m. «Hippenjunge,
hausierender Verkäufer von Hohlhippen oder
HohlwafFebi», dann (weU er die verächtUche
Behandlung mit Schmähungen und Hohn ver-
galt) «Schmäher, Lästrer». ZTJS. Hohn-
gelächter, n., 1664 bei Duez. hohnlächeln,
V., 1775 bei Adelung, hohnlachen, v.,
mhd. honlachen «hinterlistig lachen», hohn-
sprechen, V., 1414 hoensprechen und im
15. Jh. hönspreken (Diefenb. gl. 148*j; Hohn-
Sprecher, m., 1691 bei Stieler.
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
hoho! Interj. des Zurufs, des Triumphie-
rens (im 14. Jh. Limburger Chron. 74, 4 W.),
dann des Einwurfs und Zweifels (1555 bei
Wickram Rollw. 73, 17 K.). S. ho.
Hohofen, s. Hochofen.
Höhrauch, s. Herauch.
hojahnen, v.: gähnen (Wieland 5, 266).
Ein lautmalendes nd. Wort bei norddeutschen
Schriftstellern, mnd. hojanen und im 15. Jh.
bei Diefenbach gl. 276*^ hoianen, md. 1517
bei Trochus Q 3^ hoganen.
HÖke, m. (-W, PL -n): Kleinverkäufer
roher Eßwaren usw. an öffentlichem Platze.
ÄIhd. hucke, md. hocke m., noch westmd.
Hocke (z. B. in Frankfurt a. M.), 1664 bei
Duez Hock: mit verlängertem Vokal mnd.
hoke, koken m., md. in den Xordhäuser Statuten
des 15. Jh. und 1517 bei Trochus F5^ hoke,
daher bei Stieler Hoke neben Höker und bei
Frisch Hoke und Höke. Mit Weiterbildung
mndl. heukster m., mittelengl. huckstere, engl.
huckster und hucksterer «Höke». Wahrschein-
lich zu Hocke, Hucke f. «Traglast, Bündel»,
hocken «eine Last auf dem Rücken tragen»
(s. Hucke), also der K^einkrämer, der die
auf dem Lande aufgekaufte und von ihm
feilgebotne Ware selbst auf dem Rücken trägt.
ABL. hökeu, V.: Kleinverkauf mit Lebens-
mitteln treiben, 1691 bei Stieler koken, höken,
mnd. koken, dafür bei Moser patr. Phant. 1, 28
höckern. Höker, m. (s, PI. wie Sg.) : Höke,
mhd.-md. kucker, hocker und hockener, 1477
bei Diefenbach gl. 422 ^ hockler, 1562 bei
Mathesius Sar. 173^ Höckler, 1664 bei Duez
Hacker, 1678 bei Krämer Hocker und Hocklei-.
1691 bei Stieler Höker, Hoker und Hucke)-.
HÖkerei, f., 16ß4beiDuezfibcA-ere?/. HÖkin,
f.: Kleinverkäuferin, im 16. Jahrb. Höckin
(Frankf. Reform, 1, 45 § 17), dafür spätmhd.
hocke f., noch 1678 bei Krämer Hocke f.
neben Hocklerin, 1664 bei Duez Häckerin,
1691 bei Stieler Hökerinn.
Hokuspokus, m., früher auch n. (Gen. un-
verändert): Taschenspielerei; Gaukelspiel, Gau-
kelwerk. Das Wort taucht zuerst in Eng-
land auf, kocospocos 1624 als Bezeichnung für
Taschenspieler, 1632 als Zauberfonnel, und
wandert über Holland nach Deutschland, 1644
bei Duez Nomencl. 131 Oxbox «Taschenspieler»,
1650 bei Mosch erosch Phil. 1, 371 Ocus Bocus
als Name eines Buchhändlers und Druckers
leichtfertiger Geschichten, 1663 bei Schuppius
199 Ockes-Bockes-Possen treiben (1656 von
Taschenspielern) und 708 Ockes Bockes, der
56
883
hold
Holm
884
Änistcrdamincr als Name eines Taschenspieler-
typus, 1669 bei Eachel 8, 144 oJxes hoks als
Zauberformel, die Geschwindigkeit des Gauk-
l'^rs andeutend, 1667 Hocus Pocus junior oder
Taschen- Spiel-Kunst Titel der Üljersetzung
des englischen Buches Hoais Pocus junior,
the anatomic of legerdemain 1634. Demnach
ist das Wort urspr. der hochtönende Name
eines Gauklers, nicht eine Verstümmelung
der Abendmahlsformel hoc est corpus meum.
hold, adj.: freundlich zugeneigt; freund-
lich und lieb. Mhd. holt, ahd. hold «gnädig,
günstig, liebend, dienstbar, treu»; dazu asächs.-
afries.-ags. hold, anord. hollr «gnädig, treu»,
schwed.-dän. huld «hold, anmutig-, treu, er-
geben» got. hulßs «gnädig». Urspr, vom Ver-
hältnis zwischenLehnsherrn u. Gefolgsmann (s.
Holde), einerseits gnädig, herablassend, andrer-
seits treu ergeben. Wohl gleichen Stammes wie
Halde (s, d.) und ahd. hald «sich vorwärts
senkend, geneigt». Über andre Erklärungen
siehe Zupitza Gutt. 107. ABL. Holdcheil,
n.: Liebchen, bei Goethe 1, 80. Holde, m.
[-n, PI. -n): der als Lehnsmann Abhängige,
in Grundholde m. (Adelung 1775), mhd. holde
m. «Freund, Gehebter, treu ergebner Lehns-
mann», ahd. holdo m., woneben mhd. holde f.
«Freundin, Dienei'in»; in religiöser Beziehung
mhd. der gotes holde «Gottesfreund», des tievels
holde «Teufelsdiener», die guoten holde «Haus-
geister», ahd. holdo m. «Geist, Genius» (s. Un-
hold). Holdin, f.: Grazie, Charitin, 1645
von Zesen Rosemund 232. 241 eingeführt,
dann von Hacfedorn und Büro-er für «anmutisre
o O O
Geliebte» gebraucht, holdselig, adj., spät-
nihd. im 15. Jh. holtselig: Holdseligkeit, f.,
1534 bei Franck Weltb. 94 ^
Holder, s. Holunder.
holen, V.: herbeibriugen. ^Ihä.holn, holen,
zuweilen noch haln, ahd. holön, halon und
holen «herbeiholen», zuweilen auch «rufen».
Dazu asächs. halön, halöjan, mnd. und ndl.
halen, afries. halia, ags. geholian, engl, hale
(ziehen), anord. hala{?), (entlehnt) schwed.
hala, dän. hale (ziehen). Gewöhnlich mit lat.
caläre «zusammenrufen», ori-.KaXeiv «rufen», lett.
kaluot «schwatzen» zusammengestellt. Aber
Mansion Btr. 33, 547 zeigt, daß «rufen» nicht
die Grundbedeutung war, sondern «(mit An-
strengung) herbeischaffen ». Er vergleicht gi'.
KdXuuc m, «Tau». Unsicher.
Holfter, f., s. ^Halfter.
Holk, Hiilk, m. (-es, PI. e[n]): gi-oßes
schweres Lastschiff mit flachem Boden. 1582
im Ambraser Liederbuch 215, 83 Holck m.
neben Hollick und Hülck, 1581 bei Fischart
Bienk. 175'' Hulcken PI,, mhd. holche, ahd,
holcho m.; dazu mnd. holk, hollik, hulk m.
und holke, ndl. hulk f., engl. hulk. Vielleicht
aus mlat. holcas, gr. öXkuc f. «Zug-, Last-
schiff», von eXK€iv «ziehen», bes. auch vom
Ziehen des Schiffes.
holla! Interj. des Anrufes, insbes. zum
Aufhorchen oder Stehenbleiben. 1561 im
Amadis 1, 35 hola, 1575 bei Fischart Garg.
69 holla. Urspr. als Zuruf an den Fähr-
mann zum Überholen: hola hola, ferg, hol
(um 1500 bei Olearius de fide concub., siehe
Hildebrand Beitr. z. d. Unterricht 68).
Holle, f. (PI. -n): Haarschopf, Federbusch
der Vögel. Ndd. In Göttingen, Waldeck. Viel-
leicht zu mnd. hülle f. «Kopfbedeckung, Kopf-
tuch, Mütze», was hochdeutsch Hülle wäre.
Hölle, f. (PI. -n): Ort der ewig Ver-
dammten; der enge Raum zwischen dem
Ofen und der Wand (spätmhd. 1488 hell f.).
Li der 1. Bed. mhd. helle, ahd. hellja, hella f.,
noch bei Luther Helle, 1620 bei Albertinus
Lustgarten 136 '^ Hölle; dazu asächs. hellja,
mnd. helle, afries. hille, helle, ndl. und ags.
hei, helle, engl, hell, anord. hei, got. halja f.
«Unterwelt, Ort der ewigen Verdammnis,
urspr. das Reich der Todesgöttin», anord. S^eZ.
Gleichen Stammes wie ahd. helan «verbergen»
(s. hehlen), also urspr. die bergende. Zu der
2. Bed. «Ofenwinkel», -vgl. ags. heal, hal m.
oder n., mittelengl. Jial «Winkel, Ecke» und
weiter bulg, klänik «der Raum zwischen dem
Herde und der Wand», serb, klänac m. «Eng-
paß» u. a., lat. callis m. «Bergpfad». Vgl.
Walde s. v. Die Worte wären also eigent-
lich zu trennen. ABL. höllisch, adj., mhd.
hellisch, hellesch, mnd. hellisch, heisch. Auf
ndd. Gebiet wird das Wort in der Aus-
sprache hellsch zu einem verstärkenden Ad-
verbium, z. B. er ist hellsch klug. ZUS.
HÖUbailk, f.: Ofenbank, 1788 bei Müsäus
Volksra. 2, 142 Hellbank. Höllenangst, f.:
Angst vor der Hölle, 1562 bei Mathesius
Sar. 61^ Hellenangst; höchste Angst, 1775
bei Adelung. HÖllenhraud, m.: der das
Höllenfeuer nährt, großer Bösewicht, mhd.
hellebrant m. Höllenfahrt, f., mhd. helle-
vart f. Höllenstein, m,: salpetei-saures
Silberoxyd als Ätzmittel, 1762 im Nouv. dict.,
1722 bei Hübner höllischer Stein.
^Holui, m. [-es, PL -e): Binnenwasser-,
See-, Flußinsel; Halbinsel; in den nordischen
885 Holni homouyin 886
Seestädten Platz, wo Schiffe gebaut werden Holz, n. (-es, PI. Höher): dichtstehender
(1782 bei Jacobsson). In der 1. Bed. 1647 Baumwuchs, Wald; der harte Stoff des
bei Olearius Eeisebeschr. 254 aus dem Xiederd., Baumes unter der Rinde; Stück eines Baumes,
nmd. 1379 holm m. «Flußinsel», asächs. holm In diesen Bed. mhd.-ahd. Jwlz n. (PI. mhd.
m. «Berg, Hügel»: dazu ags. höhn m. «hohe holzer, höher, ahd. höh. hohir); dazu asächs.-
Meereswoge, das hohe Meer», engl, holm mnd.-afries. holt n. «Wald», ndl. /w?/f n., ags.
«Insel, Werder, Klippe, Hügel», anord. holmr holt m. n. «Gehölz, Holz als Stoff», engl, holt
m. und holmi m. «See- oder Flußinsel», dann «mit Bäumen bewachsner Hügel, Hain», anord.
«Stätte des Zweikampfs, Zweikampf» (Holm- holt n., schwed. hult, dän. holt «kleine Wald-
gang), schwed. /^o/we m. und dän. />o??m «kleine strecke». Urverwandt mit abg. klada f. «Bai-
Insel». Gleichen Stammes wie nd. Hüll m. ken», gr. KXdboc m. «Zweig, Schößling», air.
«kleine Erhöhung», ndl. hiUe, hü, ags. hyll caill «Wald», vielleicht auch aind. kästham n.
m., engl, hill «Hügel». Ui-verwandt mit lat. «Holzstück». Tgl. Walde s. v. callis. ABL.
collis m. «Hügel», cohimen. ruhnen n. «Höhe, holzeil, v.: Holz fäDen, es abschlagend sara-
Gipfel», gl". KoXuuvöc m. und KoXuüvri f. «Hügel», mein: (studentisch) piügehi (1813 bei Kluge
Wx.kälnasva. «Berg», aber aus dem Deutschen Studentenspr.). Mhd. Ao^ze« <:Holz fällen und
entlehnt niss. cholmü m. «Hügel». aus dem Walde führen», mnd. holten: davon
"Holm, m.: Griff' an d^r Axt, Xebenfonn Holzuug, f., mhd. hohunge f. «Holzhieb»,
zu -Helm (s. d.). hölzern, adj., 1540 bei Alberus dict. 112»
Holper, m. (-S, PI. -n oder wie Sg.): höltzern, im 15. Jh. mi. holtzern (Diefenba<;h
kleine Erderhöhung als Anstoß auf dem Wege. gl. 329''), bei Luther hnltzern, mhd. vereinzelt
1728 bei Menantes aUemeuste Art 76. Da- hulzerin, im 16. Jh. die ältre Foi-m vei--
von holperig, adj., bei Lessing 7, 21 holprich. drängend: höltzen, hnltzen (beide bei Luther),
1540 bei Alberas dict. g4^ hölpericht, dafür 'höltzin (Garg. 126), mhd. hühin, md. hulzm,
1691 bei Stieler holper. holperu, v,, 1.540 ahd. holzm, mnd. hoUe)i. holzig, holzicht,
bei Albems dict, aa 3^, dafür spätmhd. Äo?/?e?«. adj.: holzartig, 1523 bei Carlstad Standt der
hilpeln. TieWeichi ans hoppeln. Tgl. nhersinch chrtstglaub. Seelen B2^ holtzig, 1541 bei
Horhel. Dazu Schweiz, hülpen «hinken». Fiisius 516^ holtzachtig, 1588 bei Tabernä-
holterdiepolter, auch holterpolter montanus holtzecht. ZUS. Holzapfel, m.:
(Bayera), interj.: über Hals und Kopf stür- im Walde wachsender wUder Apfel, mhd.
misch eilend. 1779 bei Schummfl Spitzbaii: hohapfel fPl. hohepfele). Holzbirne, f.:
153 holte)poltei' , 1665 bei Filidor Ermelinde wilde, unveredelte Birne, mhd. holtbir f.
S2 holder die polder: dazu nd. hulder de bulder Holzbock, m.: Waldbock, Rehbock (um
(bei Yoß 4, 75 hulfer jaulte)-), flämisch holder 1480 im Voc. ine. teut. ml''); die tierbelä-
de holder. S. poltern. stigende Milbe Aearus reduvius (1587 bei
Holunder, m. (s, PI. wie Sg.J: der Dasypodius); Gestell mit gekreuzten Beinen
Strauch oder Baimi Sambucus. Der Ton zum Holzsägen, daher bildl. grober unbe-
liegt in mhd. und ahd. Zeit wie noch heute holfner Mensch (mhd. Ao/^fcoc). Holzschnitt,
in den Mundarten auf der ersten Sübe, in m.: Holzplatte mit eingeschnittnem Bild und
der nhd. Schriftsprache auf der zweiten (vgl. deren Abdnick (1716 bei Ludwig). Holz-
lebenäig). Mhd. holnnter, holunde); woneben taube, f. : in hohlen Bäumen nistende Wald-
holanter, holenter, verküi-zt holnder, holder, taube, mhd. hohtübe, ahd. Itohtuba f. Holz-
hoUer, holer, holr m., daher nhd. Holder, weg, m.: Waldweg zur Holzabfuhr, bildl.
Holr, ahd. holuntar, holantar, holander m. iiTtümlicher Weg, schon mhd. holzwec m.
Mit der Ableitung -tar (wie in Äffolter, Maß- Holzwurni, m., mhd. holzicurm m.
holder, Wachholder) aus einem Stamm, der homouyni,adj.: gleichnamig. DieHoniO-
in schwed. hyll m., dän. hyld vorliegt. Dies nyuieu, gleichlautende Wörter verschiedner
entspricht wohl russ. /caZftta f. «wilder Schnee- Bedeutung, gi:-\at. homönymxi PI., vom gr.
baU, Wasser-, Maßholder, türkische Weide, Adj. ö|aujvu|ioc «gleichnamig», aus gr. öjxöc
Schiingenstrauch, Mehlbeere». In der Bed. «gleich» und einer Büdung von övo^ia n.
Svringe ist Holunder geküi-zt aus spanischer «l^anne-». 1714 bei Wächtler Homonymie f.
Holder oder Hollunder, iceischer Holler 1741 «das Gleichnamigsein». Homonym, n. (-.s,
l)ei Frisch, türckischer, welschei-. römis her PI. -e[?i]): doppelsinniges Wort, Rätsel über
Hollunder 1711 bei Rädlein. Vgl. Flieder, ein solches.
887
Homöopath
Hoppelpoppel
888
Homöopath, m. (-en, PI. -en) : Arzt, der
solche Mittel in kleinen Gaben gegen Krank-
heiten anwendet, die in gi-ößern Gaben ein
ähnliches Leiden im gesunden Körper be-
wirken würden. Vom Arzt Dr. Samuel Hahne-
mann zu Anfang des 18. Jh. eingeführtes
Wort, aus gr. 8|noioc «ähnlich» und Trd0oc n.
«das Leiden». Dazu Homöopathie f.
honett, adj.: ehrenhaft, ehrbar, anständig.
1714 bei Wächtler, Aus gleichbed. franz.
honnete, afranz. honeste, von lat. honestus
«ehrenhaft», zu lat. honös m. «Ehre».
Honig, m. (-5, ohne PL): süßer Bienen-
saft. Mhd. Jionec, honic n., auch hönic, hünic,
ahd. honag, honang n., das Neutr. auch bei
Luther und bis ins 18. Jh, (Lessing 8, 127,
Goethe Reineke 3, 41), das Mask. 1512 bei
Keisersberg Marie Himelfart 10% bei Maaler
Honig m. und n.; dazu andd. Jioneg, hanig
m. (?), mnd. Jionnich n., ndl. Jiotiig m., afries.
und ags. hunig n., engl, honey, anord. hmiang
n., schwed. Iionung, honitig, dän. honni(n)g,
dafür got. milip n. (entsprechend ags. milisc
«honigsüß», lat. mel n., (jQn.mellis, gr. \xi\\ n..
Gen. la^XiToc, ir. mil, armen, metr, alb. mjaV
«Honig»), H. gehört zu aind. känakam,
kätd canäm n, «Gold», gr. KvrjKÖc m, «Saffior»,
dor. KvöKÖc «gelblich», heißt also «der gelbe»,
Zi7)S. Honigmonat, m.: Flitterwochen, bei
Lessing 12, 146, nach gleichbed. franz. la lune
du miel, bei Goethe 29, 63 Honigmond. Honig-
seim, m,: Honigscheibe; ausgelaßner Honig,
Mhd, honecseim, honicsein, finihmhd, um 1100
honichseim m. Honigtau, m.: süße klebrige
Flüssigkeit auf Pflanzen, verschieden von
Meltau (s. d.), md. im 14. Jh. honidow m.
Honorar, n. (s, PI. -e): Ehrenlohn, Ver-
gütung. Im 18. Jh. aus lat. Jionörärium n,
«Ehrengeschenk», von lat. honös und honorm.
«Ehre». Honoratioren, PI.: die Geehrten,
Angesehnen. Bei Goethe 26, 129, nach lat.
honörätiöres, dem PI, des Komparativs von
honörätus «geehrt», Part. Perf. Pass. von
honöräre «ehren», honorieren, v.: ehren
(1571 bei Rot); Ehrenlohn geben, bezahlen
(1697 bei Nehring), von lat, honöräre «ehren,
womit beehren, belohnen», honörig, adj.:
ehrenhaft, freigebig. Aus der Studentenspr.,
wo es Ende des 18. Jh. nachgewiesen ist.
hop! Interj., s. hopp.
Hopfen, m. (-5, PI. wie Sg, in der Bed,
Hopfensorten): Rankengewächs, dessen Flüchte
zum Bierbrauen dienen. Mhd, hopfe, ahd.
hopfOjhoppom. (bezeichnet auch andre Pflanzen,
s. ZfdW,2, 226), noch im 17, Jh, Hop/f (Opiiz
1, 141, Duez 1644), Hopffe (Krämer 1678),
1711 bei Rädlein Hopffen, and. veld-hoppo n,
«eine Pflanze bradigabo»), mnd,-mndl,-mengl.
hoppe m., ndl.-engl. hop, mlat. hupa, hubalus,
woraus awallon, huhillon, franz, houhelon,
houhlon m. Dafür anord, humli m, und humla
f,, schwed.-dän, humle, mlat, humlo, humelo,
humolo, humulus. Ein germ, *humalos könnte
aus *humanos entstanden sein (wie kümniel
aus lat, cuminus), und eine Form *humna-
wüi'de *hubna- (Kompromißform mit humalus
franz, houhlon) und weiter event, huppo, hopfo
ergeben. Aus dem Germ, stammt zweifellos
russ, chmet, serb. chmelj, tschech. chmel, poln.
chniiel, daraus ngr. xo'JM^^i; entlehnt sind
auch magyarisch komlo, finnisch -esthnisch
humala, humal. Die Herkunft des Wortes
H. ist unbekannt, doch ist es wohl echt ger-
manisch. Andre nehmen Herkunft aus dem
Osten an, vgl. E. Kuhn KZ. 35, 313, V. Hehn
Kulturpflanzen ^ 463ff. ABL. hopfen, v., im
16. Jh. bei Paracelsus chirurg. Schriften 43.
ZUS. Hopfenstange, f., mhd. hopfen-,
hopfestange f.
Hopheh, n. m. {-s, PI. -e): geringes be-
wegliches Besitztum, Habseligkeit. 1777 bei
Weiße kom. Op.2, 220 das Dim. Hophehchen n.,
bayr. Hopphe, Hoppehe m,, Dim, (auch henne-
berg.) Hopphele n,, auch nd. Hopphei m. in
obiger Bed, (so bei Arnim 1, 57 Hophey),
zunächst aber «gesellige Lustbarkeit geringer
Leute zu Tanzen und Springen, Lärm», Zgs,
aus hopp (s, d,) und he, hei (s, d,), eig. «hüpfe
jubelnd auf», 1691 bei Stieler hop, hei
Hopp, m, (-es, PI, -e): kurzer Spmng in
die Höhe; Tanz in solchen Spiüngen (Goethe
1, 179), Dazu anord, hopp n, «Sprung, Springe-
tauz», u, das Zeitwort nd,-md, hoppen «hüpfen»
(s, d,), auch Schweiz, hoppen (schon 1561 bei
Maaler), anord -schwed. hoppa, dän. hoppe.
hopp, hop, interj., eig. Imperativ von nd.-
md. hoppen, 1691 bei Stieler hop und Kopp.
Hoppas, m. {-es, PI, -e): Sprung, unver-
sehner Sprung, Fehltritt, Versehen, 1781 bei
Müller Siegfr. v, Lindenberg 1, 61, nd, auch
Hopps m. hoppla, Interj,, der durch -a
(s, holla) verstäi'kte Imperativs des Verbs
hoppeln, das von hoppen abgeleitet ist,
Hoppelpoppel, m. (-s, PI, wie Sg.):
etwas unruhig Bewegliches, 1804 bei J. Paul
Flegelj. 2, 39 vom Herzen; Getränk aus Rum,
Eiern und Zucker, durch Schlagen und Rühren
zubereitet, bei J. Kemer Bilderbuch 222 Hopel-
889
hops
Hom
890
pohel aus dem Ende des 18. Jh. Gebildet aus
hoppeln «hüpfen» (Stieler 1691) und hohheln,
hubheln (s. d.) «sprudeln» (Stieler),
hops, interj., 1779 bei Göckingk Lieder
zweier Lieb. 54, eig. Imperativ von hopsen
(s. d.). hopsa, interj., einen Sprung be-
zeichnend, vor Lustigkeit (Lenz 1, 127) oder
beim Stolpern, bei plötzlicher Überraschung.
Verlängert hopsasa, bei Schubart 2, 143,
hop hey sa sa 1695 in Chr. Eeuters Ehrliche
Frau 86. hopseil, v.: hüpfen, springen, bei
Campe 1808, Iterativ von md. hoppen (s.
hüpfen), entstanden aus hopzen, wie ags.
hoppetan «hüpfen» zeigt.
Horhel, f.: Schlag oder Stoß an den
Kopf (fränk. und sonst bei Schülern); Maul-
schelle (obersächs.). Wie im Md. stolpern
und storpeln wechselt, so verhält sich wahr-
scheinlich auch Horhel zu Holper m. f. «Stoß
im Fahren auf einem rauhen Weg» (Frisch
1741), vgl. van(i.horvelen «holpern, humpeln»;
vielleicht ist das Wort aber alt. Zupitza 121
vergleicht aind. carvä m. «Schlag mit der
Ilachen Hand».
horchen, v.: worauf hören, lauschen.
Ein urspr. mitteld. Wort, mhd. horchen und
horchen, ahd. im 11. Jh. hörechen; dazu mnd,-
mndl. horken, afries. herkia, ags. heorcnian,
hj/rcnian, mengl. herknen und herken, engl.
hearken und hark. Intensivbildung zu hören
(s. d.). Vgl, gehorchen. ABL. Horcher, m.,
1605 bei Petri der Teutschen Weisheit 2, 176.
^ Horde, f. (PI. -w): wandernde Stammes-
genossenschaft, umherstreifender wilder Haufe.
Bei P, Fleming 100 von 1636, und 1647 bei
Olearius oriental. Reise, beschr. 243 und 252
Horde neben Horda 528; nach Kluge 1534
bei M. Herr Neue Welt 157 Horda auf tar-
tarisch eine Versammlung der Menge. Aus
tatarisch horda «Lager», woher auch pers.
ordu «Kriegsheer, Lager», russ. ordä f., ital.
orda f., ndl.-engl.-franz. horde f. «Horde».
^ Horde, f. (PI. -«): Flechtwerk zu Wän-
den und zum DöiTen. Md. im 13. Jh. horde f,
«Ümhegung, Bezü-k», 1466 in Frankfurt a. M.
horde i. «Flechtwerk», 1410 dünghordet; dazu
mnd. 1373 hord f. «Flechtwerk einer Brücke»,
ndl. horde f, «Weidengeflecht». Das Wort ist
die md. und nd. Form von Hürde (s. d.).
hören, v.: durch das Ohr vernehmen;
(abstrakt) worauf achten (bei Luther Ps. 54, 2) ;
gehorchen (Jes. 30, 9). In der 1. Bed. rahd.
hoßren, md. hören, ahd. hören, Mrran; dazu
asächs. hörian, höran, and. auch häran, afries.
hera, ndl. hooren, ags. hyran, heran, engl.
hear, anord, heyra, schwed, höra, dän. höre,
got. hausjan. Vielleicht urverwandt mit gr.
ÖKoüeiv «hören», und weiter mit Ohr (s, d.),
wenn germ. h und gr. k der Rest eines selb-
ständigen Wortes, gr. ok- «scharf» wären.
Vgl. Kretschmer KZ. 33, 563. Im Mhd. auch
die Bed, «aufhören, endigen», und wie im
Mnd. -Afries. -Ags. «im Verhältnis der Ab-
hängigkeit oder Zugehörigkeit von etw. sein,
zugehören», letztre Bed. auch im Altemhd,
und noch bei Musäus physiogn. Reisen 4, 99,
s, hörig. ABL. hörhar, adj., bei Lessing
11, 152. Hörer, m., mhd. hoercere, hoerer m.
«Zuhörer», hörig, adj.: in der Rechtssprache
I im Verhältnisse der Abhängigkeit stehend,
mhd. hoßrec «folgsam, leibeigen», ahd. gahorig
«gehorsam»; dazu Hörigkeit, f., 1775 bei
Adelimg, ndrhein. 1437 hoirichgheit bei Halt-
aus 957. ZUS. Hörensagen, n., im 15. Jh.
! hörensagen n., mhd. hosrsagen n. Hörrohr,
n., 1775 bei Adelung. Hörsaal, m.: großes
[ Lehrzimmer auf Hochschulen, 1728 bei Gott-
sched, bei Frisch 1741 Hörstuhe.
Horizont, m. (-es, PI. -e): Gesichtskreis
(s. d.). Bereits im 16. Jh. (1509 bei Vespucius
■ Büchlin A 4), Aus gleichbed. gi-.-lat. horizon
I m. (Gen. Jwrizontis), gr, öpiZuuv m., eig. Part.
' Präs. von öpiZeiv «begrenzen, umgrenzen».
Verdeutscht 1540 bei Alberus dict. 0 3*
Äugend n. (d. h. das Aug-Ende), 1676 bei
Francisci Lusthaus 627 Gesichts -Ender m.,
bei Stieler 1691 Endkreis m., in der See-
mannssprache Kimm f. und Kimmung f. (s.
Kimme). ABL. horizontal, adj.: wage-
recht, wasseiTecht, 1647 bei Olearius orient,
' Reisebeschr.
Horm(e)t, n.: Kopfputz der altenburgi-
! sehen Bauer mädchen in Form einer künstlichen
I Krone. Verkürzt aus Haarband n., dafür in
I einer Zeitzer Urkunde von 1457 schapel n.
Horn, n, [-es, PI. Hörner): harte Kopf-
spitze mancher Tiere; Trinkhorn; krummes
Blasinstrument (urspr. aus Horn gemacht);
homartige harte Masse; Landspitze; Berg-,
Felsenspitze. In diesen Bed. mhd.-ahd. horn
n.; dazu asächs. -afries. -ags. horn m., nndl.
hore7i, hoorn m., engl, hom, anord.-schwed.-
dän. horn n., got. haürn n. Urverwandt mit
lat. cornu n. «Horn», gr. Kcipvoc «Hornvieh»
(bei Hesychius), air. com «Trinkhorn», bei
den Galateni xdpvov (Akk.; «Blashorn, Trom-
pete» (bei Hesychius), mit andrer Ableitungs-
silbe aind. ghdgam «Hom», gr. K^pac n. «Horn»
891
Hornis
Horst
892
(Gen. K^puTüc, vgl. Hirsch). Vgl. noch Zu- j
pitza KZ. 36, 60. RA. jem. Hörner auf- ;
setzen «ilin zum Hahnrei machen», um 1426 '
bei Wittenweiler Ring 18^, 18 Mrner an-
setzen, bei Brant Nan-. S. 34 Z. hörner uff \
die oren setzen, bei H. Sachs Fastn. 45, 166
die Hörner auffsetzen. Schon gr. Kepara i
TTOieiv Tivi «jem. Hörner machen, zum Hahn- ;
rei machen)/ (Artemidor 2, 11). Nach der
mittelalterlichen Erzählung vom Zaubrer Yir-
gilius verriet sich die Untreue der Frau da-
durch, daß dem betrognen Ehemann ein Hörn '
aus der Stirn wuchs (Germania 4, 237 aus |
dem 14. Jh., Kolmarer Meisterl. 55, 14); dazu
gesellt sich die ältre Gepflogenheit, dem Ka-
paunen den abgeschnittnen Sporn in den j
Kamm als Hörn einzusetzen (1557 Heußlin ,
Vogelb. 84*). Sich die Hörner ablaufen «den :
Jugendübermut ablegen». Stammt aus den
studentischen Bräuchen. Dem Neuling (Be-
anus oder Bacchant) v^urde der Gecken- oder
Bacchantenhut mit zwei Hörnern aufgesetzt,
und er mußte sie sich ablaufen, d. h. «ab- '
stoßen». Vgl. Fabricius die akademische De-
position 1895. ABL. hörneu, liorneu, adj.,
ältemhd. hürnen, mhd. hürnin, hurnin, md.
hornln, ahd. hurmn. hörnern, adj., 1654
bei Logau 3, 10, 51. horuicht, adj., mhd.
horneht, ahd. hornaht, hornoht. Horuist, m.
{-en, PI. -eti): Hornbläser, bei Campe 1813,
dafür got. haftrnja m. ZUS. Hornblende, f.,
eine grobblätterige schwarze Steinart, 1775 bei
Adelung. Hornflsch, m.: die Meernadel,
1563 in Forers Fischbuch 48^. Hornkirsche,
f.: der Kornelbaum, cornus mas, benannt
nach dem hornharten und hornfarbigen Holze,
1561 bei Cordus. Hornviell, n., 1678 bei
Krämer. Hornwerk, n.: Außenvverk einer
Festung, vorn aus einem Walle und zwei
halben Bastionen bestehend, 1642 bei Duez,
franz. ouvrage ä cornes, aus dem Deutschen
entlehnt gleichbed. span. hornabeque, port,
hornaveque.
Hornis, f., (in Bayern auch) m., Hor-
uisse, f. (PI. Hornissen) : die große Wespen-
art Vespa crabro. Mhd. hornig, hornu^, hornüß
m., ahd. horna^, hurnu^, hurnü§ m.; dazu
and. (entlehnt) hurniz, ags. hyrnetu, hyrnet f.,
engl, hörnet «Hornisse». Ältemhd. Formen
sind: Hurrnuß in. (Maaler 1561), Hurnis f.
(Schottel 1663), Hürnis f. (Duez 1664), Hür-
nitz (1597 Colerus 13, 114), Hurnauß (Dasy-
podius 1537, als Fem. 1573 bei Fischart Flöh.
995), Hornauß (Golius 1582^, Horniisch m.
(Waldis Es. 3, 85), Horneuß (Peypus 1530),
Horneiß (Mathesius Sar. 317*), bei Luther
Hornis d, 246^ neben PL Hornissen; verkürzt
Hörnsen (Diefenbach gl. 154''), Hornsen m. f.
(Mathesius Sar. 317 *), Hurns f. (Schottel 1663) :
mit weitrer Ableitung: Iwrnessel (Voc. 1470
und 1482), hirnysel (1495 Brack il'^), hur-
neißel (1487 Steinhöwel65b), Humeusel (1566
Mathesius Luther 141, 31), Hürnissel, Hor-
nüschel m. (Waldis Es. 3, 85, 1), Hornüssel
(Rößün Kreuterb. 1533), Hornissel f. (Schiller
Raub. 2, 3); verküi'zt Horsseln (Apherdianus
1581), ndl. 1598 horsel, nndl. horzel f. Formen
mit l: md. im 14. Jh. harlig m. neben harnig,
um 1500 horlitz (Diefenbach gl. 154«^), Hör-
litze (Golius 1582), Hörlitz f. (Duez 1664).
Der Ton ruht auf der ersten Silbe, in neurer
Zeit bisweilen auf der zweiten (vgl. Holun-
der, lebendig). Urverwandt mit lit. sirsuö,
sirslis m. «Wespe», sirsöne «Horniß», lett.
sirsis, apreuß. sirsilis «Hornis», abg. srüsa
«Wespe», srüseni m., lat. crabro (aus *cräsro)
TD.. «Hornis».
Hornung, m. (-s, PI. -e): Februar. Mhd.
hornunc, ahd. hornung m., anscheinend eine
patronymische Bildung, eig. Sohn des Hörn.
In Mitteldeutschland heißt der Januar der
große, der Februar der Meine Hörn (1788
bei Rüdiger Zuwachs 2, 85), was sich auf
den harten Frost dieser Monate bezieht. Da-
■ hei" zu anord. hiarn n. «hartgefromer Schnee»,
[ lit. sarmä f. «Reif», russ. serenü n. «Reif»,
' arm, saht «Eis», sarnum «friere». Vgl. Anz.
f. d. A. 30, 235. Anders mnd. hörnink, afries.
Jtörning, anord. hörnungr m.., ags. hörnungsunu
m. «unehelicher Sohn, Bastard», zu got. hörinön
j «Ehebruch treiben;., ahd. huor «Ehebruch»,
I huorön «huren».
Horoskop, n. {-es, PI. -e): Instrument
I zum Schauen des Planetenstandes während
der Geburtsstunde und danach zur Schick-
salsdeutung. Bei SchiUer Piccol. 2, 6. Von
gleichbed. mlat. horoscopiuni, gr. iLpocKÖiriov,
djpocKOTTeiov n., aus gr. üipa f. «Jahreszeit,
Stunde» und CKoireiv «schauen».
Horst, m. {-es, PI. -e): aus Reisig ge-
bautes Raubvogelnest. Aus der ostmd. Jäger-
sprache, 1719 bei Fleming t. Jäger 1, 156*»
Horst m. (PI. Horsten); schon 1475 bei Wier-
straat Gr. 2696 hurst m. «Sitz, Nest». Mhd.-
ahd. hurst f. «Gesträuch, Dickicht» (PL mhd.
hürste), 1517 md. bei Trochus J 2^ hörst m.
«Anhübe, Hügel», 1540 bei Alberus dict. BB4''
Horst «Hügelchen mit Gesträuch», wohl in
893
Hort
Hotte
894
dieser Bed. 1394 md, hörst f. (Barn- liess.
Urkunden 1, 501); dazu mnd. hörst, hurst f,
«niedriges Gestrüpp», mengl. hurst «Hügel,
Gebüsch», engl, hurst. Herkunft unklar. Vgl.
Walde s. y. crlnis. ABL. horsteu, v.:
nisten (von Raubvögeln), 1719 bei Fleming
Jäger 1, 150*.
Hort, m. (-es, PI. -e): bewakrter Schatz;
(dann imMhd.) Aufbewahrungsort d. Schatzes;
(im 16. und 17. Jh.) sichrer Ort, Zuflucht-
stätte; Schutz, Schirm (in der zweiten Hälfte
des 18. Jh. neu aufgenommen, 1777 bei Goethe
an Frau v. Stein 1, 124). Mhd. hört m.,
ahd. hört n. «gesammelter und verwahrter
Schatz»; dazu asächs. liord n. «Schatz, innerster
Raum», ags. hoi'd n. m., engl, hoard, anord.
hodd f., got. huzd n. «Schatz». Wahrschein-
lich urverwandt mit gr. kücGoc m. «Höhlung»,
ags. hydaUj gr. Keü9av, kymr. cuddio «ver-
bergen», oder mit aind. kösas m. «Behälter»,
kostha m. «Unterleib, inneres Gemach, Vor-
rats-, Schatzkammer, Ringmauer, Gefäß».
Vgl. Walde s. v. custos.
Hose, f. (PI. -n): anliegendes Beinkleid:
(obersächs.) röhrenförmiges hölzernes Gefäß,
Wassergelte (1700 bei Chr. Reuter Graf Ehren-
fried 25) oder Butterkübel fbei Chr. Weise
Lustredner 51); trichterförmige Wasserwolke
1680 bei Francisci Lufft-Kreys 1084 wasser-
ziehende Hose oder Wasser -Hose). Mhd.
hose, ahd. hosa f. «Beinstrumpf von Leder
oder Zeugstoflf zur Bedeckung des Unter-
schenkels», im Unterschied von mhd. hruoch,
ahd, bruoh f. «Bekleidung des Unterleibs und
der Oberschenkel). Als seit dem 15. Jh.
Bruch imd Hosen in ein Kleidungsstück ver-
einigt wurden, hieß dieses die Hosen oder
ein Par Hosen (PL, 1449 bei Soltau Volksl.
1, 129, 1557 bei Waldis Es. 4, 94, 158), erst
im 19. Jh. die Hose. Entsprechend mnd.
hose, hase f. und ags. hose f. «Beinstrumpf»,
anord.-schwed. hosa f., dän. hose «weit auf-
wärts reichender Strumpf», ndl. hoos und
engl, hose in der heutigen Bed. Die Mund-
arten haben die ältre Bed. bewahrt: westfäl.
hose und holst, hase f. «Strumpf;/, bayr.-
tirol. hos f. «Beinstrumpf vom Knie bis zum
Knöchel». Hei-kunft dunkel. Kaum zu aind.
köäas (s. Hort). Aus dem Gennanischen
entlehnt afranz. hose, heuse f., aspan. huesa f.,
aport. osa f. «Gamasche», afranz. houseaux
«hohe Gamaschen», ital. nosa f. «Hose», eben-
so im Keltischen körn, hos «Beinstrumpf»,
kvmr. hosan «Hose».
Hospital, n. (-S, V\. Hospitäler): Armen-,
Krankenhaus. Mhd. hospitäle, hospitäl n., ahd.
hospitälhüs n.; dazu clevisch 1477 hospitail n.
Aus mlat. hospitale n. «Gast-, Fremdenhaus,
Herberge», lat. hospitälia PI. «Gastzinmier»,
dem Xeutr. des Adj. hospitalis «den Gast be-
treffend», von hüspes m, «Gast». S, Spital.
Hospitant, m. (-en, PL -en): als Gast
Zuhörender. 1813 bei Campe. Part. Präs.
von lat. hospitäri «als Gast einkehren», lio-
spitiereil, v.: einer Vorlesung als Gast bei-
wohnen. Bei Campe 1813. Bei Roth 1791
«als Gast einkehren».
Hospiz, n. (-es, PL -e): Herberge, bes.
kleines Ordenshaus zur Beherbergung L)m-ch-
reisender: (studentisch) Trinkgelage bei einem
Studenten und auf dessen Kosten (1786 bei
J. M. Miller Walther 148), Rundgesang (1825
bei Kluge Studentenspr.). Tu der urspr. Bed.
bei Goethe 19, 292 Hospitium n., aus lat.
hospitium n. «Gastfreundschaft, gastliche Auf-
nahme, Herberge», von lat. hospes m. «Gast».
Hostie, f. (PL -n) : geweihtes kleines rundes
Stückchen ungesäuerten Brotes im hl. Abend-
mahle. Mhd. hostie, ostie f., aus gleichbed.
mlat. Itostia f., im Lat. «Sühno^ifer, Opfer»:
die unblutige Darstellung des Opfers Christi
unter der Gestalt des Brotes imd des Weines
geschieht in der in der Messe der katholischen
Kirche vorkommenden Wandlung.
Hotel, n. {-s, PL -s): gi-oßer Gasthof
(18. Jh.J; großes Hen-enhaus einer Stadt,
Palast (17. Jahrb.). Entlehnt aus gleichbed.
franz. hötel m., älter hostel, von mlat. hospi-
tale n. (s. Hospital).
hott! interj.: Ruf zum Rechtsgehen des
Zugtieres (Fastnachtspiele des 15. Jh. 248, 4
hotte, host); antreibender Zuruf an Pferde
zum Geschwindergehen (1518 bei Keisersberg
Sünden d. Munds 35 "^ /io^te, bei Schiller Räuber
4, 4 hotto: das auslautende -a, -o entspricht
dem verstärkenden mhd. -a, wie in Mordio,
Feuerjo, holla); bayr. hott! hott! «die Be-
wegung des unfesten Reiters beim Trabe
bezeichnend». Dazu das älternhd. Zeitwort
hotten «zum Rennen antreiben» ( Fastnachtsp.
788, 22), «rechts vorwärts gehen» (1562 bei
Mathesius Sar. 123*^). Vgl. har. schwude.
ZUS. Hottogaul, m. : das Reitpferd (SchiUer
Räuber 4, 4), Pferd in der Kindersprache.
1691 bei Stieler Hottpferd n. «Wagenpferd».
1562 bei Mathesius 147" Hottepferdlein (der
Kinder).
Hotte, f. (PL -n): hölzerne Bütte, d)e
895
Hotzel
huf!
896
man auf dem Rücken trägt (Weist. 5, 697
von 1476, bei Ludwig 1716 «Bütte der Wein-
leser», noch alem.-rhein., dafür Schweiz. Swi^e f.
«Rückenkorb aus Weidengeflecht>->, auch «Trag-
bütte»); Buttermilch, Quark (ostmd. und nd.,
1517 bei Trochus Q 1 ^, mnd. 1420 bei Diefenb.
gl. 530°, ndl. 1598 hotte). Aus dem Deutschen
entlehnt franz. hotte f. «Tragkorb». Wohl
zusammenhängend mit Hütte, da die Grund-
bedeutung «geflochtner Korb» ist.
Hotzel, s. Hutzel.
hotzeln, v. : rütteln, hart schaukeln, schüt-
tern. Schweiz.-bayr.-elsäss., 1561 bei Maaler;
in der Bedeutung «sich bewegen» 1575 bei
Fischart Garg. 99. Iterativ zu Jiotzen, md.
und nd. «wiegen», Schweiz, «sich schaukelnd
auf- und niederbewegen», spätmhd. hotzen
«schaukeln, schnell laufen», entsprechend dem
md. und nd. hotten. Vielleicht zu aind. cödati,
codäjati «treibt an», kutsäjati «schmäht», gr.
KubdZeiv «beschimpfen».
hu! huh! Interj. des Schreckens, Grausens,
Schaudenas, Frösteins, Staunens. Mhd. hü,
selten ahit.
hü, hüh, interj., antreibender Zuruf des
Fuhrmanns, auch Zunif an das Zugtier, links
zu gehen oder auch vorwärts. Vgl. hott.
Hub, m. (-es, PI. Hübe): Handlung des
Hebens; Ausgewähltes. 1691 bei Stieler.
Hube, s. Hufe.
HÜbel, m. {-s, PI. wie Sg.): kleine Er-
höhung; Hügelchen. Mhd. hühel m., md. huhel,
hohel, huvel, im 15. Jh. auch hovel, hofvel m.
«Hügel»; dazu andiränk. huvel, mnd. hovel m.
«Hügel, Höcker», ndl. heuvel m. Gleichen
Stammes wie mhd. hover m. «Höcker» (s. d.).
Vgl. Hügel.
llüben, adv.: diesseits. Zuerst bei Maler
Müller 2, 125 u. 284 aus der Volkssprache,
dann bei Goethe 2, 37. Gekürzt aus hie üben
{üben 1741 von Frisch als alemannisch be-
zeichnet), wie hoben aus hie oben, schon im
12. Jh. mhd. und noch schweiz.-elsäss. hoben.
Hubert, Mannsname, ahd. Hüpert, Hubert,
zsgez. aus älterm Hugu-, Hugbert, Hugperaht,
von ahd, hugu m., mhd. hüge f., md. huge,
hoge f. m., asächs. hugi m., ags. hyge m.,
anord. hugr m., got. hugs m. «Denken, Geist,
Sinn», und -bert (s. d.).
Hübner, s. unter Hufe.
hübsch, adj.: in der äußern Erscheinung
wohlgefällig. Mhd. hübesch, hübsch, md. hubisch,
hobisch, hübsch «hofgemäß, fein gebildet und
gesittet, unterhaltend», im 15. Jh. «fein aus-
sehend, gefallend, schön». Ein altes mit
grammatischem Wechsel zu Hof gehöriges
Wort, neben dem schon mhd. höfisch steht
mit Anlehnung an Hof. Das franz. courtois
hat bei der Bedeutungsentwicklung mitge-
wirkt. Noch pommerisch, obersächs.-thüring.
in der Bed. «artig» (1777 bei Weiße kom.
Opern 2, 34, auch «vornehm» 2, 90).
Hucke, f. (PI. -n): der Rücken als Träger
der Bürde. Schlesisch Hocke, Hucke f., bei
Frisch 1741 Hock ra., bei Steinbach 1784
Hocken und Hucken m., 1691 bei Stieler
Hucke f. «Rückentraglast», wie noch ober-
sächs.-thür., 1664 bei Dxxez Hocke f. «Bündel»,
um 1525 bei Uhland A'olksl. 721 hucke f.
«das Bündel des Hausierers», im 15. Jh. in
Städtechron. 5, 257, 19 huck f. «Hausierkram,
Kleinverkauf». Wohl mit ^ Hocke verwandt.
hucken, v. : auf dem Rücken als Last tragen,
bei Frisch 1741 hocken, 1743 bei Schnabel
Insel Felsenburg 4, 433 hucken. Eig. «in ge-
krümmter, gebückter Stellung eine Last zum
Tragen aufnehmen», eins mit hocken (s. d.).
Dazu das Iterativ huckeln «aufhocken» bei
H. Sachs 21, 25. ZUS. mit hucken: Hucke-
pack, m.: zum Aufhocken (Tragen) be-
stimmter Rücken (md. huckeback); Traglast
auf dem Rücken (Bürger 186).
hudeln, v.: in Eile und nur obenhin tun;
tr. : jem. achtlos und zugleich empfindlich be-
handeln, plagen, quälen. In beiden Bed. 1618
bei Schönsleder, 1515 bei Keisersberg Evan-
gelibuch 152 hudlen «schlottern», 1582 bei
Fischart Garg. 328 herumb huddeln «sich mit
jem. herumschlagen», 1512 bei Murner Narr.
13, 47 zerhudlen «nachlässig zerreißen». Von
spätmhd. im 15. Jh. hidel m. «Lumpe, Lappen»,
mhd. huderwät f. «Kleidung». Wohl zu lit.
skütas «Fetzen», skiitös PI. «Abschabsei». Vgl.
Zupitza 127. Dazu aind. kutapa- m. n. «Decke
von Ziegenhaar», kuthas m., kuthä f. «ge-
färbte wollne Decke» (?) ABL. Hudelei, f.:
lumpiges Wesen (1663 bei Schottel); Plage,
Schererei (1691 bei Stieler). Hudler, m.:
zerlumpter Mensch (1561 bei Maaler); Quäler
(1691 bei Stieler vom Geizhals und Wuchrei').
Hudelmannsgesinde, n.: Lumpengesindel,
oberd., 1538 bei Franck Germaniae chron. 20%
zgs. mit Hudelmann m. «Lumpenmann» (1578
bei Fischart Ehz. G5^).
huf! interj.: zurück! als Fuhrmannsruf
1741 bei Frisch, noch fränk.-hessisch, dafür
bayr. hüf, schwäb.-tirol. häuf, hufen, v.:
rückwärts gehen, zunächst von Pferden, 1734
891
Huf
hui!
898
bei Steinbach; vgl. anord. hopa, norw. hope
«sich rückwärts bewegen».
Huf, m. (es, PI. -e): ungespaltner Horn-
fuJß. Mhd.-ahd. huofm., md. hüf; dazu asächs.
höf (in höfslaga f. «Hufspur»), and. höf, ndl.
hoef, ags. höf m., engl. hoof. anoi-d. höfr m.,
schwed. hof m., dän. hov. Kaum verwandt
mit abg. kopyto n. «Huf», das von kopati
«gi'aben» stammt, sondern zu aind. gaphäs m.,
awest. safa- «Huf», osset. säf-thäg. Der PI.
lautet mhd. hüeve, älternhd. im 16. u. 17. Jh.
Hüffe, 1691 bei Stieler Hufe. Vei^einzelt auch
als Fem. 1663 bei Schottel Huf, 1734 bei
Steinbach Hufe f. ABL. huflg, in flach-,
harthufig, 1691 bei Stieler huficht in Zu-
sammensetzungen. ZUS. Hufeisen, n., mhd.
huofisen, daneben huoh', höbisen, ahd. huof-
isin n. Huflattich, m. i-Sy PI. -e): die
lattichähnliche Pflanze Tussilago farfara mit
gi'oßen Blättern in Gestalt eines Pferdehufs,
ahd. huflatdecha f. (ZfdW. 6, 187), 1561
bei Cordns Huflattich m. fs. Lattich). Huf-
nagel, m., md. im 13. Jh. hüfnagel. Huf-
SChlag, m., mhd. huofslac, asächs. höfslaga f.
«Hufspur». Hufschmied, m.: Hufbeschlag
ausübender Schmied, mhd. huof-, huohsmit m.
Hufe, f. (PI. -n): Landgebiet von dreißig
Morgen. Md. und nd. Form (auch bei Luther
Hufe) füi- oberd. Hube. Mhd. huohe, ahd.
hu^ha, hoha, md. huhe, huve, hufe f.; dazu
and. höva, mnd. hove f. ; wahrscheinlich urver-
wandt mit gr. KfiTToc, dor. köttoc m. «Garten»,
alb. kopstd m. «Garten». ABL. Hüfner,
m.: Besitzer einer Hufe, bei Voß, Hüfener
bei Moser patr. Phant. 2, 68, Hufner bei
Hagedom 1, 70. Bei norddeutschen Schrift-
stellern statt des oherä. Hübner, mhd.huobener',
huobner m. «Inhaber oder Besitzer einer Hube,
Erblehnbauer» neben huober m. (jetzt nur
noch als Familienname Huber).
Hüfte, f. (PI. -n): erhabner Seitenteil
über den Schenkeln. Bei Luther Hüffte f ,
1540 bei Alberus dict. Kk 2^ Hüfft f. und m.,
im 15. Jh. hufft (Diefenbach gl. 229 "), 1482
im Voc. theut. nn A^huffte f. neben hufft p 2%
noch tirol.-schweiz. Hüft f. neben Huff. Mit
angetretnem t aus mhd.-ahd. huf f. (PI. mhd.
hUffe, ahd. huffi): dazu and. (entlehnt) huf,
mnd. hup, ndl. heup f., ags. hype m., engl.
hip, (entlehnt schwed. h(jft m., dän. hofte),
got. hups m. «Hüfte». Urverwandt mit gr.
KÜßocm. «Höhlung vor der Hüfte beim Vieh»,
KüßiTov n., lat.cubitum n. «Ellenbogen». Dazu
auch wohl aind. güptis, aw. supti- f. «Schulter»,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
alb, sup m. « Schulter, Rücken ». ZUS. Hüft-
weh, n,, 1537 bei Dasypodius Hufftioee.
Hügel, m. (-.s, PI. wie Sg.): mäßige Erd-
erhöhung. In der Schriftsprache zuerst bei
Luther, 1517 bei Trochus J2^ md. hugel über
einem Grab, dagegen 1512 bei Keisersberg
Bilgerschafft 168^ den hugel hencken «den Kopf
hängen lassen, traurig sein», wie noch bayr.
den Miibel henken. Im Ablaut zu Haug (s. d.).
Dafür mhd. bühel und hübel m. (s. Hübet).
Obersächs.-thüring. Huckel m. «kleine Er-
höhung im Wege, Beule auf der Haut», Dim.
von hess. Huck m. «Hügel, Berg» (1556 bei
Staden Reise a3). ABL. hügelicht, hüglig,
adj., erstres 1662 bei Stoer 260^, hüglig 1741
bei Frisch,
Hugo, Mannsname. Ahd. Hugo, dann
Hüc, JI% (nhd. der Familienname Haug).
Kosefonn zu den mit Hug- zgs. Mannes-
namen, wie Hugbald, Hugwin, Hubert (s, d.).
Huhn, n. {-es, PI. Hühner): das Haus-
geflügel Phasianus gallus als Gattungsname,
dann (seit dem 15. Jh.) insbes. die Henne:
weidmännisch «das Rebhuhn, Feldhuhn» (1719
bei Fleming Jäger 1, 331). Bei Luther und
noch bei Schottel 1663 und Ludwig 1716 Hun,
1664 bei Duez Huhn. Mhd.-ahd. huon, hon n.
(PI. mhd. hüener, ahd. huonir, hönir), auch
«der Hahn», md, hün; dazu asächs. und mnd.
hön n., ndl. hoen n. «Huhn», anord. hosns,
hoensn und hcesn Neuti\ PI. «Hahn und
Henne», schwed. höns n. «Huhn», dän. höns
«Hühner». Im Ablaut zu Hahn (s. d.), über-
einstimmend mit pränest. cönia, lat. cicönia
«Storch». Vgl, Hinckel. ZUS. Hühner-
auge, n. : Leichdorn, 1591 im Leipziger Voca-
bularius optimus M 2 '^ hunerauge. Hühner-
darm, m.: die Pflanzen Stellaria, Veronica,
Anagallis, im 12. Jh. hüner-, im 11. Jh. huoners-
darm (Mona Anz, 8, 95, 107) zunächst von
Stellaria, weil diese Pflanze vom Federvieh
gern gefressen wird, Hühnerhund, 1664
bei Duez. Hühnermilch, f: die Pflanze
Ornithogalum, 1578 bei FrischUn Nom. Cap. 30.
hui! interj. zur Bezeichnung der Geschwin-
digkeit (1741 bei Frisch hui! hui! «in der
Eile!»); als Einleitung zu einem Einspruch
(1669 bei Grimmeishausen Simpl. 258), zu
einem plötzlichen Einfall (Simpl. 244); als
Zeichen der Überraschung (1620 Englische
Comedien 2, V8^). Als frühste Bed. bei
Luther hui Interj. des Antriebes zu schnellem
Handeln (Sacharja 2, 6), der regen tatkräftigen
Freude (Hiob 39, 25). Substantivisch Hui,
57
899
Huld
Hummel
900
n.: Augenblick, bei Luther 4, 4^ auff ein
Hui, 4, S'' in einem hui, bei Aventin 1, 198,
34 im ersten hui, 4, 508, 13 im ersten hoi,
als Mask. 1691 bei Stieler auf einen Hui.
Dazu mnd. in einem huye (huge) «uno impetu».
Wohl onomatopoetisch. Adjektivisch (Goethe
12, 17) bei Luther 2, 442** dieser Artikel ist
wol ein wenig zu hui.
Huld, f. (ohne PI.): freundliches, herab-
lassendes Zugeneigtsein. Das Substantivum
zu hold (s. d.). Älternhd. im 16. Jh. Hulde,
mhd. hulde f., md. holde, ahd. huldi und hulda f.
« Zugeneigtheit des Höhern gegen den Nie-
dern wie dieses gegen jenen, Treue, Freund-
lichkeit», im Mhd. auch «Erlaubnis, Dienst-
barkeit»; dazu asächs. huldi, afries. helde,
hulde, ags. hyldu f., anord. hylla f. und hylli
f. n. ABL. huldig, adj.: zu Dienst und
Ti'eue ergeben (Moser patr. Phant. 3, 193 f.),
freundlich, gütig (Rückert Ged. 128), mhd.
huldic «zugeneigt, ergeben», ahd. huldig «ver-
söhnlich»; davon huldigen, v.: den Eid
der Treue leisten (nd. im 15, Jh. huldighen
bei Diefenbach gl. 205 '^), in Verehrung er-
geben sein (bei Schiller Picc. 3, 4, Kraniche
des Ibykus V. 149), mhd. huldigen «hold
machen», neben hulden, ahd. huldan «ergeben,
geneigt machen, Dienstbarkeit und Ergeben-
heit geloben»; Huldigung, f., 1424 huldi-
gung (Germania 28, 370). Huldin, f. (PI.
-nen): Huldgöttin, Grazie, anmutreiches Weib,
im 18. Jh. (Ramler 1, 97), vgl, Holdin; an-
ders im 16. Jh. bei Mathesius Fastenpred, 86'*
Fraw Huldin «böses Weib», wie bei Luther
3, 71 *f, Fraw Hulda oder Fraw Hulde als
Personifikation der natürlichen Denkart im
Gegensatz zur göttlichen Offenbai'ung. ZUS.
huldreich, adj., 1691 bei Stieler.
Hülfe, s. Hilfe.
Hülle, f. (PI. -n): verbergende Decke,
Umhüllung. Mhd. hülle f. «Mantel, Tuch
der Frauen zum Bedecken des Kopfes, Um-
hüllung, md. hülle, ahd. hulla f. «Kopftuch».
Mit dem Zeitwort hüllen (s. d.) zu ahd. helan
«verbergen» (s. hehlen). RA. die Hülle und
Fülle: im Überfluß, vollauf genug (1669 im
Teutsch-Frantz.-Lat. Dictionar. 177*), urspr.
die zum Leben nötige Kleidung und Speise
(im 16. und 17. Jh.), indem Hülle die Be-
kleidung, Fülle die Nahrung ausdrückt, mit
der der Mensch sich füllt, um leben zu können.
hüllen, V. : verbergend bedecken, mhd. hüllen,
hüllen, ahd. hulljan, hullan, asächs. hihullean,
ndl. hüllen, a.novä. hylja, schwed. hölja, dän.
hylle, got. huljan, im Ablaut zu ahd. helan
(s. hehlen).
^ Hülse, f. (PI, -n): Samengehäuse von
Pflanzen; umschließende Hülle aus Metall
(1562 bei Mathesius Sar. 143^). In der 1. Bed.
mhd. hülse, auch hulsche, md.hulse, shd.hulsa f.
(aus *hulisa) ; dazu nd. hülse, ndl. hüls, hülse,
aber ags. hulu f., engl, hüll. Alte s- Ableitung
von dem Stamme, der in hehlen (s. d.) vor-
liegt. Mit s-Ableitung auch got. hulistr n.
«Hülle, Decke», ags, heolstor n. «Hülle, Schlupf-
winkel, Decke». ABL. hülsen, v.: der
Hülse entledigen, 1517 bei Trochus J Q^ hulßen,
mnd. hülsen, hülsig, adj., 1691 bei Stieler
hülsicht, im 16. Jh. hülschet, hülsechtig. ZUS.
Hülsenfrucht, f., 1540 bei Alberus dict.tt 1^.
-Hülse, f. (PI. -n) und Hülst, Hülst,
m. (-es, PI, -e): die Stechpalme, Hex aqui-
folium. Bei Voß Luise 1, 536 und 1574 bei
Fischart Onomast. 232** Hülst m., mndl. und
ndl. hülst m. mit angetretnem t; aber and.
hulis «Mistel», mnd. hüls, hulsebom, 1577 in
Weist. 3, 209 aus Westfalen der PI. hülsen,
clevisch 1477 und nnd. hülse f., mhd. hüls m.
«Stechpalme, Walddistel», ahd. hulis, hüls m.
«der Mäusedorn»; dazu ags. holegn m., engl.
holly «Stechpalme», vgl. air. cuileann, kymr.
celyn «Stechpalme», körn, celin. Weitre An-
knüpfungen sind unsicher. Vgl. Solmsen Btr.
27, 866 und Falk-Torp s. v. hylse. Aus dem
Deutschen entlehnt afranz. hous, nfranz. houx
m. «Stechpalme», petit houx «Mäusedorn».
human, adj.: menschenfreundlich, leut-
selig, huldreich, gefällig. Im 17. Jh. aus
gleichbed. lat. hümänus. Humanität, f.:
Freundlichkeit, Leutseligkeit, Höflichkeit,
Menschlichkeit, Gesittung, edle Bildung, 1571
bei Rot Humanitet. Aus gleichbed. lat. hü-
mänitas f. Als kulturgeschichtliches Schlag-
wort von Herder 1784 aufgenommen. Vgl.
Ladendorf.
Humhug, m. (-s): Schwindelei, Auf-
schneiderei, bes. zur Täuschung des Publi-
kums in eigennütziger Absicht, Um 1840
aus gleichbed. engl. - amerik. hunibug (1760
belegt), von hum «summen, Gebrumme» und
hug «Popanz».
Hummel, f. (PI. -n): die große wilde
brummende Biene Apis bombinatrix; büdl,
umherschwärmendes unruhiges Mädchen (1691
bei Stieler tolle Hummel); hummelartig tö-
nende zweisaitige Zither (1781 bei Müller
Siegfr, V, Lindenberg 1, 157); fauler Mensch
(bei Luther 6, 149*: da älternhd. Hummel
901
hummen
Hund
902
auch «die Drohne im Bienenstock» bezeichnet,
so 1541 bei Frisius 384* Hummel m.). Bei
Luther Fem., aber mhd. humhel, hummel m.,
ahd. humhal m.; dazu mnd. homele, hummel
f. «Hummel», hummelbe f. «Hummelbiene,
Drohne», ndl. hommel f., engl, humhlehee
«Hummel», schwed. humla, dän. humle. Wohl
verwandt mit apreuß. camus «Hummel», lit.
kamäne f., lett. kamines PI. «Erdbiene» oder
zu hummen.
hllDimeu, V.: summen, brummen. Mhd.
im 14. Jh. hummen, 1551 im Petrarcha Trostb.
57* hummlen. Lautmalend oder zu lit. kim-
stü «werde heiser».
Hummer, m. (s, PI. -w): Art größter
Seekrebse, Astacus marinus. Im 16. Jh. bei
Münster Kosmogr. 6, 39 und Forer Fischb.
124* Humer m. aus nd. hummer m.; dazu
anord. humarr m., schwed.-dän. hummer. Ur-
verwandt mit gr. Kd)Li,uapoc m. (daraus lat.
cammarus) «Seekrebs» und vielleicht aind.
kamdthas m. (aus *kamarthas) «Schildki'öte».
Humor, m. (s, ohne PI.): Scherzlaune.
Im 16. Jh. aus lat. hümor m. «Feuchtigkeit»,
im Mittelalter der Saft im Innern des Men-
schen, mit dessen Beschaffenheit die mensch-
liche Art zusammenhängt, daher im 16. und
17, Jh. Humor m. «menschliche Art, Anlage»
(1616 beiHenisch611, 1669 Simpl. Ihilusüger
Humor), dann «Gesinnung, Stimmung^ Laune /^
(1641 bei Lehmann Florileg. 1, 23), betont
wie im Lat. auf der ersten Sübe und im
PL Humor en, Humorn nach lat. hümores,
aber durch Einfluß des franz. humeur m.
haftete der Ton seit dem 17. Jh, auf der
zweiten Sübe (1668 bei Böckler Kriegsschule
1023 Humeur «Natur» als Soldatenwort, 1711
bei Kädlein Humor m. «Sinn»), daher guter
Humor bei Wieland neuer Amadis 12, 13,
übler Humor bei Goethe 19, 44. Die heutige
Bed. bildete sich nach engl, humour (bei
Swift und Sterne), vgl. Lessing 7, 414 f.,
J. Paul Vorschule der Ästhetik 1, 166 f. ABL.
Humoreske, f. (PI. -n): launische Erzäh-
lung. Noch nicht bei Campe 1813. Humo-
rist, m. {-en, PI. -en): Schriftsteller von
Humor, bei J. Paul Vorsch. d. Ästh. 1, 169
und Goethe 5, 1, 55, in der altern Bed.
«drolliger, wunderlicher Mensch», 1693 bei
Kramer 548^, aus ital.-mlat. humorista m.
humoristisch, adj., bei Goethe 42, 2, 160.
humpeln, humpen, v.: verstümmelten
Fußes, gebrechlich gehen, hinken. Beides
1775 bei Adelung, humpen 1741 bei Frisch
aus dem Niederd., 1691 bei Stieler humpen,
himpen aus der thüring. Mundart, auch bayr.
humpen «hinken». In übertragener Bed. hum-
peln, humpeln v.: ungenau und ungeschickt
arbeiten. 1663 bei Schottel humpeln. Man
vergleicht das dialektische schampeln (s. d.)
und gr.CKafißöc« krummbeinig». Andre denken
an Verwandtschaft mit hinken, was trotz Zu-
pitza Gutt. möglich ist. Davon Hümpler,
m.: Stümper, Pfuscher, hei Luther Hümpler,
im 15. Jh. bei H. Folz himpler: 1494 bei
ßrant Narr. 95, 42 hümpeler m. «Lump».
Humpen, m. {-s, PI. wie Sg.): großes
weites TrinkgeschiiT. 1616 im Leipziger Jus
potandi ^ 33 Hunipe f. als Studeutenausdruck
aus md. Mundai-t, 1775 bei Adelung Humpen
m. neben Humpe f. Dazu ndl. hompen, dän.
humpe (entlehnt?), engl.hump «Buckel», ndl.
Jwmp «großes Stück Brot». Wird als urver-
wandt mit gr. KÜiußoc m. «Gefäß, Becher»,
Ki)|ußr| f. «Gefäß, Trinkschale, Ka.hn», awest.
yumba-, aind. kumbhäs m. «Topf, Urne»,
kümba- «Hervorragendes, Hom, Spitze» an-
gesehen, doch macht das späte Auftreten
bedenklich. Vgl. auch Kumpen.
Hund, m. (-es, PI. -e). Mhd. und ahd.
hunt m. (Gen. hundes); dazu asächs.-mnd.-
ags.- dän. -schwed. hund, afries. hund, hond,
ndl. hond, engl, hound (Jagdhund), anord.
hundr, got. hunds m. Nicht zu got. hinpan
«fangen», ags. huntian, engl. hu7it «jagen»,
urspr. «Fänger, Jäger» (müßte w-Stamm sein).
Urverwandt mit gleichbed. gr, küujv m. f.
(Gen. Kuvöc), lat. canis m. f., altir. cü (Gen.
con), lit. suff m. (Gen. szuns), armen, sun
(Gen. san), awest. span-, sun-, aind. gva (Gen.
günas). Über das angetretne t vgl. Hirt
Btr. 22, 231. Die Versuche, das idg. Wort
weiter zu erklären, sind mißlungen. Im Berg-
bau Hund m. in übertragner Bed. «offner
länglich viereckiger Kasten auf vier Rädern»,
1557 bei Agricola Bergwerk 495 und 1562
bei Mathesius Sar. 32^, 196*, franz. chien m.
RA. Auf den Hund kommen: an Vermögen,
Geist oder Gesundheit herunterkommen,
studentisch (1825 bei Kluge Studentenspr.),
zu Hund in verächtlicher bildl. Bed. «Per-
son oder Sache von geringem Wert». Weder
mit Beziehung auf den schlechtesten Wurf
im Würfelspiel lat. canis m. und canicula f.,
gr. Küuuv m. «Hundswurf», aind. gvaghni
«eifriger Spieler», eig. «Hundetöter», noch
auf die altdeutsche Strafe des Hundetragens,
woher die RA. er muß Hunde führen nach
57*
903
hundert
Hüne
904
Bautzen (fränk. bis Buschendorf, elsäß. nach ' ZUS. hundertfach, adj., 1556 bei Frisius
Lenkebach, bei Arnold Pfingstmontag 120, der
Oi-tsname bezeichnet urspr. die Gaugrenze).
ABL. Hündin, f., mhd. hundinne, hündin
t, dafür ahd. zöha, mhd. zöhe f. hündisch,
209^. hundertfältig, adj., mhd. hundert-
valtec neben hundertvalf. hundertmal, adv.,
1414 hundertmäle, 1440 hundertmöl (Diefen-
bach gl. 112^). Hundertstel, Hundertel,
adj., im 15. Jh. hundisch. ZUS. Hunde- In., verküi-zt aus Hundertstteü. hundert
junge, m.: die unterste Stufe des Jäger- tausend, Zahhv., mhd. hunderttüsent.
lehrHngs, die Wartung der Hunde besorgend, Hundsfott, m. (-es, PI. Hundsfötter):
1598 bei Ayrer Dram. 1631, 21 Hundtsjung, j feiger, tiefverächtlicher Mensch. Als Schelte
hundekalt, adj.: abscheulich kalt. Huude- \ und Schimpfwort 1575 bei Fischart Garg. 38
leben, n., 1678 bei Krämer. Hundeloch, n. : Hundsfutt f., 1691 bei '^iieüar Hundsfot, Hunds-
Gefängnis, 1605 bei Sommer Cornelius Rele- j fott m., eig. lat. cunnus canis, von der Scham-
losigkeit der läufigen Hündin hergenommen.
Der Plur. lautet 1582 bei Fischart Garg. 362
Hundsfutt, aber Hundsfüder 1619 bei Opel
u. Cohn 30 j. Krieg 28, 66, noch bei Maler
Müller 3, 185 Hundsfütter, Hundesvötter 1668
in Leyermatzs Correspondenzgeist 170. Da-
von hundsföttisch, adj., bei H. Sachs (1588)
gatus C 4. S. Hundsfott, Hundsloden, Hundstag.
hundert, Zahlwort. Mhd. als Substan-
tiv im 12. Jh. hundert n„ im 11. Jh. hunder it
n., ebenso asächs. hunderod n., afries. hund-
red, hunder d, hondert n., ags.-engl.-dän. hund-
red, anord, hundrad n., schwed. hundra. Zgs.
aus -ra^, von got. rapjan «zählen» (s. gerade.
Rede), also «Hundertzahl», und aus dem altern j 3, 1, 194*^ hundsfüttisch und Fastnachtsp. 70,
Zahlwort für «hundert», ahd. hunt n., asächs.- 1 200 hündzfüetisch.
ags. hund n., im Asächs, nur in der Mehr-
zahl wie got. hunda PL; urverwandt mit
gleichbed. lat. centum, gr. ^kotöv, altir, cet,
lit. simtas, awest. sata-, aind. gatäm, (aus
dem L-an. entlehnt) abg. süto. Als Überrest
der altgermanischen Zählung nach Groß-
hunderten 120 ist die Bezeichnung für «ein-
hundert» in der altem Sprache zu betrachten
Hundsloden in den RA. H. kriegen, d. h.
Vorwürfe, oder einem H. an den Kopf werfen.
H. sind eigentlich «Hundehaare». Sie dienten
als ein grobes Sm-rogat von Wolle, und so be-
deutet die RA. «etwas Grobes bekommen».
Hundstag, m. (gewöhnlich im PI. -e):
Tag der Zeit vom 24. Juli bis 23. August
als der heißesten des Jahres im südl. Europa
ältermhd. zehenzec^ zehenzic, ahd. zehanzug {F]imus bist. nat. 2, 47). 1428 die hundstag
und zehanzo (einmal bei Notker einhunt), ags. I (Anz. f. Kunde d. Vorzeit 11, 334), mnd. de
hundteontig (neben hund), got. taihuntehund, hundedage (Städtechron. 7, 278, 23), mhd. im
taihuntaihund, anord. tiu tigir, während anord. [ 14. Jh. hunflich tage, nach lat. dies canicu-
hundrad in vorchristlicher Zeit ein Groß- 1 läres «Tage, wenn die Sonne beim Hunds-
hundert, d. h. 120 bezeichnet, wie noch jetzt ^ stern steht und mit ihm zugleich aufgeht».
Island, hundrad, weshalb man später hundrad Der Hundsstern, lat. camcula, Sirius, mlat.
tiroett 100 und hundrad tolfroett 120 unter- canis, gr. kOuuv, mhd. im 14. Jh. hunt, 1495
schied. ABL. hundertste, Ordinalzahl, md. in der Kölner Gemma W 3*^ hondesterre, steht
im 15. Jh. hundertst, 1420 hundirste (Diefen- , im Sternbüd des Hundes.
bach gl. 112^), wofür im Mhd. zehenzigeste, Hüne, m. (-w, PI. -n): kämpfender Riese
ahd. zehanztigosto , afries. Iwndersta. RA. alter Zeit. Dui-ch Wieland (22, 184 u. 21,
vom Hundertsten aufs Tausendste kommen: 208) aus dem Niederd. aufgenommen, wo
nicht bei der Sache bleibend von dem einen sich die Sagen von den alten Hünen im.
auf andres, auch das Entfernteste kommen, | Volke erhalten hatten (1639 bei Micrähus
bei Herder krit. Wälder 2, 122, weitergebildet ! Pommern 2, 200 Hünen oder Biesen); dafür
aus das Hundertste ins Tausendste werfen obei-d. im 16. Jh. Heime hi. «Riese» (Mathe-
(Simpl. 274), urspr. das Hundert ins Tausend sius Sar. 44^, Froschmeuseler 2, 2, 14), im
werfen (Luther 3, 224 '^ u. 8, 229^), nach Ege- 13. -Jh. mhd. himie und md. hüne m. «Riese»,
nolfi" Sprichw. 1570 Bl, 201^ vom unordent- 'identisch mit mhd. Hiiine m. «Hunne», ahd.-
lichen Setzen der Rechenpfennige auf den | and. starkflekt. Hüni, Hün, mlat. Hunus,
alten Rechenbrettern, deren Rubriken mit ] Hunnus, gr. Oöwoi PI., 1482 im Voc. theut.
M, C, X, I (Tausender, Hunderter, Zehner, 0 7^ Hewneti «Hunnen». Jedoch die mit
Einer) bezeichnet waren, hunderterlei, ] Hun- zusammengesetzten altgerman. Eigen-
adv., 1580 bei Fuchs Mückenki-ieg 1, 965. i namen wie Hünpreht, Hünbolt (Humbert,
905
Hunger
Hürde
906
Humhold) usw. lassen nach J. Grimm Mythol.
433 auf älteres Vorhandensein des Wortes
vor dem Einbruch der Hunnen schließen und
weisen vielleicht auf einen ui-alten m3'thischen
Volksstamm, ZTJS. Hiinengral), n., 1689
bei Micrälius Pommern 2, 200, aber als Name
von Orthchkeiten schon im 14. und 15. Jh.
oberd. ze Hiunengrehern . an Hiunungreber
weg bei Mone ürgesch. d. bad. Landes 216.
Hunger, m. (s, ohne PL): Eßbegierde.
Mhd. hunger, ahd. Jmngar m.; dazu asächs.
hungar, ndl. honger, afries. hunger, honger,
agsi hungor, engl.-schwed.-dän. hunger, anord.
hungr, got. hührus m. (auch Hungersnot).
Gleichen Stammes wie anord. hä «plagen,
quälen»; urverwandt mit lit. kankä f. «Qual»,
kenkti «wehe tun», gr. KeyKei «er hungert»,
KOKiöric «hungrig, verhungert» (bei Hesychius) ;
vielleicht liegt die Bed, «brennen» zucn-unde.
Vgl. gl". KOYKaivei « er macht glühend, brennt,
dörrt», KOYKaXeoc «ausgebrannt» (bei Hesych.).
Vgl. W. Schulze KZ. 29, 270. ABL. hung-
rig, adj., mhd. hmigerc, hungerig, ahd. hunga-
rag, hungrag-, dazu mnd. und afries. hunge-
rieh, nndl. hongerig, ags. hungrig, engl, hungry.
hungern, v., mhd. hungern tr. «hungern
lassen» und unpersönl. mich hungert, ahd.
hungiren, hungeron (häufig mih hungirit);
dazu asächs. gehungrjan, mnt!. hungeren, ndl.
hongeren, afries. hungera, ags. hyngrian, hyn-
gran, engl, hunger, anord.-schwed. hungra, dän.
hungr e, got. huggrjan (unpers. ßatia gaggan-
dan huggreiß). Im 16. Jh. auch hungern {mich
hungert bei H. Sachs 14, 89, Alberus Fab.
6, 65), noch wetterauisch. ZUS. Hunger-
jahr, n., mhd. hungerjär, ahd. hungarjär,
afries. hunger jer n. Hungerleider, m.,
1654 bei Logau 1, 4, 52. Huugerpfoten,
in der RA, an den Hungerpfoten saugen,
vom Bären, der im Winter angeblich an
seinen Tatzen saugt. Vgl. H. Sachs 9, 19 die
Beerenklewen saugen und Fischart Narren-
schiff 70, 21. Hungersnot, f., mhd. hunger-
nöt, afries. hongerned f, Hungertuch, n,,
mhd. hungertuoch n. «blaues oder schwarzes
Tuch, womit in katholischen Kirchen zur Ad-
vents- und Fastenzeit die Altarbilder verdeckt
werden», mnd. hungerdök m. RA, am Hinget--
tuche nagen «fasten, darben, sich kümmerlich
behelfen», bei H. Sachs 17, 147 und Fischart
Garg. 347, aber gleichzeitig im 16. Jh. das
urspr. am Hungertuche nehen (H, Sachs 1,
164«, 864 b) oder am Hungertuche flicken (1586
bei Rhode Weiberspiegel D 5*).
Hünkel, s. Hinkel.
hunten, adv., gekürzt aus hie ivnten (vgl.
hüben). Bei Luther (5. Mos. 33, 13) hundert.
bei Goethe 38, 134 hunten.
hunzen, v.: tr. die Ehre abschneidend,
spottend, scheltend, übel wie einen Hund
, behandeln, schimpfen (Kleist zerbr. Krug
3. Auftr. herunterhunzen, Geliert 1, 145 aus-
hunzen); refl, «sich schinden, plagen wie ein
Hundy> (Maler Müller 2, 17, dafüi- Schweiz.
hunden intr.), vgl. mnd. 1392 hundaten «hün-
disch behandeln». Abgeleitet von Hund mit
1 der Frequentativsilbe -zen, ahd. -azan, -a§an,
nicht von tschech. huntovati, humtavati «ver-
hunzen», eig. «schlachten». In Zusammen-
setzung 1562 bei Mathesius Sar, 69* zuhuntzte
i £Ze/der «allzusehr verkürzte», 1701 im Causen-
macher 62 verhunzen «verderben», wie 1575
bei Fischart Garg. 161 verhundstutzen, Ende
des 16. Jh. bei Ayrer Dram. 1380, 12 ver-
1 hundösen «zugruude richten», nd. verhundatm
\ 1562 bei Lauremberg 4, 601.
Hupe, f. (PI. -n): Signalhorn mit nui-
einem (tiefen) Tone, Eine tonmalende Büdung.
Oberhess. Huppe «kleine, schlechte Pfeife aus
Weidemände», bayr. hupp «Jägerruf».
hüpfen, V.: (mit gleichen Füßen) in die
Höhe springen. Oberd. hupfen bei Goethe 1,
135. iVIhd. hupfen, hüpfen, um 1100 hupphen,
neben mhd.-älternhd. hopfen, md. huppen,
huppen; dazu mnd. hoppen, ags. hoppian, wo-
neben mittelengl. hyppen, engl, hop und hip,
' anord, und schwed. hoppa, dän. hoppe. Her-
kunft unsicher. Man vergleicht gr. Kußicrdeiv
«tanzen», aind. kubhanjüs «tanzend, sich
di-ehend» (Uhlenbeck Btr, 21, 100), abg. ky-
peti «springen», je nachdem man^ aus -bn-,
-bhn- oder -pn- erklärt. Vgl. Hopp, hopsen.
Hürde, f. (PI. -n) -. Flechtwerk zu Wänden
und zum Dörren. Die oberd. Form von Horde
(s. d. -). Bei Luther Hürte, ältemhd. im
16. Jh. Hurt, Hürde, mhd. und ahd. hurt f.
(PI. mhd, hürte, hürde, ahd. hurdi) «Flecht-
werk aus Weiden oder Reisig», im Mhd. auch
als Tür, Gatter, Brücke und zum Verbrennen
der Verbrecher oder Leichen verwandt; da-
zu and. hurth f. «Flechtwerk, Gitter», ags.
hyrdel m., engl, hurdle «Hürde», mittelengl.
' hirde «Tür», anord. hurd f. «Tür, Tüi-flügel»,
I got. haürds f. «Tür», urverwandt mit lat.
a'ätes f. «Flechtwerk, Hürde», gr. Kupxia f.
, «Flechtwerk», Küproc m., KÜpTri f. «Fischreuse,
i Käfig», KdpxaXoc m, «Korb», altir. certle
{ «Knäuel», apreuß. fcorto «Gehege», aind. käpis
907
Hnre
hüst
908
m. «Geflecht, Matte», krnätti «er spinnt»,
crtäti «er bindet, verknüpft».
Hure, f. (PI. -n). Mhd. hicore, md. hüre,
ahd. huora, huorra f., woneben spätrahd. 1420,
mnd. herge f.; dazu mnd. höre, Jiorre, ndl. hoer,
ags. höre, (entlehnt) engl, whore, anord. höra f.
«Hure», hörrm. «Ehebrecher, Buhle», dän.hore,
got. hörs m. «Hurer» (aber kalkjö oder kalki f.
«Hure»). Nebst mhd. huore, ahd. huora, höra
f. «Ehebruch» abgeleitet von mhd. -ahd. huor
n. «außerehelicher Beischlaf, Ehebruch», md.
hür, afries. hör, ags.-anord. hör n., schwed,-
dän. hör. Urverwandt mit lett. Ztärs« lüstern»,
lat. cärus «lieb», altir. caraim «ich liebe», cara
«Freund», kaum aber mit aind. cnrus «lieb,
lieblich, schön»; aus dem Germanischen ent-
lehnt abg. kurüva f. «Hui-e». ABL. huren,
V., mhd. huoren, ahd. huoron; dazu audfrk.
huoran, afries. höra, anord. höra, schwed.
hora, dän. Jwre, got. hörinön. Davon Hurer,
m., mhd, huorcere, huorer, ahd. huorari, and.
huuarari m.; Hurerei, f., spätmhd. im 15. Jh.
huererei, mrhein. im Voc. ex quo 1469 hörerie f.
huriscli, adj., bei Luther hürisch. 2^78.
HureuhaUS, n., spätmhd. zu Anfang des
15. Jh. hurenhaws, mhd.-ahd. huorhüs n.
hurliburli, interj.: mit überstürzender
Eile. 1778 bei Schink Marionettentheater 121,
daneben hurlpurl 1776 bei Bürger 320* Bohtz,
hurlurli hutii 1774 bei Goethe 16, 4. Aus engl,
hurlyhurhj «Wirrwarr, Aufruhr», von engl.
hmi «schleudern, schmeißen, heulen wie der
Sturm, wirbeln, strudeln». Ähnlich dän.
hurlumhei.
hurra! interj., Ausruf voll Kampflust,
Freudenruf. Mhd. hurra (Minnes. 3, 188^
Hagen), Imperativ von mhd. hiirren «sich
schnell bewegen» (s. hurre), mit verstärken-
dem -ä. In der nhd. Schriftsprache erst seit
der 2. Hälfte des 18. Jh. nachweisbar (1773
bei Bürger Lenore Str. 20 hurrah, Schiller
Räuber 4, 5, Fiesko 5, 5).
hurre! interj. zur Bezeichnung sausender
Eile. 1773 bei Bürger Lenore Str. 19, schon
1570 bei Egenolff Sprichw. 120^ hurr. Im-
perativ von älternhd.-mhd. hurren, ndl. horren
«sich schnell bewegen», anord. hurra, enffl.
hurry (s. d. f.), noch hess. hurren «wild vor-
wärts rennen, blind hineinstüi-zen».
Hurri, n,: heftige Schelte, heftiger Auf-
tritt. Bei Goethe 16, 69. Nach engl, hurry
«große Eile, Getöse, Tumult», von engl, hurry
«eüen, eilig antreiben, sich überstürzen», eng
verwandt mit mhd. hurren (s. hurre).
hurtig, adj.: geschwind und gewandt.
1537 bei Dasypodius hurtig «tapfer, flink»,
1564 bei Glaser Gesindteufel E 4* hortige
Megde, mhd. hurtec «schnell», hurteclich «mit
Stoß losrennend, schnell, reißend», von mhd.
' hurt m. f. und hurte f. « Stoß, stoßendes Los-
, rennen in Kampfspiel und Kampf», entlehnt
mit den aus Frankreich eingeführten Tumier-
spielen aus franz. heurt m., ital. urto m. «Stoß»,
wovon afranz. hurter, afranz, heurter, ital.
tirtare «stoßen», mhd. hurten, hurten und
hurzen «stoßend losrennen». ABL. Hurtig-
keit, f., 1561 bei Maaler.
Husar, m. (-en, PI. -en) -. Soldat zu Pferd
nach ungarischer Art. 1534 bei Franck Weltb.
101*^ der PI. Hussern, 1547 bei Liliencron
4, 422^ Husseren, bei Meltzer Schneeberg.
Chron. 975 Husseer PI., bei Fischart Großm.
1607 D 3^ Husaren «ungarische Reiter mit
Lanzen», aus gleichbed. ungar. huszär, eig.
«der Zwanzigste», von ungar. husz «zwanzig»,
weil nach einem alten Rekrutierungsgesetze
von 20 Ausgehobenen einer ein Reiter wer-
den mußte.
husch! interj. zur Bezeichnung des Kälte-
schauers (spätmhd. im 15. Jh. husch, noch
bayr.-österreich.), des Fortscheuchens (Bürger
276) und großer Geschwindigkeit (Lessing 1,
500). Wohl lautmalend. Davon Husch, m.:
überlaufender Frost, Frostschauer (Abr. a.
5. Clara Aufi" auif 98), voräbergehender Platz-
regen (Lessing 11, 625); große Geschwindig-
keit, Eile (Goethe 1, 205) ; geschwinder Schlag,
Ohrfeige (1578 bei Fi-ischlin Nomencl. Cap.
166, noch oberd. Husche, f.: plötzlicher
kurzer Regen oder Schneefall (um 1480 im
Voc. ine. teut. cc5* husch Schneegestöber);
Griff ins Haar, Haarzausen (1582 bei Fiscbart
Garg. 374, noch hessisch «der Griff des Scharf-
richters ins Haar des Delinquenten vor dem
Kopfabschlagen», wie bei Logau 3, 8, 69); Ohr-
feige (1646 bei Moscherosch Phü. 1, 72).
huschen, v,: äußerst leicht und unbemerkt
sich fortbewegen, 1775 bei Adelung, aber
schon 1678 bei Krämer in der Bed. «gleiten,
gHtschen», im 16. Jh. bei H.Sachs 9, 88 hoschen.
hussa! interj.. Ruf des Antreibens, der
Lust (1784 bei Büi'ger Macbeth 4, 1 husa,
bei Wieland Oberon 5, 46 hussa), als Jagd-
und Verfolgungsnif 1780 bei Göckingk Ged.
1, 46. Im 15. Jh. md. hossa bei Stolle
thüring.-erfurt. Chron. 6, 114*".
hüst, interj.: links, Fuhrmannsruf. Bei
Hebel. Alemannisch.
909 Husten Hyazinth 910
. Husten (mit U), m. (-S, PI. wie Sg.). In 1438 hiiüing f. «Bewachung/.. Dagegen von
Norddeutschland mit kurzem u gesprochen, Hut (Viehhütenj abgeleitet ist Hutung, f.:
mhd. huoste m., md. Mste, ahd. huosto m., die Weide zum Hüten, sowie das Becht zum
wo neben huosta L, aus ältenn ^A^^-wosto, daher Beweiden, das Hutrecht i Stieler 1691), Ende
noch Schweiz.- elsäss. Wüsten m. «Husten» des 16. Jh. bei Schweinichen 3, 231.
und icüsten «husten»; dazu and. huasto, ndl. Hütsche, Hutsche, Hitsche f. (PI.
hoest m., ags. htcösta m., engl, (dial.) whoost, -n) ; kleine Fußbank. Büttel- und Xiederd.
anord. hösti m., schwed. hosta f., dän. hoste. 1637 Hütsche (Ztschi-. f. Kulturgesch., hgb.
Urverwandt mit lit. köseti (Präs. kosiu) v. Steinhausen 4, 200, aus Schloß Tenneberg
«husten», kösulis m. «Husten», lett. käsa, in Thüringen), ebenso 1691 bei Stieler: nd.
käsis «Husten», käset «husten», abg. kasili Hitsche f., eig. «Schiebebank, Bänkchen, das
m. «Husten», alb. koid f. «Husten», ir. casad, bald da bald dorthin geschoben wird», ab-
aind. käs «husten», käsas m. «der Husten», geleitet von hutscheu, v.: auf dem Boden
J.5I>. husten, V., mhd. Äifosfen, ahd. ÄMOsfö?i: rutschen, kriechen, in oberd., md. und nd.
dazu ags. hicöstan, engl, (dial.) whoost, anord. Mundarten, schon im 14. Jh. md. hutschen,
hösta. hüsteln, v., in der 2. Hälfte des hutschin intr. «rutschen» und tr. «schieben»,
18. Jh. bei Thümmel Reise 4, 161 hüsteln, wohl aus hukscJien zu hocken.
bei Maler Müller 1, 339 hüsteln. Hütte, f. (PI. -n): enichteter kleiner be-
'Hut, m. (es, PI. Hüte): steife hohle deckter Schutzort zum Aufenthalt usw.; ein-
Kopfbedeckung; Zucker in spitzer kegel- faches ärmliches Gebäude (1561 bei Maaler);
förmiger Gestalt (nach der Form der alten bergmännisch: Metallschmelze (schon mhd,).
Hüte), 1464 im Urkuiidenbuch der Stadt In der l.Bed. mhd. hütte, ahd. hutta f. ^Hütte,
Leipzig 1, 315. In urspr. Bed. mhd. -ahd. Zelt»; ein oberd. Wort, aus dem entlehnt
htwt m. «Hut, Mütze» (PI. mhd. Miete, ahd. sind mnd. hutte, ndl. hut f., engl, hut, franz.
huoti und htiota), im ^Ihd. auch «Helm, Auffe, span. Äwfaf «Hütte». Vielleicht gleichen
schützender Überzug oben über etwas. Hülse Stammes wie Haus (s. d.) oder besser zu
an einem Turmknopf», md. hüt: dazu and. Hotte (s.d.). ZL^jS. Hüttenrauch, m.: beim
htiat, mnd. höt. hüt, ndl. hoed, afi-ies. höd Metallschmelzen als Dampf aufgestiegenes und
«Hut», ags. höd m. und engl, hood «Haube, aiif gefangen es Giftpulver, spätmhd. im 15. Jh.
Kappe», neben ags. hcett m. und engl, hat hüttrauch, hutte-, huttenranch m. Hütten-
«Hut», anord. hattr, höttr m., schwed. hatt, werk, n.: Metallschmelze. 1562 bei Mathe-
däu. hat. Vielleicht gleichen Stammes wie sius Sar. 135*.
Hut - (s. d.). Urverwandt mit lit. kuödas Hutung, Hütung, s. Hut -.
m. «Schopf, Mütze des Federviehs», lat. Hutzel, f. (PI. -n): gedörrte Birne, ge-
cassis f. «Helm». doiTter Bimschnitz (1664 bei Duez «gedörrter
"Hut, f. (PI. -en): Schaden abhaltende Apfel»). Mhd. hützel, hutzel f.: md. Hotzel
Aufsicht und Vorsicht, Fürsorge: das Hüten f. (Bürger Macbeth 1, 3), 1711 bei Rädlein,
des Viehes auf der Weide (bei Luther 6, 339^). Davon hutzelig, adj.: ranzlig, 1741 bei
In der 1. Bed. mhd. huote, huot, ahd. huota Frisch hutzlich, hozlich. hutzeln, v. : ein-
f,, im Mhd. auch «Wache, Wächter, Hinter- schrumpfen, 1741 bei Frisch, mhd. verhützeln
halt, Nachhut», (spätmhd.) «Distrikt eines «zusammenschrumpfen», bei Bürger Kaiser
Försters oder Waldaufsehers»: dazu mnd. imd Abt Str. 16 einhotzeln.
höde, hüde f., ndl. hoede f, afries. Äöde, hüde f. Hyäne, f. (PI. -n): Abendwolf, Grabtier.
Wohl gleichen Stammes wie ^Hut m. (s. d.). Um 1480 im Voc. ine. teut. 1 6^ hientier n..
Als ursprüngl. Bed. wäre «Schutz» anzunehmen, bei H. Sachs Fab. 233, 11 Hienna f. Schon
hüten, V.: achthaben, bewachen; das Vieh ahd. ijena. Aus gleichbed. gr.-lat. hyaena f.,
auf der Weide bewachen, weiden ( mhd. 1336). gr. üaiva f., benannt wegen der Ähnlichkeit
In der 1. Bed. mhd. Mieten , huoten (auch im borstigen Hals und Rücken mit dem
refl. sich Mieten vor jem. oder etw.), ahd. Schweine, gr. Oc m. f.
hux)tan, md. hüten; dazu and. hödian, ndl. Hyazinth, m. {-es, PI. -e): ein Edelstein
Jioeden, afi-ies. h^da, hüda, ags. hedan, engl, von roter bis pomeranzengelber Farbe. Mhd.
heed. Davon Hüter, m., mhd. Äwefcere, Äwefer, jacinctus m. und jächant, jachant m., ahd.
md. hütere, ahd. huoteri m., and. höde^'i (?); jachant m., aus gr.-lat. hyacinthus m., gr,
Hüterin, f., mhd. Mieterin f.: HÜtung, f., üdKiveoc f. «Edelstein von blauer Farbe»,
911
Hydrant
ich
912
wahrscheinlich der Saphir oder ein dunkler
Amethyst. Hyazinthe, f. (PI. -n)-. die
Glöckchenblume Hyacinthus orientalis, erst
nach 1562 aus Klein asien eingeführt, 1629
bei Oi^itz 265 Hiacynthenhlume, aus gr.-lat.
hyacinthus m., gr. ödKivGoc m. f. «die violett-
blaue Schwertlilie».
Hydrant, m, (-en, PI. -en): Wasserzu-
leitung für die Feuerwehr, Feuex'hahn. Part.
Präs. von einem nlat. Verb, hydräre nach
gr. ubpaiveiv «bewässern». In neurer Zeit,
Hygiene, f.: Gesundheitslehre. Fem. des
gr. Adj. ÜYieivöc «der Gesundheit zuträglich,
heüsam», zu ergänzen Texvr] f. «Kunst». 1791
bei Roth Hygieine. ABL. hygienisch.
Hymne, f. (PI. -n): Hoch-, Lobgesang,
Festlied, 1775 bei Adelung, das weibliche
Geschlecht nach franz. hymne f. «geistlicher
Lobgesang, neben hymne m. «Lobgedicht».
Mhd. ymne m. und imps, ahd. hyemno und
imno, immino m, «kirchlicher Lobgesang»,
aus gr.-lat. hymnus m., gr. öiuvoc m. «Ge-
sang, Feier, Loblied».
Hyperbel, f. (PI. -n): Übertreibung; über-
treibende rednerische Vergi-ößerüng; Kegel-
schnitt. Bei Lessing und 1775 bei Adelung,
Hyperhole 1714 bei Wächtler, aus gleichbed.
gr.-lat. hyperhole, gr. üirepßoXri f., abgeleitet
von üirepßdWeiv «über das Ziel werfen». Dazu
hyperbolisch, adj.: übertrieben, bei Herder
z. Theol. 6, 104 von 1776, nach dem gleichbed.
gr.-lat. Adj. hyperholicus, uTtepßoXiKÖc.
hyperklug, adj.: überklug. 1673 bei
Weise Erzn. 4 üuepklug. Gelehrt zgs. mit
gr. uTT^p «über».
Hypnose, f. (PI. -n) -. magnetischer Schlaf;
(in übertr. Bed.) starke Einwirkung, der man
sich nicht entziehen kann. Gebildet von gr.
ÜTTvöeiv «einschläfern». Neue Bildung, hyp-
notisch, adj.: einschläfernd; zwingend. 1813
bei Campe, hypnotisieren, v.: in magne-
tischen Schlaf versetzen. Hypnotismus, m. :
magnetischer Schlaf. Von dem englischen Arzt
James Braid (geb. 1795) eingeführter Aus-
druck für die von ihm zuerst beobachteten
Erscheinungen.
Hypochondrie, f. (PI. -n): Milzsucht;
Grillenkrankheit. 1775 bei Adelung, aus dem
gr.-lat. Plur. hypochondria, gr. üiroxövbpia «der
weiche Teil des Leibes unter dem Brustknorpel
und den Rippen bis an die Weichen mit
Milz usw.», von gr. Otrö «unter» und xövbpoc
m. «Brustknoiijel». Davon Hypochonder,
m. (-.s, PI. wie Sg.): Milzsüchtiger; Gräm-
ling, Grillenfänger, bei Lessing 1, 165, nach
gleichbed. franz. hypochondre m., 1714 bei
Wächtler Hypochondriacus; Hypochon-
drist, m. (-en, PI. -en), bei Goethe 23, 132.
hjTpoehÖndrisch, adj., bei Goethe 18, 103.
Hypothek, f. (PI. -en): gerichtliche
Schuld-, Pfandverschreibung auf unbeweg-
liche Güter. 1580 bei Schwarzenbach Sy-
nonyma 100*^ Hipothec. Aus gleichbed. gr.-
lat. hypotheca, gr. ÜTToOriKri f. «Unterpfand»,
eig. «Untersatz», von gr. üiroGeivai «unter-
setzen». Davon hypothekarisch, adj., 1775
bei Adelung.
Hypothese, f. (PI. -n)-. Unterstellung,
Wagesatz. 1775 bei Adelung, Hypothesis 1703
im Zeit. Lex. Aus gleichbed. gr. ÜTrö9ecic f.,
von gr. OiroOeTvai «untersetzen, unterstellen».
hypothetisch, adj., bei Campe 1801 und
Goethe (1. H.) 22, 252.
Hysterie, f. (PI. -n): Nervenki-ankheit.
1813 bei Campe, dafür 1775 bei Adelung
Hysterik f., nach gleichbed. mlat. hysterica
passio, von gr.-lat. hystericus, gr. öcxepiKÖc
«an der Gebärmutter leidend», von gr. öcrdpa
f. «GebäiTnutter».
I
i! Interj. der Hervorhebung, Verwunde-
rung, Freude, älternhd. ie, le geschrieben,
mhd. i! als Ausruf des Unwillens, der Ver-
wunderung.
iahen, v.: wie ein Esel schreien. Bei Goethe
2, 162 yahen, 1711 bei Rädlein ygaen, igagen,
1561 bei Maaler gigagen. Lautnachahmend.
Ibis, m. (Gen. Ibisses, PI. Ibisse): der
ägyptische Brachvogel, Nilreiher. 1589 bei
Gesner Schlangenbuch 7* Ibis, 1540 bei
Diefenb.-Wülcker 677 Eyb m., mhd. eib m.
Aus gr.-lat. ibis, gr. ißic m.
ich, Nom. Sg. des Pronomens der 1. Per-
son. Mhd. ich, ahd. ih: dazu asächs., mndl.
afries. ik, ags. ic, engl. /, anord. ek, schwed.
jag, dä,n. jeg, g'ot. ik. Entsprechend gleichbed.
lat. ego, gr. ^yil», ^yüjv, abg. jazü, azü, altht.
es, lit. ä§, apreuß. es. as, apers. adam, awest.
913
-Icht
Igel
914
azdm. aind. ahäm. Ahd. tindet sich auch für
nachdrückliches ich : ihhu, ihclia, mhd. im 14. Jh.
iche, noch in md. Mundarten iche. Die übrigen
Kasus von ich sind: Gen. tnein (s. d.); Dat.
mir, mhd. ahd. mir, got. mis: Akk. mich, mhd.
mich, a.h.d.mih, got. mik. Aus gleichem Stamme
lauten in den ui'venvandten Sprachen diese
drei Kasus: lat. mei, mihi, me, gr. |lioO, uoi,
n4., aind. mama, nmhjani, mäm. Substantivisch
Ich, n. (s, PI. wie Sg.), mhd. eiii ich; min
ander ich. Ichheit, f., im 15. Jh. icheit
(Theolo.gia deutsch Kap. 15 u. 16).
-icht, Ableitungssilbe. 1) an Substantiven,
z. B. Dickicht, durch Zutritt eines t aus -ich,
md. -ech, mhd. -ach, ahd. -ahi hervorgegangen,
welche die Bedeutung einer Menge, Fülle,
Anhäufung haben. 2) an Adjektiven, wie
bergicht, holpericht usw., neben bergig usw.,
mhd. -eht, -oht, ahd., -oht, -ohti.
lolllhy-, in mehreren Fremdwörtern ist
gl'. ixOüc m. «Fisch», z. B. in Ichthyol m. (-s):
Fischöl, ein Arzneknittel. Ichthyosaurus,
m. (PI. -Saurier und -saiirie): Fischeidechse.
Bezeichnung einer ausgestorbenen Tierart.
Neure Bildung. Bei Scheflfel GJ-audeamus.
Ida, Frauenname. Ahd. Ita, Ida. Koseform
zu Namen wie Iddberga, Idburg.
ideal, adj.: in der Idee bestehend, über-
wirklich, vorbildlich. Im 18. Jh. (Wieland
Idris 184) aus dem lat. Adj. ideälis (5. Jh.
n. Chr.") «ia der Idee stehend», aus dessen
Substantiv. Xeutr. ideale nhd. Ideal, n. [s,
PL -e): Traum-, Ur-, Vorbild, im 18. Jh.
(Wieland Amadis 90) nach franz. ideal m.
ideälisch, adj.: überwirklich, bei Lessing
5, 28, j. Goethe 3, 533. idealisieren, y.,
bei Herder 1, 342 W. Idealismus, m.:
ideale Lebensauffassung. Bei Herder und be-
sonders bei Kant. Idealist, m. (-en, PI. -en),
1732 bei Gottsched. Id^e, f. (PI. Ideen):
das gedachte, nur in der geistigen Anschauung
befindliche Ding, Vemunftbegriif, Vorstellung;
kleine Menge. Bei Thomasius Einl. 100 Idee
und Idea, aus gleichbed. franz. idee f., gi\-lat.
idea f., Urbild, gr. ibea f. «Gestalt, Bild, Vor-,
Urbild, Motiv einer Rede», von gr. ibeiv «sehen».
Davon ideell: nur in der Idee vorhanden,
gedacht. Bei Goethe 42, 2, 152.
identisch, adj.: ebendasselbe, ein und
dasselbe. Im 18. Jh. (bei Schiller Nachtr.
2, 301 B.) nach dem franz. Adj. identique,
ital. idenfico. Identität, f., 1728 bei Spe-
rander, aus mlat. identitas f., von lat. idem
«ebendasselbe», identifizieren, V.: für
Weigand, Deutsches Wörterbnch. 5. Aufl.
gleich erachten : die Persönlichkeit feststellen.
Im 19. Jh.
Idiom, n. [-S, PI. -e): die eigentümliche
Mundart. Im 17. Jh. (bei Nehring 1694 Idioma)
aus franz. idiome m,, von gr. ibiujua n. «Eigen-
tümlichkeit, Besonderheit», zu gr. ibioc «eigen,
eigentümlich».
Idiot, m. (-en, PI. -en): Xichtkenner,
Pfuscher, Dummkopf. Im 16. Jh. (bei Albems
Barfuser Münche >'r. 343 Idiot, und einf eltiger
Mensch, 1571 bei Rot) aus gleichbed. gi-.-lat.
idiota m., von gr. ibidirric m. «Privatmann
im Gegensatze zum Staatsmann, in Staats-
geschäften Unkundiger», überhaupt «Unwis-
sender», zu gr. ibioc «eigen, eigentümlich,
privat». Davon idiotisch, adj. IdiotismUS,
m. (PI. Idiotismen): mundartliches Wort,
mundartl. Spracheigenheit, 1714 bei Wächtler,
aus gr.-lat. idiotismus, gr. ibiiuxicuöc m. «die
dem Privat- oder gemeinen Mann eigentüm-
liche Sprachweise, Spracheigenheit». Idioti-
kon, n. (-S, PI. Idiotika und Idiotiken):
Wörterbuch einer Mundart, Landschafts-
wörterbuch, im 18. Jh., aus dem Neutr, des
griech. Adj. tbiiuTiKÖc, «dem Privat- oder ge-
meinen Mann eigen» (s. Idiot).
Idol, n. (-S, PI. -e): Abgott. Im 18. .Jh.
aus gr.-lat. idolum n., «Schatten-, Trugbild»,
dann «Götzenbild», gr. eibuuXov n. <'. Gestalt,
Bild, Trug-, Götzenbild».
Id^ll, n. (-5, PI. -e) und Idylle, f. (PL -n):
ländliches Gedicht, Hirten-, Schäfergedicht:
ländl. Stilleben. In der 1. Bed. bei Zachariä
194 und Adelung 1775 Idylle f., aus gr.-lat.
idyllium, gr. eibüXXiov n. «kleineres, zierlich
darstellendes Gedicht, meist ländlichen In-
halts», eig. «Bildchen», Dim. von gr. elboc n.
«Bild». Davon idyllisch, adj., bei Goethe
an Schiller 3, 48.
-ieren, Endung vieler aus dem Romani-
schen und Lateinischen entlehnten Zeitwörter,
aber auch deutschen Wortstämmen angehängt,
z. B. halbieren, stolzieren usw. Erst mit der
höfischen, aus romanischer Quelle schöpfen-
den Poesie seit der 2. Hälfte des 12. Jh.,
mhd. -ieren, md. -nen, ndrhein. im 14. u. 15. Jh.
-eren, aus afranz. -ier, das ui-spr. den lat.
Infinitiven auf -iare oder -igare entspricht.
-ig, Ableitungssilbe an Adjektiven, ent-
I sprechend entweder 1) mhd. -ec, ahd. -ac,
' got. -ag, oder 2) mhd. -ec. -ic, ahd. -ic, -ig,
got. -eig, im letztem Fall Umlaut bewirkend.
Igel, m. (-S, PL wie Sg.): das Stacheltier
lat. erinaceus, eres. iihd. igel, ahd. and. igil m.;
58
915
Ignorant
Urne
916
dazu mnd. und ndl. egel, ags. igl, il, anord.
igull m. Urverwandt mit gr. ixxvoc, ahg.jezi,
lit. ezTs m., arm. ozni «Igel». Bei Nicolai
Phantasmen 11 unrichtig auch für Egel (s.
Blutegel), nd. iL
Ignorant, m. {-en, PI. -ew): Unwissender,
Dummkopf. 1571 bei Rot, 1582 bei Fischart
Garg. 236, aus lat, ignörans, dem Part. Präs.
von ignöräre «nicht wissen». Ignoranz, f.:
Unwissenheit, 1582 bei Fischart Garg. 240
Ignorantz, aus gleichbed. lat. ignörantia f.
ignorieren, v.: absichtlich nicht kennen,
nicht beachten, bei Schiller an Goethe 2, 304,
aus gleichbed. lat. ignöräre.
ihm. Dat. Sg. von er und es, mhd. im,
inie, ahd. asächs. imu, imo, dazu got. imma.
ihn, Akk. Sg. von er, mhd. in, auch inen
(noch im 16. Jh. jnen, bei Fischart jne), ahd.
inan, inen, in; dazu asächs. ina, got. ina.
ihnen. Dat. PI, von er, sie, es, mhd. in, inen
(noch im 16. Jh. häufig jn), ahd. im, in, bei
Notker erweitert inen; dazu asächs. im, got.
im. ^ihr, Dat. Sg. von sie, mhd. ir, ahd,
iro, iru, ira; dazu asächs. rrM, got.izai. "ihr,
Nom. PI. des Pronomens der 2. Person (du),
mhd. ahd. ir, md, er; dazu asächs. gi, ge,
afries. i, gi, ags. ge, anord. er, got. jus. ^ihr,
Possessivpronomen, mhd. ir, Fem. iriu, Neutr.
irg (auch substantivisch dag ire oder ir, der
ir, die ire), hervorgegangen aus ihr, dem
Gen., Sg. und PI. der 3. Person (s. ihrer).
^ ihrer, Gen. Sg. von sie, erweitert aus ihr,
noch älternhd. z. B. bei Luther jr (Matth.
21,8), mhd. ir, auch Ire, ahd. ira, iro; dazu
asächs. ira, got. izös. "ihrer. Gen. PI. von
er, sie, es, ebenfalls aus ihr erweitert, noch
bei Luther jr (l. Mos. 3, 7), mhd, ir, ahd.
asächs. ?Vo; dazu got. ize, Fem. izö. Ein Nach-
klang dieses Gen. Sg. und PI. ihr ist die Ver-
bindung ihre sein (in der Anrede Ihre sein)
zur Bezeichnung der An-, Zugehörigkeit, bei
sächsischen Schriftstellern des 18. Jh. (Geliert
Fab. 2, 75, Lessmg 1, 367), wie schon in der
Bibel 1483 Matth. 5, 3 das reich der hymel
ist ir. ihresgleichen, erstai-rte Genitiv-
form, im 18. Jh. (Lessing 1, 389), 1539 bei
Alberus wider Witzeln G5* ihr gleichen (s.
gleich), ilirethalben, adv., mhd. von iret
halben (Leyser Pred. 38, 28), von irenthalben
(Livl. Reimchron. 6383), eig. Dat. PI, mit un-
organisch eingeschobenem t (s. Halbe, halben).
ihretwegen, adv., im 14. Jh. von im wegen
(Städtechron. 1, 29, 9), bei H. Sachs von jrnt
wegen, s. wegen, ihretwillen, adv., im 16.
Jh. umh jren tvillen, dann umb jret willen,
s. willen, ihrig, adj., 1575 bei Fischart
Garg, 54 jrig, substantivisch 1562 bei Mathe-
sius Sar, 36^ das jrige und bei H. Sachs
Fastn, 5, 126 das jrig. Ihro, Possessivum
vor einem Titel, nach dero (s. d.) gebildet
und gegen Ende des 17. Jh. aufgekommen
(1682 bei Schnüffis Mirant. Flötlein Vorr. 3^
jhro Hochfür stl. Gnaden), jetzt als altfrän-
kisch angesehen. Vom 13. bis 17. Jh. lautete
der Dat. Sg, des Fem. der 3. Person iro, ira,
iru, noch 1650 bei Moscherosch Phil. 1,447
jhro, wie schon ahd. iru, iro; ebenso der
Gen. PI. der 3. Person ahd. und in aleman-
nischen Urkunden des 14. Jh. iro, noch im
16, Jh, jro jedem. Beides im 18. Jh. veraltet.
ihrzen, v.: mit Ihr anreden, mhd. irzen
(vgl. duzen).
11- in Zusammensetzungen (von Fremd-
wörtern) vor l ist aus in entstanden, lat. in-
mit der Bedeutung «un-», z, B, illegal «un-
gesetzlich» (1728), illoyal «nicht loyal» oder
«ein, hinein».
Ilk, m., niederdeutsche Nebenform von
Htis (s. d.).
illuminieren, v.: erleuchten, bes. zum
Schmuck, feierlich; mit Farben ausmalen.
Mhd. illuminieren «leuchtend schmücken», aus
lat. illüminäre «erleuchten, licht machen». Li
der 2. Bed. 1562 bei Mathesius Sar. Vorr. a 5^
ein Buch illuminiren, mhd. 1350 luminierer m.
«Illuminator». Illumination, f.: festliche
Erleuchtung, 1714 bei Wächtler, aus lat.
illüminätio f. «Erleuchtung».
Illusion, f. (PI. -en): falsche Einbildung,
Täuschung. 1710 bei Nebring. Aus lat. il-
lUsio f. «Verspottung, Ironie», franz. illusioyi f.
«Täuschung, falsche Einbildung».
illustrieren, V.: erläutern, in heUes Licht
setzen; ausschmücken, zieren (bes. Bücher
dui'ch in den Text eingeschaltete Holzschnitte
usw.). In letzter Bed. 1714 bei Wächtler. Aus
gleichbed. lat. illusträre. Illustration, f.:
Erläuterung, namentlich durch Abbildungen,
dann letztere selbst, 1710 bei Nehiing Illu-
stration «Erleuchtung» aus gleichbed, lat.
illusträtio f,
Ilme, f, (PI. -«): Ulme, Schweizerisch,
wetterauisch usw, Mhd. ebne, ilmenei. {Snmerl.
50,8) und elmboum m., spätmhd. Um, ilm£,
ahd. elm; dazu ags. elm m., engl, elni, anord.
alnir m,, schw,ed, alm, dän, elm. Urverwandt
mit lat. ulmus f,, ir, lern «Ulme» (s, d,). Aus
dem Germ, stammt russ, ilem>i m. «Ulme».
917
nse
immittelst
918
Ilse, Frauenname. Ahd. Ilisa. Echtdeutseh.
Iltis, m. (Gen. Iltisses, PI. Iltisse): der
Stänkerratz, Mustela putorius. ^Ihd. eltes,
ütis m., spätmhd. auch iltisse, alteis, elteis,
eltechs, spätahd. illi(n)tiso m. Die Formen
der Mundarten zeigen, daß das "Wort aus
zwei Bestandteilen zusammenges. ist, deren
zweiter eine Umdeutvmg auf nd. deisen,
Schwab, deinsen, Schweiz, täseln «schleichen»,
deißel f. «Wiesel» (bei Henisch, Stieler er-
f ahi'en hat : ha jr. Ell edeis, Schweiz. Täs, Täsen m.
(im Bernbiet), tirol. Ilkes, nass. Ilser, Eiser,
schles. Ilster, obersächs.-böhm. Utnis (schon
1470 eltnys, 1604 bei Colerus Hausb. 3, 160
Udnis, Iltitz), nd. Hk, Elk, Illink, mnd. ilke,
üleke, 1754 bei Döbel Jägerpract. 1, 42 Illing,
EU-Katze. Elb-Thier: dazu schwed. t'Wer, dän.
Oder. Dunkler Herkunft. Im zweiten Teil
(Grundform illit(iü)iso) vermutet man jetzt
ein iviso, *das zu Wiesel gehören würde.
illl, mhd.im.ime, imme, dui-chAngleichung
des n aus inme, ineme, verschmolzen aus in
deme «in dem».
Imbiß, m., mundartlich auch n. (^Gen.
Imbisses, PI. Imbisse): kleine Mahlzeit, bes.
außer dem Mittage. Mhd. ahd.imhiß, inbi^ m..n.,
spätmhd. auch imwej,2/nb^, noch heute Schweiz.
im(m)is, meist zimis, hess. immes, elsäss. im-
mes, ims, auch bei Goethe 8, 79 Nacht-Ims.
Zu ahd. in-, imhtgan, mhd. enMgen «sich durch
Speise u. Trank stärken, ein Mahl halten», zgs.
aus ahd. in- «ein» fs. d. -) und M^an «beißen».
imitieren, v.: nachahmen, nachmachen.
1571 bei Rot, 1534 bei Franck Weltb. 235.
Aus gleichbed. lat. imitäri. Davon Imita-
tion, f., 1571 bei Rot.
Imker, m. (-s, PI. wie Sg.): Bienenzüchter,
bei Adelung 1775 Imker als niedersächsisch
(1767 im Brem. Wb.), 1666 bei Comenius
Sprachenthür § 384 Immiche^-. Von Imme, f.
(PI. -n): Bienenschwarm, Biene, Arbeitsbiene.
Mhd. imbe, impe, imp, später imme m. «Bienen-
schwarm, -stock», erst spätmhd. «Biene», ahd.
impi, imbi m. «Bienenschwarm», als Kollektiv
in der Verbindung impi piano, «examen apium»;
dazu mnd. imme n. (selten m.) « Bienenschwarm,
-stock, Biene», ags. i/mbe «Bienenschwarm».
Noch in den Mundarten wird unterschieden:
Schwab. Immen m. «Bienenkorb» und Imme f.
«Biene», Schweiz. Imb m. «Bienenschwann»
u, Immi n. «Biene», elsäss. Imm{e) f. «Biene»,
Imme m. n. «Bienenschwarm, -stock», westfäl.
Imen m. «Bienenschwarm», Ime f. «Biene».
Wegen der Bedeutung «Schwann» ist Ver-
wandtschaft mit gl", eurnc f. «Stechmücke»
dui'chaus unwahrscheinlich. Das Wort gehört
vielmehr zu 'w. imbed, akymr. imm^t «Fülle,
Menge», lat. omnis «all». S. Walde s. v.
immaßen, conj.: indem, weil, eig. in dem
Maße daß. Nur noch im Kanzleistil. Im 14. Jh.
inmaßen (Xürnb. Pol.-Ordn. 229 j, zusammen-
gefügt aus der Präp. in und dem Dat. PI. von
Maße f. (s.d.), mhd. m^^e «Art und Weise».
Immatrikulation, f. (PI. -en): Einschrei-
bung in die Matrikel { Stammliste), nament-
lich der Universitäten, 1728 bei Sperander.
Von immatrikulieren, v., aus nlat, im-
matriculäre, einer Ableitung von lat. mätri-
cula f. «Stammrolle», dem lat. mäter f. «Muttei-»
zugrunde liegt. 1703 im Zeit. Lex.
Immediätgesuch, n.: ein an den Landes-
herm selbst gerichtetes Gesuch. Zsg. mit
immediat, adj. «unmittelbar». Von gleichbed.
lat. immediätus. 1703 im Zeit.-Lex.
immer, adv.: in imunterbrochener Zeit-
dauer. Mhd. iemer, imer, immer, ahd. iomer,
iemer «zu irgendeiner, sowie zu jeder gegen-
wärtigen oder zukünftigen Zeit», dazu and.
iemar «immer», mnd. immer, ummer, jummer
«jemals fvon beginnender und zukünftiger
Tätigkeit), jedesfalls, gewiß x. Zusammenge-
rückt aus ahd. io (s. je) ujid mir ( s. mehr).
ZUS. immerdar, adv., bei Luther jmerdar
1494 bei Brant Narr. 61 yemerdar. immer-
fort, adv.. bei Luther jmer fort. Immer-
grün, n. : die Pflanze Vinea minor, Singrün
(s. d.), 1691 bei Stieler. immerbin, adv.,
bei Luther jmer hin. immermebr, adv.,
mhd. (durch nochmaliges mer verstärkt) immer
mere, iemer mer, iemer me «zu jeder gegen-
wärtigen oder zukünftigen Zeit», immer-
wäbrend, adj., im ib. -^h. ymynerwernd (ÜÄtz-
lerin LXVIIP). immerzU, adv., 1510 bei
Keisersberg Pred. 116^ ymerzü.
Immi, n. (-S, PI. wie Sg.): Hohlmaß für
Getreide, Weine usw., schwäbisch - .j Scheft'el
imd ^/o,. Eimer, schweizerisch zuletzt 1 \., Liter
(in der franz. Schweiz emine f.). Mhd. im 14. Jh.
imin, imi n., aus gr.-lat. liemina f. als Hohl-
maß «die Hälfte eines sextarius (Nösels)»,
gl-, riiaiva, r\\n\a f. «die Hälfte des ^Kreüo
(des 6. Teils des Scheffels), woher auch franz.
mine f. «ehemaliges Trockenmaß».
immittelst, adv.: während derZeit(Licht-
wer Fab. 3, 4). Im 16. Jh. bei Schweinichen
1,214, mit Antritt von t aus in mittels (16.
und 17. Jh.), einer Verbindung des adverb.
Gen. Sg. von Mittel (s. d.) mit in.
58*
919
Immobilien
-m
920
Immobllieu, PL: unbewegliche Güter,
Liegenschaften. 1703 im Zeit.-Lex., aus
gleichbed. lat. inimöhüia bona.
immorälisch, adj.: unsittlich, sittenlos.
1797 bei Fr. Schlegel Griechen u. Römer 182,
nach neulat. immoralis. Davon Immorali-
tät, f.: Unsittlichkeit, Sittenlosigkeit, bei
Schiller Nachtr. 2, 217 Boas.
Immortelle, f. (PI. -w) : Blume mit stroh-
artigen un verwelkbaren Blumenblättern,Stroh-
blume, Helichrysum. In der ersten Hälfte des
19. Jh. aus gleichbed. franz. immortelle f., von
lat. imniortälis «unstei-blich».
immun, adj.: abgabenfrei; seuchenfrei.
Aus lat. immünis «frei von Leistungen» (so
noch 1813 bei Campe). Immunität, f.
(PI. -ew): Abgabenfreiheit; ünansteckbarkeit ;
Unverletzlichkeit (der Abgeordneten). In der
1. Bed. 1703 im Zeit.-Lex., in den beiden
andern erst im 19. Jh. Aus lat. mimünitäs f.
«Freiheit von Steuern, Lasten».
Imperativ, m. (-s, PI. -e): Befehlsform,
befehlende Redeweise. Aus lat. modus impe-
rätivus.
Imperfekt, n. {-s, PI. -e): die unvoll-
endete Vergangenheit, Vorgegenwart. Aus
lat. (tempus praeteritiim) iniperfectum.
impersonal, adj.: unpersönlich, aus lat.
impersöndlis. 1813 bei Campe.
impertinent, adj.: ungeziemend, unbe-
scheiden, unverschämt derb; als Adv. auch
«allzu», z. B. impertinent hlo7id. 1710 beiNeh-
ring « ungereimt, das nicht zur Sache gehöret».
Aus franz. impertinent, mlat. impertinens, von
\ai. pertinere «gehören, Beziehung haben zu».
Impertinenz, f., bei Lessing 7, 156, aus
franz. impertinence, mlat. impertinentia f., aber
schon 1703 im Zeit.-Lex. Impertinentien «un-
gereimte Dinge, nugae».
impfen, v.: ein Pflanzreis zum Fort-
wachsen in die Rinde einsetzen; dann (seit
1750) Kraukheitsstoff in die Haut einsetzen.
Mhd. impfen und ungekürzt impfeten, inpfeten,
impeten, ahd. imphon und impitön, inbitön
(noch bayr. impten); dazu ags. impian, engl.
imp, ferner mnd. und nnd. poten «pfropfen,
Pflänzlinge setzen», mnd. mnld. enten «Pfropf-
reiser auf einen Zweig setzen». Mit dem
gleichbed. franz. enter aus lat. imputäre «ein-
schneiden, ins Kerbholz schneiden, in Rech-
nung setzen», putäre «Bäume beschneiden»,
in der Lex salica (85, 10 Merkel) inpotus
«Pfropfreis». ABL. Impfling, m.: Impf-
reis, 1580 bei Sebiz Feldb. 52. Impfung, f. :
Pfropfung, mhd. impfetunge, iniptange, spät-
mhd. imtung, impfung, ahd. imhitunga f.
(Diefenb. gl. 300°).
Imponderabilien, pl.: unwägbare Dmge.
Nach Arnold ZfdW, 3, 350 im 18. Jh. im Ge-
lehrtenlatein entstanden, aus in «un» und
ponderabilis «wägbar». 1821 bei J. Paul
Komet. Dann Schlagwort in den siebziger
Jahren des 19. Jhs. Vgl. Ladendorf.
imponieren, v.: sich geltend machen,
Achtung einflößen. Bei Goethe an Schüler
3, 364, das Part, imponierend bei Lessing 7, 26.
In der Bed. «auflegen» 1714 bei Wächtler,
aus lat. imponere «aufsetzen, auflegen, wo-
rüber als Befehlshaber setzen», imposant,
adj. : mächtigen Eindruck machend, bei Goethe
32, 116, aus franz. imposant, Part. Präs. von
imposer «Bewunderung einflößen». ImpOSt,
m. [-es, PI. -en): Auflage, Warensteuer. Im
17. Jh. (Nehring 1694), aus gleichbed. mlat.
impostus ni., älterfranz. impost (nfranz. impot),
von lat. impositus, Part. Perf. Pass. von impo-
nere «auflegen».
imprägnieren, v.: einen Körper mit
einer Flüssigkeit durchtränken. Aus lat. im-
praegnäre «schwängern». Ende des 18. Jh.
in der jetzigen Bedeutung.
improvisieren, v.: aus dem Stegreif ent-
werfen oder vortragen. 1801 bei Campe
aus .ital. improvisare, franz. improviser, von
lat. impro Visus «nicht vorausgesehen, unver-
mutet». Davon Improvisation, f. (PI. -en).
Im 19. Jh.
Impuls, m. {-es, PI. -e): Anstoß, Antrieb.
Bei Campe 1818, Goethe Nat. Sehr. 4, 289.
Aus lat. impulsus m., zu lat. impellere «woran
stoßen, antreiben».
Imse, f.: Ameise (s. d.).
in, praep., zunächst vom Räume, dann
auch von dem Zeitverhältnisse usw., mit Dat.
auf die Frage wo?, mit Akk. auf die Frage
wohin? Mhd. und ahd. in, auch abgeschwächt
en; dazu asächs.-afries.-mndl.-ags.-engl.-got. in,
anord. i, schwed.-dän. i. Urverwandt mit lat.
in, gr. iv, ivi, altir. in, lit. i, apreuß. en, arm.
i, alb. in. Von der Präp. in, die im Spätmhd.
und Älternhd. mitunter mi lautet (Städtechr.
3, 329, 14, H. Sachs 2, 59), geht das Adv. in
(in den Zusammensetzungen darin, hierin,
Inbiß, Inbrunst, Inhalt usw.) aus, s. ein-.
-in, (PI. innen): Silbe zur Bildung weib-
licher Namen aus männlichen, z. B. Königin,
Wirtin, Wölfin usw.). Mhd. -in. -in und inne,
ahd. -in und -inna, ags. -en.
921
Inbegriff
indogermanisch
922
Inbegriff, m. {-s, PI. -e): die Gesamt-
heit aller in einem Umkreis eingeschlossenen
Dinge, sowie der unter einen Begrifi' gehörigen
Einzelheiten. 1721 bei Günther 444 Inbegriff,
1734 bei Steinbach Innhegrieff.
Inbrunst, f. (ohne P].): inniges, heißes
Gefühl. Im 15. Jh. inbrunst f., 1512 beiKeisers-
berg Bilgersch. 7 '^ ynhrunst m., zunächst «in-
nere körperliche Glut», dann «brennendes (hef-
tiges) Verlangen». Davon inbrünstig, adj.,
spätmhd. inhrünstec.
Inbürger, m. : Bürger am Wohnort, Gegen-
satz von Aushürger (s. d.). 1741 bei Frisch.
indem, l) adv.-. während dieser Zeit; da
auf einmal (Thümmel Reise 9, 285). In der
1. Bed. 1535 im Aimon D 1 indem, bis ins
17. Jahrh. unverbunden in dem geschrieben.
2) konj.: zu der Zeit daß; aus dem Grunde
daß. Temporal bei Luther Matth. 13, 4 in
dem, dafür 1512 bei Keisersberg Bilgersch. 5^^
in dem so; kausal, bei Keisersberg Büg. 6^
in dem, 6* w dem so. Am frühesten im 15. Jh.
in dem, daß «in dem Punkte oder Umstände,
daß» (Nümb. Pol.-Ordn. 84). Dafür ahd. indiu
«in dem, darin daß, während» (diu der In-
strumentalis des Demonstrativpronomens), im
12. Jh. erloschen.
Indemnität, f.: nachträgliche Genehmi-
gung, Lossprechung von der Verantwortlich-
keit. Im 19. Jh. aus engl, indemnity, das über
ivanz. indemnite dem \at. indenmitas f. «Schad-
loshaltung» entstammt. 1866 Schlagwort. Vgl.
Ladendorf.
indes, indessen, adv. und dann konj.:
in (während) der Zeit; jedoch (18. Jh.). Mhd.
in der 1. Bed. das Adv. indes, unverkürzt
innen des, inne des, ahd. innan des, innin
des, inni des (s. innen). Als temporale Kon-
junktion 1575 bei Fischart Garg. 413 inn des.
Die verlängerte Form indessen seit dem 17. Jh.
(1678 bei Krämer), s, dessen.
Index, m. (-[e]s, PI. Indexe u. Indices):
Anzeiger, Register, Verzeichnis insbes. der
verbotenen Bücher. Im 18. Jh. aus gleichbed.
lat. index m.
Indian, m. (-« und -en, PI. -en): Trut-
hahn. Bei Bluraauer Aen. 1, 141, dafür 1664
bei Duez Indianischer Hahn. Indianer, m.
(-.s, PI. wie Sg.), nach einem neulat. Adj.
Indiänus, eig. die Bewohner Indiens bezeich-
nend, 1700 bei Gleditsch. Indien nannte man
aber auch Amerika, so noch heute West-
indien, weil Columbus die Ostküste Indiens
entdeckt zu haben glaubte. Erst im 19. Jh.
ist die Unterscheidung zwischen Indianer für
die einheimische Bevölkerung Amerikas und
Indier für die Ostindiens durchgedrungen.
Ebenso steht es mit indianisch und indisch.
indifferent, adj.: einerlei, gleichgültig;
unteilnehmend. 1703 im Zeit.-Lex., aus lat.
indifferens (Gen. indifferentis), franz. indiffe-
rent. Vgl. Differenz.
Indigo, m. (-5, PI. -s), früher auch Indig,
m. (-S, PI. -e): das indische Blau. Mhd, in-
dich m. und endit f., im 16. und 17. Jh. auch
Endich, Endig (SimTpliciss.51), 1678 bei Ki-ämer
Bidig, 1712 bei Hübner Indigo. Über franz.
indigo aus span. indigo m., von lat. indicum
«das indische», weil urspr. aus Ostindien
kommend.
IndikatlY, m. {-s, PI. -e) : die bestimmte
Redeweise, eig. wie 1663 bei Schottel 558 die
Anzeigeweise. Aus lat. modus indicativus, von
indicäre «anzeigen, aussagen».
indirekt, adj.: nicht geradezu, mittelbai-.
1716 bei Ludwig. Aus gleichbed. lat. iwdirecto.
S. direkt.
indiskret, adj.: nicht verschwiegen. Aus
gleichbed. franz. indiscret, und dies aus lat.
indiscretus «ununterschieden», zgs. aus in
«un» und discretus, s. diskret.
Individuum, n. (-s, PI. Individuen)-.
Einzelwesen. Bei Thomasius Einl. 83 und 1712
bei Hübner. Das Substantiv. Neutr. des lat,
Adj. individuus «unteilbar, ungeteilt». Dazu
individuell, adj.: dem Einzelwesen eigen-
tümlich, bei Lessing 5, 384, nach franz. in-
dividuel, bei Schiller und Herder individual.
Individualität, f.: die dem Einzelwesen an-
geborne Besonderheit, bei Goethe Briefe 2, 105.
indogermanisch, adj., gemeinsame Be-
zeichnung folgender miteinander verwandter
Sprachen: des Indoiranischen, des Armeni-
schen, Griechischen, Albanesischen, der itali-
schen u. romanischen, keltischen, germanischen
u. baltisch-slawischen Sprachen, (zu denen sich
noch die Sprachreste der alten Skythen, Phry-
ger, Thraker, Mazedonier, Veneter und Mes-
sapier gesellen), so genannt, weil eine ger-
manische Sprache (das Isländische) und die
Sprachen Indiens die beiden äußersten Grenz-
punkte des verwandten Sprachgebiets bilden.
Zuerst 1823 in Klaproths Asia polyglotta nach-
weisbar, dafür bei den englischen und fran-
zösischen Gelehrten indoeuropäisch, in volks-
tümlichen Schriften arisch, obwohl letzteres
nur als die gemeinsame Bezeichnung der mit-
einander enger verwandten indischen und ira-
923
Indossament
Ingesinde
924
nischen Sprachzweige berechtigt (aind. ärja-,
awest. airja- «Arier») und ihre Zusammen-
stellung mit dem alten Namen Irlands Erin,
Brenn unwahrscheinlich ist. Vgl. G. Meyer
Idg. Forsch. 2, 125.
Indossament, Indossem^nt, n. {-[e\s,
PI. -e): Übertragung eines Wechsels durch
einen Begebungs-, Übertragungsvermerk. 1791
bei Roth, indossieren, v.: einen Wechsel
(durch eine Erklärung auf dessen Rückseite,
ital. in dosso «auf dem Rücken» an einen
andern übertragen. 1710. bei Nehring.
Indult, m. (-S, PI. -e): Nachsicht: Zah-
lungsfrist (1714 bei Wäehtler). In der 1. Bed.
1446 bei Janssen Frankf. ReichscoiT. 2, 93
indult f. Aus spätlat. indultus m. «Verwil-
ligung», von indulgere «Nachsicht haben».
Industrie, f. (PI. -n)-. Betriebsamkeit;
Gewerbfleiß, das Gewerbe. 1766 bei Lessing
Laokoon 36 in der 1. Bed., bei Campe Be-
reicherung in der Bed. «Kianstfleiß», 1778 bei
Hermes Soph. 4, 306 Kunst und Industrie.
Aus franz. industrie, von lat. industria f.
«Betriebsamkeit». ABL. industriell, adj.
und subst. der Industrielle, Industria-
lismus, f., von Saint-Simon gebildet und
um 1830 in Deutschland auftauchend. Vgl.
Ladendorf.
infam, adj.: anrüchig, veiTufen, schänd-
lich. 1691 bei Stieler, aus gleichbed. lat.
infämis. Infamie, f.: Ehrverletzung, Ehr-
losigkeit, Niederträchtigkeit, 1571 bei Rot
Infami, aus lat. infämia, franz. infamie f.
Infant, m. (-e?i, PI. -en): königlicher Prinz
von Spanien. Bei Fischart Garg. 168 Infant,
Ende des 15. Jh. bei Ehingen 25 iffant, aus
gleichbed. span. infante m., von lat. infans
«kleines Kind». Davon Infäntin, f.: könig-
liche Prinzessin von Spanien, 1595 im Amadis
24, 344 f., span. infanta f.
Infanterie, f. (PI. -n): Fußvolk. 1616
bei Wallhausen Kriegsmanual 139 Infanter ia
neben Enfanterie, bei Henisch Fantei'ie, 1617
im t. Michel 13 Infanterey. Über gleichbed.
franz. infanterie, ital. infanteria und fanteria
aus span. infanteria f., von span. infantes PI.
«Edelknaben, Soldaten zu Fuß», ital. infante m.
«Kind», fante m. «Knabe, Knecht, Fußknecht,
Fußsoldat», lat. infans «kleines Kind». Davon
Infanterist, m. {-en, PI. -en): Soldat zu
Fuß, Fußgänger, 1801 bei Campe.
Infektion, f. (PI. -en) -. Ansteckung. Aus
gleichbed. franz. infection f., das dem lat.
infectio «Färben» entstammt (Ableitung von
in-ficere, eig. «hineintun», s. infizieren). Im
18. Jh.
Infel, Inful, f. (PI. -n): Bischofshut.
]\Ihd. in feie, infel, im fei f. «Hut eines Bischofs
oder Abts», aus Iskt. infula f., eig. «Stirnbinde
und Kopfschmuck der Priester, der Opfei-tiere
und der zu den Göttern flehenden Menschen».
infulieren, v. : mit dem Bischofshut schmük-
ken, zum Bischof machen, mlat. infulare, md.
im 13. Jh. in fehl.
Infinitiv, m. (-s, PI. -e): unbestimmte
Redeweise, Nennform. Aus lat. modus in-
ßmtivus, von inftnitus «unbestimmt».
infizieren, v. : anstecken. Aus lat. inficere
«vergiften, anstecken, beflecken», von in «hin-
ein» und facere «tun». 1703 im Zeit.-Lex.
Iniluenza, f. : eine ansteckende Krankheit,
die Grippe (s. d.). Aus ital. ififluenza f.
«Seuche». 1791 bei Roth.
Informator, m. {-s, PI. -en) : Hauslehrer,
Hofmeister (Geliert Lehrged. 79), 1571 bei
Rot «Lehrmeyster», aus lat. Informator m.
«Bildner», informieren, v.: unterrichten,
in Kenntnis setzen. Ende des 15. Jh. bei Lilien-
cron 2, 195^^ informiren, spätmhd. informeren
(Genn. 28, 370), aus lat. informäre «gestalten,
bilden, durch Unterricht bilden».
Infusorien, pl.: Aufgußtierchen, eine Art
kleinster Lebewesen. Nach 1670 von Leeuwen-
hoek entdeckt. Der Name daher, daß man
sie in oft erstaunlicher Zahl auftreten sah,
wenn tierische oder pflanzliche Reste mit
Wasser übergössen und an einen warmen
Ort gestellt wurden. Im 18. Jh. Infusions-
tierchen. Von lat. in- «hinein, auf» und
fundere «gießen».
-ing, Ableitungssilbe an Substantiven zur
Bezeichnung der Zugehörigkeit, Abstammung,
Mhd. und ahd. -ine; dazu asächs.-ndl.-ags.-engl.
-ing, anord. -ingr. Die Ortsnamen auf -i/ngen
(schwäb.) und -ing (bayr.) sind urspr. Dat.
PI., ahd. -ingun, -ingon.
Ingenieur (spr. inzeniör), m. (-s, PI. -e):
Kriegsbaumeister; Maschinenkundiger. In der
1. Bed. 1617 bei Wallhausen Corp. mil. 209
Ingenieur, 1616 im Kriegsmanual 143 und
1617 im t. Michel 23 Ingenier, 1644 bei Duez
126 Ingenierer. Aus gleichbed. franz. ingenieur
m., von lat. ingenium n. «Scharfsinn, Erfin-
dungsgeist, Schöpferkraft», woher franz. engin
m. Maschine (s. Genie).
Ingesinde, n. (-s): die zum Hause ge-
hörige Dienerschaft. Mhd. ingesinde n. (s. in
und Gesinde).
925
ingleichen
inmitten
926
ingleichen, adv. : in gleicher Weise. Her-
vorgegangen aus in gleichem (16. JTh.), bei
0^\iz\,2\lingleichen\\.mgleichem(Yoei%rej\^).
Ingrimm, m. {-s, ohne PI.): innerer, ver-
bissener Grimm. Bei Wieland Amadis 18, 15
aus der Volkssprache des mittlem und nörd- 1
liehen Deutschlands (s. in und Grimm). Da-
von ingrimmig, adj., bei Campe Bereich,
(aus Alxinger), dafür 1741 bei Frisch, 1663
bei Schupp 140 ingrimmisch.
Ingrün, u. (s, PI. -e): das Wintergmn,
Vinca minor, usw. 1482 im Voc. theut. p6*
ingrun: dazu mndl. ingroen n. «Eppich». Von
dem mhd. Adj. ingrüene «sehr grün», worin
in verstärkend steht. S. Immergrün.
Ingwer, m. (-s, PI. wie Sg,): magen-
stärkende Wurzel der ostindischen Pflanze
amomum zingiber. Mhd. ingewer , ingwer, ;
ingeher, ingber m. und gingebere, ahd. ingüber,
gingebero. gingebere m. (vgl. ZfdW. 6, 182);
dazu ndl. gember f., engl, ginger. Wie franz.
gingembre, ital. zenzovero, zenzero, gengiovo m.
cingwer» aus gleichbed. gi'.-lat. zingiberi und I
zingiber n., gr. IiYTißepic f., von pers. und
arab. zendjebil, prakrit. singabera, aus aind.
gp9ga-vera, eig. «horngestaltet», von aind.
gpdgam n. «Hom», vera- m. n. «Leib».
Inhaber, m. [s, PI. wie Sg.): im Besitz
Habender. Mhd. inlmber m. Von inhaben,
V.: unter seiner Gewalt haben, 1436 inhän
(Weist. 5, 194). Zgs. mit dem Adv. in (s.d.).
Vgl. innehaben. '
inhaftieren, v.: in Haft nehmen. 1775
bei Adelung aus der Gerichtssprache. Mit
fremder Endung zu «in Haft», s. -ieren. '
Inhalt, m. (-S, PI. -e): was worin ent-
halten ist. Zuerst 1440 in einer ungednickten
Riedeselschen Verkaufsurkunde innehält m.,
1432 innhalt (Germ. 28, 370), bei Luther u.
Dasypodius Inhalt, dafür mhd. entheltnisse f.
einhält» (Myst. 1, 26, 25). Der Gen. Inhalts
als Präp. mit Gen.
inhuman, adj. : gefühllos, hart, unmilde. !
1714 bei Wächtler. Aus lat. inhmnänus «un-
menschlich, unhöflich».
Initiale , f. (PI. -n) -. Anfangsbuchstabe. '<
Bei Ludwig 1716 der PI. Initial-Buchstaben.
Aus lat. initiälis «anfänglich» von initium n. !
«Anfang». |
Initiative, f.: das Recht oder Fähigkeit,!
aus eignem Antrieb zu handeln. Von lat. !
initium n. «Anfang», Ende des 18. Jh. auf-
gekommen. RA. die L ergreifen: den An-
fang womit machen. Vgl. Ladendorf.
Injurie, f. (PI. -n)-. Rechtskränkung,
Ehi'enverletzung. 1515 bei Pleningen Sallust
P 4*, aus lat. injuria f. «widerrechtliche
Handlung, Unrecht, Unbill».
inklinieren, v.: wohin neigen, 1571 bei
Rot, aus gleichbed. lat. inclinäre.
inklusive, adv.: einschließlich. Aus gleich-
bed. neulat. inclusive. 1703 im Zeit.-Lex.
inkognito: unerkannt, unter fremdem
Namen, 1696 im Schelmuifsky - 38, 1703 im
Zeit.-Lex., aus ital. incognito, von lat. incog-
nitus «unbekannt, unerkannt», im Ablativ
incognito «ohne Wissen, ohne Kenntnis».
inkommodieren, v.: unbequem, lästig
sein. 1703 im Zeit.-Lex., aus gleichbed. lat.
incommodäre.
inkorporieren, v.: einverleiben. Mhd.
im 14. Jh. incorporiren (1354 Mon. Boica 42,
111), aus lat. incorporäre «in den Leib ätzen»,
von lat. corpus n. «Leib».
Inkunabel, f. (PI. -n)-. Erstlingsdruck,
Wiegendruck. Von lat. in-cünäbula PI. n.
«Windeln, Wiege». Benennung der Drucke
bis etwa zum Jahre 1500, weil die Buch-
druckerkunst damals noch in den Windeln
lag. 1791 bei Roth.
Inlage, f. (PI. -n)-. Einlage. 1691 bei
Stieler. S. inliegend.
Inland, n. (-s, ohne PI.): Gegensatz von
Ausland (s. d.). Dafür mhd. iniende n.
«Vaterland, Heimat, Herberge, Quartier».
Bei Stieler 1691 und Zesen Dögens Baukunst
1648 Inland «Insel». Dazu Inländer, m.,
spätmhd. i/i/ew Jer m. ; inländisch, adj., 1512
in Reichsordn. 75^ innländisch, 1436 in Weist.
5, 194 inlentz. Daneben auch einländisch.
Inlaut, ra. (-S, PI. -e): Vokal oder Kon-
sonant im Innern eines Wortes. Ein von
Jak. Grimm (Gramm. 1, ^ 12) eingeführter
grammatischer Kimstausdruck.
Inlett, n. (-S, PI. -e und -s): der innre
Bettüberzug, in den die Federn getan werden.
1589 bei Roth Hausmütter Abc H 1 Innled,
aus nd. Inlet, Inlede, Inlitt (Hermes Soph.
5, 415), im Göttingischen Inlät, entsprechend
pfälzischem Inläß; obersächs. Inelt, daraus
oberd. und rad. Indelt (1775 bei Adelung).
Zgs. aus iti und lassen.
inliegend, Part.: als Beischluß innen
liegend. 1691 bei Stieler. Vgl. in.
iumittelst, s. immittelst.
inmitten, adv. und präp. mit Gen. Mhd.
in mitten, dann enmitten, frühmd. in mittin
«in der Mitte», auch «mittlerweile», gekürzt
927
mne
insgeheim
928
aus mhd. enmitemeii , ahd. in mittamen, in
mittemen «in der Mitte», dem Dat. Sg. von
mittamo m. «Mitte», entsprechend got. in \
midumai (von midunia f. «Mitte»), schon |
ahd. in mittimen mit Gen.
iniie, adv. in mitten inne. Mhd. inne '
und ahd. inna, inni, inne «inwendig», auch
als Präp. mit Dat., dazu got. inna «im Innern».
Fortbildung von in (s. d.). innehaben, V.,
1491 in Weist. 1, 396 innhaben. innehalten,
V., Reichsabschied 1524 § 28 innhalten. inne
werden, v., mhd. inne werden mit Gen.
oder abhängigem Satze (mit da^).
innen, adv. : Gegensatz von außen. Mhd,
innen, ahd. innana, innan, innin, als Präp,
verwendet im Mhd. mit Gen. oder Dat., im
Ahd. mit Gen., Dat., Instnamentalis oder Akk.,
in der ßed. «inwendig, innerhalb, binnen»;
got. innana nur Präp. mit Gen. Von in (s. d.)
mit der Endung -ana.
inner, präp. mit Dat.: innei'halb. Schrift-
deutsch nicht mehr geläufig. Mhd. inner,
inre Adv. «innen», auch als Präp, mit Gen.
oder Dat. «innerhalb». Aus dem Adj. innere
(Superl. inner st), mhd. inner «inneiiich, in-
wendig, vertraut», ohd. innaro (Komp. inna-
röro, innerero, Superl. inneröst). Der Super-
lativ innerst adverbial bei Goethe 8, 280 u.
39, 211, Weiterbildung von inne (s. d.), wozu
auch der ahd. Komp. innor als Übersetzung
des lat, interior. ABL. innerhall), adv. und
präp. mit Gen. (und Dat.): vor, an, auf der
innern Seite, mhd. innerhalp, inrehalp, inner-
halben, (mit zwischengeschobnem t) innert-
halhen, frühmhd. inne^'halbe. Ebenso gebildet
wie außerhalb (s.d.). innerlich, adj.: Gegen-
satz von äußerlich, mhd. innerlich, Adv. inner-
liche und inner cUche, inrechliche «tief im
Innern, herzlich». Dafür ahd. inlih «inner-
lich». Adv. inlihho, innelicho «inniglich».
innig, adj.: aus innerster Seele kommend,
in ihr geschehend. Mhd, innec, innic, abge-
leitet von in. Davon Innigkeit, f., mhd,
(md.) innecheit, innicheit, innekeit, innikeit f,
inniglich, adj., mhd. innec-, inniglich, ahd.
inniglih, im Adv. mhd. innecliche, ahd. innig-
Ucho.
Innung, f. (PI. -en): Körperschaft von
Handwerkern gleichen Berufs. Md. im 13. Jh.
innunge f. «Aufnahme, Verbindung», dann
(1276) «Verbindung zu einer Körperschaft,
Zunft» (s. d.). Von ahd. innön «in sich, in
eine Vereinigung aufnehmen, womit verbin-
den», zu inne (s. d.).
inquiriereu, v.: nachforschen, gerichtlich
untersuchen. 1529 in Reichsordn. 147 '', von
lat. inquirere «untersuchen». Inquisition, f. :
(gerichtliche) Untersuchung; Glaubensunter-
suchung, Ketzergericht. In der 1. Bed. 1529
in Reichsordn. 147'', in der 2. Bed. 1559 bei
Sleidanus Auszug (verdeutscht durch V.Mertz)
263 und 1581 bei Fischart Bienk. 3''. 5*'.
ins, zsgez. aus in das, mhd. mj. Im 16. Jh.
ins für in des (1550 bei Alberus Fab. 48,
277 ins Kürßners Muß), mhd. ins.
Insasse, m. (-%, PI. -n)-. Seßhafter, Be-
wohner, Mhd, in-, insce^e m. «eingesessener
Einwohner, Mieteinwohner». Von in und -sOBze
zu sitzen. Vgl. Inste.
insbesondere, adv., zsgez. aus in das
besondre, eine Einschränkung des Allgemeinen
hervorhebend. Erst im 18, Jh. (bei Lessing
12, 19 von 1751), entsprechend dem franz.
en particulier.
Inschlitt, n. (Lessing 5, 326), s. ünschlitt.
Inschrift, f. (PI. -en): woran Einge-
schriebnes. Md. 1343 inscrift f., später er-
loschen und in der Mitte des 18. Jh, wieder
erneuert. Bei Lessing 6, 532, im Laokoon
1766 S. 111 Innschrift (in Tempeln), aus
Winckelmann.
Insekt, n. {-es, PI. -en): das Kerbtier.
'\ 1720 bei Frisch Beschreibung von allerley
Insecten, darin öfter der Gen, PI. Insecten,
i aber 1741 PI, Insecte, 1546 bei Bock 2, 19^
Insecta. Aus lat. insectum n. (der PI. insecta
«Kerbtiere» bei Plinius bist, nat.), das Sub-
stantiv. Neutr. des Part. Perf. Pass, von
insecäre «einschneiden».
Insel, f. (PI. -n) : wassenimflossnes Land.
Bei Luther Insul, mhd. insele, insel neben
insule, insul, frühmhd. isele, ahd. isila f. Aus
gleichbed, \&i.insula f., woher ital. isola, afranz.
isle, nfranz. Ue f. Vgl. Aue, Eiland, Werder.
Inserat, n. {-s, PI. -e): juristisch, Ein-
lage, Beilage, Nachschrift 1691 bei Stieler;
in öffentliche Blätter eingemckte Aiizeige
(1801 bei Campe). Aus lat. inserat, 3 Pers.
Konj. «er möge einfügen». Vgl, Referat.
inserieren, v.: einfügen, eim-ücken, 1714
bei Wächtler, aus lat. inserere «hineinfügen».
insgeheim, adv.: heimHch. Bei Günther
822, neben in geheim 1663 bei Schuppius 24,
Zsg, mit dem Neutr. des Adj. geheim, das
bei Luther Rom. 16, 25 subst. in der Bed.
«Geheimnis» steht. Entsprechend dem franz.
en secret. insgemein, adv.: ohne Aus-
nahme und Unterschied. 1626 bei Zinkgref
929
Insiegel
Inster
930
Apophth. 1, 1 ms gemein, bei Luther 2. Makk. j
9, 26 und H. Sachs in gemein, doch schon
vor 1417 md. in dag gemeine, im 14. Jh. j
in die gemaine (j. Titurel 5233, l), dazu 1477
clevisch intgemet/ne und intgemetjn, schwed.
/ gemen, entsprechend dem franz. en general.
ilisgesaillt, adv.: alle oder alles in eins
begriffen. 1644 bei Harsdörffer Gespr. 1, 2 ;
ins gesamt, neben ingesammt (Scultetus bei
Lessing 8, 282), entsprechend dem franz. e/i taut.
Insiegel, n. {-s, PI. wie Sg.): Siegel,
iusbes. das Siegelbild des Petschafts (wobei
in das Eingegrabensein und Eindrücken her- j
vorhebt). Veraltet und nur noch im Kanzlei-
stil. Mhd. insigele. insigel n. (auch Petschaft,
Stempel, Wappen), ahd. insigili n. (auch
Münze und halbmondförmiger metallener
Schmuck) ; dazu mndl. inseghel, afries. insigü, ,
ags. insegel, insigle, anord. innsigli n. (auch
Siegelring)?
insinuieren, V.: heimlich einflüstern (1703
im Zeit. -Lex.); gerichtlich zustellen oder ein- ,
händigen (1509 bei Brant Layensp. v 6**); j
reü. sich einschmeicheln, beliebt machen (1684
bei Schuppius 1369, «sich zumachen und fein
applicirn» 1571 bei Rot). Aus lat. insinuäre
«in den Busen stecken, tief in etwas ein-
dringen lassen», (bildlich) «in Gunst setzen,
beliebt machen», von lat. sinus «Busen».
inskribieren, v.: einschreiben, eintragen,
1571 bei Rot, von gleichbed. lat. in^cribere.
inskünftige, adv.: künftighin. Md. im
13. Jh. in dag kumftige (Passional 437, 56 K.). i
Gebildet wie insbesonder-e.
insofern, adv.: in der Hinsicht (bei
Geliert); dann konj.: in der Hinsicht daß,
unter der Einschränkung daß. Im 18. Jh.
(bei Lessing 2, 384 in so fern), für ältres
sofern (s. d.), gebildet mit dem Akk. Sg.
des Neutr. von fern.
insolvent, adj.: zahlungsunfähig. Insol-
venz, f. : Zahlungsimfähigkeit, aus mlat. insol-
ventia, von lat. solvere «lösen, bezahlen». Beide
1791 bei Roth.
insonderheit, adv.: für sich abgeschlos-
sen; vor andern hervorgehoben. Bei Luther
Mark. 4, 34 m Sonderheit, 1508 in sunderheit,
1556 bei Frisius 432** insnnderheit und 1201^
in Sunderheit, 1482 bei Melber Bb4^ in
einer sunderheit, zgs. mit Sonderheit, mhd.
Sonderheit f. insonders, adv.: besonders,
vorzugsweise, insonderheit, nur noch in her- ,
gebrachtem steifem Brief- oder Kanzleistil.
1561 bei Maaler insunders, dafür ahd. (nin
\Ve i j; ,1 u (J , Deutsches Worteibucli. ."). .Aull.
1000) /// sunder, insiinder, mhd. insundei',
gebildet mit dem Akk. Sg. des Adj. suuder
«abgesondert».
insoweit, adv. und konj.: in d^r Aus-
dehnung. Bei Stieler 1691, gebildet wie in-
sofern, bei Schiller an Goethe 1, 2 in so iveit.
Inspektion, f. (PI. -en): Besichtigung:
Ob-, Aufsicht. 1562 bei Mathesius Sar. 195**
Inspection, aus lat. inspectio f. Inspektor,
m. (-es, PI. -en): Aufseher; höhrer Aufsichts-
beamter. 1582 bei Fischart Garg. 208, aus
lat. inspedor m. inspizieren, v.: besich-
tigen, in Augenschein nehmen, beaufsichtigen,
aus gleichbed. lat. inspicere.
installieren, v.: in eine Stelle, in ein
Amt einsetzen, bestallen. 1562 bei Mathesius
Sar. 175% aus gleichbed. mlat. installare, zu
m\a.t.stallus m. «Chorstuhl», von ahd. stal m.
(Gen. Stalles) «Stelle».
inständig, adj.: fest anhaltend in etwas,
behan-Uch. Um 1500 bei Diefenbach gl. 301 "^^
das Adj. ijnstendig, ahd. das Adv. instendigo.
Zu älternhd. Instand m. «dauernder Bestand»
(Franck Sijrichw. 1, 93*), got. instandan «stehn
bleiben, beharren».
Instanz, f. (PI. -en): das inständige An-
suchen einer Sache; Gerichtsbehörde, Ge-
richtsstand (1495 in Reichsordn. 17 •* die erste
Instantz) ; einem Satz entgegenstehendes Bei-
spiel, Gegenfall, -beweis, Einwurf (1571 bei
Rot Instantz «Hindrung und widerdrieß»).
Aus lat. instantia f. «anhaltender Fleiß, in-
ständiges Bitten», von instans, dem Part. Präs,
von instäre «auf etwas stehen, es emsig
betreiben, mit Bitten drängen», und schon
mhd. (md.) in der Glosse zum Weichbild-
recht entlehnt instancie f. (Germania 20, 44).
Inste,
[-71, PI. -n): ein Häusler auf
dem Lande, der zur Miete wohnt. Niederd.,
in Schleswig Liste (Adelung 1775), pomm.
und mark. Instmann (bei Frisch 1741). Ge-
kürzt aus nd. insete, das dem mhd. inscege
«Insasse» (s. d.) entspricht.
Inster, n. {-s, PI. wie Sg.): das eßbare
Eingeweide eines geschlachteten Tieres. Ost-
md. und niederd., 1544 in Leipziger Stadt-
ordn. G 1% mnd. inster n., Nebenform ( inster
n. bei Duez 1664 und Rädlein 1711; dazu
Unster n, «der Magen (Wanst) der Wieder-
käuer» (1598 bei Hutter diction. hai'mon. 594),
anord. istr n. «Fett», istra f. «Fetthülle der
Eingeweide», schwed.-dän. isfer «Flomen».
Dazu apreuß. instran «Schmer» (entlehnt?).
Wohl stammverwandt mit l.it. intestina, aind.
51»
931
Instinkt
interessant
932
antastjam n., lit. {sb'ös f. PI. «Eingeweide».,
denen ein Wort wie lat. i7itus, gr. ^vtöc
«innen» zugrunde liegt.
Instinkt, m. (-es, PI. -e): Naturtrieb.
Bei Wieland 11, 14 und Suppl. 2, 92, 1703
im Zeit.-Lex. Instinctu. Aus lat. instinctus m.
«Antrieb», zu instinguere «anreizen, antreiben».
Institut, n. (-S, PI. -e): Anstalt, Stiftung
(Lessing 10, 259). 1571 bei Rot Institut,
«Fürnemen, Weiß, form und regel», 1494
bei Brant Narr. 76, 67 institiit «Justinians
Institutionen», aus lat. institütum n. «Einricb-
tuncr», von instituere «hinstellen, einrichten».
instruieren, v.: einrichten, mit Verhal-
tungsbefehlen versehen ; unterrichten, belehren .
In diesen Bed. 1571 bei Rot instruirn, aus
lat. instruere. Instruktion, f. (PI. -e%):
Belehrung, Anweisung; Vollmacht, Vorbe-
reitung einer Rechtssache zum Richter spruch.
In der 1. Bed. 1497 bei Janssen Prankf.
Reichskorr. 2, 625 und bei Luther 2, 181 '^
Instruction, aus lat, instructio f.
Instrument, n. (-s, PI. -e): Werkzeug;
Tonwerk; Urkunde. Aus lat. instrümentum n.
«Werkzeug, Gerät, Hilfsmittel» (von lat. in-
struere «aufschichten, einrichten»), entlehnt
schon 1383 mrhein. Instrument n. «Urkunde,
Beweisschrift» (Weist. 1, 544), in der Bed.
«Werkzeug» 1561 bei Maaler, «Sprachwerk-
zeug» um 1522 bei Ickelsamer 13, «Tonwerk-
zeug» 1575 bei Fischart Garg. 453. Instru-
mentalis, m.: Fall (Kasus) auf die Frage
wodurch? womit? (vgl. desto, indem, wie).
Insubordination, f. : Ungehorsam gegen
den Vorgesetzten (bes. den militärischen). 1813
bei Campe aus gleichbed. franz. insubordina-
tion f., gebildet aus in «un», suh «unter»
und lat. ordo «Ordnung».
Insulaner, m. (-s, PI. wie Sg.): Insel-
bewohner. 1801 bei Campe. Aus gleichbed.
lat. insuldnus m., von insula f. «Insel».
Insult, m. (-S, PI. -e): beleidigender
Anfall, Beleidigung. Bei Goethe 6, 212, aus
mldit. insultus m. «Anfall», insultieren, V.:
übermütig beleidigend anfallen. Bei Schiller
8,146,17, aus laA.insultäre «an etwas springen»,
dann «an jem. seinen Mutwillen üben», zu
lat. insilire «auf etwas springen, es anfallen».
Insurgent, m. {-en, PI. -en): Aufstän-
discher, Aufrührer. 1791 bei Roth, anders
1775 bei Adelung in der Bed. «ungarischer
Miliz-, Landwehrsoldat, durch Aufgebot ein-
berufen», aber schon 1710 bei Nehring in-
surgieren «erheben, empören». Aus lat. in-
surgeyis, Part. Präs. von insurgere «sich er-
heben, aufstehen», dann «sich empören».
intelligent, adj.: einsichtsvoll. 1801 bei
Campe, aus lat. intelligens, Part. Präs. von
intelligere «inne werden, einsehen». Intelli-
genz, f. (PI. -en)\ die Einsicht, 1571 bei
Rot Intelligentz, aus lat. intelligentia f. ZUS.
Intelligeuzblatt, n.: öffentliches A.nzeige-
blatt, Wochenblatt, aus engl, intelligence, nach
the Office of intelligence «Intelligenzkontor»
(Nachrichtszimmer), deren erstes 1637 von
John Inn3's zu London errichtet wurde (Beck-
mann Beitr. z. Gesch. der Erfindungen 2, 237).
Intendant, m. {-en, PI. -en): Oberauf-
seher. 1703 im Zeit.-Lex., aus franz. inten-
dant m., zu lat. intendere «ausspannen, seine
Geisteskräfte, seine Aufmerksamkeit worauf
richten, worauf achten». Intention, f. (PI.
-en): Absicht, Vorhaben, 1571 bei Rot, aus
lat. intentio f., von lat. intendere.
Interdikt, n. {-s, PI. -e): Untersagungs-
befehl, Untersagang; (kirchlich) der große
Kirchenbann (1717 bei Nehring). In der
1, Bed. 1571 bei Rot, aus lat. interdictum n.,
von interdicere «untersagen, verbieten».
interessant, adj.: wichtig, anziehend,
einnehmend. In der 2. Hälfte des 18. Jh.
(1778 bei Hermes Soph. 1, 11 und bei Goethe
Briefe 2, 15) aus gleichbed. franz. interessant,
eig. ,Part. Präs. von interesser (s. d. folg.).
Interesse, n. (-s, PI. -n): Verwebtsein in
eine Sache, Teilnahme für dieselbe; Beziehung;
Reiz; Vorteil, Eigennutz; (PI. Interessen)
Zinsen eines Kapitals. Aus lat. interesse
«für jem, von Wichtigkeit oder Reiz sein»,
eig. «dazwischen sein» {inter «zwischen»,
esse «sein»), schon spätmhd. im 15. Jh. in
die deutsche Rechtssprache entlehnt inter-
esse n. «der durch Versäumnis oder Arbeits-
unfähigkeit eines andern entgangne Vorteil
und Nutzen», 1512 in Reichsordn. 83^ «An-
teil», im 16. Jh. auch «Vorteil, Eigennutz»
(nach Rot 1571 schon zur Zeit Kaiser Maxi-
milians I., im Beyrischen Krieg 1505, aufge-
kommen), sowie «Zins von ausgeliehenem
Kapital» (bei Luther W. 6, 50), endlich seit
der Mitte des 18. Jh. «Anteilnehmung, Wohl-
gefallen» (bei Kant 7, 44 H.), «Anteilnahme,
bewirkender Reiz» (Leisewitz Jul. v. Tarent
1, 1). Interessent, m. {-en, PI. -en): An-
teil an einer Sache Habender, 1710 bei Nehring.
interessieren, v.: wofür Teilnahme erre-
gen, einnehmen, jem. anziehen, reizen, 1663
bei Schupp 593 und 1714 bei WächÜer, aus
933
interimistisch
inTestieren
934
franz. interesser «von Wichtigkeit sein, zin-
Teilnahme erwecken, anziehen», von lat. In-
teresse (s. interessant); 1710 bei Xehi-ing auch
interessiren «verzinsen». Davon interessiert
sein: beteiligt sein (1654 bei Abele Gerichts-
händel 259); eigennützig, selbstsüchtig sein
(1703 im Zeit.-Lex.). Interessenpolitik, f.,
Schlagwort seit etwa 1830. Vgl. Ladendorf.
interimistisch, adj.: einstweilig. 1791
bei Eoth, von lat. interini «unterdessen».
Interjektion, f. (Pl.-en): Empfindungs-
wort, -laut. 1536 bei Witzel Annotationes
2, 41^ Interjection, aus gleichbed. lat. inter-
jectio f., eig. «Zwischenwort, Z\\'ischenwuri'»,
von interjicere «zwäschenwerfen».
Intermezzo, n. (-.s, PI, -s): Zwischen-
vorstellung, Zwischenspiel. 1775 bei Adelung
und 1771 bei Wieland Amadis 147. Aus
gleichbed. _ital. intermezzo, urspr. Adj., von
lat. infermedius «dazwischen in der Mitte
befindlich».
international, adj. : z^\4schen den Völkern
geltend. Aus lat. inter- «zwischen, unter»
und national. Internatiouäle,f.: Abkürzung
für den am 28. Sept. 1864 in London gegi-ün-
deten internationalen Arbeiterbund (The Wor-
king men's international association). Seitdem
Schlagwort die rote Internationale «Sozial-
demokratie», die sclavarze T. «die Jesuiten»
(1873), die goldene I. (1874) «jüdische Hoch-
finanz». Vgl. Ladendorf
interpellieren, v.: ins Wort fallen; Ein-
spruchtun; Aufschluß fordexTi. Li der 1. und
2. Bed. 1571 bei Rot, aus lat. interpelläre
«dawischenreden, anreden». Interpellation,
f., bei liot 1571, aus lat. interpellätio f.
interpretieren, v.: den Mittler und Aus-
leger machen, dolmetschen, auslegen, erklären.
1571 bei Rot, schon im 13. Jh. md. inter-
pretieren, aus gleichbed. lat. interpretäri, von
lat. intopres m. «Zwischensprecher, iLttler,
Ausleger, Dolmetscher». Interpretation, f.,
bei Rot 1571, aus lat. interpretätio f.
interpnnktieren, v.: mit Unterschei-
dungszeichen versehen. Bei Lessing (1850)
5, 85. Von lat. inte>punctus, dem Part. Perf.
Pass. von interpungere «einen Punkt zwischen-
setzen, durch ihn abteilen». Interpunktion,
f. (PI. -ew) : Satzzeichnung. Bei Lessing 4, 36
Lachm., aus lat. interpunctio f. «Zwischen-
setzung eines Punktes».
Interrogativ, n. (-s, PI. -e): fragendes
Fürwort. Von spätlat.twferro^afwMS« fragend»,
zu lat. interrögäre «fragen».
Intervention, f : Vermittlung, Einspruch.
Über franz. intervention f. aus gleichbed. lat.
intei'-ventio, eig. «Dazwischenkunft» von inter
«zwischen» und ventio von venire «kommen».
Aus der Gerichtssprache. 1703 im Zeit.-Lex.
Interview (spr. -icju), f. (PI. -s): Zu-
sammenkunft; n. (Gen. -s, PI. -s): Befragung,
bes. durch einen Joui-nahsten. Aus engl.
infervieiv «Zusammenkunft, Unterredung».
Xach 1870 entlehnt.
intim, adj.: innig vertraut. 1791 bei Roth,
dagegen bei Wächtler 1714 und Ludwig 1716
noch intimus, aus gleichbed. lat. intimus
(eig. innerster), franz. intime.
intolerant, adj.: unduldsam gegen Anders-
denkende. Bei Goethe 40, 275, aus lat. into-
lerans. Intoleranz, f., bei Goethe ebd.,
aus lat. intolerantia f.
intonieren, v.: anstimmen. 1571 bei Rot,
im mrhein. Voc. ex quo 1469 intoneren, aus
lat. intonäre «ertönen».
[ intransitiv, s. transitiv.
Intrigant, m. {-en, PI. -en) -. Ränkeschmied.
Über franz. intrigant aus ital. intrigante, dem
Part. Präs. des lat. Verbs intricäre (s. u.).
1728 bei Sperander. intrigieren, v.: (einen
Handel) verwickeln, Ränke schmieden. 1791
bei Roth. Aus gleichbed. franz. intriguer,
von lat. intricäre «verwickeln, verwirren».
Intrige, bayr.-öster. auch Intrigue, f.
(PI. -w): Listgewebe, Ränke. 1703 im Zeit.-Lex.
«verwirrete Händel», 1711 bei Rädlein der
PI. Intricken. Aus fi-anz. intrigue f. «Knoten-
schürzung einer Handlung, heimlicher An-
schlag oder Schlich, geheimer Liebeshandel»,
gebildet aus dem Zeitwort intHguer.
invalid, adj.: untauglich, dienstunfähig.
1714 bei Wächtler, aus gleichbed. franz. in-
valide, lat. invalidus. Als Substantiv Inva-
lide, m. (-n, PI. -w): dienstunfähig Gewordner.
1728 bei Sperander.
Inventar, n. (-s, PI. -e): Von-atsver-
zeichnis, Verzeichnis der Habe, Vorrat. 1509
bei Brant Layensp. D 3 und 1571 bei Rot
Invoitari n., aus lat. inventärium n. «Ver-
zeichnis», zu lat. invemre «finden, geschrieben
finden». Inventur, f.: das Aufiiehmen des
Vermögensverzeichnisses, 1571 bei Rot, aus
mlat. inventüra f.
investieren, v.: mit dem Zeichen der
Amtswürde feierüch bekleiden. Mhd. im
14. Jh. investieren, aus lat. investire «ein-
kleiden», von vestlre «bekleiden», vestis f.
«Kleid». Investitur, f. (PI. -ew): feierliche
59*
935
invitiereii
irr
936
Einsetzung in eine Würde, Belehnung mit
derselben, mhd. im 14. Jb. investitür f., aus
mlat. investitüra f.
invitiereii, v.: höflieb auffordern, ein-
laden. 1703 im Zeit.-Lex. aus gleichbed. lat.
invitdre.
iliwärtig, adj.: innerlich, im Innern
wohnend. Mlid. inwertec, ahd. inwartig, in-
wertig, Adv. inwarügo, eine Ableitung vom
mhd, Adj. inwart und imverte, ahd. inwart
und imvarti, inwerti «inwendig, innerlich»,
dessen Gen. Sg. adverbial steht, nhd. inwärts,
mhd. imvertes, s. eimvärts.
iuweildig", adj.: Gegensatz von auswendig
(s. d.). Mhd. innewendig, inivendic, auch Adv.
und dann im 14. Jh. Präp. mit Gen. oder Dat.
«innerhalb, binnen».
inwiefern, konj., gebildet wie insofern,
im 18. Jh. (Goethe an Schiller 1, 87), älter
wiefern (s. d.). inwieweit, konj., gebildet
wie insoweit, im 18. Jh.
inwohneu, v.: einwohnen, bei Goethe 36,
150. Inwoliuer, m.: Einwohner (Thümmel
Reise 9, 151), mhd. inne-, inwoner m. und
inwonerinne f.
Inzicht, f. (PI. -en): An-, Beschuldigung.
Mhd. und ahd. inziht f., von zeihen (s. d.).
Im Nhd. der oberd. Geiichtssprache eigen,
in die allgemeine Schriftsprache aber wieder
gegen Ende des 18. Jh. eingeführt.
Inzucht, f.: einheimische, ungemischte
Zucht, im Gegensatz zur Rassenkreuzung.
Eine Neubildung des 19. Jh.
inzwischen, adv.: während der Zeit (md.
im 14. Jh. inziv ischin); dann konj.: während
der Zeit daß (Goethe 24, 288). Mhd. in-,
enzwischen, ahd. inzioischen, in zwisken als
lokales Adv. «dazwischen», dann Präp. mit
Dat. (s. zwischen).
Iper, f. (PI. -n): die kleinblättrige Ulme,
TTlmus sativa. Mhd. iper, nach franz. ipreau,
ypreau m., span. olmo de Ipre «Ulme von
Ypern», einer Stadt in Westflandern.
irden, adj.: aus Erde bestehend oder ge-
macht. Mhd. und ahd. irdin, erdin, dazu
got. airpeins «irden», auch «irdisch» (wie
ahd. und nhd. noch im 17. Jh.). Abgeleitet
von Erde (s. d.), wie irdisch, adj.: der
Erde angehörig, mhd. irdisch, irdesch, irsch,
neben irdenisch, irdensch, ahd. irdisc, irdisg.
irgend, adv.: an einem (unbestimmten)
Orte, zu einer (unbestimmten) Zeit, in einem
(einzelnen nicht näher bezeichneten) Vei-hält-
nisse. Bei Luther irgend und irgent, lulid.
iergen, dann im 13. Jh. auch irgen und mit
angetretnein t iergent, irgent, md. irgin, auch
zsgez. ieren, spätahd. bereits iergen, ahd. io
wergin (Otfrid 4, 31, 15), eine Verbindung
von ahd. io (s. je) und ivergin «an einem
unbestimmten Orte», entsprechend asächs,
hivergin, hwargin, ags. hwergen (aber negativ
auord. hvergi «an keinem Orte, nirgends»),
aus asächs. -ags.-anord.-got. hwar «wo» und
der Indefinitpai'tikel -gin «irgend», die dem
got. -hun, aind. -cana entspricht. Vgl. nirgend.
Ironie, f. (PI. -n) : (absichtlich unter dem
Gegenteile) versteckter Spott. Bei Rabener
Sat. 1, 91 und Lessing 4, 196, aber bei Wächtler
1714 noch Ironia. Aus gleichbed. franz.
ironie f., von gr.-lat. ironia, gr. eipaiveia f.
«Verstellung im Reden, bes. zum Necken und
Beschämen», von gr. el'pujv m. «der sich in
der Rede Verstellende», iroilisch, adj.: ver-
steckt spottend, nach dem lat. Adv. irönice
und gr. Adj. eipuuviKÖc.
irr, irre, adj.: von dem rechten Wege
abgekommen (eigentlich und bildlich); ge-
störten Verstandes seiend; unsicher ob recht
oder nicht. Mhd. irre, md. erre, er, ahd. irre
(auch erzürnt); dazu asächs. irri «zornig, er-
bittert», ebenso afries. ire, ags. irre, yrre, eorre
«erzürnt, verwirrt», got. airzeis «irre, verführt».
Davon Irre, f., mhd. irre, md. erre f.; dazu
cfot. 'airzei f. «Verführungr, Irrlehre». Urver-
wandt mit lat. erräre «irren», error m. «Irr-
tum», irasjäti «er zürnt, ist übelgesinnt».
irren, v.: l) tr. irre machen, mhd. irreti,
md. auch erren, ahd. irran; dazu asächs.
irrian «zerstören», mnd. erren «irre, zornig
machen», got. airzjan «irre führen, verführen,
betrügen»; 2) intr. irre sein oder werden,
mhd. irren, md. auch erren, ahd. irreon, irrön.
irrig, adj., mhd. wrec, mu^.errich. Irrsal,
u. (-s): VerÜTung, Irrfahrt; Irrung, Störung,
VerwiiTung. Mhd. irresal, irrsal m. f. n.
«Irrung, Hindernis, Schaden». Irrtum, m.
(-S, PI. Irrtümer), mhd. irretuom, md. irre-,
erretUm, ahd. irri-, irraiuoni m. «das Irren»,
bes. in Glaubenssachen, im Mhd. auch «Zwi-
stigkeit». Der PI. im 17. Jh. bei Moscherosch
Phil. 1, 200 und Schupp 427 Irrthume, bei
Logau 2, 103 Irrtümer. Irruug, f. (PI. -en):
das Abirren; Störung, Hemmung, Zwist,
Zerwürfnis. Mhd. irrungv, irrung f., auch
«Glaubensirrtifm, Ketzerei». ZUS. Irren-
haus, n., 1791 bei Roth. Irrfahrt, f.,
mhd. irrevart f. Irrgang, m., mhd. irre-
gauc m. «irrer, zielloser Gang», im 15. Jh.
937
irrelevant
ja
938
«Labyrinth» (Diefenb. gl. 314^). Irrgarten,
m., 1575 bei Fischart Garg. 450 und 1547
bei Schmeltzl Lobspr. der Stat Wien 96.
Irrgeist, m., bei Luther Micha 2, 11 Irre-
geist. Irrglaube, m., bei Kant 6, 16 H.;
irrgläubig, adj., bei Gottsched 1744 und
Lessing 5, 27. Irrlehre, f., 1663 bei Schotte!
456; Irrlehrer, m., 1775 bei Adelung. Irr-
licht, n. {-es, PI. -er), 1629 bei Opitz 1, 81
Irrliecht Irrsinn, m., 1663 bei Schottel 456.
Irrstern, m.: Komet, mhd. irrestern m.
Irrweg, m., im 15. Jh. irrewec, irriveg,
mnd, erreivech (Diefenbach gl. 178^). Irr-
wisch, m. (-es, PI. -e): IiTÜcht, bei Luther
4, 335'' Irrewisch und 5, 521^ Wisch, 1540
beiAlberus dict. r2'' Imvisch, zgs. mit Wisch
(1414 wei/sch und sonst im 15. Jh. tvysche, wisse
m. «leuchtende Fackel» (Diefenb. gl. 228'').
irrelevant, adj.; unerheblich. Aus einem
neulat. irrelevans, zgs. aus ir (für in- «un»)
und dem Pai't. Präs. von lat. releväre «auf-
heben». 1728 bei Sperander.
irreligiös, adj.,- nicht der Religion ge-
mäß, ungläubig, gottlos, aus lat. irreligiösus.
1791 bei Roth. Irreligiosität, f.: Religions-
verachtung, Gottlosigkeit, aus kirchlich-lat.
irreligiositas f.
irritieren, v.: erregen, reizen, ablenken.
1703 im Zeit.-Lex., aus lat. irrltäre «anregen,
zum Zorne reizen».
isaböll, adj.: schmutzig gelb, gefblichweiß,
blaßgelb. 1685 im Farbebüchlein ^2,^ Isabel-
Farbe. Aus dem gleichbed. franz. Adj. isabelle
(seit 17. Jh.), das aus irgendeiner Veranlas-
sung von dem Frauennamen Isabella stammt,
nach einer Sage von der Erzherzogin Isabella,
Tochter Philipps II, die als Regentin der
Niedei'lande bei der Belagerung von Ostende
(1601-1604) das Gelübde getan haben soll,
erst mit Eroberung der Stadt durch ihi-en
Gemahl ihr Hemd zu wechseln, von dessen
angenommner Farbe dann das Adjektiv.
Isab^lla, Fi-auenname, aus span. Isabel,
afranz. Ysabel, später franz. Isabeau, mit An-
knüpfung an span. bello (Fem. bella), franz.
bei, beaii «schön» entlehnt aus hebr. Isebel,
dem Namen der aus Sidon stammenden Ge-
mahlin des Königs Ahab.
-isch, Herkunft ausdrückende Ableitungs-
silbe zahlreicher Adjektive, mitunter mit dem
Begritf des Verächtlichen, Tadelhaften. Mhd.
-esch, isch-, ahd.-asächs.-ags. -isc, anoi'd. -sk,
got. -isk.
Isegrim, m. (-s, PI. -e): der Name des
Wolfes im deutschen Tierepos; wölfischer,
grausamer, dann höchst mürrischer Mensch
(in Mitteldeutschland, 1734 bei Steinbach
Eisengrimm «ein verdrüßlicher Mensch»). In
der 1. Bed. mhd. Isengrin, tsengrim, ahd.
tsangrim, urspr. «Eisenhelm», zsg. aus ahd.
isan «Eisen» (s. d.) und einer verwandten
Bildung von ags. grima m. «Helm, Visier,
Maske», anord. grfma f. «Maske, Helm».
Isidor, Mannsname aus gr.-lat. Isidorus,
gr. 'Icibuupoc «Gabe der Isis» (der ägyptischen
Göttin). Vgl. Theodor.
Islam, m. (Gen. -es und wie Nom.):
Mohammedanismus. Aus arab. isläm «Hin-
gabe an Gott».
iso-, häufig in Zusammensetzungen, aus
gr. koc «gleich». Erst im 19. Jh.
isolieren, V.: vereinzeln, einzeln absondern.
Bei Goethe Faust 4033, aus franz. isoler, und
dies von ital. isolare, von ital. isola, mlat. isula,
lat. insula f. «Insel» (s. d.). Bei Lessing 7, 395
insulirt für isoliert. Davon Isolierung, f.
Isop, s. Ysoj).
item, adv.: ingleichen, ferner. Schon im
14. Jh., jetzt als altfränkisch geltend. Aus
lat. item.
itzo, itzt, s. jetzt.
ja, Adv. und Interj. der Bestätigung. Mhd.
und ahd. ja, mhd. verstärkt ja m, jana; dazu
asächs. ja, ndl. ja, afries. ge, je, ags. ta und
gea, eine erweiterte abläutende Form in giese
(aus ge-swä «ja so»), engl, yea und ijes, anord.
ja, schwed.-dän. ja, got. ja und jai. Wahr-
scheinlich urverwandt mit gr, f) «wahrlich,
fürwahr» vmd vielleicht zum idg. Stamm jo
«der» gehörig. Vgl, noch Btr. 30, 295. Aus
dem Deutschen entlehnt lit. ja. Das be-
kräftigende ja ivohl schon mhd, jo wol. Sub-
stantivisch Ja, n., mhd. ja n., got. ßata ja
(2. Kor, 1, 20). ZUS. Jabruder, m.: ge-
sinnungsloser Zustimmer, mnd. l-iil jabroder,
ähnUch mhd. jäherre m. «der zu allem ja,
herre! sagt». Noch bei Goethe 45, 17 Jaherr.
939
jach
jäh
940
Beide ins Dänische entlehnt. JawOrt, n.,
(-es, PI. -e): feste Zusage durch ja! Bei
Luther, mnd. (1301) Jawort n.
jach, adv.: in größter Geschwindigkeit,
plötzlich, heftig. Mit kurzem a, aus mhd.
gäch «plötzlich, unversehens», dem adverbial
stehenden endungslosen starken Akk. Sg. des
Adj. gäch (s. jäh). Ältenihd. als Adj., bei
bei Luther 3, 531 '^ jach, um 1480 im Voc.
ine. teut. m4* jach, auch bei Kant 5, 235 H.
jachern, v. : wild, ausgelassen, umher-
laufen, lärmen, schreien. Nordostdeutsch, bei
Adelimg 1775 und Hermes Söph. 3, 275, neben
hess. jackern, mnd.-nnd. jachtern. Das ein-
fache Verbum ist ostmd.jäc/te/i «umherjagen»
Yonjage7i, 1691 bei Stieler, jechen bei Luther,
im 15. ^\i. jachen, jechen, mhd. jauchen, jouchen,
Jochen, jöchen (Prät. auch jachtejegte) «jagen,
treiben».
Jacht, f. (PI. -en): Schnellschiff. 1703 im
Zeit.-Lex. Jacht, 1602 bei Hulsius Schiff. 2, 7
und bei Duez 1664 Jagt f., 1596 bei Fron-
sperger Kriegsb, 1, 128^ der PI. Jagten, 8,
125^ Jachten, 1598 bei Hulsius 1, 20 Jagt-
schiff. Aus gleichbed. näl. jaghte, jaght (1598
bei Kilian), woher auch engl, yacht (seit etwa
1660). Von jagen (s. d. und Jagd). Dafür
im 15. u. 16. Jh. Ja^sc/w/f (Diefenb. -Wülck er
679 und 1541 bei Frisius 150 '^), mnd. jageschi}).
jachtern, s. jachem.
Jacke, f. (PI. -n) : anHegendes Ärmelkleid
bis an die Hüften. Im 15. Jh. jacke (1417
bei Diefenb. nov. gl. 136* tacke) «wattierter
Waffenrock», ebenso mnd. und 1477 clevisch
jacke f. Mit g bei Diefenbach gl. 183'' ein
gacken, 1517 bei Ti'ochus M5'^ ein gacke.
Aus afranz. (14. Jh.) jacque, nfranz. jaqiie f.,
span. jaco, ital. giaco m. «Panzerhemd, kurzer
Oben-ock der Kriegsleute», angeblich (nach
Ducange) benannt nach dem Häuptling Jaque
von Beauvais (um 1358), was aber sehr
zweifelhaft ist. Jackött, (spr. zak-) m.
(-S, PI. -s), aus franz. jaquette f., einer Ab-
leitung von jaque. Neure Entlehnung.
j ackern, s. jachem.
Jagd, f. (PI. -en): Jagen zu Fang oder
Tötung; Recht dazu; dauerndes lärmend eiliges
Tun und Treiben. Älternhd. Jagt (noch 1716
bei Ludwig), bei Luther Jaget f., mhd. jaget,
jagt, jeit (Gen. jeides) n., selten m., md. jaget f.,
woneben mhd. jagät f. «Verfolgung des Fein-
des»; dazu mnd. jacht f., mndl. jaght. Von
jagen (s. d.). ABL. jagdbar, adj., bei
Grimmeishausen Simpl. 3, 167, 29 Kz. jagt-
bar, dafür mhd. jagehcere. ZUS. Jagdhund,
m., mhd. jagethnnt, häufiger jagehunt, ahd.
jagahunt. Jagdspieß, m. spätmhd. jaget-
spieß, älter jagespie^.
jagen, v.: geschwind sich vorwärts be-
wegen, bes. zu Fang oder Tötung verfolgen;
schnell antreiben. Mhd. jagen, ahd. jagön;
dazu mnd. jagen, mndl. jaghen, afries. jagia
«jagen», anord. jaga «treiben». Bisweilen in
die starke Flexion übergetreten: Präs. er jagt
(1663 bei Schottel 588, Göckingk Ged. 3, 165,
Withof acad. Ged. 1, 230), Prät. jug (Schottel,
Göckingk 2, 34, Platen Liga v. Cambrai 3. Akt),
nd. jög, mndl. und nndl. joeg, Konj. jügen
(Ringwaldt 1. Warb. 334), Part, gejagen (1519
bei Murner Geuchmatt 4963). Verwandtschaft
mit gr. bidjKeiv «verfolgen» ist kaum möglich.
Dagegen läßt sich vergleichen aind._ya/t'?s «rast-
los», gr. ixaväv bei Hesych «^TnOuiueTv», oder
mit Schwebeablaut gr. o'i'xecBai «weggehen».
Davon Jäger, m., mhd. jegere, jeger, Jäger,
ahd. jagari, jagere, jagir m. ; dazu mnd. jeger,
mndl. jagher; Jägerin, f., mhd. jegerinne;
Jägerei, f., mhd. jegerie, mndl. jagherije f.
ZUS. Jägerhursche, m., 1691 bei Stieler.
Jägerhaus, n., ebd. Jägerlatein, n., s.
Latein. Jägermeister, m., mhd. jeger meisten:
Jägersmann, m., 1580 bei Sebiz Feldb. 564.
jäh, adj.: ungestüm schnell; in hohem
Grade abschüssig. Bei Luther jech, bei Duez
1664 und Krämer jäh und gäh, bei Henisch
1616 gäh, bei Dasypodius 1537 und Maaler
1561 gäch, mhd. gmhe, md. gehe, ahd. gähi
(im Adv, mhd. gäch, ahd. gäho); dazu asächs.
adv. gähun, gähliko «schnell», mnd. gä, göge,
göje, mndl. gai/. Ob daraus franz. gai, ital.
gajo, aspan. gatjo «munter, lebhaft» entlehnt
sind, ist sehr fraglich. ABL. Jähe, f.,
mhd. gcehe, md. gehe, ahd. gähi f. «Schnelle,
Eile, Ungestüm», dann im Md. «abschüssiger
Abhang», jähling, adv., mhd. gcehelingen,
bei Keisersberg geheling, 1537 bei Dasypodius
gächling, 1538 bei Serranus gehling, noch' bei
Goethe 29, 117 gähling, mndl. gälinghe, dafür
ahd. gähingun, noch bayr. gähing. Seit dem
16. Jh. auch als Adj. (bei Dasjqjodius und
Serranus), bei Schweinichen 1, 348 jähling;
dazu das Adv. jählings, 1616 bei Henisch
gählings. ZUS. Jähzorn, m., im 15. Jh.
gechczorn, gochczorn, 1616 bei Henisch Gäch-
zorn, 1664 bei Duez Jäh- und Gähzorn, bei
Luther 1, 77^ Eisl. und bei Canitz 110 Jach-
zorn, jähzornig, adj., mhd. im 14. Jh.
gcechzornig, bei H. Sachs Fastn, 31, 253 geh-
941
Jahn
Jammer
942
zornig, bei Duez 1664 jähzornig, bei Hermes
Soph. 1, 355 jachzornig. S. gähstotzig.
Jahn, m. (-es, PI. -e): Eeihe gemähten
Grases oder Getreides, der gerade Strich
oder Gang, den der Feldarbeiter beim Mähen
des Getreides oder Heues einhält. Ober-
deutsch, hessisch und thüi-ingisch, im 15. Jh.
Jan (Weist. 1, 825). Femer wird der Wein-
berg in Jahne (Streifen) abgeteilt und jahii-
weise gedüngt, im Forstwesen ist Jahn oder
John «eine Reihe abgehaunes aufeinanderge-
legtes Buschwerk», zu Ende des 15. Jh. thüring.
jhon m. «Reihe, Schlag, Holz» (Michelsen
Mainzer Hof 31). Mhd. jn«m. «Eeihe gleicher
Reime», im 15. Jh. vom Gesang der Vögel
(Hätzlerin S. 24^, 47), und schon in einer
Urkunde des langobard. Herzogs Arichis von
Benevent von 774 (bei Ughelli Italia sacra
8,. 35 A), mlat. janus m. «Bezirk», aschwed. an.
Die urspr.'Bed. ist «Gang», wie noch Schweiz.
es geht in einem .Jan, und es entspricht daher
aind. Janas m. «Bahn», jänam n. «Gang», Ab-
leitung von dem Verb.aind.jä «gehen, fahren»,
wozu auch lat. jäniia f. «Tür» u. a. Vgl.
Schade Altdeutsches WB.
Jahr, n. {-es, PI. -e): Umlaufszeit der
Erde, sowie überhaupt eines Planeten um
die Sonne (Sonnenjahr\ oder z. B. bei der
Erde zwölfmalige Ümlaufszeit des Mondes
um diese (Mondjahr). Mhd. und ahd. jV?r n.;
dazu asächs. jär, ger, afries. jer, ger, jär.
mndl. jaer, nndl. jaar, ags. gear (auch Fiüh-
üng), engl. 7jear, anord. är, schwed. är, dän.
aar, got. jer n. Urverwandt mit abg. jarn m.
und jara f. «Frähling», gr. uupa f. «Jahres-
zeit, Blütezeit», iLpoc m. «Jahr», awest. jär-
n. «Jahr». Daneben got. apn n. und atapni
n. «Jahr», verwandt mit gleichbed. hit.annus m.
RA. jahraus jahrein, 1641 bei Schottel 349.
.fahr und Tag, alte Rechtsformel, vgl. Glimm
Rechtsaltertümer 222, schon mhd. imd mnd.
«ein Jahr, sechs Wochen (und 3 Tage)».
ABL. jähren, v. refl.: gerade ein Jahr her
sein, 1678 bei Krämer, aber mhd. jcBreti. jären
refl. «zu seinen Jahren kommen, mündig wer-
den», jährig^, adi., mhd. jnrec. jceric, md.
jeric, ahd. järig. jährlieh, adj., mhd. jcer-
lich, ahd. järlih. Jährlinü^, m.: junges Tier,
das ins zweite Jahr geht, im 15. Jh. jarling,
jerling (Diefenbach gl. 36 a<^). ZUS. 1) mit
Jahr-: Jahrbneh, n., 1642 bei Duez. Jahr-
gang, m., mhd. järganc und järcs ganr.
Jahrhnudert, n., 1663 bei Schottel 411^
aus Sigm. v. Birkens Schiiften. Vgl. Feld-
mann ZfdW. 5, 230. Jahrmarkt, m., mhd.
järmarket m., and. iarmarkat. Jahrtansend,
n., 1751 bei Liares Lob- und Ehrenpredig,
getadelt 1755 von Dornbltith 183, dann 1760
bei Klopstock Mess. 2, 4. Jahrzahl, f., mhd.
järzal f. Jahrzehnt, n., 1782 bei Schüler
2, 340 .Tahrzehend. — 2) mit JrtÄres-: Jahres-
tag, m.: der nach Verlauf eines Jahres wie-
derkehi-ende Tag, bei Luther .Jarstog, mhd.
järtac, and. gerasdag m. (aber järstac m.
«Xeujahi-stag»). Jahreszeit, f. : (vierter) Teil
des Jahi-es nach der Witterung, 1664 bei Duez
Jahrszeit, dagegen mhd, järzit f. «Jahrestag».
Jähzorn, s. jäh.
Jakob, Mannsname, aus hebr. jaäqöb,
dessen Bedeutung schwer festzustellen ist.
Dazu die Koseform .Jäckel. im 16. Jh. zui*
Bezeichnung der Bauern Fischart Garg. 73
.Jäkel), auch verächtlich für einen dummen
Menschen gebraucht (1562 bei Mathesius Sar.
74^ Jekel). Davon Jakobiner, seit den
90 er Jahren des 18. Jh. Schlagwort für
radikale Eiferer, nach der Bezeichnung der
berächtigten französischen Revolutionspartei.
Vgl. Ladendorf.
Jalonsie (spr. zalüsi), f. (PI. -n): aus
bewegHchen Brettchen zusammengesetzter
Fensterladen. 1775 bei Adelung. Aus gleich-
bed. franz. Jalousie f., eig. «Eifersucht, Miß-
gunst». Vgl. 1710 bei Xehring: «in dem
Divan zu Constantinopel über dem Haupt
des Großveziers ist ein Fenster nüt einem
eisernen Gitter, durch welches der Großsultan
alles was im Divan passiret sehen kan, welches
man la .Jalousie nennet».
Jambus, Jambe, m. (PI. .Jamben): der
Versfuß u ^, 1624 bei Opitz Poeterey 40
.Jambus, bei Goethe 30, 127 .Jambe m., aus
gr.-lat. iambus, gr. taußoc m. jambisch, adj.,
1582 bei Fischart Garg. 291, nach dem gr.-
lat. Adj. iambicus, gi: laußiKöc.
Jamm er, m.(-s): elend machendesSchmerz-
sefühl. Bei Luther Jamer, im 15. Jh.javimer.
mhd. jämer m. n., auch ohne j ämer, ahd.
jämar m. n., bei Notker ämer; dazu mnd.
jamer. jammer m. n., (entlehnt) afries. jämer.
Ursprünglich Adjektiv ahd. jämar. ämer «leid-
voll», asächs. jämar «elend», ags. geomoi'
«traurig, elend». Nach Soknsen KZ. 32, 147
urverwandt mit gr. rjuepoc «sanft, müd, zahm».
ABL. jämmerlich, adj., bei Luther ./emer-
lich, luhd. jämer-, jamerlich, ahd. jämar-,
nynarlich; dazu asächs. jamarlik, ags. geomor-
lic. Jämmerlichkeit, f., 1691 bei Stieler.
943
Janhagel
jauchzen
944
jammern, v., bei Luther janiern,^ mhd. j
'jämern (auch wich jämert), ahd. ämarön
(auch impers. in ämeröt) ; dazu mnd. jameren,
ags. geonirian. ZUS. Jammerbild, n., 1663
bei Schottel aus Luther. Jammermann,
m., bei Schiller Räuber 4, 5. Jammer-
schade, m., bei Wieland 11, 197, noch ge-
trennt bei Lichtenberg 1, 119 Jammer Schade,
gekürzt aus Jammer und Schade. Jammer-
tal, n., rahd. jämertal n. jammervoll, adj.,
1663 bei A. Gryphius 198.
Janhagel, m. (-s): das gemeine Volk, der
Pöbel. Bei Steinbach 1734 Janhagel, 1687
bei Hesse ostind. Reisebeschreib. 281 Jan
Haagel, als Spottname der norddeutschen
Bootsleute 1720 im Robinson 1, 422 Jan Hagel,
bei Bürger 193'"^ (Bohtz) ins Hochdeutsche
übertragen Johann Hagel.
Janitschär, m. (-en, PI. -en): türkischer
Soldat, ehemals Name der im J. 1826 auf-
gehobnen bevorrechteten Kriegerklasse. 1522
bei Diefenbach-Wülcker .fenizeri, bei Luther
Tischr. 427* Jenitzschker, 1568 bei Mathesius
Hist. Christi 2, 26* Geneschar, 1575 bei Fi-
schart Garg. 431 Janitschär und Großm. Pract.
71 (D 3^) Janitzer. Aus türk. jenitscheri
«neue Truppe» (die um 1330 unter dem
zweiten Osmanensultan Urchan geschaffen
worden ist).
janken, v.: winseln, vor Gier wimmern.
Ein nd. lautmalendes Wort, 1663 bei Schottel.
Mnd. und mndl. janken.
Janker, Janker, m. {-s, PI. wie Sg.):
Jacke. Bayr.-östr., 1670 bei Abele künstl.
Unordn. 1, 210 .Janker in., 1563 bei Mathe-
sius Hochzeitpr. 61, 33 Neudr. Jencker m.,
1567 bei Junius Nomencl.531''^ Janckermacher.
Dafür Schwab. .Tanke f. (1480 jenggen, Schweiz.
.ranken ra., 1561 bei Maaler .Tancken f. Viel-
leicht aus Jacke entstanden.
Jänner, m. (-s, PI. wie Sg.), aus Januar,
m. (-S, PI. -e): der erste Monat des Jahres.
Im 15. Jh. jenner, jänner, genner, im 18. Jh.
.Januar, aus lat. Jänuärius «der dem Gott
.Jäims heilige Monat». Von Karl d. Gr. wintar-
mänöth genannt; sonst heißt er auch vom
Froste md. im 14. Jh. hartmände m., noch
in Oberhessen Hartmonat Vgl. Hornung.
jappen, v.: den Mund aufsperren; dann
so lechzen, mühsam atmen. Bei Bürger 71^
(Bohtz), nd. und md. Form für obd. gappen
(Waldis Esop. 1, 4, 10), mnd. japcn. ja2)lJen,
1477 clevisch gapen «gähnen», ndl. gapen «den
Mund aufs]ierren» (s. gaffen).
Jäscht, m.: Gärschaum, s. Gäscht.
Jasmin, m. (-.s, PI. -e): der Zierstrauch
Jasminum fruticans und officinale mit wohl-
riechenden Blüten. 1580 bei Sebiz Feldb. 248
der Jaßmin oder Veielrehe, bei Hölty Jesmin,
bei Wieland Idris 3, 103 Schasiinn (nach franz.
Aussprache), im 17. Jh. bei Gryphius und
Laui'emberg Gelsemin. Aus span. jasmin.
franz. jasmin, ital. gesmino, gelsomino m., von
pers. (und dann arah.) jäsämln, jäsämün. Be-
reits gr. idcixY] f., iac|u^\aiov n., läcmvov iiiüpov
«ein wohh'iechendes persisches ()1».
Jaspis, m. (Gen. .Jaspisses, PI. .Jaspisse):
verschiedenfarbiger undurchsichtiger zum
Quarz gehöriger Halbedelstein. Mhd. jaspis.
im 14. Jh. jasp m., aus gr.-lat. iaspis f.,
von hebr. jäschepheh (schon assyr. aspü).
Jast, m. (-es, ohne PI.): hitzige Gemüts-
aufregung; ungestüme Eile. Oberdeutsch, 1650
bei Moscherosch Phil. 1, 436. Eig. Gärung,
wie noch Schweiz. -elsäss., von ahd. jesan
«gären» (s. d.).
jäten, V. : durch Ausziehen des Unkrautes
reinigen. Bei Luther geten, bei Comenius
1640 und Krämer 1678 jäten, mhd. jeten,
geten, ahd. jetaii, getan; dazu and. gedan, mnd.
geden, geiden, clevisch 1477 gheden. Abge-
leitet wohl davon ahd. getto m. «Lolch, Un-
kraut». Wohl zu awest.jaf- «sich rühren, tätig
sein», aind, ja täte «strebt, bemüht sich». Die
urspr. starke Flexion (Prät. mhd.^rt^, Part. ahd.
gigeten, mhd. ge jeten, noch obersächs. gegäten)
ist nhd. in die schwache übergegangen (1696
in Lokmans Fab. 15 Prät. getete^. Davon
Jäteisen, n. : eisernes Werkzeug zum .Jäten.
1482 im Voc. theut. p4^ jeteysen, mhd.. /ei-,
getisen, ahd, jet-, gettsarn, getisan, auch jat-
isarn. jatisan n.
Jauche, f. (PI. -n)-. durch Faulen er-
zeugte, verdorbne Flüssigkeit. 1420 md.jüche
«Brühe» (Schröers Vocab. Nr. 1383), bei Luther
6, 306 W. .Jüchen, 1598 bei Colerus Hausb.
2, 45 (F3='') .Jauche, 1562 bei Mathesius Sar.
176^ Mistgaiichen, im IS. Jh. bei Steinbach,
Frisch und Adelung Gauche; dazu mnd. juche f.
«Brühe, Sauce», clevisch lil7 jachen. jui/che(.
«Brühe». Aus dem Slavischen entlehnt, poln.
jucha f. «Brühe, Jauche», abg.-russ. jucha f.
«Brühe, Suppe», urverwandt mit apreuß. juse
«Fleischbrühe», lit. jiJse f. «Fischsuppe», lat.
iüs n., aind. jus- «Brühe».
jauchzen,' v.: Freudengeschrei erheben.
Bei Luther jauchzen, bei Abr. a. S. Clara
jaugetzen. jugetzen, mhd. jüchezen, abgeleitet
945
jaiileu
Jelängerjelieber
946
von der mhd, Interjektion jüch (s. juch), wie
rahd. (12. Jh.) jmven «einen Jubelgesang
singen» und jüwezimge f. «das Jubeln» vom
mhd. Jubelruf jü. Für weniger edel gilt
juchzen, 1507 bei Wilwolt v. Schaumb. 68
jurlizen, 1540 bei Alberus dict. Qq3^ und bei
H. Sachs 7Mc/if,?e«, 1571 bei lloilZ^ jncliitzen.
ABL. Jauchzer, m. : der Jauchzende (Luther
5,68*^ J.), dann ein einzelnes Jauchzen (Günther
838), wie Juchzer m. (im 16. Jh. Diefenbach
nov. gl. 223^ juchze-)-, 1562 bei Mathesius
Sai-. 20* Juchtzer, 1571 bei Kot Juchitzer).
jaulen, v.: heulen. Bei Voß Idyll 8, 125,
aufgenommen aus nd. jaulen, dazu engl, yoiül
«heulen, schreien». Wohl lautnachahmend.
Jause,f. (PI. -w) : Zwischenmahlzeit, Vesper.
Bayr.-öster. Aus %\o\\.jusina «Mittagessen»,
zu den unter Jauche behandelten Wörtern.
Jawort, s. ja.
^Je! d'en Namen Jesus durch Kürzung
versteckender Ausruf, in o Je, ach .Je. 1742
bei Rost Vorspiel 7 Ach Herr Je! S. Jemine.
-je, Adv., das fragend, zweifelnd, bei Be-
denklichkeit steht. Mitunter ja geschrieben,
Nebenform von ja (s. d.). Bei Luther Matth.
19, 25, Schiller Kab. 1, 2. Besonders steht
es seit der zweiten Hälfte des 17. Jh. in dem
formelhaften je nu, im 18. Jh. je nun. Viel-
fach meint Je den Ausruf J! (s. d.).
^je, adv.: zu jeder Zeit; zu einer Zeit;
dann bei zuteilender Zahl, z.B. je zwei; end-
lich Konjunktion des gleichmäßigen Verhält-
nisses, der Verhältnisgleichheit, in je — desto
(s. d.), je — je (mhd. ie — ie). Durch Ein-
wirkung des Niederdeutschen (schon mnd.
jo «immer*) ist ./ statt des urspr. i einge-
treten, bei Luther je, älternhd. ie, ye, je,
1691 bei Stieler ie und je, noch bei Wie-
land Oberon 3, 57 im Reim ie. Mhd. ie
«zu aller Zeit, immer» (auch bei Zahlen ie
ztoen und ziven), «zu irgendwelcher Zeit,
irgend einmal», md. auch i, ahd. io, eo «immer,
irgend einmal»; dazu asächs. eo, woneben
io, gio, ags. ä, anord. a?, ei «immer», schwed.
ej, dän. ei, aus eigi Negationspartikel, got.
aiw (in ni aitv «niemals»). Dieses aiw
ist der Akk. Sg. von got. aiws m. «Zeit»
(s. Ehe). Die Verwendung als Konjunktion
ging aus der Stellung des ahd. eo, ieo, io
beim Komparativ hervor, indem dieser mit
und wiederholt wurde (Notker Ps. 95, 2 daß
er ieo chundero unde chundero st). Die Ver-
bindung je und je «immer» (2. Mos. 4, 10),
«zuweilen» (Schiller Kab. 1, 2).
Weigand, Deutsches Wörterbuch, ö. Aufl.
jedennoch, Konj. des verhältnismäßig
steigernden Gegensatzes. 1669 im Simpliciss.
170 jedannoch. Zgs. mit je (s. d. ^).
jeder, zählendes Adjektivpronomen: der
eine und der andre von zweien; der einzelne
ohne Ausnahme. Bei huihev jeder (Dat. und
Akk. einem, einen jedem) und schon spät-
mhd. vereinzelt jeder, aber noch 1661 bei
Lohenstein Cleopatra 6, sowie 1738 bei Pi-
cander 5, 113 und bei Zachariä Renommist
1, 186 ieder (im Reime auf wieder). Mhd.
ieiveder, im 14. Jh. gekürzt ieder, ahd. iowe-
dar, eohwedar «jeder von beiden, jeder von
allen» (flekt. iowederer, iotvederiu. iowedereg):
dazu and. iahwethar, afries. ähu'edder, ags.
ähivceäer, gekürzt chcder. Zgs. aus ahd. io.
eo (s.ye"^) und dem ahd. Zahlpronomen hwedar,
wedar «welcher von beiden» (s. weder). Da-
neben durch gi- (ge-) verstärkt mhd. iege-
iveder, ahd. eogiwedar, ags. ceghwceäer, engl.
either «jeder von beiden». Vgl. jedweder.
ZUS. jedermauu, (Gen. -s), zusammenge-
schoben aus spätmhd. ieder man, md. ider
»(an «jeder Mann (jeder Mensch)», jeder-
mäuniglich, Pron.: jedermann, im 16. Jh.
jedermenniglich, vgl. männiglich. jederzeit,
adv., im 16. Jh. (Fischart in Scheibles Kloster
10, 1067), eig. Gen. Sg. jeder Zeit, gebildet
wie derzeit, mhd. der zit «damals», jedes-
mal, adv., eig. Akk. Sg. jedes Mal, 1691 bei
Stieler nebst dem Adj. jedesmalig.
jedoch, Konj. des vei'hältnismäßig her-
vorhebenden Gegensatzes. Mhd. iedoch, bis-
weilen idoch, ahd. io doh, ieo doh «immer doch»,
I Adv. des Gegensatzes. Zgs. mit je (s. d. '*).
1 jedAveder, zählendes Adjektivpronomen,
I nachdrückliches «jeder». Mhd. im 12. Jh.
ietiveder und ie deiveder, md. itweder «jeder
von beiden, jeder von vielen», zgs. aus ahd.
io {s.je^) und dem erst bei Notker vorkommen-
[ den Zahlpronorrfen deweder «irgendeiner von
j beiden » (s. entweder).
i jeglich, jeglicher, zählendes Adjektiv-
pronomen. Älternhd. iglich (bei huther j glich),
I bei Lohenstein ieglirh, mhd. iegelich, ieglich,
ieclich, md. iclich, ahd. eogalih, iogelih «jeder»,
[zgs. aus ahd. eo, io (s. je'^) und gilth «der
einzelne ohne Ausnahme, jeder» (s. gleich).
Jelängerjelieber, n. und m. (-5, PL
wie Sg.): Name mehrerer Pflanzen, besonders
der Feldzypresse Teucrium chamaepitys, viel-
leicht wegen des würzigen Geruches, 1517
bei Trochus io lenger ye liber, 1533 bei Rößlin
Jli lenger jh lieber; sodann Name des roten
MO
947
jemals
Joch
948
Nachtschattens, Bittersüß, Solanum dulcamara,
1500 bei Brunschwyg Destill, und 1546 bei
Bock 309 Ye lenger ye lieher.
jemals, adv.: zu irgendeinem Zeitpunkte.
Bei Luther Hes.27, 32 neben Jema^ Ephes.5, 29.
Mit sekundärem genetivischen s. Zgs. aus
je, s. je ^ und mal.
jemand, zählendes Pronominalsubstantiv:
irgendein Mensch, Gen. jemmids, Dat. und
Akk. jemand, daneben seit dem 18. Jh. im
Dat. jemandem {jemanden), Akk. jemanden.
Md. im 14. Jh. imand und dann mhd. in der
zweiten Hälfte des 14. Jh. iemant. Mit sekun-
därem d aus mhd, ieman, lernen, ahd. eoman,
ioman, zgs. aus ahd. eo, io s. je ^ und man m.
(s. Mann); dazu asächs. eoman, mnd. iemant,
mndl. ieman, afries. ammon, immen. ammant
Jemine! den Namen JesMS versteckender
Ausruf. Bei Grimmeishausen Simpl, 2, 624
Kllr. ach Jemini, obersächs. bei Weiße Op.
2, 34 f. 0 Gemine. Gekürzt aus lat. Jesu
domine «Herr Jesu». Ähnlich bei Klamer
Schmidt kom. Dicht. 293 o Jerum! S. Je^.
jener, auf Entfernteres hinweisendes De-
monstrativpronomen. Mhd. jener, auch ener,
md. gener, geiner, ahd. gener. jener und (bayr.-
alem.) ener; dazu mndl. die ghone, ags. Dat.
tö geonre, engl, yon, anord. e?m, inn, got.
jains. Mit dem Artikel frühmd. der jene
(s. derjenige). Die Herkunft ist unsicher.
Man ist vorläufig gezwungen, verschiedene
Stämme anzunehmen. Vgl. Hoffmann-Krayer
KZ. 34, 144. Jedenfalls gehört aber jener,
got. jains zu dem idg. Stamm jo-, der urspr.
demonstrative Bedeutung hatte, während aind.
jas, gl', öc, phryg. loc relativisch geworden
sind wie unser der. Schwierig ist die j-lose
Form ahd. ener, weil es nicht sicher ist, daß
diese ein j verloren hat. Ist dies nicht der
Fall, so gehört sie zu einem idg. Pronominal-
stamm eno-, abg. onü «er».
jenisch, adj.: der Gauner- und Spitzbuben-
sprache angehörig. 1800 bei J. Paul kom.
Anhang z. Titan 1, 108 jänisch (aus Schwaben).
Adjektivbild, zu dem Stammwort von Joner,
Gauner (s. d.).
jenseit, adv. und präp. mit Gen.: auf
jener Seite. Bei Luther jenseid (mit Gen.
oder Dat., Jos. 5, 1 u. 17, 5), mhd. jensit
und jene site. Mit sekundärem s jenseits,
bei Luther jenseids 1. Sam. 17, 3. Davon
jenseitig, adj., 1718 bei Kirsch.
Jerum, wohl als lat. Gen. PI. von ^Je
in der Studentensprache aufgekommen.
Jeremiäde, f. (PI. -v)-. Klage. 1791 bei
Rot, aus franz. jeremiäde f., nach den Klage-
liedern des Jeremias.
Jesuit, m. {-en, PI. -en): Mitglied des
von Ignatius von Loyola 1534 gestifteten
Ordens der Gesellschaft Jesu. Im 16. Jh.
Jesuit und Jesuiter, aus mlat. Jesuita m.
Davon jesuitisch, adj., im 16. Jh.
Jett, n. (-[e]s): schwarzer Bei'nstein, auch
dessen Nachbildung. Aus engl, jet «Gagat,
schwarzer Bernstein», das über afranz. jaiet
auf gr.-lat. gagätes (s. Gagat) zurückgeht.
jetzt, adv.: zu dieser Zeit. Bei Duez 1664
jetzt, bei Luther itzt, und im 13. Jh. izit,
Nebenform von mhd. iezuo, ieze, izuo, md.
iezU, itzü (noch bei Alberus ietz zu), aus
ie zu (Windberger Psalm., 12. Jh.), der Ver-
bindung des mhd. ie (s.je'^) und des auf eine
Zeitdauer wie einen Zeitpunkt gehenden zuo,
zu (s. zu), woher auch die volltönendre alter-
tümliche Form jetzo, mhd. iezö, 1385 ietzo,
im 16. Jh. bei Ayrer Dramen 1153, 32 jetzo.
im 17. Jh. itzo. Mit neuem Suffix jetzund,
nur altertümlich und im gemeinen Leben,
älternhd. ifzund, mhd. iezunt, iezent, iezen,
md. itzunt, itzent, erweitert im 15. Jh. itz-
under, etzunder (noch bei Geliert Fab. 2, 87
itzunder, bei Fischart Garg. 322 jetzunder).
ABL. jetzig, adj., im 16. Jh. itzig, ietzig,
jetzig (Dasypodius 1537), md. im 18. Jh. iezic.
jeweilen, adv.: zu irgendemer Zeit, dann
und wann. 1683 bei Schuppius 424 neben
je zmveilen 525 : weilen ist Dat. PI. von Weile
(s.d.). Davon jeweilig, adj., 1775 bei Adelung.
JingO, m, (-5, PI. -s) : kriegslustiger Chau-
vinist. Seit 1878, aus dem Englischen über-
nommen. Vgl. Ladendorf,
jo, interj,, sehr lebhafter Freudenruf, Im
15.* Jh, jo bei Wittenweiler Ring 39^ 26 f..
aber als Klageruf md. um 1300 jo. Y gl. johlen.
Joachim, Mannsname. Gekürzt Jochim,
Jochem. Aus hebr. Jöjäkim «den Gott auf-
richten wird».
Jobher, m. (-s, PI. wie Sg.): gewerbs-
mäßiger Börsenspekulant. 1801 bei Campe.
Aus engl, johher «Makler, Aktienkrämer,
Zwischenhändler», eig. «Akkordarbeiter, Tage-
löhner», stockjohher «Aktien-, Efiektenhändler,
der auf eigne Rechnung spekuliert», von engl.
joh «Akkordarbeit, Unternehmen, Geschäft»,
eig. wohl «Schlag», von joh «stoßen, stechen».
Joch, n. (-»es, PI. -e, im Bergbau Jöcher):
ein mit Pfählen verbundner wagerechter Trag-
balken, insb. das Gerüst au hölzernen Brücken
949
Jochein
Joseph
950
(mhd.), im Berg^verk die im Viereck 7,11-
sammengesetzten absteifenden Schachthölzer
(Schladminger Bergbrief von 1308), bildlicli
Gebirgsrücken, der zwei bohre Bergspitzen
verbindet (mhd.-abd.); viereckiges hölzernes
Geschirr um den Hals des Zugochsen, dann
bildlich eine aufgelegte Last, Bedmckung,
Dienstzwang (mhd.-ahd.j; zwei zusammenge-
jochte Ochsen, Gespann, sowie als Feldmaß
soviel Ackerland als mit einem Ochsenge-
spann an einem Tage gepflügt wh'd (mhd.-
ahd.). Mhd. joch n., ahd. joh, juh n. (PI.
joh und juhhir); dazu and. jtik, mnd. jock,
juck n. m., mndl. jock, jogh, ags. geoc n.,
engl, yoke, anord.-schwed. ok n., dän. aag,
got. jiik n. (Paar Zugtiere), woneben ahd.
jocho m. «Bergjoch», anord. oki m. «hölzerner
Querbalken». Ui-verwandt mit \a.t. jitgum n.,
gr. lu-föv n. und Zuyöc m., lit. jungas m., abg.
igo n. «Joch», air. ugliaim «Pferdegeschirr»,
kymr. iau, körn, iou «Joch», air. cuing «Joch»
(aus * com-jugos n.), aind. jugdm n. «Joch,
Gespann», zu lat. jüngere «verbinden», gr.
leuYvüvm «anschirren», ]ii. jungiu «ich spanne
ins Joch», aw. jaog-, aind. juj- «anspannen».
ZUS. Jochgeier, m.: auf Gebirgsjochen
lebender Geier, 1583 bei Thumeyßer.
Jochem, m.: Wein. Bei Hebel 2, 226,
Grimmeishausen Simpl. 2, 341, 30 Kllr., rot-
welsch im 15. und 16. Jh., aus hebr. jajin
«Wein». Vgl. Finkeljochem.
Jockei, m. (-S, PI. -s): Reitknecht. 1813
bei Campe, aus gleichbed. engl. Jockey, eig.
«Hänschen» (wie noch schottisch), von Jack
«Hans», der Abküi-zung des Namens Jakoh.
Jod, n. (-s): chemischer Gnindstoff. 1811
von Courtois entdeckt und nach dem Aus-
sehen (gi\ ioeibr|c «veilchenfarbig») benannt.
jodeln, V.: jo schi'eien oder singen; durch
akkordierende Töne auf- und abwärtssingen
mit dem Schlußsprunge vom Gnindton in
seine Oktave. Bei Goethe 24, 362. Aus baj-r.-
tirol. jodlen, johlen (s. d.), kämt, joudeln.
• Davon Jodler, m.
Johanu, Mannsname. Wie Hans (s. d.)
gekürzt aus Johannes, gi". 'Iiuctvvric, hebr.
Jöchänän «dem Gott hold ist». ZUS. Jo-
hannisbeere, f : ribes rubrum, 1618 bei
Schönsleder S. Johans beer, 1542 bei Fuchs
new Kreuterb. 663 S. Johanns heerlin, weil
um St. Johannistag (24. Juni) reifend. Jo-
hannisbrot, n.: die Frucht des Baums
Ceratonia siliqua, 1567 bei Schmiedel Reis.
47, 26 Johannesprot, 1538 bei Schaidenreißer
Odyss. 36-'' S. Johannshrot. Johanniskäfer,
m.: Johanniswürmchen, 1594 bei Frisehlin
Xomencl. Cap. 48 Johannskefer . Johannis-
krant, n.: die Pflanze H\-pericum perforatum,
1500 bei Erunschwyg Destill. 100 St. Johannis-
krnt. Johannistag, m.: der Gedächtnistag
Johannes des Täufei-s (24. Juni), aber auch
der Gedächtnistag Johannes des Evangelisten
und Apostels (27. Dezember), dieser auch
der Winter-, jener der Sommer Johannistag
genannt. Johannistraube, f.: Johaimis-
beere, 1546 bei Bock 2, 22 '^ Sant Johans-
treühel, Jolianstreühlin. Johannistrieb, m. :
der zweite Trieb der Pflanzen zu Johanni.
Auch auf den Menschen übertragen. Vgl.
Ladendorf. Schlagwort seit 1878. Johannis-
würmchen, n.: der um St. Johannistag
(24. Juni) erscheinende Leuchtkäfer Lampi,T-is,
1566 bei Mathesius Luther 141, 20 Neudr.
Johans Wörmlein.
Johanni: der Johannistag (s. 0.), nach
lat. dies Johanni.
johlen, V.: jo schreien, wild lärmend
singen oder schallen, 1556 bei Frisius 231*
jolen, mhd. jölen «laut singen» (verächtlich),
mnd. jolen «jubeln». Vgl, jodeln. Entlehnt
schwed. jodla, dän. jodle.
Jolle, f. (PI. -n): kleines vorn und hinten
spitzes Ruderschiff. 1741 bei Frisch Jol,
Jelle. Aus dem Ndd. Mnd. jolle f, «kleines
Boot», ndl. jol, engl, '/ani, joUy-hoaf, franz.
yole «Boot». L'nbekannter Herkunft.
Jongleur (spr. zqglor), m. {-s, PI, -e):
Taschenspieler, Gaukler, Aus franz, jongleiir
m,urspr, «fahrender Sänger» aus lat, iocnlätor
m. «Spaßmacher» von jocus m. «Scherz». 1818
bei Campe.
Joppe, f. (PI. -n): Überkleid des Ober-
körpers mit Ärmeln, aber ohne Schöße, für
Männer, während Joppel, m. {-s, PI, wie Sg,)
die Benennung eines solchen Kleidungsstückes
für Frauen ist, Mhd, jope. Joppe, jnppe f.,
auch als Stück der Rüstung, daneben gippe f.,
ebenso mnd. jope f., entlehnt aus dem Ro-
manischen, rnl&t. jnpa,juppa, prov.ywpa, franz.
jitjye, ital. giubha, giuppa f. «Wams, Jacke»,
Span, aljuba f. «maurisches Oberkleid» von
arab. al-dzu.hha «baumwollnes Unterkleid».
Joppel mhd. jopel. joppjel (Diut. 3, 150), juppel
n. (Sumerl. 33, 76), aus mXaX. jupellum n., Dim.
von jiipa. Vgl. Schaute.
Joseph, Mannsname, aus hebr.-lat. Jo-
sephus, hehr. Joseph «er fügt hinzu» (l. Mos.
30, 24 so aus jäsaph «liinzufügen» erklärt).
60*
951
Jot
jucken
952
Jot, n.: der Buchstabe J (j). 1663 bei |
Schotte! 185 Jod. Aus lat, jöta, gr, lOüra n., |
der Benennung des i, hebr. jod. Aus dem |
Griechischen entlehnt got. jöta m. (Matth. j
5, 18), als Bild für eine äußerste Kleinigkeit, |
wie 1631 bei Opitz Grotius 379 das minste \
Jodt. I
Journal fspr. zumal), n. {-s, PI. -e): j
Tagebuch: Tageblatt. In der 1. Bed. 1669 i
bei Grimm eishausen Simpl. 519 und 1672 im '
Vogelnest 1, 12 Journal, 1566 bei Mathesius
Luther 163"^ (322, 1 Xeudr.) Zornal und teg-
lieh Mndhich; in der Bed. «Zeitung» bei
Lessing 12, 16 (von 1750), Goethe Briefe 2. 259
(als m.), Göckingk 2, 225. Aus franz. Journal
m. (im 16. und 17. Jh. livre Journal), ital.
gtornale m. «Tagebuch, Zeitung», miat.jornale
n., zuerst diurnale (Diefenb. nov. gl. 139'') j
«Tagebuch», woher schon 1420 oben-hein.
dyornal und etwas später dinrnal (Diefenb.
188 '^), abgeleitet von lat. dhirnus «täglich»
(diurnum n. «Tagebuch», PI. diurna, nämlich
acta «eine Art Staatszeitung»), woher mlat.
jornus m., franz. jour, ital. giorno m. «Tag». ,
Journalist, m. (-en, PI. -en): Zeitungs-
schreiber. Bei Gtinther 518, in der Bed.
Tagebuchführer 1727 bei Aler.
jovial, adj. : immer frohsinnig. Bei Schiller 1
10, 477. Aus gleichbed. fi-anz. jovial, von ;
lat. Joviälis «dem Jovis (Juppiter) gehörig»,
dessen Stern nach den Steradeutern dem
Menschen Frohsinn mitteilt. Davon das gleich- ,
bed. Adj, jovlälisch, bei Wieland Amadis j
11, 10 und Suppl. 1, 170. JoTialitat, f.:
heitre Laune, bei Schiller.
ju! Interj. der lauten, ausgelaßnen, stür-
mischen Freude. Mhd. jü, stimmend mit
dem lat. Ausruf der Freude wie des Schmerzes '
io, gr. iil), io6.
Jubel, m. (-s): Freudenschall. 1535 im
Aimon X 2 Juhel, mhd. jubil m. (Khull Btr.
18) neben jühilus m., aus 'kirchlich-nüat. juhÜHS
m. «das langgezogne musikalische Frohlocken
am Ende eines Kirchengesangs», von bäurisch-
lat. juhilunt n. «das Jauchzen, Jodeln der
Hirten», das von dem Rufe des Jauchzens
ju (s. d.) ausging. Im 15. Jh. im Deutschen
auch jiihilo n. (noch bei Goethe und Schiller),
wohl aus lat. jubilo «ich juble». ABL.
jubeln, V.: FreudenschaU, Freudenrufe er-
heben, in den Fastnachtspieleu des 15. Jh.
1296; in gleicher Bed. jubilieren, v., mhd.
jubilieren, jühelieren, md. jiihileren, aus vulgär-
lat. jubilare. ZUS. Jubelfest, n., 1716 bei
Ludwig. Jubeljahr, n.: Freudenjahr all-
gemeinen Erlasses, mhd. jüheljär n., nach lat.
a7mus jühilcBus, welches letzte Wort nach
hebr. jöMl «Hora zum Blasen im Halljahr
(s. d.)» gebildet wurde wie Isidor (Jubilmis,
remissionis mnnus) im 7. Jh. ausdiücklich
hervorhebt. Nach alttestamentlichem Vor-
bilde setzte 1300 Papst Bonifacius VIII. ein
kiixhliches Gnadenjahr fest, dessen Feier alle
100 Jahre wiederkehren solle (mhd. juhileus
hie§ dag tminnejär), doch spätre Päpste be-
stimmten diese Wiederkehr des Jubeljahres
auf 50, dann auf 30, endlich auf 25 Jahre.
Jubilar, m. (-s, PI. -e): sein Jubelfest
Feiernde!', Jubelgreis. Im 18. Jh. aus mlat.
juhilarius m. «wer 50 Jahre in dem näm-
lichen Stand ist», ausgehend von mlat. jühi-
Iceus (s. Jubeljahr). Jubiläum, n.: Jubel-
fest, 1710 bei Behring.
juch! Interj. der lauten Freude. 1573 bei
Ölinger Gramm. 165 juch, 1578 bei Clajus
Gramm. 198 jauch, mhd. juch. Jüchen, v.:
juch schreien, lautes Freudengeschrei erheben,
bei Voß aus nd. und md. Jüchen (mit kurzem
oder langem u), mnd. Jüchen. Vgl. jauchzen.
juchhe! juchhei! juchheisa! Interj., in
den Fastnachtspielen des 15. Jh. 335, 31 juch
heia o, 1580 bei Krüger Anfang und Ende
der Welt v. 707 juchei, bei Lessing 1, 268
juchhe, bei Goethe Faust 955 juchheisa (s.
heisa). Davon juchheien, v., bei Hölty 175 H.
Juchart, Juchert, m. und n. (-5, PI. -c)-.
ein Morgen Ackerlands. Oberdeutsch. Mhd.
jiuchart. jeuchart, jvchart, juchert, ahd. juchart
n., neben vahd.. ji)ich. jeuch n. f., eig. «soviel
Land ein Joch Rinder an einem Tage umzu-
ackern vermag» (noch im Badischen JeuchL),
ahd. giuh. Urverwandt mit lat. jügerum n.
«Morgen Landes», zugehörig zu Joch (s. d.\
lat. jugum n. Den zweiten Bestandteil stellt
man zu '^Art (s. d.).
Juchten, m. und n. i-s, PI. wie Sg.),
auch Jucht, m. n. (in Preußen): rotes russi-
sches Leder. 1691 bei Stieler .lochten, Juchten.
Niederdeutsche Form mit ch, 1785 bei Voß
Ged. 1, 163 Jucht m., ndl. jucht, jagt, aber
nd, auch Juften, aus gleichbed. russ. juft.H ra.,
eig, «Paar», weil die Häute paarweise ge-
gerbt werden.
juchzen. Juchzer, s. jauchzen.
jucken, v.: zum Kratzen reizenden Nerven-
reiz haben; hin- und herreiben. In der 1. Bed,
auch impers, mich juckt es (mhd. mich jucket),
auch mir juckt. Mhä. jucken, im 15, .Ih. jucken
953
Jucks
jnng
954
(Diefenbach nov. gl. 307** von 1486, auch bei
Luther, Wieland, Schiller), ahd.jucdian: dazu
and. jukid «es juckt», nind. jucken, joken,
mndl. joocken, jeucken, ags. giccan, engl, itch
«jucken». Alem. auch in der Bed. «springen»,
schon 1513 bei Liliencron 3, 111^ jucken. Da
diese Bedeutung alt sein wird, so läßt sich
vielleicht got. jiuka m. «Streit, Zank», jiukan
«kämpfen» heranziehen. ABL. Jucker, m.:
kleineres, meist ungarisches Wagenpferd.
Schweiz.-elsäss., eig. «der Springer».
^ Jucks, m. {-es, PI. -e): lustiger Scherz.
In den ebd., md. und nd. Mundarten; dazu
mndl. und clev. lA^ll jock, engl. joÄe «Scherz».
Aus gleichbed. lat. joais m. (woher ital. gioco,
franz. jeu m. «Spiel»), wahrscheinlich durch
die fahrenden Schüler verbreitet, wie mndl.
und clevisch IUI jocken «scherzen» aus gleich-
bed. lat. jocäri Davon Juckserei, f. : lustiges
Scherzen, bei Lessing 11, .")92; jucksig, adj.:
zu neckendem lustigen Scherzen aufgelegt,
bei Voß juxig.
"Jucks, m. (-es, PL -e): Schmutz, Nichts-
wertes. Nd. und ostmd. Bei Goethe 3, 54
Jux. Mit ableitendem s von spätmhd. iuck
«Juckendes» (Diefenbach nov. gl. 307^ von
1466J, 1482 im Voc. theut. r.3^ kretzighaut
oder der iucli oder die kretze. Von jucken
(s. d.). Bei Kindleben 1781 G-ucks, gucksig
«Schmutz, schmutzig», gucksen «geizig sein,
Profit machen», Gucksmacher «Wucherer»,
daher nd. .Tuks «Schwänzelpfennige, uni-echt-
mäßiger Gewinn» (1767 im Brem. Wb.j.
Jude, m. (-«, PI. -n), Volksname. Mhd.
Jude, jüde, ahd. judo, judeo m. (auf dem
e-^i beruht der Umlaut ü im Mhd., auch
älternhd. bei Luther Jude, bei Alheims 1540
und noch mundartlich Jüd); dazu asächs.
judeo, judeo, afries. jotha, ags. PI. judeas, aus
gr.-lat. Jüdceus, wie got. ludaius, Judaias
aus gr. Mouba'ioc. ABL. Jüdiu, f., mhd.
jädinne, Jüdin, jüdisch, adj., mhd. jüdisch,
ahd. judeisc, judiisg, judisg, got. iudaiivisks,
Adv. iiidaiwiskö, nach dem gi\-lat. Adj. Jü-
daicus, gr. 'loubaiKöc. ZUS. Judeuemau-
zipation, f., Schlagwoi-t seit den 20 er Jahren
des 19. Jh. Vgl. Ladendorf. Judeugasse,
i'.f 1366 judenga^^en (Mon. Boica 42, 439),
md. 1387 judengaße (Baui- hess. Urk. 1, 787).
Judenharz, n., Judenleim, m., Juden-
pech, n.: Asphalt, im lö. -Vn. jadenlym, -leym
(Diefenbach -Wülcker 681), mlat. bitunien Ju-
daicum. Judenkirsche, f.: die Priauze
Physulis alkekoiiL.'!, im Liber synoii. von 1140
^ Juden kersen (Diefenbach -Wülcker). Judeu-
; Schaft, f., mhil. Juden-, Judeschaft, im 12. Jh.
I judiscluift f. Judenschule, f., mhd. juden-
schuole f. Judeuspieß, m., 1494 bei Brant
Xarrenscb. 76, 11 Juden spyeß, im Volkswitz
bildlich von einer unlautren WaÖe in der
RA. ynit dem Judenspieß rennen [laufen),
j d. h. «gleichsam mit einem Tumierspieß alles
niederwerfend wie ein nach Wucher laufender
Jude, großen Wucher treiben». Den Juden
war das Waflentragen verboten. Judentum,
n., bei Luther Gal. 1, 13 Jüdentham, 1540
I bei Alberus dict. N3^ Judentumm.
Jugeud, f.: das Jungsein und die Zeit
desselben. Mhd. jiigent f., sehr früh auch
jungent, junget, ahd. jugund f., zuweüen jicn-
gund, jungend, dazu asächs. jugud, nmd. joget,
mnd\.jevghd, ags. geogup, geogop f., engl, youth,
■ got.junda f. «Jugend», urverwandt mit gleich-
bed. lat. juventa f., air. öitiu f. «Jugend», aind.
'juvatis f. «jung». Das g ist wohl aus w ent-
standen. Abstraktbüdung zu jung (s. d.).
] ABI/, jugendlich, a.äj. , mhd. jugentlich, ahd.
■ jugundlih. ZC'.S'. Jugendstil, m. Schlagwort
'■ für eine neue Stilrichtung, seit 1897. Vgl.
Ladendorf. Jugendzeit, f., beiH.Sachs4,321.
Jul, m. (-.s;: Weihnachtsfest. Li Xord-
ostdeutschland. ^Lid. iul m., nach anord. jöl
n. pl. «Fest der Wintersonnenwende», schwed.-
dän. jul. Dazu ags. geohhol, geol n. «Christ-
fest», engl, yule und got. jiuleis m. «Jul-
monat», anord. yler, ags. geola m. «Dezember».
Grundform *jehwla. Herkunft unsicher. Vgl.
üblen beck Btr. 30, 295.
Julep, m. {-s, PI. -6): Kühltrank. 1575
bei Fischart Garg. 19 .Julep. Aus franz. julep,
s\^au.julepe, ital. giulebho m., von arah. dzolab,
, das aus per?, (/w/ät «Kosen wasser» (gid «Rose»,
ä& «Wasser») entlehnt ist. Noch ostpreußisch.
Juli, m. f-.s): der siebente Monat im Jahr.
Aus lat. .fuli, dem Gen. Sg. von Julius, wie
der Monat (^uintilis von den Römern zu Ehren
des die Zeitrechnung berichtigenden, unter die
Götter versetzten Feldherrn Cajus Julius Cäsar
benannt wurde. Xh.d.heu:iman6th «Heumonat».
jung, adj. (Komp. jünger, Sup. jüngst),
Gegensatz von alt. Mhd. junc (Komp. junge);
jünger, Sup. jungist, jungest, jungst), ahd.
jung (Komp. jungiro, bei Kei-o jugiro, Sup.
jungist): dazu asächs. jM?i^, ndl. jong, afries.
jong. jun/j, ags. geong, engl, young, anord. ungr.
schwed.-dän. ung, got. juggs (Komp. jühiza).
, Urverwandt mit lat. juvencus «jung, junger
Stier, Jüngling», air. öac, öc «jung», aind.
955
jung
Jurist
956
juvarjäs «jugendlich», Weiterbildungen von
\at. juvenis «jung, Jüngling», aw.jMuaw-, aind.
jüvan- «jung», lit. jännas, abg. junü «jung».
ABL. Junge, m. {-n, PI. -w und nd. -ns):
junger Mensch, Knabe, mhdi. junge, aliä. jungo
na. Junge, n. (-n, PI. -n): junges Tier im
Vergleiche zu seinem alten, mhd. junge, ahd.
jungi n. jungen, V.: Junge gebären, 1482
im Voc. theut. p 7% anders mhd. jungen «jung
werden», jungen, v.: jung machen, mhd.
jungen, ahd. jungan, nhd. in verjüngen, auch
refl. mhd. sich jungen, jungen. Jünger, m.
(-S, PI. wie Sg.): Lehrling, Schüler, mhd.
junger m. (in starke Biegung übergehend),
aber schwachflekt. ahd. jungiro, jungoro m.;
dazu asächs. jungaro, jungro, afries. jon-
gera, ags. geongra m., zunächst von Christi
Schülern, gebildet als Gegensatz zu Herr
(ahd. herro, eig. heriro «der ältre». Jüng-
ling, m. (s, PI. -e): junger Mensch zwischen
der Knaben- und Manneszeit, mhd. jungelinc,
ahd. jangeling m.; dazu and. jungling, mndl.
jonghelinck, ags. geongling, engl, youngling
(veraltet), anord. ynglingr, schw ed.-dän.yngling
m., dafür got. jtiggalaups m. jüngst, adv.:
zuletzt, in letztej.' Zeit, bei Luther Briefe 1,
571 jungist, 1663 bei Schuppius 466 jüngst,
mhd. jungist, jungest, neben ze jungist, ahd.
za jungist, ze jungest, der Superl. hier in
gleicher Bed. wie der jüngste Tag «der aller-
letzte Tag», ahd. der jungiste tac. ZUS.
Jungbrunnen, m.: verjüngender Brunnen,
mhd. junchrunne. Jung(e)mag(l, f.: Stuben-
mädchen, in Obersachsen, 1715 bei Amaran-
thes, 1696 bei Chr. Reuter Schlampampe 46,
zusammengerückt aus junge Magd mit Ver-
legung des Haupttons auf die erste Silbe.
Jungfrau, f. : junges lediges Frauenzimmer,
insbes. lediges Frauenzimmer von unbefleckter
Keuschheit (OflPenb. Joh. 14, 4 auch von einer
solchen Mannesperson), mhd. juncvrouive, -vrou,
ahd. juncfro7iwa f. «junge Herrin, Edelfräu-
lein>/, im Mhd. auch «unverheiratete vornehme
Dienerin, lediges Frauenzimmer von unbe-
fleckter Keuschheit» (im 14. Jh., dafür älter
maget, s. Magd), bildlich auch von Männern.
Daraus gekürzt (ähnlich wie mhd. ver, vir
«Frau», vor Namen und in der Anrede)
Jungfer, f. (PI. -n)-. lediges Frauenzimmer,
insbes. von unbefleckter Keuschheit, dann
Dienstmädchen bohren Ranges, im 17. und
18. Jh. Ehrenbezeichnung eines noch unver-
heirateten bürgerlichen Mädchens vor dem
Namen oder der Standesbenennung, entspre-
chend dem jetzigen Fräulein (1774 bei Goethe
19, 43 die Jungfer Pfarrerin, 1664 bei Duez
Jungfraw «ein Ehi'entitul, mademoiselle»).
1691 bei Stieler Jungfer, Jumpfer. Jumfer
(doch schon im 15. Jh. jumpffrauire Diefen-
bach gl. 622=1), i^gj Luther 8, 241 ^ Jungfer,
köln. im 15. Jh. jonffer, ndrhein, im 14. Jh.
jicn/fer. Davon jüngferlich, adj., bei Wie-
land, ^MMgr/erZ/c/i 1663 bei Schuppius 472, köln.
im 15. Jh. jun/ferlich (Frommann 2, 440*^),
mhd. juncvromvelich; Jungfernschaft, f.,
1654 bei Logau 1, 8, 80, köln. im 15. Jh.
junffer-, j on ff er schaff ^. (Frommann a. a. 0.),
ndrhein. im 14. .Ih. jun ff er schafft, als edlerer
Ausdruck JungfrauSChaft, f., bei Luther
Jungfrawschaff't, 1494 bei Brant Narrensch.
92, 70 jungfrowschafft. Jungfernrede, f.,
Übersetzung des engl, maidenspeech, studen-
tisch 1836 geläufig. Juuggesell, m. (-en,
PI. -en): lediger heiratsfähiger Mann, urspr.
junger, 1496 bei Lihencron 2, Ml^ Junggeselle,
bei H. Sachs 5, 28 der PI. jung Gselln.
Juni, m. (-s) : der sechste Monat im Jahre.
Aus lat. Junii (so noch im 16. imd 17. Jh.),
dem Gen. Sg. von Junius, wie die Römer
den Monat nach der Göttin Juno ])enannten.
Deutsch Brachmonat (s. d.). ZUS. Juni-
käfer, m.: der im Juni fliegende, dem Mai-
käfer ähnliche, aber kleinere Käfer Scarabaeus
solstitialis, 1722 bei Frisch Lisecten 4, 29
Junius-Kefer oder Brach-Kefer.
Junker, m. (-s, PI. wie Sg.)-. junger
AdeHger, dann als Ehrentitel; ostelbischer
adliger Grundbesitzer (im 19. Jh.). Im 16. Jli.
Junker (bei H. Sachs usw.), 1482 im Voc.
theut. p 7^ junckher, köln. im 15. Jh. Junker,
jonker (Frommann 2, 440^), gekürzt aus mhd.
juncherre, -herre m. «junger Mann von hoher
Geburt, Edelknabe»; dazu ndl. jonker, jonkheer.
Die Flexion war bis ins 17. Jh. schwach
(Gen. -n, PI. -en), noch bei Wieland 21, 12
der PI. Junkern. ABL. junkerhaft, adj.,
1691 bei Stieler. Junkertum, n., Schlag-
wort seit den 20 er Jahren des 19. Jh., ge-
richtet gegen das herausfordernde Auftreten
der Junker. Vgl. Ladendorf.
Jurist, m. (-en, PI. -en) : Rechtsgelehrter,
-kundiger, -beflissner. Mhd. juriste m., im
15. Jh. Jurist, aus mlat. jurista m., von lat.
jüsn. (Gen.jüris) «Recht». Davon juristisch,
adj., bei Luther 6, 39 J., verschieden von
juridisch, das nach lat. jüridicus «gerichtlich»
gebildet ist. Juristerei, f., bei H. Sachs
Fab. 240, 128.
957
Jurte
£abel
958
Jurte, f. (PI. -n): Hütte nomadischer
Völker. Aus dem Türkischen durch russische
Vermittlung in neurer Zeit.
just, adv.: richtig; genau, gerade. Bei
Eot 1571 und Fischart Hütl. 345; dazu nd.
im 17. Jh. just, ndl. 1598 juyst. Aus dem
lat. Adv. ^MS^e «gerecht, gehörig», franz. jusfe,
vom lat. Adj. jiistus «gerecht, recht», zu lat.
jus n. «Recht». Bei Goethe 12, 99 auch als
Adj. [es ist nicht just) «richtig, geheuer»,
wie bei Grimmeishausen Simpl. 523 und Hars-
dörffer Gespr. 2, 92.
justement, adv.: mit Recht, eben recht.
Bei Bode Jones 6, 434. Aus gleichbed. franz.
justement, aber ohne die franz. Aussprache
vom Volk im letzten Viertel des 17. Jh.
aufgenommen.
justieren, v.: (Münzen usw.) ausgleichen,
berichtigen; eichen. 1.574 bei Höniger Nai'ren-
schiif 279^ einjustiren, dazu 1598 ndA.iusteren,
aus mlat. justäre, von lat. jiistus «recht»,
Justiz, f.: Rechtspflege. 1586 bei Fischart
Bodinus 3 Justici f., 1571 bei Rot Justitz f.,
aus lat. jnsfitia f. «Gerechtigkeit». ZUS.
Justizmord, m., von L. v. Schlözer 1782
als Schlacrwort für die Hinrichtuncf Unschul-
diger geprägt. Vgl. Ladendorf. Justizrat,
m., 1716 bei Ludwig Justitz-Baht.
Justus, Mannsname. Gekürzt Just, .Tost.
Aus lat. justus «gerecht».
Jute, f. (PI. -n): feiner glänzender ost-
indischer Hanf oder Flachs zu Geweben. Im
19. Jh. aus engl, jute, das aus dem Benga-
lischen stammt.
Juw61, n. (-5, PI, -en) : Kostbarkeit ersten
Ranges, Edelstein, 1495 in der Kölner Gemma
E3'^ iuweel, zu Anfang des 16, Jh. md. juhel
(Diefenb. gl, 126''); dazu ndl. 1598 iinveel, joii-
iveel. Aus gleichbed, ah-^nz. joiel, joel, nfranz,
joyau, sipan.joyel, ital. giojellom., mlat. jocale
n,, die vermutlich auf lat. jocus m, «Scherz,
Kurzweil», zurückgehen. Davon Juwelier,
m, (-S, PI. -e): Juwelenhändler, Goldarbeiter
der sich mit der Fassung von Edelsteinen
beschäftigt, 1495 in der Kölner Gemma E3^
iuwelier, 1505 in der Straßburger Gemma e S**
iuhelier, md, zu Anfang des 16, Jh. iubelierer
(Diefenb, gl. 126«), noch im 18. Jh, Juhilirer;
dazu ndl. 1598 iuweelliei', aus franz, joaillier,
jouaülier, im 16, Jh, joylier, mlat, jocalarius.
Jux, s. Jucks.
K
Wörter, die man hier nicht findet, suche man unter C,
Kabäche, Kabäcke, f, (PI, -n): bau-
fällige Hütte, schlechte Schenke. Norddeutsch,
im 17. Jh, bei Olearius pers. Reisebeschr,
3, 6 Kaback f. Vgl. bei Xehring 1710
«Kahacks werden in Moskau die Schenken
und Wirtshäuser genannt». Also wohl aus
russ, habakü m. Anders H, Schröder Streck-
formen 23.
Kabale, f, (PI, -n): fein angelegte ge-
heime Gegenwirkung, arglistige Ränke, 1716
bei Ludwig, aus gleichbed. franz, cabale f,
von hebr. qahbälä, rabbinische «Geheimlehre»,
in letzter Bed, 1581 bei Fischart Bienenk. 32**
der Juden Kahalen vnd Thalmud.
kabbeln, verb, (auch refl.): hadern, sich
streiten. Wie gleichbed, md,-nd, kibheln, nd,
kebbeln, mnd, kevelen «schwatzen». Wahr-
scheinlich zu asächs, kafl, ags, ceafl m, «Kiefer
der Tiere» und weiter zu air. gop «Mund»,
Verwandt mit Kiefer (s. d,). Norddeutsch I
(Yoß 2, 182), schon mnd, kdbbelen.
^ Kabel, n. (-s, PI, wie Sg,), früher f..
(PI, -n): dicker Strick, Schiffsseil; (seit 1849)
unterseeische Telegraphenleitung, Mhd, /tabeZ,
1477 clevisch, ebenso ndl, kabel f,, mnd.-
schwed,-dän, kdbel m. «Ankertau», aus gleich-
bed. franz. cähle, afranz. chdble, span.-port.
cdble m., und diese aus mlat. capfilus m, und
capülum, capluni n, (mgr. KauXiov n,). «Fang-
seil», von lat, capere «fassen»,
-Kabel, f. (PI. -n): Los, Losteil, Anteil,
Reihenfolge, In Norddeutschland, 1598 bei
Colerus Hausb, 6, 27 Kdbel m., mnd, kavele f.
«Los», eig, «zugerichtetes Holz zum Losen»,
gewöhnlich mit einem runenartigen Zeichen,
besonders dem Namen des Mitlosenden ver-
sehen, anord, kafii m, «längliches Stück Holz,
Teil, Stück», schwed, kafle m, «Rolle, Walze»,
dän. kavl, kavle «Holz im Fischgarn», ndl.
kavel m. «Los, Teil», Dazu wohl lit, zabas
«Reis», zuobrts m, «Pfluggestell», Vgl, auch
Kufe. ABL. kabeln, verb,: losen, durchs
Los abteilen, bei Frisch kabeln (vom J, 1652),
mnd,-ndl. kavelen.
959
Kabeljau
Käfer
960
Kabeljau, auch Kabliau, m. (-es, PI. -e):
der frische Seefisch gadus morrhua (vgl.
Laberdan, Stockfisch, Klippfisch. 1563 in
Forers Fischbuch 13^ Kahhelouiv, im 15. Jh.
uirhein. caheliau (Diefeubach 358*^), aus mnd.
kahelow (1377), kaplaiv (1350), cahbeh/au (Dief.
317^ vom J. 1420), 1477 clevisch cabliauive,
ndl. bei Kilian kabeliau, kableau, jetzt kahel-
jaauw, mlat. in den Niederlanden seit Anfang
des 12. Jh. cabeUauivus, schwed. kabeljo, dän.
kabliau. Daneben steht nd. bakkeljau aus
s-pan.bacallao, ]}Ovt. bacalhuo in. «Stockfisch»,
zu lat. baculus m, «Stock», Doch tritt dies
viel später auf und wh'd eher aus kabeljau
umgestellt sein. Herkunft unklar. Vgl. Uhlen-
beck Btr. 19, 328.
Kabine, f. (PI. -n) -. Schifiskammer. 1618
bei Hulsius Schifi". 15, 21 Cabbin, aus gleich-
bed. franz. cabine f., dies aus engl, cabin
«Hütte, Kajüte», altengl. caban, cabane, das
dem franz. cabane entstammt, letzteres von
mlat. capanna f. «Hütte» (600 bei Isidor). —
Kabinett, n. (-es, PI. -e): kleines Gemach,
Nebenzimmer; Geheim-, Ratszimmer eines
Fürsten; Staatsministerium; Zimmer für eine
Sammlung von Seltenheiten. 1644 im Sprach-
verderber aus gleichbed. franz. cabinet m.,
von cabine f.
Kabriolett, u. (-[e]s, PI. -e): leichtes
zweiadriges einspänniges Wägelchen. Bei
Gotter 1, 49. Aus gleichbed. franz. cäbriolet
ra., von franz. cabriole, ital. capriola f. «Bocks-
sprung» (zu lat. caper m, «Ziegenbock»), be-
nannt nach den Luftsprüngen, die ein solches
Fuhrwerk leicht macht. Vgl. Kapriole.
KabrÜSChe, f.: Kameraden, besond. zu
Schlechtigkeiten. Aus der Gaunerspi'ache, in
der es als Chah'usse 1735 belegt ist. Aus
dem Hebräischen. Elsässisch Kafruse". Auch
in der nordd. Umgangssprache.
Kabuse, f. (PI. -n): schlechte Hütte,
Zimmerchen, Verschlag; Kernhaus des Obstes
(brem. Wb. 2, 713). Norddeutsch. In einem
Breslauer Vocab. von 1422 kabüse f. «Ver-
schlag auf dem Schuf», aus mnd. kabüse f.
«kleines, niedriges Gebäude, Verschlag»; hier-
zu ndl. kabuis und entstellt kombuis f., franz.
canibuse f., schwed. kabysa f., engl, caboose
«Schifisküche». Unklarer Herkunft trotz
Schröder Streckformen 28,
Kachel, f. (PI, -n)-. irdenes tiefes Ge-
schirr; irdene Ofenröhre, um darin zu kochen;
Ofenfliese. Mhd. kachele, kachel f. «irdenes
Gofilß», im 15. Jh. auch «Niichttopf» und
«Ofenkachel», ahd. chachala f. «irdener Topf».
Aus einem nicht belegten lat. caccalus m,
«Kochgeschirr», mlat. cachus m. «Gefäß,
Schale», vgl. port. caco m. «Scherbe», tarent.
käkkalo. Belegt ist nur caccabus. ZUS.
Kachelofen, m., spätmhd. kacheloven m.
kacken, verb., frühnhd, (1495 in der
Kölner Gemma, bei Luther 8, 24'' Jeu,), wohl
aus der Schülersprache, von gleichbed. lat.
cacäre, gr. kokkoiv.
Kadaver, m. (-s, PI. wie Sg.): Leichnam.
Im 17. Jh, aus gleichbed. lat. cadäver n., von
lat, cadere «fallen». ZUS. Kadäverg^ehor-
Sam, m.: unbedingter Gehorsam. Seit etwa
1880 belegt. Der Ausdruck geht auf die
Jesuiten zurück. Vgl. Ladendorf.
Kad6nz, f. (PI. -en): der Tonfall, der
Schlußlauf im Gesänge. Im 18, Jh. aus gleich-
bed. ital. cadenza f., von mlat. cadentia f.
«Fall», abgeleitet vom Part. Präs. cadens
(Gen. cadentis) zu lat. cadere «fallen».
Kadett, m. {-en, PI. -en) : junger Mensch,
der in den Heeresdienst tritt, um sich zum
Offizier auszubilden. 1703 im Zeit.-Lex. «der
jüngere», aus franz. cadet m. «der Jüngere
unter Geschwistern», dann «junger Adeliger,
der seine Laufbahn im Kriegsdienste be-
ginnt», aus gaskog. capdet, provenz, capdel
«Haupt», einer Ableitung von lat. caput n.
«Haupt».
Kadi, ni. (-S, PI. -s): Richter. Aus gleich-
bed. arab. qäd'^, türk. kadi. 1703 im Zeit.-Lex.
kadük, adj.: hinfällig; niedergeschlagen.
Aus franz. caduc, das aus lat. cadüctis «iallend,
heimgefallen», von cadere «faUen» stammt.
1703 im Zeit.-Lex. caduc «ab- und hinfällig»,
1673 bei Chr. Weise Erzn. 63.
Käfer, m. (-s, PI. wie Sg.): nagendes
Insekt mit hornigen Flügeldecken, Bei Maaler,
Duez, Stieler usw. Käfer, bei Luther Kefer.
mhd. kever, ahd. chevar m., woneben auch
schwachflekt. mhd. kevere, ahd. chevaro m.,
I selbst noch bei Luther Nahum 3, 17 der
schwache PI. Kefern; dazu and. keuera f.
1 «Käfer, Art Heuschi-ecke», ndl. kever, ags.
ceafer m., engl, chafer, nd. säver, zäver
(Brem. Wb. 4, 592), mnd. sever, zever m.
j Wohl zu mhd, kifen, kifelen, Schweiz, käfen,
\kaflen «nagen», wozu auch Käfe, mhd, keve,
j ahd. cheva f. «Fruchthülse, Schote», eig. «die
mit den Zähnen abgenagte leei-e Hülse» und
in gleicher B6d. Kiefe, Kife mit den Neben-
I formen Schafe und Schiffe f. (Diefenl^. 534*)
! "ehürt.
961
Eaff
Kaiser
962
Kaff, n. (-s) : Spreu (leere Getreidehülsen) ;
Unwertes, Nichtiges. Mhd. (urspr. md.) kaf
n.; dazu mnd. kaf, mndl. caf, ags. ceaf n.,
engl, chaff. Aus gleichem Stamm wie Käfe,
ahd. cheva f. «Schote, Hülse» (s. Käfer).
Kaffee, m. (-s, PI. -s): die Fracht des
Kaffeebaums und das daraus bereitete Ge-
tränk; (als Neutr. im 19. Jh.) das Kaffee-
wirtshaus (Cafe). In der zweiten Hälfte des
17. Jh. als Coffee aus engl, coffee, ndl. koffij f.
übernommen, im Anfang des 18. Jh. drang
aus franz. cafe, caffe m. die Form Caffe, Gaffee
(bei Klopstock, Lessing, Goethe Kaffee) durch.
Zugrunde liegt arab. qahva «aus Beeren ge-
kochter Trank, Kaffee». .Z^?7*S. Kaffeehaus, n.,
Kaffeeschwester, f., 1715 bei Amaranthes.
Kaffer, m. (-w, PI. -n): Bauer, einfältiger
Mensch. In der Gaunersprache (1714), da-
nach im 19. Jh. in südwestdeutschen Mund-
aaten und. studentisch, aus rabbinisch kaphri
m. «Dorfbewohner, Bauer», von hebr. käphär
m. «Dorf». Verschieden von dem Volksnamen
Kaffer m. in Südafrika, der auf arab. käfir
«Ungläubiger» beruht.
Käfig, m. (-S, PI. -e): Gitterbehälter für
ein sonst wild lebendes Tier; gegitterter Ge-
fängnisbehälter. Mit g statt j (vgl. nhd.
Ferge, ahd. ferjo) und Genus Wechsel aus mhd.
kevje, ahd. chevia f., entlehnt aus lat. cavea f.
«Höhlung, Käfig», vom lat. Adj. cavus «hohl».
Noch im 16. Jh. Fem. kefig, daneben schon
im 14. und 15. Jh. Neutr. und Mask. kefig,
auch kehig (1581 bei Fischart Bienenk. 87^
käfig), im 15. Jh. kefich, mit antretendem t
kefit n. (Teufels Netz 6460 Anm.), danach
im 18. Jh, Ke ficht, Käficht n.
Kafiller, Kayiller, m. (-s, Pl.wieSg.):
Schinder. Erst im 17. Jh. (bei Stieler 1691).
Aus der Gaunersprache, wo Caveller, Gafaller
m. «Schinder» (1510 im Liber Vagatorum,
abgeleitet von talmudisch kephäl, das im Sy-
rischen «abdecken, abziehen» bedeutet; wohl
mit Anlehnung an nd. viller m. «Schinder»
(Hautabzieher) und vielleicht an bay^r. Gefill n.
«Recht des Abdeckers auf das gefallene Vieh»
(s. fillen). ABL. Kaflller^i, f.: Abdeckerei,
1691 bei Stieler.
Kaftan, m. (-s, PI. -e): langes Ehren-
oberkleid der Türken. Aus türk. kaftan,
schon entlehnt 1647 in Olearius persian.
Reisebeschr. 125 Äa/ftow «lang niedergehendes
Unter-, Morgenkleid».
Käfter, n., auch m. (-S, PI. wie Sg.):
kleiner enger Wohnraum. In Mitteldeutsch-
Weigand, Deutsches Wört€rbuch. 5. Anfl.
land und Westfalen. Ahd. chaftcere, chaftere
«Bienenkorb». Nach Ehrismann Btr. 18, 228
Lehnwort aus mlat. capisteriuni n. «Mulde,
Trog». Unwahrscheinlich wegen der heutigen
Verbreitung. Bei Goethe (an Zelter 1, 252)
das Dim. Käfterchen, n.
kahl, adj. (Komp. kahler, Sup. kahlst):
haar-, federlos; (bildlich) unbewachsen, leer.
Bei Luther kalh, bei Maaler und Duez kaal,
mhd. kal (flekt. kahver), ahd. chalo (flekt.
chalawer); dazu mnd. kal, mndl. kael, nndl.
kaal, ags. calu, engl, callow, entlehnt schwed.
kal. Wohl entlehnt aus dem lat. Adj, calvus
«haarlos» Nach andern urverwandt mit abg.
golü «nackt, bloß». Vgl. Zupitza Gutt. 144.
ABL. Kahlheit, f., im 15. Jh. kalheiti. ZÜS,
Kahlkopf, m., bei Luther kalh-, kalkopff.
Kahm, oberd. und md. Kahn, m. (-es):
Schimmel auf gegorner Flüssigkeit. Mhd.
kän m., im 15. imd 16. Jh. auch kön, 1432
cham Diefenb. nov. gl. 7*; dazu nndl. kaam f.,
ferner Island, kam n. «dünner tJberzug von
Schmutz, Staub, Schleim», engl, coom «Ruß-,
Kohlenstaub». Dazu vielleicht auch mhd.
kadel m. «Ruß, Schmutz». ABL. kahmicht,
kahmig, oberd. und md. kahuig, adj.:
schimmelig. Mhd. kämig, känig, (Mone Anz.
7, 298) camecht. .
Kahu, m. (-[e]s, PL Kähne) : muldenartiges
Wassei'fahrzeug, Boot. Mehr in Nord- und
im östlichen Mitteldeutschland. Bei Luther
Kahn, md. auch schwachflekt.Arawe m. (14. Jh.);
dazu mnd. im 13. und 14. Jh. kane m., ndl.
kaant. (woraus afranz. cawe f. «Schiff», nfranz.
cane f. «Ente»), anord. kcena f. «Boot», schwed,
kana f. und däu. kane «Schlitten, Schleife».
(Nicht verwandt mit Kanu s. d.).
Kai, m. (Österreich, und bayr. auch noch
Qnai), (-s, PI. -s): durch Mauerwerk usw.
befestigtes Ufer, Hafendaram, auch die daran
liegende Straße. 1664 bei Duez Kay f., mnd.
kaje f., ndl. kaai, kaaj f., bei Kilian kaeye,
engl, quay, mengl. kei, (entlehnt schwed, kaj,
^än.kai) afranz. ca?/e«Sandbank», nfranz. quaim.
«Damm», span. cayos PI. «Sandbänke, Riffe»,
wird von altir. cai «Weg, Straße» hergeleitet,
was unsicher ist.
Kaiser, m. (-s, PI. wie Sg.): Fürst der
höchsten Würde, Mhd. keiser, ahd. keisar,
keisur m.; dazu asächs. kesar, kesur, afries.
keiser, ags. cäsere, got. käisar m., dem ei
für ae nach zu urteilen im Beginn unserer
Zeitrechnung entlehnt aus dem römischen
Familiennamen des julischen Geschlechts und
61
963
Kajüte
Kalb
964
Titel der römischen Imperatoi-en Caesar,
gr. Kakap, woher auch abg. dsari, cesari,
russ. car. Die Schreibung ai stammt aus
der Kanzlei der Kaiser Friedlich III. und
Maximilian I, vgl. Frankf. Eeichskorresp. 2,
135. 160. 232 vom J. 1457 f.; bei Luther und
noch bei Aler 1727 Reiser. ABL. Kaiserin,
f., mhd. keiserinne, im 12. Jh. keisertn, ags.
cäsern f. kaiserlich, adj., mhd. keiserlich,
ahd. keisur-, cheisar-, chaisarlih, ags. cäserlic.
Kaiserling, m,, an G-eruch, Geschmack und
Farbenpracht der edelste unter den eßbaren
Schwämmen, amanita caesarea. 1540 bei
Alberus dict. Dd 3* keyserling. Kaisertum,
n., mhd. keisertuom, ahd. cheisertuom n. ; dazu
asächs. kesurdöm, ags. cäserdöm m. ZUS.
Kaiserkrone, f., 1581 bei Fischart Bienk.
127^ Keyserskron; Zwiebelgewächs mit einer
Krone glockenförmiger hängender Blüten,
fritillaria imperialis, aus Persien stammend,
1657 bei Harsdörffer Gespr. 2, 199 Kaisers
Krone. Kaiserreich, n., mhd. keyserriche n.
Kaiserschnitt, m.: Kreuzschnitt in die
Seite und Gebärmutter einer Schwangern,
um das Kind herauszunehmen. 1789 in
Stillings häusl. Leben 43. Übersetzung von
Sectio caesarea, vgl. Melber (1482) D 6* Cesar
keiser, sie dictus, quod ex venire matris cesics.
Kajüte, in Bayeni und Österreich auch
KajÜtte, f. (PI. -w): Schiffszimmer. Im
15. Jh. bei Beheim Kajüte f., aufgenommen
aus mnd. kaiute, nd. kajüte, ndl. kajuit,
schwed. kajuta, franz. cajute f. Dazu auch
afranz. chahute, cahuette, nfranz. cahute f.
«scBaracke», aus denen sich erklärt dän.kahyt,
vläm. bei Binnaert cahuyte, cahute «Kajüte».
Die Herkunft ist unbekannt. Literatur bei
H. Schröder Streckformen 35.
Kak,m.(-[e]s, Pl.-e): Schandpfahl, Pranger.
Li Norddeutschland. Md. im 14. Jh. kak m.,
aufgenommen aus mnd. käk, 1420 ndrhein.
kaeck m. (Diefenbach gloss. 353^). Der urspr.
Begriff scheint nach der pommerschen Neben-
bedeutung bei Dähnert 212 «Stock, Pfahl».
Dazu ndl. kaak, entlehnt schwed. käk, dän.
kag «Schandpfahl». Verwandt sind lit.zaginis
m. «Pfosten», zägre f. «Pflug», zagaras m.
«dürrer Ast».
Kakadu, m. {-s, PI. -s und -e): der ost-
indische Schopfpapagei. Ln 18. Jh. aus ndl.
kakketoe f., von dem malayischen Namen käka-
tilica, der den Schrei des Vogels nachahmt.
Kakao, m. (-s) : Frucht des Kakaobaumes.
Aus franz. -ital.-span.-port. cacao, das auf
gleichbed. mexikanisch cacao zurückgeht. Bei
Seb. Münster Cosmogr. 1628 S. 1607 Cacao.
Kake (spr. kek), m. (-5, PI. -s): Ai't Ge-
bäck. Aus engl, cake «Kuchen», das viel-
leicht dem Nordischen entstammt, schwed.
kaka «flaches Brot», dän. kage, im Ablaut
stehend zu d. Kuchen.
kakeln, v.: gackern; schwatzen. In Nord-
deutschland. In eig. Bed. mnd. kakelen, dazu
ndl. kakelen, bei Kilian kaeckelen, engl, cackle,
schwed. kackla, dän. kagle; in übertragner
Bed. bei Luther .., 68'' Jen., 1495 in der
Kölner Gemma •17'^ kakelen, 1477 clevisch
gakelen. Lautmalend. ABL. Kakelei, f.:
Geschwätz, 1588 bei Ringwaldt Eckart K 3.
Kakerlak, m. (-s, -en, PI. wie Gen.): licht
scheue Schabe; dann auch lichtscheuer Mensch,
Albino (bei Campe). Ndl. kakkerlak m. Mit
dem Tier aus Südamerika, wo man kakerlakki
sagt. Als Schimpfwort nd. schon im 16. Jh.
bei Soltau Volksl.^ 283.
Kaktus, m. (Gen. und PI. wie Nom. und
PI. Kakfeen): Fackel-, Rankendistel. Aus
Südamerika stammend, benannt nach gr.KciKToc
f. m., eine stachlichte Pflanze.
Kaland, m. (-s, PI. -e): Brüder-, Ge-
nossenschaft andächtiger Personen. Md. im
13. Jh. kalant m. (Konemann 94. 271. 617),
afries. kaiende f. Der Name daher, daß sich
die Biüderschaft regelmäßig am ersten Tage
jedes Monats (lat. calendae, daher ahd. im
11. Jh. kalend «erster Monatstag», s. Kalender)
zur Fürsorge für Begräbnis und Seelenheil
Verstorbner und zu gemeinschaftlichem Mahle
zu versammeln pflegte, welches zum üppigen
Schmaus gewordne Mahl selbst md. kalant,
nd. kaland benannt wurde, daher dann Kaland
überhaupt s. v. a. «üppiger Schmaus» und
(bei Stieler 1691) «gesellschaftliche Zusammen-
kunft», kalendern «schmausen und zechen»
(bei Frisch 1741 caländem).
Kalauer, m. (-s, PI. wie Sg.): schlechter
Witz. Wahrscheinlich in Berlin aus franz.
calemhour[g) m. «Wortwitz» umgebildet, das
von dem deutschen um 1500 erschienenen
Schwankbuche Philipp Franckfürt-ers zu Wien
«der Pfaff vom Kaienberg» herstammt. Wohl
mit Anspielung auf Leder und auf die ge-
ringere Sorte Schuhe und Stiefel, die das
Städtchen Kalau in großer Menge nach der
13 Meilen entfernten Reichshauptstadt liefert.
Kalb, n. {-[e]s, PI. Kälher): Junges vom
Rindvieh und Rotwild. Mhd. kal}), ahd. chalp
n.; dazu anfränk. cälf, ndl. kalf n., ags. cealf
965
Ealdauneu
Kalfakter
966
n. m., engl.calf, anord.kalfr m..,schyveä.kalf m.,
dän. kalv. Xebst mhd. kilber e, ahd. chil-
hurra f. «Mutterlamm», ags. cilforlamh n.
«weibliches Lamm» wohl ui"v erwandt mit
aind. gärhJuis, awest, gardwa- m. «Mutter-
leib, Leibesfrucht», und vielleicht auch weiter
zu gl". beXqpüc f. «Gebärmutter». Doch macht
der Guttural Schwierigkeiten. Oder zai gallo-
lat. galba f. «Schmerbauch». Im Germ, finden
wir auch die Bedeutung «Wade», anord. kälfi
m., engl, calf, anord. kalfdböt f. «Lende».
ABL. Kalbe, f. (PL -n): junge Kuh bis
zum ersten Kalben. IMhd. kalbe, ahd. kalba f.
«weibliches Kalb», got. kalbö f. «junge Kuh».
Auch Kalbin f. bei Stieler 1691, im Yoc. opt.
(Leipz. 1502) Ff 5» Kalben, kalben, v.:
ein Kalb gebären, mhd. kalben; dazu ndl.
kalven, ags. cealfian, engl, calve, anord.
kelfa. kälbern, v.: springen wie die Kälber,
alberne Possen machen (1528 bei H. Sachs
kelbern, ndl. kalveren); sich erbrechen, wohl
mit Anspielung auf das ähnlich klingende
Blöken der Kälber (1797 bei Heynatz, ndl.
bei Kilian kalven). kälbern, adj., mhd.
kelberm. ZUS. 1) mit Kalb- : Kalbfell, n.,
mhd. kalpvel; bildlich «Trommel» 1602 bei
Kirchhof Militaris discipKna 209. Kalb-
fleisch, n., mhd. kalpvleisch; bildlich von
ungewitzigter Jugend, im 15. Jh. bei Keisers-
berg (Euangelia 35). 2) mit dem Gen, Sg.
Kalbs-: Kalbsbraten, m., 1561 belMaaler.
Kalbsbrust, f., im 16. Jh. (Anz. d. Germ.
Mas. 1860, 401). Kalbsfuß, m., mhd. kalbs-
fuo^ (Buch V. guter Speise 27, 89). Kalbs-
gekröse, n., im lo. Jh. Kalbskroes (Xürnb.
Pol.-Ordn. 229). Kalbskopf, m., Anfang
des 15. Jh. (Germania 28, 371). 3) mit dem
Gen. Plur. Kälber- : Kälberkem, m., wilder
Kerbel, chaerophyllum süvestre, anthriscus
silvestris, auch Kälberkropf m. genannt, 1540
bei Alberus Dict. DD 2*^ kelberkern, im 15. Jh.
kelbkernen (Mone Anz. 8, 103, 40), gleichsam
Kernen d. i. Getreide der Kälber, weil das
Rindvieh die jungen Blätter frißt. Umdeutung
von Kerbel (s. d.).
Kaldännen, PL: die Gedärme, besonders
die eßbaren. Schon 1616 bei Henisch nur
der PL Caldau7ien; der Sing, ist unüblich,
aber md. im 15, Jh. caldüne, koldün f. (Diefenb.
Gloss. 556°), mnd. kaldüne, koldüne, auch
kallüne, kolüne (noch md. Kallaunen). Ins
Mhd. aufgenommen auch kaltän. Aus dem
gleichbed. mlat. calduna f., woher auch afranz.
chaiidun, cauldun, engl, chawdron, im 15. Jh.
chaudoun, von lat. calidus, cahhis «warm»,
urspr. wohl «das noch dampfende Eingeweide
frisch geschlachteter Tiere». Dem Deutschen
entlehnt schwed.-dän. kallun, femer tschech.
kaldoun, kaltoim, poln. kaldiin m.
Kaiebässe, f. (PL -n): Flaschenkürbis;
Birnenart. Über gleichbed, franz, calebasse
aus span. calabaza, port. cabaga, einer Ent-
stellung von lat. Cucurbita f. «Kürbis». 1632
bei Kilian.
Kalekut, m. (-s, -en, PL -en), auch
KalekÜter, m. {-s, PL wie Sg.) : Truthahn.
1558 bei Heußlin 103 kalekuUisch Hün, 1711
bei Rädlein calekutischer Hahn, Calecutsch-
Hahn, bei Voß Idyll. 13, 125 im PL Kalkuten.
Der in Nordamerika einheimische Vogel wurde
zuerst von den Spaniern 1524 aus Florida
nach Europa gebracht und, da Amerika zu
Anfang des 16. Jh. noch für einen Teil In-
diens gehalten wurde, nach der damals be-
kanntesten Handelsstadt Vorderindiens Calicut
benannt, iranz. coq d'Inde, dindon, ital. gallo
d' India, 1715 bei Amaranthes Türckischer
oder Indianischer Hahn, engl. Turkey cock.
Kalander, m. (-s, PL wie Sg.)-. Zeit-
weiser durchs Jahr. 1482 im Voc. theut. p S**
kalender, sonst im 15. Jh. kolender, collender,
aus den gleichbed. spätmlat. calendarius m.,
calendarium n., einer Ableitung von dem
lat. Plur. calendae «erster Monatstag», dann
«Monat». Mhd. hatte man die Form kalen-
dencere, md. calendenär m. RA. Kalender
machen «in tiefen Gedanken, nachdenklich
sein, Grillen fangen». 1664 bei Duez.
kalandern, s. Kaland.
Kalesche, f. (PL -n)-. leichter offner
Reisewagen. 1636 bei Möhner 54 (hgb. v. "
Czerny) Calleche, bei Grimmeishausen Simpl.
2, 195 (Keller) Calesch f., 301 m., 1664 bei
Duez Cales f., 1734 bei Steinbach Kaiesse
und noch bei Goethe 31, 28 Calesse f. Aus
dem Slawischen, tschech. kolesa (poln. kolaska,
niss. koljdska) f. «Räderfuhrwerk», urspr.
Plur. von kolo f. «Rad». 1604 bei Colerus
Hausb. 3, 109 ein klein Wegelein mit vier
kleinen Raden, da man nur ein Pferd vor-
spannet, in Polen nennet mans eine Kolesse.
Aus dem Deutschen franz. caleche f., ital.
calesse, calesso m.
Kalfakter, m. (-s, PL wie Sg.) : Schmeich-
ler, Aushorcher, eig. Stubenheizer. Im 16. Jh.
Calfactor, von Lehrern wie Schülern zu
allerlei niedrigen Diensten gebrauchter Ein-
heizer in Schulen (1524 bei H. Sachs vier
61*
967
kalfatern
Kalmänser
968
Dialoge 24, 30 Calefador, bei Luther Haus-
postill 401 ^ Galfactor, 1572 bei Fischart Pract.
Großm. 9 Kolfador), aus mlat. calefador m.
(Warmmacher) als Wort der Kanzlei- uiid
Schulsprache. ABL. kalfäkteru, v.: an-
bi'ingen; den Pudel machen,
kalfatern, v.: ein Schiff ausbessern, es
•wasserfest machen. 1716 bei Ludwig cale-
fatern, aber 1709 bei Hübner Calfaterung.
Niederdeutsch. Ndl. kalefateren, kalfateren,
von franz. calafater, calfeutrer, span. cala-
fatear, ital. calafatare, vielleicht aus arab.
qälafa, qällafa «ein Schiff verkitten».
Kali, n. (-s): ein Salz. Erst im 19. Jh.
abstrahiert aus Alkali (s. d.).
Kaliber, n. {-s, PI. vsie Sg.): Durch-
messer des Geschützrohrs; Kugelmaß nach
Größe und Schwere; Art, Schlag. Li erster
Bed. 1616 bei Wallhausen Kriegsmanual 108
Calibei' m. Aus franz.-prov.-span. calibre,
ital. calihro m. «innrer Durchmesser einer
(Geschütz-) Röhi'e», neben veraltetem span.
calibo m., von arab. qälah «Form, Leisten».
Kalif, m. (-en, PI. -en): Nachfolger (und
Stellvertreter) Mohammeds. Mhd. kalif m.,
aus arab. chaltfa «Nachfolger», als Titel des
unmittelbaren Nachfolgers Muhammeds Abu-
beki', von chälafa «nachfolgen».
Kaliko, m. (-S, PL -s): Baumwollen-
gewebe. 1773 bei Amaranthes^ Calicon. Aus
engl, calico, franz. calicot m., benannt nach
der ostindischen Stadt Calicut an der Mala-
barküste, woher der Zeugstoff zuerst kam.
Kalk, m. (-es, PL -e): Stein aus Calcium-
oxyd, der gebrannt wird und mit Wasser
begossen zerfällt; die so zerfallne Masse.
Mhd. kalc, ahd. calc, chalc und mit regel-
rechter Verschiebung des zweiten c chalch,
chalh m. (daher noch md. und oberd. Kalch,
auch bei Goethe Br. 4, 125, 126); dazu and.
calc, ndl. kalk, ags. cealc m. (engl, clialk
«Kreide»). Aus lat. calx f. (Gen. calcis),
das zu gr. xäXiS m. f. (Gen. xö^ikoc) «Kalk-
stein» gehört. ABL. kalken, V.: mit Kalk
bearbeiten oder bestreichen, mhd. kelken,
kelchen, ahd. im Part. Prät. gichald, gichalht;
dazu anord. kalka. kalkicht, kalkig, adj.,
1562 bei Mathesius Sarepta 49^ kalchicht,
1691 bei Stieler kalkicht, 1741 bei Frisch
kalkig. ZUS. Kalkofen, m., ahd. chalhovan,
mhd. kalcoven. Kalkspat, m. {-es, PL -e):
kohlensaurer Kalk, 1775 bei Adelunsr.
Kalkül, m. (-S, PL-e): Berechnung. Im
18. Jh. (Schiller Wallenst. Tod 4, 8), von lat.
caleulus m. « Steinchen, Eechenstein eben». 1727
bei Hübner (aus der Kaufmannssprache) cal-
eulus. Dazu kalkulieren, v. : berechnen, aus
lat. calculäre «ausrechnen», eig. mit Rechen-
steinchen, franz. calculer; bei H. Sachs Fastn.
41, 188 calculirn.
Kalle, f.: Liebste (verächtlich), im 19. Jh.
aus dem Judendeutsch, von hebr. kallah
«Braut, Geliebte».
Kalligraph, m. {-en, PL -en): Schön-
schi-eiber. Im 18. Jh. Calligraph, aus gr.
KaWrfpdqpoc «schön schreibend», von KotXXoc n.
«Schönheit» und fpdcpeiv «schreiben». Dazu
Kalligraphie, f.: Schönschreibekunst, im
18. Jh. Calligraphie , aus gr. KuXKifpacpia f.
«das Schönschreiben, schöne Schrift», kalli-
graphisch, adj.: schön geschrieben.
Kalm, m. (bei Stieler 1691; -es, PL -e),
und auch f. (bei Schottell663; PL-ew, Reisbuch
des heil. Lands 1, 355 vom J. 1562 Calnien):
Windstille zur See, Meeresstille; PL die
Kalmen, Gegend der Windstille am Äquator.
Ein nd. Schifferausdruck, dafür ndl. kalmte f.
Aus franz. calme f. «Windstille, Ruhe», ital.-
span.-port. calma f. «Wind-, Meeresstille», wie
sie bei großer Hitze einzutreten pflegt: wohl
von gr. Kaü|ia n. «Hitze».
Kalmank, m. {-s, PL -«): ein mehr ge-
streiftes als geblümtes Wollenzeug. 1715 bei
Amaranthes Galanmnk. Aus engl, calamanco,
span. calamaco, franz. calmande, calemande,
na..kalamink, kalmink. Unbekannter Herkunft.
ABL. kalmanken, adj., bei Voß Id. 16, 12.
Kalmänser, m. (-s, PL wie Sg.): einsam
in Nachdenken und Giillenfang für sich
Lebender, Kopfhänger (1691 bei Stieler Kai-
rneuser): Geizhals (1734 bei Steinbach KaM-
mäuser, noch bayr. Kalniauser). ürspr.
armer Schulmeister (1571 bei Rot und 1583
bei Mathesius Luther 136^ Galmeuser), dann
Schulfuchs, Pedant (1664 bei Duez). Unbe-
kannter Herkunft. Nach H. Schröder Streck-
formen 145, wo weitre Literatoi-, wäre das
Verb kaimausern, kalmüsem, auch klamüsern,
z. B. ndd. ütklamiisern Streckform zu ndd.
klüsern «grübeln». Aber möglicherweise
ein Ausdruck der Studentensprache. Man
könnte ein calmusarius von lat. calnius m.
«Halm» voraussetzen. ABL. Kalmänserei,
f.: Kopfhängerei, Grillenfiingerei (Lessing 12,
401); Geiz (1734 bei Steinbach). Urspr.
Stand und Wesen eines armen Schulmeisters,
bei Rot 1571' (Calmeuserei , annethey und
fretterey), dann Schulfuchserei, Pedanterie
I
969
Kalmns
Kamerad
970
(Dnez 1664). kalmäusem, v.: stuben-
hockend studieren, Grillen fangen (1691 bei
Stieler kalmeusern), urspr. als armer Schul-
meister leben (1664 bei Duez calmensen «mi-
serum scholasticum agere, continue scribere
et studüs ineumbere in der statt Tierunib
gellen die kinder in den Häusern zu lehren^,
1618 bei Schönsleder calmeisen).
£almn8, m. (Gen. und PI. ebenso): cala-
mus aromaticus, ein ge-würzhaftes Schilfrohr,
bes. dessen heilkräftige Wurzel. Im 15. Jh.
kalmus (Diefenbach Gloss. 688°), mit ge-
schwächter Endung Kalnies (bei Luther
2. Mos. 30, 23), Kalins (1734 bei Steinbach),
aus lat. calatyius, gr. KÖXaiaoc m. «Eohr, Schilf».
Kalosche, s. Galosche.
Ealpak, Eolpak, m. (-s, PI. -e und -s) :
Hut, Husarenmütze; (im deutschen Heer)
der tuchene Zipfel an der Husarenmtitze.
Neaire Entlehnung aus t\JLrk.kalpak «Mütze».
kalt, adj. (Komp. kälter, Sup. kältest):
empfindlich der Wärme ermangelnd. Mhd.
kalt, ahd. calt, ehalt; dazu asächs.-afries. cald,
mnd. kalt, nd. kold, nmdl. cout, ags. ceald,
engl, cold, anord. kaldr, schwed. kall, dän. kold,
got. kalds. Eine altertümliche passiv. Parti-
zipialbildung auf -t (entsprechend lat. -fus,
aind. -tas) zu anord. kala, ags. calan «frieren?,
urverwandt mit lat. geläre «gefrieren», gelu
n. «Eiskälte, Frost», gelidus «eiskalt», gr.
feXavbpöv «kalt» (Hesych), lit. gelmenis m.
«heftige Kälte», abg. goloti m. «Eis». Vgl.
küM. ABL. Kälte, f., mhd. kelte, kalte,
ahd. chalti f.; dazu afries. kalde, kelde, mndl.
c<nide f. kalten, v. : kalt werden, mhd. kalten,
ahd. ehalten, and. kaXdon, ags. cealdian.
kälten, v.: kalt machen, mhd. kelten. ZUS.
kaltblütig, adj.: leidenschaftslos, 1724 im
Hamburg. Patriot 19, 3. Kaltschale, f.
(PI. -n) : in einer Schale aufgesetzte kühlende
Speise aus Bier (oder Wein, Milch) und Brot,
Semmel usw., 1660 bei P. Fleming 148, 31
KaXte-Schale, ndl. 1598 bei Kilian Äo?d€-scÄa€?.
KaltSChmled, m. {-es, PI. -e): Dengler und
Spengler, der ohne Feuer arbeitet, Kessel-
flicker. Mhd. kaltstnit, spätahd. (11. Jh.)
chMtsmid m. Kaltsinn, m., 1691 bei Stieler.
kaltsinnig, adj., 1650 bei Moscherosch,
bei Krämer 1678.
Kamarilla, f. (PI. Kamarillen): einfluß-
reiche Hofpartei. Aus gleichbed. span. cama-
rüla f., eig. «besondres Gemach des Königs»
von lat. camara f. «Kammer». Um 1820 auf-
genommen. Vgl. ZfdW. 8, 10.
Kamasche, s. Gamasche.
Kambrik, s. Kammertuch.
Kambüse, f. (PL -«): Schiff-sküche.
Nebenform von Kahüse.
Kam-ie, f. (dreisilbig, PI. -n): Edelstein
mit erhaben ausgeschnittnem andersfarbigen
Bildwerke. Bei Lessüig 8, 159 f. und Goethe
44, 369 Camee m., aus gleichbed. franz. camee,
ital. cammeo, mlat. camoeus m., neben ft-anz.
camoÄeu, span.-port. camafeo, mlat. camayx,
caniahotus, eamahutus m. «Sardonyx, der zu
geschnittnen Steinen verwendet wurde», woher
mhd. gamahiu m. f., i. J. 1410 gamehoe Frankf.
EeichsköiT. 1, 806, gamehee m. Mone Anzeiger
4, 357, im 16. Jh. bei Paracelsas Opera 2, 309
Ganmhey m. «Kamee».
Kam^l, n. {-s, PI. -e): das asiatisch-nord-
afrikanische einhöckrige Lasttier ; (studentisch)
keiner Verbindrmg angehöriger Student (seit
etwa 1830). Bei Luther Caniel, Kamel n.,
das Weibchen Cameli/i f., entlehnt aus lat.
camelus m., während das auf der ersten Sübe
betonte mhd. kemel, kemmel, kenihel m., md.
auch kamel, kammel m., in den Kreuzzügen
aus gr. Kd^rjXoc m. f. (bei den Byzantinern
Kd|LiiXoc gesprochen) entlehnt wurde. Dies
aus dem Orientalischen, hebr. gämäl, arab.
dzamal «Kamel». Ln Ahd. hieß das Tier
olbanta f., noch mhd. olbente, olhende f.,
olhent m., asächs. ol^bundeo m., ags. olfend m.,
got. ulhandus f., urverwandt mit gr. dXecpac m.
(Gen. dXeqpavTOc) «Elefant». ZUS. Kam^l-
gam, n.: Garn aus dem seidenartigen Haare
der Angora- oder Kamelziege, die nach ihrem
langen Halse benannt ist. 1775 bei Adelung.
Kam^lparder, m.: die Girafi'e, 1571 bei
Heyden Plinius 127* Gameelpart, 1482 im
Voc. theut. q3* kemelpard, mhd. kemelopart
(Voc. opt. 38, 18), aus gleichbed. lat. camelo-
pardus, -pardalus m. und camelopardalis f.,
gr. Ka)ir|\oTrdpbaXic f.
Kamelie (viei-silbig), f. (PI. -n): eine
Pflanze, von Linne nach dem Jesuiten CameUi
benannt, der die Blume aus Japan einführte.
Kamelott, m. (-s) : Zeugstoff von Kamel-
haar. 1605 bei Hulsius Dict. Camelot und
Schamlot, mhd. schamlät, schamhlät, im 15. Jh.
samelott und zamlott, 1564 in den Script, rer.
Siles. 4, 192 Tehamlot m., aus gleichbed. franz.
camelot m., von lat. camelus m. «Kamel».
Kamerad, m. (-en, PI. -en): Stuben-,
Mitgenosse, zum Umgang Erkorner. Bei
Schiller rhein. Thalia "^1 786 2, 40 und bei
Goethe 4, 169 noch Kamerade, bei Lessing
971
Kameralist
Kammer
972
1, 28 Kammerade, dann S. 521 f. Kammerad
(wohl wegen Kammer, schon 1678 beilü-ämer
Kamnierat, 1663 beiSchuppius816 Cammerad).
Ndl. 1598 bei Kilian camerade, bei uns im
30jähi-igen Kriege dui'ch die Soldaten in
Übung gekommen (1639 bei Zinkgref Apophth.
2, 81 Rott- oder Spießgesellen, die jetz auf
new-teutsch Gamaraden heissen, vgl. auch
Lauremberg 3, 224), aus gleichbed. franz.
camarade m., von ital. camerata, span.-port.
camarada m. «Genosse» und (ui-spr.) «Gesell-
schaft, Stubengenossenschaft». Die Kollektiv-
bedeutung ging also hier wie bei Fra^ien-
zimmer u. Bursch (s. d.) auf die Bedeuttmg der
einzelnen Person über. ABL. Kameradin, f.,
1774 bei Goethe 19, 11 Kameradin. Kamerad-
schaft, f., 1678 bei Krämer.
Kameralist, m. {-en, PI. -en)-. Staats-
wirtschaftskundiger. 1813 bei Campe, Aus
einem nlat. cameralista m., von einem aus
lat. camer a f. «Kammer» (s. d.) abgeleiteten
Adj. camer alis, woher auch Kamer alwissen-
schaft f., die von der Verwaltung der landes-
herrlichen Einkünfte handelt, dann s. v. a.
Staatswirtschaftslehre (1774 bei Adelung),
nlat, camer alia pl., mit deutscher Endung
Kamerälien, PI. Schon 1703 im Zeit.-Lex.
Cameral- Sachen. Die Benennung daher, weil
die Finanzbehörden früher Kammern hießen.
Kamille, f, (PI. -n): die Arzneipflanze
chamomilla mit Teeblüten, Mhd, camille und
gamille f., gekürzt aus mlat. und ital. cama-
milla, camomilla f., von gr.-lat. chamaemelon,
gr. xaf-ia'Mil^ov n, «Erdapfel» (xa|uai «an der
Erde», |Lif|\ov n, «Apfel»), wegen des apfel-
ähnlichen Geruches der Blüte (Plinius).
Kamin, m. und n. (-S, PI. -e): Schorn-
stein, Nebenschomstein ; Stubenherd. Mhd.
kämm, kemhi m., aus gi'.-lat. cammus m.
«Feuerstätte, Zimmerherd», gr. Kdmvoc f.
«Schmelz-, Brennofen», das zu abg. kamy m,
«Stein» gehört. Vgl. Hammer. Ins Lit.-Slaw.
entlehnt apreuß. kamenis «Feuermauer», Ht.
käminas m. «Kamin», abg, kamina f. «Ofen».
Deutsch im 15. Jh. auch in kemmich (Voc,
1482 q 2^), kümich, kömich, kämet umgebildet.
ZUS. Kaminfeger, m,: Essenkehrer, früh
im 17. Jh, (Scheible Flieg. Blätter 116), dafür
um 1557 kemmich feger (Peter Lewe 454),
1510 bei Keisersberg Has im Pfeffer Aa7°
kemmetfeger.
KamisÖl, n. (-s, PI, -e): ünterwaras,
kurzes Wams, 1643 im Sprachverderber 32
Camisol, 1664 bei Duez Camesol n,, aber
auch noch 1741 bei Frisch Gamisole f., auf-
genommen aus franz. camisole f, «Unterjacke»,
dies entlehnt aus ital. camiciola f,, von ital.
camicia, span.-port. und prov. camisa, franz.
chemise, mlat. cardisia f. «leinenes Unter-
kleid, Hemd (s. d.)».
Kamm, m. (-[e]s, PI. Kämme): Zinken-
werkzeug zum Reinigen, Ordnen und Schmuck
der Haare; (übertr.) gezackter roter Fleisch-
auswuchs auf dem Kopfe des Hühnerviehes,
dann obei'er Hals, Mähne (schon mhd,); mit
Rohrstäbchen versehner Weberrahmen (bereits
mhd,); Weintraubenstiel mit den Stielchen
(spätmhd. 14. Jb.); gezackter Grat eines Ge-
birgszuges (1741 bei Frisch), In urspr, Bed,
mhd. kamp, kam m. und schwachflektiert
kambe, kämme f. m., ahd. kamp und kamho
m.; dazu and.-ags. camh, ndl. kam, engl, comb,
anord. kambr, schwed.-dän. katn m. Eig.
«gezahntes Werkzeug», der Lautverschiebung
gemäß stimmend mit gr. yöfiqpoc m, «Zahn,
Pflock», YO|nqpioc m. «Backzahn», (lit. gemhe f.
«hölzerner Pflock»?), abg, zc^hü m, «Zahn»,
Ht. zambas m. «Balkenkante», alb. dq.mp m.
«Zahn», sänd. jamhJias m, «Fangzahn, Rachen»,
jamhhäte «er schnappt nach etwas». ABL.
kämmen, v,, mhd, kemhen, kemmen, ahd.
chempen; dazu and, kemhian, mndl, kemhen,
ags, cemhen, engl, comb, anord, kemba. Davon
Kämmer, m,, mhd. kemmer «Wollkämmer».
ZTJS. Kammgarn, n.-. Gam aus Wolle,
die durch Kämmen gereinigt und gelockert
ist {Kammivolle f. 1808 bei Campe), erst im
19. Jh. (die deutsche Kammgai'n-Maschinen-
spinnerei wurde 1815 — 20 von Weiß in
Langensalza eingeführt). Kammacher, m,,
clev, 1477 cam-meker, kame-meker. Kamm-
rad, n,: gezahntes (also kammartiges) Rad,
mhd, kamprat (noch 1678 bei Krämer und
1711 bei Rädlein Kamprad), im 15, Jh, kamrat,
mndl, camrat n.
Kammer, f, (PI. -n): wohnliche Räum-
lichkeit in einem Gebäude, insofern sie zum
Nebengebrauche, wie zum Schlafen, Aufbe-
wahren u, dgl. dient (bildlich z, B, in Herz-
kammer, mhd, des herzen kamer Trist. 126, 34);
Raiim im Geschütz oder Gewehr, der die
Ladung aufnimmt (bereits im 15. Jh., damals
ein selbständiges Stück, das geladen ans Ge-
schützrohr befestigt wurde); (von der ahd,
und mhd. Bed. «Wohnung des Fürsten» aus-
gehend) Personal, das zur nähern Umgebung
des Fürsten gehört (im 18. Jh.), ferner fürst-
liche Schatzkammer (seit 13. Jh.), Fiskus,
973
Eammer
Kampagne
974
öffentliclie Kasse, sowie (fürstliche) Gerichts-
stube (14. Jh.), Gericht, endlich Verwaltungs-
behörde (bei Stieler 1691), einzelne Abteilung
einer Behörde; (nach franz. chanibre f. im
19. Jh.) Körperschaft der Landes- oder Volks-
vertretong. Mhd. kamere, kamer f. «Gemach,
Schatzkammer, öiFentliche Kasse, Kammergut,
fürstliche Wohnung», ahd. camara, cJiamwa f.
«Gemach, Palast»; dazu and. kamera, mnd.
camer e t Aus lat. camara, camera, gr.
Kandpa f. «Gewölbe, gewölbter Raum», wo-
her auch span.-port. camara, ital. camera,
franz. cliamhre f. (daraus engl, chamher), serb.
camra, russ. kämora. ABL. Känunerei, f.:
Behörde, die die offentl. Einkünfte verwaltet,
Schatzamt, 1691 bei Stieler. Kämmerer,
m. (-S, PI. wie Sg.): Kammerhen-, Schatz-
meister, mhd. kamenere, kamere)* ahd. cha-
maräri, cameräri m. «höherer Hofbeamter,
Aufseher -über das Schlafgemach, über die
Schatzkammer, Kleider, Waffen», aus mlat.
carnararius, camerarius m. Vereinzelt bei
Goethe 1, 308 für das ital. cameriere m.
«Diener im Gasthof». Kämmererin, ge-
kürzt Kämmerin f. (PI. -nen), mhd. kamercB-
rinne, gekürzt kanierinne, md.auchÄrawimerere,
kemmerere und kamerle. kemerle f. «Kammer-
frau, Hofmeisterin». Kämmerling, m.
(-S, PI. -e): Kammerherr, Kammerdiener,
mhd. kemerlinc, ahd. cliamarling, davon mlat.
camerlingus, camerlengus, ital. caniarlingo,
span. camarlengo, franz. chamhellan m. ZTJS.
Kammerdiener, m., bei Luther (Judith
12, 6); übertragen, leicht bewegliches Tisch-
chen in der Schlafkammer, im 19. Jahrb.
Kammerfrau, f.: oberste Dienerin, ux-spr.
des Schlafgemaches, im 15. Jh. kammerfrowe f.
(altd. Blätter 1, 303). Kammergericht, n.:
oberstes Gericht, urspr.in des Fürsten ^rt»imer,
im 15. Jh. kamergericht. Kammergut, n.
(-[ej-s, V\. Kammer guter): Gut des Fürsten als
Landesherm, Domäne, im 15. Jh. kamergut.
Kammerherr, m., 1482 im Voc. theut. q i*
kamerher m. «oberster Kämmerer». Kammer-
jäger, m.: (vornehm verhüllend für) Ratten-
und Mäusefänger (eig. füi-stlicher Leibjäger),
bei Hagedom neue Fab. 90, nd, bereits im
17. Jh. bei dem darüber spottenden Laurem-
berg3,449 kamer jeger. Kammerjungfer, f.:
Dienerin im Schlafgemach, 1691 bei Stieler,
urspr. Edelfräulein im persönlichen Dienste der
Füi-stin, so 1664 bei Vinf^z Kammer -Jung fr auw,
ndrhein. im 15. Jh. kamerjonffer (Frommann
Ztschr. 2, 441 a). Kammerjunker, m.:
junger Edelmann im Hofdienst um die Person
des Fürsten, 1639 bei Zincgref Apophth. 1,
106. Kammerkätzchen, n.: (neckend füi-)
Kammerjiingfer, 1670 bei Grimmeishausen
Spiinginsfeld Cap. 1 Cammerkätzgen; aber
ndL 1598 bei Kiüan kamerkatte f. «concubina
quam amator sibi soli servat cellae inclusam».
Kammerknecht, m., mhd. kamerkneht
«niedrer Hofdiener», aber auch «Leibeigner
der kaiserhchen Kammer, Jude». Kammer-
lauge,f.: Lauge aus dem Kammertopf, Urin, im
15. Jh. (Fastnachtsp. 92, 7). Kammermagd,
f.: Kammermädchen, m-spr. bei Hofe, 1654
bei Logau 1, 8, 80, nd. 1417 bei Diefenbach
nov. gloss. 122* kamermaghet. Kammer-
musik, f.: Musik für kleinre Räume, urspr.
Mnsik in den füi'stlichen Gemächern, so 1629
(Anz. d. Germ. Museums 1859, 10). Kammer-
präsident, m.: Vorsitzender einer fürstlichen
Finanzkammer (1678 bei Krämer Camm.er-
President), im 19. Jh. auch einer Stände-
kammer. Kammerrat, m. : Finanzrat, 1678
bei Krämer. Kammerton, m.: die gewöhn-
liche Stimmung der Orchesterinstrumente,
zum Unterschied vom Chorton, dem Tone
der (frühem) Orgeln. 1727 bei Hübner
Kammerthon hat den Namen von großer
Herren Kammermusic.
Kammacher, s. Kamm.
Kammertuch, n. i-es)-. sehr feine Lein-
wand, in der Rostocker Ivleiderordn. von 1585
S. 19 Cammertuch, 1664 bei Duez Kammer-
tuch «toüle de Cambray», 1678 bei Krämer
Cammerichstuch oder Cammerleimvat , ndl.
kamerijksdoek. Von der Fabrikstadt Camhrai
im französischen Flandern, vläm. Kamerijk,
spätahd. Kamercha, zur Römerzeit Camara-
cum. Daher im 19. Jh. als Nachahmung der
feinen Leinwand Kambrik m.(-s) : feines baum-
wollenes Gewebe, Batist.
Kammgarn, Kammrad, s. Kamm.
Kamp, m. (-[e]s, PI. Kämpe): mit Zaun
oder Graben eingefaßtes Feldstück. In Nieder-
deutschland. Doch auch spätmhd. kamp m.
(14. Jh.), in der Straßburger Gemma 1508 t 4^
ein pflantzt velt oder ein kamp. Von lat.
Campus m. «Feld», im Mlat. auch «Feldstück».
Kampagne, f. (PI. -n): Feldzug; Dauer
einer Betriebsperiode (in neurer Zeit). Das
franz. campagne f. «freies Feld», dann «Feld-
zug», das zurückgeht auf lat. ca»ipa«üt «offne
Fläche, Flachland», eig. N. PI. eines Adj.
] campanius, von campus m. «Feld». Zur Zeit
des 30jährigen Kriegs entlehnt (Simpl. 323).
975
Kämpe
Kandel
976
^Kämpe, m. (-n, PL -n): Kämpfer, Held.
Bei Frisch 1741 als alt bezeichnet, aber von
Mylius (1777), Voß, Pfeffel (1783) erneuert.
Mnd. kenipe, kampe m. «Kämpfer, Krieger»,
bes. «Zweikämpfer im gerichtlichen Kampf, den
man für Geld dazu mietete», auch md. kempe,
ags. cempa, afries. kampa, kenipa m., anord.
kempa f. imd kappi m. Dafür mit Lautver-
schiebung mhd. kempfe, ahd. chemphjo, kempfo
m. «Zweikämpf er, Kunstfechter, Krieger»,
mlat. (um 600) campio, daher ital. campione,
Span, campeon, franz. Champion m. «Kampf-
held». Zu lat, Campus (s. Kampf).
'^ Kämpe, m. (-w, PI. -n): zahmer Eber,
Zuchteber (bei Klamer Schmidt kom. Dicht.
263 Kempe). Nd. im 16. Jh. kempe m., im
engl. Suifolk-Dialekt kemp «Kämpfer, Eber».
Wohl, wenn man die bekannte, z. B. in Lam-
prechts Alex. 4505, im Lanzelot 3546 hervor-
gehobne Kampflust des wilden Ebers erwägt,
aus dem vor. Wort hervorgegangen.
kampeln, v. refl.: sich hin und her zanken,
sich balgen. Md., auch norddeutsch 1657 in
Schochs Studentenleben A6^ sich herumh
kampeln, mrhein. kampeln-, dazu northum-
brisch campte «hin und her streiten». Das
Verbum scheint abgel. von spätmhd. (15. Jh.)
kempel m. «Streitigkeit Zank», ürspr. wohl
eins mit kabbeln (s. d.), aber an Kampf,
Kämpe angelehnt. Davon Kampelei, f.:
Hin- und Hergezänk e, 1775 bei Adelung.
Kampf, m. (-[e]s, PI. Kämpfe) : feindlicher
Gebrauch der Waffen oder Kräfte gegenein-
ander, dann überhaupt gegen einen Wider-
stand. Mhd. kämpf, ahd. camph m. Zwei-
kampf; dazu mnd. kamp m. n., nnd. kamp,
ags. und mengl. camp, afries. kamp m., ui'spr,
«der fechtkunstgemäße Zweikampf». Auf-
genommen aus lat. Campus m. «Feld», dann
(nach dem campus Martins in Rom, Mainz,
Trier usw.) «Tummelplatz, Kampfplatz», im
Mlat. auch «Zweikampf», besonders der ge-
richtliche. ABL. kämpfen, v., mhd.kempfen,
ahd. (nicht häufig) chamfan, chemfan «einen
Zweikampf bestehn»; dazu mnd. und md.
kempen, ags. campian. Kämpfer, m. (-s,
PL wie Sg.), spätmhd. kempfer, dafür ge-
bräuchlicher kempfe (s. Kämpe).
Kampfer, m. (-s): das destillierte weiße
starkriechende Harz des ostasiatisch. Kampfer-
lorbeerbaums. Mhd. (13. Jahrh.) gaff er und
campher, 1556 bei P\-isius Gampher, 1565 bei
Paracelsus Wundartzney 104 Ganffer, 1616 bei
Henisch Gapher, noch bayr. Gaffer, Schweiz.
Gamfer, aus mlat. cafura und camphora,
neugr. Kaqpoupd, ital. cafura und canfora, span.
alcanfor, vom gleichbed. arab. und pers. käfür,
ind. kanpüra, kapUr.
^Kämpfer, s. Kampf
^Kämpfer, m. {-s, PL wie Sg.): Kragstein
(s. d.), Balkenkopf; Oberschwelle über dem
Türpfosten; Querbalken beim Fensterkreuz.
Seit dem 18. Jh. umgebildet aus Käpfer, mhd.
kepfer (13. Jh., bei Graff 4, 869). Dazu mndL
keper. Vermutlich lat. Ursprungs, vgl. lat.
capreolus m. «hervorragender Strebe-, Stütz-
balken», eig. «Böckchen», zu lat. caper m.
«Ziegenbock».
kampieren, v..- zu Felde liegen, sich im
Felde lagern. Aus dem gleichbed. franz.
camper, von camp m. «Feldlager», aus lat.
dimpus m. «Feld». 1617 im teutschen Michel 8.
Kanal, m. (-s, PL Kanäle) : Wassergraben,
Kunstfluß. Schon md. im 13. Jh. kanäl m.,
eig. «Röhre, Rinne». Wie ital. canale m.
(woher franz. canal m.) aus lat. canälis m.
«Wasserrinne», woher auch ahd. känali, mhd.
kanel, kenel, kener, noch Schweiz. Kännel, tirol.
Kännel, schwäb. Känner m. «Rinne, Gosse».
Kanapee, n. (-s, Pl.-s, bei Wieland Mask.):
Polsterbank zum Widerlehnen und Ruhen.
In einem Lied vom Anfang des 18. Jh. bei
Erk Volksl. 1, 48 Kanapee, entlehnt aus gleich-
bed. franz. cayiape, ital. canope m., dies aus
mlat*. canapeum, lat. cönöpeum n. «Mücken-
netz, Himmelbett», gr. Kujvujireiov n. «Mücken-
netz», dann «ein nach ägyptischer Weise mit
einem solchen Netze versehnes Ruhebett»,
von gr. Kd)viu\\i m. f. «Stechmücke».
Kanarienvogel, m. (-s, PL -vögel): der
zahme, gelbe, von den kanarischen Liseln
stammende Singvogel. 1603 bei Schwenck-
feld Theriotroph. 298 Canarienvogel, 1612 bei
F. Platter 344 Canarienvögelin, 1616 bei He-
nisch auch Canarienzeißle , schon 1555 bei
Geßner canaria avicula 2hickervögele, span.-
port. canario m.
Kanaster, s. Knaster.
Kandare, f. (PL -n): die Gebißstange
an den Pferdezügeln. Im 19. Jh. aus dem
Ungarischen (kantär «Zaun, Zügel») entlehnt
(1839 bei Immermann Münchh. 4, 144 das
abgeleitete Zeitwort abkandaren «die Kandare
abnehmen»).
^ Kandel, f. (PL -w) : Kanne. Oberdeutsch.
Ältemhd. und ^pätmbd. (15. Jh.) kandel f., mit
naturgemäß eintretendem d aus ahd. chanala,
mhd. chanele, kanel, kanl f. «Kanne» (s. d.).
977
Kandel
Kanker
978
-Kandel, auch Kännel, f. (PI -w) : Rinne,
Dachrinne, '^hd. Kanel, Kenel, Kandel, Kaner,
Kener m. «Rinne, Röhret, ahd. chdnali m. ans
lat. canälis, s. Kanal.
Kandelaber, m. (-s, PI. wie Sg.): hoher
Armleuchter. Bei Campe 1813 CandeJaher.
Aus franz. candelahre m. «Armleuchter, großer
Ki'onleuchter», von Iskt. candelähT^m n. «Leuch-
ter», zu lat. candela f. «Kerze».
kandeln, v.: linnen ^vie aus einer Röhre
oder Rinne. Bei Maler Müller 1, 304 aus
der rheinpfälz. Volkssprache, 1540 bei Alberus
kennein «tröpfeln wie der Regen aus der Dach-
lönne», so noch rhein. neben handeln «eine
Rinne bilden», s. -Kandel.
Kandelzncker, m, (s): gereinigter, kri-
stallisierter Zucker. 1664 bei Duez Kandel-
zucker, Kandizucker, Zuckerkandi, 1575 bei
Fischart Gai-g. 298 ^uckerkandel, nach mlat.
sucad-, suzcercandi und bloß candi (Diefenb.
Gl. 564^), franz. stiere candi oder bloß candi
m., ital. candi m., von arab.-pers. qand, qandid
«verdickter ZuckeiTohrsaft, Kandiszucker»,
aind. khanda- m. n. «Stück, Zucker in kri-
stallartigen Stücken».
Kandidat, m. {-en, PI. -en): (geprüfter)
Amtsbewerber. 1663 bei Schuppius 467 Candi-
dat, aus lat. candüläüis «Weißgekleideter»,
denn wer sich im alten Rom um ein Amt
bewarb, erschien im weißen Oberkleide, der
toga Candida (das lat. Adj. candidus «weiß»).
kandieren, v.: überzuckern; zu Kristall
sich ansetzen. 1678 bei Krämer kandiren
«mit Zucker überziehen», aus gleichbed. franz.
candir (auch refl. «sich kristallisieren»), ital.
candire, von arab.-pers. qayid, s. Kandelzncker.
Kandis, m. : kristallisierter Zucker, siehe
Kandelzncker. Bei Campe 1813 Candiszucker.
Kaneel, Kanel, (so in Bayern) m. (-5,
PI. -e): Zimtrinde. Spätmhd, kanel, 1534
bei Seb. Franck Weltb. 204^ Caneü, 1425
nä.caneel m. (Diefenbach Gloss. 119°), mndl.
caneel, ndl. kaneel f., aus fi-anz. gleichbed.
canelle, mlat. canella f., von franz. cane, lat.
canna f. «Rohr, Schilf», weil sich die Zimt-
rinde rohrartig rollt.
Kaneyas (spr. kanewa), m. (Gen. u. PI.
wie Xom. öder Gen. -vasses, PI. Kanevasse):
gestreiftes Leinen- od. Baumwollenzeug; klein-
gegittei'te Leinwand. 1646 bei Moscherosch
Philander 1, 64 Canafas, 1678 bei Krämer
Cannefas, 1715 bei Amaranthes Canevas (aber
schon mnd. im 14. Jh. kanives «grobe Lein-
wand aus Hanf»), aus franz. canevas, ital.
Weigand, Deutsches Wört«rbuch. xAufl.
canavaccio m., von mlat. canavaciiim n. «grobe
Leinwand», zu mlat. canava f. «Hanl'» (s. d.).
Kängnruh, n. {-s, PI. -s): der große
australische Beutelspringhase, 1770 vom Welt-
umsegler Cook in Xeusüdwales entdeckt und
mit dem Namen der Xeuholländer für alle
Vierfüßler Kängnru belegt. 1793 bei Nem-
nich Polyglott.-Lex. 1, 1412; 3, 285.
Kaninchen, n. (-s, PI. wie Sg.): Erd-
höhlenhase. Bei Luther Caninich.en, Kani-
nicken, md. 1517 bei Trochus H2b caninchen,
mnd. konineken n., Dim. von md. canyn,
canyne (Diefenbach gl. 162° aus dem 15. Jh.),
1595 bei Rollenhagen Froschm. 1. 2, 6,79 Kanin
n., clev. 1477 canyn, mndl. cu7ivi (Diutiska
2, 210* aus dem 14. Jh.), ndl. kmijn n., aus
afranz. connin, connil, ital. coniglio, span.
conejo m., von gleichbed. lat. (urspr. wohl
iberischem) cuniadus m. (vgl. Walde); woher
auch mhd. küneclin, küngel n., Anfang des
15. Jh. chunigel (Diefenbach gl. 162°;, 1468
künlin (Diefenbach gl. nov. 124^), 1561 bei
Maaler Kungele, Künele, 1537 bei Dasypo-
dius 276 <^ künelle, külle, 1539 bei Serranus
dict. fS* königle, noch bayr.-östr. Königl,
Könighase, Schweiz. Kiillhase, ei-zgebirg. Kuh-
hase; im östlichen ^litteldeutschlaud 1729 bei
Picander 2, 231 Canickelgen, 1711 bei Räd-
lein Kanickligen, um 1700 bei Chr. Weise
(Wackernagels Leseb. 3, 1, 851) Carnickelgen,
heute in Norddeutschland Karnickel n.
^Kanker, m. (-s, PI. wie Sg.): (lang
beinige) Spinne; Spinnewebe, Li Mittel
deutsehland und Westfalen. Md. 1517 bei
Trochus H6^ spinne oder kanker, im 14. Jh.
kanker (Hermann von Fritzlar in Myst, 1
188, 8). Nicht aus lat. Cancer m, «Krebs»,
sondern germanischen Ursprungs, denn nord
fries. kunker, in schwed. Mundarten kangro m.
norw. kangro, känglo f., Island, köngullö f.
anord. köngurväfa, köngulväfa f. «Spinne»
ags. gangel-, gongehvcefre, gange-, gongewifre f.
(umgedeutet) «im Gehen webende Spinne»
Zugrunde liegt ein Stamm hang oder kank
«weben», wozu auch Kunkel, der erhalten ist
in den entlehnten finnisch kankuri, estnisch
kangur, kangro «Webej», finn.-estn. kangas
«Gewebe».
^Kanker, m. (-s, PI. wie Sg.): Krebs-
schaden an Pflanzen (Wieland, Adelung).
Md. Cancer m. «Krebskrankheit» (Köpkes
Passional 504, 8), ebenso ahd. cancher, cancur,
ags. Cancer, engl, canker. Entlehnt aus lat.
Cancer m. «Bo-ebs», dann «geschwürartige,
62
979
Kanne
Kanonier
980
um sich fressende Krankheit», kaum aber
urverwandt mit gr, Y^TTPOC m, «Knorren an
Bäumen», YdTYPaiva f. «krebsartiges Ge-
schwüi-» trotz Kluge KZ. 26, 86 u. a.
Kanne, f. (PI. -n) : hohles Gefäß zu Flüssig-
keiten ; (veralt.) Maß für Flüssigkeiten, Hülsen-
früchte, Butter. Mhd. kanne, ahd. channa f.;
dazu mnd.-mndl. kanne, ags. ca^me, engl, can,
anord.-schwed. kanna f., dän. kande. Daneben
älternhd. Kante, Kande f., noch schweiz.-
elsäss. kante f., mhd.kante, ahd.chanta (10. Jh.),
canada (742), auch canneta, später kannite f.
Vielleicht echt germanisch und mit Kahn
verwandt. Dazu dann mii\ gann «Kanne».
ZUS. Kannenbäcker, m.: Töpfer, der
Kannen fertigt. Im nassauischen Westerwald
das nach seiner Tonwarenindustrie benannte
Kannebeckerland. Kannegießer, m., mhd.
kannen-, kanneJgieger, mnd. kannengeter m.;
Kannegießer in der Bed. «über Staats-, über-
haupt öfiPentliche Angelegenheiten nach seinem
Verstände Schwatzender» erst im 18. Jh. (Ra-
bener 6, 265 vom J. 1760 politischer Kannen-
gießer) -nach dem 1742 erschienenen Lustspiel
der Politische Kanngießer, unter welchem Titel
Detharding zu Altona ein 1722 zum ersten-
mal gespieltes Stück des Dänen Holberg über-
setzte, in dem ein pohtisierender Zinngießer
die Hauptperson ist. Davon kannegießern,
V.: politisierend schwätzen, 1780 bei Goethe
Briefe i, 215. Kannenkraut, n., lat. equi-
setum, 1561 bei Maaier Kantenkraut, im 15. Jh.
kafidelkrut (Voc. ine. teut. m 7 ^), so benannt,
weil es zum Blankscheuern der zinnernen
Kannen gebraucht wird.
Kännel, s. Kandel. ABL. kannelieren,
V.: mit Rinnen oder Riefen versehen. 1791
bei Roth canelierte Säulen.
Kännel, s. Kanal.
Kannibale, m. (-%, PI. -%): Menschen-
fresser; wilder grausamer Mensch. 1534 bei
Seb. Franck Weltb. 224 ^ der PI. Ganibalen,
aus span. Canibal m., umgebildet aus Garibal,
Caribe, bei den Franzosen Galibi, dem ein-
heimischen Namen der menschenfressenden
Karaiben auf den kleinen Antillen; als Wohn-
sitz dieser Menschenfresser beschr. S. Franck
221^ die Insel Canibali, jetzt Dominica. Noch
1628 bei Münster Cosmogr. S. 1723 Carihes
oder Ganibales. ABL. kannibä^lisch, adj.:
höchst roh und grausam. 1575 bei Fischart
Garg. 68 canibalisch, Flöhh. 3546 caniblisch.
KannichtS, m. (unflekt.): Nichtswissen-
der, Nichtsvermögender. 1669 bei Grimmeis-
hausen Simpl. 1, 407 (Kz.) Kannix, bei Luther
Tischr. 194^ Kan nicht. Zusammengefügt
aus (er) kann nichts.
Kanoe, s. Kanu.
Kanon, m. {-s, PI. -s): Maßstab, Richt-
schnur, Vorschrift; Kirchengesetz; (römisch-
katholische) Litanei der Heiligen; Kettenge-
sang (von den Kontrapunktisten des 16. Jh.
Canon d.i. «Richtschnur, Vorschrift» genannt).
Aus gr.-lat. canon m. «Regel, Richtschnur,
Verzeichnis maßgebender religiöser Schriften»,
gr. KaviJüv m. «gerade Stange, Stab, Maßstab,
Norm, Muster, kirchliche Bücher der Glaubens-
regel, Monochord (ein einsaitiger Tonmesser),
kirchliches Lied außer den Psalmen».
Kanonade, f. (PI. -n): wiederholtes
Schießen mit Kanonen, 1648 bei Kemnitz
schwed. Krieg 1, 308^ Canonade, aus gleich-
bed. franz. canonnade f.
Kanone, f. (PI. -n): grobes Geschütz
mit längerm Rohr. 1558 bei Rivius Büxen-
meisterey 33^ ein Canon oder Karthaunen,
so 20 pfund scheusset, und 8 schuch lang ist,
wigt das Ror 2500 pfund, im Laufe des
16. und 17. Jh. als Canon m. (später n.) ein-
gebürgert, 1691 bei Stieler Kanone f., aus
gleichbed. franz. canon, ital. cannone m., Ver-
größerungsform zu franz. canne, lat. canna f.
«Rohr»; Fronsperger (1596) 2, 31^ nennt als
Geschützart Kana, die wigt an jhrem Bohr
75 Centner schwer. Studentisch sind Ka-
nonen «steife röhrenförmige Reiterstiefel»
(Kluge Studentenspr. 98, vom J. 1813); im
17. Jh. hießen Canonen «leinene Strümpfe,
deren Enden man als Zierat in die über-
geschlagnen Kappen der hohen Stiefel legte
und ausbreitete» (bei Stieler 1691), bei Lau-
remberg Scherzged. 2, 627 nach den Canonici
benannt, die sie trugen. RA. Unter der
Kanone «unter aller Kritik, sehr schlecht»,
eine scherzhafte wortspielende Umformung
von Kanon (s. d.), «Maß». ZUS. Kanonen-
fleber, n.: fieberhafte Aufregung im oder
vor dem Kanonendonner der Schlacht. 1792
bei Goethe 33, 72 f. Kanonenfutter, n.:
scherzhafte Bezeichnung für schlechte Sol-
daten. Vgl. Futter für Pulver bei Shakespeare
König Heinrich IV ^ 4, 2, KanonenscMag,
m. (PI. -schlage): Feuerwerkskörper, wie ein
Kanonenschuß krachend. 1757 in Eggers
Kriegslex. 1, 445.
Kanonier, m. {-s, PI. -e): der zu kano-
nieren versteht, Artillerist. 1617 bei Wall-
hausen Corpus militare 204 Canonir, 1616
981
Kanonikns
Eanton
982
im Kriegsmanual 117 Ca)wnier, aus gleich-
bed, franz. canonnier m. — kanonieren,
V.: mit Kanonen schießen. 1648 bei Kem-
nitz schwed. Krieg 1, 308^ canoniren, aus
gleicbbed. franz. canonner.
Kanönikns, Kanoniker, m. (s, PI. wie
Sg.): Chor-, Stiftsherr. Mlat. canonicus m.,
das als Subst. gesetzte Mask. des gr.-lat. Adj.
canonicus (s. kanonisch), eig, «der nach einem
Kanon (s. d.), nach einer geisthchen Vor-
schrift Lebende». Daraus schon spätmhd.
kanonike, ndrhein. im Karlmeinet kanonke,
1678 bei Krämer Canonich.
kanonisch, adj.: dem Kanon (s. d.), der
Regel gemäß, den Kirchengesetzen gemäß,
als kirchhch beweiskräftig anerkannt. 1709
bei Hübner canonisch. Nach dem gr.-lat.
Adj. canonicus, gr. kuvoviköc «regelrecht».
kanonisieren, v,: in den Kanon, d. i.
die (katholische) Litanei der Heiligen auf-
nehmen, heiligsprechen. 1605 bei Hulsius
Dict. h2^ canonisiern, md. um 1300 canoni-
zieren, aus gleichbed. mlat. canonizare, von
gr.-lat. canon m. (s. Kanon).
Kanonissin, f. (PI. -nen): Stiftsfrau,
Stiftsfräulein. Aus mlat. canonissa f. «die
nach geistlicher Yorschiift (dem Kanon)
Lebende, von gi-.-lat. canon m. (s. Kanon).
1709 bei Hübner.
Kanonist, m. {-en, PI. -en): Kundiger
und Lehrer des kanonischen oder Kirchen-
rechts. Bei Luther J. 8, 64^ Canonist, aus
roman. (ital.) canonista, von gr.-lat. canon m.
(s. Kanon). Kanot, s. Kanu.
^Kantate, f. (PL -w): in Arien, Rezita-
tiven, Chören, Chorälen bestehende kirchliche
Singdichtung, 1712 bei Hübner Gantata, aus
dem gleichbed. ital. cantata f. (1688), von
mlat. (1314) cantata f. «Kirchengesang», das
als Subst. gesetzte Fem. des Part. Perf. Pass.
von lat. cantare «singen».
- Kantate, m. n. : Gesang (bei Luther 8, 818 *
Cantate n.), bes. der 98. Psalm (dessen lat.
Text mit cantäte beginnt), dann der vierte
Sonntag nach Ostern, an dem dieser Psalm
bei der Messe gesungen wird. Es ist der
Lnperativ «singt» von lat. cantäre «singen».
^ Kante, s. Kanne.
^ Kante, f. (PI. -n)-. scharfer Rand; scharf
zulaufende Ecke. Ln 17. Jh. (Opitz, Schottel)
aufgenommen aus nd. kante f. «Rand, Ecke,
Seeküste», kant m. «Brodranft», mnd. kante j
f. und kantm. «Ecke, Winkel, Rand», ndrhein.
im 14. Jh. kant m. «Schildrand»; dazu rondl. |
cant m. «Rand», ndl. kant m. «Ecke, Seite,
Küste», aMes. kant «Seite» (in fiuwerkant
«auf der vierten Seite»), Island, kantr m.
«Rand», von afranz. cant «Ecke», ital.-span.
ca7ito m. «Winkel, Ecke, Spitze, Seite», lat.
canthus m. «eiserner Reifen um das Rad»
(nach Qrdntilian urspr. afrikanisch oder hi-
spanisch), gr. KavGöc m. «Radreif, Augen-
winkel», kymr. cant «Radschiene, Kreis, Um-
zäunung, Rand», abg. kqiü m. «Winkel». Vgl.
Walde. Der Plur. in der Bed. «feine, meist
am Rande gezackte Spitzen als Schmuck»
im 17. Jh. (Ganten bei Wigand Btr. 237,
aus Minden von 1658) entlehnt aus ndl. kantt,
PI. kanten «Schmuckspitzen», die in Brabant
gefertigt wurden. ABL. Kantel, n. (-s,
PI. wie Sg.): vierkantiges Lineal (1833 bei
Jahn Merke z. d. Volkstum 196). kauteln
und kanten, v.: auf die Kante stellen, um-
drehen (1775 bei Adelung; 1691 bei Stieler
kanten «zackicht machen»), kantig, adj.:
eckig, 1741 bei Frisch, aber 1691 bei Stieler
kanticht: ndrhein. 1495 in der Kölner Gemma
S8^ vie^-cantich. ZUS. Kanthaken, m.:
eiserner Haken der Auflader, um Lasten an
der Kante fest anzupacken und fortzubewegen.
1775 bei Adelung, nd. 1743 bei Richey, ndl.
kantshaak.
Kanter, s. -Ganter.
Kautllle, f. (PI. -n): Gold- oder Süber-
drahtröhrchen , in Stickereien, Epauletten.
1715 bei Amaranthes Canetille, aus gleichbed.
franz. cannetille f., und dies aus ital. cannettiglia,
einer Ableitung von lat. canna f. «Rohr».
Kantine, f. (PI. -n): Flaschenfutteral,
Flaschenkeller (Lessing ^Minna 3, 7) ; Soldaten-
schenke in der Kaserne. Aus gleichbed. franz.
cantine f., von ital.-span. cantina f. «Keller,
Winkel», zu canto m. «Ecke, Winkeb (s. Kante).
Kanton, m. (-s, PI. -e): Landbezirk, Aus
gleichbed. fi-anz. eanton m., eig. «Land^vinkel»,
ital. cantone m., zunächst «Ecke», abgeleitet
von afranz. cant (s. Kante). Der schwäb.
Ritterbund 1422 bestand aus fünf Gantonen.
In der Schweiz seit Anfang des 18. Jh. (die
dreyzehn Gantons als Name der Eidgenossen-
schaft), im Zeit.-Lex. 1703. Dafür früher
und noch bis Ende des 18. Jh. das Ort (s. d.),
das ebenfalls von der Bed. «Spitze, Ecke»
zu der Bed. «Landesabteilung» überging.
ABL. kantonieren, v.: in einem Land-
bezirk Einlager halten, 1703 im Zeit.-Lex.
cantoniren, aus gleichbed. franz. cantonner,
ital. cantonare. Kantonist, m. (-en, PI. -en) :
62*
983
Kantor
Kapelle
984
Militärpflichtiger. 1813 bei Campe. RA. Un-
sichrer Kantonist: unzuverlässiger Mensch;
eig. unsichrer Militärpflichtiger.
Kantor, m. {-s, PI. -en): Sangmeister in
der Kirche und Schule; Volksschullehrer.
1571 bei Rot Gantor, von lat. cantor m.
«Sänger», im Mlat. «Kirchensänger». Davon
Kantorät, n. (-s, PL -e) : Amt des Kantors,
aus gleichbed. mlat. cantoratus m.
Käntschn, m. (-s, PI. -e): aus Riemen
geflochtne kurze dicke Peitsche. Ende des
18. Jh. bei Lichtenberg 5, 174 Kantscliuh-,
westpreußisch auch Kantschuk. Aus tschech.
kancuch, poln. kanczug m.., von tüi'k. kantschy
«lederne Geißel».
Kann, in Östen-eich Kanoe geschrieben,
n. (spr. kanü, Gen. -s, PI. -s): Baumkahn
der amerikanischen Wilden. 1710 bei Nehring
Canot, Ganoe, 1720 im Robinson 1, 325 Ganoe
m.j aus gleichbed. franz. canot m., engl, canoe,
die wie span.-port.-ital. canoa f. dem karaibi-
schen canäoa entlehnt sind, woher schon 1567
bei ülr. Schmidel cannao 38, 11, cannano 47, 8,
1628 bei Münster Cosmogr. S. 1749 Canoa m.
Kanzel, f. (PI. -n): Predigtstuhl; Lehr-
stuhl; etwas der Kanzel ähnliches, z. B. bei
dem Anstand der Jäger. Mhd. kanzel, ahd.
chäncella f., aus lat. cancellus m., PI. cancelli
«Gitter, umgitterter Raum», kirchlich-mlat.
«der vom Schifi'e der Kirche durch ein Gitter
getrennte Raum des Allerh eiligsten, wo der
Hochaltar und die Sitze für die Geistlich-
keit waren», auch «Söller, Balkon». ABL.
kanzeln, v.: jem. von der Kanzel herab eine
Strafpredigt halten, 1778 bei Hermes Soph.
Reise 6, 339, s. abkanzeln. ZUS. Kanzel-
Sprnng, m.: das kirchliche Aufgebot Ver-
lobter von der Kanzel herab (gern im Scherze),
1776 bei Voß Id. 6, 104.
Kanzlei, f. (PI. -en): Ausfertigungsstube
einer Behörde. Mhd. kanzelte, im 15. Jh.
kanzli f., eig. «der mit Schranken umgebne
Ort, wo sich die Mitglieder eines Gerichtes,
einer Behörde zur Ausfertigung gerichtlicher
Angelegenheiten versammeln», von lat. cancelli
(s. Kanzel). ZUS. Kanzleistil, m.: die in
Kanzleien übliche Ausdrucksweise (1678 bei
Krämer Cantzley-Stilus), insbes. die von der
obersächs. Mundart ausgehende seit dem 15. Jh.
in den Kanzleien der hoch- wie niederdeutsch.
Fürsten angewendete Schriftsprache, auch
Kanzleideutsch n. (1541 bei Franck Sprichw.
2, 12* unser cantzley teutsch).
Kanzler, m. (-s, PL wie Sg.): Vorge-
setzter einer Kanzlei, hoher Würdenträger
zur Ausfertigung öS'entlicher Urkunden, urspr.
des Königs oder Kaisers. Bei Luther Cantzeler,
mhd. kanzelcere, kanzeler, ahd. cancelläri, kan-
zeläri m., aus späterlat. cancellarius m. «Kanz-
leivorsteher», von lat. cancelli (s. Kanzel).
Kanzlist, m. (-en, PL -en): Kanzlei-
schreiber, 1678 bei Krämer Gantzlist, CantzeU
list, aus spätmlat. cancellista m.
Kanzone, f. (PL -»): lyrische Dichtart
provenzalischen Ursprungs, bei den Italienern
ausgebildet. Ende des 16. Jahrh. (1608 bei
Gödeke Grundr. ^ 2, 71 Ganzon) entlehnt aus
ital. canzone m. «Lied», von lat. cantio f. «Ge-
sang, Lied», zu lat. canere «singen».
Kap, n. (-S, PL -e u. -s): Vorgebirge.
Im 16. Jh. ndl. cape, kape (bei Kilian 1598),
daraus 1616 bei Henisch Gape, mit franz.
cap m. aus ital. capo m., von lat. caput n.
«Kopf, Haupt».
kapäl)el, adj.: fähig, tüchtig, vermögend
wozu. 1617 bei WaUhausen Corpus militare
149 capabel, aus gleichbed. franz. capable,
mlat. capabilis,\ on lat. capere «fangen, fassen».
Kapaun, m. {-s, PL -e): verschnittner
Hahn. Mhd. kappün m. (auch «Kastrat»), im
14. Jh. cappaun; dazu mndl. cappoen, ags.
capün m., engl, capon, wie franz. chapon,
ital. cappone m. aus gleichbed. gr.-lat. cäpo
(Gen. cäpönis), gr. köttujv m., aus dessen lat.
Neb'enform cäpus m. die im Mhd. üblichere
schwachflekt. Form kappe, ahd. cappo m.
«Hahn, Kapaun», sich bildete. Mit Anlehnung
an Hahn schon mhd. kaphan m., bei Luther
Gaphan, bei Lessing 1, 54 Kapphahn. ABL.
kapännen, v..- zum Kapaun machen, mhd.
kappen und im 14. Jh. kappaunen.
Kapazität, f. (PL -en): Aufnahmefähig-
keit, Tüchtigkeit ; besonders begabter Mensch.
Unter Einwirkung von frz. gleichbed. capacite f.
aus lat. capacitas f., von capax «fassend».
Im 18. Jh., aber erst durch St. Simon zum
Schlagwort geworden. Vgl. Ladendorf.
1 Kapelle, f. (PL -n): kleiner Schmelz-
tiegel, Schmelzschale. 1616 bei Henisch
Gapelle. Hervorgegangen aus einer Vermi-
schung von mlat. capella, franz. chapelle f.
«Helm eines Destillierkolbens», und franz.
coupelle, ital. coppella f. «Probiertiegel», aus
lat. cupella f. «kleines Gefäß, Fäßchen», Ver-
kleinerungsform von lat. cüpa f. «Küpe, Kufe»
(s. d.). RA. Etioas auf die Kapelle bringen:
«es streng prüfen» (bei Lessing 8, 48); etw.
auf die Gapelle setzen (1694 bei Nehring).
985
Kapelle
Kapitnlar
986
-Kapelle, f. (PI -n): kleine Xebenkirche:
die Gesamtheit der beim Gottesdienst in der
Schloßkapelle des Fürsten, dann bei welt-
lichen Konzerten mitwirkenden Musiker, so-
dann Musikerschar überhaupt. Mhd. kap-
pelle, kappel (auf der ersten Sübe betont),
kapelle, ahd. chapeUa, chappella f. c kleine
Xebenkirche», von mlat. capella f. «kleinres
gottesdienstliches Gebäude, Gesamtheit der
dem Bischof bei heiliger Handlung dienen-
den Geistlichen», zuerst aber «das gottes-
dienstliche Gebäude der französischen Könige»,
in dem sie den kurzen Mantel des heü, Martinus
aufbewahrten; derm mlat capella bedeutet
urspr. ckurzer Mantel», mhd. kappet (Parz.
669, 5), von mlat. capa, cappa f. «das Haupt
mitbedeckender Mantel» (s. Kappe). ZUS.
Kapellmeister, m, : Vorsteher einer Musik-
kapelle. 1605 bei Hulsius Dict, Capelnmeister,
1616 bei Henisch Capellnieister, aber schon
1575 bei Fischart Garg. 92 Capeüemeysterei f.
^Kaper, m. (-s, PL wie Sg.): privile-
gierter Seeräuber; Raubschiff. 1678 beiKrämer
Kaper, aufgenommen aus ndl. kaper m, (wo-
her auch das gleichbed. franz, capre m.), von
ndl. kapen «Freibeuterei zur See treiben»
(kaap f. «Seeraub»), wohl urspr. «auf lauem»,
denn mndl. kapen, clev. capen, mhd. köpfen
«gaffen, umhersehen». ABL. Kaperei, f.:
Freibeuterei zur See, 1694 bei Xehring.
kapern, v.: (durch Seeraubj erbeuten, 1678
bei Krämer kaperen.
-Kaper, f. (PL -n): Blütenknospe des
Kapernstrauches. 1482 im Yoc. theut. k2*
der PL gappern, 1561 bei Maaler Kappren,
1495 in der Kölner Gemma cappres, 1477
clevisch caperen. Aus gleichbed. franz. capre f.,
ital. cappero m., von mlat. capera, gr.-lat.
capparis, gr. Kd-n-rrapic f., arab. kabar, kdbhär.
Kapfenster, n. (-s, PL wie Sg.): kleines
vorspringendes Dachfenster. 1668 bei Chr.
Weise die Yerkleinerung Kappfenstergen. Zu
nd.-ndihein. kapen, mhd. kapfen «blicken,
spähen, gaffen».
Käpfer, s. Kämpfer.
kapieren, v.: fassen, begreifen. 1728 bei
Sperander capiren. Aus lat. capere «fassen».
Kapital, n. (-s, PL -e und -ien}: das
Haupt-, Grundgeld. 1616 bei Henisch Capital,
aus gleichbed. franz. capital m., von mlat.
capitale n., dem als Subst. gesetzten Neu-
trum des lat. Adj. capitälis «den Kopf, das
Leben betreffend, vorzüglich» (daher Kapltal-
in Kapitalverbrechen u. a.), abgeleitet von
lat. cajyut n. (Gen. capitis « Haupt, Haupt-
geld». ABL. kapitalisieren, v.: das Kapi-
tal ausrechnen nach den Zinsen; in ein Kapi-
tal verwandeln, zum Kapital schlagen. Von
gleichbed. franz. capitalisei: Kapitalist, m.
i (-e», PL -eil): Besitzer eines Kapitals, im
, 17. Jh. (1694 bei Nehring) nach franz. capi-
taliste m. «Rentner», Kapitalismus, m.:
die heutige kapitalistische Geldwirtschaft im
j Gegensatz zum. Sozialismus. Erst in der
I 2. Hälfte des 19. Jhs.
I Kapital, Kapitell, n. (-s, PL -e und
Kapitaler): Säulenknauf. Mhd. kapitel n^
1482 im Voe. theut. ql^ kaptele, 1561 bei
Maaler Capital, aus lat. capitellum neben capi-
tulum n. «Säulenkopf», eig. «Köpfchen». Ver-
kleinerungsform von lat. Caput n. «Kopf».
Kapitän, m. {-s, PL -e): Hauptmann,
das 1843 in der preuJjischen Armee dafür
eingeführt wurde; Schiffsoberster (1645 in
Mandelslö's Reisebesehi-. Kap. 14). Im 15. Jh.
kappethen. cappitenm. «Anführer», aus gleich-
bed. franz. capitaine m,, von mlat. capitaneus
m. «Soldatenbefehlshaber» (zu lat. caput n.
1 Haupt»), woher schon spätmhd. kapitän.
kapitänius, capitänje m,, 1562 im Reisbuch
d. heü. Lands 1, 358 Capiten, bei Opitz und
Fleming Capitein, Capitain (: ein), nach ndL
kapitein, nd. kaptein.
Kapitel, n. i -.s, PL wie Sg.) : Hauptstück
einer Schrift (1531 bei Hedio Josepbus Vorr.
4° Capitel); Versammlung der Herren eines
Stifts. Mhd. capitel n. «feierHohe Versamm-
lung, Konvent», ahd. capital, capitid n. «Über-
schrift», aus lat. capitulum n. (im Kirchen-
latein) «Auf-, Überschläft, Hauptstück einer
Schrift, Versammlung eines geistlichen oder
weltlichen Ordens», weü in ihr die in Kapitel
geteilten Ordensstatuten verlesen wurden oder
auf Grund derselben Verhandlungen statt-
fanden. Verkleinerungsform von lat. capnit
n. «Hauptj;, dann «Hauptstück einer Schrift».
ZJJS. kapitelfest, adj.: bibelfest, 1711 bei
Rädlein.
kapit^ln, V. : durch scharfe Worte strafen,
eig. jem. das Kapitel lesen. So schon mhd.
kapiteln, aber ahd. capitiilön, capitalön «über-
schreiben», aus mlat, capiUdare «kurzes zu
Lesendes laut vortragen, in Worten strafen,
Schriftliches in Abteilungen sondern», von
lat. capitulum (s. Kapitel).
Kapitulär, m. (-s, PL -e): Chor-, Stifts-
herr. 1728 bei Sperander, 1710 bei Behring
capitulares. Aus gleichbed. mlat capitularis
987
Kapitulation
kapntt
988
m., dem als Subst. gebrauchten Mask. des
Adj. capituläris «zum Kapitel (der Ordens-
versammlung) gehörig», von lat. capituluni
(s. Kapitel).
Kapitulation, f. (PI. -en): Vergleichung
auf Bedingungen. 1577 bei Henricpetri Gene-
ralhistoria 360 und 1616 bei Henisch Gapi-
tulation, aus franz. capitulation f. «Vertrag,
vertragsmäßige Übergabe im Kriege», aber
mlat. capitulatio f, «Verzeichnis der Haupt-
stücke». (S. d. folg.)
kapitulieren, v.: über gestellte Haupt-
punkte verhandeln: wegen Übergabe unter-
handeln, sich durch Vertrag ergeben (1703
im Zeit.-Lex.). 1571 bei Rot capitulirn «ver-
handeln». Aus franz. capituler, von mlat.
capitulare «ein Übereinkommen treflFen, einen
Vertrag schließen».
Kaplan, m. (-s, PI. Kaplans), in Öster-
reich und Bayern auch Kapellan: ange-
stellter untergeordneter Hilfsgeistlicher. Mhd.
kap{p)el(l)än m., aus mlat. capellanus m.
«Geistlicher, der den Gottesdienst an einer
Kapelle (s. d.) zu versehen hat».
kapores: tot, entzwei, zugninde gerichtet.
1774 bei Bürger 185 kapores. Jüdische Aus-
sprache des rabbinisch-hebr. kappöreth f. «Ver-
söhnung, Sühnopfer», eig. «Deckel der Bun-
deslade». Unsre heutige Bed. daher, daß am
großen Versöhnungstage mancher Jude einem
Mchtjuden seine Sünden auferlegen wollte
mit den Worten «Sei du meine kappöreth!-»,
d. i. mein Sühnopfer, was dann den Sinn
hatte «Stirb du für mich zur Versöhnung
mit Gott!»
Kappe, f. (PI. -«): Art Kopfbedeckung;
Kutte. Mhd. kappe, ahd. kappa f. «Mantel,
der mit einer Kapuze zugleich den Kopf
bedeckte». Dazu and. kappa f. «Kappe, Um-
hang», mndl. cappe f. «Kopfbedeckung», ndl.
cap «Kapuze», ags. cceppe f. «Kappe, Mantel»,
engl, cap «Mütze», anord. käpa f. «Überkleid,
Mantel», aus mlat. (um 600) cappa, capa f.
■ Mantel mit Kapuze», das vielleicht dem
Keltischen entstammt. RA. Etwas auf seine
Kappe nehmen: «die Verantwortung oder die
Folgen tragen» (eig, «die Schläge», vgl. einem
ettvas auf die Kappe geben). Es setzt Kappen,
d, h, «Schläge, Zm-echt Weisungen» (1641 bei
Scherffer Ecloga 96),
^kappen, v.: abhauen {den Anker k., d,h.
das Ankertau); die Spitze abhauen. 1716 bei
Ludwig, aus gleichbed. nd. und ndl. kappen;
mndl. eappen, mengl. chappen «zerschneiden».
engl, cliap «spalten», schwed. kappa, dän. kappe
«die Spitze abhauen». Herkunft unklar.
^kappen, v.: verschneiden, kastrieren.
Mhd. kappen, von mhd. kappe m. s. Kapaun.
Kappes, m. (Gen. ebenso): weißer Kopf-
kohl, Weißkraut, lat. brassica capitata. Um
1480 im Voc. incip. teut. f4*' gabaßkraut,
mhd. kappug, kappi^, kabeg, kabag m., spät-
ahd. kabug, capug. Wie gleichbed. franz. cabus
m., ital. capuccio m. aus lat. caput n. «Kopf»,
mlat. caputium n. «Kopfbedeckung».
Kapphahn, m., s. Kapaun.
Käppi, n. (-S, PI. -s) : niedriger Soldaten-
schako. Seit etwa 1830 in deutschen Büi-ger-
wehren eingefülirt, Schweiz. Verkleinerungs-
form von Kappe (s. d,).
Kappzaum, m. (-s, PI. Kappzäume):
Zaum mit Nasenband. 1689 bei Lohenstein
Ihr. 20 und 1691 bei Stieler Kappzaum, 1664
bei Duez Kappezan, mittels Anlehnung an
Kappe und Zaum aus gleichbed. franz. cavegon,
ital. cavezzone m., von ital. cavezza f. «Halfter»,
afranz. chevez, chevece «Kragen», die auf lat.
capitium n. «Mieder, Kopfloch des Kleides»,
später «Haube», von lat. caput n. «Kopf»
zurückführen.
Kaprice, Caprice (in Österreich), f.
(PI. -n): steifsinnige Laune. Im 17. Jh. aus
franz. caprice m. «wunderlicher Einfall», ital.
Capriccio m., span.-portug. capricho von lat.
caper m. «Bock», in Beziehung auf das Be-
nehmen dieses Tieres, kaprizieren, V. refl. :
eigensinnig auf etwas bestehen, 1813 bei
Campe, kapriziös, adj., 1687 bei Hohberg
2, 854^ Capriccios.
Kapriole, f, (PI. -n): Bocks-, Luftsprung.
1576 bei Mathesius Luther 19^ Capreole, aus
gleichbed. ital. capriola f., von lat, caper m.
«Bock».
Kapsel, f. (PI. -n) : Gehäuse, etwas, hin-
einzutun. Anfang des 15. Jh. kapsei (Diefen-
bach nov. gloss. 74% auch aus gleicher Zeit
nd. capsel), and. kapsiUn «Kästlein», aus lat.
Capsula f. «Kästchen», Dim. von lat. capsa f.
«Kiste», woher mhd. kafse, kefse, ahd. kafsa,
kefsa f. «Reliquienbehälter», and. kaps, kefsa
«Behältnis, Gefängnis». Ahd. auch capselin
n. «Kästchen», von mlat. capsella f.
kaputt, bayr. auch kaput, verloren, zu-
grunde gerichtet, hinfällig, kraftlos, tot, ent-
zwei. 1648 bei Kemnitz schwed. Krieg 1, 462*
capot, bei Seb, Bürster 174 (vom J, 1643)
caput. Aus den franz, Kartenspielausdrücken
(im Pikettspiel Duez 1664) il est capot «er
989
Sapuze
Karbonade
990
verliert alle Stiche», faire capot «einen ab-
stechen, vollständig verlieren machen».
Kapuze, f. (PI. -n)-. Mantel mit Koppe;
Mönchskappe. Im Anfang des 16. Jh. ent-
lehnt aus ital. cappudo m., wie franz. capuce f.
von mlat. capucw.m, capiiHuvi n. «den Kopf
bedeckender Teil am Kleid», einer Ableitung
von mlat. cappa f. (s. Kappe).
Kapuziner, m. (-s, PI. wie Sg.): Mönch
des 1528 entstandnen, Kapuzen tragenden
Ordens, einer Abzweigung der Franziskaner.
1616 bei Henisch Capuciner, aus spätmlat.
capucinus m., von capucium n. (s. Kapuze).
Kar, n. (-[e].s, PI. -e): Kessel, Gebirgs-
schlucht. In den Alpen mit verschiedner
Bedeutung weit verbreitet. Vielleicht zu dem
in den Mundarten lebenden Tcar «Gefäß»,
mhd.-ahd. kar n. «Geschirr, Schüssel», and.
har «Korb», got. kos n. «Gefäß, Krug»,
Karabiner, m. (-s, PI. wie Sg.): k-urze
Reiterflinte. 1598 bei Frischlia HohenzoU.
Hochzeit 28 Carpiner, 1650 bei Moscherosch
Phil. 2, 820 Karpiner, 1678 bei Krämer Cara-
hiner. Aus gleichbed. franz. carahine, ital.
caräbina f., abgeleitet von fi-anz. carabin m.
«Reiter mit Feuergewehr bewaffnet». Un-
bekannter Herkunft. Davon Karabinier,
m. (-s): mit einem Karabiner bewaffneter
Soldat. Bei Schiller Wall. Lager 41, dafür
1616 bei Henisch Carabin m., 1616 bei Wall-
hausen Kriegskunst zu Pferd 55 Carbiner,
1664 bei Duez 1, 111 1> Carahiner, 1703 im
Zeit.-Lex. Carabinirer.
Kar äffe, f. (PI. -«): Tafelflasche. 1714
bei Wächtler Caraffe, aus gleichbed. franz.
carafe, ital. caraffa, span.-portug. garrafa f.,
aus pers. ^a/'äbä « Flasche mit weitem Bauche».
Eine Weiterbildung ist Karaffine, f.: kleine
Karafi"e, bei Goethe 23, 296 Caravine, 1712
bei Hübner Carovine f., aus franz. carafine,
ital. caraffina f. Noch in norddeutschen
Städten Karwine.
karambolieren, v.: auf dem BiUard
zwei Bälle treffen; (übertragen) zusammen-
stoßen. Im 19. Jahrh. aus gleichbed. fracz.
caramboler, das vom span. carambola «Ball»
stammt. Unbekannter Herkunft.
Karat, n. {-[e]s, PI. -e): ein Goldgewicht
von 12 Gran ('/.^^ Mark); ein Diamanten-
und Perlengewicht von 4 Gran. 1534 bei
Seb. Franck Weltb.204a Carat, 1477 clevisch
crait, 1428 krät TRechenbuch im Archiv zu
Frankfurt a. M.), aber mhd. garät und karät
n. und f., aus gleichbed. franz. carat, ital.
carato, aijortug.qnirate, mlat. (um 600) cerates,
von arab. qirät, das wieder abgeleitet ist von
dem gr. Gewicht Kepotriov n., eig. «hömchen-
förmig gebogene Hülse des Johannisbrot-
baums». ABL. karatieren, v.: Gold mit
anderm edeln oder einem unedeln Metalle
versetzen. Dafür 1741 bei Frisch graäiren.
karätig, adj.
Karausche, f. (PI. -n): die KaqDfenai-t
cyprinus carassias. 1664 bei Duez Karausche,
Kariitsche, 1550 bei Alberus Fab. 19, 127
Garuse, 1517 bei Trochus Jl*' carutius ein
Karutzschen, 1563 bei Forer 166^ charax,
Karaß, Kariß, md. in Schlesien kara^ (Hofl-
mann schles. Monatsschr. 1, 71). Aus lit.
karosas m., karüsis und dies aus poln.-klruss.
karas, das mit franz. carassin, corassin m.
wohl aus dem gr.-lat. Fischnamen coracinus,
gr. KopaKivoc m, stammt.
Karawane, f. (PI. -n): reisende Gesell-
schaft im Morgenlande, besonders von Kauf-
leuten und Pilgern. 1562 im Reisbuch des
heil. Lands 1, 358 Caruane, 1575 bei Fischart
Garg. 352 Garavane (1582 Gharoana, 1590
Ghoroatia), 1582 bei Rauwolff Reise 28 Car-
ouane, 1647 bei Olearius Garaivane. Aber
schon md. im 13. Jh. carvane (auch karban
Germania 20, 44 j m. «Kriegsbagage, schweres
Gepäck, sowie Ort und Haus der Aufbe-
wahrung für dasselbe». Aus ital. caravana,
,franz. caravane f., von pers. käncän «Handels-
zug, reisende Schar von Kaufleuten und
Pilgern». Davon Karawanserei, Kara-
wanseräi, f. (PI. -en): Herberge füi- Reise-
züge oder Karawanen. 1647 bei Olearius 366
Garwansera und 1645 in Mandelslos Reise-
beschr. 33^ Caravansera. Wie ital. cara-
vanserai von pers. känvän-säräj «Kara-
wanenbui'g, -behausung»,
Karbätsche, f. (PI. -n): dicke Riemen-
peitsche. 1615 bei Messerschmid lust. Narr-
heit 173 Garabafschste, 1650 bei Moscherosch
Phil. 2, 583 Karbatsche, aus gleichbed. tschech.
karabdc, poln. karbac, magyar. korbäcs, von
türk. ki/rbatsch «Peitsche, Ochsenschwanz»,
woher auch span. corbacho m. «Ochsenziemer»,
franz. cravache f. «Reitpeitsche». ABL. kar-
bätschen, v.: durchpeitschen. 1669 bei
Grimmeishausen Simpl. 115 karbäitschen, 1678
bei Krämer karbafschen.
Karbonade, f. (PI. -n): auf Kohlen ge-
bratnes Fleisch stück; Rippenstück. 1714 bei
Wächtler, ndl. 1598 bei Küian karbonade,
über gleichbed. franz. carbonnade aus ital.
991
£arl)imkel
karg
992
carhonafa f., von ital, carhone, lat. carho m.
«Kohle».
Karbunkel, m. (-s, PI. wie Sg.): bös-
artiges Geschwür. 1561 bei Maaler Kar-
funkel, bei Luther (Randglosse zu 4. Mos.
21, 6) Carhuncel, 1536 bei Heinr. v. Eppen-
dorff röm. Historien Bekürtzung 41 Car-
bunckel m. Eins mit Karfunkel (s. d.).
Karch, m. (-[e]s,Pl. -eundKärche) : Karren.
Eheinisch. Mhd. kamch, karreck, karch, ahd.-
and. carruh m. «Karren, Wagen», aus lat.
(urspr. keltisch) carrüca f. «vierrädriger Reise-
wagen», von lat.-kelt. carrus m. (s. Karren).
ABL. Kärcher, m. {-s, PI. wie Sg.): Fuhr-
mann; Karrenschieber. Am Rhein, in Luxem-
burg. Älteriihd. karcher und kärcher, 1482
im Voc. theut. q 1 ^^ karricher, spätmhd. ka-
richer, kercher m.
Kardainom, m. (s, PI. -e): Art mala-
barischen Gewürzes, Mhd. kardamom m. und
kardamuome f., aus gr.-lat. cardamömum, gr.
Kapbd|LHju|aov n.; zugrunde liegt sind, kardamas
m. «eine Pflanze».
Kardätsche, f. (PL -n): Wollkamm mit
Häkchen von Draht; Stallbürste (1742 bei
Trichter Reitlex. Kartätsche). In 1. Bed. 1616
bei Henisch Cartetschen f., bei Fischart Kar-
tetsche (in Kartetschenniacher Prakt. Großm.
1572 8) entlehnt über franz. cardasse f.,
aus ital. cardasso, von ital. cardare, span.
cardar «aufki-atzen. Wolle kämmen», s. Karde.
ABL. kardätschen, v.: WoUe kämmen,
1678 bei Krämer kartätschen, 1605 bei Hul-
sius cardetzschen.
Karde, f. (PL -w): Weberdistel. Mhd.
karte f., ahd. carto m. und carta f., and.
karde «Kardendistel, Wollkratze». Mitgleich-
bed. ital.-span. cardo m., entlehnt aus mlat.
cardus, lat. Carduus m. «Distel». ABL.
karden, v.: mit der Wollkratze rauh machen,
im 14. Jh. und 1561 bei Maaler karten.
^Kardin^, m. (-s, PL Kardinäle): vor-
nehmster Priester nächst dem Papste. Mhd.
kardenäl, md. auch cardinäl, von gleichbed.
mlat. cardinalis m. (urspr. vom 5. bis 11. Jh.
der Titel aUer an einer bestimmten Kirche
festangestellten GeistHchen, dann auf das seit
1059 den Papst wählende Kollegium der
römischen Bischöfe, Presbyter und Diakonen
beschränkt), dem als Subst. gesetzten Mask.
des spätlat. Adj. cardinalis «vornehmst, haupt-
sächlichst», eig. «die Türangel» (lat. cardo m.,
Gen. cardinis, mlat. auch bildlich) «die Haupt-
sache angehend». VgL auch Karnöffel.
"Kardinal, m. (-s, PL -e): vornehmstes
Getränk aus weißem Wein, Pomeranzen imd
Zucker. 1791 bei Roth, aus gleichbed. engL
Cardinal. Vgl. Bischof.
Karosse, f. (PL -n): Liebkosung, Schmei-
chelwort. Im 17. Jh. Caresse, entlehnt aus
fi-anz. caresse, ital. carezza f., von mlat. caritia
f., abgeleitet von lat. cät'us «Ueb, teuer».
Dazu karessieren, v.: liebkosen, schmei-
cheln, im 16, Jh. (bei Logau 2, 1, 38 cares-
siren, aber schon 1572 bei Fischart Prakt.
Großm. 12 Caressierer m.) aus gleichbed.
franz. caresser, ital. carezzare.
Karfiol, m, {-s): Blumenkohl (s. d.).
Ober- und ostmd, 1715 bei Amaranthes Gar-
fiol, 1616 bei Henisch Carifior, 1605 bei Hul-
sius dict. 59 Caulifiol. Wie engl, cauliflower,
coleflower, franz. chou-fleur m. aus gleichbed.
ital. cavol fiore m., zgs. aus cavolo m. (lat.
caulis m.) «Kohl» imd fiore m. (lat. flos m..
Gen. flöris) «Blume».
Karfreitag, m. {-s, PL -e): Freitag vor
Ostern als Todestag Christi. Mhd. karfritac
m. «Klage-, Trauerfreitag», von mhd. kar.
ahd. kara f. «Wehklage, Trauer», asächs. cara
f. «Leid, Trauer», ags. cearu, caru f. «Sorge,
Kummer, Wehklage», engl, care «Sorge», got.
kara f. «Sorge». Über die Herkunft vgl.
Zupitza78. — Karsamstag-, m. {-s, PL -e):
l)eim Volke der Sonnabend nach dem Kar-
freitage. Karwoche, f.: die Woche vor
Ostern, in die der Karfreitag fällt, spätmhd.
karwoche f.
Karfiinkel, m. (-s, PL wie Sg.): der
Edelstein Feuemibin. ^Ihd. karfunkel, kar-
hunkel m. Mit Anlehnung an Funke aus lat.
carJninculus m. «kleine glühende Kohle, röt-
licher Tuf stein, Feuemibin, rotes Geschwür»,
Verkleinerungsform von carbo m. «Kohle».
karg, adj. (Komp. karger, kärger, Superl.
kargst, kärgst): zähe zum Geben und Auf-
wenden. Mhd. karc (Gen. karges, Komp.
kerger) «listig, klug, schlau in gutem und
bösem Sinne; streng, heftig; enge, knapp;
knauserig, nicht freigebig». Ahd. carag, charag
«traurig»; dazu asächs. carag (in mödcarag)
«bekümmert», mnd. karich, karch «sparsam,
geizig», ags, cearig «besorgt, traurig, ängst-
lich», engl, chary «vorsichtig». Mit ableiten-
dem ahd. -ac (nhd. -ig) von ahd, kara f.
«Trauer», got. kara «Sorge» (s. Karfreitag);
die urspr. Bed. ist «besorgt». ABL. kargen,
V.: knausern, mhd. kargen «besorgt, ängst-
lich sein, geizen». Kargheit, f.: Sparsam-
993
Kargo
Karnies
994
keit, Knauserei, mhd. karkheit, karckeit f. «Klug-
heit, Schlauheit, Unfreigebigkeit». kärglich,
adj.: kargend, ärmlich, mhd. charclilich, kerc-
lich «listig, sparsam»; dazu Kärglichkeit,
f., 1808 bei Campe.
Kargo, m. (-S, PL -s): Schiffsladung,
Frachtzettel; Saumlast (von 300 Pfundj; der
mit dem Verkauf oder Einkauf einer Schiffs-
ladung Beauftragte. Anfang des 17. Jh. Cargo
m. «Last», aber schon am Beginn des 15. Jh.
karg f. «Gewichtslast von 3 Zentnern» (Städte-
chi-. 1, 102, 16; 5, 155, 11). Aus span. cargo m.
und carga f. «Last, Ladung», zu lat.-kelt.
carrus m, «Wagen» (s. Karren).
■^karieren, v.: Hungerstrafe erleiden.
1728 bei Sperander cariren, aus lat. carere
«nicht haben, entbehren».
"kariereil, v.: mit Würfel-, Rautenzeich-
nung mustern, namenthch im Part, kariert
von Kleiderstoffen. Aus gleichbed. franz.
carrer, das aus lat. gwoiiräre «viereckig machen»
stammt, von quadr- zu lat. quattuor «vier».
Karikatur, f. (PI. -m)-. Zerrbild. Im
18. Jh. (bei Lessing 6, 382 Carricatur) aus
gleichbed. ital. carricafura f., eig. «tJber-
ladtmg». — karikieren, v.: bis zur Ver-
zerrung übertreiben. Aus ital. caricare «be-
laden, belasten, überladen in Rede oder
Zeichnimg», von vulg.-lat. caricare «beladen,
belasten» (woher auch franz. charger), ab-
geleitet von lat.-kelt. carrus m. (s.- Karre).
Karkässe, f. (PI. -n): Tier-, Schiffs-,
Drahtgerippe; Bombe mit eisernem Gerippe
(1672 erfunden, 1694 bei Nehring Carcasse).
Über gleichbed. franz. carcasse aus ital. car-
cassa f. «Gerippe».
Karl, ein Marmsname. Mhd.-ahd. Karl,
Karel, mhd. auch mit schwacher Flexion
Karle, latinisiert Cärolus. Durch die Er-
hebung der fi'änkischen Hausmeier, von denen
Karl Martell der erste des Kameus ist, auf
den Königsthron der Franken und zumal
mit Karl d. Gr. fast über ganz Europa ver-
breitet; daher abg. krali «König», poln. kröl,
mss. karöli, lit. karälius, magyar. kiräly,
alban. kralj , neugi*. Kpd\ric «König». Ur-
sprünglich Appellativ : mhd. karl, ahd. charal,
karl m. «Mann, Ehemann, Gehebter»; dazu
anord.-schwed.-dän. karl «Mann, (freier) Bauer,
Greis», mit Ablaut kerl, mnd. kerJe «freier,
gewöhnlicher Mann», ndl. kerel «Kerl, Mann»,
fries. tzerl, ags. ceorl «Mann, Ehemann, Ge-
meinfreier. Mann niedem Standes», engl, churl
«Bauer». Grdbed. wohl «alter, reifer Mann»
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
und daher zu gr. yepyxiv, arm. cer m. «Greis».
Vgl. auch gr. -mpaXeoc «alt» mit gleichem
Suffix wie karl, Kerl (s. d.).
Kamien, n. (-s, PI. wie Sg. oäerKamiina) :
Gedicht, besonders Gelegenheitsgedicht. 1616
bei Henisch Carmen, aus lat. Carmen n. «Ge-
sang, Gedicht».
karmesin (auch karmoisin) : hochrot. 1586
in den Script, rer. Siles. 4, 290 f. carmesin
und kermasin, im 15. Jh. bei Ehingen Reisen 28
karmosin, 1605 bei Hulsius cramoisin, 1478
bei Nicl. v. Wyle 24, 24 cremesin, aus ital.
carmesino, cremisi, cremisino m., franz. cra-
moisi m. «das Hochrot», von arab. qirniizi
«scharlachfarbig», eig. mit Kermesfarhe ge-
färbt (s. Kernies).
Karmin, m. (-s, PI. -e): kostbares Hoch-
rot; hochrote Tinte. La der 1. Bed. 1712
bei Hübner Carniin, aus franz.-span. carmin,
ital. carminio m., gleichen Stammes wie kar-
mesin (s. Kermes).
Karn, m. (-[e].s, PI. -e): Butterfaß. Aus
dem Xdd. käme, karn. S. kernen.
Karneol, auch Kamiol, m. (-s, PI. -e):
blutroter, wachstirtig glänzender Edelstein,
sarda rubra. Ln 16. Jh. (bei Paracelsus Opera
2, 309) Carniol, 1616 bei Henisch Carneol. Aus
ital. corniola f., von lat. comeolus «homartig»
(lat. cornu n. «Hom»).
Karner, Kemer, auch Gerner, m. (-S,
PI. wie Sg.): Beinhaus, Fleischkanmier; mhd.
gerner, kerner, karncere «Beinhaus». Aus
mlat. carnarium n. «Fleischkammer» (von lat.
caro «Fleisch»). Noch bayi'isch.
Karneyal, m. und (veraltet) n. (-s, PI.
-s, -e): Fastnachtslust. Ln 17. Jh. (bei Grim-
melshausen Simpl. 1, 272 Keller) Garnewal,
1694 bei Nehring Carnaval, als ital. carne-
vale, carnovale m. «Fastnacht», eig. die Nacht
vor Aschermittwoch, wo man dem Genüsse
des Fleisches (ital. carne f.) für die Fasten-
zeit Abschied und Lebewohl (ital. vale m.)
sagte. Dies ist aber nur Volksumdeutung.
Das Wort scheint vielmehr auf carrus navälis
«SchifiFswagen», d. h. Schiff auf Rädern, we
es bei festlichen Gelegenheiten angewandt zu
Verden pflegte, zurückzugehen. Oder es steht
für mlat. carnelevale «Entfermmg d. Fleisches».
Karnickel, s. Kaninchen.
Karnies, n. (Gen. Kamieses, PI. Karniese) :
die Figur eines S bildende Kranzleiste am
Hauptgesimse. 1712 bei Hübner Karnieß.
Aus gleichbed. span. cornisa f., franz. corniche,
ital. cornice f., von dem im Romanischen mit
63
995
Karnöffel
Karre
996
lat. comix f. «Krähe» verwechselten gr.-lat.
corönü, gr.Kopujvic f. «kleiner Kranz, Schnörkel
als Schlußzeichen des Schreibenden».
Karnoflfel, Karnuffel, m. (-s, PI. wie
Sg.): die Hauptkarte eines beliebten ehe-
maligen Kartenspiels von 48 Blättern, sowie
dieses selbst. Im 15. und 16. Jh. carnöffel m.
Mitte des 15. Jahrh. karnöffelin n. (Fichard
Frankf. Archiv 8, 293 fg.), 1517 bei Trochus
D 3^ satelles der vnderman, qui dedicatus
sive insignitus privilegio dicitur ein karnuffel,
1546 im Pasquill Newe Zeitung vom Teüifel
A3* der vnderman ist erstlich cardinal ge-
nennet worden, die ainfeltigen aber haben jn
nit änderst dann carnöffel nennest künden,
Cardinal aber ist nach Fronspergers Kriegs-
buch (1596) 1, 20^ der Titel des Obersten
eines Regiments Landsknechte; der Karnöffel
ist also der Unter mit dem Bilde des Lands-
knechts, der in diesem Landsknechtsspiele
alle übrigen Kai'ten stach, ausgenommen die
«böse Sieben» (s. d.), die teufelsfrei war (da-
her Cyriacus Spangenbergs Buch loider die
böse Sieben ins Teuffels Karnöffelspil 1562),
Urspr. bedeutet Karnöffel «Hodenbnich oder
-geschwulst», so 1541 bei Frisius 735 ^^arwö/eZ,
1477 clevisch carnuffel, bei Paracelsus (Chirurg.
Schriften 1618 S. 454) hemia carnosa, vulgo
Karneffel. Vielleicht wegen der Ahnhchkeit
der Gestalt abgeleitet von franz. coi'tiifle f.
(aus vorauszusetzendem mlat. cornifolium oder
cornufolium, wie franz. trefle aus lat. trifoliuni)
«das Hornblatt, ceratophyllum, eine Wasser-
pflanze, deren Früchte aus langgeschnäbelten
Nüssen, unten mit zwei drüsenförmigen Hö-
ckern, bestehen». Vgl. aber auch Baist
ZfdW. 9, 34. ABL. kamöffeln, kar-
nüffeln, v. : das Karnöfi'elspiel spielen ; stoßen,
quälen, durchprügeln. In der 1. Bed. im
15. und 16. Jh. kamöffeln, carnöffeln, noch
nd. karnüffeln (Frommann Ztschr, 3, 551, 32);
in der zweiten 1691 bei Stieler karniffeln,
noch md. und nd., auch bayr.-österr.
Karo, n. (-S, PI. -s) -. Raute, schiefes Vier-
eck, bes. auf den französischen Spielkarten.
Aus gleichbed. franz. carreau, das von lat.
quadrum n. «Viereck» abgeleitet ist. Im 19. Jh.
Im 18. Jh. «ein viereckiges Stuhlkissen».
Karolin, Karlin, m. (-s, PI, -s): Gold-
stück von 11 Gulden rheinisch oder 18,85 Mk.
Augsburgisch 1424 cärlm und 1421 kärlm m.
(Städtechron. 5, 367, 24 und 365, 5) «eine Gold-
münze von verschiednem Werte». Von dem
mlat. Cärolus, Karins «Karl» (s. d.), nach
dem prägenden Fürsten benannt. 1742 ließ
Kurfüi'st Karl Philii^p von der Pfalz die
Goldmünze in dem obigen Werte prägen.
Karoline, Frauenname, von mlat. Cärolus
«Karl» (s, d,). Gekürzt Lina^ Dhn. Linchen.
Karosse, f. (PI, -n)-. Prachtwagen. 1694
bei Nehring Carosse und Garrosse, 1616 bei
Albertinus Narrenhatz (29, 15 Lihencron) Ka-
rotze, über franz. carrosse m., aus ital. car-
rozza f. «Kutschwagen». Schon mhd. kar-
rösche, karrotsche, karrutsche, karräsche m. f.
«Kriegswagen, auf dem das Feldzeichen auf-
gerichtet ist», aus gleichbed. ital. carrocciom.,
mlat. carrocium n., Ableitungen von lat.-kelt.
carrus m. (s. Karren).
Karotte, f. (PI, -n): Möhre. 1616 bei
Henisch Carote, aus gleichbed. franz. carotte f.,
von gleichbed. ital. lat. caröta f., gr. Kapuuxöv n.
Karpfen, m. (-5, PI. wie Sg.): der Fluß-
und Teichfisch Cyprinus carpio. Mhd. karpfe
m., md. karpe und bereits 1470 wie noch
jetzt sächs.-thüring. mit angetretnem n karpen
m. (Diefenbach mlat.-hochd.-böhm. Wb. 61),
ahd. chatpho, carfo, charofo m.; dazu mnd.
karpe m., nd. karpe f. (brem. Wb. 2, 743),
auch bei Hagedorn 1, 73 Karpe, schles. 1734
bei Steinbach Karpe, Katpfe f., wetterauisch
kärbe f., ndl. karper m., anord. karfi m. (der
Rotfisch, perca norvegica). Zuerst belegt als
mlat. carpa f. (im 6. Jh. bei Cassiodor als
Donaufisch), später carpus, carpo, carpio m.,
das Wort ist fast in ganz Europa verbreitet,
span. carpa, franz. carpe f., ital. carpione m.,
i-umän. crap; poln.-russ. kaip, czech. kapr,
lit. kdrpa f. und karpis m., kymr. carp, cerpyn.
Man vergleicht aiud. gapharas m., gaphari «eine
Karpfenart», lit, söpa^as «cyprinus dobula», die
vielleicht durch Dissimilation ein r verloren ha-
ben. Dann muß das german.Wort entlehnt sein.
Auch gl', KUTTpivoc m. «Karpfenart» klingt an.
Karre, f. (PI. -w) und Karren, m. (-s,
PI. wie Sg.): ein- und zweü-ädriges Fuhr-
werk. Mhd. karre, garre m., selten karre f.,
md. auch karren m. (Meister Eckhart 414, 31),
ahd. carra, garra f. und carro, garro m.; dazu
mnd. kare f., mndl. karre f., anord, kerra f.,
engl. car. Aus lat.-kelt. carrus m. «Trans-
portwagen», mlat. carra f., kymr. cär, bre-
tonisch Äarr, gälisch carr. Y gl. Karch. ABL.
karren, v. : den Karren fahren oder schieben,
1494 bei Brant Narrensch. 40, 6 karrhen.
Kärrner, m. (-s, PI. wie Sg.): Karrenfuhr-
mann, Karrenzieher, Karrenschieber, im 15. Jh.
kerner, dafür mhd. karrer m. Vgl. Kärcher.
997
£arree
Kartell
998
Karree, n. (s, PI. -s) -. Viereck. Aus gleich-
bed. franz. carre m., das auf lat. quadrätum n.
zui'ückgeht, von gwadräre »viereckig machen».
Im 18. Jh. entlehnt (1712 bei Hübner Qwarre).
Karrete, f. (PI. -n) -. kleiner leichter Wagen.
1599 im Inventarium Marx Fuggers 285 Car-
rette f., aus gleichbed. ital.-span. carreta f.
mlat. carrecta, von lat. carrus m. (s. Karren).
Dagegen Schweiz. Karrete f. «Karrenladung,
kleines Fuder», 1561 bei Maaler Karreten,
1310 oberrhein. karrethe m. oder n., von mlat.
carrata f. «Karrenladung», zu lat. carrus m.
Karriere, f. (PI. -n): Laufbahn; voller
Lauf, Das franz. carriere f., das auf ein
mlat. carraria f. «Wagenweg, Straße, Bahn»
zurückgeht, von carrus m. «Wagen». 1616
bei Wallhausen Kriegskunst zu Pferd 8 u. 12
Carriera, Carriere f. und m. In Österreich
und Bayern auch Carriere.
Karriol, n. (s, PI. -e) und Karriole,
f. (PI. -n): leichte zweirädrige Halbkutsche.
1714 bei Wächtler Cariole f., 1728 bei Spe-
rander Cariol n., 1790 bei Pfeffel poet. Vers.
3, 165 Karriol n. Über gleichbed. franz.
carriole f., aus ital. carriuola f., mlat. car-
riola f. «Frauenwagen» neben carriolus m.
«kleiner Wagen», von lat.-kelt. carrus m.
(s. Karren). Dazu karriolen, v.: rasch
fahren (1780 bei \oQ 6, 126 karjolen); davon
verschieden karjölen, krajölen, v.: laut
schreien, jauchzen, juchheien, norddeutsch
(bei Musäus Volksm. 5, 34 kerjöMen). Vgl.
darüber Schröder, Streckformen 125.
Karst, m. (-es, PI. -e): zweizinkige Hacke.
Mhd.-ahd. karst. Der Plural 1691 bei Stieler
und noch mundartlich Kärste, Anfang des
.16. Jh. kerst (Michelsen Mainzer Hof 18).
Unbekannter Herkunft. Vgl. aber Meringer
Idg. Forsch. 17, 120. ABL. karsten, V.:
mit dem ^ars^ aufhacken, 1556 beiFrisius 156*.
Kartätsche, f. (PI. -n)-. mit Kugeln usw.
gefüllte Kanonenpatrone. 1691 bei Stieler i
Kartetsche, 1716 bei Ludwig Gartetsche, Kar- 1
tatsche und Kartutsche. Aus ital. cartoccia f. |
«grobes Papier», cartoccio m. «Düte, Flinten- 1
patrone», franz. cartouche f. «Patrone, La- ,
düng, Kartätsche», von ital. carfa, lat. charta f.
«Papier» (s. Karte). ABL. kartätschen,
V.: mit Kartätschen schießen, bei Carape 1808.
Kartaüne, f. (PI. -n): gi-oße, kurze und
dicke Kanone. Im 16. Jh. Kartane, Kartone,
Karthaun, 1489 bei Lilienci-on Volksl. 2, 259
kartune, 1502 kartaüne (ebd. 2, 479), 1490
bei Klüpfel Urk. d. schwäb. Bundes 1, 82
quarton, mnd. und ndl. (bei Kilian) kartouive,
aus ital.-mlat. quartana f. «Viertelsbüchse»,
d. h. Kanone, die 25 Pfund schoß, im Ver-
gleiche zu dem größten 100 Pfund schießen-
den Belagerungsgeschütze, der Metzickana
oder Scharfmetze (Fronsperger Kriegsbuch
1596 2, 31*), deshalb schon im 15. Jh. bei
Behaim Wien. 377, 10 virtailpüchs.
Kartaiise, f. (PI. -n): Mönchskloster des
Kartäuserordens. Im 15. Jh. (im Gedanken
an hüs «Haus») karthüß f., aber zu Anfang
des 15. Jh. chartusey f. (Diefenbach gl. 103*^),
aus mlat. Gartiisia, Garthusia {CJiartreiise bei
Grenoble), wo der Geistliche Bruno von Köln
den strengen Orden 1084 stiftete. Davon
Kartäuser, m. (-s, PI. wie Sg.): Mönch
dieses Ordens, 1346 oben-hein. karthüser (Ger-
mania 20, 45), md. im 14. Jahrb. kartüsiere
(Jeroschin 1346), im 15, Jh. kartheuser m,-
(Tucher Baumeisterb. 137, 7).
Karte, f. (PI. -n): steifes Papierblatt
zum Spiel, zur Kenntnis der Erde oder des
Himmels in Zeichnungen, zu Besuch, An-
kündigmig usw,; Kartenspiel; Steifung des
Seidenzeuges. Spätmhd. karte f. «Stück Papier
oder Pergament, gemaltes Blatt, Spielkarte,
Kartenblatt», wie ital. carta, franz. carte f,
aus lat, Charta f., gr. xäp-xr\c m. «Papierblatt,
dünne Pappe», ABL. karten, v.: Karte
spielen (1494 bei Brant Narr, 95, 27) ; bildhch
das Spiel lenken, und etw, schlau eim-ichten
(Schiller Pico. 3, 1; 1701 bei Chr. Weise
überflüss, Gedank, 400), vgl, abkarten. ZUS.
Kartenhlatt, n., im 15, Jh, bei Rosenblüt
kartenplat Spielkartenblatt. Kartenhaus,
n,: Haus aus Spielkarten als Kinderspiel,
1691 bei Stieler, Kartenkönig, m,: einer
der vier Könige (urspr, Weltmonarchen) der
Spielkai-te, 1639 bei Zincgref 1, 391 Gharten-
König. Karteuleger, m.: Wahrsager aus
Spielkarten (im 16. Jh. kartenleger «Spiel-
halter», aber schon im 15. Jh, karten legen
«aus Karten wahrsagen» Fasnachtsp. 689, 22).
Kartenschlägeriu, f.: Wahrsagerin aus
Spielkarten (Goethe 27, 284). Kartenspiel,
n.: vollständige Spielkarte, ]\litte des 15. Jh.
kartenspil (Städtechron, 4, 325, 25) und mnd,
kardenspel (ebd, 7, 392, 9); das Spiel mit der
Karte (1482 im Voc, theut. q 1 ^ kartenspil).
Karten, n. (-S, PI. -e): schriftliche Her-
ausforderung zum Zweikampf; (schriftlicher)
Vertrag (urspr. zwischen Kriegführenden,
1669 bei Grimmelsh. Simpl. 22j^ Gartel n.).
In der ersten Bed. 1664 bei Duez 1, 113
63*
999
Kartoffel
Kasematte
1000
Cartel, aus gleichbed. franz. cartel, ital. cartello
m., von mlat. cartellus m. «Zettel», zu lat.
Charta f. «Papier, Schriftstück» fs. Karte);
1598 bei rrischlin liohenzoll, Hochzeit 87 f.
Cartell f. «schriftliche Festsetzung der Kampf-
bedingungen im Turnier oder im Rin gelrennen».
Kartoffel, f. (PI. -n): WurzelknoUe der
Pflanze Solanum tuberosum, sodann die Pflanze
selbst. 1775 bei Adelung Kartoffel, vorher
Tartuffel (1664 Tartufflen bei Hoffmann schles.
Monatsschrift 53, noch 1776 bei Hübner Tar-
tuffeln neben Kartoffeln). Aus ital. tartufolo
m., venezian. tartufola, piemontes. tartifla f.
«Trüffel und Erdapfel» (d. h. Knolle der
Kji ollen winde convolvulus batates), von
gleichbed. ital. tartufo m. Sonach ist der
Name von der Trüffel (s. d.) und Batate auf
die im 16. Jh. aus Peru nach Spanien, von
da nach Italien und dann nach Deutschland
eingeführte Kartoffel als ähnliches Erdknollen-
gewächs übertragen worden. Dafür im Ost-
fränkischen Patake, Potakke f., aus ital.-span.
patata, hatata f. «Kartoffel, Batate», das den
südamerikanisch. Indiauersprachen entstammt.
Auffallend ist span. cotiifa f. «Erdapfel» und
gleichbed. sizilian. catatuffulu neben tirituffulu
mit dem noch unerklärten co- und cata-,
ZUS. Kartoffelapfel, m,: die apfelai-tige
Frucht aus der Kartoffelblüte.
Kartön, m. (-s, PI. -s): steifes Papierblatt,
Pappschachtel; umgedrucktes Blatt; (in der
Malerei) eine Zeichnung auf Papier von der
Größe des künftigen Gemäldes (1791 beiRoth).
1728 bei Sperander Garton, aus gleichbed.
franz. carton, ital. cartone m., von lat. Charta f.
«Papier» (s. Karte). Davon kartonieren, v. :
in Pappdeckel leicht einbinden.
Kartusche, f. (PI. -n): Zierrahmen, Rand-
verzierung (1773 im Orth. Handb.); Pulver-
roUe, Patrone; kleine Patrontasche. In den
beiden letzten Bed. 1694 bei Nehring Cartouche.
Aus franz. cartouche m. «Zierrahmen, Rand-
verzierung» und cartouche f., ital. cartoccio
m. «Papierrolle, Patrone», und ital. cartuccia f.
«Papierchen», von lat. charta f. (s. Karte).
Karussell, n. (-s, PI. -e): Ringelrenneu,
urspr. ein Ritterspiel zu Pferd, jetzt ein mit
Pferden und Wagen besetztes Drehgestell.
In erster Bed. 1694 bei Nehi-ing Caroussel.
Aus gleichbed. franz. carrousel, ital. carosello,
garosello m. Herkunft unbekannt.
Karwine, s. Karaffe.
Karwoche, s. unter Karfreitag.
Kasäcke, f. (PI. Kasacks): kurzer Reise-,
Reitrock. 1581 bei Fischart Bienenkorb 157^
Kasacke über franz. casaque aus ital. casacca f.
«lange Überjacke», dazu das franz. Dim. casa-
quin m. «kui-zer Überrock», woraus schon
mhd. casagän m. «Reitrock», noch schwäb.
gasgäng m. «Mannsrock», österr. kasegen
«Morgenrock». Unsichrer Herkunft.
kascheln, v.: auf der Eisbahn schlittern.
Mundartlich in Schlesien. Hildebrandt ver-
gleicht schwed. kasa «gleiten».
kaschieren, v.: verstecken, verbergen.
Aus gleichbed, franz. cacher. 1791 bei Roth.
Nach Campe 1813 aus der Malersprache. Vgl.
vertuschen.
Kaschmir, s. Kasimir.
Käse, m. (-S, PI. wie Sg.): dicker fester
Stoff der geronnenen Milch, sowie daraus
bei'eitete Speise in fester Form. Mhd. k(Bse,
ahd. chäsi m.; dazu and. kesi, kiesi, mnd.
kese, mndl. käse, nndl. kaas, kees, afries.
kise, tzise, nfries. tzys, ags, cese, cyse m.,
engl, cheese, aus gleichbed. lat. cäseus m.
ABL. käsen, v.: zu Käse gerinnen, Käse
machen, 1691 bei Stieler. Käser, m. (-s,
PI. wie Sg.): Käsemacher auf der Alp; Alp-
hütte (ahd. chasari). käsicht (bei Stieler
1691) und käsig (bei Krämer 1678), adj.:
käse- oder quarkartig. ZUS. Käsehutsche,
f.: kleiner Kinderschlitten. In Sachsen, Thü-
ringen, Magdeburg. S. Hutsche. Käsekäul-
chen, n.: länglich rundes Gebäck aus Käse
oder Quark, im 17. Jh. bei Weise Cath. 221
(Kürschner). Über den zweiten Teil vgl. -Kaule.
Käsekuchen, m. : platter Kuchen mit Quark
oder Käsekrümeln bedeckt, 1516 bei Pinicianus
promptuar. D 6 "^ käßkuoch. Käseluppe, f. :
Milch gerinnen machender Stoff (s. Lab),
mhd. kcesehqjpe, ahd. chesiluppa f. Käse-
model, m. und f.: Käsenapf als Form, 1605
bei Hulsius dict. Käßmodel m.
Kasel, f. (PI. -n), auch m. (-s): Priester-
gewand mit einem Kreuze darauf, besonders
beim Meßopfer in der römisch-katholischen
Kirche. Mhd. cäsule, käsele, käsel, im 12. Jh.
cäsula f. «Meßgewand, Hülle», aus mlat. ca-
sula f. «Meßgewand». Wohl zu \sA.casula f.
«Hüttchen» (Dim. von lat. casa f. «Hütte,
Zelt»), wie auch die mhd. Nebenform kasu-
gele, casukel, kasuckel, mlat. casuJmla, casu-
cula, ndl. kasuifel, franz. chasiihle, span. ca-
sulla f. «Meßgewand» zeigt, denn ital. casi-
pola, casupola f. bedeutet «Hüttchen».
Kasematte, f. (PI. -n): AVallge wölbe.
Ende des 16. Jh. (1593 bei Schwendi casa-
1001
Kaserne
Eastagnette
1002
niatta, 1616 bei Wallhausen KJriegsmanual 35
Gasematte), avifgenommen über franz. case-
mate (span. casamata) aus ital. casaniatfa f.
«unterirdisches bombenfestes Festungsge-
wölbe», früher auch «der gewölbte Minen-
gang in den Festungsbastionen, von dem aus
die feindlichen Minen nebst den Minierem vor-
zeitig in die Luft gesprengt werden konnten3>,
1709 bei Hübner und 1757 in Eggers Kriegslex.
durch «Mordkeller» verdeutscht. Dies zielt
auf Ableitung von span.-ital.-lat. casai. «Haus,
Hütte» und span. niatar «töten» (von lat.
mudäre «töten, zugrunde richten»), mata
«Gemetzel». Das ist aber nicht richtig. Die
Herkunft ist unsicher, vgl. Körting.
Kaserne, f. (PI. -n): Soldatenhaus. 1703
im Zeit.-Lex.. aus franz. caserne. Herkunft un-
sicher. Kasernenhof blute, f., Schlagwort
im letzten Viertel des 19. Jh. Vgl. Ladendorf.
Kasimir, m. (-s,Pl.-e und -s): feines Halb-
tuch von spanischer Wolle. Aus span. casimiro
m., von dem Lande Kaschmir, aind. kägmiras.
1813 bei Campe. Jetzt auch Kaschmir.
Kasino, n. (-s, PI. -s): Gesellschaftshaus.
Ende des 18. Jh. (1801 bei Campe, «seit einigen
Jahren aus Italien herübergekommen», aber
schon 1703 im Zeit.-Lex. Casonen oäer Cassmen
«habitacula der Soldaten, wie die Baraques»),
von ital. casino m., von lat. casa f. «Häuschen».
Kaskade, f. (PI. -w): Wasserfall. 1709
bei Hübner Cascade, aus gleichbed.. franz.
cascade f., von ital. cascata f. «Fall», zu
ital. cascare «fallen».
Kask^tt, n. (-S, PI. -e und -s): helm-
artige Kopfbedeckung; eisernes Helmkreuz
zum Schutze gegen Säbelhiebe. 1617 bei
Wallhausen Corp. mil. 13 Casquett, aus gleich-
bed. franz. casquette f., ital. caschetto m., von
franz. casqiie, ital.- span. cosco m. «Helm, Pickel-
haube», im Span. eig. «Scherbe, Schädel,
Kopf», zu Span, cascar «zerbrechen, schlagen».
Kaspar, Mannsname, aus mlat. Gasparus,
einer der drei Weisen oder Könige aus dem
Morgenlande. Durch die Sternsingenimzüge
etwa seit dem 15. Jh., deren Wortführer der
schwarze Kasper aus Mohrenland war, ent-
stand einerseits die Bezeichnung schwarzer
Kasper für «Teufel» (1621 bei Opel und
Cohn dreißig]. Kr. 77), andrerseits die Bed.
Kasper für «lustige Person», weshalb im
18. Jh. Laroche in Wien seiner Erneuerung
des alten Hanswurst den Namen Kasper gab.
Davon Kasperl(e), m. n.: Hanswurst. Kas-
perletheater, n.: Puppentheater.
Kassation, f. (PI. -en): Vernichtung eines
Urteils; Amtsentsetzung. Aus gleichbed. franz.
Cassation f. von casser, s. kassieren.
Kasse, f. (PI. -w): Geldkasten; Geldvorrat.
1616 bei Henisch Cassa f., aus ital. cassa f.
«Kasten, Geldkasten» (von lat capsa f. «Be-
hältnis»), woher schon im 15. -Jh. casse f.
«Behälter».
Kasserolle, f. (PI. -w): Bratpfanne. 1715
bei Amaranthes Gasserole, Gastrol, aufge-
nommen aus franz. casserole f. (daher ital.
casserola f.), in der Picardie und Champagne
castrole f. «Schmoi-pfanne», von afranz. casse,
ital. cazza f. «Tiegel mit Stiel, Kochkelle».
Kassette, f. (PI. -n): Kästchen zu Hand-
geldern oder Schmuck. 1773 bei Amaranthes
Gassette, aus gleichbed. franz. cassette, ital.
cassetta f., Dim. von cassa (s. Kasse).
Kassiber, m. (-s, PI. wie Sg.): heim-
liches Schreiben unter Gefangnen oder aus
dem Gefängnis nach außen. Aus der Gauner-
sprache neuerdings bekannt geworden. Vom
jüd. kesvüö = hehr, kethihäh «Geschriebenes,
Brief».
Kassier, m. (-s, PI. -e): Kassenführer.
1616 bei Henisch Gassier, aus gleichbed. ital.
cassiere m., von cassa f. (s. Kasse). Das
gleichbed. Kassierer, m. (-s, PI. wie Sg.)
dagegen, 166-4 bei Duez Gassier-er, Kassierer,
ist abgeleitet von kassieren (s. d.).
^kassieren, v.: bare Gelder einziehen
und verwahren, 1694 bei Nehring cassiren,
1678 bei Krämer einkassiren, aus ital. in-
cassare «Geld einnehmen», eig. «in die Kiste
tun», von ital. cassa (s. Kasse).
^kassieren, v.: vernichten, für ungültig
erklären; des Amtes entsetzen (1617 bei Wall-
hausen Corp, mü. 63 cassiren, von Soldaten).
In der ersten Bed. 1532 in der peinl. Ge-
richtsordnung Karls V. § 135 cassiren, schon
1331 kölnisch casseirn, aus gleichbed. franz.
casser, ital. cassare, von lat. cassus «leer»,
(bildlich) «nichtig», woraus im 15. Jh. österr.
cass «nichtig, ungültig».
Kastagn^tte, f. (PI. -n) -. die Tanzklapper,
ausgehöhltes rundes Holzstückchen, das durch
Anschlagen an ein entsprechendes zum Klappen
gebracht wird. 1678 bei Ki-ämer Gastagnete,
1664 bei Duez 1, 115 Kastaniet, 1618 in den
Spanischen Prakticken 19 Gastanete f., über
gleichbed. franz. eastagnette, aus span. castor
Üeta f. neben castaflnela, wegen der Ähn-
lichkeit der Gestalt nach der Kastanie (s. d.)
benannt.
1003
Kastanie
Kasns
1004
Kastanie, f. (PI. -«), in Süddeutschland
Kästen, Käste, f.: die Frucht des Kasta-
nienbaumes, auch der Baum selbst. In der
1. Bed. bei Luther (l. Mos. 30, 37) viersilbig
Gastanee, mhd. castäne, ahd. castänie (Stein-
meyer-Sievers 3, 552, 7), deutsch geformt
mhd. kestene, kesten, ahd. chestinna, kestina f. ;
daneben oberd. im 14. Jh. kestenze, im 15.
bis 17. Jh. kestnitz, 1561 bei Maaler der PI.
Kestetzen; dazu mengl. chestein, chastein, ca-
stani, engl, chestnut (mhd. kestennu^). Aus
lat. castanea f., abgeleitet von dem gleichbed.
gr. KocTOv^a f., Kdcxavov, koctciviov n., benannt
nach der Stadt Kastana (Kdcxava) in der
Landschaft Pontus am Schwarzen Meer, die
von Kastanienwäldern umgeben war (Dios-
korides 2, 407, 145). ZUS. Kastanieubaum,
m,, bei Luther (Hes. 31, 8) Castaneenhaunn,
mhd. castänien-, kastänen- und kestenboum,
ags. eisten-, cystbeam m. kastanienbraun,
adj., um 1480 kestprun Voc. ine. teut. 12%
bei Luther castanenhraun.
Kaste, f. (PI. -n): erblicher, dann über-
haupt sich streng abschließender Stamm oder
Stand. In der zweiten Hälfte des 18. Jh.
(bei Wieland 7, 313 vom J. 1772) über franz.
caste aus (span.)-port. casta f. «Rasse, Ge-
schlecht, Gattung», eig. «etwas Unvermisch-
tes», vom lat. Adj. castus «rein». ZUS.
Kastengeist, m., Schlagwort seit den 90 er
Jahren des 18. Jh. Vgl. Ladendorf.
kasteien, v.: züchtigen, beschränkend
quälen, dui'ch Fasten usw. quälen, das Fleisch
kreuzigen. Bei Luther casteyen, md, kastigen,
kestigen, kestln, und im 15. Jh. kastyen,
kesteyen, mhd. kestigen (weshalb noch im
16. Jh. kestigen, kästigen), ahd. castigon,
kestigon; dazu mnd. kastien, mndl. castien.
Mit Einführung des Christentums entlehnt
aus lat. castigäre «zui-echtweisen, strafen,
züchtigen, zügeln». ABL. Kast^iong, f.
(PI. -en), md. kastiunge (Jeroschin 25644)
und kästigunge, mhd. kestigunge, spätahd.
chestigunge f.
Kastell, n. (-S, PI. -e): kleine Festung.
Mhd.-ahd. kastei n., aus lat. castellum n.,
Dim. von lat. castrum n. «Festung, Bui-g»,
woraus ags. ceaster, cester f. «Stadt, Burg».
Dazu Kastellan, m. (-s, PI. -e): Burg-,
Schloßvogt, Hausbeschließer, mhd. kastelän,
mlat. castellanus ra., von lat. Adj. castellänus
»zum Kastell gehörig».
Kasten, m. (-s, PI. Kasten, Kästen):
viereckiges Behältnis mit oder ohne Deckel;
(soldatisch) Gefängnis; früher auch «Schatz-
kasten» (der gemeine Kasten «Gemeinde-,
Staatskasse», bei Luther), der landesfm*st-
liche oder klösterliche Speicher, wohin die
Getreideabgaben eingeliefert wurden, und
dessen Verwaltung (schon Anfang des 14. Jh.
daher Kastner, Kästner m. «Abgabenver-
walter, Rentmeister», mhd. im 14. Jahrh.
kastener, kastner, md. kestenere, verschieden
von Kästner m. «Kastenmacher, Tischler»,
1420 bei Diefenbach gloss. 124^ kestener).
Mhd. käste, ahd. (7. Jh.) chasto, casto m.
(auch künstliche Metallhöhle zur Einfassung
des Edelsteins, Siegelkapsel, Getreide-, Korn-
behälter), ndl. käst, kas n. Vielleicht mit
ableitendem t und deshalb haftendem s von
got. kas «irdenes Gefäß», ahd.-mhd. kar n.
«Gefäß, Trog, aus Brettern gemachter Be-
hälter». Aus dem Germanischen entlehnt
ital. castone m. «Metallhöhle zur Einfassung
des Edelsteins». Die ui-spr. schwache Dekli-
nation ist seit dem 16. Jh. in die starke
übergegangen; der Plur. Kästen schon bei
H. Sachs und Fischart Garg. 441. Vgl. Kiste.
ZUS. Kastenmeister, m. : Kassenverwalter,
1541 bei Frisius Sß^.
Kastor, m, (-s, PI. -s): der Biber; Hut
von Biberhaaren (1664 bei Duez 1, 115,
Gastorhut 1678 bei Ivrämer). Aus gr.-lat.
castor, gr. Kdcrujp m. «Biber».
Kasträt, m. (-en, PI. -en): Hämling, Ver-
schnittner. 1728 bei Sperander Gastrat, 1709
bei Hübner Gastratus, aus ital. castrato, mlat.
castratus m., zu ital. und lat. casträre «ver-
schneiden», wovon kastrieren, 1693 bei
Kramer ital. Wb. castriren.
Kaströl, s. Kasserolle.
Kasuar, m. (s, PI. -e): dem Strauß
ähnlicher Vogel in Hinterindien undAustralien
(1597 zuerst bekannt). 1628 bei Münster
Cosmogr. S. 1603 Kasewaris. 1712 bei Hübner
Gasuar, nach ndl. casuaris m. aus malayisch
kasmväris.
Kasus, m. (Gen. imd PI. ebenso): Fall,
Vorfall, Begebenheit ; grammatische Biegungs-
form. Aus gleichbed. lat. casus m. Dazu
kasuäl und kasuell, adj.: zufällig, den
BiegungsfaU betreffend, 1694 bei Nehring
casuel, aus franz. casuel, lat. cäsuälis, Adj.
zu lat. casus. Kasuälien, pl.: gelegentliche
Amtsverrichtungen (der Geistlichen); Ver-
gütung dafür, eig. Neutr. Plur. des lat. Adj.
cäsuälis. 1813 bei Campe casualia. kasu-
istisch, adj.: spitzfindig. Von Kasufst, m.
1005
Katafalk
Katharine
1006
(-en, PI. -eil), aus nlat. camiista «der über
Gewässensfragenliest oder schreibt». Im 17. Jh.
Katafalk, m. (-[e]s, PI. -e): Leichen-,
Trauergerüste. 1709 bei Hübner Catafalco
m., 1773 bei Amaranthes Catafalque, aus gleich-
bed. ital. catafalco m., (daraus franz. catafalque
m. echt franz. cJuifaud). Herkunft unklar.
Katakombe, f (PI. -n) : Leichengewölbe,
Felsenhalle. 1728 bei Sperander Catacomhe,
aufgenommen aus ital. catacomba, franz. cata-
camhe f , von lat. catacuniba f. «Grabgewölbe».
Katalog, m. (-[e]s, PI. -e): Verzeichnis,
Bücher-, Stundenverzeichnis. Cafalog 1531
bei Hedio Jo^ephus Titel, aus gr.-lat. cata-
logus, gr. KOTäXo-foc m., ui'spr. «Aufzählung,
Aufzeichnung», von gr. KaTaXifew «herer-
zählen, auslesen». Früher der Vlur. Katalogen
(noch bei Goethe 47, 143). Dazu katalogi-
Siereu, v.: ein Verzeichnis anfertigen, erst
im 19. Jh., dafür bei Goethe 33, 255 und
schon bei A. Gryphius (1698) 1, 757 katalogiren.
Katarakt, m. (-es, PI. -e) : großer Wasser-
fall. 1566 bei Paracelsus Baderbüchlin 6, 6
Cataracten m., aus gleichb. lat. Cataracta f., gr.
KaTappdKxricm., von Karapctcceiv «herabstürzen».
Katarrh, m. (-[e]s, PI. -e): Schnupfen,
Durch die Ärzte des 17. Jh. in Umlauf ge-
kommen (Catarr 1616 bei Albertinus Lucifer
367 Liliencr.), aber schon 1516 bei Pinicianus
prompt. Gr2^ catarr, aus gleichbed. gr.-lat.
catarrhus, gr. Karäppouc m., eig. «HerabfluJj»,
von KCToppeiv «herabfließen». Die einheimi-
schen Namen waren: ahd. tampho, dempho,
mhd. dampfe m. (abgeleitet von Dampf),
mhd. vlö^e f. vmd struche f., noch bap-.
Sträuchen f. Vgl. auch Pfnüsel. ABL.
katarrhalisch, adj., im 18. Jh., dafüi- 1678
bei Krämer catharrisch.
Kataster, n. (-s, PI. wie Sg.): Steuer-,
Flui--, Lagerbuch. 1694 bei Nehring Catastrum
n., ital. catastro m. «Zins-, Steuerregister».
Herkunft unsicher.
Katastrophe, f. (PI. -n): eintretender
Wendepunkt in etwas; trauriges Ereignis
(meist elementarer Art). 1710 bei Behring
Catastrophe, durch franz. catastrophe f. aus
gr.-lat. catastropha f., gr. Katacrpocpri f. «Um-
kehr, Wendung, im Drama der Wendepunkt
der Handlung zur Auflösung des geschürzten
Knotens», zsg. aus Kard «nieder, wider, um»,
und cTpoqpri f. «das Drehen, Wenden».
Kate, f.: Tagelöhnerhütte auf dem Lande,
in Norddeutschland, 1652 bei Lauremberg
Kate m., (s. Kote.)
Katechese, f. (PI. -n)-. Unten-icht in
Frage und Antwort, besonders solcher Re-
ligionsunterricht. 1710 bei Nehring Catechesis.
Aus gleichbed. kirchenlat. catechesis f, von
gl". KOTrixncic f. «Unterricht». — Katechet,
m. {-en, PI. -en): fragweise unterrichtender
Lehrer, bes. in der EeHgion. 1714 bei Wächtler
Katechete, 1728 bei Sperander Catechet, aus
gr. Kaxrixrixric m. «Untenicht ender, Lehrer».
Davon katechetlsch, adj., kirchenlat. cate-
cheticus «zum mündlichen Unterrichte ge-
hörig». — katechisiereu, v.: fi-agweise in
der Religion unterrichten, 1576 bei Mathesius
Luther 158^ catechisiren , aber schon mhd.
cathezizieren, aus kirchenlat. catechizare, von
gr. KttTrixiceiv «unterrichten». Davon Kate-
chisatiön, f., mlat. catechizatio f. — Kate-
chismus, m. (Gen. ebenso, 71 Katechismen):
Religionsbuch in Frage und Antwort, im
16. Jh. aus kii'cheulat. catechismus m. «Reli-
gionsbuch zum ersten Unterricht», gr. Kaxri-
Xiciaöc m. «Unterricht», von KaxrixiZ^eiv «unter-
richten». Allen diesen Wörtern liegt zugi-imde
gr. Koxrixeiv «wider-, entgegentönen», dann
(zuerst bei den Stoikern) «mündlich belehren,
unterrichten», zsg. aus Kaxd «wider, ent-
gegen», und f]xe\v «schallen, tönen», wovon
Echo (s. d.).
Kategorie, f. (PI. -n)-. der allgemeinre
Begriff, unter den etwas gefaßt wird, Begi'iffs-
fach. Im 18. Jh. aus gr.-lat. categöria, gr.
KaxiTfopia f. «Anklage, einer Person oder
Sache beigelegte Eigenschaft, Prädikat», zu
KaxTifopeiv «gegen jem. reden, anklagen»,
von Koxd «wider» und äyopeüeiv «reden».
Dazu kategorisch, adj.-. unbedingt und
entschieden, rund heraus, ohne Umschweif,
bei Londorp 1, 459* vom J. 1619 categorisch,
von gr.-lat. categoriciis, gr. KarriYopiKÖc «zui-
Anklage, zum Prädikat gehörig».
Kater, m. (-5, PI. wie Sg.): Männchen
der Katze. Mhd. katere, kater, spätahd.
chater e m.; dazu mnd. und ndl. kater m.,
anord. köttr m. S. Katze. In der studenti-
schen Bed. «Katzenjammer» (erst um die Mitte
des 19. Jh.) wohl umgebildet aus Katarrh.
Katharilie, Frauenname, gr.-lat. Catha-
rina, d. i. «die Reinliche, Sittenreine», von
gr. KoGapöc «rein, unbefleckt, sittlich rein».
Das Dim. ist Katharinchen , Kathrinchen
(Goethe Faust 3684), gewöhnhch aber Käth-
chen. Die schnelle Katharina «der Dm-ch-
fall», 1669 bei Grimmeishausen Simpl. 117;
es scheint entstanden als Schulwitz und ver-
1007
Katheder
Katze
1008
hüllender Ausdruck im Gedanken an das
von KaGapöc abgeleitete gr. Koieapiua n. «Rei-
nigung, Auswui-f».
Katheder, m. und n. (-5, PI. wie Sg.):
erhöhter Lehrstuhl. Im 18. Jh. auch Fem.
(Günther 642, Lessing 10, 105), 1678 bei
Krämer Catheder m., aus gr.-lat. cathedra,
gr. KoG^bpa f. «Stuhl, Armsessel», dann «Lehr-
stuhl» und im Lat. büdlich «Lehramt». ZUS.
Kathedersozialist, m., Spottname für
Professoren der Volkswirtschaft mit soziali-
stischen Anschauimgen. 1871 von Oppenheim
gebraucht und zum Schlagwort geworden.
Vgl. Ladendorf.
Kathedrale, f. (PI. -n): bischöfliche
Hauptkirche. 1710 bei Nehring Cathedral,
1541 im Cod. dipl. Sax. reg. II, 3, Nr. 1422
Gathedralkirche, abgeleitet von lat. cathedrälis
«zum Sessel», d. h. «zum Bischofssitze ge-
hörig», zu lat. cathedra f. (s. Katheder), im
Mlat. «Bischofssitz».
Katheter, m. (s, PI. wie Sg.): chirur-
gisches Instrument, Im 17. Jh. (1694 bei
Nehring) Catheter, aus gr.-lat. catheter, gr.
KaBexrip m. «Sonde, feines Röhrchen zum
Einlassen in die Harnröhre», von KuOidvai
«herablassen, einsenken».
Kathode, f. (PI. -n): elektrischer Strom-
ausführer. Von gr. KctG-oboc f. «der Weg
hinab». In der neuem Elektiizitätslehre.
Katholik, m. {-en, PI. -en): Anhänger
der katholischen Kirche (bei Goethe [Egmont]
8, 204 der Katholike, auch sonst md.). 1762
im Nouv. dict. kathÖllsch, adj.: allgemein
christlich, rechtgläubig. Von kii-chenlat.
catholiciis , gr. Ka9oXiKÖc «allgemein», dann
«kirchlich rechtgläubig», von koBöXou, adv. «im
ganzen, im allgemeinen», zgs. aus kutoI «durch
hin» und öXoc adj. «ganz, ungeteilt». (1547 in
der Zimm. Chi-on. ^ 3, 377 die Gatollischen.)
Katholizismus, m. : der römisch-katholische
Glaube. Ende des 18. Jh. aufgekommen.
Kätuer, m. (-s, PI. wie Sg.): Besitzer
einer Kate; s. unter Kote.
Kattun, m. (-S, PI. -e): mit Mustern
bedi'ucktes dünnes leichtes Baumwollenzeug.
Schon mhd. cottun m. (Walther von Rheinau
31, 30), 1691 bei Stieler Kadun, Kattun, aus
ndl. kottoen (1598 bei Kiliaii), kattoen, katoen n.
«Baumwolle, BaumwoUenzeug», das wie franz.
coton, ital. cotone, span. alcoton, algodon m,
«Baumwolle» überkommen ist aus arab.
{al)-qüton «Baumwolle, Kattun». In Schlesien
und Brandenburg mit eingeschobnem r (wie
in Karnickel) Kartun, 1699 im schles. Helicon
1, 349 cartun. ABL. kattunen, adj.: aus
Kattun, 1647 bei Olearius 392 cattunen, ndl.
1598 bei Kilian kottoenen «baumwollen».
katzbalj^en, v. refl.: sich lärmend halgen
(s. d.) gleich den Katzen. 1508 bei Keisers-
berg Predigen 144 '\ abgeleitet von Katzbalg
m. «lärmender Zank» (1531 bei S. Franck
Chron. 12 ^ Katzpalg). Davon Katzbalgerei,
f.: lärmender Streit, 1659 bei Butschky
Kanzell. 416.
Kätzchen, n. (-s, PI. wie Sg.): walzen-
förmige Baumblüte. Mrhein. im 15. Jh.
ketzgin (Diefenbach gl. 165^), um 1480 im
Voc.inc.teut. p 2^palmketzel; dazu nd. kättjen,
ndl. katte und katteken bei Kilian (sonst auch
kattenstaarten «Katzenschwänze»), mengl.
chatt, engl, catkin. Das Weiche, Wollige
der Blütengestalt verglichen mit dem zai-ten
Fell der jungen Katze.
1 Katze, f. (PI. -n): Geldgurt. Erst 1731
in der Insel Felsenburg 1, 353 Katze, 1, 360
Geldkatze. Nd. katte f. «langer lederner
Geldbeutel, den reisende Kaufleute um den
Leib binden» (1767 im brem. Wb.), mund-
artlich-schwed. katt f. «Geldbeutel, gewöhn-
lich von Katzenfell» (Rietz 313^).
^ Katze, f. (PI. -n): das hohe Werk des
Bollwerkes. Mhd. katze f. «bewegliches
Schutzdach der Belagerer zum Untergi-aben
der Mauern» (ebenso mndl. catte, mlat. cattus
m. und catta f., urspr. «Kater» und «Katze»,
benannt wohl nach der Gestalt und dem
Heranschleichen des Tieres, s. Schultz höf.
Leben 2, 406 f.), auch der «Sturmbock» selbst,
dann «das Gerüst», worauf die Steinschleuder
(mhd. hltde) steht; daher übertragen seit
Anfang des 17. Jh. eine besonders erhöhte
Schanze zur Beherrschung der übrigen Fe-
stungswerke (1602 bei Kirchhof Militaris
disciplina 11 imd 175).
^Katze, f. (PI. -n): das Haustier zum
Fangen der Mäuse; Raubtierart. Mhd. katze,
ahd. kazza f.; dazu mnd.-mndl.-afries. katte,
ndl. kat, engl, cat, anord. ketta, nnorw. kjetta,
katta, schwed. katta f., anord. köttr, schwed.
1 katt, dän. kat m. Ein weitverbreitetes Wort,
dessen Herkunft unsicher. Vgl. lat. cattus,
catta, ir. cat, kymr. cath, bret. kaz, franz.
Chat m., chatte f., lit. kate f. Vgl. Sainean
La creation metaphorique en fran9ais et en
roman 5 ff. Die Form kater scheint r aus s
zu enthalten, vgl. das ndd. käz. RA. Das
ist für die Katze: das ist wertlos. Bei
1009
kauchen
kauen
1010
Bm-khard Waldis 4, 62 ; Katz aushalten (Les-
sing Minna 3, 10), die Katze halten (H. Sachs
17, 207): in einer peinlichen Lage aushalten.
Herkunft unbekannt. Die Katze im Sacke
kaufen: etwas unbesehens kaufen, 1741 bei
Frisch. ZUS. katzenäugig, adj.: grünlich-
grau, 1537 bei Dasypodius. Ratzenbnckel,
m,, bildlich von demütigen schmeichlerischen
Verbeugungen, bei Lessing Minna 1,3, Katzeil-
gold, n,: goldglänzender Glimmer (1546 bei
G. Agricola 473); ausfließendes goldgelbes
Kirschhai-z (im 15. Jh, kaczen golt bei Diefen-
bach gloss. 263°, clev, 1477 cattengolt, schon
in den altmd. Glossen zu Heinrici summarium
9, 22 kazzengolt), ui'spr. Bed. «falsches Gold».
Katzenjammer, m., Geheul der Katzen
zur Laufzeit; bildlich Übelbefinden nach Lust-
barkeit (bei Kluge Studentensprache 98 vom
J, 1768). Katzenkopf, m., übertragen
Dummkopf' (Lessing i, 393); Ohrfeige; ein
kleines kurzes Geschütz, Böller (1748 im
westphäl. Kobinson 240), wie es scheint Über-
tragung von ^Katze. Katzenkraut, n.:
die wegen des GeiTicbs von den Katzen ge-
Kebte Pflanze nepeta cataria, mhd. im 14. Jh.
katzenkrüt n. Katzenmusik, f.: Katzen-
geheul (1691 bei Stieler); ohrenzerreißende
Musik (Goethe 3, 334), als Verhöhnung (Lenz
1, 215). Vgl. Ladendorf. Katzensilber, n.-.
silberglänzender Glimmer, 1530 bei G. Agricola
Bermannus 134, eig. falsches Silber, vgl.
Katzengold. Katzensprung, m., bildlich,
kurzer Weg, 1691 bei Stieler. Katzentisch,
m.: im Winkel abseits der großen Speise-
tafel stehendes Tischchen, 1674 bei Abele
künstl. ünordn. 5, 404 Katzentischl n,, ähn-
lich wie Katzenhänklein (1646 bei Moscherosch
Philander 1, 124). An dem Katzentisch sitzen
hieß im Klosterleben, wenn der strafver-
büßende Mönch im Konvent statt an der
Tafel auf der Erde sitzend seine schmale
Mahlzeit einnehmen mußte, wo ihm die Kloster-
katzen Gesellschaft leisteten (1749 bei Balth,
Schäffer Tanzmeister 18, s. Gr. Wb. 5, 1239).
^kauchen, v.: seinen Körper der Länge
nach zusammenziehen, kauern, noch md. In
oberd. und md. Mundarten eine Nebenform
Jiauchen, im 15. Jh. in den Fastnachtsp. 1349,
nd. hüken (vgl. hocken).
^kauchen, v.: hauchen; gepreßt atmen.
Mhd.küchen, im 16. — 18. Jh. öfter vorkommend,
noch bayr. katichen, Schweiz, ch^'che. Wohl
für hauchen unter Einfluß von mhd. kichen,
s. keuchen.
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
^kaudern, v.: kollern wie der Truthahn
(1541 beiFrisius [cucuriol vom Haushahn chu-
teren wie ein Han, wenn er ein Hun decken
wil, bei Calepinus kautern) ; undeutüch reden,
plappern (Schiller 1, 213, vom J. 1782, schwäb.
küdern, im 15. Jh. kaudernetsch f. «Plapper-
mädchen, zu Schweiz. Nefsch f. «Plauderin»,
von netschen «plaudern»). In der urspr. Bed.
offenbar tonmalend.
^kaudem, v.: Zwischenhandel, wucheri-
schen Kleinhandel treiben. 1775 bei Adelung
als oberdeutsch; 1551 in Petrarcas Trost-
büchem 52* kauderer m. «Wucherer». Noch
bayrisch-schwäbisch.
kauderwelsch, adj.: durch Fremdartiges
unverständlich, verworren. 1521 bei Emser
Quadruplica C 1^ aiderwelsch, 1566 bei Mathe-
sius Luther 260 kauderwelsch (aus Luthers
Munde), dann 1577 bei Fischart Flöhh. 3111
Kuderwelschn. (von der macaronischen Sprech-
weise) und 1572 in Pract. Großm. 11 der
Plur. Kuderwelschen (fremdländische, italie-
nische Händler, wie sie damals in Süddeutsch-
land häuüg waren). Schon 1379 in Eain
am Lech als Eigenname Berchtold KJiaicder-
walch (ZfdA. 4, 578). Das Wort ist ent-
weder entstellt aus churioelsch mit Anleh-
nung an kaudern (1587 bei Mathesius Dilu-
vium 364'' CfiunraUen wohnen in den Alben,
die wir Cauderwelsche nennen), oder der erste
Bestandteil gehört zu kaudern-, Kauderwelsch
also urspr. die Sprache der fi-emdländischen
Händler (s. welsch).
Kaue, f. (PI, -n): Hütte der Berg- und
Waldleute mit kleinen Löchern statt der
Fenster, Schachthäuschen. Im 16. Jh. kawe,
kaue, im 15. Jh. auch keue, mhd. und md.
kowe, kouwe, nebenbei köuwe f. Mit ndd.
Koje (s. d.), zurückgehend auf lat. cavea,
später noch einmal als Käfig entlehnt).
kauen, v.: mittels der Zähne zermalmen.
Aus dem Md., mit schwacher Flexion, die
bereits im 16. Jh. die übliche ist; mrhein.
im 14. Jh. küwen, Prät. kmvede, als Neben-
form mhd. kouwen, ahd. couön; dazu ndl.
1598 bei Kilian kawen, kouwen, kmven, nndl.
kaauwen. Aber die urspr. hochd. und noch
in wiederkäuen geläufige Form ist käuen
(bei Rückert 11, 276, bei Duez 1664 käiven,
im 16. Jh. kewen), ehedem starkbiegend: mhd.
kiuwen (Prät. kou, Part, gekomven), ahd,
kiuwan; dazu ags. ceowan, engl, cheto, anord.
tygyja, tyggva, schwed. tugga, dän. tygge.'ürver-
wandt mit ahg. z(i)vati «kauen, wiederkäuen».
64
1011
kauern
Kaule
1012
kauern, v.: liocken. Erst 1727 bei Aler
kaueren, 1734 bei Steinbach sich kauern, aber
lange im 18. Jh. als niedrig angesehen. Neben
der weit altern Form hauren (1556 bei Frisius
898^), Schweiz. 1561 bei Maaler und spätmhd.
küren, wie kauchen (s. d.) neben hauchen,
die vielleicht durch den Einfluß von hocken
entstanden ist. Dazu mnd. kuren «spähend
schauen» (?), mengl. couren, engl, cotver
«kauern», mundartlich -schwed. kura «sich
kauern, bes. um zu faulenzen oder sich zu
verbergen», dän. kure «still sitzen oder liegen».
Wohl urverwandt mit gr. yüpöc «krumm,
gebogen», yöpoc m. «Kreis», arm. c%r «schief,
krumm, gebogen».
Sauf, m. (-[e]s, PI. Käufe) : Ertauschung
oder Erwerbimg gegen bares Geld. Mhd.
kouf m. «Handel, Geschäft, Kauf und Ver-
kauf, Ware, Kaufpreis» (daher nhd. leichten
Kaufes, «billig, ohne Schaden», eig. «mit Zah-
lung eines geringen Kaufpreises»), ahd. koufm.
auch «Tausch, Wechsel»; dazu asächs. cöp m.,
mnd. köp m., ndl. koop, ags. ceap m. «Kauf,
Kaufpreis, Habe, Vieh» (wie denn in ältester
Zeit aller Kauf ein Tausch und das Haupt-
tauschmittel, Vieh, die bedeutendste Habe
war), engl, cheap «billig» (eigentlich good cheap
«als guter Kauf»), afries. käp m., anord. kaup
n. «Ersatz, Bezahlung, Preis, Tausch, Kauf-
handel», schwed. köp, dän. kjöh. Davon ahd.
koufo m. «Handelsmann, Aufkäufer und Ver-
käufer», und weiter kaufen, v., mhd. kaufen,
ahd. koufon «Handel treiben, erkaufen und
verkaufen, eintauschen»; dazu asächs. cöpon
«erhandeln», got. käupön «Geldgeschäfte
treiben». Die noch in md. Mundarten (kefen)
übliche Nebenform keufen,käufen (15. — 17. Jh.)
beruht auf mhd. keufen, ahd. choufan; dazu
and. cöpmw, afries. käpia, ags.ceapian «handeln,
erkaufen», cypan «verkaufen», anord. kaupa
(Prät. keypti). Die Herkunft des Wortes ist
umstritten. Man nimmt jetzt gewöhnlich an,
daß ahd. koufo aus lat. caupo «Schenkwirt,
Händler» stammt (glossiert mit KdirriXoc,
■rravboxeuc, negotiator). Davon wäre got.
kaupön abgeleitet und kauf zurückgebildet.
Wegen der got. Form, und da das Wort
auch ins Slavisch-Litauische gedrungen ist
(abg. kupiti «kaufen», kupü m. «Kauf», kuplci
m. «Kaufmann», daraus wohl lit. kvpc'us m.,
kupc'äuti «Handel treiben», apreuß. käupiskan
«Handel») müßte die Entlehntmg sehr früh
angesetzt werden, und trotzdem ist es nicht
sicher, ob man damals nicht schon cö2)0
sprach. Außerdem war es ein niedriges Wort,
das auch nicht ins Romanische gedrungen
ist. Wegen der starken Verbreitung im
Germanischen und der Bedeutungsentwicklung
ist Hildebrand DWB. 5, 324 für deutschen
Ursprung eingetreten, und Franck hat Anz.
fdA. 21, 299 auf die Flexion als Stütze hin-
gewiesen. Grimm hat got. kaupatjan «ohr-
feigen», eig. «schlagen» verglichen, wobei an
die Besiegelung durch Handschlag zu denken
ist, vgl. mhd. koiif-slac m. «Abschluß eines
Kaufs, Kaufhandel», koufslagen v., mnd.
köpslagen, anord. slä kaupi «einen Handel
abschließen». ABL. Käufer, m. (-s, PI.
wie Sg.), bei Luther Keuffer, spätmhd. keufer,
mhd. kouf er, ahd. choufari m. «Kaufmann,
Kleinhändler»; dazu Käuferin, f., mhd.
kouferinne. käuflich, adj., mhd. kouflich,
ahd. chouflih, mnd. köplik; dazu Käuflich-
keit, f., 1482 im Voc. theut. q 1 '' kaufflicheit.
ZUS. Kaufbrief, m.: schriftUche Urkunde
über einen Kauf, im 15. Jh. bei Diefenbach
gl. hZ^^kauffbriejf. Kauffahrer, m. : Handels-
schifi'er, Handelsschiff (1607 in Scheible's flieg.
Bl. 11), aus nd. köpfarer. Kauffahrtei, f.:
Handelsschiffahrt, im 17. Jh. Govardei, noch
1775 bei Adelung Kauffahrdey, aufgenommen
aus nd. köpfärdije, ndl. koopvaardij f., einer
Ableitung von mnd. köpvart f. «Kauffahrt,
Handelsreise», md. 1304 koyfvart (Germania
20,* 45), anord. kaup f er d f.; dazu Kauf-
fa(h)rteischifiF, n., im 17. Jh. Govardei-
schiff, 1678 bei Krämer Kauffahrdey schiff,
ndl. koopvaardij schip. Kaufhaus, n., mhd.
koufhüs «Kaufhalle». Kaufherr, m.: vor-
nehmer Kaufmann, mhd. im 14. Jh. kaufherre.
Kaufladen, m., 1494 bei Brant Narrensch.
102, 32 kouf lad m. Kaufmann, m. (-S,
PI. Kaufleute), mhd. und ahd. koufman, mnd.
köpnian, afries. käp-, köpman, ags. ceap-,
cypynan, anord. kaupmadr, dän. kjöbmand; im
PI. mhd. koufliute, ahd. choufliute, mnd. köp-
lude, afries. käpliude; dazu kaufmännisch,
adj., 1575 bei Fischart Garg. 288, und Kauf-
mannschaft, f., mhd. koufmanschaft, mnd.
köpmanschapi. «Handel, Handelsware». Kauf-
SChilling, m. (-s, PI. -e): Drauf-, Kaufgeld,
bes. bei Ankauf von Grundstücken, im 16. Jh.
Zimm. Chron. 1, 168, 2).
Kaulbarsch, s. -Kaule.
* Kaule, f. (PI. -n): Grube. Mitteldeutsch.
Mhd.-(md.) küle, im 14. und 15. Jh. rhein.
küle, im 16. Jh. kaule, mnd. küle f. Nieder-
deutsch weit verbreitet. Wohl zu ^Kaute.
1013
£aule
Eaiiz
1014
"Kaule, f. (PI. -n): Kugel von geringem
oder mäßigem Umfange. Mitteldeutsch, 1540
bei Alberus dict. kaul, im 12. Jh. küle (Athis
105, 87), auch süddeutsch im 15. Jh. küle f.
Gekürzte Nebenform zu Kugel (s. d.), und
verwandt mit Keule (s. d.) «Stange mit kugel-
förmigem Ende». Dazu das Dim. Känlchen,
n., bei Luther Keulichen, 1517 bei Trochus
DS'^ kulchen, im 15. Jh. bei Diefenbach Gl,
265*^ kewlelichin. ABL. Käuler, m. (-s,
PI. wie Sg.) oder KaulhlLhll, n. : Huhu mit
kugelichtem, schwanzlosem Hintern, kau-
licht, adj.: kugeHcht, md. kulecht, im 15. Jh.
keulecht (Diefenb. Gl. 628^), bei Luther keulich
(1. Kön. 7, 41 f.), 1741 bei Frisch kaulig,
kaulicht. ZUS. Kaulbarsch, m. {-es, PI. -e
und Kaulbarsche) : der dick- und kugelköpfige
Barsch perca cemua. In Luthers Tischi-eden
224** Kaulepers, 1540 bei Alberus kaulbersch,
1549 im Peucers Vocab. D 4*^ Kulparsen pl.
(noch bei Lessing 3, 67 Kuhlparse pl., auch
rand. külbars), im 15. Jh. bei Diefenb. Gl. 602 «^
kulperske. Kaulkopf, m.: der Gropp, cottus
gobio, ein Fisch mit dickem kugelförmigen
Kopfe; der unentwickelte Frosch mit kuge-
Hchtem Kopfe (1672 bei Grimmeishausen Simpl.
4, 7 Kz. Keulkopf, 1664 bei Duez 1, 86 Kaul-
frosch); der Kaulbarsch (1775 bei Adelimg).
Li der 1. Bed, 1540 bei Alberus dict. keulkopff,
dafür 1775 bei Adelung Kaulhaupt, 1482 im
Voc. theut. m 8* kaulhaupt und r 6^ kulhaupt,
im 13. Jh. cülhoubit, cülhouuet n. (Steinmeyer-
Sievers ahd. Gl. 3, 369, 32). Vgl. Botzkolbe.
Ebenso Kaulquappe, f.: der Gropp (J. Paul
Titan 1,105); Kaulfrosch; Kaulbarsch (nd.Zzi/iZ-
quabbe 1756 bei Strodtmann 118). S. Quappe.
kaum, adv.: mit Mühe und Not, mit ge-
nauer Not; schwerhch; eben erst. Mhd.-mnd.
küme, ahd. chümo, mndl. cume, das Adv. des
seltnen mhd. Adj. küme, küm «schwächlich,
gebrechlich» (dafür ahd. chümig «schwach,
kraftlos, ki-ank»), Schweiz, chüm «kränklich,
unbehaglich», mnd. kume «matt, leidend, hin-
fällig», nd. küm «schwach von Alter, krank,
stöhnend; dazu ahd. chüma f. «Klage» imd
das Zeitwort mhd. kümen «wehklagen, trauern,
sich nach etwas ängstlich bemühen», ahd.
chünian, asächs. kümian «beklagen», wohl ur-
verwandt mit gr.Todeiv «wehklagen, jammera».
Gleicherweise das lat. Adv. aegre «verdrießlich,
schwerlich, kaum», vom Adj. aeger «krank,
verdrießlich». Im 16. Jh. treten erweiterte
Formen auf: kaumet, kaumend (beide bei
Luther), kaumenden, noch fränk. kaumends.
Kaupe, f. (PI. -n): Federbüschel auf dem
Kopfe des Vogels; Grasbüschel (1746 bei
Döbel Jäg.-Pract. 1, 69 a); kleiner Erdhügel
(ostmd.). In der 1. Bed. 1540 bei Alberus
dict. kai4>, kaupp, mit dem Adj. keupichi,
noch wetterauisch Kaube und keubig, 1517
obersächs. bei Trochus N 1 ^ kube f., aachenisch
Kuff, ndl. kuif f.; desselben Stammes wie
Kuppe (s. d.); damit ist aber wohl ein aus
slav.-abg. kupü m. «Hügel», sorb. kupa f.
«Hügel, Insel» entlehntes Wort zusammen-
geflossen.
kausal, adj.: ursächlich zusammenhängend.
Aus lat. causälis «zur Ursache gehörend»,
abgel. von causa f. «Ursache», 1801 bei Campe.
Davon Kausalität, f. (PI. -eu): Ursächlich-
keit. 1791 bei Eoth.
kauscher, s, koscher.
kaustisch, adj.: beißend, ätzend. 1791
bei Roth, von gleichbed. gr.-lat. Adj. caustic-us,
gr. KaucTiKÖc, mit kouctöc «brennbar» zu
Koieiv «verbrennen, verletzen».
^Kaute, f. (PI. -n): Grube, Loch. Mittel-
deutsch, schon im 14. Jh. kfite f., nd. küte f.
(bei Fontane.) Dazu gehört wohl kaule,
Kule mit Z- Erweiterung und Verlust des
Dentals. Vielleicht ist gr. fviir] f. «Geier-
nest, Höhle» wurzelverwandt.
"Kaute, f. (PI. -n): oben zusammenge-
di'ehter Büschel Flachses. Mitteldeutsch, im
15. Jh. kawte f., mlat. (entlehnt) cuta f. Das
Wort stammt wohl aus dem Slawischen,
russ. kudeli «Flachs am Rocken», tschech.
kuzel, poln. kqdziel «Spinnrocken»,
Kautel, f. (PI. -en): Vorbehalt, rechtliche
Verwahrung bei einem Vergleiche. 1571 bei
Roth Cautel, aus lat, cautela f. «Vorsicht,
«Sicherstellung», von lat. caM^MS «vorsichtig».
Kaution, f (PI. -en)-. Bürgschaft, Haft-
geld. 1532 in der peinl, Gerichtsordn. Karls V
§ 12 Caution, aus lat. cautio f. «Sicherstel-
lung», eig, «Vorsicht», von cautum, dem
Supinum von cavere «vorsichtig sein, sich
oder einen sicher stellen»,
Kautschuk, m, und n. {-s, PI. -e) : Feder-
harz, gurami elasticum. Erst im 19. Jh, Aus
franz. caoutchouc m. und dies aus Südamerika,
Kauz, m, (-es, PI, -e) : Art kleiner schreien-
der Eulen; (bildlich, mit dem PI. Käuze) selt-
sam aulfallender Mensch; aufgesteckter Zopf,
Neben der altern schwachen Flexion seit dem
16. Jh. die starke, die heute allein gilt (aber
in der 2. Bed. noch bei Maler Müller 1, 340
und Goethe 9, 102 der schwachbiegende Akk.
64*
1015
kanzen
Eehie
1016
Sg. Käuzen). In dei* 1. Bed. im 16. Jh. Kautz,
md. im 15. Jh. küze, kütz m. (Diefenbach
Gl. 83*), als Eigenname schon Anfang des
14. Jh. Kuiz, Küze (Baur Arasburg. Ur-
kundenb. 312; 358); dazu das Dim. KäUZ-
leiii; Käuzeh en, n,, im 15. Jh. Mtzlin,
ebenso bei Luther Kützlin, 1687 bei Hoh-
berg, 2, 838* Käutzichen, 1775 bei Adelung
Käuzchen, nd. kutzke. In der 2. Bed. im
16. Jh. Kautz (H. Sachs, Frey Gartenges.
28, 23, Lindener Katziporus 78). Man ver-
gleicht gr. ßOIa f., ßüac m. «Uhu». Vielleicht
ist aber auch ags. cyta m. «Eohrdommel»,
engl, kite verwandt und lit. gaudz'ü, gaüsti
c dumpf heulen». Wood Btr. 24, 529.
kaiizen, v. : sich ducken, gekauert hocken.
1691 bei Stieler (auch in der Bed. «prügeln»),
öfter bei Goethe; nd. küzen. Nebenform zu
kauchen (s. d.), wie gleichbed. leipz. kauxen.
Kavalier, m. (-s, PI. -e, selten -s, Goethe
30, 71): Ritter, Mann von feinem Anstände,
Hofmann. 1617 im teutschen Michel 19
cavallier, bei Opitz 2, 216 Cavalier. Über
gleichbed. franz. cavalier aus ital. cavaliere
m. «Reiter, Ritter», von lat. cahallärius m.
«Pf erde Wärter», im Mlat. «Ritter», einer Ab-
leitung von lat. cahallus m. «Pferd».
Kavalkade, f. (PI. -n): Aufzug von
Reitenden. Über gleichbed. franz. cavalcade
aus ital. cavalcata f., von ital. cavalcare, franz.
cJievaucher «reiten», abgeleitet von ital. cavallo,
franz. cJieval m., aus lat. cabalhis m. «Gaul,
Pferd». 1617 im teutschen Michel 9 Cavalcada.
Kavallerie, f.: die Reiterei. In der
zweiten Hälfte des 16. Jh. (1616 bei Wall-
hausen Kriegskunst zu Pferd schon geläufig
Gavallerie und Gavallerey) entlehnt über
gleichbed. franz. cavalerie aus ital. cavalleria
f. «Ritterstand, Reiterei», von ital. cavallo,
lat. cahallus m. «Pferd». Davon Kavallerist,
m. (-en, PI. -en): Soldat zu Pferd, im 18. Jh.
(1775 bei Adelung Gavallerist).
Kaviar, m. (-s): eingesalzner Rogen des
Störs. 1628 bei Hulsius Schiff. 14, 15 Gaviar,
aus gleichbed. franz. caviar, ital. caviale,
caviaro m. (schon im 15. Jh.), neugr. Kauidpi,
türk. (c)havjar. Nicht aus dem Russischen
(dort heißt der K. ikrä).
Kebse, f. (PI. -%) : Nebenweib, Konkubine.
Mild, kebes und kebese, kehse, md. auch kehisch,
ahd. kehis, chebis und chebisa f.; dazu and.
kevis, mndl. kefse, ags. cyfes und cyfese f.
Da das Wort im Ags. auch «Magd» und im
Anord, kefsir m. nur «Sklave, Knecht» be-
deutet, ergibt sich als urspr. Bed. «Sklavin,
Magd». Die Kebsweiber und Beischläferinnen
wurden aus den weiblichen Kriegsgefangnen
oder unfreien Mädchen genommen; ähnlich im
Griech. irdWa? f. «Mädchen und Beischläferin
als kriegsgefangene, geraubte Sklavin». Die
Herkunft ist unbekannt, vgl. Zupitza Gutt. 79.
ABL. kebseil, v.: zum Kebsweibe machen,
nehmen, mhd. kebesen, kehsen, md. im 14. Jh.
kebeschen, ndrhein. kevesen. ZUS. Kebskind,
n.: uneheliches, Nebenkind, mhd. kebeskint.
Kebsweib, n.: Nebenweib, mhd. kebesivip.
keck, adj.: lebensfrisch, lebensmutig; leb-
haft ; rasch ; zu kühn. Mhd. keck, ahd. check,
(beiNotker f 1022), (eigentlich Schweiz.) Neben-
form von quec (s. qtieck), mit geschwundnem
u. ABL. Keckheit, f., mhd. kecheit «hisches
mutiges Wesen». kecklich, adv., mhd.
kecliche adv.
keckem, v., lautmalend vom Froschge-
schrei, bei Bürger köckern, wie Rollenhagen
Froschm. 2, 4, 2, 33 f. den Frosch kekeck!
kekecks! quaken läßt; auch vom feinen heisem
Bellen des Fuchses, wie schon mhd. gekzen.
Frequentativ von älterhd. kecken (bei Luther),
das den kreischenden Schrei des Raben, der
Krähe usw. ausdrückt.
Kees, n. {-es, PI. -e): Gletscher. Nur
bayrisch. Schon ahd. c/tes «gelu». Unerklärt.
^ Kegel, m. {-s, PI. wie Sg.): uneheliches
Kind; in der stabreimenden Wendung Kind
und Kegel (eheliche und uneheliche Kinder,
alle Angehörigen insgemein), schon md. im
13. Jh. kindes kekel, 1422 kint und kekel,
spätmhd. im 15. Jh. kegel m. «uneheliches
Kind». Dunkler Herkunft. Verbindung mit
^Kegel ist nicht undenkbar, vgl. DWB. 5, 390.
Anders Detter ZfdA. 42, 56.
^ Kegel, m. (-S, PI. wie Sg.): spitzig zu-
laufender, einen Kreis zur Grundfläche haben-
der Körper. Mhd. kegel m. «Kegel im Kegel-
spiel», auch «Knüppel, Stock», ahd. chegil m.
«Pflock, kleiner Pfahl»; dazu mnd. kegel,
mndl. keghel m., schwed. kägla f. «Kegel im
Kegelspiel», mndl. kegghe und nndl. keg «Keil»;
aus dem Germanischen entlehnt franz. quille f.
«Kegel». Vgl. Uhlenbeck Btr. 26, 300 (zu
abg. zezlu m. «Rute, Stab» gestellt). ABL.
kegeln, v.: Kegel schieben, mhd. kegeleti.
Kehle, f. (PI. -n): äußerlich der vordre
gebogne Teil des Halses, innerlich die Luft-
oder die Speiseröhre; (übei'tragen, schon
mhd.) Einbiegung; die innre ofihe Seite eines
Festungswerks (1678 bei Krämer); Hohlkehle
lor
Kehraus
Keiler
1018
(s.d.). In urspr. Bed. mhd.kel, Jcele, ahd.kela f. ;
dazu andfrk. kela, and. in kel-girithi ^GeüäQig-
keit», mndl. kele, ndl. keel, ags. ceole f., und
weiter lat. ffula f. «Speiseröhi-e», aind. galas nu
cHals, Kehle». ABL. kehlen, v.: die Kehie
ab- oder ausschneiden (1517 bei Ti'ochus R3^
kelen); rinnenartig höhlen (1691 bei Stieler).
ZUS. Kehlkopf, m.: der hervorragende
knoi-pelige Teil der äußern Kehle, 1775 bei
Adelung.
Kehraus, s. ^kehren.
^kehren, v.: entgegengesetzte oder seit-
wäi'ts einbiegende Richtung geben oder neh-
men, wenden. Mhd. keren (mitunter kerren).
ahd. keran, cheiran und kerran; dazu andfik.
kerian, keron, and. kierta «detorsit», mndl.
keren, ndl. keeren, afries. kera, ags. cerran,
cin-an, cyrran. Herkunft dunkel. Der deut-
schen Form würde got. *kaisjan, der ags.
*karsjan entsprechen. Das Prät. bei Luther
kerete und kart, nach dem md., ins Mhd.
vordringenden karte, karte, Part, gekärt, ge-
kart, mit dem entsprechenden Inf. kdren.
Dazu das ältemhd. Subst. Kehr m., mhd.
ker, ahd. ker m. «Wendung, Richtung» (noch
in Verkehr m.), und Kehre, f.: Wendung
einer ansteigenden Sti-aße, mhd. kere, ker,
ahd. kera. Die verkürzte Form Kehr noch
in Einkehr, Umkehr. ZUS. Kehrreim, m.,
für das franz. refrain m. von G. A. Büi-ger
354* (Bohtz) vorgeschlagen und gebraucht.
Kehrseite, f.: Rückseite, in der zweiten
Hälfte des 18. Jh. aufgenommen aus ndl.
keerzyde f. «Revers (Rückseite) einer Münze»
(1729 bei Halma 308 c).
"kehren, v.: durch Streichen mit Besen,
Bürste usw. von ünreinigkeit befreien. Mhd,
keren, kern, ahd. kerjan, kerren, and. kerren,
zu ahd. kara in uberkara f. «Auskehricht», isl.
Aar n. «Schmutz an neugebomen Kälbern und
Lämmern». Vielleicht zu Ht. zeHi «scharren».
ABL. Kehricht, n., auch m. (-s): mit dem
Besen ausgekehi-ter Unrat, um 1480 im Voc.
ine. teut. nl** keracht, 1482 im Voc. theut.
q 8** kerecht, spätmhd. kerach, im 16. Jh.
Kerich, 1678 bei Krämer Kehricht u., bei
Goethe 8, 120 Kehrig m. und n. Kehrsel,
n. (-s): Kehricht, 1540 bei Alberus dict.
kersel, mhd. kersal ZUS. Kehraus, m.:
Schluß tanz, 1734 bei Steinbach, aber schon im
15. Jh. kerauß m. «der letzte, kräftigste Trunk»;
eine Imperativbildung. Kell rljpsen, m., mhd.
kerheseme, ahä.kerhesimo. Kehrwisch, m,,
um 1480 im Voc. ine. teut. n2* kenvisch.
Keib(e), ni. {-en, PI. -en): Aas, Leichnam,
im 15. Jh.; Lump, Schuft (1517 bei Keisers-
berg Evang. 213^). Alemannisch. Unerklärt.
Keiche, keicheu, s. Keuche, keuchen.
keifen, v.: sich zänkisch auslassen; (nhd.
auch von kleinen Hunden) Lärm machend
kläffen. Neben der vorwiegenden schwachen
Flexion in Nord- und Mitteldeutschland auch
die starke, 1775 bei Adelung Prät. kiff, Part.
gekiffen, 1734 bei Steinbach (schles.) kief,
gekiefen, mnd. Prät. kev, ndl. Prät. keef, Part.
gekeven. Wie Hafer statt Haber, Hufe statt
Hübe, so ist auch keifen die durch das
^litteldeutsche aus dem Nd. aufgenommene
Form für mhd. kfiben, aber auch schon kifen,
kiven, ältemhd. keiben. keifen, daneben kifen
und kiefen; dazu mnd. kiveyi, ndl. kijven, afries.
szivia, tsivia, anord. kifa, schwed. kif, kifvas,
dän. kiv, kives. Weitre Beziehungen sind
unsicher. ABL. Keif er, m.: Zänker, 1691
bei Stieler (auch Keiferin f.), nand. klver m.
keifisch, adj.: zänkisch, bei Stieler, dafür
1664 bei Schottel keibisch, 1537 bei Dasy-
podius keibig, mhd. kibic.
Keil, m. (-[e]s, PI. -e): spitzsäulenartiges
Werkzeug zum Spalten, Zwischeneinschieben
usw., dem ähnliches Stück. Mhd.-ahd.-mnd.
Ml m. «Pflock, Keil», aus kidla- wegen der
mhd. Nebenform kidel, ältemhd. Keidel (noch
Schwab. -Schweiz.) m.; dazu anord. kill m.
norw. kü «schmale Bucht», schwed. kil, dän
küe «Keil». Vgl. Sievers Idg. Forsch. 4, 340,
Vielleicht zu der Wz., die in Keim vorliegt
ABL. keilen, v.: den Keil einschlagen
mit Keilen befestigen (1482 im Voc. theut
q2% mnd. kilen); schlagen, piügeln (nord
und md., Ende des 16. Jh. bei Riugwalt laut
Warb. 84, bei Opel und Cohn 31 vom J. 1620
dazu Keile, PL, norddeutsch, und Keilerei,
f., im 19. Jh.). ZUS. Keilschrift, f.: alt-
! orientalische Schi'ift mit keiliörmigen Schi-ift-
I zeichen, gegen Ende des 18. Jh.
I Keiler, Österreich, auch Keuler, m.
(-S, PI. wie Sg.) : wüder Eber. Ein Jäger-
I ausdruck. 1608 keyler in gi-äfl. Küchen-
\ Wochenzetteln zu Büdingen in der Wetterau,
I 1631 bei Opel und Cohn 278 Keuler, 1680
1 bei Riemer pol. Colica 236 Käuler, 1691 bei
Stieler Keuler und Keller. Das Wort könnte
I auf die Hauer oder Hauzähne des kampf-
mutigen wilden Ebers deuten und von keüen
(s. d.) abgeleitet sein. Entlehnung aus lit.
kuilis m., lett. kuilis «männliches Zucht-
schwein» ist durchaus unwahrscheinlich.
1019
Keim
Kelch
1020
Keim, m. {-[e]s, PI. -e): ausbrechende
junge Samensprosse. Mhd. kirne, ahd. kimo,
daneben schon im 12. Jh. kmi m.; dazu mnd.
kime und mit andrer Ableitung and. km
(m.), mnd. kine m. und fränk.-schwäb. Keid f.
«Keim, Setzpflänzchen», mhd. kide, kit n.
«Schößling», ahd. Mdi n. (in frumikidi «erster
Keim, Erstling»), asächs. Md m.. «Schößling»,
ags. clp «Sproß», Schweiz, cheist m,, ahd.
{frumi)-cMst «primitiae». Die unerweiterte
Wurzel in got. Partizip us-kijans «hervor-
keimen», mit Präsenserweiterung keinan, ahd.-
as. klnan «hervorkeimen», ags. cinan «bersten,
offenstehen». Daneben die Bedeutung «Spalte»
in ags. dnu f. «Ritze, Spalte», dän.-dial. kin
«Spalte». Da dies alles zur Grundbedeutung
«Spalte» führt, kann Keil «Werkzeug zum
Spalten» dazugehören. K. wird vom 16. — 18.
Jh. auch Kaum geschrieben. ABL. keimen,
V., mhd. im 11. Jh. klmen, im 16. — 18. Jh.
auch kminien.
kein, adjektiv. Zahlpronomen: nicht ein,
]VIhd. kein, chein, gekürzt aus nekein oder
(mit üblicher Umstellung des ne) enkein, ur-
sprünglicher necliein, ahd. nihein «auch nicht
ein», zgs. aus der mit lat. nee, neque in Laut-
verschiebung und Sinn stimmenden got. Par-
tikel nih (eig. ni-uh d. i, die Verneinungs-
partikel 7ii, lat. ne-, verbunden mit dem got.
Anhängsel -uh, -h, entsprechend lat. -qiie,
gr. T€, aind. da «und») und aus dem Zahl-
wort ein; dazu asächs. nigen, mnd. negen,
gekürzt gen, gein, mndl. negheen, engeen, ndl.
geen; im Ahd. eine gleichbed. Nebenfoi'm
nohein, gebildet mit ahd. noh, unserm ver-
neinenden noch (s. d.). Mhd. kein bedeutet
aber auch «irgendein» (nach dem Kom-
parativ noch im 18. Jh. «mehr als kein andrer»
Goethe 46, 79, Schiller Don Carlos 1, 1); in
diesem Falle ist es gekürzt, und zwar zu-
erst zu ichein aus mhd. dekein, dehein, ahd.
dihein «irgendeiner», dessen erster Bestand-
teil dih- dunklen Ursprungs ist; dazu die
ahd. Nebenform dohein «irgendeiner», nach
dem Vorbilde von nohein und im Gedanken
an doh «doch». Beide mhd. Wörter enkein
und dekein vermengten sich, so daß auch
dieses in der Bed. «nicht irgendein», jenes
in der Bed, «irgendem» steht. Das Zahl-
pronomen kein in Verbindung mit einer Ver-
neinungspartikel (kein nicht usw.) ist von
alters her stärkre Verneinung (noch bei Lessing
Nathan 5, 8, Goethe 9, 23, Schiller Wallenst.
Tod 3, 15) auch heute noch im Volksraunde ;
die herrschende Ansicht dagegen, daß zwei
Verneinungen sich aufheben, also bejahen,
rührt von der Schule aus der lat. Grammatik
her. Das nach kein folgende Adj. vor einem
Subst. hat heute im Plur. schwache Flexion,
z. B. keine grauen Haare, früher starkbiegend
keine graue Haare Schiller Räuber 4, 5. ZTJS.
(aneinander gerückte Genitive) keinerlei,
adv.: keiner Art, mhd. keiner leie, keiner lei,
deheiner leie, s, -lei. keinerseits, adv.,
1691 bei Stieler. keinesfalls, adv. keines-
wegs, adv,, bei Luther keinsweges, im 15. Jh.
enkainswegs (die sieben weisen Meister in
der Gießener Hs. Nr, 104 Bl, 36»), 1378 mhd.
keins wägs, 1343 schweh. deheins loegs (Weisth.
5, 85 u. 87). keinmal, adv., erst im 17. Jh,
(1618 bei Schönsleder).
Keische, s. Keusche.
-keit, Ableitungssilbe zur Bildung abstrak-
ter Subst. von Eigenschaftswörtern. Schon
mhd. -keit, mit Übergaijg des ch in k entstan-
den aus -ec-heit, d. h. der mhd. adjektivischen
Ableitungssilbe -ec, nhd. -ig, und -heit (s. d.),
z, B, mhd. süegecheit (d. i, süegec-heit) siiege-
keit, nhd, Süßigkeit; von da aus verbreitete
sich -keit weiter, z, B, mhd. heilickeit (My-
stiker 1, 126, 13), auch wo kein Adj. auf -ec
vorlag, z. B. mhd. bitterkeit, geistlichkeit.
Keitel, m. (-s, PI. wie Sg,): Fischnetz;
Schleppnetz; Sack im Netz; sackförmiger
Darin bei Tieren, Mitteldeutsch, ostpreußisch.
Besser Keutel zu schreiben, da es wohl zu
Kaute gehört.
^ Kelch, m. (-[e]s, PI. -e): bauchiges Trink-
gefäß mit hohem Fuß. Mhd. kelch, kelich,
ahd. chelh, ehelich m.; dazu asächs. kelik,
mnd, kelk, kelik, afries. tzilik, tzielk, ags, calic,
ccelic, anord. kalkr m. Entlehnt aus gleich-
bed, lat. caVix, Gen. calicis, und zwar in
sehr früher Zeit, als c vor i im Lat. noch
wie k gesprochen wurde (vgl. Kaiser, Keller).
ZUS. Kelchglas, m., 1691 bei Stieler.
^ Kelch, m, (-[e]5, PI. -e): Blütenhülle am
Stengel, Mit dem vorwärtsschreitenden Stu-
dium der Pflanzenkunde erst in der Mitte
des 17, Jh., gegen dessen Ende (1691) Stieler
Kelch vom Rosenkelche und dem offnen Rosen-
knopfe hat. Aufgenommen aus gr.-lat. calyx
m. (Gen. calycis), gr, koIXuH f. «Blumenkelch,
Rosenknospe», urspr. «Hülle, Hülse».
^Kelch,m.(-[e]s, Pl.-e): Fetthaut zwischen
Kinn und Hals, 1540 bei Alberus dict, Q 2*
kelcklin n,, nihd. kelch, ahd. chelch, ehelich,
cheluchm., anord. kjalki m. «Kinnlade», norw.
1021
Kelle
kennen
1022
kjelke «Bandschlitten», von ahd. cJiela f.
«Kehle». Noch oberhess.-wetteramsch Kelch,
Kalcli, Kalk, henneberg. kelch, in Sonneberg
kälich, elsäss. kalk «gestielte Geschwulst am
Hals, Art Doppelkinn», Schweiz, kelchen «einen
Kropf bekommen», bayr. kelch «Auswuchs an
der Kolilpllanze».
Kelle, f. (PI. -n): breiter, tiefer Löffel
mit langem Stiele ; Schöpfgefäß ; Maurerwerk-
zeug zum Auffassen, Anwerfen imd Streichen
des Kalkes usw. Mhd. und mnd. kelle, ahd.
kella. Unerklärt. Im Ags. cyll, cylle, cille f.,
cylle m. «Lederschlauch, Flasche, Gefäß» hat
Vermischung des germanischen Wortes mit
einem Lehnwort aus lat. cülleiis m. «lederner
Sack, Schlauch», stattgefunden.
^Keller, m. (-s, PI. wie Sg.): unter-
irdischer Aufbewahrungsort für Speisen, Ge-
tränke usw. Mhd, keller, ahd. kellari m,;
dazu and. kelleri, ndl. kelder, anord. kellari,
kjallari m., schwed. . MWare, dän. kjelder.
Entlehnt in sehr früher Zeit (vgl. Kelch)
aus lat. cellärium n. «Speisebehältnis», von
lat. cella f. «Wirtschaits-, Vorratskammer».
ZTJS. Kellerassel, f.: Assel (s, d.), die in
feuchten Kellern lebt, 1716 bei Ludwig Keller-
essel. Kellerhals, m.: vorspringender ge-
wölbter Eingang des Kellers, spätmhd. keller-
hals. Kellermeister, m.: (oberster) Auf-
seher über den Keller, mhd. im 14. Jh.
^Keller, m. (-.s, PI. wie Sg.): Keller-
beamter, der die heiTschaftlichen Gefälle an
Wein und an Lebensmitteln erhebt und ver-
rechnet (seit dem 18. Jh. veraltet); Keller-
meister^ KeUner (Schiller Kabale 1, 2). Mhd.
kellcere, keller und kellei-er, aus lat. cellärixis m.
«KeUer-, Küchenmeister», von lat. cella f. «Vor-
ratskammer». S. Kellner. ABL. Kellerei,
f.: Amt, Amtswohnung und Amtsgebiet des
Kellerbeamten (spätmhd. kellerte, im 14. Jh.
kelnerie f.); Gesamtheit der Kellerräume (im
16. Jh. bei Fischart Garg. 83, der Plm-. im
Glückh. Schiff 898).
Kellerhals, m. {-halses, PI. -halse): die
■ Holzpflanze Daphne mezereum. Spätmhd. im
15. Jh. heller-, kellershals und mnd. kelder-,
kershals (Diefenbach Gl. 321*'), 1482 im Voc.
theut. e5* kelershalß nnd q2^ kelrßhalß; der
erste Bestandteil ist dunkel, vielleicht zu
mnd. kellen «Qual oder Schmerzen verur-
sachen», mhd. quehi, kein, kellen «quälen,
martern », weil die Beeren, ein starkes Purgier-
mittel, im Halse heftiges Brennen verur-
sachen (vgl. Luther 8, 113^).
Kellner, m. {-s, PI. wie Sg.): der den
Keller, d. h. das Getränk in einem Gast- oder
Wh'tshause zu besorgen hat. Mhd. kelncBre,
ahd. kellnäri, kelnäri m. «Kellermeister, hen--
schaftUcher Steuerbeamter» (s. - Keller), aus
gleichbed. mlat. cellenarius m,, von lat. cella
f. «Vorratskammer». Dazu Kellnerin, f.,
mhd. kelncBrinne, kelnerin f. «SchaflFnerin,
Hausmagd».
Kelter, f. (PI. -n): Wein-, Essig-, Öl-
presse. Mhd. kelteii' f. «Weinpresse», daneben
kalter, kaltur (noch in Franken Kalter f.),
ahd. calctüre, calcatüra f , aus lat. calcätUra f.
«das Treten», von lat. calcäre «treten», denn
urspr. wui-de der Wein in der Kelter ge-
treten, später gepreßt. ABL. keltern, v.,
im 15. Jh. (Diefenbach Gl. 589 a), davon
Kelterer, m., im 15. .Jh. ZUS. Kelter-
bauni, m., mhd. kelterhoum.
Keni(e)nate, f (PI. -n): das die Wohn-
zimmer des Burgherrn enthaltende Wohn-
gebäude innerhalb der Ringmauer der Burg,
flüher aber das heizbare Wohngemach am
Hofe. Mhd. kemenate, kemnäte, mnd. keme-
näde, ahd. cheminäta f., aus altromanisch und
(schon 584) mlat. {camer a) cammata f. «heiz-
bares Zimmer», ital. camminata f. «Saal»,
von mlat. caminare «mit einer Feuerstätte
(lat. camimis m.) versehen».
Kengel, m. (-s, PI. -wie Sg.): Einne,
Röhre, Röhrenähnliches. Oberdeutsch. Mhd.
kengel m. «Röhre, Stengel, Federkiel»; ent-
weder mundartUche Nebenform zu Kennet m.
«Rinne, Röhre» (s. Kanal) oder aus lat,
cannula f. «kleines Rohr».
kennen, v. (Prät, kannte, Konj, kennte,
Part, gekannt, älterahd, bis ins 18. Jh. Prät.
auch kennete, kennte, Part, gekeyinet, gekennt) :
im Bewußtsein haben, Mhd. wenig gebräuch-
lich kennen (Prät, des Ind. und Konj. kante,
kande, md. auch kente, Part, gekant, kant
und kennet), ahd, nur in Zusammensetzungen
bichennen, irkennen und Part, unchennento
«nicht erkennend», asächs. in antkennian «er-
kennen», afries. kenna, kanna «anerkennen,
untersuchen, bekennen», anord. Ärewwa «kennen
lernen, erkennen, gewahr werden, kennen
lehren, zurechnen, benennen», schwed. känna,
dän. kjende «kennen, erkennen», ags. cennan
und got. kannjan «bekanntmachen, kundtun»,
eig. «wissenmachen», urspr. Faktitivum zum
got, Prät, Präs. kann, Inf. kunnan «wissen»
(s. können). ABL. Kenner, m., md. im
14. Jh. kenner «Erzeuger, Erkenner», im
1023
kentern
Kern
1024
16. Jh. «der etwas kennt», namentlich im
18. Jh. verbreitet, kenubar, adj., 1691 bei
Stieler, ndl. 1599 kenbaer; dafür im 17. und
18. Jh. kenntbar, im 16. und 17. Jh. kantbar,
zgs. mit dem Part, von kennen (s. oben), ebenso
wie die beiden folgenden Ableitungen: kennt-
lich, adj., md. im 14. Jh. kentlich, 1537 bei
Schaidenreißer Odyss. Vorr. S. 7 unkantlich,
neben mhd. kennelicJi, kenlicJi, und Kenntnis,
f., mhd. und zumal md. kantnusse, kentnisse f.,
im 17. u. 18. Jh. auch Neutr. und bisweilen, z.B.
bei Herder, Kännttiiß geschriehen. Kennung,
f., frühmhd, cliennunge f. «Erkennung, Er-
kenntnis». ZTJS. Kennzeichen, n., I58i
bei Fischart Bienenkorb 135^, ndl. 1599 bei
Kilian kenteycken; davon kennzeidinen, v.,
bei Herder 1, 400.
kentern, v. : auf die Seite legen oder sich
umlegen. Nd. Seemannsausdruck, ndl. kan-
teren, kenteren, auch ins Skandinavische ge-
drungen, schwed. kantra, dän. kantre, käntre.
1741 bei Frisch kentern «den Walfisch auf die
andre Seite legen, um dem toten Fisch dort
den Speck abzuschneiden». Von Kante (s. d.).
Kerbe, f. (PI. -n): spitzwmkliger Ein-
und Ausschnitt. Mhd. kerbe f. und kerp m.,
md. im 14. Jh. kerbe f. und karp m., ahd.
nicht nachweisbar, ndrhein. im 14. Jh. kerpli
m., nd. im 15. Jh. kerve, karf t, daneben
kerf n. ; dazu (entlehnt afries. kerf) ags. cyrf
«Einschnitt»; aus dem Nd. auch hd. schon
im 15. u. 16. Jh. Kerfe, Kerfi. Zu kerben,
v.: einschneiden, spätmhd. kerben, auch «aufs
Kerbholz einschneiden», seit dem 15. Jh. auch
kerfen nach dem mnd. kerven; dazu ndl. kerven,
afries. kerva, ags. ceorfan, engl, carve. Das
Verb ist in die schwache Biegung überge-
gangen, die urspr. starke Hegt noch vor in
dem mnd. Part, gekorven, im Ndl. (Prät. korf,
Part, gekorven), Ags. (Prät. cearf, curfon, Part.
corfen) und Afries. (Pai-t. kurven). Urver-
wandt gr. Ypoi9eiv «schreiben», eig. «einritzen»,
lett. grebt «schrapen, aushöhlen, eingraben
mit einem Grabstichel», apreuß. girbin «Zah\:i>,
ahg.zrebiji m. «Loos». .^?7(Sf. Kerbholz, n.:
Hälfte eines zugeschnitzten, der Länge nach
gespaltnen kurzen schmalen Stäbchens, um m
dessen beide Hälften, zusammengelegt, Kerben
zur Zählung und Abrechnung zu schneiden,
im 15. Jh. kerbholz, im 14. Jh. md. kerveholz.
Kerbstock, m.: Kerbholz, besonders in
Niederdeutschland, 1477 clevisch und um 1400
mnd. kervestock. Kerbtier, n., von Campe
gegen 1794 für Insekt gebildet.
Kerbel, m. (s): die Suppenpflanze an-
thriscus cerefolium. Mhd. kervele, kervel f.,
ahd. kervüa f. und andere Schreibungen (vgl.
ZfdW. 6, 183); dazu mnd. kervele, kervole,
im 15. Jh. carvel, jetzt meist karwel, ndl.
kervel, ags. cerfille f., engl, chervil. In früher
Zeit, wie das anlautende k zeigt, entlehnt
aus dem gleichbed. lat. cerefolium, caere-
folium n. (von gr. xciP^tP'J^^ov n.), woher
auch gleichbed. franz. cerfeuil, ital. cerfoglio.
kerben, Kerbholz usw., s. Kerbe.
Kerf, m. (-[e]s, PI. -e): Insekt, Kerbtier,
Kerflai-ve, zuerst 1833 bei Jahn Merke z. d.
Volksth. 253 und 1835 bei Oken Naturgesch.
5, 10. Künstliche Neubildung für Kerbtier.
Kerker, m. (-s, PI. wie Sg.): hartes Ge-
fängnis. Mhd. karkcere, kerkcere, karker,
kerker, auch karkel, kerkel, ahd. charchari,
karkari m.; dazu asächs. karkari m., ags.
carcern, cearcern n., got. karkara f. Wie
das zweite k zeigt, in sehr früher Zeit ent-
lehnt aus gleichbed. lat. carcer m., woher
auch air. carcar und ital. carcere m., span.
carcel f., afranz. chartre f.
Kerl, m. (-S, PI. -e): derbe Mannsperson;
Geliebter. Md. kerl m. «Mann», auch schon
mit vei'ächthchem Nebensinne, mnd. kerel,
kerle, 1477 clevisch kerle m. «Dorfmann»,
mndl. keerle m. «Bauer», im Ablaut zu mhd.
karl, ahd. charal m. «Mann, Ehemann, Ge-
heilter», welche sich im Mannsnamen Karl
(s. d.) erhalten haben. Es entspricht weiter
nmd. kerle «Mann von niedrigem Stand,
kräftiger Mensch, Herrscher», ndL kerel,
afries. tzerl, ags. ceorl m. «Unfreier», engl.
churl «Bauer, Kerl, Tölpel». K. ist md.-ndd.
und im Oberdeutschen Lehnwort. Der im
16. und 17. Jh. gebräuchliche Nom. Sg. Kerles,
Kerls (noch Schweiz, kerlis, schwäb. kärles,
thüring. kerls) ist wohl aus Karlus hervor-
gegangen, der Plur. Kerls ist nd. (auch bei
Goethe 8, 104).
Kermes, m. (Gen. u. PI. ebenso): hochrotes
Farbeninsekt, Scharlach-Schildlaus; Farbstofi'
daraus. 1712 bei Rühner Kermes, Älkernies,
aus gleichbed. span, alquei'mes, von arab.
qirmiz (mit dem Artikel: al-) nach pers. kirtn,
aind. kpnis m. «Wurm», krmijas «wurmer-
zeugt». Vgl. Karmin, karmesin.
Kern, m. (-[e]s, PI. -e): Fruchtkörper der
Pflanzen im Gegensatz zur Schale; festes
Holzinneres; (bildlich, schon mhd.) Innerstes
und Stoffhai tiges; Hauptsache, Bestes, Vor-
züffliehstes. Mhd. kern neben älterm schwach-
1025
kernen
Kette
1026
biegenden kerne, ahd. kerno m.; dazu and.
kerno m,, nind. kerne f. (wie 1691 bei Stieler
121 und 1663 bei Schottel 508 * Kern f., abd.
nugcherna f.), anord. kjarni m., schwed. kärna,
dän. kjeme. Kern und Kam (s. d.) sieben
im Ablaute zueinander. Oberd. mit bewahrter
schwacher Form Kern (Gen. -en) oder Kernen
m. «ausgedroschnes und gereinigtes Getreide»,
bes. «Spelz», wie schon xnhd.keme m. ABL.
kernen, v.: die Kerne ausmachen, mhd.
kirnen, kernen, auch c< Kerne ansetzen, Kern
bilden», ahd. kirnan «auskernen, dreschen».
kernicht, kernig, adj., 1556 bei Frisius 610^
kernächtig, 1576 bei Mathesius Luther 151*
kirnig, 1691 bei Stieler kernicht. ZUS. Kern-
beißer, m.: der Kh'schfink, 1517 bei Trochus
H5^ kernbyßer, 1556 bei Frisius 935'' kern-
heyß. kerngesund, adj., seit der zweiten
Hälfte des 18. Jh. kernhaft, adj., 1549 in
der Beraer Tragödia Job. d. Tauf. D 5 *. Kern-
haus, n.: Samenbehälter im Kernobst, in
Yokab. des 15. Jh. kernhus, 1422 kernhaivs.
Kernobst, n., im Gegensatz zum Steinobst
1709 bei Dentzler Kernobs; im Gegensatz zu
gepropftem Obst 1731 im Öconom. Lex.
Kernschuß, m.: Schuß in gerader Richtung
auf das Ziel, unterschieden vom Bogenschuß,
1741 bei Frisch. Kernspruch, m., 1663
bei Schottel 508^.
kernen, v.: zu Butter rühren. 1616 bei
Henisch 573, 23 u. 1581 bei Apherdianus, sowie
oberpfälz.-mrhein. kernen, westfäl. - ndrhein.
kirnen, nd. kamen, ndl. kernen, kamen, ags.
cernan, engl, churn, schott. kirn, anord. kirna,
schwed kärna (dial. kjorna), dän. kjerne
«buttern». Vielleicht (vgl. oberpfälz.-nümb.
Kern m. «Milchrahm zum Buttermachen», j
mndl. kerne, Island, kjarna «Milchrahm») eig.
Kern, d. h. «Fettes, Bestes der Müch» (s. Kern).
Doch kann auch ganz etwas andres darin
stecken. Dazu Kerne f. «Butterfaß, 1616 bei
Henisch 574, Kirne bei Kramer 1719, west-
fäl. kirne, mi-hein. kern, kirn, ndrhein. im
14. Jh. kirn, nd. käme, kam, mnd. kerne,
käme, ndl. kern, kam, ags. ceren, cyrin, engl.
churn, anord. kirna, schwed. kärna f., dän.
kjerne «Butterfaß». ZTJS. Kernmilch, f.:
Rührmilch Buttermilch, im 15. Jh. kerne-,
kerenmüch, ndrhein. im 14. Jh. kirnmilch, nd.
kammelk, mnd. käme-, kememelk, ndl. kerne-
melk, schott. kirnmilk, schwed. kämmjölk,
dän. kjernemelk.
Kerner, s. Karner.
Kerze, f. (PL -n): gerades Wachs-, Talg- ,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
licht usw. Mhd. kerze, ahd. cherza f. «Kerze»,
charza f. «Docht», charz m. «Docht, Werg,
aus dem der Docht der Kerze gedreht wurde»;
and.kerzia f. «Kerze», md. im 15. u. lö.Jh.kirze,
kirz, nd. kers, kars, mnd. kerte, kerse, karse,
kersche, ndl. kaars, mndl. keersse f., entlehnt
anord. kerti n., dän. kerte. K. ist Ableitung
von ahd. karz «Docht, Werg», für das Kluge
Entlehnung aus lat. Charta f. «papyrus» an-
nimmt. Doch ist dies noch nicht in der Be-
deutung «Docht» gefunden, und die Ver-
mutung daher sehr unsicher, karz kann auch
einheimisch sein.
Kescher, m. (-s, PI. wie Sg.): kleines
Beutelnetz, Handfischnetz. Ein in Ostdeutsch-
land namentlich an der Küste verbreitetes
Wort. 1562 bei Mathesius Sar. 78^ und ost-
preuß.-schles. kescher, pomm.-mecklenb. und
mnd. kesser, holstein.-hamburg. ketscher, alt-
märk. ketzer m. Daneben dän. ketser, schwed.
katsa f. «Fischerzaun am Flußufer, um Fische
zu fangen», engl, catcher «Ketscher, Reuse».
Letztres von to catch «greifen». Wie die Worte
zusammenhängen, ist nicht klar.
Kessel, m. {-s, PI. wie Sg.): rundbauchiges
Koch- oder Braugefäß aus dünnem Metall
und ohne Füße; dem ähnliche Vertiefung.
Älhd. keggel, ahd. (nui- in urspr. Bed.) cheg^il,
chegil m.; dazu and. *ketel in ketelari «Kessel-
macher», ketelköp m. «Kesselkauf», ndl. ketel,
ags. cytel, eitel, cetel (engl, kettle), anord.
ketill, schwed. kettel, kittel, dän. kjedel, got.
katils m. Mit Übergang des n in l (vgl. Esel)
aus lat. catrnus m, «Topf, Tiegel, Schüssel,
Windkessel am Druckwerk, Höhlung». Aber
auch ohne jenen Übergang aus lat. caiinum
n. im Ahd. cheggin, che^^i, chegge, mhd. (bes.
alemann.) keg^i n. «Kessel», noch Schweiz.
chessi, elsäss. kessi n. Aus dem Deutschen
entlehnt abg. kotilü, lit. kätilas m. «Kessel».
ABL. Keßler, m. {-s, PI. wie Sg.): Kupfer-
schmied; Kesselflicker (bei Frisch 1741), mhd.
keg^elcere, keggeler, and. ketelari m. «Kessel-
schmied». ZUS. Kesseljagen, n.: Jagd,
wobei das Wild in einen rund eingeschlossnen
Platz zusammengetrieben wird, 1719 bei Fle-
ming Jag. 2, 108. Gleichbed. Kesseltreiben,
n. In neurer Zeit auch übertragen.
Ketsche, f. (PI. -n): Kernhaus der Äpfel,
1781 bei Jung-Stilling, mfränk., auch westfäl.
kitsche f , aachen. ketsch, kitsch f.
' Kette, f. (PI. -n): Volk jagdbarer Hühner
(die Jungen samt den Alten). Ein Jäger-
wort, 1775 bei Adelung Ze^e, in ^ Kette (s.d.)
65
1027
Kette
keusch
1028
umgedeutet, bei Heppe 1763 Kitte f., 1753
bei Döbel 1, 50^ Kitt n. von Feldhühnern,
1538 bei Herr Columella 85^ kütte f. und
1517 bei Keisersberg Brösami. 2, 89^ kütt n.
von einer Vogelschar, ahd. cutti n. Herde»,
afries. kedde «Schar, Haufe», mnd. kudde n.
f. «Herde», ndl. kudde f. «Herde Kleinvieh»
(ebenso ndrhein, 1507 bei Diefenbach gl, 270^),
noch bayr.-elsäss. kütt f. n. und schles. kütte,
kitte f. «Rebhühner Volk», Schweiz, chütt n.
«Schar, Rudel», kämt, kutte f. «Viehherde».
Man vergl. ]it.güotasm. und gaujäf. «Rudel».
^ Kette, f. (PI. -w): Reihe zusammen-
hängender Metall- oder StofFgüeder; bei den
Webern der Aufzug. Bei Luther, selbst bei
Schuppius, wie noch bayr. Ketten f., mhd.
ketene, keten, ahd. chetinna, ketina, chetenna f. ;
dazu mndl. ketene, ndl. keten, schwed. kedja,
dän. kjäde «Kette». Aus dem gleichbed. lat.
catena f. Davon ein Diminutiv Kettel, m. f. :
eisernes Band an Tm-en und Fenstern zum
Einhängen der Haspe. Ostmd. — ketteil, v.:
mit einer Kette binden, fesstln, mhd. ketenen,
im 15. Jh. gekürzt keten, ahd. chetennön, aus
gleichbed, lat. catenäre. Dazu das Dimin.
ketteln, v., I69i bei Stieler. ZTJS. Ketten-
hund, m., 1517 bei Trochus H 1^ ketenhund.
Kettich, m. (-s): Hederich, sinapis ar-
vensis, nd, köddik, kiddik, küdik, ags. cedelc f,,
dän, kiddike.
Ketzer, m. (s, PI. wie Sg.): Irrgläubiger.
Mhd., im 12, Jh, aufgekommen, ketzer m,,
auch «verworfner Mensch, unnatürlicher Wol-
lust Ergebner», md. auch katzer, mnd. und
ndl. ketter (daraus entlehnt schwed, kättare,
dän. kjätter), aus gr. KoGapöc «rein», An-
gehöriger der manichäischen Sekte der Ka-
tharer, die sich im 11. u. 12. Jh. im Abend-
lande verbreitete und von der rechtgläubigen
Kirche verfolgt wurde; die Italiener nennen
sie Gazari. ABL. Ketzerei, f. (PI. -en):
Irrgläubigkeit, mhd. ketzerte, auch «unnatür-
liche Wollust», ketzerisch, adj., im 15. Jh.
(Fastnachtsp. 9, 24; 13, 4), dafür mhd. ketzer-
lich, ketzern, v., in verketzern, im 15, und
16. Jh. ketzern «zum Ketzer machen», im
16. Jh. «martern, quälen», eig. «wie einen
Ketzer behandebi», noch bayr.-rhein.-schweiz.
ketzern «das Leben sauer machend kleinlich
quälen», elsäss. verketzern «verderben, bös-
willig beschädigen».
Keuche, Keiche, f. (PI. -n): dumpfes
Gemach; Kerker. Bayr.-östr., 1594 bei Frisch-
lin Nom, Cap. 155 Keuch, in Augsburg Keuche
und Kauche, ältemhd. Keiche, mhd. kiche f.;
von keuchen (s, d,), eig. «Ort, der den Atem
benimmt»,
keuchen, v,: schwer atmen. Bei Fischart
Garg. 455 keuchen, 1537 bei Dasypodius keu-
chen, aber älternhd. bis ins 18. 'Jh. keichen
(bei Wieland, d. j, Goethe 3, 243, noch bei
Rückert 2, 140), mhd, ktchen «keuchen» neben
küchen «stark hauchen» (älternhd. hauchen,
1517 bei Keisersberg Brösamlin 2, 88^ küchen);
dazu mndl. kichen, kuchen, engl, cough «husten»,
schwed. kika, kikna «nach Luft schnappen»,
älterdän. kigen «husten». ZUS. Keuch-
husten, m. : ansteckender Husten mit Atem-
not, 1775 bei Adelung Keichhusten, dafür
älternhd. Keuchen, Keichen n., Keuche, Keiche
f., mhd. kiche m. f., ndl. 1599 kichhoest (und
mit Nasal kinckhoest, mnd, kinkhöste, holst.
kinkhösten, engl, kinkhaust, chincov^h), schwed,
kikhosta, dän, kighoste.
Keule, f, (PI. -n): einem Stabe vergleich-
bares unten kugelknopfartiges Schlagwerkzeug
usw., Hinterschenkel, Oberschenkel (1517 bei
Trochus N4^ kule). In 1, Bed. mhd. kiule
(urspr, wohl mehr das dicke, kugelknopfartige
Ende, z, B, des Kolbens Parziv. 570, 6), md.
kule und ans Nd, anklingend im 14, Jh. kuile
(Jeroschin 23692), 1470 keul. Verwandt mit
Kaule (Kugel), s. d.
Keuler, s. Keiler.
keulich, s. kaulicht.
Keuper, m. (s, PI. wie Sg.): Buntmergel-
sandstein der obersten Triasschicht. Nach der
im Koburgschen volkstümlichen Benennung
dieses Sandsteins von Leop, v. Buch in der
ersten Hälfte des 19. Jh. wissenschaftlich ein-
geführt, vgl. bayi-. kiefer m. «Sand, Kies».
keusch, adj.: sittenrein, besonders in An-
sehung des Geschlechtsverhältnisses. Mhd.
kiusche und alem. mit Nasal kiunsch (noch
im 16. Jh. künsch), md. kusche, ahd. chüsk
chüski, chiuske, im Adv. chüsco, chiusko «ent
haltsam, mäßig, sittsam»; dazu asächs, Adv,
cüsco (and. kusgi «venustas», cuskitha «pudor»)
ndl. kuisch, afries. küsk, ags, cüsc. Die Grund
bedeutung scheint «rein» zu sein, vgl. ndl
kuisch «reinlich, saiiber», kuischen «säubern,
putzen», ahd. unküski f. «Schmutz», aprov,
cusc «rein, sauber». Dunkler Herkunft,
Kaum mit Berneker Idg. Forsch, 10, 161 zu
lit. z'auksoti «mäßig sein». ABL. Keusch-
heit, f., mhd. kiuscheheit, kiuscheit und alem.
mit Nasal künschait (Mone Sehausp. 1, 150,
bei Maaler 1561 Künschheit), md. kUscheit,
1029
Keusche
Kieke
1030
wofür gewöhnlich mhd. kiusclie, mhd. cMski,
chiuski, älternhd. Keusche f. ZUS. Keusch-
lamni, n. (s): der süditalische Keuschbaum,
agnus castus, dessen erstes Wort irrig als das
lat. agnus m. «Lamm» gefaßt wurde, es ist viel-
mehi* ä-fvoc m., der gr. Name dieses Baumes,
den man fälschlich zu gr. ä-fvöc «unbefleckt,
rein» stellte und mit castus übersetzte. Schon
im 14. Jb. bei Megenberg 311, 14 käusch lamp.
Keusche, Keische, f. (PI. -w): kleines
Bauernhaus, in den östeireich. Alpen. Wohl
aus dem Slawischen, slov. kajza f. «Keusche»,
tschech. chyse, abg. chyza f. «Hütte», die
dem deutschen Haus entstammen. Davon
Keuschler, Keischler, m. {-s, PI. wie Sg.) :
Kleinbauer, Häusler, slov. kajzar.
Keutel, s. Keitel.
kibheln, v. : sich in kleinen Zänkereien
auslassen. Mhd. kibelen, kivelen, Diminutiv
oder Freqnentativ zu kihen, kiven «keifen».
Kihitka, Kibitke, f. (PI. ken und kas).
Aus russ. kibitka «halbverdecktes Fuhrwerk,
Eeiseschlitten».
Kicher, f. (PI. -n), gewöhnlich Kicher-
erbse, f., mhd. kicher f. m., ahd. chichera,
chichirra, chichura f. (s. ZfdW. 6, 184). In
sehr früher Zeit, als das lat. c noch wie k
klang, entlehnt aus lat. dcer n. (PI. cicera)
«Kichererbse» und cicera f. «Platterbse, Wicke»,
mit Anklang an das ganz verschiedne roman.
cicoria f. «Zichorie».
kichern, v.: mit feinem Ton in sich hin-
ein lachen. 1517 bei Trochus QS'' kichern,
1482 im voc. predic. c7^ kecherlich lachen;
dazu mhd. kach m. «lautes Lachen», kachen
«laut lachen», woneben gleichbed, ahd. kah-
hazzen, mhd. kachzen; dazu ags. ceahhettan.
Lautnachahmend wie lat. cachinnus m.
«heUes Lachen», cachinnäre «laut auflachen»,
gr. Kcxci^eiv, Ka-fxaZeiv «laut lachen, hohn-
lachen», aind. kakhati «lacht». Nebenform
kickern, v.: kichern (Gotter Schausp. 276),
1711 bei Rädlein kickern «höhnisch lachen»,
1727 bei Aler gickeren «cachinnäre», ndl.
1599 kekeren, schon mhd. gickeln «hohn-
lachen» (Renner 16109), 1477 clevisch kickein,
1616 bei Henisch gichlen, gicheln, gachlen.
Kickerling, s. Kinkerlitzchen.
Kicks, m. (Gen. Kickses, PI. Kickse):
Fehlstoß (im Billardspiele), Fehlschuß, Fehl-
gi-ifif. In 1. Bed. Kicks 1775 bei Adelung,
1732 bei Picander 3, 357 Gix «Fehlschuß».
Aus engl, kick «Stoß, Fußstoß».
Kickskacks, s. Gicksgacks.
Kiebitz, m. (-es, PI. -e): der Sumpfvogel
vanellus. 1664 bei Duez Kifitz, Kibitz, Kiivitz,
1615 bei Colerus 5, 201 Kybitz, Kübitz, Kybit,
Kybelit, Kybelitz, 1562 bei Mathesius Sarepta
68'' Kibitz (als Scherzname für «Chorschüler-
lein»), mnd. kivit, kiivit, ndl. kievit. Aber
obd. mit G im Anlaut, z. B. bajr. Geibitz,
1419 geybitz, 1445 gratüfeic^ (SchmeUer^ 1, 868),
1482 im voc. theut. k6* gebytz, bei H. Sachs
4, 280 Geubitz, 1598 bei Helber 37 geiwiz,
mhd. giu'iz, gtbig, gübitz-, älternhd. auch Gl/ fitz
(Maaler 1561, PI. Gifitzen bei Fischart Gai-g.
376), Geifitz (1594 bei Frischlin Nom. Cap. 40).
Der Name stimmt mit dem Rufe des Vogels.
^Kiefer, m. (-s, PI. wie Sg.): Kinnbacken;
Fischkieme (1716 bei Ludwig, aber schon
1476 keuffer bei Diefenbach nov. gl. 58**).
In 1. Bed. 1691 bei Stieler Kifer, mhd. kiver
und kivel m., später kiffel und kiefel (im
15. und 16. Jh. kyfel auch «Fischkieme»);
dazu asächs. kaflos PI. m., ndl. kevels PI. f.,
ags. ceafl m. «Kiefer», anord. kjaptr, kjöptr m.
«Kinnbacken», schwed. käft, dän. kjäft. Zu
mhd. kifen, ki feien «nagen, kauen», wovon
auch Kiefe f., 1462 kieffe, Äz/f «Fischkiefer»
(Mone Anz. 7, 307^; SOI*'), nd. kiffe «Kinn-
backen», keve «Fischkieme», während mhd.
kiive, kewe, kiuwe, kouwe, ahd. chiuwa, chiwa,
cheiva f. «Kiefer» von ahd. chiuwan «kauen»
abgeleitet ist. Außerhalb des Germanischen
entspricht wohl awest. zafar- n. «Mund».
"Kiefer, f. (PL -n): die harzreiche Nadel-
holzart pinus, oberdeutsch Föhre, Kienbaum.
Zuerst bei Luther Jes. 41, 19 kyfer f. aus
der obersächs.-schles. Volkssprache, gekürzt
aus Kienföhre (dem volkstümlichen Namen
des Baums in Böhmen, Österreich und Bayern,
im Adj. mhd. kienvorhin, um 1480 im voc.
ine. teut. g3* und 1562 bei Mathesius Sar.
80^ kinforen), wie die Übergangsformen fränk.
Kinfir (Schmeller^ 1, 1256 vom J. 1771) und
nordböhm. Kimfer zeigen. ABL. kiefern,
adj., 1544 in Leipz. Ordn. N2a kyfern, 1562
bei Mathesius Sar. 80^ kiefern; das Adj. in
den Zuss. Kiefernholz, Kiefermvald.
Kieke, f. (PI. -n): durchlöchertes Blech-
gefäß, in das ein Topf mit glühenden Kohlen
gesetzt wird, zum Wärmen der Füße. 1667
in dem Anekdotenbuch «Gepflückte Fincken»
5. 11 Kiecke, 1711 bei Rädlein Kicke, Gicke,
1729 bei Picander 2, 249 Giecke, aus gleich-
bed. nd. (1785 bei Voß 2, 275 Feuerkieke),
mnd. Mke f., wofür dän. ildkikkert «Feuer-
kieke». Dunkler Herkunft.
65*
1031
Kiel
Kiepe
1032
*Kiel, m. (s, PL -e): der untre hohle
Teil der Flügelfeder des Vogels; Schreib-
feder; Pflanzenstengel (im 18. Jh.). Mhd.
kil m. n. «Federkiel», jedoch ndrhein. im 15. Jh.
keil, kijl (Diefenbach gl. 277*'), elsäß. 1579
bei Golius 288 keil, schwäb. 1646 bei Weck-
herlin 2, 307 federkeil, 1663 bei Schottel Kejl
und federkeil, 1691 bei Stieler Kiel, Keil et
Kengel (wie Stiel neben Stengel)] daneben
ein Fem. obersächs.-thüring. kiele, auch schles.
1734 bei Steinbach Kiele f., schon 1587 bei
Soranus Federkile f. Nebenform westfäl.
quidle f., entsprechend engl, quill «Fedei'kiel,
Stengel». Dunklen Ursprungs. J_Biy. kielen,
V.: Ansatz zu Federn haben, md. im 17. Jh.,
dagegen bei Luther Tischr. 242^ und 1691
bei Stieler keilen.
^Kiel, m. {-es, PI. -e): der lange Grund-
balken des Schiffes. 1691 bei Stieler Kiel,
Kehl, 1784 bei Steinbach Kiel, Keel, aus
dem Nd., mnd. kil, kiel, kel, 1594 bei Chyträus
keel, ndl. kiel, ags. cele m., anord. kjölr m.,
schwed. köl, dän. kjöl «Schiffskiel», auch
«Gebirgsinicken»; aus dem Germanischen
entlehnt das gleichbed. franz. quille, ital.
chiglia, span. quilla f. Man nimmt Verwandt-
schaft mit Kehle an, was aber nicht sicher
ist. K. wurde vermengt mit dem urspr.
verschiednen Kiel m. «Schiff», mhd. kiel,
ahd. kiol m. «groß res Schiff»; dazu and. kiol,
ags. ceol, clol m. «Langschiff», anord. kjöll
m. «Schiff». Man hat gi*. y^öXoc «Kauf-
fahrteischiff», ya\)\6c m. «Melkeimer» ver-
glichen, doch sind diese eher aus dem Se-
mitischen entlehnt, vgl. Lewy die semitischen
Fremdwörter 151. Außerdem stimmt der Vo-
kalismus nicht. Auch aind. gölas m. «Kugel»
bleibt besser fem. Lu letzten Grunde könnten
germ. *kela, falls aus idg. g{w)elä und *keula
durch Ablaut verbunden sein. Vgl. noch
Btr. 23, 227. ZUS. kielholen, V.: ein Schiff
zum Ausbessern auf die Seite legen; einen
zur Strafe unter dem Schiffskiele durch das
Wasser ziehen (herumholen), nd. und ndl.
kiel-halen. Entlehnt schwed. kölhala, dän.
kjöUiale, engl, keelhaul, keelhale. Kiel-
schwein, n. : schwerer Holzblock am Schiffs-
kiel, worauf der Mast steht. 1734 bei Stein-
bach Kielschwin, aus dem Nd., wo auch
kolswinn, gekürzt kolseni, wohl entlehnt aus
dem Nord,, schwed. kölsvin, dän. kjölsviin,
die aus kjölsvill (svill zu d. Schwelle) um-
gewandelt sind. Kielwasser, n.: Wasser-
furche hinter dem Schiff, 1775 bei Adeluncr.
aber ndl. 1599 kielwater n. «AVasser im Kiel-
raum des Schiffes».
• Kielkropf, m. (-[e]s, PI. Kielkröpfe) : groß-
köpfiges, dickhalsiges Kind, das man als von
Zwergen untergeschoben ansah, Wechselbalg
Bei Luther Kilkroh, PL Kilkroppe (8, 90^ J.,
in den Tischr. 210 '^ Kilekröpffe, 213 * Kil-
kröpff), zgs. wohl aus Kropf (s. d.) und
Kiel m. «Quell» (1562 bei Mathesius Sar.
96^; 165^), ältermd. quil f. «Quelle», denn
man glaubte wohl, solche mißgestaltete Kinder
seien aus Wasser oder Wellen hervorgegangen.
Urspr. westmd. und nd. Wohl mit Anlehnung
an Kaul in Kaulkopf (s. d.) 1550 bei Alberus
Fab. 39, 101 kolkropff m.
Kieme, f. (PL -n): Fischkiefer. Erst im
17. Jh. in den spätem Ausgaben des Soranus
und 1716 bei Ludwig ^ieme, 1663 bei Schottel
Kimme f.; dafür fräher 1482 im voc. theut.
q4^ kinlein, 1462 kieffe (s. ^Kiefer), An-
fang des 15. Jh. kiwe (Diefenbach nov. gL
58 1'), 1666 bei Comenius Sprachenthür 163
Kibe, 1716 bei Ludwig, 1734 bei Steinbach
Kiepe f., 1558 in Eber-Peucers Vocab. rei
num. H2^ kampffm.; dazu and. kio m., kian
PL «branchia», ags. ciun, ceon. Die Herkunft
ist unsicher. Grundform ist wohl *kimno-.
Kien, m. (-es): das harzvolle Holz der
Kiefer zum schnellen Feueranmachen oder
Leuchten, sowie das Harz selbst. Mhd. kien
m. n., ahd. cMen m. «Kiefemharz, Kienspan,
Harzfackel, Kienbaum», im 15. Jh. auch «Kien-
apfel»; dazu mnd. ken, ags. cen m. «Harz-
holzfackel, Kiefer». Im 17. und 18. Jh. in
Mitteldeutschland Kühn geschrieben, 1574 bei
Fischart Onomast. 89'' Kün. Dunkler Her-
kunft. Vgl. Wiedemann BB. 29, 314. ABL.
kienig, adj., um 1480 im Voc. ine. teut.
n2*' kinig. ZUS. Kienapfel, m.: Samen-
zapfen der Kiefer, 1501 im Leipziger Voc.
opt. V 8** kinapfel, später auch Kühnapfel
(1613 bei Golems 421*'). Kienbaum, m.:
Kiefer, mhd. kienboum. Kienruß, m.: Euß
von Kienholz, 1618 bei Schönsleder Kienrueß.
Kienspan, m., 1711 bei Rädlein.
Kiepe, f. (PL -n)-. langer geflochtner
Rückentragkorb. 1595 bei Helvig 178 Kipe,
1482 im Voc. theut. q4* kype, aufgenommen
aus mnd.kipe, nnd. küpe, clevisch 1477 kyppe f. ;
dazu mndl. cüpe f., ndl. kiepekorf m. «großer
Tragkorb», kih «Fischreuse von Flechtwerk»,
ags. cypa f. «Korb», in engl. Mundarten kipe
«Fischreuse», norw. kipe «Weidenkorb zum
Trasren auf dem Rücken». Wohl verwandt
1033
Eies
Kimme
1034
mit anord. kom-kippa «Behälter für Saatkorn»,
mhd. keibe f. «Mastkorb». Zugleich scheint
aber lat. cüpa f. «Tonne, Faß, Getreidemaß» mit
darin zu stecken. Bei den obersächs. Winzern
an der Elbe auch in der Bed. «Faß, Bütte»,
in Nordböhmen «hohes Faß der Färber».
Kies, m. (Gen. Kieses, PI. Kiese): grober,
steiniger Sand; im Bergbau geringhaltiges
metallisches Erz (im 15. Jh. kys, «antimonium»
bei Diefenbach, mhd. kis «schlechtes Metall»,
bei Berthold v. Regensburg 1, 147, 27), In
1. Bed. mhd. kis, schon bei Luther gedehnt
Kies (Jes. 48, 19), aber noch in md. Mund-
arten kiss; dafür in Xorddeutschland Grand
(s. d.). Dazu ndl. kei «Kiesel». Zupitza Gutt.
194 vergleicht weiter lit. z'iegzdros f. PI.
«Grand», apreuß. sixdo «Sand», Hierher auch
phryg. -ficca «Stein»? ABL. Kiesel, m,
(-S, PI, wie Sg.j: sehr fester Stein aus Kiesel-
erde, mhd. kisel, auch in der Bed, «Hagelstein,
Schloße» (wie noch fränk.-hess.-rhein. Kiesel
m, «Hagel»), ahd. kisil m., ags. cisil, ceosel m,
«Kieselstein», in weitrer Ableitung Kieseling,
Kiesling, m,, bei Luther Spr. 20, 17 kiseling,
mhd. kiselinc, ahd. chisüing m.; dazu mnd.
keser-, kesser-, kiser-, keselink m., ndl. kese-
linge. Kieselgur, f.: Bergmehl, Lifusorien-
erde. Zgs. mit Chir (s. d. ). Kieselstein, m.
erst nhd., 1501 Leipziger Yoc. opt, Bb 4^.
kiesig, adj., bei Luther 5. Mos. 21, 4 kiesicht,
1562 bei Mathesius Sar, 156* kisig. •
kiesen, v. (Prät, kor, Konj. köre, Part.
gekoren): prüfend ausersehen, auswählen, er-
wägend wählen. Seit dem 17. Jh, nur noch
in poetischer Sprache. Mhd, kiesen (Prät,
kos, Plur. kurn, Prät, gekorn und schwäb.-
aleman, gekosen), auch «prüfend kosten», ahd,
cMosan; dazu asächs, kiosan, mnd, kesen,
keisen, mndl, kiesen, ndl, kiezen, afries, kiasa,
sziasa, ags, ceosan, engl, choose, anord. kjösa,
got, kiusan. Verwandt sind gr. feuecBai
«kosten», aind, jusäte «hat gern, findet Ge-
fallen, hebt, kostet», awest, zaoia- m. «Ge-
fallen», apers, dausta (2. Sg, Aor, Med,) «liebe-
voll behandeln», alban, desa (Aor.) «ich liebte»,
ir. to-gu «Wahl», lat, gustäre «schmecken»,
degüno «koste». Vgl, küren, kosten.
Kiez, m, (-s) : Ort, wo die Fischer bei-
sammen wohnen, Li Nordostdeutschland,
Bei Haltaus 1073 der kytz als Gerichtsstätte
vor der Stadt Brandenburg, vom J. 1249,
Wahrscheinlich slawischen Ursprungs.
Kieze, f. (PI. -«): Rindengefäß zu Erd-
beeren usw.; Korb; Starkasten. 1741 bei
Frisch Kieze, 1562 bei Mathesius Sar, 274»
Kitze f,, bei dem Schlesier Czepko (t 1660)
Kiez m,, Nebenform zu Kötze (s. d,),
Kikeriki, der Hahnenschrei, 1787 bei
Schubart Ged, 2, 253 Kikriki, bei Gleim Kikri,
dafür 1595 bei RoUenhagen Froschm, 1, 2, 2,
73 guck guck curith.
Kilber, f. (PI, wieSg,): weibliches Lamm,
Mutterlamm, noch thüring, - fränk, - österr.-
schweiz. Mhd. kübere, ahd, chilburra, kühira
f. «Lamm», ags, cilforlamh n. S, KäW.
Kilogramm, n, (-s, PI. -e): lOOO Gramm
(2 Pfund), und Kilometer, n, iind m, {-s,
PI, wie Sg,): 1000 Meter, 1868 gesetzlich auf-
genommen aus franz.kilogramme m, (s.Gramm)
und kilometre m,, deren Mio- aus gr. xi^ioi
«tausend», in Zusammensetzungen xi^io--
Kilt, m, {-es, PI, -e): Nachtbesuch des
Jünglings bei dem Mädchen. Schweizerisch,
elsässisch, eig. Abendtätigkeit, besonders im
geselligen Beisammensein. Aus Quilt, wie
keck aus queck, noch elsässisch quelte. Ahd.
817 chtviltiwerch n. «Abendwerk», d. h, «Ar-
beit am Abend bei Licht», anord. kveld n.,
schwed. qväll m., dän. kveld «Abend», ags,
cwyldseten f. «Abend», cwyldtld «Abendzeit».
Das Wort gehört zu ags. civield «Zerstörung,
Tod», lit, gälas m, «Ende», Die idg, Wg,
g'"''el- ist in ihren Bedeutungen außerordent-
lich weit verzweigt. Vgl, noch Zupitza
Gutt, 85. ZUS. Kiltgang, m., wie Kilt.
Kiltgänger, m.: nächtlicher Besucher.
^ Kimme, f, (PI. -n): Kerbe in den Dauben,
am Gewehr usw. In Nord- und Mitteldeutsch-
land, 1557 bei Agricola Bergwerk 135 kimme,
1716 bei Ludwig Xetwe, holstein. ^?eme. Vgl.
ags, cimbing f. «Fuge», ABL kimmen, v, :
die Kimme einschneiden, 1741 bei Frisch.
Davon Kimmer, m.: Böttcher, nord- und
z. T. mitteldeutsch, mnd. kimmer, kiemer m.
^ Kimme, f. (PI. -n): vor-, übertretender
scharfer Rand. An Fässern 1663 bei Schottel,
Aufgenommen aus nd, kimni m., kimm^ f.
«äußerster Rand, den Faßboden überragender
Faßdaubenrand, auch «Horizont», ndl. kirn,
kimme f., 1599 bei Kilian kirne, kimme, kieme;
schwed. kim m. «Faßdaube», engl, chimh,
chime, mengl, chimhe «überstehendes Faß-
daubenende», Wie es nach dem Englischen
scheint, eins mit dem vorigen Kimme, zumal
da jener Rand von der Kerbe anhebt, in
welcher der Boden sitzt. Vielleicht ablautend
zu Kamm. Anders Zupitza Gutt, 144, Dazu
Kimmung, f.: Horizont, Luftspiegelung, nd.
1035
Eiud
Kinn
1036
Kind, n. (-es, PI. -er): dm-ch Zeugung
Entstehendes, der oder die Erzeugte im Ver-
hältnisse zu den Eltern oder auch bloß im
frühen, unreifen Alter. Mhd. kint (Gen.
kindes), ahd. kind n.; dazu asächs.-afries.
kind (auch in norw. und schwed. Mundarten),
mnd. und mndl. kint (ags. cild n., engl. cMld
gehöi-en zu got. kilßeif. «Mutterleib»); ferner
anord. kind f. «Geschlecht, Nachkomme» (lat.
gens). Alte Partizipialbildung auf -t (vgl.
alt, kalt) zur Wurzel kun, ken, kan « ei-zeugen,
gebären», wozu anord. kundr m. «Sohn», got.
-kunds, ags. -cund «entstammend», mhd. künne,
ahd. kunni, got. kuni n. «Geschlecht», ags.
cennan «erzeugen» und gr. y^voc n. «Ge-
schlecht», YÖvoc m. «Geburt, Abkömmling,
Nachkommenschaft», yevvov «zeugen», fiyve-
cöai «geboren werden», lat. gigner e (Prät.
genui) «erzeugen», genus n. «Geschlecht»,
gens f. «Geschlecht, Stamm», awest. zan-
« erzeugen, gebären», aind. jfanati «erzeugt»,
Janas- n. «Geschlecht», Janas m. «Geschöpf,
Mensch». Im Plural, den mhd. Formen
(Nom. kint, Gen. kinde, Dat. kinden) gemäß,
noch mitunter die Kind (Goethe 2, 36). ABL.
kindern, v.: ein Kind gebären (schon im
16. Jh., dafür mhd. kinden, ahd. chindön,
cMndan, noch Schweiz, chinden); kindisch tun
(1691 bei Stieler, davon Kinderei, f., 1648
bei Zesen Ibrahim 115 Kinderey). kindisch,
adj., mhd. kiiidisch, kindesch, ahd. chindisc,
kindisc, asächs. kindisk (ags. dldisc «kindlich,
jugendlich»), im tadelnden Sinne schon mhd.
(Passional 262, 36 Köpke). Kindlein, n.:
kleines Kind, mhd. kindelin, ahd. kindilin,
cliindilin, im Plur. auch Kinderlein, 1482 bei
Melber K5^ kinderlin, daneben mhd. kindel,
ahd. chindili, noch oberd. Kindel n.: dafüi-
md. kindekln, kindichln, nhd. Kindchen n.,
im Plur. gewöhnlich Kinderchen (schon im
16. Jh.), nd. kinderken (ühland Volksl. 81).
kindlich, adj., mhd. kintlich, ahd. chindlih,
im Adv. mhd. kintliche, ahd. chindlihho. ZUS.
1) eigentliche: Kindbett, n.: Wochenbett,
mhd. kinthette (daneben kindelbette) , ahd.
chintpette, chindebette n., woneben ältemhd.
und noch Schweiz, ein Fem. Kindbette; da-
von Kindbetterin, f : Wöchnerin, mhd.
kintbetterinne, -betterin, auch kindelbetterin f.
Kindelbier, n.: Kmdtaufsschmaus, 1691 bei
Stieler, dafür bei Luther 4, 117^ Kinderbier.
Kindheit, f., mhd. kintheit, ahd. cindheit f.
(ags. cildhäd) m. Kindschaft, f., bei Luther.
Kindtaufe, f., mhd. kinttoufe, daneben im
15. Jh. kindeltouf m., im 16. Jh. kindtteufete f.
Zimm. Chron.'^ 4, 47, 13. — 2) un eigentliche
a) mit dem Gen. Plur.: Kinderfrau, f.:
1691 bei Stieler. Kinderfreund, m.: Zeit-
schrift für Kinder. Chr. F. Weiße gab 1775
die erste unter diesem Namen heraus. Kinder-
garten, m.: Erziehungsanstalt für kleine
Kinder. Von Fröbel 1840 begründet und
benannt, kinderhaft, adj., 1775 bei Adelung.
Kinderlehre, f., beiDiefenbach-Wülcker 697
vom J. 1611, mnd. kener lare ebd. kinder-
leicht, adj., 1800 bei Langbein Ged. 2, 75.
kinderlos, adj., 1664 bei Duez. Kinder-
mädchen, n., 1691 bei Stieler, dafür bei
Luther Kindermagd. Kindermuhme, f,
1691 bei Stieler, in Thüringen und Ober-
sachsen. Kinderschuh, m., 1535 bei Luther
6, 292^ die Kinderschuch ausziehen. Kinder-
spiel, n., in der Bed. leichtes Tun im Gegen-
satz zu ernstem schon mhd. chindispil, kinde-
spil, kintspil, auch kindes spil, 1561 beiMaaler
Kinderspill n.; im gemeinen Leben auch
«Menge von Kindern». Kinderstube, f.,
1618 bei Schönsleder kinderstuben , «pgeda-
gogium», aber schon vom J. 1496 bei Kriegk
Deutsches Bürgert. 364 kinder stöbe f. «Schule»
(des Lieb fi'auen Stifts in Frankfurt a. M.).
Kindertaufe, f.: an Kindern voUzognes
Sakrament der Taufe, früh im 16. Jh., 1525
bei Zwingli Kindertoufm. Kiuderzucht, f.,
bei Luther 6, 433''. — b) mit dem Gen. Sing.:
Kindesbein, n., ahd. vona chindes peine,
mhd. von kindes heine, bei M. Rinckart (f 1649)
V071 Kindesbeinen an. Kindeskind, n., mhd.
kindeskint n. Kindesnot, f. : Geburtswehen,
bei Luther in Kindesnöten sein, mhd. in noeten.
Kindesteil, m. und n.: der gesetzliche An-
teil eines Kindes an der Erbschaft, 1691 bei
Stieler. Kindskopf, m.: Dummkopf, 1776
bei Wagner Kindermördeiin 37.
Kinkerlitzen, Plur. (in Bayern) mit dem
Dimin. Kinkerlitzchen (Gotter Schausp.
216) : Flitterkram, Flunkereien. Md. Der
erste Teil des Wortes berührt sich mit md.
Kickerling m. «schlechtes Geldstück, ver-
krüppelte Pflaume, verwachsnes Kind» (auch
Kinkerling) «unausgewachsne Feder beim
Federschleißen», nordital. chiccheri, chichera
«Flitterstaat», engl, kick «neues Putzstück»,
der zweite Teil entspricht bayr. litz, litzen,
mhd. Uz, litze m. «Laune, Grille», ahd. liz m.
«Vorwand», got. Uta f. «Verstellung».
Kinn, n. (-[e]s, PI. -e): vorstehender Kopf-
teil unter der Unterlippe. Älternhd. auch
1037
Kiosk
Kirche
1038
Kien, Kihn, aber lahd. kinne, ahd. kinni n.
«Kinn, Kinnlade»; dazu asächs. A'inm' n. «Kinn-
backen», ndl. kinne, kin f., ags. cinn f., engl.
chin «Kinn», anord.-schwed. Ä:?wn f., däja..kind,
got. kinnus f. «Backe». Im 16. und 17. Jb.
auch Kinn m. (1517 bei Trocbus X 2''), ebenso
and.Ärin, -mnd.kin, kinne m., obersäcbs.-thüring.
auch Kinne f. Es gehört zu lat. gena f.
«Wange», kymr. geii «Wange, Kinn», gr. fevvc
f. «Kinnbacken», -fivexov n. «Kinnlade, Kinn,
Kinnbart», lit.zändas m. «Kinnbacken, Kaefer»,
arm. cnaut «Kinnbacke, Wange», aind. hänusi.
«Kinnlade». ZUS. Kinnbacken, m., bei
Luther Kinbacke, mhd.kinnehacke, ahd. chinni-
pacho m.: dazu andfrk. kinnehako m., mnd.
kenne-, kinnehacke f., ndl. 1599 kinnehacke,
afries. kinhaka, kenhak. Kinnbein, n.:
Backenknochen, mhd. kinnebein, ahd. chinni-
pein, ags. cinhän, anord. kinnbein n. Kinn-
kette, f. :, Kette am Pferdegebiß unter dem
Kinne, im 17. Jh., dafür mhd. kinnereif, spät-
ahd. chinne-, chiniraif m. Kinnlade, f.,
1768 bei Moerbeek: Lade ist das Gestell,
worauf oder worin etwas befestigt ist, z. B.
Gestell des Hakenpflugs, Lafette des Ge-
schützes (schon im 15. Jh.), Schaft der Arke-
buse (1664 bei Duez), die Schalen des Basier-
messers (1539 bei Braunschweig Chirurg. 43),
1658 bei Corvinus fons lat. 1, 590^ die Laden.
darinnen die Zeene stehen.
Kiosk, m. [-es, PI. -e): tüi-k. Gartenzelt
oder Gartenhaus auf Säulen, 1787 bei Goethe
17, 38, 1791 bei Eoth. Aus türk. k{j)ösk
«Gartenhaus».
Kipfe, f.: Spitze, bei Luther Hiob 39, 28
kipffe, s. Kippe.
Kipfel, n. (-S, PL wie Sg., bayr. auch Kipf
m.): hornfönniges Weizenbrötchen. Bayr.-
österreich. (bei Abraham a S. Clara), vom
Österreich, kipfe m. «feines Gebäck» (13. Jh.).
Vielleicht verwandt mit spätmhd. kipphel n.
und chipf n. f., ahd. kipfa f. « Runge, Stemm-
leiste am Rüstwagen».
Kipparsch, m.(-es, Fl. Kippärsche): wund
geriebne Stelle am After vom Reiten oder
Gehen in der Hitze. Zunächst vom Reiten:
wohl zsg. mit kippen «auf- und abschnellen»,
wie dies bei unfesten und unsichern Reitern
vorkommt. Md. 1340 und mnd. 1424 kipars m.
^ Kippe, f. CPl. -n): Punkt des Schwankens
undUmschlagens (1734 bei Steinbach); die jähe
Spitze (s.Kipfe); Goldwage (1768 bei Moerbeek).
Aus Nord- und Mitteldeutschland ins Hoch-
deutsche aufgenommen, thüring. Kipfe, Kepfet
in l.Bed., 1711 bei Rädlein Kippet «Schaukel».
Von kippen.
"Kippe, f.: Gemeinschaft (Kippe machen),
aus der Juden- und Gaunersprache.
kippeln, v.: kleinlich zänkisch sein, mhd.
kipeln, noch Oberdeutsch-Hessisch. Neben-
form zu kibbeln (s. d.).
kippen, v.: intr. wie auf einer Spitze
umschlagen, das Gleichgewicht verlierend
umschlagen: trans. die Spitze {Kippe) oder
Spitzen abhauen, abschneiden; leicht anhauen.
In 1. Bed. 1663 bei Schottel; in 2. Bed. 1540
bei Alberus dict. Qq 4^, aber 1508 bei Alten-
steig 61*^ kipfen. Bei Lessing 8, 23 kuppen,
in der Insel Felsenburg 2, 314 aufküpfen,
in der 1, Bed., als wenn das Wort von
Kuppe (s. d.) käme, was falsch ist. Das Wort
gehört vielmehr zu anord.-schwed, kippa,
dän. kippe «rücken, wippen» und weiter zu
anord. keifr «schief».
Kipper, m. (-5, PI. wie Sg.j: Münz-
fälscher; wucherischen Münzwechsel Treiben-
der. Zuerst 1619, von kippen «mittels Auf-
und Abschnellens der Wage die voll- und
überwichtigen Münzen ausscheiden» (dann
aber auf kippen «am Rande beschneiden und
verstümmeln» 1711 bei Rädlein bezogen),
zumal da in Kipper und Wipper ^< wucherischer,
betrügerischer Münzwechsler, Münzfälscher»
der letzte Ausdi-uck auf wippen «wägen,
schnellen» (s, Wippe) zurückgeht. Man legte
den Schlag der Wachtel als Kipp die Wipp
aus, und deshalb hatte eine Flugschrift von
1621 den Titel Kippediwipp oder Wachtel-
gesang. ABL. Kipperei, f., 1691 bei Stieler
Kipperey.
Kirb, s. Kirchweih.
Kirche, f. (PI. -n): christliches Gottes-
haus; Gesamtheit der Christen; christUcher
Gottesdienst. Mhd. kirche, am ObeiThein
küche, ahd. kirihha, chirihha (841 bei Wala-
fiid Strabo Liber de exordiis cap. 7 kyrica
i. e. dominica a Domino mmcupatur), bei Isidor
(8. Jh.) chiriihha (d, i. chirihha), bei Xotker
chiliclia (noch schweiz.-oberrhein. Chilche) f.;
dazu and. kirika, kerika, mnd. kerke, karke,
mndl. kerke, afries. kerke, tzerke, ags. cyrice,
cirice, engl, church, anord. kirkja f., schwed.
kyrka, dän. kirke; ebenso abg. crüky. Noch
vor der ahd. Zeit mit Genuswechsel ent-
lehnt aus gr. KupioKÖv n. «Gotteshaus, Haus
des Hen'n» (während des 4. Jahrh. ge-
bräuchlich, zur selben Zeit als die Goten
von arianischen Griechen das Christentum
1039
Kirche
Kirsche
1040
annahmen), eigentlich Adj. in der Bed, «dem
Herrn gehörig», von gr. KÜpioc m. «HeiT»;
das Fem. KupioKr) dagegen kommt nicht in
Betracht, denn es bedeutete bis ins 10. Jh.
«Tag des Herrn, Sonntag», erst im 11. Jh.
«Gotteshaus». Der Schwund des a findet
darin sein Analogen, daß auch der Name
Gyriacus schon früh als Cyricus vorkommt.
ABL. Kirchlein, n., mhd. kirchelin, da-
neben kircliel, ndrhein. im 15. Jh. kircheigen,
nhd. Kirchelchen, kirchlich, adj., mhd,
kirchlich, alemann, kilchlich, ahd. chirlich (d. i.
chirchlich), ags. cyricUc. Kirchner, m.:
Küster, Meßner, mhd. kirchener m. ZUS.
1) mit Kirch-: Kirchfahrt, f.: Wallfahrt,
Bittfahrt (mhd. kirchvart, mnd. kerkvart f.);
Kirchspiel (1741 bei Frisch). Kirchgang, m.,
mhd. kirchganc, mnd. kerkgank m. Kirch-
hof, m. : eingefx'iedigter Raum um die Kii'che,
zugleich als öffentliche Begräbnisstätte, dann
bloß diese, mhd. kirchhof, kirchof, frühmhd.
chirichhof, alemann, kilchhof, mnd. kerkhof.
Kirchspiel, n.: zu einer Kirche gehöriger
Bezirk von Gemeinden, mhd. kirchspei, alemann.
Michael, kilchspil, md. kirspil, kirspel, köln.
1275 kirspell, afries. kerspel n., eig. «Bezirk,
soweit die Verkündigung (Rede) der KJrche
reicht», zsg. mit ahd. spei, afries. spei, spil,
got. spill n. «Rede, Sage, Verkündigung»
(vgl. Beispiel). Kirchtag, m.: Kirchweih-
fest, in Österreich und Bayern, schon in mhd.
Zeit dort kirchtac m. Kirchturm, m.,
mhd. kirchturn m. Kirchweg, m., spät-
mhd. kirchivec, alemann, kilchwec m. Kirch-
weih(e), f., ahd. chirihwiht, mhd. kirchwihe,
kirwihe, geküi-zt im 15. Jh. kirwe, kirhei,
1540 bei Alberus dict.F2^ und mm 3^ kirh,
wie noch mundartUch in Süd- und Mittel-
deutschland Kirhe, Kirh, alemann. Kilbe f.
«jährliches Fest mit Musik und Tanz, das
sich an die Einweihung einer Kirche knüpft»
(vgl. Kirmes), schon im 15. Jh. Kirchwey
«Fest» überhaupt (Fastnachtsp. 1344). — 2)mit
Kirchen-: Kirchenbuch, n., 1562 bei Ma-
thesius Sarepta 194^; ags. cyricböc f., engl.
church-book. Kirchendiener, m.: Auf-
wärter in der Kirche, bei Keisersberg und noch
im 18. Jh. Prediger. Kirchengeschichte,
f., 1691 bei Stieler. Kirchenlicht, n.:
ausgezeichneter Kirchenlehrer, 1576 bei Ma-
thesius Luther 211'', noch kirchenlat. lumen
ecclesiae (13. Jh.). Kirchenmaus, f.: in
einer Kirche wohnende Maus, die dort keine
Vorräte findet, im 18. Jh. Kirchenstaat,
m.: das päpstliche Landesgebiet, 1678 bei
Krämer. Kirchentum, n., erst am Ende
des 18. Jh. gebildet. Kirchenvater, m.:
Kirchenlehrer der altchristlichen Zeit, 1711
bei Rädlein, nach mlat. patres ecclesiae «Väter
der Kirche; Kirchenältester als Ehrentitel»,
1691 bei Stieler.
Kirmes, Kirmesse, Kirmeß, f. (PI.
Kirmessen und Kirmsen): Kirchweih. Ge-
kürzt aus md. (14. Jh.) kirmesse f. «zur
Einweihung einer Kirche gelesne Messe, mit
Musik und Tanz begangnes Gedächtnisfest
der Einweihung einer Kirche, Jahrmarkt.
Im 15. Jh. md. kirmeß, im 16. kirmes, ndr-
rhein. 14. Jh. kirmisse f. Erst Ende des
15. Jh. die volle Form Kirchmesse; dazu
mnd. kerkmisse, ndl. 1599 kerkmisse, kerkmis,
norden gl. kirkmass.
kirnen, s, kernen.
kirre, adj.: aller natürlichen Furchtsam-
keit benommen, zutraulich. 1691 bei Stieler
kirre, 1664 bei Duez kirr, kürr, bei Luther
körre, 1482 im Voc. theut. pp S'' kurre, md.
kurre, im Renner kürre, ein ostmitteldeutsches
Wort mit k aus qu, denn nd. quir, quir, quer,
mnd. quere «kirre», got. qairrus «sanftmütig»,
qairrei f. «Sanftmut», anord. kvirr, kyrr,
schwed. qvar, dän. kvär «ruhig». Nicht er-
klärt. Denn die Vergleiche mit lit. gurus
«bröckelig, locker» oder geras «gut» (Btr. 23,
352)- sind nur Notbehelfe. ABL. kirren,
V.: kirre machen, 1691 bei Stieler kirren, 1719
bei Fleming Jäger 243^ körren, bei H. Sachs
kern, kerrn.
kirren, v. (Prät. kirrte, Part, gekirrt):
einen scharfen, schneidenden, seufzenden Ton
von sich geben. Schweizerisch. Spätmhd.
kirren, Nebenform des gleichbed. starkbiegen-
den mhd. kerren (Prät. kar, Plur. kurren), ahd.
kerran, cherran, zu lat. garrire «schwatzen»,
garrulus «geschwätzig», gr. yhP'Jc f. «Stimme,
Ton, Schall». Vgl. Zupitza Gutt, 78.
Kirsche, f. (PI. -n): Die Frucht des
Kirschbaums. Im 16. Jh. Kirse und Kirsche,
schon im mrhein. Voc. ex quo von 1469
kirsche, um 1470 kersch, mit seh aus s (vgl.
Birsch, Hirsch), mhd. kerse, kirse, bei dem
Schweizer Boner 8, 33 kriese (noch schweiz.-
oberrhein. Chriesi n.), ahd. kirsa f. In sehr
fiiiher Zeit durch Vermittlung des Lateinischen
(cerasum und mlat. cerasium n. «Kirsche»,
cerasus und mlat. cerasius «Kirschbaum»)
entlehnt aus gr. Kepdciov n. «Ivirsche», Kepac^a,
Kepacia f. «Kirschbaum», d. h. wohl «Baum
1041
Kirsei
Kitz
1042
mit homhartem Fruchtkerne» (gr, K^pac n.
«Hörn», vgl. Hornkirsche, Kornelbauni), mit
Steinfrucht, der besonders um die westlich
von Trapezunt am Schwarzen Meer gelegne
Stadt Kerasunt (gr. KepacoOc, lat. Cerasus)
wuchs und dieser nach Eustathius (zu Hom.
Bias 2, 853 und zu Dionys 456) den Namen
gab, nicht umgekehrt. Aus vorauszusetzendem
mlat. cerasia, ceresia stammt auch franz. cerise,
prov. serisia, ital. driegia f. «Kirsche», sowie
abg. cresinja f. «Kirsche». ZUS. Kirsch-
baum, m., mhd. kerse-, kers-, kirshoum,
alem. krieshoum, ahd. cherse-, kirs-, chresi-,
chriesiboum , and. kirsikhöm m.; davon das
Adj. kirschbaumen, ahd. im ll. Jh. kirse-
houmin, 1664 bei Duez kirschhäumen. Kirsch-
blüte, f., 1691 bei Stieler Kirschhlüt Kirsch-
geist, m.: Kirschbranntweia, 1775 bei Ade-
lung. Kirschkern, m., 1540 bei Alberus
di(3t. Ff 3^. kirschrot, adj., 1670 bei
Grimmeishausen Springinsfeld 1 kirschenroth.
Kirschwasser, n.: Kirschbranntwein, 1741
bei Frisch, aber bei H. Sachs Kirschenwasser.
Kirsei, m. (-s, PI. -e): grobes geköpertes
WoDenzeug. 1716 bei Ludwig Kirsey, 1664
bei Duez Kirschey, 1616 bei Henisch Carisey,
schon vom J. 1404 bei Schirrmacher Urkunden-
buch V. Liegnitz 267 kirsey als Handelsware
der ostpreiißischen Kaufleute, 1482 im Voc.
theut. q4^und 5* kyrsat, kirsat; dazu gleich-
bed. engl, kersey, ndl. karsaai n., 1599 bei
Kilian karseye, franz. carise m., ital.-span.
carisea f. Dunkler Herkunft.
Kismet, n. (-s): unabwendbares Schicksal.
Türkisch. Aus arab. qisma «Anteil, Los».
Kiß, m. n. (Eisses, PI. Kisse) und Kisse, f.
(PI. -n) : langgestielte hölzerne Scharre, die
Kohlen aus dem Backofen zu schaiTen, auch
wohl Frucht auf der Tenne zusammenzu-
scharren. In Westfalen, im Westerwald, in
der Wetterau. Ahd. chissa, amd. kissa f.
Unerklärt. ABL. kissen, v.: mit dem Kisse
heraus-, zusammenscharren.
Kissen, n. {-s, PI. wie Sg.): Art Polster
zum Daraufliegen, Im 18. Jh. noch häufig
Küssen (Adelung, Schiller Teil 4, 2J; Kissen
taucht 1462 in houptkissen Mone Anz. 7, 157,
114 auf, bleibt aber bis ins 18. Jh. vereinzelt
und wird erst in diesem nach und nach vor-
wiegend, Mhd. küssen, küssin, ahd. chussin,
cussin, gekürzt mhd. küsse, ahd. chussi n.
(noch 1716 bei Dentzler Küsse); dazu ndl.
küssen, mndl, cussin. Überkommen aus afranz.
cuissin, nfranz, coussin (woher auch engl,
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
cushion, älter quishin), ital. cuscino, span.
cojin m., von spätlat. coxinus m. «Kissen
für die Hüfte, Sitzkissen». ZUS. Kissen-
zieche, f.: Kissenüberzug, 1616 bei Henisch
669, aber md. 1410 küssenzieche f,
Kiste, f. (PI. -n): trag- und verschließ-
barer Kasten zum Aufbewahren oder Ver-
senden. Mhd. kiste, ahd. kista f.; dazu mnd.
kiste, keste, mmdl. kiste, ndl. kist, ags. cyst,
eist, cest f., engl, ehest Wie das anlautende
k zeigt, sehr früh entlehnt aus gleichbed.
gr.-lat. cista, gr. KicTr) f. Nebenform seit dem
15. Jh. Küste, noch bei Lessing 12, 170.
Kitt, m. (-[e]s, PI. -e): fettes Bindemittel
zum Zusammenkleben. 1598 bei Rollenhagen
Froschm. 1, 2, 17 Kyt, daneben bei Hulsius,
Duez und 1734 bei Steinbach Kiet, aber ur-
sprünglich Kütt, so noch Rädlein 1711 und
Kramer 1719, im 15. Jh. küt m., spätahd,
cuti, quiti n. «Leim, leimartiger Klebstoff»;
dazu ags. civudu, cwidun. «Baumharz», mengl.
Code «Pech», anord. kväda f. «Harz». Ver-
wandt mit lat. hitümen n. «Erdpech», amd.jätu
n. «Gummi, Lack». Eine Nebenform Kitte f.
bei Rückert 2, 296, bei Krämer 1678 Kütt f.
ABL. kitten, v.: mit Kitt leimen, 1605 bei
Hulsius kitten, 1562 bei Mathesius Sar. 81*
und noch bei Goethe 6, 230 kütten.
Kittel, m. (-S, PI. wie Sg.): hemdartiges
Oberkleid. ]Mhd. kitel, kittel, auch kietel,
md, kidel, 1477 clev. kedel, mnd. kedele m.,
ndl. keel. Im 15. bis 18. Jh. mitunter Küttel
mit falscher Ableitung von Kutte. Dunklen
Ursprungs. Man hat an Zusammenhang mit
gr. xiTUJv «Leibrock» gedacht, was unmittel-
bar nicht möglich ist, aber vielleicht indirekt?
kittern, v.: heimlich lachen, Anfang des
15. Jh. kittern, kyttern, noch thüring.-fränk.,
hessisch-oberdeutsch.
Kitz, n. (-[e]s, PI. -e): junges Reh im
ersten Jahre, mhd. {rech)kitze, ahd. rechkizzi n.
Eigentlich identisch mit Kitze, f. (-w) : junge
Ziege, mhd. kiz, kitze n. «Junges von der
Ziege» (auch vom Reh, der Gemse), ahd.
kiz, kizzi «hoedus». Das Wort ist n- Ab-
leitung von anoi'd. kiä n., schwed.-dän. kid
«Zicklein». Dazu ein Diminutivum norw.-dial.
kidla, nhd.-tirol. kittete, mhd. cÄe^eZe«capella»,
anord. kidlingr m., schwed. kidling, dän. killing.
Engl, kid «Ziege» ist entlehnt. Eigentlich
wohl «Junges» zu as. kfd, ags. (nd «Spröß-
ling», s. u. Keim. Vgl. Palander D. ahd. Tier-
namen 118. ABL. Kitzlein, n. {-s, PI, wie
Sg.), im 16. Jh. kitzlin, kützlin, mhd. kitzelin.
66
1043
Kitze
Klafter
1044
Kitze,f. (Pl.-n): weibliche Katze, Kätzchen.
1716 bei Ludwig Kitze, Kitz, 1729 bei Pi-
cander 2, 206 Kietze, im 15. Jh. das Adj.
kitzin (Diefenbach gl. 107^), nd. kitte t, im
Ablaut zu Katze gebildet. Engl, chit und
kitten «Kätzlein», von cat «Katze».
Kitzel, m. (-s): wie zitternde Bewegung
empfundner Nervenreiz zu Lachen, Husten
u. a. Erst frühnhd., 1498 bei Braunschweig
Chirurgie IH*' Kützel (in der Ausgabe von
1539 auch Kitzel), bei Luther Kutzel, Kützel,
noch bei GeWert Kützel; dazu mnd. kettel m.
Von kitzeln, v.: zum Lachen stacheln, zu
Lust oder Übermut reizen, mhd. kitzeln und
kützeln, kutzeln, ahd. chizilon und chuzilön;
dazu ndrhein. im 11. Jh. chitilön, and. kitilon,
mnd. kettelen, ags. citelian, engl, kittle, anord.
kitla, schwed. kittla, dän. kildre. Wohl laut-
nachahmend. ABL. kitzlich, adj., im
15. Jh. kitzelicli, kitzlich (Diefenbach gl. 586^),
1482 im Voc. theut. r8* kutzlich, daneben
seit dem 17. Jh. kützelicht, kitzlicht.
klabästern, v.: schmieren; schlagen,
prügeln;, polternd, störend laufen. In Mittel-
und (namentlich in der 2. Bed.) in Nord-
deutschland. Aber auch elsäss. klawasteren
«mit Lehm verschmieren». Li der 1. Bed.
1781 bei Kindleben. Dunklen Ursprungs.
Vgl. H. Schröder Streckformen 150.
Klabautermann, m. {-s, Fl. -männer);
Schiifskobold. Nach Schröder Streckformen
S. 161 steckt im ersten Teil ndl. klauteren
«klettern». LTnsicher.
Klack, m. (-[e]s, PI. -e): Riß, entzwei
geborstne Stelle ; (nd.) Flecken, Fehler. Mhd,
klac (Gen. klackes) m. «Riß, Schall, lautes
Bersten, Knall, Krach»; dazu ndl. 1599 klack
«Krach, Riß», anord, klakkr m. «Klecks,
Wölkchen, Klumpen», dän. klak «Flecken»,
schwed. klack «Hacken an Schuhen», dialekt.
auch «Klumpen, Anhöhe». Dazu noch Kleck,
Klecks, klecken (s. d.) und eine Reihe andrer
Worte in den germanischen Sprachen. Die
Grundbedeutung und weitre Verwandtschaft
ist unsicher. Vgl. Falk-Torp.
Kladde, f. (PI. -n): flüchtiger Entwurf
zur Reinschrift; Schmutzbuch, Buch der Ge-
schäftsleute zum vorläufigen Eintragen. In
1. Bed. 1779 bei Lessing 13, 631, in 2. Bed.
1710 bei Nehring, 1663 bei Schuppius 2, 29
Kladdebuch. Aus nd. kladde f. «Schmutz,
ünreinigkeit», dann «erstes unsaubres Nieder-
schreiben», endlich die obigen Bedeutungen;
mndl. kladde, ndl. klad f. «Schmutz, Konzept-
papier», kladboek n. «Schmutz-, Konzeptbuch».
Dazu wohl auch Schweiz, chlot m. «Klecks,
Kotfleck», chloten «sudeln, schmieren», und
Formen mit t mnd. Matte «Lappen», nhd.-
dial. klatz «Schmutzfleck» u. a., vgl. klatrig.
Kladderadatsch, interj. zur schaUn ach-
ahmenden Bezeichnung eines krachenden Falles
oder Zusammenbruchs, norddeutsch; dann als
m. Name eines breiten Gebäcks wie Maul-
schelle, sowie Titel des 1848 gegründeten
Berliner Witzblattes; Zusammenbnich. Vgl.
Ladendorf. Lautnachahmend wie klatsch,
kladatsch. Vgl. Schröder Streckformen 173.
Klaff, m. (-[e]s, PI. -e): Krach, Schall;
Geschwätz (schon mhd.); Spalt, schmale Öff-
nung (Goethe Pandora 512). In 1. Bed.
mhd. klaf, klapf m., ahd. claph in anaclaph
m. «Anprall». — klaffen, V.: sich spaltend,
ofl'en ohne Schluß voneinanderstehen; klätt'en,
V. : wortreich, aber gehaltlos sprechen, bes.
lärmend bellen (von Hund und Fuchs). Mhd.
klaffen «schallen, klappern, schwätzen», üf
klaffen «auseinanderbrechen», älternhd./cZap/ew
«klappern», Ä;Ze^/e?i «knallen», Ä;Ze/fe/i « schwät-
zen» (Zimm. Chron.^ 4, 218, 25), ahd. chlaphon,
claffon «klappern, knallen»; dazu ags. clappan,
engl, clap «klappen, klopfen, schlagen». Dazu
auch Klappe, klappen (s. d.). Die Grund-
bedeutung der Sippe ist «Knall, Klatsch»,
woraus sich «mit einem Knall schließen oder
ötfnßn» entwickeln konnte. Die Wurzel ist
wohl lautnachahmend wie abg. klopotü m.
«Lärm». ABL. Kläffer, m.: Schwätzer;
bellender Hund, bes. kleiner (1775 bei Adelung),
mhd. klaff cere, kleffcere m. «Schwätzer, Ver-
leumder, Verräter».
Klafter, f. (PI. -n), auch n. (Goethe 34, 1,
269): das Maß der weit ausgespannten Ai-me;
drei Ellen langer und ebenso breiter Haufen
gesetzten Scheitholzes. Jetzt mit kurzem a,
aber mhd. kläfter f. n. (noch 1556 bei Frisius
Dictionariolum 134*^ Klaafftef), ahd. im 9. Jh.
cläfdra f. «Längenmaß der ausgebreiteten
Arme» als Holzmaß 1477 in den Städtechron.
4, 17; dazu mnd. in beiden Bed. klachter n.,
ndrhein. im 15. Jh. glafter, zerdehnt gelafter
(Weist. 2, 797). Verwandt mit ags. clyppan,
engl, clip «umarmen» und weiter mit ht. glebis
«Armvoll», gUbti, globti, lett. glebt «umfassen,
umarmen», a^prenQ. poglabü «umarmte». Vgl.
Lachter. ABL. klaftern, v. : in Klafter-maß
setzen, nach (^er Klafter messen, elsässisch
1529 in den Weisth. 1, 725 (ge)klaftern «mit
weit ausgespannten Armen messen».
1045
Klage
Klapp
1046
Klage, f. (PI. -n): hörbarer Ausdruck des
Schmerzgefühles; (gerichtliche) Beschwerde.
Mhd. klage, ahd.-and. klaga f. üiTerwandt
mit aind. garhä f. «Tadel», awest. gdrdzä- f.
«Klage», aind. gärhati «klagt, klagt an, be-
schuldigt, tadelt», awest. gdrdzaiti «klagt»,
kaum aber mit gr. ßXrixn f. «Geblök der
Schafe». Davon klagen, v.: sein Schmerz-
gefühl äußern; vor Gericht als Kläger auf-
treten, mhd. klagen, ahd.-and. klagon und
klagen, wovon weiter Kläger, m., mhd.
klager, kleger, spätahd. ciagare m. ZUS. mit
Klage: klagbar, adj., mhd. klage-, klaghcere
«beklagenswert, Klage erhebend». kläg-
lich, adj., mhd. klegelich, klagelich «klagend,
beklagenswert», ahd. chlagalih. klaglos,
adj., 1315 md. clagelos «gerichtlicher Klage
überhoben», im 18. Jh. in der Bed. «keine
Klage hören lassend». Klagelied, n., mhd.
klageliet rr.
^Klamm, m. (-[e]s, PI. -e): Krampf, Luft-
röhr enki-arapf. Mhd. klam (Gen. klammes) m.
«Krampf, Klemme, Klammer»; dazu ags. dam,
dorn m. «Fessel». Weiter sind wohl ver-
wandt lat. glomus m. «Kloß, Knäuel», aind.
gulma- m. n. «Strauch, Busch, Trupp Soldaten,
Geschwulst im Unterleib». Weitres bei Walde.
Schweizerisch. Vgl. klemmen.
^Klamm, f. (PI. -en): Bergspalte, Berg-
schlucht mit Gießbach. Oberdeutsch, 1517 im
Teuerdank dämme f., im 15. Jh. klam, glam
«Schlucht», mhd. wuofklamme f. «Jammertal».
Zu ^Klamm.
klamm, adj.: eng zusammengedrückt,
drückend eingeengt (1663 bei Schottel); allzu
spärlich, knapp (Voc. von 1429). Anders 1562
bei Mathesius Sarepta 51* dam gold «dichtes»
d.h. «gediegenes, lauteres Gold», schon mhd.
bei Heinrich v. Meißen 200, 6 klamer morgen
«lautrer, d. h. klarer Morgen»; erstarrt, kalt
und feucht (norddeutsch). Zum vorigen. Vgl.
klemm und verklemmen.
Klammer, f. (PL -n)-. Gegenstand zum
Festklemmen. Mhd. klamere, klamer, md.
auch klammer f.; daneben das gleichbed.
mhd. klampfer, noch bayr. Klamper, kämt.
Klamper, Klampfer f. ; dazu anord. klömbr f.
«Klemme», neunorweg. klomber «Klemme,
enge Felsschlucht». Davon klammern, v.,
1589 bei Eoth christl. Hausmütter ABC J5%
dafür mhd. klamhen, klampfern, klemheren.
Vgl. Klamm, klemmen, Klempner.
Klampe, f. (PI. -n)-. an beiden Enden
festhaltendes Bindeholz. Aus dem Nd. auf-
genommen, mnd. klampe f. «Haken, Spange»,
bildl. «Steg über einen Graben», nd\.Jdampi.
«Klammer, zumal hölzerne», 1477 clevisch
clamp «Klemmwerkzeug zum Halten»; dazu
dän. klampe, schwed. klamp «Klotz, Holz-
stück». Die echt hochdeutsche Form bietet
bayr. Klampfe f. «Klammer der Zimmer-
leute». Dazu Schweiz. Chlempe. Vgl. Klemme.
^ Klang, m. (-[e]s, PI. Klänge), mhd. klanc
(Fl. klenge), ahd. bei Notker cÄZawcÄ; daneben
mhd. klinc(g) und klunc{g) m. Dazu ndl. klank
m. «Klang, Laut», engl, dank «Gerassel, Ge-
klirr», wie ahd. mit k aus gn. Zu klingen (s. d.).
"Klang, m. (-[eis, PI. Klänge): seichte von
plätscherndem Wasser überfloßne Stelle im
Flusse (göttingisch, 1642 in Hessen); (in
und um Gießen) offne Stelle im Flußeise.
Eins mit dem vor. Wort, denn md. klanc m.
«das Plätschern des Baches». Vgl. -Klinge.
Klapp, m. (-[e]s, PI. -e): Schall, Krach,
1663 bei Schottel, 1616 bei Henisch Donner-
klapp, Donderklapp, 1590 bei Ringwaldt laut.
Warb. 70 Klapp m. «Schlag, Schlappe, Un-
glücksfall», nd, klapp, ndl. klap m., engl, clap,
anord.-schwed. klapp n., dän. klap. Dafür
mhd, klapf (s. Klaff). Wie die folgenden
Wörter (mit Ausnahme vielleicht von klappern)
aus dem Nd. aufgenommen, klapp! interj,,
1600 bei Adrian Mittheil, 371 klip und klap,
nd. klapp, engl, clapl Klappe, f. (PI -n):
auf- und abschlagender Gegenstand woran,
beweglicher Deckel oder Verschluß (1741 bei
Frisch); Aufschlag am Rock (1775 bei Ade-
lung); Fliegenklatsche (bei Voß), Peitsche (1691
bei Stieler). Nd. klappe f. «auf- und nieder-
schlagender Deckel», mnd. klape f. «Klapper»,
ndl. klap f., eins mit mhd. klaffe f. «Klapper,
das Klappern, Schwätzen». Damit zgs. Klapp-
horn, n,: Hom mit beweglichen Klappen
zum Regulieren der Töne, eine Erfindung des
19, Jh. (1814); daher Klapphornvers ra.,
scherzhafter Vers nach dem Muster einer
Vierzeile, die einen das Klapphorn blasen-
den Knaben schildert, erst im letzten Viertel
des 19. Jhs. klappen, v.: schallend auf-
schlagen (bei Luther); gleichlautend zuein-
ander passen, sich zueinander fügen (es klapt
bei Luther 3, 442**). Die md, und nd. Form
für klaffeti (s. d.), nd. klappen «klatschend
schlagen, passen», mnd. klappen «plappern,
laut schwatzen»; dazu mndl. dappen «schwat-
zen», ndl. klappen «laut widerschlagen», ags.
clappan,enci\.dap,sdr\es.-'a.noYd..-SQh.vfedi.klappa
« schlagen, klatschen », dän. klappe, entsprechend
66*
1047
klar
Klatsch
1048
ahd. Map fön «zusammenschlagen». Klapper,
f.: Werkzeug zum Klappern, im 15. Jh. rhein.
clapper und nd. clappir bei Diefenbach gl.
125°. 254*», dafür mhd. klepfer, klaffe, md.
(bei Eilhart 7029 L.) klepper f. ; davon Freund
Klapperbein: der Tod. Im 18. Jahrb.
Klapperschlange, f.: mit einer Klapper
am Schwänze versehne giftige Schlange in
Amerika, 1741 bei Frisch, klappern, v.,
mhd. klappern, auch kleppern, kiepfern, md.
und nd. klappern. Mittels -s abgeleitet, wie
Klecks, Knicks, schnapps: Klaps, m. (Gen,
Klapses, PI. Klapse und Klapse) : schallender
Schlag, 1734 bei Steinhach Klaps m.; RA. einen
Klaps haben: etwas dumm sein. Sächsisch-
Norddeutsch; klaps! interj., nd. 1767 im
brem. Wbch. 2, 788; klapsen, v.: (intr.)
klatschen, knallen (1778 bei Hermes Sophiens
Reise 1, 242); (trans.) schlagen, md, und nd.
. klar, adj. (Komp. klarer, Superl, klarst):
das Licht in allen Teilen durchlassend, hell,
deuthch; fertig (aus der Seemannssprache).
Mhd, klär, dar «hell, lauter, glänzend», mnd.
dar, mndl. ciaer, spätanord. klärr, schwed.-
dän. klar, aufgenommen aus lat. clärus «hell,
leuchtend» (von dessen Fem. dära auch der
weibl. Eigenname Klara). Der Komp., mhd.
dar er, bisweilen mit Umlaut, im 16. Jh.
klerer, bei Wieland, Lessing, Herder, Goethe
klärer, der Superl, klärst bei Goethe, klärest
bei Schiller. ABL. Kläre, f., mhd, klcere f.
«Klarheit», klären, V.: klarmachen, mhd,
kloRren, md. kleren und klären, dagegen mhd.
klären «hell werden, sich klären». Klarheit,
f., mhd. klärheit f. klärlich, adj,, mhd.
klär-, klcBrlich, bei Luther klerlich, galt gegen
1800 veraltet, als Adverb aber wieder auf-
genommen, Klärung, noch nicht bei Campe.
klarieren, v. : ein Schiff, die SchiflFsgüter
verzollen. 1791 bei Roth. Nd, een schip kla-
reeren; entspr. Ausdrücke sind dän,-schwed.-
engl.-span.-portug. Von klar «fertig» s, o,
Klarinette, f. (PI, -n): 1690 erfundnes
Holzblasinstrument. 1791 bei Roth Clarinett
(1813 bei Campe Clarinettist m.). Aus gleich-
bed. franz. darinette f., ital. darinetto m,,
dem Dim, des ital. clarino m, «hellgellende
Trompetenart», von lat.clärus «hell schallend»,
Klasse, f. (PI. -n) -. ordnende Abteilung.
1610 bei Gödeke Gr,^ 2, 61, 18 und 1616
bei Henisch Claß f., aus lat. classis f. «Ab-
teilung», woraus auch das gleichbed. franz.
classe f. ZUS. Klassenkampf, m., 1848
von Marx gebraucht, klassifizieren, v,:
in ordnende Abteilungen bringen. Von nlat.
dassi-ficatio f, «Einteilung in Klassen», aus
classis und -ficatio, einer Ableitung von facere
«machen», Goethe Br, 8, 3. 79. Klassiker,
m. (-S, PI. wie Sg.): mustergültiger Schrift-
steller. Im 18. Jh. nach dem franz. (auteur)
dassique, von lat. dassicus m. «Bürger ersten
Ranges» (civis dassicus), dann Schriftsteller
vom ersten Range (scriptor dassicus bei
GeUius 19, 8, 15), klassisch, adj,: ersten
Ranges seiner Art, mustergültig, nach gleich-
bed, franz. dassique vom lat. Adj. dassicus
«die (ersten) Bürgerklassen betreffend». Be-
leg von 1748 bei Danzel Gottsched 230.
klat(e)rig, adj.: unsauber, kläglich, er-
bärmhch, schmutzig. Im 18. Jh. (bei Hermes
Soph. Reise 6, 587, Wieland 18, 233 vom J, 1776)
aufgenommen aus dem nd. kläterig, klatterig
«schmutzig, zerlumpt, verwirrt in den Haaren»,
dann «übel, wenig Erfolg versprechend», von
nd, kläter m. «Fetzen, zerlumptes Kleidungs-
stück, angespritzter Schmutz, Kotklunker,
Klunker von Augenbutter», zu mnd. klatte
f,m, «Kleiderfetzen, Verworrenes, verwickelter
Rechtshandel», das vielleicht mit Kladde zu-
sammenhängt. Das Wort ist auch schweizerisch,'
Klatsch, m. (-es, PI. -e): klatschender
Schall oder Schlag, Fleck (1711 bei Rädlein);
Geschwätz (bei Goethe 5, 133). In 1. Bed.
ndl, 1599 Mets, kletse. klatsch! interj,, 1803
bei Kosegarten Jucunde 155, vgl. klitsch. Laut-
nachahmend, klatschen, v,: intr. schallen,
schallend schlagen (1691 bei Stieler, klatzschen
1651 bei P. Fleming 1, 23 L., glatschen 1668 bei
Prätorius Anthropod, Plutonicus 499 und 1674
bei Abele künstl. Unordnung 5, 29) ; schwatzen
(1663 bei Schottel). Hervorgegangen aus
älterm Matzen in 1. Bed. (bei Luther Tischr.
327 ^ vgl. 1562 bei Mathesius Sar, 208* Matz-
niühle, aber 1578 Matzschmühle 146*^), mhd,
kletzen in hekletzen «beschmieren, beschmut-
zen», ndl. 1599 kletsen «klatschend schlagen»
(vgl. klitschen). Davon Klatsche, f.: Werk-
zeug zum jK7afec/iew (1691 bei Stieler); klatsch-
haftes Weib (1663 bei Schottel): Klatscher,
m.: der Klatschhafte, 1691 bei Stieler, Klat-
scher 1734 bei Steinbach, und hiei-von Klat-
scherei, f. bei Stieler, Klatscherei bei Stein-
bach, klatschhaft, adj,: schwatzhaft, bei
Stieler. ZUS. Klatschhase, f.: schwatz-
hafte Person. Erst im 19. Jh. Klatsch-
hüchse, f.: Knallbüchse von ausgehöhltem
Fliederholz (1691 bei Stieler); schwatzhafte
Person (1775 bei Adelung), Klatschrose, f. :
1049
klauben
Kleck
1050
Feldmohn, 1691 bei Stieler, von dem Schalle,
den gegen die Stirn zersprengte Blätter der
Blume geben.
klauben, v.: mit den Fingern stückweise
lösend woran arbeiten. Mhd. Mühen, auch
klouben, ahd. clübön (vgl. klieben). ABL.
Klauber, m., äpätmhd. klüber, klouhoere m.
Davon Klauberei, f. : kleinliches Versteifen
auf etwas. Um 1780.
Klaue, f. (PI. -n) : Hornteil des gespaltnen
TierfuÜes: (scherzhaft) Hand, schlechte Hand-
schrift. ^Ihd. klä, kläwe, selten klö, ahd.
cMäwa, chlöa f.; dazu andfrk. cläwa, nmd.
klouwe, klauwe, kläwe, ags. cid, cleo, cläuni f.,
engl, claw, anord. klö f., schwed.-dän. klo
«Klaue». Grundformen *klewä- und klöwä-.
Dazu auch Knäuel (s. d.). Weiter sind ver-
wandt aind. gläus m. « Ballen >, ir. glö-snäthe,
glao-snäthe «Hnea, norma», wörtUch «Ballen-
draht», gr..T^o"TÖc m. «Hinterbacke». Weitres
bei Walde s, v. gluo. ABL. klauen, v.:
kratzen, krauen, krabbeln, 1591 bei Rollen-
hagen Postreuter F 3* und 1641 bei Weck-
herlin 1, 505 F. klawen, ahd. kläwen, mnd.
klouwen, klawen, daneben kleien. klauig,
adj.: mit Klauen versehen, bei Voß.
Klaus, gekürzt aus Nikolaus (s. d.).
Klause, f. (PI. -n): abgeschloßne Kloster-
zelle: Einsiedelei; Gebirgspaß. Mhd. klüse,
ahd. chlüsa f.; dazu ags. düse f. Aus mlat.
dusa f., vom Part, dusus für clausus in
den Zusammensetzungen von daudere «ver-
schließen»; das gleichbed. mhd. klöse f. da-
gegen aus mlat. clausa f. ABL. Klausner,
m.: Einsiedler, mhd. klüsencere und klösencere,
ahd. klosinäri, mnd. klüsenere, mndl.düsenäre,
mit Umlaut spätmhd. kleusener, kleusner,
noch 1789 bei Bürger Ged. 2, 152 Klausner.
Klausel, f. (PL -n): Schlußsatz; Ein-
schränkung, Vorbehalt. 1398 im Cod. dipl.
Siles. 10, 246 dausel. Von lat. clausula f.
«Schluß, bedingende Gesetzesformel», zu
daudere «schließen».
Klauster, n. (-s, PI. wie Sg.): Vorhänge-
schloß. Am Mittelrhein, aach. Muster f,
auch bayr. kloesfer n. «Schloß», 1477 clevisch
duyster, ndl. kluister f. «eiserne Bande mit
Schlössern», XZaws^er 1719 bei Kramer 1, 151 '',
schon asächs. klüstar n. «Verschluß», klüstar-
hendi PI. f. «Fesseln», ags. clüstor n. «Ver-
schluß», aus lat. daustrum n. «Riegel, Ver-
schluß». Vgl. Kloster.
Klausur, f. (PI. -en): Ab- und Ein-
schließung (1711 bei Rädlein); Klosterzwang;
Buchschloß, Gesperr (Janssen Reichskorr. 2,
249 vom J. 1465); Eselsohr im Buche. Aus
mlat. dausura f., zu lat. daudere «schließen».
Klaye, f. (PI. -n): Griffsteg, Taste des
Klaviers oder der Orgel, 1796 in den Xenien
Nr. 219. Von mlat. clavis f., PI. daves «die
Griffstege der Orgel», deren Windlade durch
sie geöffnet und geschlossen wii-d, lat. dävis
f. «Schlüssel». ABL. Klayiatür, f.: Griff-
brett für zwei Hände. KlaTier, n. (-s,
PI. -e): Musikinstrument mit Metallsaiten
und Tasten, 1711 bei Rädlein Ciavier, eig.
«die Tastenreihe», zunächst der Orgel (1616
bei Henisch Clavir, ndl. 1577 bei Junius
davieren PI.), dann des Spinetts (1664 bei
Duez Ciavier), aus franz. clavier m. «Tasten-
reihe, -brett»; für das Instrument bei dem
Brieger Organisten ScherÖer (f 1674) Claver-
sing n. aus dem Nd., von gleichbed. franz.
davecin, davessin m. Klavizimbel , n.:
Saiteninstrument mit Metallsaiten und Griff-
brett, Anfang des 15. Jh. davicimbel, daff-
cimhel (Diefenbach gl. 126*^), aus mlat. davi-
cinibalum n.; dafür 1472 im Heldenbuche
Kaspars v. d. Ron davor n.
kleben, v. intr. : durch zähen Stoff haftend
anhangen. Mhd. Mehen, ahd. kleben; dazu
asächs. kliion «festhaften», nmd. ndl. kleven,
ags. clißan, deofian, engl, deave «kleben»,
anord. klifa «schwatzen mit steter Wieder-
holung des Gesagten». Mit e aus i zu mhd.
kliben, ahd. Miban «haften» (s. kleiben). Da-
gegen das trans. kleben «haften machen» gehört
urspr. der md. Volkssprache an für hochd.
trans. kleiben (s. d.) und ist in der neuem
Schriftsprache an die Stelle desselben ge-
treten, etwa seit Mitte des 18. Jh., doch
findet sich andrerseits schon im 15. Jh. kleben
(im Voc. ine. teut. d 6*J und sogar ahd. cMepen
in trans. Bed, «kleben machen». ABL.
Kleber, m. (-s, PL wie Sg.) : klebender Stoff,
Gummi, Baumharz, 1420 cliMr n. «Gummi»,
md. im 14. Jh. kliber «Schleim», mnd. clever,
mndl. clebber, clibher. Im Mhd. das Adj.
kleber «klebrig», ahd. depar, ags. dibbor;
davon kleb(ejrig, kleb(e)richt, adj., bei
Fischart Garg. 66 kleberig, bei Keisersberg
klebrecht, uhd. debirik.
Kleck, m. (-[e]s, PL -e): an- oder auf-
geworfner kleiner Teil einer weichen Masse;
verunreinigender Fleck (1562 bei Mathesius
Sar. ni*»). Nebenform zu Klack (s. d.);
erst im 16. Jh. kleck m. «Riß durch Auf-
springen, Flecken», ^vonehen Klecke f. «Spalt»
1051
kleckeu
klein
1052
(1663 bei Schottel); noch fränk. Kleck m.
«Riß, Sprung in Glas usw.». Vgl. Klecks.
klecken, v.: weiche Masse wohin werfen
oder fallen machen; verunreinigende Flecke
machen; (übertragen) wozu ausreichend
förderlich sein. Mhd. klecken, ahd. kieken
«laut reißen, platzen, ausreichen, genügen,
wirksam sein», im Md. auch «Klecke werfen,
einen Fleck machen». ABL. Klecker, m.:
Schmierer, 1691 bei Stieler. kleckern, v.:
in einzelnen Klecken fallen lassen, bei Stieler.
Klecks, m. (Gen. Kleckses, PI. Kleckse):
wie Kleck. 1734 bei Steinbach, Klex 1727
bei Stoppe Ged. 1, 207, Klecksgen bei Günther
217. ABL. klecksen, v., erst nach der
Mitte des 18. Jh. bei Hölty, Voß, Claudius.
Klee, m. (-5, PI. -e, besser Kleearten):
die Futterpflanze Trifolium; Trefle, Treif im
franz. Kartenspiel, entsprechend Eicheln im
Deutschen (1591 bei Fischart im Kloster 10,
920, aber s. v. a. Grün). Selten Fem., 1652
bei Eist Parnaß 694 Klee f , aach. klie f.
Mhd. kle m., Gen. klewes, ahd. chleo m. n..
Gen. chliwes «mit Kleeblumen untermischter
Rasen», and. de; dafür mnd. klever, kläveren,
nnd, klever, klaver (auch kleve) m., ndl. klaver
f., ags. clcefre m., engl, clover, entlehnt schwed.
klöfver, dän. klever, klöver. Echt nordisch ist
norw.-schwed. smäre, isl. smäri. Die Her-
kunft von K. ist unklar. Vgl. Björkmann
ZfdW. 2, 227 f. ZUS. Kleeblatt, n., im 15. Jh.
der PI. klehleter und das Dim. klehletelein;
bildlich, Verbindung von dreien (bei H. Sachs
12, 370 und Opitz 1, 440). Kleesalz, n.:
aus Bitter- oder Sauerklee bereitetes Salz,
1776 bei Hübner 2323 Sauerkleesalz.
Klei, m. (-es, PI. -e): der zäheste Ton.
1691 bei Stieler Kley, 1557 bei G. Agricola
90 roter kle m., bei Voß tausend und eine
Nacht 6, 1 flf. Klei f., bisweilen auch Klei,
Klai n. Aus nd. klei m. f., im 14. Jh. cley n.;
dazu ndl. klei, klai f, 1598 kleye, afries. klai,
ags. clceg, engl, clay, dän. klag, mit Ablaut
norw.-dial. kli «Schlamm, aufgespülter Kot,
zäher Lehm». Nebenformen Kleit (1574 bei
Fischart onomast. 44**), wie engl, clayt (in
Kent), und ditmars. klen m. Urverwandt
mit lat. glus und glüten n. «Leim», glis
«humus tenax», gr. T^ivri, yXia und ^Xoid f.
«Leim», yX-oiöc m. «klebrige Feuchtigkeit»,
abg. glina f. «Ton», glenü m. «Schleim». Des-
selben Stammes sind ahd. chleimen «aus Ton
oder Lehm formen», ahd. klenan, mhd. klenen
«kleben, schmieren», ags. cZ^wian «schmieren».
ferner kleihen und Kleister (s. d.). Vgl. noch
Zupitza Gutt. 147 und Walde s. v.
kleiben, v. trans.: aufstreichend haften
machen (jetzt verdrängt durch kleben, s. d.).
Mhd. -ahd. kleihen mit schwacher Flexion;
Kausativ zum starkbiegenden intrans. mhd,
kliben «fest anhangen, haften» (Prät. kleip,
PI. klipen, Part, gekliben), noch älternhd.
kleiben und bekleihen (s. d.), ahd. kliban, ags.
clifan «haften». Zu dem gleichen Stamm
wie Klei. ABL. Kleiber, m.: Lehmwand-
macher, Tüncher; Spechtart. Mhd. im 13. Jh.
kleiber m. ZTJS. Kleibscheibe, f.: Maurer-
kelle, 1663 bei Schottel, noch in Nassau und
der Wetterau.
Kleid, n. (-[e]s, PI. -er): was der Mensch
zur Bedeckung des Körpers, insbesondre des
Rumpfes anhat. Mhd. seit Mitte des 12. Jh.
kleit (PI. kleit und kleider); dazu ndl. 1598
kleed, mnd. Med, afries. Math, kleth, ags. seit
8. Jh. cläp, engl, cloth, (entlehnt) anord.
klcedi n. «Tuch, Zeug, Kleid», schwed.-dän.
Made. Die älteste Bed. ist «Zeug, Tuch»,
daher noch siegerländ. wöschklead «Taschen-
tuch», eig. «Wischtuch». Im Ablaut dazu
steht d.g%.clläa m. «Pflaster, Salbe, Geknetetes»,
so daß K eigentlich «Gewalktes, Gestampftes»
bedeutet und mit kleiben, Klei usw. zu-
sammenhängt. ABL. kleiden, v.: an dem
Körper oder einem Teile desselben mit einem
Anzüge versehen; putzen, schmücken, einem
gut stehen. Mhd. kleiden; dazu mnd. kleden,
ndl. kleeden, engl, clothe, anord. klceda. kleid-
sam, adj., neuere Bildung aus der ersten
Hälfte des 19. Jh. Kleidung, f.: Kleidungs-
stücke, die zu einem Anzug gehören, im 15. Jh. ;
damit zgs. Kleidungsstück, n., nach 1770.
zus. Kleidermacher, m., 1678 bei Krämer.
Kleie, f. (PI. -n): abgemahlne Getreide-
hülsen. Mhd. klie, klige, älter kliwe, ahd.
kliwa, klia f.; dazu mnd. kUe, kllge f., ent-
lehnt schwed.-dän, kli n. Wohl desselben
Stammes wie Klei (s. d.), vgl. lett. gllwe
«Schleim», gr. T^ia, '^\\vr\ «Leim».
klein, adj.: nach Ausdehnung oder Maß
nicht viel. Bei Goethe 3, 303 noch kleine,
mhd. kleine, klein, mit den Nebenformen klin
und klin «rein, zierlich, niedlich, fein», dann
«dünn, schmächtig, mager, schwach, gering,
nicht viel, fein-, scharfsinnig», ahd. Meint,
cMeini, chleni, im Adv. Meino, clüeino «sauber,
glänzend, zierlich, genau, sorgfältig, gering»;
dazu and. cleni «klein, scharfsinnig», mnd.
klene. Meine «dünn, zierlich, wenig», afries.
1053
Klein
klemm
1054
kleri, klein «unansehnlichj gering», ags. clcßne,
clene «rein, lauter, hell, unschuldig, keusch»,
engl, clean «rein». Die ui-spr. Bed. dürfte
«glänzend» gewesen sein, so daß man k. zu
abg. glenü m. «Schleim», glina f. «Ton, argilla»
und weiter zu den unter Klei behandelten
Worten stellen kann. ABL. Kleine, f.:
Kleinheit, mhd. kleine, ahd. kleini f. Klein-
heit, f., mhd. kleinheit Kleinigkeit, f.:
etwas Kleines, 1716 bei Ludwig, mhd. klai-
nichait f. «Kleinheit», md. kleinkeit i. «Scharf-
sicht»; dazuKleinigkeitskrämer,m. Ende
des 18. Jhs. kleinlich, adj.: klein, gering,
schwach (1508 in der Straßburger Gemma
xl*>); in sittlicher und geistiger Bed. «an
Kleinigkeiten hangend, niedrig», seit dem
18. Jh. (bei Lessing 10, 320), mhd. kleinlich
«fein, zart, zierlich, mager, scharfsehend,
genau», ahd. im Ady. chleinlihho<si auf feine,
zarte Weise», ags. cZ®w?fc«rein». ZUS. Klein-
bahn, f.: schmalspurige Xebenbahn. Durch
Gesetz 1892 festgelegter Ausdnick. Klein-
geld, n.: Scheidemünze. Bei Voß: 1765 bei
Rondeau Klein geld. kleingläubig, adj., bei
Luther Matth. 6, 30. kleinlaut, adj.: leise
redend (im 15. Jh. bei Diefenbach gl. 563 '^
kleynlute stym); mutlos, niedergeschlagen (bei
Liliencron 4, 369^ klainlaut, vom J. 1546).
Kleinmeister, m.: (im 18. Jh.j ein Mensch,
der die kleinen Künste der französ. Gesell-
schaft betreibt, um sich angenehm zu machen;
dann einer, der sich mit Wissenschaft oder
Literatur in kleinlicher Weise befaßt. Eine
Übersetzung des gleichbed. franz. petit-niaitre
m. Jetzt «kleiner Handwerker». Kleinmut,
m., 1688 in neues Dictionarium Für einen
Reisenden S. 177'', früher und bis gegen Ende
des 18. Jh. fem. (1577 bei Fischart Flöhhaz
BZ^ V. 606 Klainmut f.), mhd. dafür klein-
muotikeit f. kleinmütig, adj., mhd.im 14. Jh.
bei Megenberg 45, 2 klainmiietig, von dem
mhd. Adj. dmnmuote (12. Jahrh.j. Klein-
SChmied, m.: Schmied in feiner Arbeit,
bes. Schlosser, im Gegensatz zu Grobschmied,
ndrhein. im 14. Jahrh. der PI. cleyne sniyde,
1395 cleinsmed, 1215 als Beiname Cleinesmid
(Böhmer Urkundenbuch von Frankfurt a. M.
S. 23j. Kleinstädter, m., 1787 bei Kramer
deutsch -holl. AVb. kleinstädtisch, adj.,
1673 bei Chr. Weise Erznarren 219. Klein-
staaterei, f., 1814 bei Jahn. Vgl. Ladendorf.
Klein, n. (-[e].s), namentlich in Gänse-
klein (s. d.), Hasenklein, aber schon 1775 bei
Adeluncr Klein.
Kleinod, n. (-s, PI. -e, üblicher Klei-
nodien): Schmucksache höchsten Wertes,
Gegenstand ausgezeichneten Wertes. Mhd.
kleinöt n. und mit I'mlaut kleincete, kleinoede
n., in der Endimg geschwächt kleinät, Meinet,
mnd. kienöde, klenäde n., mittels der ahd.
Ableitungsendung -odi (vgl. Heimat, Einöde)
von dem Adj. klein, dessen ältrer Bedeutung
j gemäß eig. «zierlich, fein gearbeitete Sache»,
' dann «zierliches Geschenk, Ehrengabe», end-
' Hch «Gegenstand ausgezeichneten Wertes»,
auch «Kleinigkeit, kleines Hausgerät». Der
PI. Kleinodien nach dem PI. clenodia des
j von dem deutschen Worte gebildeten mlat.
I clenodiuM, clinodium n., 1685 bei Grimmels-
' hausen Simpl. 3,126 (Kz.) Kleinodien, im 16. Jh.
in der Zimm. Chron. - 1, 245, 24 klinodien,
sonst im 16. Jh. auch der PI. kleinoter.
I Kleister, m. {-s, PI. wie Sg.): aus feinem
■ Mehle gekochtes Klebmittel, Md. klister m.
«anhangender Gegenstand» (Passional 490*^,
65 Köpke), im 15. Jh. wassercleister m. und
clisterschüm m. «Asphalt» (Rothe düring.
I Chron. Cap. 14^ und 21), 1587 bei Soranus
Kleister m. «Klebmittel», 1577 bei Junius
i 220^ gleister: nd. im 14. Jh. cUstere «an-
I klebende Pflanze, Efeu», 1582 bei Chyträus
klyster «aus Mehl gekochtes Klebmittel».
Mittels der Ableitungsendung -ster (vgl.
! Laster, Polster) von derselben Wurzel wie
; Klei, kleiben (s. d.), Friihmhd, chlenster m,
'< «angestrichnes Klebmittel» (Anegenge 23, 26)
! ist abgeleitet von ahd. klenan, mhd. klenen
«kleben, schmieren». Sonst mhd. und ahd.
i dafür klep m. (noch Schweiz. Kleh m.), daneben
1 kleip m. ( s. kleiben). ABL. kleisterig, adj.,
1691 bei Stieler kleistericht. kleistern, v.,
! bei Luther, mnd. klisteren.
Klemens, Mannsname. Aus dem lat.
Adj. Clemens (Gen. clemeniis) «mild». Dazu
I der Frauenname Klementine.
klemm, adj., wie klamm (s. d.). Bei
Wieland, Hebel, Pestalozzi, 1 424 fcZeww «knapp»
(Städtechron. 2, 39, 25), 1337 als Personen-
i name Frederich Clemme (Baur hess. Urk. 1,
534). Dazu Klemme, f. (PI. -n)-. einengen-
1 der Ort, beengter Zustand, Einengung (im
14. Jh. mhd. klemme, chlemme f.): Werkzeug
zum Klemmen (1691 bei Stieler j; Kratt,
Nachdruck (nd.). Im Mhd. auch klamme,
klame, klamhe f. «Klemme, Fessel, Klammer».
klemmen, v., mhd. klemmen, ahd. chlemman
in picklemman: dazu asächs. clemmian in
ant- und biclemmian, mnd. klemmen. Davon
1055
klemperu
klieben
1056
Klemmer, m. {-s, PI. wie Sg.): Augenglas. '
Diese Bedeutung erst im 19. Jh.
klempern, v. : Metall (Blech) hämmern,
einen Blechton hervorbi-ingen (vgl, klimpern).
1691 bei Stieler klemperen. Mhd. klemheren
neben klampfern «fest zusammenfügen, ver-
klammern». ABL. Klempner, m. {-s,
PI, wie Sg.): Blechschmied, 1734 bei Stein-
bach. Umgestaltet aus Klemperer m. (1691
bei Stieler, auch bei Rädlein und Ludwig) ;
dafür obd, Klamperer (schon im 16. Jh.,
rischart Pract. Großm, 1572, 8), bayr.-östr.
Klampferer (schon im 17. Jh., aber im 15. Jh. |
bei Behaim Wiener 312, 6 clampfer m). 1
klenkeu, v,: (bei Fichten-, Tannenzapfen
usw.) durch Hitze die Samenhülsen sprengen
und so den Samen ausfallen machen. In
Mitteldeutschland. Eig. «Klingen machen»,
was mhd. klenken neben Mengen.
kleppen, v,: in kurzem Tone läuten. In
Norddeutschland ; dazu ndl. kleppen «klappern,
die Glocke anschlagen», von Map m. «Schlag»
(s. Klapp) ; dafür mit pf oberdeutsch klepfen
«knallen» (vom Schuß usw., schon 1432).
Klepper, m. (-s, PI. wie Sg.): Lauf-
pferd geringer Art; Reise-, Paßgänger. Ur-
sprünglich ohne üblen Nebensinn, 1561 bei
Maaler, aufgenommen aus dem Md., wo Ende
des 15. Jh. klepper m. «Reitpferd» (Michelsen
Mainzer Hof in Erfurt 82), im 16. u. 17. Jh.
Klöpper, aber auch kleppJier m. «sehr kleines
Pferd», 1517 bei Trochus G ß^ und Klöpffer,
1611 bei Colei-us Haußbuch 4, 109. Benannt
entweder von der besondern Gangart des
kleinen schnell laufenden Pferdes (dem Mop
bei Fischart Garg. 203), oder nach dem kurzen
Anschlag der Schellen, die dies Pferd am
Geschirr trug. Vgl. Buschklepper.
kleppern, v.: (Eier) mit dem Rührlöffel
schlagen, zerquirlen. In Mitteldeutschland,
Nebenform von klappern, im 14. Jh. cläppern
vom Klappern des Storches und kleppern
von Schmiedearbeit, Hämmern, dafür spät-
mhd. kiepfern «klappern».
Kleptomanie, f,: krankhafte Neigung
zum Stehlen. Aus gr. kX^tttciv «stehlen»
und laavia f, «Hang». In neurer Zeit.
klerikal, adj,: streng kirchlich, päpstlich
gesinnt. Von nlat. clericälis, abgeleitet von
clerus s. u. In neurer Zeit. Kleriker, m,
(-S, PI. wie Sg.): Geistlicher, Priester. Mhd.
cleric, Merke m., mnd.-mndl. Merk n. Aus
gleichbed, kirchlich -mlat. clericus m., dem
als Subst. gesetzten Mask. des kirchlich-gr.
Adj. KXripiKÖc «zur Geistlichkeit gehörig», von
mlat. clerus m. «Geistlichkeit», gr. KXfipoc m.
«Los, zugelostes Besitztum», im PI, biblisch
die zur Leitung der Christen Vorerwählten
(1, Petr. 5, 8). Dazu Klerlsöl, f. (PI. -en):
Priesterschaft, 1562 bei Mathesius Sarepta
216^, 234^ Glerisei f., 1541 im Cod. dipl,
Saxon. reg. II, 3 Nr. 1428 clerisey, aus roman.
(span.) clerecia, mlat. clericia f.; auch mnd.
Meresye, klerikie, klerkesie f.
Klette, f. (PI. -n): Pflanze mit sich an-
häkelndem Fruchtknopfe, sowie dieser selbst.
Mhd. Mette f., ahd. chletta, cMedda f. und
chletto, cMeddo m. ; dazu and. kleddo, clevisch
1477 clette neben clesse f., nndl. klis, Misse f.,
ags. cläte f., engl, clothur. Urverwandt mit
lat. glüten n. «Leim». In der Wurzel muß
der Begriff des Anhaftenden, Klebrigen liegen,
was dadurch bekräftigt wird, daß die Klette
im Ahd. noch kliba, cMipa, amd. Miva, ags.
clife f. heißt (s. kleben, Klei). Aus dem
Germ, stammt franz. glouteron, afranz. gleteron.
ZUS. Klettenkraut, n., 1540 bei Alberus.
klettern, v. : woran haftend (klebend) auf-
oder absteigen. 1482 im Voc. theut. q7^,
dann bei Keisersberg und Luther; nd. Mattem,
nndl. Mauteren. Frequentativum zu älter-
nhd. Meten (Zimm. Chron. ^ 4, 208, 37), noch
Schweiz, Metten, von derselben Wurzel wie
Kletfe (s. d.), was dadurch bestätigt wird,
daß im Voc. theut. von 1482 und Schweiz,
zugleich klebern «klettern» (von mhd. kleber
«klebrig», s.d.) vorkommt. ABL. Kletterer,
m., 1691 bei Stieler. ZUS. Kletterstange,
f., 1775 bei Adelung; bei den Vogelfängern
ist sie nach Frisch 1741 eine 10 Fuß lange,
oben mit Leimruten besteckte Stange.
I Kietze, s. Klötze.
Klicker, m. (-s, PI. wie Sg.): Schnell-
! kügelchen. 1549 im Renner Bl, 75 und 1664
! bei Duez Klicker, 1575 bei Fischart Garg. 265
I der PI. Kluckern «Schnellkugeln», spätmhd.
1429 Mucker neben gluckern «mit Kugeln
i spielen», 1540 bei Alberus klick m. «Schneller
I mit den Fingern, Schnippchen». Vielleicht
1 zu ahd. cliuweli, clueli, glueli n. «Kügelchen»
von ahd. Miuwa f. «Knäuel, Kugel». S. Knicker.
klickern, mundartlich neben kleckern.
I klieben, v. (Prät. kloh, Konj. klöhe, Part.
geklohen) : intr. sich gewaltsam voneinander
'geben: tr. voneinander hauen. Mhd. klieben
(Präs. kliube, Prät. kloup, PI. Muhen, Part.
gekloben), ahd. chliopan, clioban; dazu asächs.
klidban, ndl. klieven, ags. cleofan, engl, cleave,
1057
KUent
klingen
1058
I
anord. kljüfa und das Faktitivum dän. klöve,
nnorw. klöyva, mit Ablaut klauben (s. d.).
Vgl. noch Kloben, Knoblauch, Kluft, Kluppe.
Vei-wandt mit lat. glübere «abschälen», gr,
f\\}(pe\v «eingraben, schnitzen, aushöhlen».
Klient, m, (-en, PI. -en): Schutzbefohlner
in Rechtsangelegenheiten. 1605 bei Alber-
tinus Lustgarten 231. Von lat. cliens m. (Gen.
clientis) «Schutzbefohlner». Dazu Klientel,
f.: das Verhältnis des Schutzbefohlnen zu
seinem Vertreter Schutzgenossenschaft, 1714
bei Wächtler, aus gleichbed. lat. clientela f.
kliffen, v.: kläffen, im Ablaut zu klaffen
(s. d.) entstanden, bei Bürger 231 aus der
Göttinger Mundart.
Klima, n. (-s, H. Klimate): Witterangs-
beschaffenheit einer Gegend. 1534 bei Herr
Die new Welt 52* Clima. Aus gr.-lat. clinia
(Gen. diniatis), gr. K\i|na n. «die nach dem
Grade der Neigung, welche die Erde vom
Äquator an gegen die Pole zu hat, sich
richtende Wärme oder Witterung», eig. «die
Neigung selbst», von gr. KXiveiv «sich neigen».
ABL. klimatisch, adj., erst spät im 18. Jh.
Klimbim, m. n. (-s): das unwesentliche
Drum und Dran, unnützes Beiwerk. Erst
in neurer Zeit lautnachahmend.
klimmen, v. (Prät. klomm, Konj. klömme,
Part, geklommen, seit Ende des 18. Jh. auch
schwachbiegend ^rätMimmte, Fart. geklimmt):
sich fest andrückend zur Höhe odel- Tiefe
steigen. Mhd. klimmen (Prät. klam, PI. Mum-
men, Part, geklurnmen), selten klimben, ahd.
chlimban: dazu mndl. climmen, ags. clirnban,
engl, climb. Wegen anord. klifa, mengl. cllven
«klettern» stellt man es gewöhnhch zu ahd.
kliban «haften» (s. kleiben). Es könnte aber
auch zu klemm (s. d.), oder lit. glebti «mit
den Armen umfassen» gehören.
klimpern, v.: Klang machen mit einem
Tonwerkzeug, ohne eigentlich zu spielen. Im
15. Jh. bei Wolkenstein 36, 25 klumpern, d. i.
klümpern, 1697 Schelmuffsky 108 klimpern.
Im Ablautsverhältnis stehend zu klempern
(s. d.), obd. klampern. Davon Klimperei,
f., bei Günther 938. klimperkleiu, adj.:
winzig klein, 1709 bei Paulini philosoph. Lust-
stunden 1, 380, 1691 bei Stieler klümper-
klein, dafür 1650 bei Moscherosch PhU. 1,'63
klintzerliklin. Klimpimpimperlied, n.,
bei Goethe 16, 4.
Klimse, s. Klinse.
Kling, m.: heller Ton in feinem Laut,
Kling und Klang Goethe 2, 211, mhd. Mine
We i g a n d , Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
m. «heller Schall». Zu klingen, kling, interj.
zm- Bezeichnung eines hellen Schalles, schon
mhd. klinga Mine!, 1650 bei Moscherosch
Phil. 1, 170 kling kling, 1774 bei Bürger Lenore
13 kling ling ling. Mit Ablaut kling! klang!
(Goethe Faust 3634), in Schlemmerliedern des
15. bis 17. Jh. gling glang gloria! (ühland
Volksl. 576). Vgl. Kingklang.
^Klinge, f. (PI. -n): langer schmaler
Stahl zu Hieb, Stich, Schnitt. !Mhd. klinge.
um 1480 im Voc. ine. teut. d6* clingke, nd,
im 15, Jh. clinge und clinke f., von klingen,
welche Ableitung durch der {swerte) klingen
alsus klungen und da bi von swerten klinga
Mine (Parzival 69, 14 f.) bekräftigt wird.
■^Klinge, f. (PL -n): Talbach, schmaler
Bach; schmale Schlucht. ÄIhd. klinge f., ahd.
cMinga, klinka f. und chlingo, klinco m, «rau-
schender Bach, Wildbach, Talschlucht», von
klingen, im Mhd. das Rauschen und Rieseln
des Gewässers bedeutend. Vgl. '^Klang.
Klingel, f. (PI. -n)-. kleine Schelle, Glöck-
chen, 1624 bei Opitz Poeterey 44. Von
klingeln, v., Diminutiv und Frequentativ
zu klingen (s. d.), mhd, klingelen «hell klingen,
rauschen, plätschern, einen Klang hervor-
bringen», ahd. cMingilon «hell erklingen»; die
Bed. «die Glocke schellen» erst 1691 bei
Stieler. ZUS. Klingelbeutel, m. : mit einer
Klingel versehner Beutel an einem langen
Stabe, mit dem der Küster während des
Gottesdienstes den Kirchenpfennig einsam-
melte, im 17. Jh. (Schuppius 589) neben dem
dissimilierten Klingebeutel.
klingen, v. (Prät. klang, Konj. klänge,
Part, geklungen) : einen Laut in stetiger Aus-
dehnung von sich geben; (seltner) den Klang
hervorrufen, musizieren (schon mhd.). In
1. Bed. mhd. klingen (Prät. klanc, PI. klungen,
Konj. klünge, Part, geklungen, Imp. Mine),
selten Minken, ahd. klingan; dazu clevisch
1477 clyngen neben clyncken, 1495 in der
Kölner Gemma E4* clincken, engl, clink
«klingen, klirren», ferner schwachflekt. afries.
Minna, ags. clynan «erklingen», (entlehnt)
anord.- seh wed. klingja «mit einer kleinen
Glocke läuten», dän. klinge. Anklingend, aber
wegen des Fehlens der Lautverschiebung
nicht urverwandt, lat. clangere, um 400 n. Chr.
auch clingere «.ertönen, erschallen», clangor m..
«Klang», gl". KXaYTH f- «Getön», KXciZ;eiv (Fut.
kXciyEuu, Perf. K^KXoYfa) «erklingen, tönen».
In der Bed. «klingen machen, zumal durch
Anstoßen mit Gläsern beim Trinken» (1716 bei
67
1059
Kliugklang
Klischee
1060
Ludwig, klincken 1678 bei Krämer) schwach-
biegend Prät. klingte, Part, geklingt (im 18. Jh.,
bei Voß lyr. Ged. 1, 120, 59, IdyUen 16, 31,
geklinckt 1734 bei Steinbach), s. anklingen.
Klingklang, m. (-s) : Geklinge, bei Klop-
stock, Herder, im 16. Jh. bei Schweinichen
2, 136, ein Ansatz dazu schon im mhd. klingen
klank (Gesamtabenteuer Nr. 90, 238), s. kliiig.
Klinik, f. (PI. -en): die ausübende Heil-
kunde; der Unterricht am Krankenbette;
Heilanstalt zum Unterricht in der Heilkunde
(früher Klinikum n.); dazu das Adj. klinisch,
1791 bei Roth klinisches Institut Aus gr.
KXiviKr) f. (zu ergänzen xexvn «Kunst») «die
Heilkunde am Krankenbette», Fem. des Adj.
kXiviköc «bettlägerig», von KXivti f. «Lager».
Klinke, f. (PI. -n): Drücker am Tür-
schloß (1691 bei Stieler), fiüher der Fall-
riegel an der Tür. Md. im 14. Jh. clinke f.
«einfallender schließender Türriegel», mrhein.
im Voc. ex quo 1469 clinck «Falleisen an der
Tür», Anfang des 15. Jh. oberrhein. klinke f.
«Schlagbaum»; dazu mnd. klinke, klenke f.
«der einfallende Türriegel», clevisch 1477
clynck f. «Tür-, Fensterriegel». Wahrschein-
lich zu klingen (s. d.), Zweifel bei Falk-
Torp. ABL. klinken, v.: auf die Klinke
dmcken, 1691 bei Stieler auf-, zueklinken.
klinken, s. klingen.
Klinker, m. (-s, PI. wie Sg.): kleiner
sehr hart gebrannter Mauerstein, der einen
hellen Klang gibt, wenn man daran schlägt,
bes. glasierter Ziegel, Fliese. Nd. 1767 im
Brem. Wbch., 1775 bei Adelung, ndl. klinkert,
1598 klinckaerd m. Zu klingen (s. d.).
Klinse, Klinze, f. (PI. -n): Riß, Ritz,
Spalt. Älter Klinise, 1466 klynims bei Diefen-
bach nov. gl. 319% 1469 bei Wyle 278, 22
klimse, ebenso 1561 bei Maaler, dann bei
Schottel, Stieler, noch oberdeutsch. Dafür
md. Klinse 1775 bei Adelung, Klinze 1797
bei Schlegel Shaksp. Sommern 3, 1. Daneben
Klunse (s. d.). Zu klamm, klemm (s. d.).
^ klipp! Ablautsform zu klapp (s. d.),
1600 bei Adrian Mitteilungen 371 klip vnd
Map, bei Luther 3, 180 als Verb hie klipts,
da klapts, verbunden klippklapp! in der
zweiten Hälfte des 18. Jh., 1663 bei Schottel
klipklap spielen, als Subst. 1691 bei Stieler
Klipp-Klapp m., 1648 imHarnisch aus Flecken-
land 229 das Klippklappen.
"klipp, in der Formel k. und klar, zu
klippen, Ablautsform von klappen «stimmen».
Klippe, f. (PI. -n): hervorstehender, spitz
ausgehender schroffer Fels. Bei Luther Judith
5, 1 Klippen PI. «Felsspalten, Felsschluchten,
Felsenpässe», aufgenommen aus ndrhein. im
14. Jh. und nd. im 16. Jh. klippe f. «spitzer
Fels», 1495 in der Kölner Gemma U6^ eyn
clip in die zee; dazu clevisch 1477 clyppe,
mndl. clippe, clip, ndl. klip f., (entlehnt) dän.
klippe, schwed. klippa f. Dafür obd. im 15. Jh.
bei Behaim cliffe f., im 16. u. 17. Jh. neben
Klippe auch Kluppe f., 1588 bei Fischart
Bienenkorb 111 * Kluppe m. (Var. Klippe m.),
1664 bei Duez Klipp m., 1588 bei Taber-
nämontanus 1230 der PI. Klüpfe. Daneben
die gleichbed. Wortsippe ahd. clep, chlep n.
«Vorgebirg», d. i. «ins Meer vorragender Fels»,
asächs.-mnd. klif n, «Fels, Berg», ndrhein. im
15. Jh. kly ff «das hohe Ufer längs dem Strom»
(Wierstraat 157 u. 1751), ags. clif n. «KHppe,
Anhöhe, Vorgebirg», engl, cliff, anord. klif n.
«Bergrücken, Klippe», kleif i. «Bergrücken»,
so daß also das pp auf n- Assimilation be-
i'uht. Weitre Verwandtschaft fehlt. ABL.
klippig, adj., 1691 bei Stieler klippig, klip-
picht, 1477 clevisch clippich. ZUS. Klipp-
fisch, m.: der Bandfisch mit borstenartigen
Zähnen, chaetodon (1563 bei Forer Fisch-
buch 63 Klipfisch, 1798 bei Schüler Taucher
Str. 20 Klippenfisch m.); der Stockfisch (1775
bei Adelung), ndl. klipvisch, (entlehnt) dän.-
norweg. klipfisk, angeblich weil er auf den
Klippen gedörrt wird.
Klippkram, m.: Kram mit geringen
(hölzernen usw.) Waren, 1666 bei Comenius
Sprachentür 492, davon Klippkrämer, m.,
im 17. Jh., nd. 1652 bei Lauremberg 3, 451
KUpkramersFl., mnd. klippekraniers; Klipp-
SChenke, f.: geringe Schenke, 1775 bei Ade-
lung, wie Klippkrug m. 1741 bei Frisch;
Klippschuld, f., wie Klipper-, Klapper-
schuld: kleiner Schuldposten, bei Campe, da-
gegen mnd. clepschulde, afi-ies. klep-, klip-
sÄeWe «Abgabe in klingendem Gelde»; Klipp-
schule, f.: Winkelschule, Elementarschule»,
1663 bei Schupp 917 ; Klippwerk, n. : geringe
hölzerne usw. Ware, Klapperware, 1741 bei
Frisch. Diese norddeutschen Wörter sind
Ableitungen von klippen (s. klipp), klippern
(im 16. Jh., Luther 8, 11 ^ Goethe 1, 208),
die »im Ablaut stehen zu klappen, klappern.
klirren, v.: einen hellen zitternden Klang
von sich geben. 1697 im SchelmuflFsky 11.
Schallnachahipend. 1787 bei Schubart 2, 119
von einer Taube, wie girren.
Klischee, n. {-s, PI. -s): Abguß von
1061
Klistier
Klöpfel
1062
gesetzten Lettern, Holzschnitten, Abklatsch. '
Aus gleichbed. franz. cliche von clicher, einer
Nebenform von cliquer, cliqueter «klatschen».
In neurer Zeit entlehnt.
Klistier, in Bayern und Österreich auch
Klystier, n. (s, PI. -e): Ausspülung des
Afters durch Einspritzen. 1494 bei Brant
Narrenschiif 81, 46 klystier, mhd. Mister, klie-
stiern. Daneben im 14:.Jh..kriestiere, cristiern.
Aus gr.-lat. clysterium, gr. kXuctjipiov n., dem
Diminutiv von gr.-lat. clyster, gr. KXucxrip m.
«Klistier und Klistierspritze», von gr. KXuZeiv
«an-, abspülen, mittels Einspritzung in den
After reinigen». ABL. klistieren, v., mhd.
klistieren und kristieren, 1508 in der Straß-
burger Gemma e4* cly stier 671. .Z'C'S. Klistier-
spritze, f., 1678 bei Krämer Clistierspritze,
dafür bei Duez 1664 Clistierstock m. oder
Clistierpfeiffe f. (letzres schon 1582 bei Fi-
schart Garg: 347), Ende des 15. Jh. kristierysen
bei Diefenbach gl. 127°, 1577 bei Junius 194»
nui- Clistir n., 1482 im Voc. theut. q 8^ Mister.
Klitscll, m, (-es, PI. -e): Stück weicher
Masse, z. B. Butter, Teig usw.; klitschender
Schall oder Schlag. Md., in der 1. Bed. 1739
bei Schnabel Felsenburg 3, 425. klitsch!
interj., bei Campe, in der Verbindung klitsch
klatsch 1795 bei Hupel 117, wo auch Klitsch-
klatsch m. klitschen, v., bei Luther klitschen
und klitzschen «die flachen Hände hell er-
schallend widereinanderschlagen, im -16. Jh.
auch klitzen, schon 1420 uribeklitzet, wie
klatschen (s. d.) aus älterm Matzen hervor-
gegangen ist. klitschig, adj . : unausgebacken
weich und teigig, nd. klitzig, klitsig.
^klittern, v.: klecksen, unsauber, nach-
lässig schreiben, vorläufig (ungeordnet) ein-,
aufschreiben. 1534 bei Frank Weltbuch Vorr.
aö* klitteren, 1517 bei Keisersberg Brösamlin
2, 77° Müttern. Zu älterahd. Elitter m.
«Fleck, Klecks» (Fischart Garg. 386), md.
im 13. Jh. klüter m. «Schmutz, Fleck», nd.
klwider m., die im Ablautsverhältnis stehen
. zu nd. Mater, md. Moder m. «Schmutz» (s.
klaterig und Kladde). ABL. Klitterung,
f.: schnell hingeschriebne Erzählung, in Ge-
schichtklitterung 1590 bei Fischart Gai*g. Titel
(dafür in der 1. Ausgabe 1575 Geschicht-
schrift). ZUS. Klitterbnch, n.: Buch zu
vorläufigem Einschreiben, Kladde (s. d.), 1642
bei Duez Klitterhuch, 1561 bei Maaler und
noch Schweiz. Kliitterhuch.
^klittern, v.: klappern, rasseln, im 17. Jh.
klittern, bei Luther 3, 441 ** Müttern, im Ab-
laut (zu md. klattern «klappern, prasseln»).
ZVS. Klitterschuld, f.: kleiner Schuld-
posten, 1691 bei Stieler, vgl. Klipp er schuld.
Klitterwerk, n.: geringe Ware, Klappei'-
werk, im 16. Jh. bei Fischart Nachtrab 66,
Klütterwerck 1713 bei Dentzler.
Kloake, f. (PI. -«): Abzugskanal. Im
16. Jh. bei Franck Chronica 32^ cloack f.,
im 17. Jh. auch Cloac n., aus gleichbed. lat.
cloäca f. ZUS. Kloaken tier, n. : niedrigste
Ordnung der Säugetiere. Bildung des 19. Jh.
Klohen, m. (-5, PI. wie Sg.): gespaltner
Stock usw., zunächst zum Vogelfang; (an der
Wage) Gabel, in der der Wagebalken hängt
und die Zunge sich bewegt (schon mhd.);
greifender Haken, Klammer (1488); Türangel
(1663 bei Schottel); Gebund, z. B. Flachs,
ui-spr. Stock mit klemmendem Spalt, in dem
die Büschel usw. befestigt sind (bereits mhd.) ;
Tabakspfeife ndt dickem Kopf (studentisch,
erst 1837 zu belegen). In 1. Bed. mhd. klohe,
ahd. cloho, chlöbo m.; dazu andd. fugulklovo
m. «Kloben zum Vogelfang», mnd. klof, klove,
klave m. «gespaltner Stock, Spalt, Wag-
gabel, Gebund», ndl. kloof f. «Spalte, Riß»,
anord. klofe m. «Felsspalte, Türfuge», klof n.
«Spalt, Riß, Schnitt», dän, klov «gespaltner
Huf des Hornviehs», klove «Halsjoch für
Kühe», älter auch «Bügel, Klammer», schwed.
klofve «Schraubstock, Zange». Zu Miehen
(s. d.). ABL. klohig, adj.: klotzig, unge-
schlacht, erst in der ersten Hälfte des 19. Jh.
klönen, v.: fortgesetzt klagen, jammern.
Norddeutsch (1743 bei Richey), dafür Schweiz.
Manen, auch klönen. Wohl verwandt mit
ags. chjmian «tönen».
Klöpfel, m. (-S, PI. wie Sg.): unten dickes
Werkzeug zum Klopfen oder Widerschlagen,
z. B. der Glockenschwengel. 1482 im Voc.
theut. q 8* klupffel, md. 1470 klöpfel und
Moppel, 1540 bei Alberus dict. u3» Klöppel,
mhd. klüpfel und klopfet m., 1664 bei Duez
Klupffel und noch schweizerisch. Von klopfen
Vgl. Klöppel und Knüppel. In Klöpfel auf
gegangen ist mhd. Meffel, Mepfel m. «Glocken
Schwengel, mnd. Meppel m., ndl. klepel f.
abgeleitet von mhd. klaff, klapf m. (s. Klapp)
Dazu Klöpfelsnacht, Klöpfleinsnacht,
f.: in Bayern und Schwaben der Abend des
letzten Donnerstags vor Weihnachten, dann
die letzten drei Donnerstage in der Advents-
zeit, in Schwaben auch alle Nächte von Weih-
nachten bis zum Dreikönigstag (6. Jan.), wo
arme Leute und Kinder an die Türen klopfen
67*
1063
klopfen
£lotze
1064
und unter Hersagen von gereimten Sprüchen
um Geschenke bitten. Das Anklöpfeln ge-
schieht meist mit hölzernen Hämmerchen.
Im 15. Jh. in den Fastnachtspielen 1346
klofflis nechte; die Eeimspiüche oder Neu-
jahrs^vünsche hießen im 15. Jh. nach den
Anfangs Worten Klopf an n.
klopfen, V.: mit kurzem Ton antreffend
schlagen. Mhd. klopfen, selten kloffen, ahd.
clophön, clofon, md. und mnd. kloppen, mndl.
cloppen. Im Ablautsverhältnis zu klapfen,
klappen (s. d.) stehend. ABL. Klopfer, m. :
der Klopfende (mhd. klopfoRre ra.); Klopfring
an der Türe (1561 bei Maaler). ZUS. Klopf-
fechter, m.: zum Klopfen (Schlagen) um-
herwandernder Fechter, 1691 bei Stielei', im
17, und 18. Jh. unter die Landstreicher ge-
rechnet, schon mhd. beim Teichner S. 167
vehter m. «umherziehender Edler, der die
Eitterkünste erwerbshalber übt»; dann gegen
Ende des 18. Jh. büdlich, Raufbold im lite-
rarischen Streit. Klopf hengst, m.: nicht
völlig entmannter Hengst, dessen Samenstrang
durch Klopfen mit einem hölzernen Hammer
von außen zerquetscht ist, worauf die beiden
Hoden oder nur eine vertrocknen, 1741 bei
Frisch, nd. Klopphengst, in der Uckermark
daneben Klopper m.
Kloppe, s. Kluppe.
Klöppel, m. (-S, PI. wie Sg.): an einem
Ende kugelig gedrechseltes Stäbchen zum
Schlingen der Spitzen, Kanten usw., die md.
Form für oberd. Klöpfel (s. d.), 1741 bei
Frisch Klöppel und Klippel, 1715 bei Ama-
ranthes Kleppel, 1691 bei Stieler Klöpfel,
Kliipfel, Klöpel, nd. knuppel m. ABL.
klöppeln, v.: Spitzen schlingen oder wirken,
bei Goethe neben klöppeln auch klippein (30,
145), 1715 bei Amaranthes und 1616 bei
Henisch kleppeln, 1691 bei Stieler klopf ein,
nd. knüppeln, 1718 im Accademischen Frauen-
zimmerspiegel 27 Spitzen knüppeln. Das Spitzen-
klöppeln wurde 1561 im Erzgebirge durch
die Annaberger Patrizierin Barbara Uttmann
nach Brabanter Vorbild eingeführt.
Klops, m. (Gen. Klopses, PI. Klopse):
Braten aus dünnen, mit hölzernem Hammer
mürbe geklopften oder statt dessen fein ge-
hackten Fleischstücken, 1759 bei Bock preuß.
Wb. Klops, 1775 bei Adelung Klopps m.
Vielleicht identisch mit schwed. kalops n.
«dünn geschnittne Scheiben Rindfleisch», engl.
collop «Fleischschnitte», mengl. collope «Ge-
röstetes, Karbonade».
Klosett, n. (-[e].s, PI. -e): verschließbares
Gemach, Kabinett (1778 bei Musäus physiogn.
Reisen 1, 151 Kloset); Abtritt. Diese Bed.
erst in neurer Zeit. Das gleichbed. engl.
doset, in 2. Bed. besonders water-closet, zu close
«verschließen, verschlossen», von afranz. clos,
lat. clausus (Part, von claudere «schließen»)
«geschlossen».
Klo£, m. (-es, PI. Klöße) : sich zusammen-
ballende oder zusammengeballte Masse, rund-
licher Klumpen. Mhd. klog m. n., ahd. cld§
m. «geballte Masse, Ball, Kugel, Kreisel», im
Mhd. auch «Schwei-tknauf, Keil zum Ver-
sperren der Türe von außen, Knebel»; dazu
mnd. klöt und klüt, Mute m. «Klumpen, Kugel,
Ball», mndl. clöt, engl, cleat «Keil». Ab-
lautend mit Klotz (s. d.) imd weiter wohl
mit aind. gudäs m. «Kugel» (aus *grudas),
Bartholomae Idg. Forsch. 3, 175. Der Plur.
Klöße erst nhd. (Klößer bei Steinbach 1734
vom Neutr.), dafür mhd. kloge, ahd. chloga,
noch im 16. Jh. Kloß (Soltau Volksl. 2, 108).
Als Speise schon ahd. clog. ABL. kloßig,
adj., 1775 bei Adelung, aber schon 1420 kloschig
«kugelartig», 1691 bei Stieler klößig.
Kloster, n. (-s, Fl. Klöster)-, abgeschloßnes
Ge bände zurWohnung für Mönche und Nonnen.
Mhd. kloster, ahd. chlöster, afries. Master n.,
aus lat. claustrum, alt- imd volkslat. clostrum n.
«Riegel, Verschluß», im Mlat. Kloster, von
lat. claudere «schließen, verschließen». Vgl.
Klauster. ABL. klösterlich, adj., mhd.
klösterlich. ^?7/S. Klosterbruder, m.: Mönch,
md. im 14. Jh. clostirhruder m. Klosterfrau,
f.: Nonne, mhd. Mostervrouwe f.
Klotz, m. (-es, PI. Klötze): fest zusammen-
hängende unförmliche Masse ; abgetrenntes un-
förmliches Holzstück ; (bildlich) roher, plumper
Mensch (bei Keisersberg, Luther). Mhd. und
md. kloz m. n.. Gen. klotzes, Ablautsform von
klog (s. Kloß); im 14. Jh. klotz «Kugel, Ge-
schützkugel», und zwar als Neutr, mit dem
PI. Motzer, hliklotzer (Böhmer Urkundenb, von
Frankfurt a. M. 766 f. von 1391). im 15. Jh.
bei Behaitn Wiener 378, 15 puchsenklocz PI,
«Geschützkugeln». 1691 bei Stieler als Neutr.,
ebenso bei Lessing 1, 194, 7, 200, mit dem
PI. Klötzer (Günther 426). ABL. klotzig,
adj.: plump, grob, im 16. Jh. bei Fischart Pract.
(Kloster 587) klotzig, 1691 bei Stieler klotzicht,
1711 bei Rädlein Mötzicht: aber schon Ende des
15. Jh. kloczig ^kngeUg» (Diefenbach gl. 265^).
Klotze, Kietze, f. (Pl.-w): gedörrte Birne,
Bayrisch. Unerklärt.
1065
Klub
Klüngel
1066
Klub, m. (-S, PI. -s): geschloßne Gesell-
schaft. In der zweiten Hälfte des 18. Jh. (1774
bei Gotter Ged. 1, 63 Cluh und Schubart 2, 80
Klubb) aufgenommen aus gleichbed, engl, club,
von altengl. club, cZw&be «Keule, Kolbe», anord.
klubha f. «Keule». Die Bedeutung stammt
von dem Stock oder der Kolbe, die zur Einla-
dung herumgeschickt wurde. ABL. Klubist,
Klubbist (Bayi-isch) m. (-ew, PI. -en): Mit-
glied eines Klubs (bei Goethe 33, 289 Clubbist,
vom J. 1793), aus gleichbed. engl, clubbist,
franz. clubiste m.
Klucke, s. Glucke.
^ Kluft, f. (PI. Klüfte), meist das Dim.
Klüftchen, n. {-s, PI. wie Sg.): leichtes
Kleid. Aus gaunerdeutschem Kluft m., rot-
welsch 1510 claffot n., um 1450 klabot «Ge-
wand, Kleid», abgeleitet von hebr. kaliföt
« Feier kleider», daher noch schles. Klaft f.,
1652 bei &cherffer Ged. 597, 612 Klofft f.
neben Klaffot (Ged. 424): am Ende des 18. Jh.
Klüftchen studentisch.
-Kluft, f. (PI. Klüfte): klaffender Spalt;
abgespaltnes großes Holzstück; lange Feuer-
zange. Mhd. kluft f. «Spalte, Felsenkluft,
Höhle, Gruft, Klotz, Zange», ahd. cluft, chluftf.
«Zange, Schere, Lichtschere; dazu mnd. kluft,
klucht f., clevisch 1477 clucht «Zange, Yogel-
falle», ndl. kluft f., engl, cleft, clift «Spalte».
Zu klieben (s. d. und vgl. Kluppe). ABL.
klüftig, kluftig, adj.: spaltig, r562 bei
Mathesius Sar. 48^ klüfftig, um 1480 im Yoc.
ine. teut. de** duftig, ahd. duftig; dazu mnd.
kluftich «klug, schlau, gewandt».
klug, adj. (Komp. klüger, Sup, klügst):
geistig fein, ein- und umsichtsvoll. Mhd.
(seit der zweiten Hälfte des 12. Jh.) kluoc
«fein, zierlich, schmuck, nett», dann «geistig
fein, höfisch, mit dem Verstände durchdringend
und gewandt, listig», auch «weichlich, üppig»,
md. klüc; dazu mnd. klök «klug, listig, schlau,
gewandt, behende», ndl. kloek «klug, tapfer,
groß», aus dem Nd. entlehnt anord. klökr
«klug, listig», schwed.-dän. klog. Entweder
zu ir. glicc «weise» (Zupitza KZ. 36,236) oder
zu gr. -f^iwxivec «Spitzen», was der ursprüng-
lichen Bedeutung «fein» noch mehr gerecht
wird. ABL. klügeln, v.: klug tun, überfein
ausdenken, bei Luther; davon Klügelei, f.,
1691 bei Stieler, Klügler, m. und Klüg-
ling, ra. bei Luther. Klugheit, f., mhd.
kluocheit (d, i. kluoc-heit), kluokeit f. «Fern- ,
heit, Zierlichkeit», dann «Kunstgeschick, Ver-
standes-, Geistesfeinheit, Schlauheit», auch
«Weichlichkeit», mnd. klökheit «Klugheit».
klüglich, adj., mhd. kluoclich, und Adv.
kluocliche, md. klücUch, mnd. klökliken.
Klumpen, m. (-s, PI. vne Sg.): unförm-
liche Masse. Eig. Klumpe, wie noch bei
Goethe 6, 16, Faust 5943, aber schon im
16. Jh. bei Fischart Ehezuchtb. E 7 Klumpen,
md. im 15. Jh. clumpe (Diefenbach gl. 350''),
1410 klumpe (Elsen von Holczhusen Liventar
im Ai'chiv zu Frankfurt a. M.), 1495 klompe
in der Erfurter Freizinsordnung (Thüiing.
Rechtsdenkm. 316), hochd. 1542 bei Alberus
(der Barfuser Münche usw. Nr. 262) klumpffe
m. Die starkbiegende Form ist Klump m.
(-[e]s, PI. Klumpe, md. und nd. volkstümlich
Klümper), md. 1482 bei Melber Q 1* dump
m., bei Luther 4, 270^ und noch bei Lessing
2, 477 Klump, 1517 bei Trochus D 3* klumph
m. (Kegelkugel), im 17. Jh. bei Opitz 1, 33
und Logau 2, 10, 24 Klumpff. Das Wort ist
ins Hochdeutsche dm-ch Mitteldeutschland aus
dem Niederdeutschen vorgedrangen , mnd.
klumpe, klompe m,, 1420 klom «Holzschuh»
(Diefenbach gl. 91^), ndl. klomp m. «Masse,
Elotz, Holzschuh», engl, dump «Klumpen,
Kloß, Klotz», anord. klumha, kluhha f. «Keule»,
schwed.-dän. klump «Klumpen, Kloß». Dazu
ohne Nasal norw. klub «Blutkloß, Mehlkloß»,
adän. kluh «Erdklumpen». Weitre Verwandt-
schaft ist unsicher. ABL. Klumper, f.:
Klümpchen, 1719 bei Kramer; davon klüm-
pern, v. refl., 1716 bei Ludwig, aber sich
klumpe)-n 1719 bei Kramer, und klümperig,
adj., 1691 bei Stieler klümpericht. klumpig,
adj., 1678 bei Krämer. ZUS. Klumpfuß,
m., 1719 bei Kramer 1, 150^, ndl. klompvoet,
entlehnt engl, dubfoot, vgl. isl. klumbufötr.
^Klüngel, n. (-S, PI. wie Sg.): Kugel
von gewickelten Fäden. 1540 bei Alberus
dict. P 1 ^ klüngel, 1537 oberrhein. bei Dasy-
podius 87 "^ klungele, Schweiz. 1541 bei Fiisius
glomus, klungle n., 1410 klungel und klüngel n.
(in Elsen von Holczhusen Inventar im Archiv
zu Frankfurt a. M.); daneben als Fem. Schweiz.
Klungel, Klungele, als Mask. 1711 bei Rädlein
Klüngel, 1719 bei Kramer Klungel. Mhd.
klungelinn., md.klongelm{'Diefenha.ch gl. 266*),
Dim. von ahd. dunga f. «Knäuel». Noch
schweiz.-elsass.-bayr. Dazu schwed. klunga,
dän. klynge «gedi'ängter Haufe», und weiter
ags. ciiw^an «sich zusammenziehen», engl, ding
«sich klammem». Weitres bei Falk-Torp.
-Klüngel, f. (PI. -n): Klunker; Troddel,
Quaste. Am Mittelrhein, auch JEZM«^e?. Bildlich
1067
Klunker
Knack
1068
Klüngel m. (-s): Anhang, Clique (oder dies
zum vorigen). Verwandt mit Klunker (s. d.),
Klunker, f. (PI. -n) auch m. (-5, PI. wie
Sg.): hangendes, schwebendes Klümpchen,
Zottel; hangende Quaste, Troddel. In der
1. Bed. 1678 bei Krämer Kluncker; in der
2. Bed. 1771 bei WeLße kom. Opern 1, 20, nd.
1743 bei Richey, als Mask. 1774 bei Claudius
1, 108. Das md, und nd. Wort ist verwandt
mit mhd. glungeler m. «Troddel» (Renner
12561), glunke f. «baumelnde Locke», ahd.
glonko m. «rund geballte Masse, Klumpen».
Dazu klunkern, v.: baumeln, schlenkern,
schlendern, mhd. und noch bei H. Sachs
glunkern, im 17. Jh. bei Grimm eishausen Simpl.
3, 98, 31 Kz. klunckern. klunkerig, adj., 1678
bei Krämer klunckerigt ZUS. Klunker-
niilch, f.: Buttermilch, nd. klunkermelk.
Klunsch, m. {-es, PI. -e): nicht ausge-
backnes Gebäck. Ostmd. und ndd. Unerklärt.
Klunse, f. (PI. -n): Riß, Ritz, Spalt.
Schon mhd. (14. Jh.) klunse neben chlumse,
klümse, 1432c/tZwnsen(Diefenbach nov.gl.319^),
1482 kluntz im Voc. theut. qS'^, noch oberd.
Klurnse, Klunis. Ablautsform zu Klinse (s. d.).
Kluppe, f. (PI. -n): zum Klemmen ge-
spaltnes Holz, Zwangholz, Klemme ; klemmende
Zange; in zwei geklemmte Stock chen zum
Verkaufe (an den Hälsen) aufgereihte Zahl
von 4 — 5 gerupften Vögeln, dann bildlich
Verein loser Vögel, liederlicher Gesellen (im
16. Jahrh. bei Murner Schelmenzunft, noch
bayrisch), Mhd. in 1. und 2. Bed. kluppe,
spätahd. kluppa f. «Zange». Im 16. und 17. Jh.
auch Kluppe m. «Bündel, Schlüsselbund»,
ferner im 16. Jh. mit Übergang des kl in kn
Knuppe f. «Nasenklemme der Pferde» (bei
Dasypodias 191^ und Serranus t 4*^). Zu
klieben (s. d. und vgl. '^ Kluft). Vgl. auch
diuor di.klypa, norw.klype «kneifen, klemmen».
RA. Jem. in die Kluppen kriegen «in die
Klemme» (Goethe 5, 96), schon im 16. Jh.
in die Kluppen bringen usw. (bei H. Sachs usw.,
1618 bei Schönsleder er ist in der Kluppen
«captus est»), dann umgeändert in die Kloppe
kriegen (1690 bei Chr. Weise betrogn. Be-
trug 20). ZUS. Klupphengst, m.: Klopf-
hengst (s. d., gebildet im Gedanken an Kluppe,
weil dem Hengste vor dem Entmannen die
Hoden in eine Kluppe gezwängt werden).
Klüyer, m. (-s, PI. wie Sg.) : das vorderste
dreieckige Segel eines Schiffes, 1793 bei Rö-
ding, ndl. kluiver. Entlehnt schwed. klyfvare,
dän. klyver. ZUS. Klüverbaum, m.: die
I Stange, womit das Bugspriet (s. d.) verlängert
' wird, um das Klüversegel auszusetzen, 1793
bei Röding, ndl. kluiverhoom.
j knabbern, knappern, ndd. auch knab-
i belu, V.: mit Geräusch nagen. 1741 bei
i Frisch, Diminutiv zu knaben «nagen» (1604
I bei Colerus Hausbuch 3, 175), engl, knah
\ «nagen, knabbeln». Obersächs. knabbern, auch
I «belfern, mürrisch reden» (1711 bei Rädlein
knebbern). Ablautend mit knuppern.
Knabe, n. [-n, PI. -n): Kind männlichen
Geschlechts bis zum Jünglingsalter, bis zur
Mannbarkeit; (fast nur noch bei Dichtern)
junger Mensch auch im Jünglingsalter, Jung-
geselle, dann Dienstbursche. Mhd. knabe m.
«Knabe, Jüngling, Bursche, Diener, Page,
Knappe, Handwerksgesell», zu Anfang des
12. Jh. chnabe, ahd. nur einmal im 11, Jh.
knabo m. «kleiner Knabe», md. auch knave,
knafe; dazu andfrk. knapo, ags. cnapa, cnafa
m. «Knabe, Jüngling, Knappe», engl, knave
«Schurke, Bube». Daneben Knappe (s. d.).
Die Lautverhältnisse sind schwierig. Man stellt
es gewöhnlich zur Wz. gen «erzeugen» (vgl,
Kind), wobei aber die Ableitung unklar bleibt.
Eher dürfte es gehören zu norw. knabb, knabbe
«Bergkuppe», schwed.-dial. knabb «Pflock»,
knabbe «KnoUen, Klumpen», norw.-dial. knape
«Pflock, kleiner Riegel», schwed.-dial. knape
«Knoten, Pflock», dän. knap «Knopf, Knauf»,
älter auch «Klumpen, Testikel», ags. cncepp
m. «Spitze, Berggipfel», d. knöpf (s. d.). Die
Bedeutungsentwicklung hat zahlreiche Par-
allelen, vgl, Stift, Bengel und selbst knöpf
hat die Bedeutung «dicker Mensch» u, a.
Der bei Luther und noch im 18. Jh, öfter
erscheinende Gen. Sg. Knabens (Geliert Fa-
beln 1, 118) ist wieder außer Gebrauch ge-
kommen, ABL. Knäbcben, n., zu Anfang
des 16, Jh, md, knebiclien. Kuäblein, n.,
mhd. knebelin n. ZUS. knabenhaft, adj.,
1691 bei Stieler. Knabenkraut, n.: einhei-
mische Orchidee mit hodenähnlichen Wurzel-
knollen, im Anfang des 15. Jh. knabenkrüt
(Diefenbach gl. 644*), nach Bock Kräuter-
buch 1546 S. 141 so benannt, weil man das
Kraut zur Heilung der Brüche gebrauchte,
vgl. Voc. theut. 1482 Bl, q8'' knab «hernia»,
Knack, m, (-[e]s, PI. -e) : Laut des Bruches,
Bruch, Riß, entzwei geborstne Stelle, Im
17. und 18. Jh. geläufig geworden, md. im
15, Jh, gnackß m, (Diefenbach gl, 245^); dazu
nndl. knak m., engl, knack, Island, knakkr m.
. Verstärkt Knacks, m., 1775 bei Adelung,
1069
Knagge
Knappsack
1070
auch schon Schaden an der Gesundheit. Vgl.
Knick, knack! interj., lauten Bruch nach-
ahmend (bei Lessing 2, 554), im Ablaut knick
knack! (der Verfasser der Floiade von 1593
nennt sich KnickkncLckius , Goedeke Grund-
riß - 2, 511). Verstärkt knacks! 1788 bei Lang-
bein Ged. 64. knacken, v.: brechen mit
Geräusch, intr. md. im 15. Jh. gnacken (Fast-
nachtsp.931, 30, oberd. im 15. Jh. knacken (Anz.
d. German. Mus. 1859 S. 416), mnd. knaken;
trans. erst 1716 bei Ludwig, ndl. schon 1598
bei Kilian knacken. ZUS. Knackmandel,
f.: Krachmandel, 1775 bei Adelung. Knack-
imrst, f.: aus Schweinefleisch und -fett be-
reitete Wurst, deren dünner Darm leicht
knackt, eig. in Xorddeutschland heimisch,
aber schon im 16. Jh. in Süddeutschland be-
kannt (bei H. Sachs Fabeln 142, 56).
Knagge, f. (PI. -n) -. knie-, winkelförmiger
Trager; Knorren im Holz; hölzerner Fenster-
wirbel. Im Bau- und Maschinenwesen. Aus
Norddeutschland vorgedi-ungen. Xd. hiagge
f. m. «Knorren im Holz, Leiste, um ein Brett
darauf zu befestigen, Pflock zum Aufhängen»,
oberd. knocke m. «Knöchel am Gelenk (bei
H. Sachs), Knorren» (davon das Adj. knocket
«knorrig» bei H. Sachs). Dazu mengl. knagge
«Pflock, Knori'en am Baum», engl, knag,
schwed. knagg «Knoten, Knorren, Ast», dän.
knag(e) «Nagel zum Aufhängen von Sachen»
und auch wohl anord. knakkr m. «Fuß (unter
Stühlen), Schemel». Wohl gleichen Stammes
wie die unter Knabe behandelten Wörter.
Knall, m. {-[e\s, PI. -e): plötzlicher starker
Schall. 1540 bei Alberus dict. b 4^, 1541
bei Frisius (crepitus), bei Liliencron 4, 56, 12
vom J. 1532. Zu dem noch im 15. und 16.
Jh. üblichen starkflektierten Zeitwort knellen
«knallen, krachen» (Präs. knillet, Prät. knal),
mhd. in er- und zerknellen. Dazu ags. cnyll
m. «Ton einer Glocke», cnyllan «mit der
Glocke läuten», entlehnt ndl. knal, schwed.
knall, dän. knald «Knall». Weitres bei Falk-
Torp. RA. Knall und Fall, eig. «gleich-
zeitig Schuß und Niederfallen des Getroöhen»
(1663 bei Schuppius 21 da Knall und Fall
ein Ding ist), plötzlich (Lessing 2, 290).
ABL. knallen, v., mit schwacher Flexion,
bei Liliencron 3, 233, 18 vom J. 1519. ZUS.
Knalleffekt, m., vom Feuerwerk entlehnt,
dann auf die Malerei usw. übertragen, Beleg
von 1824 ZfdW. 8, 379. Knallerbse, f.:j
mit Knallsilber gefüllte kleine Papierhülse,
die auf die Erde geworfen knallt, und knall-
rot, adj.: grellrot, sind Wortbildungen des
19. Jh.
Knan, Knän, m. (-s): Vater, 1669 bei
Grimmeishausen Simplicissimus 7 f. Knän, aus
der Volkssprache des westlichen Mitteldeutsch-
lands. Die richtige Form ist gnenn, wie noch
in Oberhessen, im 14. und 15. Jh. in Franken
und Westthüringen gnenne, gnanne als An-
rede an den Vater, 1312 schwäb. bei Mone
Zeitschr. 9, 322 genanne «Großvater», mhd.
genanne, gnanne und gename m. «Gleich-
namiger», ahd. chinamno, kenammo und gnanno
m. «einer desselben Namens».
knapp, adj.: eng, mit Not zureichend;
genau und sorgfältig; nett und zierlich; (als
Adv.) kaum (1663 bei Schottel). Im 16. Jh.
(bei Fischart 1575 im Garg. 177 knap, 1581
im Bienenkorb 114 knapp) aufgenonamen aus
nd. knapp, ndl. knap «nett, hurtig»; dazu
dän. knap, schwed.-norw. knapp «eng, knapp,
sparsam, kurz, schnell, nett», Adv. norw.
knapt «kaum». Eine Nebenform in anord.
hneppr ^eng, knapp», aschwed. näpper, nappe^',
dän. neppe, zu anord. hneppa «klemmen». Dazu
ht. knebenii «klaube». ABL. Knappheit, f.,
1691 bei Stieler, nd. im 16. Jh. knapheit.
Knappe, m. {-n, PI. -7i): im Dienste eines
Ritters stehender junger Mann nahe der Ritter-
würde; Lehrling und Gehilfe bei Müllern, im
Bergbaue. Mhd. knappe, auch knape, knap m.
«Knabe, Jünghng, Junggeselle», dann «dem
Ritterstande sich widmender Diener eines
Ritters, Junker, Diener zu Leibdienst und
Schutz, Kriegsknecht, Handwerksgesell, Berg-
knappe», spätahd. knappo m. «Knabe, Jüng-
hng»; dazu afries. knappa neben knapa m.
«Knabe, Junggesell, Knecht», mnd. knape.
Nebenform von Knabe (s. d.). ABL. Knapp-
schaft, f.: Zunft der Bergknappen, Gesamt-
heit der auf einem Bergwerk beschäftigten
Bergarbeiter, schon in der ersten Hälfte des
16. Jh., aber mhd. knappeschaft f. «Ai't und
Weise eines Knappen».
knappen, v.: kurz zufahrend beißen,
schnappen (bei Goethe 39, 122, schon 1573 bei
Fischart Flöhhaz V. 1611, aus ndl. knappen
«knacken, essen, hurtig zugreifen); heimüch
Wild schießen (in der Wetterau Nassau, nd.
af knappen). Dazu norw. knabbe «mausen,
wegraflen», dial. auch «schnell und gierig
fressen» und auch wohl knabbern.
Knappsack, m. {-s, PI. -sacke): Reise-
sack zu Speisen, Zehrsack. Im 16. Jh. nd.
und ndl. knapsack m. «Zehrsack, Quersack»,
1071
knarpeln
knautschen
1072
zu ndl. knappen «knacken, essen, hurtig zu-
greifen». In dieser Bed, erst im 17. Jh. ins
Hochd. aufgenommen (1669 im SimpHcissi-
mus 138), aber in der Bed. «Warensack beim
Wandern», schon im 16. Jh. (1548 bei Waldis
Esop 4, 51, 4 Knäbsack, 1562 bei Mathesius
Sare^pta 224^ knapsack), insb. «der mit seinem
Warensacke wandernde Krämer» (1517 bei
Trochus F6^ und öfter im 16. Jh. Knap-
sack m.). Vgl. Schnappsack.
knarpeln, v.: nagend mit wiederholtem
Krachen beißen. Im 16. und 17. Jh. knarpeln,
knarheln, aber md. im 14. Jh. knarpeln «mit
den Zähnen knirschen». Einer Wurzel mit
knarren (s. d.).
Knarre, f. (PI. -n): knarrender Ton;
knarrendes Werkzeug (1775 bei Adelung);
Gewehr (bei den Soldaten); zänkische Frau
(1691 bei Stieler). In der 1. Bed. 1690 bei
Wiedemann Gefangenschaften Mai 65 Räder-
knarr f., 1460 nd. gnarre f. «Knurren des
Hundes» (Freidank, 2. Ausg. S. 254, 138, 14).
Von knarren, v.: dm-chdringend hart und
zitternd lauten, mhd. knarren, md. im 14. Jh.
gnarren; eine Weiterbildung istknarzen, v.:
knarren, schon in den Fastnachtsp. des 15. Jh.
60, 28, noch fränk. -bayrisch. Lautnachahmend.
^Knaster, auch Kanaster, m. (-s, PI.
wie Sg.) : feinster gewürzhaftester Tabak. 1700
im Schlesischen Helicon 2, 135 Canaster, 1703
Knaster, gekürzt aus Canaster tohac, Knaster-
tobak (noch 1741 bei Frisch), wie ndl. knaster,
kanaster m. «Knastertabak», auch «eine Art
indischer Kiste zum Überführen von Tabak,
Tee usw.». Aus span. canastro, ital. canestro
(entlehnt franz. canastre) m. «Rohrkorb», von
gr. KoivacTpov n. «aus Rohr geflochtner Korb».
Der Tabak von Varinas, als der beste, feinste
und gewüi-zhafteste geschätzt, wurde geroUt
in Rohrkörben verpackt und versandt.
^Knaster, m. (-s, PI. wie Sg.): brum-
miger, mürrisch er "Tadler, bei Bürger Ged.286,
dafür bei Stieler 1691 Knasterer, m. Von
nd. knast m. «Knorren, Knorz; gi'ober Kerl»;
dazu schwed.-dän. knast «Knoten, Knorren»,
dän. auch «harter alter Mann», norw.-dial. knas
«tüchtiger oder mächtiger Mann«, schwed. knös
«mächtiger Mann«. ABL. knastern, v.:
rasseln, auch zornig knurren, zanken, schon im
16. Jh. ZUS. Knasterbart, m., wie Knaster,
1691 bei Stiel er. Ursprünglich burschikos.
knatschen, knätschen, v. : eine weiche
Masse zerdrücken. Md. und obd. Lautnach-
ahmend, ablautend mit knutschen (s. d.).
knattern, v.: wiederholt platzend rau-
schen. 1691 bei Stieler. Ygl.knittern. Laut-
nachahmend.
Knäuel, m. n. (-s, PL wie Sg.): kugel-
artig gebildete Masse, z. B. von Zwirn, Brot
usw. (1663 bei Schöttel JEweM? m.), aber früher
Neutrum, um 1480 im Voc. ine. teut. n3''
knoil, kneil und Dim. kneulelein, mhd. im
14. Jh. knüel (Buch v. guter Speise 8, 21),
im 15. Jh. in Teufels Netz 10544 und bei
Diefenbach gl. 266*^ knüli, femer im 15. Jh.
knuilin, knuhlin bei Diefenbach a. a. 0., da-
neben md. 1446 knaivel, tirol. 1411 bei Vintler
7864 knaul, wie noch heute in Mitteldeutsch-
land. Durch Dissimilation (vgl. Knoblauch)
hervorgegangen aus Kleuel, Kleul n., wie
noch obd., 1581 bei Fischart Bienenkorb 36^
Kleiwel n., bei Luther Klauwel (Tischr. 136*)
und Klewel n. (1, 485 ^ Eisl.), 1482 im Voc.
theut. q 7** klewl, im 12. Jh. chliwel, im 11. Jh.
cliuweli n. neben chliwelin, Diminutiv von
mhd. kliuwe n., ahd. chliuwi n. und chlimva,
cliuwa f. «Kugel, Knäuel», inengl. clewe, engl.
clew, woneben die Weiterbildung md. klüwen
n., mnd. kluwen n., ags. cliwen, cleowen n.
«Knäuel». Wahrscheinlich urverwandt mit lat.
gluere « zusammenziehen », aind. gläus «Ballen ».
Knauf, m. (-5, V\. Knäufe): Knopf, Knoten.
Mhd. knouf m. «Knopf am Schwertgriff, auf
dem Turm». Verwandt mit Knopf (s, d.).
knaupeln, v. : mit spitzen Fingern woran
herumarbeiten (1768 bei Kram er); wiederholt
und in kleinen Bissen nagen (1696 im Schel-
muffsky 10 abknaupeln). Bei Chr. Weise
Catherina 221 knäubeln, wie noch schlesisch.
Wohl zu klauben mit kl aus kn wie in Knäuel.
Knauser, m. (-s, PI. wie Sg.): kleinhch
geiziger Mensch. Zuerst 1660 schlesisch bei
A. Gryphius Dornrose S. 93, 15. Unsicher,
ob abgeleitet von dem mhd. Adj. knü§ «keck,
vermessen, hochfahrend» (gegen den armen
ist er knüg ZfdA. 8, 557, 243), im 16. Jh. knaus
«hochfahrend» bei Keller Erzähl. 18, 29, wozu
die ahd. Eigennamen Chnü^ (Knaus), Hart-
chnü§ (Hartknaus) und Chnügari (Knauser),
oder ob es eine Weiterbildung von knauen
«nagen» (nd., aber auch md. 1691 bei Stieler),
wie mrhein. Knauseler m. «genauer Handels-
mann», Schweiz, knauseln «behaglich in kleinen
Bissen essen». ABL. Knauserei, f., 1775
bei Adelung, knauserig, adj. knausern,
V., beide 1767 im Brem. Wb., knaustem 1734
bei Weber teutsch-lat. Wb. 350 ^
knautschen, s. knutschen.
1073
Knebel
kneipen
1074
Knebel, m. (-s, PI. wie Sg.) : kurzes dickes
Querholz, insbesondre zum Sperren des Mun-
des (1512 bei Murner Narrenbeschw. 24, 54)
oder in Verbindung mit einem gescblungnen
Strick als Fessel des Halses, der Hände usw.
(Weisth. 4, 749 vom J. 1400); kurzer dicker
Holzschoß, Gerte (1537 bei Dasypodius), ßeb-
schoß (1561 bei Maaler, noch Schweiz.); Knö-
chel, Knorren an den Fingergelenken (so
Zelter an Goethe 1, 311, im 15. Jh. knebel bei
Diefenbach gl. 140^); im 15. und 16. Jh. auch
«grober, plumper Mensch», vgl. Knöhel. In
1. Bed. mhd. knebel, ahd. chenehü, im 11. Jh.
knehil «fesselndes Querholz, Art Pferdekum-
met»; dazu nd.-ndl. knevel m. «Ejiebelholz»,
anord. knefill m. «Stock, Pfahl», (entlehnt)
dän. knebel, knevel, echt einheimisch schwed.-
dial. knavel «dünner Pfahl, Stange, Sensen-
griff»; ferner hess. Knabe m. «Stift, Bolzen»
(Pfister 186). Vielleicht urverwandt mit gr.
TÖ|Liq)oc m. «Pflock, Bolzen», lit.gembei. «Haken,
Nagel», die genauer zu ahd. kembil m. «Art
Fessel, Block», anord. kimbull m. «Bündel»
stimmen. ABL. knebeln, V. : mit dem Knebel
schnüi-en, fesseln, 1617 in der Limbui-ger
Chron. 56 Rössel, knobeln bei Geliert 1, 159.
Knebelbart, m.: gedrehter Querbart der
Oberlippe, Schnurrbart, 1530 knebelpart (Die-
fenbach gl. 363<=), 1534 knebelbart bei Franck
Weltb. 80*», 1595 bei Rollenhagen Froschm.
3, 1, 11, 31 Knebel m. «der doppelte Flügel
des Schnurrbarts»; man verbindet dieses mit
afries. kenep, kanep, knep, ags. cenep m., anord.
kanpr, kampr m. «Schnuirbart», doch ist dies
unsicher. Knebelspieß, m.: Spieß mit einem
Querholz, später mit einem Quereisen unter
der Spitze zum Saufange, 1561 bei Maaler,
aber sicher älter, da 1540 Alberus dict. x 4^
den mit einem Riemen umwickelten Knebel
am Spieß beschreibt.
Knecht, m. (-es, PI. -e): in Lohndienst
Stehender, besonders zu niedriger Arbeit.
Mhd. kneht, ahd. kneht, cheneht m. «Knabe,
Jüngling, Diener, Edelknabe, Kriegsknecht,
sich zum Ritter bildender Adeliger, Kriegs-
mann, streitbarer Held»; dazu afries. kniucht,
knecM m. «Dienender», ags. cniht, cnyht, cneoht
m. «Knabe, Jüngling, Diener», engl, knight
«Ritter», entlehnt dän. knegt «Dienstknecht»,
schwed. knekt m. «Soldat», im Kartenspiel
«Bube». Ableitung von der Wz. gen «er-
zeugen» (s. Kind) ist kaum wahrscheinlich, da
das Suffix nicht erklärt werden kann. ABL.
knechten, v.: zum Knechte machen, zuerst
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Anfl.
1833 bei Heyse 1, 889, wie es scheint aus
den Aufständen vom Herbst 1830 herrührend,
dagegen in der Bed. «Knecht sein, knechtisch
denken und handeln» zuerst 1808 bei Campe
als von ihm gebildet, jedoch in dieser Bed.
schon 1691 bei Stieler in über-, ver-, ent-
knechten mit Bezeichnung des einfachen knech-
ten als ungebraucht, knechtisch, adj., um
1500 bei S. Brant 160^ Zarncke. Knecht-
schaft, f., bei Luther (Gal. 4, 24).
Kneif, m. (-s, PI. -e) : kurzes, gekrümmtes
Messer. Um 1640 bei Finckelthaus Deutsche
Gesänge D6^ Kieiffm. «Stechmesser mit ge-
krümmter Spitze», 1530 Gneiff m. «Messer
des Sauschneiders» (Ein antwort Katherinen
Homung auf D. M. Luthers notbrief A2^),
md. 1517 bei Trochus R2^ knifft m.; aufge-
nommen aus mnd. knlf va.., im 14. Jh. ndrhein.
knyf; dazu mndl. cnijf m. «langes spitzes
Messer», ags. cnlfm., engl, knife, anord. km fr
m., schwed.-dän. kniv «Messer», woher franz.
canifm. «Federmesser». Daneben in Mittel-
und Oberdeutschland Kneip, m. (-es, PI. -e),
1691 bei Stieler Kneip neben Kneif, 1540 bei
Alberus dict. aa 4^ kneip m. «Taschenmesser»,
1482 im Voc. theut. 15^ gneyp «Schuster-
kneip», um 1480 im Voc. incip. teut. h4^ gn^p,
1419 kmp m. «Messer» (Malagis268*), aber auch
mnd. km}) m. «Rebmesser, Schustermesser»;
dazu mhd. (md.) gnippe, knipe f. «Stech-
messer, Dolch», Schweiz, gnippe f. «Schuster-
kneif», wie Kneipe f. «Schustermesser» bei
Goethe 16, 123 und schon im 17. Jahrh. bei
Comenius orbis pictus 1, 129.
kneifen, v. (Prät. kniff, Part, gekniffen):
zwischen zusammengehende Spitzen, Schärfen
usw. diücken, zwicken ; (stud.) sich einer Sache
entziehen. Im 16. Jh. (1581 bei Ringwaldt
Evangelia Kk 7**) auftauchende Nebenform
von kneipen (s. d.).
Kneip, s. Kiäf
Kneipe, f. (PI. -«): Klemme, Zange (1734
bei Steinbach); gemeine Schenke (1775 bei
Adelung, Kneipschenke bei Lessing 8, 203 vom
J. 1769); daher studentisch Bierschenke (1781
bei Kindleben), seit Ende des 18. Jh. auch
studentische Wohnung, Bude. Aufgenommen
aus nd. knipe f. «Klemme, Kloben zum Vogel-
fang», dann bildlich (1755 bei Richey). Vgl.
ZfdW. 3, 114; 362.
^kneipen, v.: zwicken, kneifen (s. d.),
mit starker Flexion Prät. knipp, Part, ge-
knippen, daneben mit schwacher, zuerst 1734
bei Steinbach, namentlich bei obd. Schrift-
68
1075
kneipen
Knie
1076
stellern (bei Goethe immer), Prät. kneipte,
Part, gekneipt. Aus dem Niederdeutschen
(mnd. kmpen, Prät. knep, Part, knepen) ins
Mitteldeutsche (1420 kneypen bei Schröer
Vocab. Nr. 2753 und daraus im 16. Jh. ins
Hochdeutsche vorgedrungen, bei Luther ab-
kneipen (3. Mos. 1, 15; 5, 8); dazu 1477 clevisch
knyppen und nippen, mengl, nipen, engl, nip
«kneipen». Urverwandt mit gleichbed. lit.
gnibti, znthti, aber auch knebti «kneifen» und
knibti «klauben», ZUS. Kneipzange, f.:
Zange mit scharfen Backen, 1664 bei Duez.
"^kneipen, v.: zum Zechen eine Kneipe
(s. d.) besuchen, mit schwacher Flexion (Pi'ät.
kneipte, Part, gekneipt, im Scherz starkflektiert
knipp, geknippen). 1795 studentisch.
knellen, s. Knall.
Kueller, m. {-s, PI. wie Sg.): schlechter
Rauchtabak. 1798 bei Nemnich 3, 308. Von
älternhd. knellen (s. Knall), knallen, auf das
platzende Öß'nen des Mundes zum Auslassen
des Rauches beim Pfeiferauchen deutend.
Knepner, m. {-s, PI. wie Sg.): Storch,
1673 bei Weise Erznarren 220, in der Mittel-
mark Knäppner, ukermärk. Knapper. Wohl
Ableitung von knabbern^ knappen (s. d.). Vgl.
dän. knebre, besonders von dem vom Storche
mit dem Schnabel hervorgebrachten Laut.
Knes, m. (-en, PI. -e) : Hochadliger, Fürst.
Li neurer Zeit aus rass. knjazi m., das dem
altdeutschen kuning «König» entstammt.
kneten, v.: mittels der Hände oder der
Füße durch- und bearbeiten. Im altern Nhd.
in schwache Biegung übergegangen, Prät,
knetete (bei Luther knettet), Part, geknetet.
Aber mhd. kneten, Prät. knat, PL knäten,
Part, gekneten, ahd. knetan; dazu and. knedan,
ndl, kneden, ags, cnedan, engl, knead, anord.
knoda, schwed. knäda. Urverwandt mit abg.
gnesti (Pr. gnetq) «zusammendrücken, kneten».
^ Knick, m. (-es, PI, -e): lebendiger Zaun,
der jedes dritte oder vierte Jahr gekappt
und geknickt wird. In Norddeutschland, mnd,
knick m,, als Landwehr der Nervier bereits
von Cäsar de belle gaU, 2, 17 beschrieben,
^Knick, m, (-[e]s, PI, -e): lauter feiner
Bruch, überhaupt halber Bruch, Bruch ohne
völlige Ablösung, 1691 bei Stieler, mnd.
knick, ndl, knik, engl, knick; in der Bed,
von Knicks (s, d,) schon 1663 bei Schottel.
knick! interj,, 1775 bei Adelung (s, knack).
knicken, v, : intr, in feinem Laute brechen
(1734 bei Steinbach); halb, d. h, ohne Ablö-
sung brechen (1719 bei Kramer, mnd. knicken);
in den Knien wanken oder brechen (in der
ersten Hälfte des 15, Jh, bei Muskatblut 75, 8
knycken); in aufrechter Haltung höflich die
Knie einbiegen (1586 bei Ringwaldt War-
heit 369, s, Knicks); geizen, knausern (1691
bei Stieler, 1685 bei Grimmelsh. Simpl. 1, 521
Klr. abgnicken «abzwacken»); trans. knickend
brech en,zerdrücken (Ungeziefer mit den Finger-
nägeln) 1577 bei Fischart Flöhhaz C 5^, da-
gegen knicken (Hasen, Vögel) «durch Ein-
drücken des Genickes töten», bei H. Sachs
5, 157 und 1678 bei Krämer, gehört urspr.
zu Genick) ; einen Knick, Zaun machen (mnd.
knicken). Zu knicken stehen knacken (s. d.)
und nd. knucken (dumpf knacken) im Ablaut.
ZUS. Knickebein, n. und m. (-s, PI. -e,
norddeutsch): Mensch, dessen Knie beim Gehen
knicken (1777 bei Bode Tristram Schandi 4, 27
Knickbein, nd. knikkebeen 1767 im Brem. Wb.) ;
Getränk aus Likör mit Eigelb, wie es scheint
von Mecklenburg ausgegangen.
^Knicker, m.(-s, PI, wie Sg,): ein Knicken-
der (1575 bei Fischart Garg. 104 Laußknicker) ;
Geizhals, Knauser (1663 bei Schottel); billiges
zusammenklappbares Taschenmesser; kleiner
Sonnenschirm mit einzuknickendem Stiel.
ABL. Knickerei, f,: Knauserei, 1691 bei
Stieler, knick(e)rig, adj,: geizig, 1775 bei
Adelung, dafür 1781 bei Kindleben knicke-
richt, 1691 bei Stieler knickicht, 1741 bei
Frisch knickig. knickern, v,: knausern, bei
Lessing Nathan 5, 1, nd, knikkern 1767 im
Brem. Wb., früher knicken (s. d.).
^Knicker, m. (-s, PI. wie Sg.): SchneU-
kügelchen. Schusser. 1664 bei Duez, aufge-
nommen ans gleichbed. nd.-ndl. knikker m.,
benannt vom knickenden Tone beim An-
schlagen, wie Klicker (s. d.) von klicken oder
aus diesem entstanden. ABL. knickern, v. :
mit Schussei-n spielen,1664 bei Duez.
Knicks, m, (Gen, Knickses, PI, Knickse):
Riß, Bruch (1734 bei Steinbach); bei auf-
rechter Körperhaltimg Einbiegung der Knie
zum Gruße (1691 bei Stieler Knicks, 1776 bei
Hölty Knix, das Dim, Knixchen bei Goethe
50, 253, Mit ableitendem -s von -Knick (s, d,).
Knie, n, (Gen, Knies, PI. Knie): Gelenk
inmitten des Beines, dem ähnliches, Mhd.
knie (Gen. kniewes, knies, PI. kniewe, knie)
mit den Nebenformen kniu, knü, ahd. cniu,
cneo n. (Gen. cniwes, cneives); dazu asächs.
cnio, cneo, afries. kniu, kni, kne, ags. cneo,
cneoio, engl, knee, anord, kne u,, schwed.-
dän, knä, got, kniu n, (Gen. kniwis) «Knie».
1077
knietschen
knistern
1078
Urverwandt mit gleichbed. lat. genu n., gr. '
YÖvu n. «Knie», fvüt adv. «mit gebognem
Knie», "ftJDvia f. «Winkel», amä.jänun. «Knie»,
jniibädh «kniend», arm. cunr «Knie». ABL.
knien, v., mhd. kniewen, knien, ahd. chniuwen, <
mnd. kneen, knien; daneben mit ableitendem
l ndrbein. im 14, Jh. knielen «knien», mnd.
knelen, kntlen, ndl. knielen, engl, kneel, Schweiz.
chnüwlen, chnülen. ZUS. Knieband, n.:
Hosenband an Kniehosen (1664 bei Duez) ;
Strumpfband (1715 bei Amaranthes), Knie-
geige, f.: große Geige, die man zwischen
den Knien hält, ital. viola di ganiba, im 17. Jh.
bei Zesen. Kniekehle, f., mhd. kniekel f, '
Knieriemen, auch Knier iem, m.: Riemen,
womit der arbeitende Schuster den Schuh
auf dem Knie befestigt (1691 bei Stieler Knie-
rieme), dann als Züchtigungsmittel Ochsen-
ziemer (1756 im Leipziger Avautm-ier 1, 117).
Kniescheibe, f., mhd. knieschibe f. Knie-
stück, n.: Gemälde, worauf eine Person bis
zum Knie dargestellt ist, 1775 bei Adelung.
kni(e)tschen, v., s. knutschen.
Kni£f, m. (-es, PI. -e): heimlicher ver-
letzender Kunstgriff. In der ersten Hälfte
des 18. -Jh. (bei Lessing 1, 32) von kneifen ge-
bildet, nach nd. knep m. «Zwick», dann «listiger
Kunstgriff oder Anschlag», urspr. vom be-
trügerischen Kneifen oder Kneipen der Würfel
und Spielkarten (vgl. Schiller Fiasko 5, 16,
betrügerisch die Würfel kneipen 1664- bei Duez
1, 756 a und 1586 bei Ringwaldt Warheit 81). ;
Knipp, m. (-[e]s, PI. -e): der Schneller'
mittels des von der Daumenspitze auswärts
gleitenden Mittelfingers, tupfender Schlag. Im |
16. Jh. (1567 bei Milichius Schrapteufel X 2*>,
Knipp f. bei Fischart Garg. 98) aufgenommen
aus nd.-ndl. knip m. «Schneller, Schnalzer, i
Nasenstüber», mnd. knippe(n) «Schnellen mit ,
dem Finger»; dazu das Dim. Knippchen,
n.: Schnippchen, 1517 bei Trochus D 3^, mnd.
knipkenn. knipp! interj. schnipp! von kleinem
knackenden Tone (z. B. der Knippschere 1601
bei Eyering 1, 754). knippen, v.: laut mit
den Fingern schnellen, 1775 bei Adelung, nd. '
knippen «Schnellkügelchen schnellen, mit der
Schere oder Zange zwicken. Wohl zu kneifen,
kneipen. ZUS. Knippkngel, f.: Schnell-
kügelchen, Schusser, 1789 bei Klamer Schmidt
Erzähl. 136, dafür Knippküulchen n. 1741 bei
Frisch. Knippschere, f.: kleine Schere,
md. knipschere 1501 im Leipziger Voc. opt.,
ndrbein. kiiijjscheer 1495 in der Kölner Gemma
J 5 ^, mnd. knipschere f.
Knips, m. (Gen. Knipses, PI. Knipse):
Schnippchen (1691 bei Stieler); leichter Schlag
(1775 bei Adelung); Branntwein, Schnaps
(schlesisch im Anfang des 18, Jh, bei Günther,
Steinbaoh) ; Folterknecht, Henker (bei Bürger
183); Zwerg, Knirps (1691 bei Stieler). Neben-
form von Knipp (s. d.). knipsen, V.: mit einer
Schere oder Zange zwicken, 1691 bei Stieler.
Knirps, m. (Gen. Knirpses, PI. Knirpse):
kleiner unausgewachsner Mensch. Md., 1716
bei Ludwig Knirhs, 1729 bei Picander 2, 204
Knirps, bei Tieck Knurps, bei Salzmann
Conr. Kiefer 2 Knürps, obersächs. knorps
(auch kleiner verkrüppelter Apfel), schwäb.
knorp, hess. knirhes, ndrhein, knirwes; dazu
nd, Knirfiks (1778 bei Hermes Soph. 3, 122
Knirrfix), auch Knörfix. Herkunft unklar,
knirren, v.: einen Laut wie den eines
harten Eeibens hören lassen. Md. 1540 bei
Alberus dict. cc3^ knirn, 1557 bei Waldis
Esop 3, 95, 7 knirren; dazu nd. gnirren, ags.
gnyran, schwed.Ä;?«VÄ;a,dän.Ä;«irÄ;e. Lautmalend
wie die mhd. Interjektion knir (beim Zerbeißen
eines Würfels). Vgl. knarren und knirschen.
knirschen, v.: bei hartem Reiben rauschen.
Vom Aufeinanden'eiben der Zähne 1605 bei
Hulsius dict. 84 '^ knirschen, 1517 bei Trochus
Q 3^ knirsen, 1508 in der Straßburger Gemma
A4* wie 1510 in der Hagenauer knorsen, aber
bereits im 14. Jh. knyrschung mit den czenen
Diefenbach gl. 556*; vom knirrenden Ton
andi-er geriebner Dinge 1596 bei Fronsperger
Kriegsb. 1, 123* knürschen, 1643 bei Hars-
dörffer Gesprächspiele 3, 293 gnirschen ; in der
Bed. «hart rauschend zermalmen» 1578 bei
Fischart Flöhhaz V, 1240 knirschen (dafür
1577 knitschen, 1573 zerknischen) , 1618 bei
Schönsleder kniersen; dazu mnd,-mndl, kner-
sen, knarsen. Von knirren (s, d,), deshalb bei
Adelung 1775 knirr sehen. Vgl, zerknirschen.
knistern, v.: Funken sprühen und so
rauschen, brechend rauschen, wie z. B. bren-
nendes Reisig, Salz im Feuer, Flittergold usw.
1562 bei Mathesius Sarepta 77^. 168* knistern;
aber mnd. gnisteren, knisteren «knirschen»,
ebenso ndl. 1598 gnisteren, md. 1414 gnisterunge
der zene (Diefenbach gl. 556*), anord. stark-
flekt. gnesta (Prät. gnast) «knallen, schallen»,
norw.-dial. knistra «leise kreischen, pfeifen,
kichern», schwed.-dial. gnistra «winseln» (von
Hunden) u. a. Vgl. Falk-Torp. Verschieden
davon ist mhd. knüsten, knisten und knüssen,
ahd.&nwfew und cÄnwssan, ags. cwyssa» «stoßen,
schlagen, quetschen».
68*
1079
knitschen
Knollen
1080
knitschen, s. knutschen.
Knittel, Knittelyers, s. Knüttel usw.
Knitter, m, (s, PI. wie Sg.): fehlerhafte
Falte. Bei Campe mit Beleg aus der zweiten
Hälfte des 18. Jh. Eückbildung aus knittern,
V.: intr. wie mit wiederholtem Platzen in
feinerem Tone rauschen (1663 bei Schottel,
nd. knittern «knistern»); trans. in fehlerhafte
Falten zusammendrücken (bei Goethe 4, 184
[1. H.] vom J. 1818), gewöhnlich zerknittern.
Im Ablaut zu knattern (s. d.).
Knobbe, s. Knuhhe.
Knöbel, Knobel, m. {-s, PI. wie Sg.):
Knöchel am Finger. Mehr im gemeinen Leben,
bayr., md. und nd. Bei Ludwig 1716 Knöhel,
1664 bei Duez Knübel, mhd. knilbel, älter
chnubil, mrhein. im 15. Jh. knöbel (Diefen-
bach gl. 304 <^), mnd.-mndl. knovel m. Wohl
mit Knebel ablautend. Dazu knobeln, v.:
knöcheln, würfeln.
Knoblanch, m. {-{e]s): Zwiebelgewächs
mit einem in sogen. Zehen gespaltnen Wurzel-
knopfe. Im 14. Jh. bei Megenberg knohlauch,
mhd. knöbeloucli (zuerst im 12. Jh., im alten
Meraner Stadtrecht ZfdA. 6, 418 wie noch
heute tirol. knoflach), meist aber mit noch
nicht in n übergegangnem l klobelouch, ahd.
klobelouh, cMovalouh, clüovolouc, dofolauh m.;
dazu and. kluflok, mnd. kluf-, knuflök, mndl.
knofloec, ndl. knoßook, knuflook m. Noch 1715
bei Amaranthes Klohlauch neben Knoblauch.
Zgs. roxi Kloben (s.d.), ahd. chlobo; dazu ags.
clufe, engl, clove «Zehe des Knoblauchs», in
gleicher Bed. mhd. im 12. Jh. cluft f. (Mone
Anz. 7, 609), nd. 1582 bei Chyträus klöve f.
Knöchel, m. (-s, PI. wie Sg.): hervor-
stehender Knochen zu beiden Seiten des
Fußgelenkes und am mittlem Fingergelenke;
Würfel aus Knochen gemacht (1808 bei
Campe). In 1. Bed. 1470 im mlat.-hochd.-
böhm. Wb. 195 knöchel, 1482 im Voc. theut.
q8^. rl* knuchel, md. im 12. Jh. knügel,
ältemhd. vereinzelt Knüchel m. : dazu clevisch
1477 knoyckel, mnd. knokel, hamburg. knückel,
nnld. knokkel, afries. knokele, knokle, ags.
cnucel m., engl, knuckle. Abgeleitet von
Knochen (s. d.). ABL. knöcheln, v.: wür-
feln, 1808 bei Campe.
Knochen, m. (-s, PI. wie Sg.); fester
harter fleisch- oder hauttragender Teil des
Menschen- und Tierkörpers. Ins Hochd. auf-
genommen aus dem Mitteid., wo zuerst bei
Frauenlob (f 1318) 236, 15 auftauchend knoche
m., Mitte des 14. Jh. knucke (Buch von guter
Speise 26, 86 f.), 1482 im Voc. theut. q 8^ und
r 1^ knoch m. (Knöchel, Knoten im Flachs,
Flachssamenknopf, auch mrhein. im 15. Jh.
knoche «Fußknöchel», älternhd. Knocke m.
«Knöchel Holzknon-en, grober Mensch»); dazu
mnd. und mndl. knoke (auch in Mitteldeutsch-
land im 15. Jh. knoken), nnd. knake, clevisch
1477 knaicke (oberpfälz. Knacken) m., norw.
knoke «Knöchel an Fingern, Knie und Ell-
bogen», schwed. knoka, dän.-dial. knoge, anord.
knoka «mit den Knöcheln schlagen», ags.
cnucian «an eine Tür klopfen, im Mörser
stoßen». Ablautend dazu anord. knjükr m.
«hoher und steiler Fels von rundlicher Form»,
norw.-dial. knjiika «Fingerknöchel». Dazu lit,
gn'üste, gn'austei. «Bündel, Handvoll», gnäusti
«die Hand fest schließen». Luther gebraucht
in der Bibelübersetzung K. nur dreimal, sonst
dafür Bein, Gebein, ABL. Knöchelchen,
Knöchlein, n., mhd. (md.) knuchelin n.
knöchern, adj.: aus Knochen bestehend, 1767
im Brem. Wbch. 2, 817; dafür 1741 bei Frisch
knöchen, 1784 bei Steinbach knocken, nd. knä-
ken. knochicht, adj., 1734 bei Steinbach,
knöchicht 1121 bei Aler. knochig, adj., 1482
im Voc. theut. q 8^. ZC7;S. Knochenfraß,
m. : knochenzerstörendes Geschwür, 1801 bei
Nemnich Lexicon nosologicum 3^, dafür früher
Beinfraß. Knochenhaner, m.: Fleisch-
hauer, norddeutsch, um 1500 knochenliawer,
mnd.. knoken-, knakenhower m.; in einem Stu-
dentenlied der Tod. Knochenmann, m.:
der Tod als Knochengerippe, 1642 bei Eist
himlische Lieder 4, 220.
Knocke, f. (-n, PI. -n), auch m.: gleich-
lang zusammengebogner und -gedrehter Zopf
gehechelten Flachses. Im 17. Jh. aufgenommen
aus gleichbedeut. nd. knokken m., hamburg.
knuck, livl. knucke f., mnd. knucke, knocke m.
«zusammengedi-ehtes Bündel Flachs»; dazu
mengl. knoche, knicche «Bündel». Wohl iden-
tisch mit Knochen.
Knödel, m. (-.s, PI, wie Sg.): gekochter
Mehlkloß mit verschiednen Zutaten. In Öster-
reich und Bayern. Im 16. Jh. knödel, 1530
der PI. knodle, urspr. Dim. zu Knoten (im
14. und 15. Jh. knödel «Knoten»), das auch
die Bed. «Kloß aus Mehlteig mit Zutat» hat
(1716 bei Ludwig).
Knollen, m. (s, PL wie Sg.): zusammen-
hängende runde Masse. Mhd. knolle m. «Erd-
scholle, Klumpen, grober plumper Mensch»;
dazu nd. knüll,' knüllen m., ags. cnoll m. «Berg-
spitze, Gipfel», engl, knoll «Hügel, Spitze»,
1081
Knopf
Knoten
1082
anord. knoUr m. «Bergkuppe», dän. knold «Aus-
wuchs an Bäumen, Knoten», Aus knuMa-
(Sievers Idg. Forsch. 4, 339) und daher zum
vorigen. ABL. knoUicht, adj., 1428 knollet,
1588 bei Tabernämontanus knoUichf, knoUecht.
knollig, adj., in der 1. Hälfte des 18. Jh.,
nd. knullig. In der Umgangssprache auch
als Adverb in dem Adverb «sehr».
Knopf, m. (-[e]s, PI. Knöpfe): runder
dichter Körper woran (am Kleide, 1541 bei
Frisius {nodus), aber schon mhd. knöpfeUn n.).
Mhd. knöpf m.. «KnoiTen an Gewächsen, Knospe,
Knoten, Knauf», ahd. chnoph, chnopf m. «Kno-
ten» und dann «Knotenartiges»; dazu mnd.,
mndl. und afries. krwp m., engl, kmp, schwed.
knopp, dän. knop «Knospe» und mit Ablaut
knauf, mnd. knöp m. «Knoten, Knopf, Knauf,
Knospe», ndl. knoop «Knopf, Knoten». Vgl.
Knuhbe xmd knüpfen. ABL. knöpfen, v.,
1482 im Yoe. theut. q8b knopffen.
Knopper, f. (PI. -n) -. Gallapfel am jungen
Kelche der Eichel. In Osterreich und Ungarn.
Eine Weiterbildung von Knopf (s. d.).
Knorpel, m. (s, PI. wie Sg.) : fester gallert-
artiger Knochenansatz. Bei Luther Knörhel,
Knorhel, im 15. Jh. knorpel-, knorhel-, gnarpel-
hein (Diefenbach gl. 103 °j, 1495 in der Kölner
Gemma D 3* knerhelbeyn, in der Straßburger
IbOSknorfelhein, dagegen in letztrerv 3^ Ar« orpet
«das knoUige Muskelfleisch». Verwandt mit
Knorren (s. d.) und spätmhd. knorfvc^. «Knorz»
(inj?aMre«Avia/-/f BeheimWiener216,22 ). Neben
Knorpel ä^t^Tühd. Knor spei, Knospel, Knöspel
m., sowie in gleicher Bed. Krospel, Kröspel
m. n. f., ahd. crospel, und Krostel, Kröstel,
mhd. krostel, kröstel m. f., krustel f., ahd.
crostela, crustula f. ABL. knorpelicht,
knorpelig, adj., 1664 beiDuez 1, Wi^knorp-
licht, knorpelicht.
Knorren, m. (-s, PI. wie Sg.) : harter Kno-
tenauswuchs ; knotenverwachsener Körper :
Knöchel; Hahn-, Rohrknoten oder -gelenk.
Ältenrhd. Knorre (-/?, PI. -n), daher noch bei
Lessing Nathan 2,5 Knorr, mhd. knorre, knurre
m. «Knotenauswuchs, hervorstehender Kno-
chen, Knorpel, kurzer dicker Mensch», und
knüre, knür m. «Knoten, Fels, Klippe, Gipfel»,
spätmhd. /waur «grober Mensch», ahd. nur im
Adj, chniurig «knotig derb, fest und stark»;
dazu mnd. und ndl. knorre m., mengl. knarre,
knorre, engl. knar. Mundartliche Formen
wie schwäbisch knaus m. «knopfichter An-
satz am Brot, Brotanschnitt», Schweiz, knüs
m. «Knorren, Auswuchs», nd, knüst, knaustm.
«knotiger Auswuchs, Brotecke», weisen auf
eine ursprünghch auf -s ausgehende Wurzel.
ABL. kuorricht, adj., mhd. knorroht, knor-
rot. im 15. Jh. knorr eht, 1540 bei Alberus dict.
Q 4*' knörricht. knorrig, adj., um 1480 kno-
rig im Voc. incip. teut. n3^.
Knorz, m. (-es, PI. -e, Knorze): Astknopf
im Holze: knotenverwachsner Körper, bes.
solches Holz. 1482 imVoc, theut. ff 8* knortz,
ahd. chnorz (erhalten im Dat. PI. chnordn).
ABL. knorzig, adj., 1440 knortzig bei Die-
fenbach gl. 589^, ahd. chnorzig (in nianac-
chnorzig «vielknotig»).
Knospe, f. (PI. -n): unentfalteter Blätter-,
Blütenknopf. Mhd. im 14. Jh. knospe m.
«Knorren am Steine» und noch im 16. Jh.
«knorriger Auswuchs», md. um 1350 das Dim.
knospechin n. «kleine Pflanzenknospe» (Fundgr.
1,379'') 1558 bei Eber-Peucer B. 8^ knospe m
der heutigen Bed., 1664 bei Duez 284 Knospen
m. und 411 Knosp m. Man stellt es entweder
zu Knorren (s. d.), mit Bewahrung des \vurzel-
haften s, besser aber (aus knopse wie Wespe
aus Wepse) zu Knopf. Der ältere Aufdruck
für den Blätter- oder Blütenknopf war Auge,
Knopf, im Mhd. bolle f., hroz n., ahd. proz,
woher noch hess. brospe f. ABL. knospen,
V.: Knospen treiben, im 18. Jh., aber 1691 bei
Stieler Knospung f.
Knote, m. (-», PI, -n) : roher plumper Kerl
(1707 bei Schmidt RockenpMlosophie 2, 190);
(student,) Handwerksbursche (1781 bei Kind-
leben Gnoten, 1786 bei Miller Walther 148
Knoten). In der 1. Bed, bUdhche Anwendung
des folg. Wortes, in der studentischen viel-
leicht aber nur Anlehnung, denn gnote (Be-
nennung der Handlungsdiener in Königsberg
und Stettin) ist das nd. genöte «Genosse».
Knoten, m. (-s, PI. wie Sg.): durch feste
Verschlingung entstandner Knopf; harter Aus-
wuchs; hartes Stengel-, Halmgelenk, Ältemhd,
Knote (-W, PI, -n), so noch bei Schiller Turan-
dot 4, 6, 1664 bei Duez Knot, Knoft, 1678 bei
Krämer Knotte, mhd, knode, md, knote, ahd.
chnodo (Riemenknopf, Knöchel, Bauraknospe),
zerdehnt kinoto m. ; dazu clevisch 1477 knode,
mnd. ctiode, knutte, nnd. knudde, knutte, ags.
cnotta m., engl, knot, anord. knütr m. «Knoten,
Knori'en», schwed. knut, dän.knude «Knoten»;
dazu auch anord. knyte m. «ein mit den
vier Ecken zusammengeknotetes Tuch». Das
Wort erweist sich durch seine Vokal- und
Konsonantenverhältnisse als uralt, sichere An-
knüpfungen fehlen. Über Verwandtschaft mit
1083
Knöterich
Knust
1084
lat. nödus s. Walde. Eine Ableitung ist Knödel
(s. d.). Aus dem Skandinavischen entlehnt ist
russ. knut, s. Knute. ABL. knoten, v.:
knüpfen, l4:62knoden neben stricken (Mone Anz.
7, 301^, 326), md. im 13. Jh. knoten in ent-
knoten. Vgl. knütten. knotig, knoticht, adj.,
um 1480 im Voc. incip. teut. n 8^ knotig, mhd.
knoticht, knodecht, knodoht, ahd. chnodoht.
ZUS. Knotenpunkt, m. -. Punkt, wo mehi-ere
Fäden oder Linien sich vereinigen, im 19. Jh.
Knotenstock, m., 1775 bei Adelung.
Knöterich, m. (-s, PI. -e): Ackerspergel,
sperg-ula arvensis, benannt nach den zahlreichen
Knoten (Stengelgelenken). 1486 knöterich, 1600
Knöderich, Knödrich, schles. Knörig.
Knotte, f. (PI. -w) : Flachssamenknopf. Md.
und nd. Bei Luther 2 Mos. 9, 31 und 1540
bei Alberus dict. A A3* Knote f., md. im 15. Jh.
Knodde f., mnd. knutte, ndl. knut, knot, clevisch
1477 knote, noch schles. Knotte f., oberhess.
Knodd f. Nebenform zu Knoten (s. d.).
Knuhbe, f. (PI. -n) und Knubben m.:
Knoten im Holze usw., knorriger Klotz (Lessing
Nathan 2, 5), das nd. knuhbe «Knorren, Knospe»
(daher 1687 bei Zesen Knubbe m. «Knospe»),
mnd. knobbe m., gleicher Abstammung wie
Knopf (s. d.). ABL. knühheln, v.: fest zu-
sammenstricken. Norddeutsch.
Knuff,m. (-g,Pl.Knüffe): heimlicher Faust-
stoß, 1808 bei Campe. Von knuffen, v.: mit
Faust oder Ellenbogen stoßen, in der 2. Hälfte
des 18. Jh. aus dem Nd. ins Hoch- und Ober-
deutsche vorgedrungen. Dazu knüffeln, v.:
derbe Fauststöße geben, 1716 bei Ludwig, ndl.
knuffelen, knoffelen. Verwandt mit nd. knüvel
m. «Knöchel» (s. KnöbeV).
knüfflich, adj.: knaupelig, mit viel klein-
licher Mühsehgkeit verknüpft, 1833 bei Jahn
Merke z. deutsch. Volkstum 239 knifßich. Zum
nd. Zeitwort Äww^eZ« «eine mit vielerlei Kleinig-
keiten und viel Überlegung verbundene Arbeit
verrichten».
knüll, adj.: stark betrunken. Studentisch
1825. Vielleicht derb scherzhaft zu dem fol-
genden Verb. Vgl. ZfdPh. 38, 523.
knüllen, v.: in Falten übel zusammen-
drücken, eig. faltig, bruchig schlagen. Im
17. Jh. bei Lauremberg und Stieler. Ältemhd.
Tind mhd. knüllen «mit der Faust schlagen,
puffen, stoßen, (den Kopf) eindrücken», z. B.
Tauben (Hadloub 20, 3, 11), noch schweiz.-
schles.-nd. knüllen, schwäb. knüllen «prügeln».
Zu Knollen m. «Knöchel an Händen und
Füßen».
knüpfen, v. : zum Knopf ineinander schlin-
gend verbinden. Mhd. knüpfen, ahd. aiuphjan,
knupfe7i, knuffen, md. im 15. Jh. knuppen,
knüppen, nd. knuppen. Von Knopf (s. d.).
Knüppel, m. (-S, PI. wie Sg.): knotiger
Holzschoß, Stock zum Schlagen; armsdicker
Holzschoß. Wie es scheint, sind hier zwei
gleichbed, Wörter zusammengeflossen: 1482 im
Voc. theut. r 1* knuppel, mnd. u. nndl. knuppel
m., hochd. zu Anfang d. 15. Jh. knüpf l (Diefen-
bach gl. 254^), abgeleitet von Knopf (s. d., eig.
«Knorren, Knoten»), u. anderseits mhd. klüpfel,
md. klüppel, kluppel, mnd. u. nndl. kluppel m.,
nhd. Klöpfel, md. Klöppel (s. d.), abgeleitet
von klopfen (s. d.). RA. Da liegt der Knüppel
(Knüttel) beim Hunde, «Die Sache ist ge-
hemmt» (1542 bei Waldis Streitged. 1, 66) ; um
den Hund am Jagen zu verhindern, befestigte
man lose an seinem Halse einen Holzknüttel,
der ihm beim Laufen an die Beine schlug.
ZUS. Knüppeldamm, m.: aus quergelegten
Knüppeln hergestellter Weg durch einen Mo-
rast, im 18. Jh. (bei Göckingk [1818] 1, 103),
in gleicher Bed. 1595 bei Hennenberger preuß.
Landtafel 425 Knütteltham.
knuppern, v. : an Hartem laut nagen. Aus
nd. knuppern, das zu knabbern im Ablaute
steht. Bei Goethe 30, 84 knopern. ABL.
knupperig, adj., bei Goethe Briefe 3, 248.
knurren, v.: hart im Tone das r durch
die Zähne brummen. 1663 bei Schottel knurren
neben knorren, S. 1144^ Gnurrenn.,nä. gnurren
(so auch 1777 bei Göckingk Lieder zweier
Lieb. 92). Wie knarren im Ablaute zu knirren
stehend. ABL. Knurr er, m.: laut murren-
der Mensch, kuurrisch, adj., bei Goethe
39, 53. knurrig, adj., bei Musäus Volksni.
5, 241. ZUS. Knurrhahn, m.: der Seefisch
trigla hirundo. Meerschwalbe, bei den Eömern
corvus m. (Rabe); er läßt einen knurrenden
Ton hören, wenn man ihn aus dem Wasser
zieht. S. Seehahn.
knuspern, v.r an Hartem mit Geräusch
nagen (Goethe 17, 99). Md. im 14. Jh. knus-
pern in zuknuspern «zerschmettern, zermal-
men», eine Fortbildung von ahd. chnussan,
cnusen, mhd. knüsen, knüssen «stoßen, schla-
gen», noch nd. knusen «quetschen», ags. cnyssan
«zusammendräcken, quetschen», anord. knosa
«zerschlagen, zerbrechen». Im Schlesischen
finden sich die drei im Ablaut zueinander
stehenden Formen knispern, knaspern, knus-
pern (Weinhold 44^).
Knust, m., s. Knorren.
1085
Knute
Kobel
1086
Knute, f. (PI. -n) : (russische) Riemen- und '
Knotenpeitsche. 1620 bei Weller Lieder des
dreißigjähr. Kriegs 70 Knute, 1741 bei Frisch
Knutte f., bei Jobs. v. Müller allgem. Gesch.
(1817) 3, 413 Kirnt m., aus gleichbed. russ. '
knut m. Dafür 1593 bei Heinr. Jul. v. Braun-
schweig 737 KnottpeitzscJie, 1734 bei Steinbach
Knuttpeitsche (zu nd. Knutt m. «Knoten»)
«Knotenpeitsche». Das russische Wort stammt
aus dem Xord. S. Knoten.
knutschen (mit u) auch knietschen,
knütscheyi, v.: anfühlend zusammendrücken;
(Tücher usw.) durch Zusammendiücken aus
der Glätte bringen. Ende des 15. Jh. bei Brant
u. Keisersberg knützschen, knutschen, knützen,
md. im 13. Jh. knutschen fin zurknutschen) und
knutzen «zusammendrücken, zermalmen», noch
1663 bei Schottel knützen, bayr. knauzen «knut-
schen». Die Form mit u ist ndd.
Knütte, f. (PI. -n): Strickzeug. Bei Yoß
Luise 1,546, schon 1639 bei Micrälius Pommern
3, 389. Ton knütten (s. d.).
^Knüttel, m. (-s,Pl.wie Sg.): starker Holz-
schoß, knotiger Stock zum Schlagen. Mhd.
knütel, knüttel, md.knutel, knuttel, auch knottel,
ahd. chnutil, chnuttil, mnd. knutel, ndrhein. im
14. Jh. knutzel m. Abgeleitet von Knoten
(s. d.), noch deutlich in ahd. chnutil m. «Kno-
ten», aleman. im 16. Jh. (bei Frisius, Maaler,
Dasypodius) bis heute knüttel m. «geschwüri-
ger Auswuchs, harte Drüse», 1515 im Eulen-
spiegel Kap, 92 knittel «Handknöchel». Vgl.
Knüppel. ABL. knütteln, v.: mit einem
Knüttel schlagen, md. 1289 knuttiln.
'^Knüttel, m. (-S, PI. wie Sg.) : harter aus-
geworfner Klumpen Tier-, Menschenkotes.
Wetterauisch, oberhessisch usw. Mit einge-
schobnen n aus gleichbed. md. küttel (bei
Alberus Fab. 31, 78 Pferdtsküttel, dict. y 1^
Pferdsküddel), mnd. kotel, nnd. kötel m., nndl.
keutel f. «Auswurf des Mastdarms, Kot», schles.
kuttel, kottel f. «Pferdemist»,
Knüttelvers, m. (-es, PI. -e): ungeregelte
holperige Reimzeile mit vier Hebungen, dann
überhaupt ungeregelt erscheinende Reimzeile.
1566 in Mathesius Luthers Leben 153*, im
18, Jh, Knittelvers; dafür 1599 bei Hamelraann
Oldenburg. Chron. 100 Knüppelvers, beiFischart
Garg. 254 Klippelverß, Bienenkorb lll^ Klip-
pelverßUn. Ursprünglich eine Ü^bersetzung des
lat. versus rhopalicus, dann auch Bezeichnung
der versus leonini, der in der Mitte und am
Ende gereimten mlat. Hexameter, noch 1712
bei Hübner und 1676 bei Balthas. Schnurr (am
Schlüsse des Kunst-, Haus- u. Wunderbuches)
Knittelhardi PL, im 17, Jh, bei Schuppius
Knüppelhardusse genannt. Knüttel- scheint
eig, den Refrain des Tanzliedes und in den
Schulen den von allen wiederholten Memorier-
vers zu bedeuten, vgl. Junius nomenclator
(1577) 9*: in vulgaribus rhjthmis versum iden-
tidem repetitum scipionem aut haculum appel-
lant, helgice de stock oft stockregel, gall. refrein
de hailade. Vgl, Feldmann ZfdW. 4, 277.
knütten, v, : (Knoten schlingend) stricken ;
(bildlieh) fein einleiten [Pößchen [Possen] knüt-
ten Michaelis poet. Werke 1, 231), 1741 bei
Frisch, aus mnd. - nnd, knütten «knüpfen,
stricken»; dazu ags, cnyttan, engl, knit. Von
nd, knutte m, «Knoten», Vgl, Knütte.
Koalition, f. (PI. -en): Verbündung, im
18. Jh. (bei Wieland, Goethe) aus gleichbed.
franz. coalition f., von lat. coalitus m. «Ver-
einigung» und coalescere (Part. Pass. coalitus)
«zusammenwachsen, sich fest verbinden».
koax, vom Froschgeschrei, 1628 bei Opitz
1,126 coax coax, 1595 bei RoUenhagenFroschm.
2, 5, 3, 66 u. f, als Froschname, nach dem
griech. ßpeKCKCKeE koöE koöE in den Fröschen
des Aristophanes, Davon koaxen, v,, 1595
bei Rollenhagen coachsen, nach lat, coaxäre.
Kobalt, m, (-e[s], PI. -e): Halbmetall und
Erz, zur Bereitung blauer Farben (Smalte,
Eschel usw.) benutzt. Bei Paracelsus (f 1541)
koholet, 1546 bei G, Agricola 476 Kohelt, lati-
nisiert cohaltum, 1562 bei Mathesius Sarepta
154^ f, Cohalt, Cohelt, Cobel, im 16. .Jh. auch
Koholt. Eins mit Kobold (s. d,). Das Kobalterz
ist nach dem kleinen Berggeist benannt, weil
es nach altem Bergmannsglauben das Silber
heimtückisch raubte und verzehrte (Mathesius
155*) und als unnützes Metall die Bergleute
betrog (denn zur Blaufarbenbereitung be-
nutzte man es erst im 17, Jh,), Vgl, Nickel.
^Kobel, m. (-S, PI, wie Sg,): geringes
Wohngebäude; Höhlung, Wohnbehälter für
Tiere. 1462 kobel m. «schlechtes Haus», im
15. Jh. «Stall», im 13. Jh, «Kasten eines Kutsch-
od. Kammerwagens», Abgel. von Koben (s, d.).
-Kobel, f. (PI. -n) : Frauenhaube. Im Elsaß
u. der Schweiz. 1741 bei Frisch Kobel, clevisch
1477 covel, mndl. covel, coueZe «Kapuze», nndl.
kovel, keuvel f. «Mönchskappe, Haube»; dazu
ags. cuffie f. «Kapuze», anord. kufl ra. «Kappe
mit Kapuze». Zu ahd. kuppha f. «Haube»,
woher auch mlat, (5. Jh,) cofea, später cuphia,
ital, cuffia, span. cofia, franz. coiffe f. «Haube».
ZUS. Kobelente, f., anas clangula, wegen
1087
Koben
Kockelskörner
1088
ihrer Kopffedem {Raupe). Kobellerche, f. :
Haubenlerche, 1 557 bei Heußlin Vogelbuch 1 70 *
Kohellerch. Kol)elmeise,f.: Hauben-, Strauß -
meise, 1561 bei Maaler Kobelmeiß f., 1557 bei
Heußlin 179^ Kobelmeißlin n.
Kolben, m. (s, PI. wie Sg.): kleines
schlechtes Gemach; kleines enges Gebäude;
Schweinestall. Schon 1482 im Voc. theut. r 1 ^
kohen, mnd. koven, 1477 clev. coeven «Schweine-
stall»; aber älternhd. Kohe (1517 bei Trochus
0 4^), mhd. hohe m. «Stall, Käfig», md, kove
«Ofenhöhlung»; dazu nd. kave, kaven «Vieh-
verschlag, Viehstall», ags. eofa m, «Gemach,
Schlafgemach», engl, cove «Obdach, Tauben-
schlag», anord. kofi m. «Kammer». Die Neben-
form Kofen m. (bei Rollenhagen, Voß) stammt
aus dem Nd. In der Wurzel wohl zusammen-
gehörig mit ahd. chubisi «Hütte» und weiter
zu gr. fVTiY]. KoiXuuua ^f\c. QaXdjjLT] (Hesych).
Vgl. Brugmann Idg. Forsch. 11, 111.
Kober, m. (-s, PI. wie Sg.): langer, ge-
wöhnlich viereckiger geflochtner Korb zum
Tragen auf dem Rücken. Im östlichen Mittel-
u. Norddeutschland, in der aUgem. Bed. «Korb»
auch in Schwaben, 1562 bei Mathesius Sarepta
134^ der PI. Köher (Tragkörbe), 1422 md.
Kober m. «Korb zu Speise». Wohl mit dem
vorigen wui'zelverwandt. Dagegen ist ags.
ceofi «Korb» wohl aus lat.-gr. cophinus m.
«Korb» entlehnt.
Kobold, m. {-[e]s, PL -e): unheimlicher
dienender Hausgeist; unheimlicher, übermütig
lustiger Neekegeist; die Grubenai-beiter necken-
der kleiner Berggeist. Bei Luther Jes. 34, 14
Kobold m. «böser umherschwärmender Geist»,
bei Lessing Kobold und Kobolt, bei Rädlein,
Ludwig, Voß Kobolt, mhd. im 13. Jh. kobolt
m. «neckischer Hausgeist und dessen Bild», md.
1422 kobolt, kobult, kobolt als Name eines Met-
getränkes, mndl. coubout «Kobold». Älternhd.
und noch im Volksmund Kobelt, im 16. Jh.
Kobel; aus deutschem kobel, kobelin entlehnt
franz. gobelin, mlat. gobelinus m. «Kobold».
Gewöhnlich abgeleitet von Koben, -old wäre
entstanden aus -iüalt,e\g. «des Hauses waltend»,
(oder hold, got. unhulpa «Teufel»), noch deut-
lich 1517 bei Trochus A 5^ boni lares foci sunt
vulgo kobelte; dazu ags. cof-godas pl. m. «Haus-
götter, penates». Die mhd. Nebenform oj^poZcZ,
opold leitet Kluge aus ahd. 6t «Reichtum, Gut»
und walt her, eig. «des Reichtums waltend»,
daran erinnert noch heute die volkstümliche
Wendung er hat den Kobelt (Kobold), wenn
einer in unbegi'eiflicher, unheimlicher Weise
reich wird. Falk-Torp dagegen leiten es, wie
schon früher andre aus gr. KÖßaXoc m. «Kobold,
Possenreißer, Schmarotzer, Gauner» her. Nach
Schi-öder Streckformen 168 soll es, aus kold
durch Streckung entstanden, zu koldern, kol-
tern «ungestüm sein, zanken, lärmen» gehören.
Kobölz, nur in der RA. Kobolz schießen
«einen Purzelbaum machen». 1741 bei Frisch
cobold schießen. Vielleicht zu Kobold oder um-
gestaltet aus irz. faire la culbute. Norddeutsch.
^Koch, m. (-es, PI. Köche): Kundiger in
künstlicher Zubereitung der Speisen. Mhd.
koch (PI. koche und koche), ahd. coch m. ; dazu
and., ndl. kok, ags. coc, engl. cook. In früher
Zeit entlehnt aus gleichbed. lat. coquus, später
cocus m. ABL. Köchin, f. (PI. -nen), 1539
bei Alberus widder Witzeln J. 2^ küchin, K 1 ^
küchen, Anfang des 15. Jh. küchin (Diefenbach
nov. gl. 298 a), 1482 im Voc. theut. r 1^ kochin,
1370 köchinne f.
^Koch, n., auch m. [-es, PI. -e): Brei. In
den Alpen, mhd. koch, n., von kochen (s. d.).
kochen, v. : tr. in einer von Hitze wallenden
Flüssigkeit erweichend zubereiten ; intr. wallen,
sieden (Flüssigkeiten und Speisen, bei Luther).
In 1. Bed. mhd. kochen, ahd. cochön, mnd.koken,
afries. koka. In früher Zeit aus gleichbed. lat.
coquere. Der eig. deutsche Ausdruck war sieden
(s. d.). ABL. Kocher, m. (-S, PI. wie Sg.):
der Kochende, in Zssetz.; Kochtopf bei Campe,
nd. kaker m. Davon Kocherin, f. Köchin,
mhd. kocherin, u. Kocherei, f., mhd. kocherte,
köcherie, bei Goethe 3, 239 Köcherei. ZUS.
Kochbnch, n., 1582 bei Fischart Garg. 275.
Kochknnst,f., 1561 beiMaaler. Kochlöffel,
m., im 14. Jh. Kochlöffel.
Köcher, m. (-s, PI. wie Sg.) : langer hohler
Behälter zum Tragen der Pfeile, Bolzen, Schreib-
federn usw. Mhd. kocher, kochcere, im 15. Jh.
auch köcher, kucher (Diefenbach gl. 225^), ahd.
cohhar, chochar und chochari m.; dazu anfränk.
kokar, mnd. koker, kaker, ags. cocer, cocur m.,
dän. kogger «Behälter, Futteral». Entlehnt aus
mlat. cucurmn (afranz. cuivre, quivre m., woher
wiederum engl, quiver), byzant. KoiJKoupov,
russ. kokorü «Patronentasche».
Kocke, s. Kogge.
Kockelskörner, PI.: die giftigen Samen
des ostindischen Strauches menispermum coc-
culus, zum Betäuben der Fische verwendet.
1741 bei Frisch Kockel -Körner, 1677 bei
Butschky Patljmos 582 Kukels-Körner, 1546
bei Bock 51^ Kokilienkörner, aus gleichbed.
mlat. cocculae orientales oder cocculi indici.
1089
Kodak
Kohl
1090
Kodak, m. (-5, PI. -s): photographischer
Apparat. In neuerer Zeit aus dem Englischen,
wo es als Schutzwort für photographische
Artikel frei erfunden ist.
^KÖder, m. {-s, PI. wie Sg.) : in die Kappe
des Schuhes oder Stiefels eingestochner schma-
ler abgeschärfter Sohllederstreifen, um daran
den Absatz zu befestigen. Um 1480 im Voc.
ine. teut. 1 3^ koder, 1482 im Yoc. theut. r 1 * f.
koder, korder, querde, im 15. Jh. köder, cor der,
querder, querdel, quirdel (Diefenbach gl. 324^,
488'^). Eine bildliche Anwendung des folgen-
den Wortes, indem man den schmalen gebog-
nen Sohllederstreifen einem «Regenwurme»,
dem gebräuchlichsten Köder, verglich, ähnlich
wie im 16. und 17. Jh. Kerdel, Kärder m, «die
als Verzierung auf Kleider genähten schmalen
(wui-mförmigen) farbigen Tuchstreifen» und
wie ahd. querdar m. «Docht».
^KÖder, m. (s, PI. wie Sg.): Lockspeise.
Im 17. und selbst bis ins 18. Jh. (Steinbach
UM) Kedei; wie spätnhd. keder n., im 13. Jh.
vereinzelt köder, älternhd. Kerder, Querder,
mhd. chorder, korder, kerder, querder u. querdel
n. m., ahd. querdar m. «Lockspeise». Herkunft
unklar. Kaum zu gi\ biXeap n., äol. ßXfip
«Köder». Vgl. Zupitza 86. ABL. ködern, v,,
1691 bei Stieler ködern, 1618 bei Schönsleder
ankedern, im 16. Jh. querdeln, spätmhd. kedern.
Kodex, m. (PI. Kodize u. Kodizes): alte
Handschrift; Gesetzbuch, hat. codex m. «Baum-
stamm», dann «Buch» (urspr. aus beschriebnen
Holztafeln). — Kodizill, n.: Testamentsan-
hang; testamentartige letztwilliofe Verfüsruncf.
Aus lat. cödicillus m. «Handschreiben, Testa-
mentsanhang», dem Dim. von lat. codex. In der
Rhetorik (15. Jh.),beiHenischl616 verzeichnet.
Kofen, s. Koben.
Kofent, m., auch seltener n. (-[e]s, PI. -e):
Halb-, Dünnbier. Eingebürgert mit Betonung
auf der ersten Silbe, aber noch bei Rachel
Sat, 2, 101. 4, 125 und in nordd. Mundarten
auf der zweiten betont. Spätmhd. im 14. und
15. Jh. covent, cofent, eig. «Konventsbier», wie
es die Klosterbiüder tranken, zum Unterschied
von dem stärkern Biere der Obern ia den
Klöstern. Aus mlat. coventus (daher franz.
couvent m.),conventus m. «Kloster, Stift», urspr.
«Zusammenkunft» (s. Konvent).
Koffer, m., auch n. (-s, PI. wie Sg.): mit
einem gewölbten Deckel versehener verschließ-
und tragbarer kastenartiger (Reise-) Behälter.
1691 bei Stieler Koffer, Kuffer, 1577 bei Junius
184* Koffer, hochd. im 16. Jh. auch Kopfer
Weigand, Deutsches Wörterbach. 5. Aufl.
(noch bayr.-kärnt. kupfer n.), 1561 bei Maaler
Koffran, 1541 bei Frisius (arca) koffren; dazu
1477 clev. cofferen, ndrhein. im 14. Jh. coffer,
cuffer, mndl. koffer m. Noch im 18. Jh. coffre.
Entlehnt aus afranz.-prov. cofre, nfranz. coffre
m. «Kiste, Kasten» m., diese nebst ital. cofano
m. «Kiste, Korb» und span. cuebano m. «Korb»
aus gr.-lat. cophinus, gv. KÖcpivoc m. «Korb».
Kog, m. (-[e]s, PI. Köge): eingedeichtes,
der See abgewonnenes Land. In Dithmarschen,
lim 15. und 16. Jh. koch m. (Schiller -Lübben
2, 509), 1755 bei Richey Koog, mndl. cooch,
entlehnt dän. kog. Unerklärt.
Kogel, f. (PI. -n), auch n. (s, PI. wie Sg.):
Kapuze an einem Rock oder Mantel, die über
den Kopf gezogen wei'den kann; Mantel mit
einer solchen Kapuze; über den Kopf hängende
hohe Frauenmütze; Bergkuppe. Auch Kugel,
Gugel. Mhd. gugele, gugel, kugel, kogel f., seit
der zweiten Hälfte des 14. Jh. auch von der
Frauenmütze, ahd. cucula, cugula, cugela f.,
entlehnt aus mlat. cuculla f., lat. cucullus m.
«Kapuze, Kopf hülle». Vgl. Gugelhopf.
Kogge, f. (PI. -n) : breites, hinten und vorn
rundliches Schiff. Die niederdeutsche Form füi*
hd. Kocke, mhd. kocke m., vereinzelt kucke,
koche, gocke, spätahd. kocho m., md. und mnd.
kogge m., Anfang des 15. Jh. bei Schiltberger
159 kock f.: dazu ndl. 1598 bei Kilian kogghe,
koghschip, anord. kuggr, Island, kuggi m. «klei-
nes Fahrzeug», meng], cogge, engl, cog, cock
I «Beischiff». Aus afranz. coque, nfranz. choque,
coche m. «Schiff», span. coca, ital. cocca f.
«kleines Wasserfahrzeug». Dazu kymr. cwch
«Nachen, Kahn».
Kognak, m. {-s, PI. -e und -s): Franz-
I branntwein, nach der französisch. Stadt Gognac
benannt. Im 19. Jh. entlehnt.
^Kohl, m. (-S, PI. -e), die Pflanzenart
brassica. Mhd. köl (PI. -e), auch kol, ahd. cöl m.
Daneben älterahd. Köl, Kohl (noch mundart-
lich), mhd.kcele, koel,anch köl, eihä.-and.kölim.;
ferner ahd. chölo, mhd. kole m. und ahd. chola f.
Der Name ist mit der Pflanze aus dem Süden
überkommen, lat. caulis, cölis m., gr. kouXöc m.
«Stengel», besond. «Kohlstengel», dann «Kohl»;
woher auch ags, cawel, cawl m., engl, cole,
anord. kdl n., schwed. käl, dän. kaal, ebenso
afranz. chol, nfranz, chou, ital. cavolo m. und
k3'mr, caivl. RA. aufgewärmter Kohl «alte,
abgetane Geschichten als Neuigkeiten vorge-
bracht», bei Günther 778, nach lat. cramhe
repetita bei Juvenal Sat. 7, 154. ZUS. Kohl-
garten, m.: Gemüsegarten, bei Luther, spät-
69
1091
Kohl
Eokon
1092
mhd. (Schweiz.) köllgarten, anord. kälgarär m.
Kohlrabi, m. (-5, PI. wie Sg. und -s): Kohl-
art mit dicker oberirdischer Knolle, im 16. Jh.
aus Italien eingeführt. 1691 bei Stieler Z'o^ra&i,
1715 bei AmaranthesZb/iZraH, Cauliravi, 1731
bei Zinck öcon.Lex. KauUrahi, KoJil-Rahi oder
Buben-Kohl, entlehnt aus ital. cavolo rapa,
Plur. cavoli rape (cavolo m. «Kohl», rapa f.
«Eübe»), woher auch frz. chou-rave m. Kohl-
rübe, f.: Erdrübe mit kohlartigen Blättern,
1775 bei Adelung; in Thüringen JS^ame des
Kohlrabis, 1678 bei Krämer Kohlrübe. Kohl-
Strunk, m.: Kohlstenge], spätmhd. im 14. und
15. Jh. Jcolstrunk, kolstrunke m.
^Kohl, m. (-s): langweiliges, dummes Ge-
schwätz. Studentisch (1790 bei Bahrdt Lebens-
geschichte 1, 250), gaunerisch 1753 Kohl «blauer
Dunst», 1814 Kohl «Erzählung», von hebr. qöl
m. «Stimme, Gei-ücht, Schalb. ABL. kohlen,
V.: Kohl machen, viel durcheinander sprechen.
Kohle, f. (PI. -w): schwarz geschweltes
Holz usw., ähnliches Mineral als Brennstoff.
Mhd. kol m. n. (PI. -en -n, im Neutr. köler),
selten kole f., ahd. chol n. und cholo m. ; dazu
mnd. kol{e), 1477 clevisch coil, ags. col n., engl.
coal, anord. schwed. kol n., dän. kul. Vielleicht
uiTerwandt mit amd. jvälati «brennt, glüht»,
air. gUal «Kohle». ^J5I/. kohlen, v. : tr. Kohlen
brennen, mhd. im 14. Jh. kolen; intr. schwelen,
glimmen,1562 beiMathesiusSareptaSOl ^ÄroZew.
Köhler, m. (-s, PI. wie Sg.): Kohlenbrenner,
mhd. koler, im 15. Jh. köler m. ; davon Köhler-
glaube, m.: treuherzig fester Glaube, dann
unbedingter Kirchenglaube, blinder Glaube
(anschließend an eine Anekdote bei Luther
6, 107^ „einDoctor hab einen Köler zu Präge
auff der Biücken gefragt: Lieber man, was
gleubstu? Der Köler antwortet: Das die Kirche
glaubt. Der Doctor: Was gleubt denn die
Kirche? Der Köler: Das ich gleube."), im
16. Jh. bei Agricola Sprichw. Nr. 234 des Kolers
Glaub, 1575 bei Fischart Garg. 251 des Kölers
Glauben,U54. bei Logau 3,2,85 Köhler-Glaube.
ZUS. 1) mit Kohl-. Kohlapfel, m.: (kohl)-
schwärzliche rotbäckige Apfelart, 1691 bei
Siieler Kolajjfel. Kohlfeuer, n.: Feuer von
Kohlen, urspr. Holzkohlen, im 1 5. Jh. kollefüer n.
(Altd. Blätter 1, 125), mnd. kölvür, bei Luther
Joh. 18, 18 Kolfeiver, noch bei Schiller 4, 78,
jetzt Kohlenfeuer. Kohlmeise, f.: Schwarz-
meise d. h. Meise mit kohlschwarzem Scheitel,
mhd. kolemeise, ags. colmäse f. Kohlrabe, m. :
der gemeine schwarze Rabe, 1775 bei Adelung.
kohlschwarz, adj. : schwarz wie eine Kohle,
mhd. kolsivarz, anord. kolsvartr; verstärkt
kohlrabenschwarz (Maler Müller 1, 128), kohl-
pechschivarz ( 1 644 bei Klaj Anferst. Jes. Chr. 1 6),
kohlpechrabenschwarz (in Mitteldeutschland),
kohlrußrabenpechschwarz (1745 bei Schwabe
Tintenfäßl, Titelbl.). 2. mit Kohlen- -.Kohlen-
brenner, m.: Köhler, 1691 bei Stieler Kol-
brenner, 1508 in der Straßburger, 1510 in
der Hagenauer Gemma d2^ kolenbrenner, aber
1518 in der Straßburger kolbrenner, mnd.
1277 kolebernere, ndl. 1598 kolenberner m,
Kohlensäure, f.: die übliche Benennung für
Kohlendioxyd. Kohlenstoff, m., in der
Chemie ein zuerst ans Kohleti gewonnener Stoif,
beide 1808 bei Campe als neugebildete Worte.
Kohlrabi, s. ^Kohl.
Koje, f. (PI. -n): Schiffsverschlag zum
Schlafen; enge mit Brettern abgeschloßne
Winkelschlafstelle überhaupt. In 1. Bed. um
1600 bei Hulsius Schiff. 3, 70 und 1691 bei
Stieler Koye, aus mnd. koje, mndl. koye f. «Ver-
schlag, Stall», nndl. kooi f. «Schiffsbettstelle»,
Nebenform von Kaue (s. d.).
Kokarde, f. (PI. -n): Hutzeichen als Ab-
zeichen, Feldzeichen. Im spätem 18. Jh.
(Schiller 11, 143, Goethe 17, 269) entlehnt aus
gleichbed. franz. cocarde f., urspr. bonnet ä la
cocarde «Mütze mit einer hahnekammähnlichen
Schleife», von coq m. «Hahn».
kokeln, v., md. und nrhein. Form von
gaukeln (s. d.), schon im 16. Jh. beiMelanchthon
kokeln und kökeln, 1495 in der Kölner Gemma
S 4*^ cokelen; daher obersächs. kökeln «kindisch
mit Licht oder Feuer spielen», kekeln «mit dem
Stuhle kippeln, einen Kopfsprung (kekelpurz)
machen».
koken und köcken, v.: laut rülpsen; sich
erbrechend von sich geben. In der letzten Bed.
bei Luther köcken, göcken, 1566 bei Mathesius
Historien 120^ koken; 1517 bei Trochus QS'»
köcken «inilpsen». Noch md. koken, käken,
sthweh.goeggen in beid. Bed. Dazu engl, to keck
«Brechreiz empfinden». Wohl lautnachahmend.
kokett, adj. : gefallsüchtig. 1 694 bei Neh-
ring coqvet, aus gleichbed. franz. coquet, von
franz. coq m. «Hahn», eig. «sich brüstend wie
ein Hahn». Dazu Kokette, f. (PI. -n): gefall-
süchtiges, buhlerisches Weib, 1694 bei Nehring
Coqvete, franz. coquette i. kokettieren, v.:
sich kokett zeigen, im 18. -Jh. aus franz. coquetter.
Koketterie, f.: Gefallsucht, im 18. Jh. aus
franz. coquetterie f.
Kokon, m. (-S, PI. -s): Gehäuse der Seiden-
raupenpuppe. Das franz. cocon m., abgeleitet
1093
EokosniLß
Kollation
1094
von franz. coque f. «Gehäuse, Schale, Raupen-
gespinst», das vielleicht aus gi\-lat. conclia, gr.
KÖTxi f- «Muschel, Muschelschale» stammt.
1801 bei Campe.
Kokosnuß, f.: hartschalige, Milch enthal-
tende Frucht der Kokospalme. 1595 bei Hul-
sius Schilf. 1, 22 Cocos, 1628 bei Münster Cos-
mogr. S. 1605 Cocosbaum, S. 1697 Cocobaum.
Aus span.-port.-frz.-engl. coco m. Unerklärt.
Koks, m. (PI., meist aberSg.): abgeschwe-
felte Steinkohle. Aus dem PI. (cokes) des engl,
gleichbed. coke (in schlechter Schreibg. coake).
Dialektisch bedeutet das Wort auch «Asche»
und «Mark von etwas, Kernhaus». Die ältere
Form ist colke, das mit schwed.-diah kalk
«Mark in Knochen» zu gr. -fe^Tic «Kern im
Knoblauchskopf» gehört. 1813 bei Campe.
Kolben, m. (-5, PI. wie Sg.): Stiel, Stab
mit dickem Knopfe, im Mittelalter als Waffe
des gemeinen Mannes und Abzeichen (urspr.
Wafle) des Narren; kolbenähnlicher Pflanzen-
stengel (mhd. um 1400 in louchkolb m.); der
kupferne oder gläserne Destillierkolben (1650
bei Moscherosch Philander 1, 222); das dicke
Ende des Gewehrs (bei Lessing 8, 121, wie es
scheint schon mhd. im Erec 5387 f. kolbe m.
«die Kuppe des Streitkolbens»); an Dampf-
maschinen der im Treibzylinder sich hin und
her bewegende K. am Ende der Kolbenstange,
im 19. Jh. benannt nach dem K. der alten
Wasserkunst, der an der Kolbenstange befestigt
und in der Pumpenröhre auf und ab steigend
das Wasser dinickt und hebt; nur als Fem.
Kolbe «Kopf des Menschen» (bei Luther 3,
408*'), «kurzgestutzter Haarschopf» (Birlinger
Augsburger Wb. 286* vom J. 1508, mnd. 1559
kolve f.), «Glatze» (1517 bei Trochus Xl''
kulbe f., noch md. ). In 1. Bed. älternhd. Kolbe
(noch bei Schubart 2, 65), Kalb, mhd. kolbe,
ahd. kolbo m., md. im 12. Jh. colvo m. und
colva f. (Germ. 9, 25, "S''); dazu and. kolvo m.,
nnd. kulft., ndl. kolve, kolft, woneben stark-
biegend anord.Ä;o//rm. «Wurfspieß mit kolbiger
Spitze, Klöpfel der Glocke» u.dieAbltg.fci/^/a f.,
dän.kölle «Keule». Urverwandt entweder mit
ir. gulban, kymr. gylfin «Stachel» oder mit lat.
globus m. «Kugel, Haufe, Klumpen». RA. Jeni.
mit Kolbe7i lausen «mit dem Knüppel behan-
deln (eig. scheren) und dadurch zur Vernunft
bringen», aus der Baderstube entlehnt, mhd.
narren mit kolben lüsen.
Kolibri, m. (-5, PI. wie Sg. und -s): das
amerikanische Blumenvöglein. 1727 bei Hüb-
ner Kolibri, 1774 bei Adelung Colibrit m.
(-en, PI. -en) (so schon Fidibus Lpz. 1769 S, 9),
Colibritchen n. Aus span. colibri m.
Kolik, f. (PL -en): Bauchgrimmen, Darm-
gicht. 1664 bei Duez Colick, 1616 bei Henisch
Colica f., 1591 bei Decimator Sylva vocabu-
lorum HhS'^ Xb^c/t, mnd. 1424 kolk f. Aus gr.-
lat. cölica, gr. kiuXikti f. (zu ergänzen vöcoc f.
«Krankheit»), eig. Adj. von küjXov, köXov n.
«Grimmdarm».
Kolk, m. (-es, PI. -e): tiefes Wasserloch
von Ausdehnung; Strudel, Wirbel. In Nord-
deutschland. In der 1. Bed. bei Luther 8. Mos.
11, 36, mnd. kolk, kulk, auch afries. kolk m.
«Grube, Loch, Augenhöhle»; in der 2, Bed.
1691 bei Stieler und 1668 bei Schottel S. 959,
md. 1517 bei Trochus T 4^ und schon im 14. Jh,
bei Jeroschin kolk, mnd. kolk, kulk, ndrhein.
1188 colc m. (Lacomblet Urkdb. 1, 358): dazu
nndl. kolk f. «Abgrund, Strudel». Vielleicht mit
den unter Koks behandelten Worten verwandt.
Kolkrabe, m. (-«, PI. -n): der gemeine
gi'oße Rabe. In Xorddeutschland. 1604 bei
Decimator Gewissensteufel 73 Kolchrabe, 1691
1 bei Stieler Kolkrabe, benannt nach Frisch 1741
I von seiner Stimme, die er im Halse macht, d. h.
von kolken «dumpf gurgeln» (1691 bei Stieler
kolken, gulken, golkeren, um 1480 im Voc. ine.
teut. k 1 ^ golkatzen, Var. golkotzen).
KoUaborätor, m. (-s, PI. -en)-. Schul-
gehilfe. Im 18. Jh., aus mlat. collaborator m.
von colldböräre «mitarbeiten».
Kollaps, m. {-ses, PI. -se): Zusammen-
bruch; schnelle Abnahme der Kräfte. Aus
gleichbed. mlat. coUapsus von colläbäri «zu-
sammenstürzen». Aus der Sprache der Medi-
zin in neuerer Zeit.
Kollation, f. ( PI. -ew) : Vergleichung zweier
Schriften ; Zwischenmahlzeit. In der 1 . Bed. 1531
bei Hedio Josephus Vorr. 5'^ Collation f., 1616
bei Henisch gekürzt Collatz f. «Vergleichung»,
In der 2. Bed. urspr. «Vortrag über Tisch
abends in einem Kloster» (mhd. colläcie f.),
dann «kalte Mahlzeit, Trunk nach derselben»
mhd. collation, colläcie f., verallgemeinert im
16. Jh. Collation, gekürzt Collatz f. (1575 bei
Fischart Garg. 418) mit dem Zeitwort collatzen
(Grimmeishausen Simpl. 2, 598 Klr.), franz.
collation f. «Imbiß». Aus lat. collätio f. «das
Zusammentragen, Zusammentreffen, Vereini-
gung, Vergleichung»; in den Klöstern wurden
beim gemeinsamen Abendessen die Collationes
patrum des Joh. Cassianus vorgelesen. Dazu
kollationieren, v. : vergleichen, 1571 bei Rot
collationirn, franz. collationner.
69*
1095
EoUeg
Kolonialwaren
1096
Kolleg, n. (-[e]s, PI. -im), auch Kolle-
gium: Amtsgenossenschaft und deren Ver-
sammlung; Vorlesung an einer Universität
(1639 bei Zincgref Apophth. 1, 165 Collegien).
Aus lat. collegium n. «Amtsgenossenschaft,
Verbindung zu gemeinsamem Zweck, Innung,
Zunft», im Neulat. auch «Hörerschaft einer
Vorlesung, Universitätsvorlesung vor ständiger
Hörerschaft». KoUöge, m. (-n, PI. -n): Amts-
genosse, 1562 bei Mathesius Sarepta 164^ Col-
lege, aus lat. collega m. «Amtsgenosse, Genosse».
Dazu kollegiälisch, adj.: amtsbrüderlich
(Goethe 5, 1, 176), aus glbd. mlat. collegiälis.
Kollektäneen, PI. : Lesefrüchte, Sammel-
schrift. Im 18. Jh. (noch 1714 bei Wächtler
Collectanea) aus lat. colledänea, PI. von collectä-
neum n. «Zusammengelesnes», demNeutr. des
Adj. collectäneus, abgeleitet von collectus, dem
Part. Pass. von colligere «zusammenlesen».
Kollekte, f. (PI. -n): Beisteuersammlung
(bei Liliencron 3, 26* vom J. 1508 koUec(e); ein
Altargebet (mhd. collecte f.). Aus mlat. collecta f.
«Zusammengetragnes, Almosensammlg. usw.»,
eig. Fem. zum lat. Part, collectus (s. vor. Wort).
kollektiy, adj.: das Einzelne zusammen-
fassend, sammelnd (Wieland Aristipp 2, 26,
Schiller 14, 12), aus lat. collectlvus «zusammen-
gelesen», von Part, collectus (s. Kollektaneen).
Kollektiv, n. (-5, PI. -e) : Sammelname, Sam-
melwort, aus gleichbed. lat. (nomen) collec-
tivuni n.
^Koller, n., seltner m. (-s, PI. wie Sg.):
Halsbekleidung als Teil der Rüstung oder Klei-
düng; am Halse schließender Lederharnisch
füi- Brust u. Rücken (im 16. — 18. Jh.); Manns-
jacke, Wams (1482 bei Melber 0 2^, noch
bayr.); Halskragen (1716 bei Ludwig), Hals-
krause. Auch Goller (Schiller Teil 3, 3 als m.),
bei Luther Koller mhd. gollier, kollier, spät.
goller, koller n. «Halsbekleidung»; auf mhd.
collir, im 15. Jh. gollir, beruhen die um-
gelauteten Formen Koller (bei Alberus dict.
1540 und Stieler 1691, auch nd. im 16. Jh.),
keller (im 15. Jh. bei Diefenbach gl. 132^^) und
Schweiz. Goller n. (bereits im 16. Jh.). Ent-
lehnt aus franz. collier m., von lat. eolläre n.
«Halsband», mlat. collarium, collerium n. «Hals-
rüstung», abgeleitet von lat. collum n. «Hals».
^Koller, m. (-es, PI. wie Sg.): krankhafte
Wunderlichkeit aus innerm Zorn oder innerer
Wut. Im 15. Jh. koler (Diefenbach gl, 1313'),
mhd. um 1300 kolre m. «stille od. ausbrechende
Wut», nd.kuller. Entlehnt aus gr.-lat. cholera f.
«Galle, Gallensucht» (s. Cholera), dann im
Mlat. (wo auch colera) «innere Hitze und er-
hitztes, verbranntes Blut im Körper», ferner
«Aufbrausen im Gemüte, Zorn», woraus auch
ital. collera, früh, colera, franz. colere f. «Galle»,
dann «Zorn, Groll, Grimmigkeit». Aus gr.-lat.
cholera aber ist schon entlehnt ahd, cholaro,
choloro, im 11. Jh. cholere, mhd. kolre m.
«Bauchgrimmen, heftiger Schmerz in Gedär-
men». ABL. kollerig, adj., 1582 bei Fischart
Garg. 348 gallenkollerig. kollern, v.: aus
innerm Zorn, innerer Wut unsinnig sein, von
Menschen bei Luther 1 Sam. 21, 13, närrisch
tun (Werke 8, 67 "^ J.), bei Pferden (6, 145* J.),
dann im 17. Jh. voll Zorn, lärmend zanken,
ungestüm, lärmend reden; zorn-, wuterfüllte
tiefe Töne ausstoßen (1562 bei Mathesius Sa-
repta 302*), vom Truthahn(Simpl. 1,1019 Klr).
Davon KoUerer, m.: kollernder Mensch; kol-
lerndes Pferd (in beiden Bed. 1691 bei Stieler).
kollern, V.: kugeln, rollen, sich fortwälzen;
rollende Laute hören lassen, z. B. im Bauche.
1716 bei Ludwig, nd.-md. kullern, schles. kullen
«rollen», abgeleitet von md. Koller, Kuller f.,
schles.-kurhess. Kulle f. «Kugel», schles. auch
«Walze, Rolle», aus mhd. kugele f. «Kugel».
KoUMt, n. (-[e]s, PI. -e, auch -s): Reitjacke.
Im 17. Jh. (1694 bei Nehring Collef) aus franz.
collett, ital. colletto m. «Halskragen», von lat.
Collum n. «Hals».
Kolli, n. (-S, PI. wie Sg. oder -s), eigent-
lich PI. von Kollo, n.: Warenballen, Fracht-
stück. 1712 bei Hübner Colli, aus ital. colli,
PI. von collo m. «Ballen Ware».
kollidieren, v.: in feindliche Berührung
kommen. 1694 bei Nehring, von lat. collldere
«zusammenschlagen, -stoßen, feindlich anein-
ander kommen. Dazu KollisiÖn, f. (PI. -en):
Widerstreit, 1694 bei Nehring, von lat. colllsio
f. «das Zusammenstoßen»,
Kollier (spr, kolje), n, (-s, PI. -s): Hals-
kette als Schmuck. Im 19. Jh. aus gleich-
bed, franz, collier. Vgl, ^Koller.
Kolon, n, (-S, PI, -5 und Kola): der
Doppelpunkt, 1694 bei Nehring CoZo». Ausgr,-
lat. Colon, gr. küuXov n. «Glied», dann «Glied
einer Periode» (gegliederten Satzverbindung),
in welcher Bed. um 1522 Ickelsamer 46 die
PI. Cola, Colen ebenso wie Commata, Commaten
gebraucht und dabei als Trennungszeichen
dieser Satzglieder : und / angibt.
Kolonialwaren, PI. f.: Aus den über-
seeischen Kolonien bezogne Waren. Zgs. mit
kolonial aus nlat. colöniälis «zu den Kolonien
gehörig». Anfang des 19. Jh. aufgekommen.
1097
Kolonie
Komfort
1098
Kolonie, f. (PI. -[ejn): Pflanzort, Ansiede-
lung. 1617 bei Hulsius Schiff. 13, 7 Colonie.
Aus lat. colönia f. «Ansiedelei» (wovon in j
alter Zeit Köln), von lat. colönus m. «Land-
wirt, Pflanzer». Dazu Kolonist, m. (-en,
PI. -en): Ansiedler, 1741 bei Fiisch. koloni-
sieren, V. : eine Kolonie gründen, bei Goethe
15, 1, 300, aber schon 1575 bei Fischart Garg. '
17 colonisiren «ansässig, einheimisch machen».
Kolonne, f. (PI. -n)-. Säule, Heersäule,
Aufstellung in Ordnung von größrer Tiefe.
1710 beiNehiing Colonne in militärischer Bed.
Aus gleichbed. franz. colonne, ital. colonna f.
«Säule», von lat. colunma f. «Säule». Dazu
Kolonnade, f. (PI. -n) -. Säulengang, Säulen-
halle (bei Herder z. Philosophie 1, 165 Colon-
nade), aus gleichbed. franz. colonnade f., da-
für 1712 bei Hübner Colonnata f.
KolophÖninm, n. (-s): Geigenharz, be-
nannt nach der Stadt Kolophon in Kleinasien,
1565 bei Paracelsus Wundartzney 55 Colo-
fonie, 1678 bei Krämer Golofonien, Colfonien n.
Koloqninte, f. (PI -n): Bitter-, Papier-
gui-ke. Bei Luther (2. Kön. 4. 39) der PI.
Colochinten, Kolquinten, 1536 bei Wicel An-
notationes 1, 126^ Kolokinten, aus mlat. im
15. Jh. coloquintis, gr.-lat. colocynthis, gr.
KoXoKuvGic f.
kolorieren, v.: mit Farbe ausmalen,
färben (1571 bei Rot colorim, 1562 bei Ma-
thesius Sar. 49'', 78* coloriren); nrit künst-
lichen Tonverzierungen singen (1571 bei Rot,
colerieren 1551 bei Scheidt Grobianus7). Aus
lat. colöräre «färben», von color m, «Farbe».
Dazu Koloratur, f. (PI. -en): künstliche
Tonverzierung, 1571 bei Rot Coloratur, in eig.
Bed. «Färbung», 1562 bei Mathesius Sar. 265*'.
Kolorit, n. {-[e^s, PI. -e): Farbeugebung,
im 17. Jh. (1712 bei Hübner Colorit n., 1678
bei Krämer der PI. Coloriten), aus gleichbed.
ital. colorito m,
Koloß, m. (Gen. Kolosses, PI. Kolosse):
Riesensäule, Riesengestalt. Im 17. Jh. bei
Lohenstein Hyacinthen 56 der Plur. Kolossen,
mit schwacher Flexion neben der starken noch
bei Wieland, Goethe, Schiller. Aus gr.-lat.
colossus, gr. KoXoccöc m. «Riesenbildsäule»,
insbesondre die 70 Ellen hohe, dem Sonnen-
gott geweihte eherne auf der Lisel Rhodus.
Dazu kolÖSSisch, adj.: riesenmäßig, über-
groß, ungeheuer, bei Wieland Idris3,58, Herder
z. Philosophie 5, 67, von gr.-lat. colossicus,
gr. KoXocciKÖc. kolossal, adj. (Goethe 31, 72),
aufgenommen aus franz. colossal «riesig-, über-
groß»; davon kolossäliscll, adj., bei Lessing
6, 454, Wieland Suppl. 4, 89, Schiller 7, 8.
kolportieren, v,: von Haus zu Haus
tragen, im 18. Jh. aus franz. colporter, eig.
«am Halse (lat. collum n.) tragen» (lat.portäre).
Dazu Kolporteur, m., 1712 bei Hübner Col-
porteur «mit italienischen und französischen
Galanteriewaren umherwandemder Tablett-
träger», aus franz. colporteur m. Kolpor-
tage (spr. -äze), f. (PI. -n): Hausierhandel,
besonders mit Büchern.
Kolster, m. (-s): zäher Schleim, bei Les-
sing 1, 203, entstanden aus Qualster (s. d.).
■"Kolter, m. (-S, PI. wie Sg.): abgenähte
(Bett-) Decke, Steppdecke. Bei Luther 2. Kön.
8, 15 Kolter, obd. im 16. Jh. und noch heute
meist Golter. Mhd. kolter, golter, üblicher
kulter, gulter m. (noch bayr. Chilter), nd. kolter
«Polster, Decke, worauf man sitzt oder liegt»,
zuweilen auch «Bettdecke». Aus afranz. colstre,
coltre, coutre f., von lat. culcitra f. «Polster,
Matratze». Dagegen entspringt aus der ein-
fachem lat. Form culcita f. das gleichbed.
md. kulte, kolte f., mnd. kolte f., mndl. culct f.
^Kolter, n. (-S, PI. wie Sg.): Pflugmesser,
Sech. Norddeutsch. 1640 bei Colerus Hausb.
4, 60 Kolter, mrhein. im 16. Jh. kolter, kolffter
(Weisth. 2, 538. 597), mehr ndrhein. 1413 kolter
(ebd. 2, 726, 10). Aus gleichbed. afranz. coltre
m., nfranz. coutre, ital. coltro m., von lat. culter
m. «^lesser, Pflugmesser».
Kolumne, f. (PI. -n): bei den Buch-
druckern die Spalte (eig. Schriftsäule) einer
Buchseite, 1774 bei Adelung Columne, 1694 bei
Nehring Columna, aus lat. colunma f. «Säule»,
Kombination, f. (PI. -en): berechnende
Verbindung (fmh im 18. Jh.), aus mlat. combi-
nätio f. kombinieren, v. : berechnend ver-
binden; zusammenfügen (1703 im Zeit.-Lex.).
; Aus spätlat. conibinäre (woher auch franz.
comhiner «je zwei verbinden»), zusammen-
gesetzt aus lat. com- «mit, zusammen», und
einer Ableitung von lat. &m «je zwei».
Kom^t, m. {-en, PI. -en): Schweif-, Haar-
stem, (1579 bei Calepinus) Strobelstern. 1482
im Voc. theut. r2* komet, mhd. comete m.;
dazu ags. cometa m. Aus gr.-lat. cometa, gr.
KoiariTric m., eig. «langes Haar tragender»,
von gr. KÖuri f. «Haar».
Komfort, m. {-s, PI. -s): Behaglichkeit,
Bequemlichkeit, um 1800 entlehnt, bei Goethe
Naturw. Sehr. 4, 142 der PI. Comforts. Aus
! glbd. engl, com fort, mengl. comfort «Stärkung,
I Trost», durch afranz. confort m. «Stärkung»,
1099
Komiker
Kommentar
1100
von lat. confortäre «sehr stärken», za lat. fortis
«stark». Dazu komfortabel, adj.: behaglich,
früher auch bekömmlich (Schiller an seine
Frau vom 10. 3. 1801). Vgl. Ladendorf.
Komiker, m. {-s, PI. wie Sg.): Schau-
spieler füi- lustige Bollen (erst im 19. Jh.).
kömisch, adj.: Lachen erregend (bei Gott-
sched und Geliert 1, 281); närrisch, wunder-
Hch (bei GeUert 4, 66). Jenes von, dieses nach
gr.-lat. cömicus, gr. kuj|uiköc, als Adj. «witzig,
scherzhaft, lächerlich», als männl. Subst. «ko-
mischer Schauspieler, Lustspieldichter», von
Küüiuoc m. in der Bed. «Umzug voll Mutwillen
und Ausgelassenheit» (s. Komödie).
Komitee, n. (-s, PI. -s): leitender usw.
Ausschuß. Bei Norddeutschen öfters Fem.,
vereinzelt auch wohl Mask. Im 17. Jh. auf-
genommen (1703 im Zeit.-Lex.) aus gleichbed.
franz. comite m., und dies aus engl, committee,
eig. «Untersuchungsausschuß von und aus
dem Parlament» (so bei Schiller M. Stuart 1, 7
Komniittee), von engl, commit «übergeben,
anvertrauen». Letztres aber aus franz. com-
mettre «(zu einem Amt) bestellen, abordnen»,
von lat. committere «anvertrauen».
Komma, n. (s. PI. -s und Kommata):
als Interpunktionszeichen der Beistrich, bis
ins 18. Jh. von längi-er Gestalt /. Bei Nehring
1694 Comma, aus gr.-lat. comma, gr. KÖ)x\xa n.
«Ein-, Abschnitt, Glied einer Periode» (wie
noch um 1522 Ickelsamer den PI. Commata,
Commaten gebraucht, s. Kolon), von gr.KÖirreiv
«schlagen, abhauen».
KommandltgesellSCliaft, f.: Handels-
gesellschaft mit stillen Teilnehmern. Zgs.
mit dem glbd. aus franz. commandite ent-
lehnten Kommandite (1801 bei Campe).
Kommando, n. (-s, PI. -s): Befehl, im
17. Jh. (bei Grimmelsh. Simpl. 8 Conimando,
1639 bei Micrälius Pommern 1, 79 gekürzt
Command n.) entlehnt aus gleichbed. ital.-span.
comando m., von dem aus lat. commendäre
«empfehlen» (zusammengesetzt aus com- «mit»,
numdäre «auftragen») gewordnen ital. coman-
dare, span. comandar, franz. Commander «be-
fehligen, gebieten», woher im 16. Jh. kom-
mandieren, V.: befehlen, befehligen (1571
bei Rot commendirn, 1617 bei Wallhausen
Corp. mil. 10 commandiren). Kommandant,
m. (-en, PI. -en): Befehlshaber (1617 im teut-
schen Michel 10, 1642 bei Homburg Clio R 8
und 1646 bei Moscherosch Philander 4, 222
Coiyimendant , 1664 bei Duez Cotumandant),
aus gleichbed. ital.-span. comandante m., dem
als Subst. gesetzten Part. Präs. jenes ital. und
span. Zeitworts. Davon Kommandantur, f.
kommen, v.(Pv&s.komme, kommst, kommt,
Prät. kam, Konj. käme, Part, gekommen): sich
wohin bewegend gegenwärtig werden. Bei
Luther komen, mhd. komen, auch kumen (be-
sonders md.), ahd. queman, dann coman, kuman,
chomen; dazu asächs.-ags. cumun, engl, come,
afries. kuma, anord. koma, schwed. komma,
dän. komme, got. qiman. Urverwandt mit aind.
ga.mati«ge\\X, gehen», awest.j'awaifü< kommt»,
lat. venio (aus *gvenio) «ich komme», gr. ßaiviu
(aus *ßavji'uu) «ich gehe», arm. ekn «er kam»,
ir. fohenat «subveniunt», der alte qu-haut hat
sich in bequem (s. d.) erhalten. Das Präs. lautet
im Sg. bei Luther kome, kompst, kompt und
selten kömpt (die umgelaut. Formen kömmst,
kömmt oft im 17. und 18. Jh., vgl. Lessing
10, 225, noch im 19. Jh. bei Chamisso, Heine,
Rückert), mhd. kume (md. kome), kumest,
kumet, zuweilen kiimet, kümt (andrhein. quimit,
kummit), ahd. quimu (dann cumu), quimist
(dann cumist, chomest), quimit (dann cumit,
chumit noch im 18. Jh. schles. qvimmt, quimt);
das Prät. bei Luther kam, mhd. kom, kam
(md. quam), PI. komen, kämen (md. quämen),
Konj. koeme, kceme (md. queme), ahd. quam,
Cham, PI. quämumes, Konj. quämi; das Part.
Pass. bei Luther und vorwiegend älternhd.
komen, mhd. komen, kumen, zuweilen gekomen,
ahd.' queman, quoman, dann cuman, chomen,
noch heute im Volkston dichterisch oder alter-
tümelnd kommen. In der Weise eines Hilfs-
zeitwortes erscheint kommen dem Part. Prät.
eines anhaltende Bewegung ausdrückenden
Verbums zugesellt, in welcher Verbindung
dies Part, aktiven Sinn hat, z. B. er kommt
geflogen usw., oft im IMhd.
Kommende, f. (PI. -n): Ordenspfmnde.
1581 bei Fischart Binenkorb 223^ Commeiide,
aus mlat. cojumenda f., von lat. commendäre
«anvertrauen, übertragen». Vgl. Komtur.
Kommönt, m. (-s, -s-, spr. Komniq): der
Brauch des Burschenlebens und das Gesetz-
buch darüber, 1795 belegt. Eigentlich das
«Wie», aus franz. cojnment «wie».
Kommentar, m. {-s, PI. -e und -arien):
Erläuterung, Erläuteningsschrift. Bei Lessing
3, 20 vom J. 1750 Commentar, aber schon
1531 bei Hedio Josephus Vorr. S, 2 der PI.
Commentarien, dafüi* im 16. u. 17. Jh. (1508
bei Altenstaig, 95^, bei Luther und Duez)
Comment m. Aus gleichbed. lat. commentärius
m. (eig. Adj., zu ergänzen liher m. «Buch»).
1101
Kommers
Komödiant
1102
kommentieren, v.: erläutern, leQ-iXehi-ing
coynmentiren, aus gleichbed. lat. commentäri.
Kommers, m. (Gen. -es, PI. -e): student. |
Trinkgelage. 1781 bei Kindleben Kommersch, '
bei Campe 1813 Commerce, aus franz. commerce
m. «Verkehr» (s. Kommerz). ZUS. Kommers-
buch, n.: Trinkliederbuch der Studenten.
Kommerz, m. (-es): Handelsverkehr-, aus j
gleichbed. franz. commerce m.., von lat. com-
mercium n. «Handel». 1678 bei Krämer der
PI. Commercien (und schon in den schles.
Acta publica vom J. 1618 S. 225 Commertien)
« Handelschaft». ZUS. Kommerzienrat,
m.: Titel, der an Großkaufleute verliehen wird.
Kommis (spr. Kommi), m. (Gen. u. Plui-. :
ebenso, aber mit gesproch. s): Handlungs-
diener. Das gleichbed. franz. commis, eig.
«Beauftragter», von commettre «beaufti-agen»,
aus dem gleichbed. lat. committere, dessen
Part, Perf. Pass. commissus lautet. Im altem
Nhd. ist K. s. V. a. «Beauftragter, Stellver-
treter» (so noch bei SchiUer 14, 192), dafür
jetzt Kommissar; die jetzige Bed. erscheint
bei Campe 1813.
Kommiß: zm- regelmäßigen Lieferung
an Soldaten Zugerichtetes, im 16. u. 17. Jh.
(1596 bei Fronsperger Kriegsb. 1, 31^ in die
Commiß greiffen, aus der Commiß gehen, 1617
im teutschen Michel 38, 1650 bei Moscherosch
2, 702. 812, aber schon 1555 bei Wickram Koll-
wagenb. 71, 22 Commißmetzger für Lands-
knecht), aus franz. commis, lat. commissus,
Part. Pass, von lat. committere «anvertrauen»,
franz. comtnettre «beauftragen». ZUS. Kom-
mißbrot, n.: Soldatenbrot, schon im 16. Jh.
(bei Hörn Soldatensprache 26 ein Beleg von
1598; 1648 bei Kemnitz schwed. Krieg 1, 160^
Commishrot).
Kommissär, Kommissar, m. i-s, PI. -e) -.
in amtlicher Sendung Betrauter, amthcher
Geschäftsbetrauter. Im 15. Jahrb. (1447 im
Henneberg. Urkdb. 7, Nr. 252 der Sg. com-
missari, bei Janssen Reichscorr. 2, 106 vom
J. 1449 der PL commissarien) entlehnt aus
mlat commissarius m. «mit Besorgung eines
Geschäfts Betrauter, Vollzieher der Testa-
mente», woher franz. commissaire m. und hier-
aus früh im 18. Jh. Commissär. Davon Kom-
missariat, n. {-es, PI. -e), 1564 in den Script.
rer. Siles. 4, 202. Kommission, f. (PI. -en):
Auftrag; Untersuchungsausschuß. In der 1.
Bed. 1495 in den Reichsordn. 18^ Commission,
auch bei Hermann v. Sachsenheim Mörin 2390;
in der 2. Bed. 1447 im Henneberg, ürkdb. 7,
Nr. 252, aus lat. commissio f. «Begehung», im
spätem Latein «Vollmacht», im Mlat. «Auf-
trag». Kommissionär, m. {-s, PI. -e): Ge-
schäftsbevollmächtigter, 1775 bei Adelung, aus
franz. commissionnaire m., von mlat. commis-
sionarius m. Vgl. Kommis.
kommlich, adj.: bequem, passend, dien-
lich, zuträglich. Schweiz.-elsässisch, daher
bei Schiller Teil 4, 1 (V. 2128). :Mhd. komlich,
Schweiz, im 15. Jh. kumlich. Zgs. mit kommen.
kommöde, adj.: bequem. Im 17. Jh.
commode, aus gleichbed. franz. commode, von
lat. commodus «bequem». KommÖde, f.
(PI. -n): Schiebkastenschrank. Im 18. Jh.
Commode (Zachariä Phaeton 1, 33, Hermes
Soph. Reise 1, 532) aus gleichbed. franz. com-
mode f., dem substantivischen Fem. des Adj.
commode. Kommoditat, f.: Bequemlich-
keit; (verhüllendj Abtritt. In der 1. Bed.
bei Grimmeishausen Simpl. 1, 868 Klr. Commo-
dität, aus franz. commodite f., von lat. com-
moditas f. «Bequemhchkeit».
Kommune, f. (PI. -n): Gemeinde. Schon
spätmhd. kommüne f., aus franz. commune f.,
das auf lat. commünio f. «Gemeinschaft» zu-
i-ückgeht, von communis «gemein», kom-
munal, adj.: was zur Gemeinde gehört. Aus
gleichbed. lat. cömmünälis. Im 19. Jh.
Kommunikant, m, (-en, PI. -en): Emp-
fänger des heiligen Abendmahls. Bei Luther
4, 316^ J. Communicanten, aus lat. commüni-
cans (Gen. communicantis) , Part. Präs. von
co/»wi«?»'cäre «gemeinschaftlich machen, etwas
mitteilen», woher kommunizieren, v. : dui-ch
Mitteilung gemeinschaftlich machen (1616 bei
Henisch communiciren): gemeinschaftlich zum
heil. Abendmahle gehen (bei Luther 5, 82*
communiciren). Kommunion, f.: Empfang
des heil. Abendmahls, bei Luther 5, 96'' Com-
munion, aus lat, commünio f. «Gemeinschaft»,
im 4. Jh. «das heil. Abendmahl», von lat.
communis «gemeinschaftlich». Kommunis-
mus, m.: Gütergemeinschaft. Aus nlat. com-
munismus. Ebenso wie Kommunist, m.,.
politisches Schlagwort seit 1840. VgL Laden-
dorf und ZfdW. 8, 18.
Komödis'int, m. (-en, PI. -en): Schau-
spieler. 1617 im teutschen Michel 25 und
1620 bei Albertinus Lustgarten 265 Gomediant,
1689 bei Zincgref 1, 304 Comoediant, 1691 bei
Stieler Komödiant neben Komediant und Kom-
mediant, nach gleichbed. ital. commediante m.,
dem als Subst. gebrauchten Part. Präs. von
comtnediare «Lustspiele aufführen», zu ital.
1103
Kompagnie
Kompliment
1104
commedia f. «Lustspiel», aus gr.-lat. comoedia f.
Daher komödiantisch, adj., 1712 bei Hübner
comödiantisch, 1694 bei Nehring coniediantisch.
— Komödie, f. (PI. -n): Lustspiel (im 17.
und 18. Jh. Schauspiel, Theater überhaupt,
nach franz. comedie f.). Im 15. Jh. mrhein.
coniedie (bei Diefenbach gl. IB4:'^), 1517 comedi
f. (vocabula pro juventute Bl. 23*), 1639 bei
Zincgref 1, 304 Comoedie, 1691 bei Stieler Ko-
mödie neben Komedie und Kommedie, aus gr.-
lat. comoedia, gr. Kuu.uoibia f. «Lustspiel», im
Griechischen eig. wohl «Festgesang», zgs. aus
KuJuoc m. «festlicher Aufzug mit Musik, Ge-
sang und Tanz», zunächst zu Ehren des Gottes
Dionysos, und üjbr) f. «Gesang» (s. Ode). Vgl.
komisch, Komiker.
Kompagnie, Kompanie (spr. Kompani),
f. (PI. -w): zu etwas verbundne Gesellschaft;
Abteilung Soldaten unter einem Hauptmann.
Das franz. cotnpagnie f., das zurückgeht auf
ein mlat. companium n. «Gesellschaft», eig.
«Brotgenossenschaft», zgs. aus lat. com- «mit»
und einer Ableitung von pänis m. «Brot».
Schon mhd. kompanie, kumpanie f. «Gesell-
schaft», dann im 16. Jh. in der Bed. «Handels-
gesellschaft»; alsHeeresabteilung 1617bei Wall-
hausen Corp. mil. 12. — Kompagnon (spr.
kompanJQ), m. (-s, PI. -s): Geschäftsteilhaber.
Das franz. compagnon, ital. compagnone m., eig.
«Genosse». Schon 1515 im Eulenspiegel Kap.
39 companion in der Bed. «(Handwerks-) Ge-
nosse, Mitgesell». Vgl. Kumpan.
kompakt, adj.: dicht, gedrängt. 1716 bei
Ludwig compact, aus franz. compacte, von lat.
compacfiis «gedrungen».
Kompanie, s. Kompagnie.
KomparatiT, m. (s, PI. -e): Vergleichs-
stufe, höhre Stufe des Adjektivs und des Ad-
verbs in der Grammatik. Aus lat. (gradus)
comparätivus m,, eig. Adj. von comparätus, dem
Part. Perf. Pass. von comparäre «vergleichen».
Kompaß, m. (Gen. Kompasses, PI. Kom-
passe): Magnetnadel mit Büchse (im 17. und
18. Jahrb. auch «Taschensonnenuhr» für die
Keise, 1678 bei Krämer «Zirkel», daher die
sprichwörtliche RA. Einem den K verrücken
«seine Pläne vereiteln», (1605 bei Hulsius).
Ln frühen 15. Jh. compas, daneben compast,
1540 bei Albenis dict. ee3'' Compaß (aber
bereits 1253 bei Heinrich von Krolewiz Vater-
unser 1468 f. und um 1190 im Gedicht La
Bible des Guyot de Bercy aus Provins be-
schrieben). Aus ital. compasso m. «Kompaß,
Zirkel», nebst ital. compassare «abschreiten, ab-
messen» abgeleitet von \ai. passus m. «Schritt».
Jetzt betont Kompaß, aber bei Opitz, A. Gry-
phius, Hoffmannswaldau, Canitz usw. Compaß.
Kompendium, n. (-s, PI. -dien): kurz
gefaßtes Lehrbuch, Abriß. Aus lat. compen-
dium n. «Ersparnis» (an Arbeit). Im 17. Jh.
Kompensation, f. (PI. -en): Ausgleichung,
Entschädigung, Aufrechnung. Aus gleichbed.
franz. compensation f. und dies aus lat. com-
pensatio f. von com-pensäre «gegeneinander
abwägen», wovon kompensieren, v.: auf-
rechnen. Beide im 17. .Ih.
Kompetent, m..{-en, Pl.-en): Mitbewerber
um ein Amt, 1678 bei Krämer, kompetent,
adj.: zuständig, befugt, 1714 bei Wächtler
competente, von lat. competens (Gen. compe-
tentis, in der mlat. Rechtssprache «gebühr-
lich, zuständig»), dem Part. Präs. von compe-
tere «zusammentreffen, gemeinsam erstreben».
Kompetenz, f.: Mitbewerbung, Zuständig-
keit (1678 bei Krämer Competentz), aus lat.
competentia f. «Zusammentreffen», im Mlat.
«Mitbewerbung».
Kompilation, f. (PI. -en): Zusammen-
stoppelung aus Büchern, kompilieren, v.:
(aus Büchern) zusammenstoppeln. Erst im
18. Jh. aus lat. compüäre «plündern», com-
pilätio f. «Plünderung».
komplett, adj.: vollständig, 1678 Krämer
complet, aus gleichbed. franz. complet, von
lat. completus «vollgefüllt, vollständig», dem
Part. Perf. Pass. von lat. complere «an-, voll-
füllen». Davon komplettieren, v.: ver-
vollständigen, ergänzen, 1703 im Zeit. -Lex.
completiren, aus gleichbed. franz. completer.
Komplex, m. {-es, PI. -e): Zusammen-
fassung, Zusammengefaßtes. Oft bei Goethe
(3, 368; naturw. Sehr. 6, 9). Aus lat. com-
plexus m. «das Umfassen».
Komplice, m.(-?i, Pl.-w): der Mitschuldige,
Helfershelfer. Ende des 17. Jh., aus gleich-
bed. franz. complice m., von lat. complex m.
(Gen. compUcis) «Verbündeter, Teilnehmer».
kompliziert, adj. : verwickelt. Bei Campe
1801. Das Part. Perf. Pass. von komplizieren,
lat. complicäre «zusammenfalten, -wickeln».
Kompliment, n. {-es, PI. -e): Verbeu-
gung; Empfehlung; Höflichkeitsbezeigung,
Artigkeit. Im 17. Jh. (1615 bei Albertinus
Landstörzer 255 der PI. Gomplimenten), aus
gleichbed. franz. compliment und dies aus ital.
complimento m. ' Davon komplimentieren,
V., 1669 im Simplic. 217 complimentiren, aus
franz. complimenter, ital. complimentare.
1105
Komplott
Konferenz
1106
Komplott, n. {-[e]s, PL -e): geheime Yer-
bindung zu Schlimmem; Meuterei. Im 17. Jh.
(1686 bei Liebe) aus dem in seinem Ursprung
dunklen franz. complot m. «heimlicher böser
Anschlag unter Mehrem» (in der ersten Hälfte
des 16. Jh. «Verabredung, Übereinkunft»).
Davon komplottieren, v., im 17. Jh. aus
franz. comploter.
komponieren, v.: eine Tondichtung schöp-
ferisch zusammensetzen. 1571 bei Eot com-
ponirn, aus lat. compönere «zusammensetzen».
Komponist, m. {-en, PI. -en): Tonsetzer,
bei Luther Briefe 4, 586 und bei Rot 1571
Componist Komposition, f. (PI. -en): Zu-
sammensetzung (um 1522 bei Ickelsamer 32
Coniposition der Wörter); Metall- oder Erd-
mischung (Zimm.-Chron.- 4, 139, 8); Ton-
dichtung (1571 bei Rot). Aus lat. compositio
f., «Zusammensetzung».
Kompost, m. (-[e'ls, PI. -e): gemengte
Düngererde. Neures Lehnwort der Gärtner
und Winzer aus gleichbed. franz. compost m.,
mlat. compostum n. «Dünger», von lat. com-
positum «Zusammengesetztes» (s. Kompott).
Kompott, n. (-[e].s, PI. -e): eingemachtes
gedämpftes Obst, bei Campe 1801, aus gleich-
bed. franz. compote f., ital. composta f., aus
lat. composita, dem Fem. des Part. Perf.
Pass. compositus von compönere «zusammen-
setzen». Dafür im 16. bis 18. Jh. Compost m.
(1567 bei Junius 111% Schlehenkompost 1575
bei Fischart Garg. 210).
kompreß, adj.: zusammengedrängt, enge.
Im 17. Jh., aus lat. compressus «knapp, enge»,
dem Part. Perf. Pass. von comprimere « zu-
sammen dnicken, -pressen». Davon Kom-
presse, f. (PI. -n): Umschlag um eine Wunde,
Beule und ähnliches. 1813 bei Campe.
Kompromiß, m. und n. (Gen. -sses, PI.
-sse): gegenseitige Übereinkunft, besonders
streitiger Personen; Urteil, dem sie sich unter-
werfen. Im 15. Jh. compromiss n, (Öheim
154, 13), aus lat. cotnprömissum n. «gegen-
seitiges Versprechen», dem substantivischen
Neutr. von comprömissus , Part. Perf. Pass.
von compromittere (s. d. folg.).
kompromittieren, v.: (dem Schimpfe)
bloßstellen. Im 17. Jh. compromittiren (1694
bei Nehring), aus gleichbed. franz. compro-
mettre, von lat. compromittere «gegenseitiges
Versprechen geben».
Komtur, m. (-s, PI. -e) -. Ordenspfründner ;
Vorgesetzter eines Ordenshauses oder Oi-dens-
gebietes. Mhd. kommentiur, commendür, kome-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
dür, kumtürm.., aus afvajiz.com}n€nd€or (nfranz,
commandeur), von mlat. commendator m. «Be-
fehlshaber eines geistlichen Ordensgebietes
oder Ordensgutes», von lat. commendäre «emp-
fehlen», im Mlat. «befehlen». Vgl. Kommende.
kondensieren, v. : eindämpfen, eindicken.
Xach lat. condensäre «dicht machen, zusammen-
pressen». 1791 bei Roth.
Kondition, f. (PI. -eyi): Bedingung; Zu-
stand; Dienst. Im 16. Jh. Condition f. «Be-
ding, Vorschlag» (1580 bei Schwartzenbach
Syn. 14*), «Dienst, Stelle» (bei Luther Briefe
5, 528), aus lat. conditio f. «Bedingung, be-
dungene Übereinkunft», von condere «zu-
sammengeben». ABL. konditionieren, v.:
in Diensten stehen. Im 17. Jh.
Konditor, m. {-s, PL wie Sg.): Zucker-
bäcker. 1716 bei Ludwig Conditor, 1728 bei
Sperander Conditer, aus lat. conditor m., von
condire «durch Zutaten lecker machen, Früchte
einlegen» (1616 bei Henisch Co/iJ?'^« Konfekt»,
ebenso mhd. condiment n. aus lat. condlmentum
n.). ABL. Konditorei, f.: Zuckerbäckerei
Kondolenz, f.: Beileidsbezeugung. Im
17. Jh. ibei Schuppius 617 Condolentz), aus
gleichbed. ital. condolenza f. kondolieren,
V.: sein Beileid bezeugen, 1694 bei Xehring
coTidoliren, von lat. condolere «sehr leiden»,
dann «Mitleid, Beileid bezeugen».
Kondor, m. (-s, PL -e) -. südamerikanischer
Greii'geier. 1721 bei Jablonski, über span.
condor m. aus peruanisch cuntur.
Kondottiere, m. (-s, PL -w und Km-
dottieri): Führer einer Söldnerbande. Aus
gleichbed. ital. condottiere (14. Jh.), abgeleitet
von ital. Part. Perf. Pass. condotto, lat. con-
ductus, zu ital.-lat. condücere «führen».
Kondukteur, (spr. -ör), m. {-s, PL -e):
Begleiter, Schaffner. Aus franz. conducteur
«Leiter», von conduire «führen». 1728 bei
Sperander.
Konfekt, n. (-5, PL -e): Zuckergebacknes.
!Mhd. im 14. Jh. confect n,, aus gleichbed. mlat.
confectum n., urspr. Xeutr. des Part. Perf. Pass.
von conficere «verfertigen». Konfektion, f.
(PL -en) : Anfertigung von Kleidern usw. Aus
gleichbed. franz. confection f , nlat. confectio f.
Im 19. Jh. Davon Konfektionsgeschäft, n.
Konferenz, f. (PL -en): Beratschlagung,
1678 bei Krämer Conferentz, aus mlat. con-
ferentia f. «Unterredung», von lat. conferre
«zusammentragen, mitteilen», konferieren,
V.: gemeinschaftlich beraten; (ein Amt) über-
tragen. Früh im 16. Jh. (bei Fischart Garg.
70
1107
Konfession
König
1108
274 conferieren in der 1. Bed.), aus gleich-
bed. franz. conferer, von lat. conferre «mit-
teilen, zuwenden».
Konfession, f. (PI. -e») : Bekenntnis (mhd.
confession f.); Eeligions-, Glaubensbekenntnis
(nacb der confessio Augustana von 1530, bei
Rot 1571 Confession), aus lat. confessio f. «Be-
kenntnis», von confiteri «bekennen».
konfirmieren, v.: rechtskräftig bestä-
tigen (mhd. im 13. Jh. confirmiren Geimania
28, 363); zur Bestätigung des Tauf bundes ein-
segnen (1534 bei Franck Weltb. 127 ** con-
firmieren), aus lat. confirmäre «festmachen,
bestätigen». Konfirmand, m. (-en, PI. -e?i):
der als Mitglied der christlichen Kirche be-
stätigt und eingesegnet werden soll, aus lat.
confirmandus, dem Part. Perf. Pass. von con-
firmäre. Konfirmation, f. (PI. -en) : rechts-
kräftige Bestätigung (1487 im Stadtrecht von
Gera Einleit. confirmacion) ; Investitur (im
15. Jh. confirmaz f.); Einsegnung zui' Be-
stätigung des Tauf bundes (1534 bei Franck
Weltbuch 127*' Confirmation); aus lat. con-
firmätio f. «Befestigung, Bestätigung».
konfiszieren, v.: gerichtlich einziehen.
1507 bei Janssen ReichscoiT. 2, 738 confisciren,
aus lat. confiscäre «füi- die kaiserliche Schatz-
kammer (lat. fiscus m.) einziehen». Kon-
fiskation, f.: Verfallserklärung, aus lat. con-
fiscätio f. «Vermögenseinziehung». Im 17. Jh.
Konfitüren, PI.: Eingemachtes; Zucker-
gebäck. Aus gleichbed. franz. confiture f., das
auf lat. confectüra f. von conficere (s. Konfekt)
zumckgeht. 1711 bei Eädlein,
Konflikt, m. (-[e]s, PI. -e): feindlicher Zu-
sammenstoß. Im 18. Jh., aus gleichbed. lat.
conflictus m., von confligere «feindlich zu-
sammenstoßen».
Konföderation, f. (PI. -en) -. Verbindung
(im 17. Jh.). konföderieren, v.: verbünden,
im 17. Jh. (bei Nehring) aus lat. confoederäre
«durch Bündnis vereinigen», davon (um 400
n. Chr.) lat. confoederätio f. «Bündnis».
konform, adj.: gleichförmig, überein-
stimmend. Im 17. Jh. (bei Xehring con form),
aus glbd. späterlat. conformis, von lat. forma f.
«Form».
konfrontieren, v.: zum Verhöre Stirne
gegen Stirne, d. h. gegenüberstellen, 1616 bei
Henisch confrontiren, aus mlat. confrontare^
von lat. frons f. «Stirne». Konfrontation, f.,
mlat. confrontatio f. 1728 bei Sperander.
konfus, adj.: verwirrt, im 16. Jh. in der
Zimm. Chron. - 1, 529, 23 confus, aus glbd.
lat. confUsus, Pai't. Perf. Pass. von confundere
«zusammengießen, verwiiTen». Konflisiön, f.
(PI. -en): Verwirrung, Durcheinander. 1571
bei Rot Confusion, aus glbd. lat. confusio f.
Kongreß, m. (Gen. -sses, PI. -sse): Zu-
sammenkunft von Abgeordneten in Staats-
angelegenheiten. 1703 im Zeit.-Lex. Congreß,
aus lat. congressHS m. «Zusammenkunft».
König, m. (-S, PI. -e): Fürst der höchsten
Würde nach dem Kaiser. Bei Luther Konig,
König, md. im 15. Jh. konig. mhd. künec, ahd.
kuning, (mit Auswerfung des jS'asals wie in Ho-
nig, Pfennig, verteidigen) kunig m.; dazu asächs.
cuning, mnd.ko7iink, mnd]. coninc, afries.kining,
ags. cyning, cyng, engl, king, anord. konungr,
köngr m., schwed. konung, kung, dän. ko7ige
(got. dai^ürßiudans m.). Mittels der Ableitungs-
silbe -ing von got. kuni, ahd. cunni, mhd.künne,
asächs. cunni, ags. cyn, anord. kyn n. «Ge-
schlecht» (s. Kind), also eig. «Mann von edlem
Geschlecht». Doch scheint neben ahd. chuning,
ags. cyning ein aus ahd.chuniriche, ag&.cynerice
n. (Königreich), cynecyn n. (Königsgeschlecht),
cynelic (königlich) sich ergebendes ahd. chuni,
ags. cyne «König» vorhanden gewesen zu sein,
von dem jene alten Formen für König abge-
leitet sein könnten, bekräftigt durch die Ab-
leitimg des anord. konungr von konr m. «Mann
vornehmer Abkunft», demnach eig. «Sohn eines
Mannes von edlem Geschlecht». Nach Tacitus
Germania 7 wählten die Germanen die Könige
nach edler Geburt. Mit einem unmittelbar
dahinterstehenden Eigennamen bleibt König,
das man mit diesem als eins ansieht, unver-
ändert und wird nur jener Name dekliniert,
z. B. mhd. künec Ärtüses hof, nhd. König Fried-
richs Macht; hat aber K. den bestimmten
Artikel vor sich, so bog mhd. nur der Name,
z. B. des künic Günther es man, oder auch
zugleich künec, z. B. von des küneges Sige-
bandes wihe (Gudnin 156, 4), doch biegt heute
nur König, z. B. des Königs Karl. Mit einem
Beinamen dekliniert man z, B. König Fried-
richs des Großen, aber des Königs Friedrich
des Großen. ABL. Königin, f. (PI. -neu),
bei Luther Königin, mhd. küniginne, küne-
ginne und künigin, künegln, md. küniginne,
ahd. kunninginna und kunningin, mnd.-mndl.
koninghinne f. königisch, adj., bei Luther
und Goethe, ahd. chuningisc, jetzt veraltet.
königlich, adj., mhd. küniclich, küneclich,
ahd. kuninglih, kimiglih, anord. konungligr,
engl, kingly, aber ags. cijnellc. Königtum,
n., 1691 bei Stieler verzeichnet als frühres,
1109
Konjektur
Konnetal)el
1110
nicht mehr gebrauchtes Wort für Königreich;
nach Heynat^ Antibarb. 2, 195 von Wieland
für franz. royaute f. aufgebracht; aber asächs.
cuningdörn m., mndl. koninkdom, ags. cyning-
dorn m., engl, kingdom. anord. konungdömr m.
ZUS. Königreich, n., mhd. kUnicnche, ahd.
kuningnchi, ags. cyningrice und cynerlce n.
Königskerze, f.: die schöne gelbe Twie Gold
der Königskrone blinkende) Wollblume mit
kerzengeradem hohen Stengel, im 15. Jahrh.
konigis kercz (Diefenbach gl. 573^). KÖnigS-
SChnß, m.: bester Schuß beim Scheiben-
und Vogelschießen, der zum Schützenkönig
macht, 1691 bei Stieler.
Konjektur, f. (PI. -en): Vermutung, Mut-
maßung, 1571 beiPiot, aus glbd.lat. co?n'ecf«ra f.
konjugieren, v.: das Zeitwort biegen,
in der kursächs. Schulordnung von 1580 con-
jugiren, aus lat. co/aw^äre« verbinden». Kon-
jugation; f. (PI. -en): Zeitwortbiegung, bei
lj\ither8,lBö^ Coniugation, aus lat. coniugätio f.
«Verbindung», bei den lat. Grammatikern «die
Biegung des Verbums», wofüi- Schottel 1641
Zeitwandehing, Gottsched 1748 Abwandelung.
Konjunktion, f. (PI. -en): Verbindung
(bei SchiUer WaU. Tod 1, 5 V. 401); Binde-
wort (1690 bei Bödiker 233 f. Conjunction),
aus lat. coniunctio f. «Verbindung», bei den
lat. Grammatikern «Bindewort» (von lat. con-
jungere «verbinden»), dafür 1641 bei Schottel
Fügewort, 1691 bei Stieler Fügwort, l'i AS bei
Gottsched Bindeicort.
konkäy, adj.: hohlrund. 1728 bei Spe-
rander, aus lat. concavus «gewölbt».
Konklave, n. {-s, PI. wie Sg.): ver-
schloßnes Papstwahlgemach ; Papstwahlver-
sammlung, 1703 im Zeit.-Lex. Aus lat. con-
cläve n. «Verschluß».
Konkordanz, f. (PI. -en): Findeverzeichnis
der Bibelspiüche nach ihrer Übereinstimmung.
Im 16. Jh. (1571 bei Rot Concordantz), aus
glbd. mlat. fl3. Jh.) concordantia f., von lat.
concordäre «übereinstimmen». Schon iml5.Jh.
bei Wolkenstein concordantz f. «Einklang».
Konkordat, n. {-s, PI. -e): Vertrag eines
weltlichen Fürsten mit dem Papst in Kirchen-
sachen. Aus gleichbed. mlat. concordatum n.,
von lat. concordäre «zusammenstimmen, in
Eintracht bringen».
Konkubine, f. (PI. -»): Beischläferin,
Kebsweib, spätmhd. concubine, aus gleichbed.
lat. concuMna, dem Fem. von lat. concuhmus
m. «Beischläfer», zu lat. concumhere «be-
schlafen». 1572 bei Rot. Konkubinat, n.
{-[e]s, PI. -e): wilde Ehe, aus lat. concu-
Mnätus m. «außereheliche Geschlechtsverbin-
dung». 1728 bei Sperander.
konkurrieren, v. : sich mitbewerben, im
17. Jh. (aber 1571 bei Rot concurrirn in der
eig. Bed. «zusammen- oder mitlaufen»), aus
\dX. concurrere ^xmi-, zusammenlaufen». Kon-
kurrent, m. {-en, PI. -en): Mitbewerber, im
17. Jh. aus lat. concurrens, Part. Präs. von
concurrere. Konkurrenz, f. (PI. -en) : Mitbe-
werbung, im 17. Jh., aus mlat. concurrentia f.
Konkurs, m. (Gen. -es, PI. -e) : Zusammen-
lavtf, besonders der Zusammentritt der Gläu-
biger zur gerichtlichen Teüung des für ihre
Fordeningen unzureichenden Vermögens eines
Schuldners. Im 17. Jh. (bei Xehring) Concurs
m. «Zusammenlauf, Zusammenkunft, Ver-
sammlung der Gläubiger», aus lat. concursus
m. «Zusammenlauf». Vgl. Gant.
können, v. (Präs. kann, PI. können, Prät.
konnte, Konj. könnte, Part, gekonnt): geistig
innehaben und ausüben; Fähigkeit, Möglich-
keit wozu haben. Mit ö aus dem Md., mhd,
kunnen, künnen, ahd. kunnan, in ältester Zeit
nur «geistig innehaben»; dazu asächs. -ags.
cunnan, afries. kunna, konna, anord. -schwed.
kunna, dän. kunne, got. kunnan «kennen,
wissen». Daneben ahd. cnäan (in den Kompos.
int-, ir-, hicnäan) «kennen», entsprechend ags.
cnäwan, engl, know «kennen, erkennen», anord.
k)iä «können, vermögen». Urverwandt mit
lat. nöscere «kennen», co-gnöscere (Perf. co-
gnövi) «erkennen», nötus «bekannt», gnäi'us
«kundig, bekannt», gr. fiTviücKciv «erkennen»,
Yviücic f. «Erkenntnis», ir. od-^ewsa «erkannte»,
gnäth «bekannt, gewohnt», abg. znati «er-
kennen», lit. zinoti «kennen, einsehen», aii-.
gnäth «bekannt», aind. jäwäw? «ich erkenne»,
aw. zan- «kennen», arm. caneay «kannte»,
alb. riok «kenne». Das Präs. lautet mhd. kan,
PI. kunnen (künnen, können), ahd. chan. kan,
PI. kunnun, ags. can, cunnon, got. kan, kunnum:
das Prät. noch ältemhd. kunte \kunt d. j.
Goethe 3, 494, kunnt H. Heine 1, 18), mhd.
künde, konde (Konj. künde, künde), ahd konda,
auch konsta, got. kunpa; das Part, älternhd.
gekonnt, gekönnt, mhd. gekunnet und kunnen
(noch nhd. bei einem Inf., z. B. er hat es tun
können ), ags. cvT^, ainnen, got. kunps f vffl.kwid).
Konnetäbel, m. (-s. PI. -s): Kronfeld-
herr. Im 17. Jh. Connefable, aus gleichbed.
franz. connetahle, ital. contestabüe, connestabüe,
Span, condestable m., urspr. «Oberstallmeister»,
von mlat. constabulus m., zgs. aus comes stabidi
70*
1111
Konnexion
Konstabel
1112
«Stallmeister» (lat. comes m. «Begleiter», im
Spätlat. «Inhaber eines Hof-, Staatsamtes»,
und lat. stabulum n. «Stall»).
Konnexion, f. (PI. -en): einflußreiche
Verbindung. Im 17. Jh. Connexion (bei Neh-
ling), aus franz. connexion f. «Verbindung»,
von lat. connexio f. «Verknüpfung», zu lat.
connectere «zusammenknüpfen».
Konrad, Mannsname. Mhd.-ahd. Kuonrät,
ags. Cenred. Zgs. aus kühn und Rat. Dazu
die Koseformen Kurt, nd. Kord, und Kunz,
mhd. Kuonze, Kunze, ahd. Ohuonzo, Cunzo.
Konrektor, m. {-s, PI. -en): Mitrektor
(zweiter Lehrer) einer Schule. Neulateinisch.
konsekrieren, v.: weihen, einweihen.
Mhd. consacrieren, md. consecriren (Germania
18, 266), aus lat. consecräre.
Konsens, m. (Gen. -es, PI. -e): Zustim-
mung. Im 15. Jh. (1411 bei Janssen Reichs-
corr. 1, 217 consensbrief), aus lat. consensus
m. «Übereinstimmung».
konsequent, adj.: folgerecht. Im 18. Jh.
aus lat. consequens (Gen. consequentis), dem
Part. Präs. von lat. consequi «nachfolgen,
logisch folgen». Konsequenz, f. (PL -en):
Folge, bei Luther 7, 253^ Consequentz, aus
gieichbed. lat. eonssquentia f.
konseryatlV, adj.: erhaltend. Aus engl.
conservative von einem. lAat. conservativiis «er-
haltend» zu lat. conserväre, s. konservieren.
Seit 1831 in England als politisches Schlag-
wort belegt und bald danach als Name einer
bestimmten Partei auch in Deutschland ver-
breitet. Vgl. Ladendorf.
Konservatorium, n. (-s, PL -rien): höhre
Schule für Musik. Latinisiert nach gieich-
bed. franz. conservatoire (so noch 1813 bei
Campe) von lat. conserväre, s. d. folg., also
eig. «Ort zur Erhaltung (der wahren Musik)».
konservieren, v.: erhalten, bewahren.
1571 bei Rot conservirn, aus gieichbed. lat.
conserväre. Konserve, f. (PL -n): einge-
machte Früchte, Gemüse usw. 1580 bei Sebiz
Feldbau 70 Gonserf f., 1616 bei Henisch Gon-
serv f. (eingezuckerte Blumen und Kräuter),
1546 bei Bock 2, 20^ Gonserva f., aus mlat.
conserva f.
konsistent, adj.: dicht, dauernd, haltbar.
Aus lat. consistens (Gen. consistentis) , dem
Part. Präs. von consistere «sich hinstellen,
seinen Stand haben, feststehen, bestehen».
Davon Konsist^nz, f.: Bestand, Dichtheit,
Dauer, 1716 bei Ludwig Gonsistenz, franz.
consistance, ital. consistenza f.
Konsistorium, n. {-s, PL -rien): Ver-
sammlung; zusammengesetzte geistliche Be-
hörde (1562 bei Mathesius Sarepta 193^ Gon-
sistorium). Mhd. consistorium n. «Sitzung
unter Vorsitz des Papstes» (Ottokar 19471),
aus lat. consistorium n. «Versammlungsort»,
von lat. consistere «sich hinstellen».
konskribieren, v. : Mannschaft ausheben
zum Soldatendienste. Im 17. Jh. conscribiren
(aufschreiben, viel Schi-eibens machen), um
1800 in der Bed. «zum Kriegsdienst auf-
schreiben und ausheben», aus gieichbed. lat.
conscrihere. Konskription, f. (PL -en):
Aushebung zum Kriegsdienst. Bei Goethe
7, 22. Nach gieichbed. franz. conscription f.
(1798), aus lat. conscriptio f. «Aufzeichnung».
Konsöle, f. (PL -n): Kragstein, Wand-
gestell, Träger für Statuetten u. a. Aus glbd.
franz. console f., das vielleicht von consoler
«trösten» stammt. Bedeutungsentwicklung:
Trost, Stütze, Stützbänkchen. 1791 bei Rot.
Konsöls, pL: Staatspapiere. Aus engl.
consols. Im 19. Jh.
Konsonant, m. [-en, PL -en): Mitlauter.
1478 bei Nicl. v. Wyle 350, 30 consmant, 352, 6
consonanten, um 1522 bei Ickelsamer 11
Konsonant Mitstymmer. Aus gieichbed. lat.
(litera) consonans f., eig. Part. Präs. von con-
sonäre «mitertönen». Davon konsonan-
tisch, adj., 1593 bei Helber 5 consonantisch.
Konsonanz, f. (PL -en): Einklang, im 18. Jh.
Gonsonanz, aus gieichbed. lat. consonantia f.
Konsorte, m. {-en, PL -en): Mitgenosse,
Teilnehmer, jetzt meist in anrüchigem Sinne.
1562 bei Mathesius Sarepta 60'' der PL Gon-
sorten, aus lat. consors m. (Gen. consortis)
«Teilhaber».
konspirieren, v.: übereinstimmen, sich
verschwören. Bei H. Sachs Fab. 359, 100.
Aus gieichbed. lat. conspiräre. Konspira-
tion, f. (PL -en): Übereinstimmung, Ver-
schwörung, 1509 bei Brant Layenspiegel C 6^
Gonspiration , im 15. Jh. bei Öheim 112, 8
conspiraz f., aus gieichbed. lat. conspirätio f.
Konstäbel, m. (-s, PL wie Sg.): Feuer-
'. werker, Stückmeister, Kanonier, 1617 im teut-
schen Michel 18. Aber Voc. ex quo von 1469
constahel m. «adelicher Fürstenbote», mhd. con-
stabel m. «Anführer, Befehlshaber», aus mlat.
constahulusis.Konnetabel); spätrahd, cowstouei,
kunstdbel m. «Mitglied der patrizischen Gelags-
genossenschaft in den Reichsstädten, Junker».
Konstäbler, m. {-s, PL wie Sg.): Stück-
meister, Kanonier; (englischer) Polizeidiener.
1113
konstant
Kontinent
1114
1650 bei Moscherosch Phil. 1, 170 Constäbler,
aber mhd. kunstofeler m. «Koimetable» (s. d.),
aus mlat. constahularius m. «Heerführer, Be-
fehlshaber zur Lager- od. Festungsbewachung».
konstant, adj. : behan-lich, unveränderlich,
1728 bei Sperander, aus gleichbed. lat. constans.
konstatieren, v.: feststellen, ISOl bei
Campe constatiren, aus gleichhedjrz.constater.
konsternieren, v. : bestürzt machen, ver-
blüffen. Im 17. Jh. (1694 bei Nehring, bei
Weise Cath. 135), aus gleichbed. lat. consternäre.
konstitnieren, V. : feststellend zusammen-
ordnen, 1571 bei Rot constituirn, aus lat. consti-
tuere «feststehen machen». Konstitution, f.
(PI. -en): Leibesbeschaffenheit; Staatsverfas-
sung. 1495 in den Reichsordn. 28^ Constitu-
tion f. «Verfassung», iQh.d.constitucion f. «päpst-
liche, bischöfliche Satzung» (Ottokar 13437.
28076), aus lat. constitütio f. «Feststellimg,
EinrichtuAg». konstitutionell, adj.: eine
Staatsverfassung habend; verfassungsmäßig.
Spät im 18. Jh. Constitutionen (Goethe 5,1, 151),
aus hsixa. constitutionnel «verfassungsmäßig».
konstruieren, v.: zusammenordnen, bei
Luther 7, 20 ^ Jen. construirn, aus lat. construere
«zusammenschichten», dann «gi-ammatisch ver-
binden». Konstruktion, f. (PI. -en): Zu-
sammenfügung, Zusammenordnung, gramma-
tische Verbindung (um 1522 bei Ickelsamer 45
und bei Luther 8, 135* Gonstrudion) , aus
gleichbed. lat. construdio f.
Konsul, m. (-S, PI. -nj: höchste Magistrats-
person, Bürgermeister (spätmhd. im 15. Jh.
consul, kunsel); beglaubigter Handelsbevoll-
mächtigter (1562 im Reisbuch des heil. Lands
1, 359, sowie 1582 bei Rauwolff Reise 23 u. 33).
Aus lat. consul m. «höchste Magistratsperson».
Konsulat, n. (s, PI. -e)-. Konsulwüx-de (im
16. Jh., Sallust D 2): Gerichtsbarkeit und Woh-
nung eines Handelskonsuls. Aus lat. consu-
latus m. «Konsul würde». Kousul^ut, m,
(-en, PI. -en): Berater, Rechtsberater, im 17. Jh.
Consulent, aus lat. consulens, Part. Präs. von
consulere «zu Rate gehen, überlegen, um Rat
fragen», im Mlat. auch «Rat geben», woher
konsulieren, v.: um Rat fragen, im 17. Jh.
consuliren (bei Nehring). Konsultation, f.
( PI. -en): Beratschlagung, Ratfragung, 1571 bei
Rot Consultation, aus gleichbed. lat. consul-
tätio f., von lat. consultäre «beratschlagen» (ab-
geleitet von consulere), woher konsultieren,
V., im 17. Jh. consultiren (bei Nehring).
konSuniieren,v.: verbrauchen, verzehren.
1663 bei Schuppius 54 cons-iimiren, aus gleich- ,
' bed. lat. consumere. Davon Konsum, m.
(-[e]s): Verbrauch. Im 19. Jh. Kousüm-
j verein, m.: Genossenschaft zum gemeinsamen
Einkauf und Verkauf. 1851 von K. Bürkli ge-
prägte Bezeichnung, vgl. ZfdW. 9, 283. Kon-
sumtion, f.: Verbrauch, 1716 bei Ludwig
Consumtion, aus lat. consumptio f. Aufzehmng.
kont^nt, adj.: zufrieden. 1551 bei Scheidt
Gi-obianus 52 V. 1578 content, aus lat. con-
tentus «zufrieden» eig. «sich beschränkend, be-
gnügend», dem als Adj. stehenden Part. Perf.
Pass. von continere «zusammenhalten», woher
auch franz. content, koutentieren, V.: zu-
friedenstellen, befriedigen, insbesondere in Be-
zahlung (SchiUer Pikk. 1, 1). 1616 beiHenisch
contentieren, nach franz. contenter «dm-ch Be-
zahlen vergnügen, zufriedenstellen».
Konteradmiral, m. : Gegenadmiral, d. i.
der dem Vizeadmiral zunächst stehende Ad-
miral, 1728 bei Sperander Contre-Ädmiral, aus
franz. contreadmiral m. (franz. contre, von lat.
contra «gegen».)
Konterbande, f. (PI. -n): Schleichhandel;
verbotene, geschmuggelte Ware. 1562 bei
Mathesius Sarepta 9**. 78* Gontrdbant m., 1555
bei Wickram Rollw. 190, 7 Kontrebando. Aus
franz. contrabande f., ital. contrdbhando m.
«Handel gegen öffentliche Vei'kündigung oder
Gesetz, Schleichhandel» (ital.-lat, contra «ge-
gen», hando m. «Verkündigung eines Befehls»).
Konterfei, n. {-s, PI. -e): Abbild. 1651
bei P.Fleming 35 Oonterfei, 1618 bei Schöns-
leder Conterfech (1663 Conterfeh), 1616 bei
Henisch und 1716 bei Ludwig Gonterfeit, bei
Luther 6, 543* Gontrofect («Ebenbild»), aus
mhd. kunterfeit adj. «nachgemacht», von franz.
contrefait, mlat. contrafactus, dem Part. Perf.
Pass. von franz. contrefaire, mlat. contrafacere
«nachbilden». Daher 2L\xQhTa\id.kunter-,gunter-,
conterfeitn. «künstlich vermischtes, verfälsch-
tesGold od.Silber», Gonterfey 1616 beiHenisch.
konterfeien, v.: abbilden, 1618 bei Schöns-
leder con^er/e/te?i, 1517 belTrochus L&^konter-
feyn, 1616 bei Henisch conterfeyten und ab-
conterfeyten, 1477 clevisch contrafeyten.
Kontertanz, m. (-es, PI. tanze): ein Ge-
sellschaftstanz. Aus engl, countrydance, eigent-
lich «ländlicher Tanz», 1813 bei Campe.
Kontext, m. (-[e]s, PI. -e): Redever-
bindung, 1703 im Zeit. -Lex. Gontext, aus lat.
contextus m. «Zusammenhang», von lat. con-
texere «zusammenweben».
Kontinent, m. (-[e]s, Pl.-e): Festland. Im
18. Jh. Continent, nach sleichbed. franz. con-
1115
Kontingent
Kontur
1116
tinentm. auslat. {terra) continens «zusammen-
hangendes Land, Festland», eig. Part. Präs. von
lat. continere «zusammenhalten», (im Passiv)
« zusammenhangen ».
Kontingent, m. {-\e]s, PI. -e): der zu stel-
lende Pflichtteil an Truppen usw. (in der
Schweiz „der Auszug"); der den einzelnen
treffende Beitrag zu einer Sache, nach franz.
contingent m. «zukommender Teil» aus lat.
contingens (Gen. contingentis), dem Part. Präs.
von contingere «hernhren, angehen, betreffen».
Konto, n. (-S, PI. -s und Konten): zahl-
bare Rechnung. Das ital. conto m. «Rechnung»
zu contare zählen, aus lat. coniputäre «zu-
sammenberechnen». Um 1600 entlehnt und bei
Henisch 1616 verzeichnet, der Plur. Conten bei
Grimmeishausen, 4, 381, 24 Kurz (vom J. 1673).
Kontor, auch noch Comptoir, n. {-[e]s,
PI. -e): Schreib-, Geschäftsstube des Kauf-
manns. Aus franz. comptoir, ital. contore m.
«Zahlstube», von franz. compter, ital. contare
«zählen», aus lat. computäre «zusammenberech-
nen». Um 1500 zunächst aus dem Ital. als
Contor entlehnt (1515 im Eulenspiegel Cap. 62
kontor «Rechnungstisch», wie noch 1616 bei
Henisch); im 17. Jh. drang die franz. Form
Comptoir ein (bei Xehring 1710 neben Gontor.).
Kontral)aß, m. {-sses, PI. -hasse): der
Gegen- d. i. groi3e (tiefste) Baß, große Baß-
geige. 1678 bei Krämer Gontrahaß, aus gleich-
bed. ital. contrahhasso m.
kontrahieren, v.: zusammenziehen (im
grammatischen Sinne 1609 bei Quad v. Kinkel-
bach Teutscher Nation Herhgk. 146 contra-
hiren); zu einem Vertrage sich einigen (1536
in Egenolffs Instituta 3, 53 ^ contrahiren, daher
die Gontrahentenhei FischsiriGaxg.9ii); (stud.)
zumDuell herausfordern (1831); dazuKontra-
häge (spr. -aze), f. (PI. -n) : Herausforderung
zum DueU. 1814. Eine Schuld k. «sie mit je-
mand zu Geldentleihung abschließen. Aus
lat. contr allere «zusammenziehen».
Konträltt, m. (-[e]s, PI. -e): Vertrag. In
der Reichsordn. 36^ vom J. 1500 contract, aus
lat. contractus m. «Zusammenziehung, Ver-
trag», von lat. contrahere «zusammenziehen».
konträkt, adj.: verki-ümmt, gichtisch ge-
lähmt, gliederlahm. Im 16. Jh., bei Tschudi
(t 1572)"Chron. 1, 447 ^ und 1582 bei Fischart
Garg. 135 contract, aus lat. contractus «zu-
sammengezogen», im Mlat. «gliederlahm», dem
Part. Perf. Pass. von contrahere (s. kontra-
hieren).
Kontrapunkt, m. [-es) : Kunst des Ton-
satzes und Stimmenwechsels. 1571 bei Nas
Pract. A 4^ Gontrapunct, aus mlat. contr a-
punctum n. «mehrstimmiger Satz zu einer ge-
gebnen Melodie» eig. «Gegenpunkt», indem
man ehemals Punkte statt der Noten machte.
kontri''r, adj.: entgegengesetzt, ungünstig.
1773 bei Amaranthes contraire, aber 1678 bei
Krämer contrar. Aus gleichbed. franz. con-
traire, lat. contrarius.
Kontrast, m. (-es, PI. -e) : Gegensatz, Ab-
strich; Gegenbild. Im 18. Jh. (bei Lessing 4,
154 Contr ast, bei Wieland Suppl. 4, S Kontrast),
aus gleichbed. frz. contraste, ital. contrasto m.,
Verbalsubst. von ital. contr astare «im Gegen-
satz stehen» (aus lat. contra «gegen, gegen-
über», stare «stehen»), woher kontrastieren,
V.: abstechend machen und sein, 1782 bei Wie-
land Horazens Br. 1, 42 contrastiren.
Kontrayentiön, f. (PI. -en) : Übertretung.
1716 bei Ludwig Contr avention, aus gleichbed.
mlat. contraventio f.
kontribuiereu, v.: mit beitragen. 1507
in den Reichsordn. 58^ contribuieren, aus lat.
contribuere mit-, zuteilen. Kontribution, f.
(PI. -en): erhobner Beiti'ag, Steuer (1581 in
den Script, rer. Siles. 4, 271 Gontribution) ;
Brandschatzung (im 17. Jh., bei Nehring). Aus
lat. contribUtio f. «Beitrag».
Kontrolle, f. (PI. -n): die vergleichende,
nachprüfende Aufsicht. Bei Lessing 7, 141
Controlle, aus franz. contröle m., älter controlle,
contrerolle «-GegenroWe» d.i. «Gegenrechnung,
Gegenregister», von fx'anz. role, älter rolle, ital.
rotolo, rullo m. «etwas Zusammengewickeltes,
Rolle Papier», abgeleitet aus lat. rotulus m.
«Rädchen», später «Rolle». Kontrolleur (spr.
-ör),m.(-s,Pl. -e) : das Gegenregister oder nach-
prüfende Aufsicht führender Beamter, Gegen-
schreiber, Aufseher, 1694 bei Nehi'ing Gontro-
leur, 1618 bei Schönsleder Gontralor. kon-
trollieren, V.: Gegenregister führen, über
jemand vergleichende Aufsicht führen, 1601
bei Alber tinus Kriegsleut Weckuhr 2, 168.
Kontumaz, f.: Nichterscheinen vor Ge-
richt aus Widerspenstigkeit; Quarantäne (so
1694 bei Nehring contumace). Wie glbd. franz.
contumace f. aus lat. contumacia f. «Wider-
spenstigkeit», kontumazieren, v.: wegen
Nichterscheinung verui-teilen, 1694 beiNehring
contumaciren, aus franz. contumacer.
Kontür, f. (PI. -en), seltner m. (-[e]s,
PI. -e): Umriß. Im 18. Jh. (1712 bei Hübner
der PI. Contours), aus gleichbed. franz. contour
m. und dies aus ital. contorno m.
1117
konyeniereu
Kopf
1118
konTenieren, v.: passen, sich schicken,
1694 bei Xehnng conveniren, aus lat. convemre
«zusammenkommen, zusammen-, wozu passen».
KonTent, m. (-[e]s, PI. -e): (feierliche) Yer-
sanunlung, mhd. conventm. «geistliche Gesell-
schaft eines Klosters», mit Ausstoßung des n
auch covent, mnd. 1332 kovent m. (s. Kofent),
aus lat. conventus m. «Zusammenkunft, Ter-
sammlung». Konyentlkel,n. (-s,Pl. wieSg.):
Winkelversamralung, heimliche Versammlung,
besonders religiöser Sekten (Goethe Faust 4389),
aus lat. conventiculum n. «Zusammenkunft».
KonyentiÖn, f. (PI. -e??) : Übereinkunft, Ver-
trag, früh im 18. Jh. Convention, aus gleichbed.
lat. conventio f.; dazu KoilTentiönsgeld, n.:
nach der Übereinkunft von 1753 geprägte
Münze. KonTentionälstrafe, f : ^ ertrags-
strafe. Erst im 19. Jh. konTentionell, adj. :
vertragsmäßig, auf Übereinkunft benahend, im
18. Jh. (d. j. Goethe 2, 460), aus gleichbed.
franz. conventionel, von lat. conventiönälis
«den Vertrag betreffend».
KonTersatiÖn, f. (PI. -en): mündlicher
Verkehr, Unten-edung. 1565 in den Script.
rer. Siles. 4, 225 Conversation, aus lat. con-
versätio f. «Umgang, Unterhaltung». Davon
KonTersatiÖnslexikoil, n. : Handbuch des
allgemeinen Wissens. 1709 in Hübners Eeal-,
Staats-, Zeitungs- und Conversationslexikon.
konrersiereu, v.: sich unten-eden, unter-
halten. 1615 bei Albert inus Landstörzer 820,
aus lat. conversäri «Umgang haben».
konyex, adj.: gewölbt, linsenförmig. Im
17. Jh. convex (bei Xehring), aus lat. convexus
«gewölbt».
KonyolÜt,n. (-[e]s, Pl.-e): Pack Schriften,
Papier usw. 1562 bei Mathesius Sarepta 147*"
Convolut, aus Isit. convolütum, Neutr. Part. Perf
Pass. von convohere «zusammenrollen».
Konyulsiön, f. (PI. -e?i): Gliederzucken,
Gliederkrampf. 1716 bei Ludwig, aus glbd.
\sA.convulsio f. konyulsiyisch, adj.: krampf-
haft, krampfhaft angestrengt. Bei Lessing 4,
180, aus mlat. convulsivus «reißend, renkend»,
zu lat. convulsus, dem Part. Perf. Pass. von
convellt're «aus seiner Lage reißen».
kouzediereu, s. Konzession.
konzentrieren, v.: in einen Punkt zu-
sammendrängen. 1714 bei Wächtler concen-
triren, aus gleichbed. franz. concentrer, dessen
centrer aus mlat. centrare, abgeleitet von lat.
centrum (s. Zentrum). Davon Konzentra-
tion, f. (PI. -eti): Sammlung, Vereinigung
(eig. um einen Mittelpunkt;. Im 18. Jh.
Konzept, n. {-es, PI. -e) : erster Entwuif.
In der Rhetorik (15. Jh.) Concept, aus lat.
conceptiim, dem Neutr. des Part. Perf. Pass.
von concipere (s. konzipieren).
Konzert, n. [-es, Pl.-e) : Übereinstimmung;
Musikaufführung. 1650 bei Moscherosch Phil.
1, 879 Concert. Aus franz. concert, ital. con-
certo m., von lat. concertäre «Wettstreiten»,
dann im Ital. «zusammen verabreden».
Konzession, f. (PI. -en): Bewilligung,
Erlaubnis. 1571 bei Rot Concession, aus
gleichbed. lat. concessio f., von lat. concedere
«einräumen», von dem konzedieren, v.:
einräumen stammt. Im 17. Jh.
Konzil, n. (-[e]s, PI. -e): beratende Ver-
sammlung. Mhd. cojidlje n., im 15. Jh. concili
n., aus lat. concilium n. «Versammlung».
konzipieren, v.: abfassen, aufsetzen. Spät-
mhd. concipieren, aus \a.i.concipere<!^z\isamuien-
fassen». Konzipient,m. (-en,P\.-en): Schrift-
abfasser, 1703 im Zeit.-Lex. Concipient, aus lat.
concipiens (Gen. coticipientis), dem Part. Präs.
von concipere. Konzipist, m. (-en, PI. -en):
Schriftabfasser, 1605 bei Hulsius Concipist.
konzis, adj.: kurz, bündig, 1714 bei Wächt-
ler concis, aus lat. conclsus «kurzgefaßt».
Kopeke, f. (PI. -n): russische Scheide-
münze, ^\f^^j Rubel geltend. Das russ. kopeika f.,
von kopje n. «Lanze», weü das Gepräge einen
Lanzenreiter darstellte.
Köper, m. {-s): Webeart und Zeugstoff,
worin sich die Fäden des Einschlags mit denen
der Kette schräg durchkreuzen. 1741 bei Frisch
Keper Taus dem Niederländischen), mnd. keper
m. Bildlich benannt nach mnd. kepere m.
«Balken, Stoß-, Rammbalken», nndl. keper
«winkelhakenartig zulaufende Sparren im
Wappen», im 16. Jh. (bei Kilian) «Rehbock»,
dann «Balken-, Sparrenkopf», im Mndl. auch
«Balken, Felderdecke eines Zimmers». Eins
mit mhd. kepfer m. «Käpfer» (s. d.), wahr-
scheinlich entlehnt aus lat. caper m. «Bock»,
Ähnhch franz. chevron m. «Sparren, Balken im
Wappen», abgeleitet von clievre f. (lat. capra f.)
«Geiß». Davon köpern, v.: köperartig weben,
1741 bei Frisch kepern, mndl. keperen «aus
Balken zusammenfügen».
Kopf, m. (-[e]s, PI. Köpfe): der mittels des
Halses mit dem Rumpfe verbundene Teü des
menschlichen und tierischen Körpers: Oberstes
in Kugelform. Gewöhnlich als Fremdwort aus
dem Romanischen angesehen : mlat. cuppa, ital.
coppa, Span, copa, franz. coupe f. «Becher, Trink-
schale», prov. coha f. «Schädel», lat. cüpa f.
1119
Kopf
Koppel
1120
«Kufe, Tonne». Andere, wie Franck u. Falk-
Torp, halten das Wort wegen andrer ver-
wandter Wörter im Germanischen für echt-
deutsch und nehmen nur Beeinflussung durch
das Romanische an. Doch werden Gefäßnamen,
wie Kopf einer war, sehr häufig entlehnt. Eine
sichere Entscheidung ist nicht möglich, doch
ist Entlehnung wahrscheinlicher. Zunächst ahd.
chuph, chopph, chopf m. « hohlrundes, kugel-,
halbkugelförmiges Trinkgefäß, Becher», ebenso
mhd. kopJi, köpf m., mnd. kop m. und koppe f.,
ags. cuppe f. und copp m. «Becher», anord.
koppr m. «becherartiges Gefäß, einem umge-
stürzten Becher ähnliche Helmerhöhg., Augen-
höhle», schwed. koprp, dän. kop «Tasse», nhd.
noch erhalten in Tassen-, Pfeifen-, Schröpf kopf
(vgl. Köpfchen). Daneben taucht, zumal da
nach alter deutscher roher Sitte die Hirnschalen
erschlagner Feinde den Siegern als Trinkbecher
dienten, auch aus Schädeln Heüiger zu trinken
gereicht wurde, in Glossen des 11. — 12. Jh.
chopf m. in der Bed. «Hinterhaupt» auf (Mone
Anz. 7, 589, 40), häufiger im 13. Jh. köpf m.
«Hirnschale, Schädel». Auf Ausgang zu
dieser von jener Bed. «Becher» deutet mhd.
hirnkoph m. «Hirnschale», nd. im 15. Jh.
hregenkop (hregen n. «Gehirn»), afries. hrein-
kop m. Im 16. Jh. endlich ist kopff, Kopf das
gewöhnliche Wort und hat das echtdeutsche
Haupt (s. d.) in die edle Sprache verdrängt.
Ähnlich ging das lat. testa f. «Gefäß, Topf,
Stürze» usw. im ital.-span. testa, franz. tete f.
völlig in den Begi-iffÄKopf» über. Vgl. Kuppe,
Kufe, Küpe. ABL. Köpfchen, n. : (becher-
artige) Obertasse, im 18. Jh. Köpfgen. köpfen,
V.: enthaupten, spätmhd. köpfen, köpfen, mnd.
koppen, ist an die Stelle des gleichbed. mhd.
houbeten, houpten getreten, köpfig, adj.:
eigensinnig, hartköpfig, 1664 bei Duez, wie
köpflsch bei Luther (wo auch seinen Kopff
aufsetzen), köpflings, adv.: kopfüber, bei
Bürger II. 5, 585, wie kopf längs bei Zachariä
Lagosiade 3. ZUS. Kopfhänger, m.: der
Kleinmütige, Demütige, Frömmler, 1775 bei
Adelung, kopf los, adj.: ohne Verstand, ohne
Überlegung, bei Campe. Kopfnnß, f. (PI.
-nüsse): Schlag auf den Kopf (s. ^Nuß), 1593
bei Heinr. Julius v. Braunschw. Susanna 4, 7
der thüring. Plur. kopffnös. kopfscheu, adj.,
eig. von Pferden, die sich nicht gern an den
Kopf greifen lassen, dann (in Norddeutschland)
dui'ch Schaden vorsichtig geworden, 1775 bei
Adelung; in den bayr.-östr. Alpen kopfscheuh,
kopfschiech «schwindlicht». Kopfstück, n.:
Münze im Werte von 20 Kreuzern rheinisch,
benannt nach dem aufgeprägten Kopf des
Landesherm, im 17. Jh. bei Schuppius 252,
später auch bloß gedachte ßechnungsmünze in
Mitteldeutschland u. Schwaben. Kopfweh,n.,
1572 bei Fischart Prakt. Großm. 28 kopffwe.
Kopfzerbrechen, n.: anstrengendes Nach-
denken, dafüi' im 17. Jh. (Olearius pers. Kosen-
thal7, 13) noch bei Lessing 3, 382 Kopfbrechen.
Kopie, f. (PI. -n): Abschrift, Nachbildung.
Spätmhd. copie f. (1380 in den Mon. Boic. 43,
431), 1495 in den Reichsordn. 16^ Copei, aus
lat. cöpia f. «Haufe, Vorrat», im Mlat. (den
Vorrat an Exemplaren vermehrende) «Ab-
schrift», kopieren, v. : abschreiben, nach-
bilden. Spätmhd. 1439 copieren, aus gleich-
bed. mlat. copiare. Kopist, m. (-en, PI. -en) :
Abschreiber, Nachbildner. 1521 in den Reichs-
ordn. 96 ^ Copisf, aus gleichbed. mlat. copista m.
Koppe, f., in schles. Bergnamen, hess. im
15. Jh. koppe (Weisth. 3, 340), s. Kuppe.
Koppel, f., in der 1. und 2. Bed. auch n.
(PI. -n): Doppelkette, an der zwei Jagdhunde
nebeneinander gehen müssen, dann diese Hunde
selbst; Lederriemen zum An- oder Umhängen
einer Hieb- oder Stichwaffe (1711 bei Räd-
lein); ein Joch (Paar) Ochsen oder Pferde
(1664 bei Duez), dann eine Anzahl oder Reihe
durch Strick oder Kette verbundner Tiere
(1581 bei Fischart Bienk. 216^ Kuppel f.), nd.
Menge, Haufen; Bodenfläche, woran zwei oder
mehr Personen gleichen Anteil oder gleiches
Recht haben; (in Norddeutschland) einge-
friedigtes Stück. Feld von mittlerer Größe,
bes. wenn es abwechselnd zum Getreidebau
und zur Weide benutzt wird, (bei Voß) auch
gemeinsame Bearbeitung eines Ackers durch
eine Schar Arbeiter. Mhd. kuppet, kupel,
koppel, kopel f., auch m. n. (md. koppel f. und
kopil m.) «Band, Verbindung, Leitriemen für
Jagdhunde, durch einen solchen verbundne
Hunde», dann «Haufe, Schar», 1303 ndrhein.
coppele und 1222 mrhein. cuppelle «Revier
mit Gleichberechtigung für jeden Teilhaber».
Aus franz. couple, afranz. auch cople f. «Leit-
riemen, verbundnes Paar Jagdhunde, Land als
Tagewerk für ein Joch (Paar) Ochsen», von
mlat. (879) cupla f. «Jagdhundepaar an Leit-
riemen», lat. cöpula f. «Band, Riemen, Leine»,
im Mlat. «Leitriemen eines Jagdhundepaares».
ABL. koppeln, V., mhd. kuppeln, kupelen,
koppeln, kopelen «binden, vereinigen, an die
Koppel legen», mndl. koppelen, aus dem von
cöpula abgeleiteten lat. Verbum cöpuläre.
1121
koppen
Koriander
1122
S. '^Kuppel, Kuppelei. ZUS. Koppeljagd, f.:
Jagd, zu der zwei oder mehr berechtigt sind,
1732 bei Picander 3, 358, dafür bei Steinbach
1734 Kuppeljacht. Koppelweide, f.: Ge-
meintrift, gemeinschaftliche Weide und das
Kecht dazu, mhd. kuppelweide, ndrhein. im
11. Jh. copeleiveide f.
koppen, V. : (von Pferden) nach Luft heftig
schnappen, zunächst aus dem Magen aus-
stoßen, beim Rindvieh zum Wiederkäuen
(Schmeller - 1, 1272), rülpsen (1537 bei Dasy-
podius), mhd. koppen «plötzlich steigen oder
fallen». ABL. Kopper, m.: koppendes Pierd,
1691 bei Stieler, aber bei Maaler 1561 «der
Rülpsende».
Kopnla, f. : das das Subjekt und Prädikat
verbindende Wort. 1781 bei Adelung Lehr-
gebäude 1, 273, aus lat. cöpula f. «Band»
(s. Koppel), kopulieren, v.: verbinden (1562
bei Mathesius Sarepta 162^ copuliren); ehe-
lich zusammenfügen (ebd. 195^). Aus lat.
cöpuläre . «verbinden, vereinen». Kopula-
tion, f. (PI. -en): Verbindung, bes. eheliche.
Im 16. Jh. aus lat. cöpulätio f. «Verknüpfung».
Koralle, f. (PI. -n)-. steinhartes baum-
artiges Gebilde aus Gehäusen kleiner Weich-
tiere auf dem Meeresgnmde, sowie ein Kügel-
chen davon. Mhd. koralle, koral m., aus
mlat. corallus m. und fiüher corallum n., von
lat. coraliuni, curalium n., gr. KopdXXiov,
ionisch KoupdXiov, sizilianisch KuupdXi'ov n. «die
rote Koralle». Vielleicht aus dem Semiti-
schen, hebr. göräl «Steinchen», vgl. Lewy
Sem. Fremdw. im Griech. 18. Bis ins 17. Jh.
GoraXle f., ältemhd. zugleich Goral, Kor all m.,
aber auch noch 1716 bei Ludwig Coral n.
koram in einen k. nehmen: zur Rede setzen,
studentisch, von lat. cöram «angesichts, vor».
ABL. koramieren, v.: persönlich zurecht-
weisen. Beide 1781 bei Kindleben, letztres
in der Bed. «herausfordern»,
Koran, m. (-[e]s, PI. -e), s. Älkoran. Mit
richtiger Betonung Koran (Goethe 6, 32), jetzt
auf der ersten Silbe betont ( Goethe 6, 35 usw.).
koranzen, s. kuranzen.
Korb, m. (-[e]5, PI. Körbe): geflochtner
Behälter. Mhd. korp (Gen. korhes), ahd.
chorh, churp, in Vocab. des 15. Jh. karh, karp;
dazu köln. im 15. Jh. kurf, and. korvilin n.
«Körblein», mnd. und ndl. Ärar/, ndrhein. 1420
kaerf, karf, m., anord. korf f., schwed. korg,
dän. kurv. Entlehnung aus gleichbed. lat.
corhis f. (selten m.) ist wegen des ablautenden
mhd. krehe m. (s. Krippe) nicht ganz sicher.
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
RA. einem einen Korb geben «einen Liebes-,
Heiratsantrag zurückweisen», von dem im
16. bis 18. Jh. bei abweisenden Mädchen statt
einer Antwort vorkommenden wirklichen
Übersenden eines Korbes ohne Boden (vgl.
Ringwaldt Warb. 173, Günther Ged. 431), was
daher inihrt, daß im Mittelalter die Geliebte
dem Liebhaber, den sie nicht wollte, zum
nächtlichen Aufziehen in ihr Gemach ur-
sprünglich einen Korb herabließ, an dem in
einer gewissen Höhe der Boden durchbrach,
so daß der darin Sitzende hindurch- und her-
unterfiel (DW. 5, 1800 f.).
Korde, f. fPl. -n)-. Schnur, Bindfaden.
Xiederrheinisch. Mhd. und im 14. Jh. ndrhein.
korde f. «Schnur, Seil», mnd. corde, ndl. koord f.,
aus franz. corde f. «Strick, Saite», von gleichbed.
mlat. corda, gr.-lat. chorda, gr. xopbr] f. «Darm
Darmsaite». Kordel, f., (PL -n): Bindfaden.
Westmitteldeutsch. 1540 bei Alberus dict.
P 1^ u. Y 1^ kurdel f., R4a cordel, Ende des
15. Jh. kordel (Diefenbach-Wülcker 711 ), mnd.
(1407) kordeel. Entlehnt aus afranz. cordelle f.
«Strick», ital. cordella, von mlat. cordeUa f.,
dem Dim. des mlat. corda (s. o.). 1768 bei
Moerbeek Mask., in der Wetterau Xeutmm.
kordiäl, adj.: herzlich. 1616 bei Henisch
cordial und cor dialisch, aus dem mlat. Adj.
cordialis von lat. cor n. (Gen. cordis) «Herz».
Kordon (spr. -q), m., (-s, PI. -s): Schnur;
kettenartige Grenzbesatzung; Absperrung.
1791 bei Roth. Aus glbd. franz. cordon, von
corde, s. Korde.
Korduän, m. (s, PI. -e) -. Ziegenleder von
der Fabrikstadt Cordova (lat. Corduba) in
Spanien. ^Ihd. corduwän, kurdeicän m. (schon
im 10. bis 11. Jh. mlat. ««rdMaweZii «Korduan-
schuhe», Ruodlieb 13, 118). Aus glbd. franz.
cordouan m. (davon cordonnier m. «Schuh-
macher»), ital. cordovano, span. cordoban m.,
vom mlat. Adj. corduanus, cordoanus «aus
Cordova stammend».
kören, v., niederdeutsche Form für küren
(s. d.). Bei der Pferdezucht üblich. Daher
auch Körhengst m.
Koriander, m. (s, PI. wie Sg.): Pflanze
mit gewürzhaftem Samen (Schwindelkörner),
Wanzendill, Wanzenkraut; deren Samen. In
der zweiten Hälfte des 15. Jh. coriander, core-
ander, nd. 1425 corrander (Diefenbach gl. 151 **),
aus lat. coriandrum n. von dem gleichbed.
gr. Kopiavvov n., abgeleitet von gr. KÖpic m.
«Wanze» wegen des dem Kraute eignen Wan-
zengeruchs. Dafür mhd. koliander, cholinder,
71
1123
Korinthe
Korporal
1124
kolander, kuUander, ahd. chullantar, chullintar,
and. kullundar aus mlat. coliandrum n.
Korinthe, f. (PI- -'0* kleine kernlose
Rosine. 1495 in der Kölner Gamma carentken,
ndl. 1500 corentken (Diefenbach nov. gl. 387 a),
1596 bei Colerus Hausb. 3, 224 Gormihen,
1691 bei Stieler ^om^ew, aus gleichbed. franz.
corinthe f., benannt nach dem Ausfuhrhafen
Korinth in Griechenland.
Kork, m. {-\e\s, PI. -e und Korke) : die
elastische schwammige Rinde der südeuro-
päischen Korkeiche: der Stöpsel daraus (bei
Ludwig 1716 Gorck). In der 1. Bed. nd. 1589
kork, ndl. 1598 korck, aber schon 1513 bei
Murmellius pappa B 6^ Korckhoem, 1591 bei
Decimator Sylva Hhd^ Korckhawm, 1616 bei
Henisch Korchhaum; 1663 bei Schottel und
selbst noch bei Kirsch, Steinbach usw. Gork,
1691 bei Stieler Gork und Gurk. Der Name
dieser wohl zuerst aus den Niederlanden und
dem westlichen Norddeutschland eingeführten
Ware stammt aus span. corcho m. «Korkholz,
Korkpfropf», mittelbar von lat. cortex m. (Gen,
corticis) «Rinde», dann insbesondre die des
Korkbaumes (der 1561 bei Maaler Panfofflen-
holtz heißt).
^Korn, n. (-[e]s, Fl. Körner): Kernfnicht;
(ohne PI.) der Roggen als die üblichste Brot-
frucht (aber auch «Dinkel» in Franken,
Schwaben, Elsaß, Schweiz, «Weizen» in Sieben-
bürgen, «Hafer» in Westfalen usw.) ; rundhches
Fruchtkörperchen einer Pflanze, überhaupt
kleiner rundlicher harter Körper; daher K.
am Gewehr, nach der Gestalt (davon die RA.
aufs K. nehmen eig. «genau zielen»); (bildlich)
Gehalt (der Münze), vom Aussehen des Metall-
bruchs hergenommen. Yg\. Schrot. Mhd. körn,
ahd. körn n. «Kernfrucht, Getreide, Getreide-
kem», im Mhd. auch «Roggen, Getreidepflanze,
Konifeld, Gold- oder Silbergehalt einer Münze»;
dazu asächs.-ags. com n. «Samenkorn», and.
körn n. «Korn, Roggen», engl, com, afries.-
anord.-schwed.-dän. körn n. «Getreide», got.
kaürnn. «Getreide» (daneben schwachbiegend
kaürno n. «Fruchtkern der Pflanze»). Im Ab-
laut zu Kern (s.d.) stehend; urverwandt mit
lat. gränum n., vc.grän, «Korn, Kern», lit. zirnis,
lett. zirns «Erbse»; apreuß. syrne; abg. zrünö
n. «Korn». ABL. körnen, v.: anlocken,
eig. durch Streuen von Körnerfutter; (Metall)
in Kömern darstellen. Mhd. körnen, kürnen,
md.kornen. körnicht, adj., 1579 bei Golius,
kornechtig 1537 bei Dasypodius. körnig, adj.,
1562 bei Mathesius Sar. 2^ kürnig in der bild-
lichen Bed. von Schrot und Korn « kernhaft».
ZC7/S. Kornblume, f.: (die im Korn wachsende
blaue) Cyane, Tremse, mhd. kornhluome m. f.
Koruhranntwein, m., 1734 bei Steinbach.
Kornkammer, f., 1561 bei Maaler. Korn-
rade, f., 1775 b. Adelung Kornraden m., s. Rade.
-Korn, m. (-[e]s, PI. -e), gekürzt für Korn-
hrannticein. Erst in neuerer Zeit.
Kornelhaum, n. : der Strauch oder Baum
coi-nus mascula. Cornellhaum 1556 bei Frisius,
Cornelhaum 1542 bei Gesner Namenbuch aller
Erdgewächse, 1502 kürnelbom (Diefenbach nov.
gl. 343^), ahd. chuirnilboum, cornul. Kornel-
kirsche, f.: die Frucht des Koi-nelbaumes,
auch Kornelle, f. (PI. -w): 1711 bei Rädlein,
fiiiher Kornelheere, 1502 kurnelher (Diefen-
bach a. a. 0.), ahd. cornulberi, chumelbere;
umgebildet Korneliuskirsche f., 1793 beiNem-
nich. Wie franz. cornouille, comoüle f., ital.
corniolo m. «Kornelkirsche» von lat. comeolus
«hornartig». S. Hornkirsche.
Kornett, m. {-[eis, PI. -e) : Reiterfähnrich,
Standartenjunker. 1616 bei Wallhausen Kriegs-
kunst zu Pferd 47 Gornet, aus gleichbed. franz.
cor nette m., urspr. «kleine Reiterstandarte»
(daher 1664 bei Duez Gornet n. «Reiterfahne,
eine Kompagnie Reiter») ähnlich wie franz.
enseigne f. <i.Fah.ixe», dann m. «Fähnrich». Viel-
leicht nach der Form des Fahnentuchs von
franz. cornet m. «Hörnchen, Düte», Dimin. von
corne f. «Hörn», zu lat. cornu n. «Hora».
Körper, m. {-s, PI. wie Sg.): Menschen-,
Tierleib; Stoffmasse, Raum Einnehmendes; zu
einem Ganzen vereinigte, im Begriffe zusam-
mengefaßte Menge. Mhd. korper, körper, kör-
pel m., im 13. und 14. Jh. noch spärhch neben
mhd. lip m. «Leib» vorkommend. Entlehnt
durch die Kirchensprache aus lat. corpus n.
(Gen. corporis). ABL. körperlieh, adj.,
1593 bei Heinr. Julius v. Braunschweig Su-
sanna 4,4 cörperlicher Eydt «leiblicher, per-
sönlicher Eid». Körperschaft, f., 1808 bei
Campe als neues Wort.
Korporal, m. (-s, PI. -e): Unteroffizier.
1616 bei Henisch Gorporal. Aus franz. corporal
(unter Anlehnung an corps) von caporal m.
«Rottmeister der Soldaten» und dies aus ital.
caporale m. «Anführer», von ital. ca2)0 m.,
lat. cajmt n. «Haupt». Daher 1694 bei Nehring
Gaporal, 1631 bei Seb. Bürster 15 Gaprall,
noch beim Volk in Deutschland Gaporal,
Gapral. ABL. Korporälschaft, f.: unter-
gebene Mannschaft und Rang eines Korporals,
1664 bei Duez Gorporalschafft.
112Ö
Korps
kosmisch
1126
Korps (spr. kör), n. (Gen. u. Plur. ebenso,
spr. körs): Heerhaufen, Truppenkörper; Stu-
dentenverbindung (zuerst 1826—29 in Bonner
Verbindungsstatuten). Im 17. Jh. aus glbd.
franz. corps m., von lat. corpus n. «Körper».
korpulent, adj.: wolübeleibt. 1616 bei
Henisch corpulent, aus gleichbed. lat. corpulen-
tus. Korpulenz, f.: Beleibtheit, 1716 bei
Ludwig Corpulentz, aus glbd. lat. corpet/en/i'a f.;
dafür 1 582 bei Fiscbart Garg. 168 Corpulentitet f.
korrekt, adj.: fehlerfrei, regelrecht. 1714
bei Wächtler correct, aus lat. corredus, dem
Part. Perf. Pass. von corrigere «gerade machen,
berichtigen, verbessern»; davon Korrekt-
heit, f., 1801 bei Campe. Korrektor, m.
(-S, PI. -en): Druckberichtiger, im 16. Jh.
(1571 bei Rot und 1566 bei Mathesius Luther
316, 10 Neudr. Corredor), aus lat. corredor m.
«Berichtiger, Verbesserer». Korrektur, f.
(PI. -en)r Druck-, Schriftberichtigung, 1571
bei Rot Corredur, aus lat. corredüra f. in
der neulat. Bed. «Verbesserung».
Korrespondenz, f. (PI. -en); Brief-
wechsel. 1610 bei Sattler Phraseologey 386
Correspondenz (in der Bed. «Zusammenkunft»
schon im 16. Jh. in der Zimm. Chi-on. 1, 14, l),
aus mlat. correspondentia f. «Mitantwort». Da-
von Korrespondenzkarte, f , um 1868 auf-
gekommen, korrespondieren, v.: ent-
sprechen (kursächs. Schulordnung von 1580
correspondieren); Briefe wechseln {1610 bei
Hainhofer Briefe an Phil. v. Pommern S. 4
korrespondieren), aus mlat. correspondere
«mit-, wiederantworten», ital. corrispondere.
Korridor, m. (s, PI. -e)-. abgeschloßner
Vorplatz zwischen Zimmern. 1791 bei Roth.
Bei Goethe 30, 169 der PI. Corridors, aus ital.
corridore m., eig. «Laufgang»,
korrigieren, v.: berichtigen, verbessern;
verbessernd zurechtweisen. Mhd. corrigieren,
aus lat. corrigere «recht machen, verbessern».
korrupt, adj.: verderbt, verschroben,
liederlich. 1478 bei Nicl. v. Wyle 349, 16
corrupt, aus lat. corruptus, dem Part. Perf.
Pass. von corrumpere «verderben, verfälschen»,
daher korrumpieren, v., 1534 bei Franck
Weltbuch 22^ corrupieren. Korruptel, f.
(PI. -en): Verderbnis, 1562 bei Mathesius
Sarepta 136^ Gorruptel, aus lat. corruptela f
cVerderben, Verführung». Korruption, f
(PL -en): Sittenverderbnis, Bestechlichkeit.
Im 17. Jh. (bei Nehring).
Korsär, m. {-en, PI. -en): kreuzender See-
räuber; Raubschiff. Im 17. Jh. Gorsar, aus
ital. corsaro, älter corsare, span.-portug. cor-
sario, zurückgehend auf lat. curs^ls m. «Lauf».
Korsett, n. (-s, PI. -s, -e) : Schnürleib. 1715
bei Amaranthes Carsette f. (1773 Corset n.),
aus gleichbed. franz. corset m., von franz.
Corps m., lat. corpus n. «Leib».
Korvette, f. (PI. -n): kleinres leichtes
schnelles Kriegsschiff. 1721 bei Jablonski Cour-
vette, aus glbd. franz. corvette, port. corveta,
span. corbeta f., von lat. corhita f. «Trans-
port-, Lastschiff», von lat. corhis f. «Korb».
Koryphäe, m. {-n, PI. -7i): der Oberste,
Erste, an der Spitze Stehende. 1799 bei
Wieland Agathodämon 7, 3 Koryfäe m., im
17. Jh. Xehring Coryphceus, aus gleichbed.
gr. Kopuqpaioc m., von Kopuqpri f. «der oberste
Teil, Gipfel».
Koschenille (spr. -ilje), f. (PI. -n): die
südamerikanische Kermesschildlaus zum Fär-
ben von Kai-mesin und Scharlach. 1774 bei
Adelung Cochenille, 1628 bei Münster Cosm.
S. 1688 vom J. 1581 Cochinili. Aus frz. Coche-
nille und dies aus span. cochinilla f., von gr.-
lat. coccus, gr. kökkoc m. «Scharlach, Kermes».
koSCher,adj.: nach den jüdischen religiösen
Gesetzen recht; rein, echt, wie es sein soll.
Das Wort ist das späthebr. koscher «recht,
tauglich»; nach der Aussprache der aschke-
nazischen Juden kauscher. (1781 bei Kind-
leben.)
kosen, V.: Liebes schwatzen, anschmiegsam
zärtlich behandeln. Schon mhd. kosen, ahd.
kösön «im traulichen Zwiegespräch plaudern»,
im 15. Jh. «schmeicheln» Diefenbach gl. 14°;
«verliebt tändeln» 1654 bei Logau 2, 2, 74. Im
18. Jh. (1711 bei Rädlein und noch 1781 bei
Kindleben) als veraltetes Wort verzeichnet, in
den 70er Jahren d. 18. Jh. neu aufgekommen
(bei Mylius, Bürger usw.; Heynatz 1797 «unsre
Modeschi-iftsteller haben das Wort in Gunst
genommen»). Die urspr. Bed. ist älternhd.
«reden, erzählen, schwätzen», 1664 beiDuez und
1678 bei Krämer), mhd. «sprechen, plaudern»,
auch von plätschernden Bächen, ahd. «reden,
plaudern». Mit ahd. kösa f. «Rechtshandel,
Gespräch, Erzählung», entlehnt aus lat. causa f
«Rechtssache», causäri «einen Rechtshandel
führen, vor Gericht sprechend verteidigen».
kosmisch, adj.: das Weltganze betreffend
(Goethe Natw.Schr. 9, 234), aus gr.-lat. cosmicus,
gr. KocuiKÖc, von gr. köc|uoc m. «Welt». KOS-
mographie, f: Weltbeschreibung, 1534 bei
Franck Weltbuch 225^ Cosmographie, aus gr.
Koc^ofpaqpia f., von KÖc^oc und einer Ableitung
71*
1127
Eossat
kostspielig
1128
von gr. Ypdqpeiv «schreiben». Kosmopolit,!
m. {-en, PI. -en): Weltbürger (Lessing 1, 249
vom J. 1747), aus gleichbed. gr. Koc|aoiro\iTric
m., von KÖciuoc und iroX-irric m. «Bürger»; dazu
kosmopolitisch, adj.: weltbürgerlich, und
Kosmopolitismus, m.-. Weltbürgersinn,
nach frz. cosmopolitisme m., beide 1801 Campe.
Kossät, Kossäte, m. {-en, PI. -en): auf
Wohnhütte, Gärtchen und Weideplatz be-
schränkter Ansässiger. In ostmitteldeutschen
Vokabularien des 15. Jh. kossat, kussat, kassate,
1604 bei Colerus Hausb. 1, 11 Kossete (Var.
Cossäte), aus mnd. kotsete, kotsate, hochd. 1691
bei Stieler Kotsaß, zgs. aus Kot n. «Hütte»
u. Sasse m. «Ansässiger». Auch vläm. kossaat,
ndl. 1598 kossate, ags. cotsceta, cotsetla m.
Vgl. Gärtner, -Kot, Sasse.
Kost, f. (ohne PI.): Speise, Speisung;
Lebensunterhalt. Im 16. Jh. auch schwach-
flektiertes Masc, mhd. koste, kost f. Eins mit
dem folgenden Kosten, indem in der gastfreien
mhd. Zeit die Bed. Aufwand für Bewirtung
und Vei-pflegung in die Bed. Bewirtung, Spei-
sung überging (vgl. DW. 5, 1849). Im Anord.
dagegen hat Mischung des Fremdwortes kostr
m. (Speise, Lebensunterhalt, Aufwand) mit
einheimischem kostr m. (Wahl, Gelegenheit,
Bedingung, Lage) stattgefunden, das sich zu
got. kustus m. «Prüfung», mhd.-ahd.-asächs.
kust, ags. cyst f. «Wahl, Auserwählung» usw.
stellt (s. kiesen).
kostbar, adj.: Kosten verursachend, kost-
spielig (nochl804 Schiller an Körner 4, 362);
viel kostend, wertvoll; (im 18. Jh.) sich kost-
bar machend, geziert sich benehmend, affektiert
(Lessing 7, 265, nach iraBz. precieux). In den
beiden ersten Bed. mhd. koste-, kosthcere, ge-
kürzt kosper, zu Anfang des 15. Jh. kostpar.
S. Kost und -har. ABL. Kostbarkeit, f.,
im 15. Jh. bei H. Folz (Fastnachtsp. 1315)
cosperkeit, im Vocab. predicantium s4^ kost-
harlichkeit, Var. kostharkait (Diefenb.gl.452^).
Kosten, PI. : wofür verausgabtes oder zu
verausgabendes Geld. Bei Luther der jetzt
veraltete Sg. Kost f. und (schwachbiegend) m.,
mhd. koste, kost f. und (stark- u. schwachflekt.)
m, «Wert, Preis einer Sache, Geldmittel zu
einem bestimmten Zwecke, Geldausgabe wo-
für, Aufwand», ahd. cJiosta f.; daneben älter-
nhd. und noch mundartlich Koste f. Aus
gleichbed. mlat. costa f. und costus m., woher
span. costa f., ital. costo m., afranz. couste, coste,
nfranz, coüt m., abgeleitet von mlat. costare,
lat. constäre (s. ^kosten).
^kosten, v.: im Preise zu stehen kommen.
Urspr., wie noch bei Luther und im 17. Jh.,
mit Akk. der Person, aber in der 2. Hälfte des
18. Jh., z. B. bei Lessing, Goethe, Schiller,
Wieland usw., Schwanken zwischen Dat. und
Akk., der Dat. vielleicht durch Einfluß des
lat. constat mihi («es kostet mir»). Mhd. kosten
«(an Geld) aufwenden, aufwenden machen, zu
stehen kommen», mit Akk. der Person und nur
einmal mit Dat. (Konrad v. Haslau Jüngling
459); dazu mnd. kosten mit Akk. oder Dat.,
anord. -schwed. kosta, dän. koste. Aus mlat.
costare (daher afrz. coster, couster, nfrz. coüter),
lat. constäre «im Preise zu stehen kommen».
hosten, V. : prüfend kennen lernen, unter-
suchen ; beschmecken. Mhd. kosten, ahd. kostön
«prüfend untersuchen, versuchen», mhd. auch
«schmeckend präfen, beschmecken»; dazu
asächs. koston, ags.costian «prüfen, versuchen»,
anord. kosta «versuchen, sich anstrengen». Ur-
verwandt mit (oder entlehnt aus) lat. gustäre
«wovon genießen, beschmecken». Vgl. kiesen.
kostfrei, adj.: frei von Unkosten, auch
mit Bezug auf Beköstigung, 1515 im Eulen-
spiegel 133. Im 16. und 17. Jh. häufig in
der Bed. «freigebig mit Aufwand» (1516 bei
Altenstaig kostfry), reichlich Kost gebend (bei
Luther Sir. 31, 28). Vgl. Kost.
Kostgänger, m.: wer wohin in die Kost
zu gehen pflegt. 1505 in der Straßburger
Gemma f2* kostgenger «Tischgenoß».
köstlich, adj.: viel kostend, wertvoll,
I prächtig; durch Annehmlichkeithochgeschätzt,
! entzückend. In der 1. Bed. mhd. koste-, kost-,
kostenlich, im 15. Jh. köstlich (Nürnb. Polizei-
' Ordn. 75, Brant Narr. 71, 21), in der 2. Bed. bei
Luther. ABL. Köstlichkeit, f., im 15. Jh.
kostlichkait, köstlichait (Nürnb. Pol.-Ord. 75 f.),
im 14. Jh. kostelicheit (Karlmeinet 386, 38).
kostspielig, adj.: sich allzuviel in Kosten
belaufend. 1775 bei Adelung, zuerst bei Haltaus
1125 aus einem 1729 niedergeschriebnen Akten-
stücke der Gegend von Frankfurt a. M. ange-
führt. Eig. «an Aufwand verschwenderisch»,
Zusammensetzung aus Kost und -spillig (1790
bei J. G. Müller Siegfr. v. Lindenberg 3, 42
kostenspillig), mit Lautangleichung hervorge-
gangen aus -spildig, mhd. (12. Jh.) und ahd.
(10. Jh.) spildeg «verschwenderisch»; noch in
einer bayreuthischen Verordnimg von 1743
kommt Kostenspilterung «Kostspieligkeit» vor,
wie im 16. und 17. Jh. Geltspildung (Haltaus
635, Zincgref 1, 159). Dieses spildeg aber
stammt von ahd. spild «verschwenderisch»;
1129
Eostüm
Kotze
1130
dazu ahd. spildan «vergeuden, verscliwenden»,
ags. spildan, spülan und anord.-schwed. spilla,
dän. spilde «verderben, zugrunde richten»,
asächs. spildian «töten», nd. und ndl. spülen
«verschwenden», verwandt mit spalten (%. d.).
Wahrscheinlich dachte man bei der Schreibung
kostspielig an Kostenspiel (Menge der Kosten
in ihrem Belaufe), vgl, Geldspiel n. in der
Bed. «Geldmenge» bei Goethe, 8, 77.
Kostuni, n. (-[e].s, PI. -e): Kleidertracht
nach Zeit und Brauch. Im 18. Jh. [Costume
bei Lessing 7, 190, Herder 1,279) aus gleichbed.
franz. costume m. und dies von ital. costume m.
«Gewohnheit, Sitte» (daher auch mnd. kostfan
m. «Gewohnheit», 1782 bei J. G. Müller Siegfr.
V. Lindenb. 3, 41 Kustühm), aus lat. consue-
tüdo f. «Gewohnheit».
''Kot, m. ([e].s) : ekelhafte Unreinigkeit. In
Luthers Bibel Kot statt des oberd., noch im
17. Jh. vo'rkommenden Kat m., älternhd. auch
n., mhd. quät, kät, quöt, im 15. Jh. köt n., ahd.
quät (in quätgag^a f. «Kotgasse», codex Laures-
bam. 2, 346, 1976 vom J. 776); dazu ndrhein,
um 1200 quait n., mnd. quät n., ags. cwead n.,
vielleicht urverw. mit aind. güfha- m. n. «Ex-
kremente», aw.gütha- n. «Kot, Schmutz», und
mit mnd. und ndrhein. Adj. qtiät, mndl. qiMet
cböse, schlecht», nndl. kwaad «böse, häßlich»,
afries. quad, qwad «böse». Nach Bmgmann
Idg. Forsch. 5, 375 gehören diese zu lit. gida f.
«Schande, Unehre», apreuß. gldan "«Scham»,
poln. zadny «häßlich, garstig», russ. gadif «be-
schmutzen», so daß man die Verbindung mit
den arischen Wörtern aufgeben müßte. ABL.
kotig, adj., spätmhd. quätig, quötig, kotig,
md. quädig, im 15. — 17. Jh. obd. katig, bei
Luther Hiob 7, 5 kötticht, 1540 bei Alberus
kötirht. ZUS. Kothahn, m.: Wiedehopf
(1510 in der Hagenauer Gemma i 1^ kathati),
weil er nach dem Volksglauben sein Nest
mit Kot verdichtet und sich von Kot nährt.
^Kot, n. (-[e]s, PI. -e), Kote, f. (PI -n),
auch Kotten, m. (-s): kleines schlechtes
Haus; Wohnhütte, kleines Bauernhaus. Bei
nordd. SchriftsteUem. Mnd. kote, kate m. f., I
md. kote (schon im 12. Jh.), kot m., spätmd.
1424 kot n., 1562 bei Mathesius Sar. 178* Köt n.
(vgl. Salzkote): dazu ndl. kot n., ags. cot n. und
cote, cyte f., engl, cot, anord. kotn. und kytja f.
(in hüskytja), norw. kot «kleines Haus», dän.
fco(Z «schlechte Hütte». Dazu mit Ablaut norw.
(dial.) köyta «Waldhütte von Zweigen», nhd.
Kötze (s. d.). Aus dem von kot abgeleiteten
engl, cottage stammt franz. coffa^e «Landhaus».
Ebenso ist abg. kotici m. «Kammer» entlehnt.
ABL. Köter, m. (-S, PI. wie Sg.): Inhaber
oder Bewohner einer Kote. Kossat (s. d.),
Kleinbauer, mnd. koter und koterer, westfäl.
im 14. Jh. kotter, gegen 1500 kötter, md. 1455
koder: Nebenform KÖtner, hess. 1560 kodener,
1600 ködener, ditmarsisch 1546 kötener.
Kotau, m. (-S, PI. wie Sg.): aus demChines.
köu-tou «Verbeugung des Untergebnen vor dem
Höhergestellten». Jetzt beiuns«Demütiguncr,
Unterwerfung». In der neusten Zeit Schlagwort.
^KÖte, f. (PI. -n): unterstes Gelenk am
Pferdefuße. Mnd.Äofe, knie, 1501 im Leipziger
Voc. opt. 0 4*^ kote «Knöchel», in den Fast-
nachtsp. des 15. Jh. 459, 16 koßte, 1562 bei
Mathesius Sar. 80^ Käthe: dazu mnd. kote, kute
«Huf, Klaue, Knöchel, Würfel», ndl im 16. Jh.
kote, ndl. koot f., afries. kate f. «Knöchel, Ge-
lenkknochen». Weil man aus Knochen Würfel
schnitt, schon mhd, kcete f. «Würfel», 1582 im
Voc. theut. q7'' u. zl^ pickelkot «Würfel»
(auch bickel m. bedeutet «KJnöchel, Würfel»),
1470 md. pickelkutte.
"KÖte, f. (PI. -n): Schrank. In Obersachsen,
Bei Geliert Lustsp. 346 Köthe, schon 1501 im
Leipziger Voc. opt. E e 1 ^ koete. Wohl das-
selbe Wort wie Kote f. «Häuschen», s. "Kot.
Kotelette, f, (PI -w): auf dem Roste ge-
bratnes Rippenstückchen. 1715 bei Amaranthes,
aus glbd. franz. cötelette f. «Rippchen», Dim,
von franz. cote f. «Rippe», aus glbd. lat. costa f.
■'Köter, m. (-S, PI. wieSg.): kleiner bissiger
Hund, Dorfhund. In Norddeutschland. Mnd.
koterhunt, 1566 hess. kotter, bei Rollenhagen
Froschm. (1598) 3, 3, 12, 30 haicrköter. Nieder-
deutsche Dialekte weisen auf altes *köt-, so daß
das Wort nichts mit ~Kot zu tun hat. Die
Wurzel kaut (vgl, rheinfrk, katizen, ganzen
«bellen, kläffen», norw, kyte, dän.kyde «prah-
len») vielleicht zu gr. fodw «klagen». Vgl.
Feist Btr. 40, 402.
^Köter, KÖtner, s. -Kot.
Kotze, f. (PI. -n): gi-obes Kleid, grobe
zottige Wolldecke, sehr grobes Oberkleid;
grobes Wollentuch. Obd. Kotzen m. (-s und
wie Nom.), mit schwacher Flexion bei Bren-
tano Goldfaden 284. Mhd. kotze m., ahd. chozzo
und starkbiegend clioz m., chozza f. «grober
wollner Mantel, grobes zottiges Wollenzeug,
grobe wollne Decke», asächs. cot m. «woUner
Mantel, wollner Rock». Daneben mhd. kütze f.
«Oberkleid», ahd.chizit (in umhicMzi f. lOher-
gewand als Umwurf»). Fick BezzBtr.6,211 hat
es zu gr. ßeüboc n. «kostbares Kleid» gestellt.
1131
Kötze
Kraft
1132
Entlehnt afrz. cote f. «langes Oberkleid», nfrz,
cotte f. «Kleid», prov. cota, auch in redingote
(= engl, riding-coat «ßeitrock»), s. Kutte.
Kötze, f. (PI. -w): geflochtner Eückentrag-
korb, länglicher beiderseits vom Rücken eines
Tieres hangender Tragkorb. In Mitteldeutsch-
land, Pranken. Md. im 15. Jh. kotze (Rothe
Dür. Chron. Cap. 437), rheiia. im 15. Jh. kötze
(Diefenb. gloss. 127^), mrhein. im 16. Jh. kütz f.
(Weisth. 2, 528), vgl. Kieze. Mit ^Kot zu-
sammenhängend.
kotzen, v.: hustend ausspeien, sich er-
brechen. 1482 im Voc. theut. r 1 * kotzen, 1466
koczen (Diefenb. nov. gl. 385^, wo auch sich
hekotzen aus dem Anf. des 15. Jh.), rhein. im
15. Jh. kiitzen. Lautnachahmend wie das glbd.
koken (s. d.). ABL. kotzeril, v. impers.:
zum Erbrechen reizen, 1537 bei Dasypodius.
Kral)äte, m. (-n, gewöhnlich nur im PI.
-n), gekürzt Krabat: muntres, wildes Kind.
Im Scherze. Älternhd. und noch mundartlich.
Krabate statt Kroat, abg, Chriihatinü. Im
30 jähr. Krieg aufgenommen. Vgl. Krawatte.
Kral)l)e, f. (PI. -n): kleiner runder See-
krebs; (bildlich) regsames muntres Kind, reg-
sames muntres kleines Tier. Im 18. Jh. auch
Mask. nnd Neutr., im 16. Jh. krähe, kr ab f.,
1505 in der Straßburger Gemma t5^ krdbbe
und 1513 verhochdeutscht krappe f., aufge-
nommen aus mnd. krabbe f. (Diefenb. gl. 445^
vom J. 1420); dazu ndl. krab f., ags. crdbba m.,
engl, crab, anord. krabbi m., schwed. krabba,
dän. krahbe, verwandt mit Krebs, krabbeln
(s. d.). Anklingend, aber nicht verwandt gr.-
lat. cärabus, gr. Kotpaßoc m. «Meerkrebs».
krabbelig, adj.: mit Händen und Füßen
ungemein regsam, 1691 bei Stieler krabelicht.
Von krabbeln, v.: woran viel tasten oder
regsam greifen; die Füße regend kriechen.
Im 15. und 16. Jh. (z. B. bei H. Sachs Fab.
330, 54) und selbst noch mitunter bei Goethe
krabeln, mhd. krappein (Megenberg 193, 35),
1482 im Voc. theut. m7* grappeln, um 1480
im Voc. ine. teut. h 4^ graplen, in der Schrei-
bung bb (1675 bei Weise klug. Leute) aus dem
Nd. aufgenommen, mnd. krabbeln, nd. grab-
beln; dazu ndl. grabbelen, engl, grabble, anord.
und schwed. Ära^a, norweg.kravla, dän.kravle,
norw. krabba «krabbeln, kriechen». S. kribbeln.
Ob Krabbe von dem Verb, oder dieses von
jenem stammt, läßt sich nicht entscheiden.
Krach, m. (-[e]s, PI. -e): erschütternder
Schall, lauter Bruch, Zusammenbruch. Mhd.
krach, ahd. chrac m,; dazu mndl. crac, nndl.
und nd. krak m. Davon entlehnt franz. crac
m. «Krach», craquer «krachen». Als Schlag-
wort erst seit dem großen Krach von Wien
1873 durchgedrungen, krach! interj. erst im
18. Jh. belegbar, aber schon bei Fischart Garg.
153 vom Schnarchen. Ygl. krack, krachen, v.:
erschütternd schallen, laut schallend brechen,
mhd. krachen, ahd. chrachön; dazu mnd. und
mndl.kraken, ags.cracian, cearcian, engl.crack.
Vielleicht urverwandt mit aind. gärjati «brüllt,
brummt, rauscht», lit, girgzdeti «knaiTend»,
oder «lautnachahmend». Kracher, m.: alter
schwacher Mann, 1669 bei Grimmelsh. Simpl.
481, auch Krachwedel m. Simpl. 383, Krach-
wadel 46, bildlich wie grober Wedel (Lümmel)
bei H. Sachs, nach Wedel (Tierschwanz) und
mhd. wadelen, wedeln «schwanken». ZUS.
Krachmandel, f.: Mandel mit Schale. 1775
bei Adelung. Jetzt gewöhnlich Knackmandel.
krächzen, v.: heiser schreien (vom Raben
usw.); aus tiefer Brust schmerzvoll seufzen.
In der 1, Bed. 1537 bei Schaidenreißer Odyssee
83^ krachitzen, im 15. Jh. grachkiczen (Diefen-
bach nov. gl. 120»»), in der 2. Bed. 1582 bei
Fischart Garg. 154 krächtzen, 1691 bei Stieler
krechzen. Abgeleitet von krachen (stöhnen,
ächzen, bei H. Sachs), schon mhd. chrachen
(hohes Lied 44, 21 Haupt), wie ags. cracetung,
cearcetung «Krächzen» von cracian, cearcian.
Im Ablaut dazu steht das gleichbed. älter-
nhd. Ä;rocÄ2'e>i, kröchzen, mhd.krochzen, kratzen,
ahd. croccezan, chrockezan, groccezan. Laut-
nachahmungen, wie lat. cröcire und cröcitare,
gr. KpmZeiv u, KpdSeiv «ki'ächzen» (vom Raben).
Vgl. aber das nach der Lautverschiebung
stimmende ahg.grajati «krächzen» und grakati.
krack! interj. wie krach! (s. Krach), aber
härtern Ton ausdrückend. Im 18. Jh., da-
gegen bei Fischart Garg. 385 von den Tönen
eines sich Erbrechenden, als Übersetzung der
franz. Interj, crac bei Rabelais (von den Zügen
eines Trinkenden).
Kracke, f. (PI. -n): schlechtes abge-
magertes Pferd. Verächtlich, in Mittel- und
Niederdeutschland, 1691 bei Stieler, ndl. im
16. Jh. kraecke. Desselben Stammes wie anord.
kraki m. «dünne magre Person», krakligr
«schmächtig, schwächlich», engl. cracÄ; «Knirps».
Wohl zu der in krank vorliegenden Wurzel.
Kraft, f. (PI. Kräfte): was wirkt, daß
etwas ist oder geschieht; Rechtsgültigkeit
(schon mhd.,'Augsb. Stadtrecht von 1276
Art, 84). Mhd. kraft, ahd. kraft (PI. krefti)
f. «Wirkungsfähigkeit, Wirkungstüchtigkeit,
1133
Kragen
Krakelwerk
1134
Heeresmacht, Menge, Fülle», md. Tcraft und
auch (nach dem Nd.) kracht, mit abgestoßnem
t kraf: dazu asächs. craft m, f., ndl. kracht f.,
afries. krecht, ags. croRft m. in jenen beiden
ersten Bedeutungen und dann «Wissenschaft,
Kunst» (dann engl, craft «Fertigkeit, Kunst,
Handwerk, List»), anord. kraptr, kröptr, krapti
m. «Kraft», schwed.-dän. kraft. Dazu wohl
norw.-dial. kräv «tüchtig, stark», isl. krcefr
«stark, tapfer». Weitre Beziehungen fehlen.
Vgl. aber KZ. 37, 389. Aus dem Dat. Sing.
die Präp. kraft, als urspr. Subst. den Gen.
regierend, durch den Kanzleistil im 16. Jh.
eingeführt (Augsb. Reichsabschied 1566 BI. 4^),
aber bereits im 17. Jh. auch bei guten Schi'ift-
stellern gebraucht, gekürzt aus älterm in, aus,
mit Kraft (15. Jh.), wie statt für anstatt, auch
im PI. 1385 in kreften (Städtechron. 1, 240, 25).
ABL. kräftig, adj., mhd. kreftic, kreftec,
ahd. kreftig; dazu mnd. kr achtig, ags. crceftig,
anord. kröptugr. Davon kräftigen, v.. mhd.
kreftigen, a.hd. ehre ftigon, danehenmhä. kreften.
ZUS. Kraftbrot, n., 1548 bei Ryff Apothek
258^. Kraftbrühe, f., bei Goethe 20, 405.
Kraftgenie, n. Schlagwort des letzten
Viertels des 18. Jh. Vgl. Ladendorf, kraft-
los, adj., mhd. krefte-, kraftlös. Kraftmehl,
n., 1517 bei Trochus KA^ krafftmel.
Kragen, m. (-5, PI. wie Sg.): Hals [einen
heim Kragen nehmen) : Kleidungsstück od. -teil
um den Hals. In beiden Bed. mhd. schwach-
biegend krage, um 1100 chrage (Schlund, Gen.
15, 6); dazu mnd. krage, nndl. kraag m., engl.
crag «Hals, Nacken». Urverwandt vielleicht
gr. ßpö-fxoc, ßpöxöoc m. «Kehle, Gurgel», air.
hräge «Nacken», lit. gurklis m., serb. g^lo n.
«Kehle». Der PI. obd. schon im 16, Jahrh.
Kragen (Fischart Garg. 816). Im Mhd. auch
Scheltwort, z. B. ein löser krage Renner 349,
noch nhd. Geizkragen m. «Geizhals», Neid-
kragen m. «neidischer Mensch». Die Dimi-
nutiva Krägelchen, Kräglein, n., mhd.
kregelin «Hälschen», kragel «Halsbekleidung».
Kragstein, m. : aus einer Mauer hervor-
ragender Stein (dann auch Eisenstab) als Träger
eines Balkens. Mhd. 1325 kragstein, thür. im
14. Jh. kraitistein (verkürzt aus kragenstein),
wie 1427 im Frankf. Bauraeisterb. 30** kragen.
Bildliche Anwendung von Kragen (Hals).
Krähe, f. (PI. -n): Name eines Vogels
vom Rabengeschlechte. Mhd. krä, älter kräe,
kräwe, mit den Nebenformen krowe, krö,
krceje, kreige, krege, kreie, ahd. kräja, kräwa,
kräa, krä f.; dazu and. krä(J)a, mnd. kreie,
kreige, mndl. craie, nndl. kraai, ags. cräioe f.,
engl, crow «Krähe» (dafür anord. kräka f.
«Krähe», kräkr m. «Rabe»). Ableitung von
krähen. ZUS. Krähenauge, n.: Leichdom
(1537 bei Dasypodius Kreenaug); Fruchtkorn
der Brechnuß (1618 bei Schönsleder das Dim.
Kraineugl). Beides nach Ähnlichkeit mit
einem Auge der Krähe. Krähenfuß, m.:
(im Plur.) ki-akehge Schrift, im 16. Jh. bei
Schweinichen 1, 28 Krohnfüße. Krähen-
hütte, f.: Hütte zum Schießen der Krähen.
1763 bei Heppe Wohlred. Jäger.
krähen, v.: singen, vom Hahn oder wie
dieser. Mrhein. 1469 krehen, mhd. kroRJen,
krcen, mit den Nebenformen kraigen, kreigen,
krewen, ahd. chräjan, kräican, kräen, krähen;
dazu and. kräen, mnd. kregen, kreigen, kreien,
ndl. kraaien, ags. cräwan (starkflekt. Prät.
creow), engl, croiv, dafür got. hrükjan. Ver-
wandt mit abg. grajati, lit. groti «krächzen»,
Krähwinkel, Dorfname in Baden, Schwa-
ben und Westfalen, wegen des wunderlichen
Klanges 1803 von Kotzebue als Schauplatz
seines Lustspiels „Die deutschen Kleinstädter"
gewählt und dadurch zum Musterbild klein-
städtischen Spießbürgertums geworden. Schon
ahd. Chräwinchil, eig, «abgelegne Waldstelle,
wo Krähen nisten».
Krake(n), m. {-n[s], PI. -n): sagenhaftes
nordisches Seeungeheuer, zu dem wahrschein-
lich die gi'oße Tintenschnecke Sepia octopodia
Anlaß gegeben hat. 1775 bei Adelung, aus
norweg. krakje m.
Kraköel, m, (-[e]5, PI, -e)-. der Hader, das
Händelsuchen. 1629 bei Diefenbach-Wülcker
714 crackel, 1663 bei Schottel Krakehl m,,
aufgenommen aus mnd. krakele, ndl. krakeel.
Herkunft unklar. Vgl. Schröder Streckformen
126. Davon krakeel en, v. und Krakeeler,
m., 1691 bei Stieler krackehlen, Krackehler.
krakelig, adj.: unsicher auf den Füßen.
Auch von unsichrer Schrift gebraucht. Nd. und
nnd. Wohl zu Kracke, das urspr. «etwas Unan-
sehnliches, Schwaches» bedeutete, krakeln,
V.: krakelig schreiben, kritzeln. Md. und nd.
krakeln, s. krickeln.
Krakelwerk, n.: -wmnderlich wirres Bau-
werk, bei Goethe 33, 145. Zu Krakel f. «dürrer
Baum mit Zweigen» (1754 bei Döbel Jäger-
practica 2, 217 '^ Kracket), «sperriges Geäst»
(1561 bei Maaler die Graglen), s,c\i\e?,. grägel f.
«dürrer gabelförmiger Zweig», grägelwerk
«Sperrwerk des Daches», oberd. grageln «die
Beine spreizen».
1135
krall
Kran
1136
krall, adj. : grell (Lessing 6, 509, Herder
z. Lit. u. K. 11, 357). Nd. von den Augen
das Adj. krall «lebhaft, durchdringend hell»,
groll «scharfsichtig».
Kralle, f. (PI. -w) : hakenförmig gebogner
scharfer Xagel der Tierzehe. Im 16. Jh. Krale
(1576 bei Mathesius Luther 101*, 106^) und
Ereile f., 1663 bei Schottel Kralle, 1691 bei
Stieler Grolle. Vgl. mhd. grelle f. «Stech-
gabel beim Fischfang und als Waffe». Nach
Detter ZfdA. 42, 56 aus *kradlo- zu kratzen.
ABL. krallen, v. : mit hakenförmigen Spitzen
kratzen. 1691 heiQüelergrellen, grollen, kralleii,
im 18. Jh. bei Rädlein krellen, bei Ludwig, Aler,
Steinbach und Adelung nur krallen, 1482 im
Voc. theut. r B^krellen, mhd. um 1100 chrellen
(in Uchrellen). krallicht, krallig, adj.:
mit Krallen versehen, 1691 bei Stieler grallicht.
Kram, m. {-[e]s, PI. Krame): Warenbude
zum Feilhalten; Kleinhandel; Klein-, Kurz-
waren. Mhd. u. mnd. kram m. «ausgespannte
Zeltdecke, Bedachuncr eiaes Kramstandes,
7 o 7
Kaufbude, Kaufmannsware, Handelsgeschäft,
einzelnes erkauftes Stück», mhd. auch krame,
kram f. «Krambude, Ware»; dazu clevisch
1477 crame «ausgespannte Decke, Vor-, Um-
hang, Kindbett», in letzter Bed. auch mnd.
kr am m., ndl. kraom f., eig. «die Gardine,
hinter der die Wöchnerin liegt». Abg. gramü
m. «Weinladen, Schenke», könnte verwandt
sein. Daneben steht abg. cremü «Zelt», dessen
Verhältnis zu unserm K. nicht klar ist. Wahr-
scheinlich ein altes Handelswort. Vgl. noch
Johansson Idg.Forsch.8, 171. Davon kramen,
v., urspr. kaufen (noch ia Süd Westdeutschland),
jetzt s. V. a. waren artig, dann suchend hin- und
herlegen. Mhd. kramen «Kramhandel treiben,
einkaufen», bes. «ein Geschenk». Krämer, m.
(-S, PI. wie Sg.) : Kleinhändler, früher Kramer
(noch vielfach in Kromerinnung), mhd. krä-
niCBre, krämer, kro&mer, ahd. kramari m.
Krämeryolk, n., verächthche Bezeichnung
der Engländer seit Ende des 18. Jh., zuiück-
gehend auf Ad. Smiths Ausdruck nation of
shopkeepers. Vgl. Ladendorf. Kramerei, f.,
mhd. krämerie, kroemerie f. Krämerin, f.,
mhd. krämerinne.
Krambämbuli, m.: Danziger Wachol-
der- oder Kirschbranntwein (vgl, Lochs). Li
der ersten Hälfte des 18. Jh.; dazu schwäb.-
westfäl. kromhamhel «Schnaps». Nach Schrö-
der Streckformen 208 aus *krambel, das zu
krammet, s. Krammetsvogel, eig. «Wacholder»
gehört, also «Wach holderschnaps».
krammen, v.: mit sich zusammenziehen-
den Klauen empfindlich und verletzend fassen
(Goethe 17, 94. 50,164). Mhd. umliOO krammen,
noch Schweiz. -elsäss. und nordfränkisch. Ln
Ablaut zu krimmen (s. d.).
Kram(me)tsTOgel, m. {-s, PI. -vögel):
Wacholderdrossel. 1691 bei Stieler Krommets-
vogel, im IQ.. Jh. Kr ommet-, Kramat-, Kramats-
vogel, im 15. Jh. krambit-, kranbitvogel, 1482
im Voc. theut. r3* kranwidfogel, mhd. im
13. Jh. kranwitvogel. Von mhd. kranewite m.
(spätmhd.cÄranbiY, chramhid, cramut, chromud),
ahd. kranowitu n. (auch chranpoum m.) «Wa-
cholderstaude», noch bayr. kranewett, krane-
wittn f., eig. «Kranichholz», zgs. aus der alter-
tümlichen Form von Kranich (md. kröne,
krön, s. Kran) und ahd. loitu n. «Holz».
Krampe, f. (PI. -n): Türhaken, in den
der Riegel des Schlosses einschnappt; Buch-
haken, das Buch zuzuhalten (1775 bei Adelung
«im gemeinen Leben»). Li der 1. Bed. 1647 bei
01eariusl34 Krampe, aufgenommen aus gleich-
bed. md. und mnd. krampe f., and. krampo
(auch ndl. kram, kramme f., engl, cromp);
dafür mit hochd. ^/" 1517 bei Trochus R2*
kromphe, ahd. chramph m. «Haken», neben
dem ahd. Adj. chramph «gekrümmt» (daher
entlehnt afranz. cran^«zusammengekiümmt»,
franz. crampon m. «Klammer», ital. grampo f.
«Kralle»). Zu ahd. chrimplian, mhd. krimpfen
«krurüm oder krampfhaft zusammenziehen».
Vielleicht urverw. mit lett. grumba «Runzel,
Falte; ausgefahmes Wagengeleise», grumht
«Runzebi bekommen». ABL. krampen, v.:
festklammern, 1785 bei Voß Ged. 1, 171.
Krampf, m. (-[e]s, PL Krämpfe): krank-
haftes Zusammenziehen der Muskeln. Mhd.
kramp f m., aber spätahd. schwachbiegend
chrampho m. wie noch 1469 mrhein. krampffe
m. (Voc. ex quo); dazu and. crampo m.,
mnd. krampe m., ndl. kramp f., engl, cromp.
Eins mit Krampe. Vgl. noch krumm. ABL.
krampfen, v.: in Krampf zusammenziehen
(Goethe 19, 48 u. 15, 1, 18), spätmhd. krempfen.
krampfhaft, adj.. Kramer 1787. krampfig,
adj., 1482 im Voc. theut, r3^ krampfig, um 1480
im Voc. theut. n 6^ krempfig «krampfsüchtig».
ZUS. Krampfader, f., 1561 bei Maaler.
Kran, m. (-[e]s, auch -en, PI. -e, -en,
Kräne; die schwachflektierten Formen sind
im Veralten): Hebezug für Waren; Zapfröhre
mit einer senkrecht durchgesteckten dreh-
baren kleinem, zu Öffnung und Verschluß.
In der 1. Bed. spätmhd, im 15. Jh. kröne,
113-
Kranewitt
Kräpfel
1138
hran und kranch, krauche, mnd, im 14. Jh.
kran; in der 2. Bed. 1664 bei Duez Kran,
aber bereits cleviscb 1477 craen. Benannt nach
dem Kranich (s. d.) wegen der Ähnlichkeit
mit dem Halse und Schnabel dieses Vogels.
Schon gr. T^pavoc f. «Kranich» und «Kran».
Kranewitt, s. unter Krammetsvogel.
Kranich, m. (-[e]s, PI. -e): großer asch-
grauer Sumpfvogel mit langem spitzigen
Schnabel. ^Ihd. kranech, kranich, kranch,
auch schwachbiegend kraneche, kranche, bis-
weilen mit Umlaut krench, PI. 'krenche, ahd.
chranuh, chranoh, chranih m., mittels der Ab-
leitungssilbe -uh (vgl. ahd. habuh m. «Habicht»,
got. ahaks f. «Taube») von spätmd. krane,
kröne, and. crani(^), mnd. krane, kr an, krön
m., 1477 clevisch craen (vgl. Kran) ; dazu ags.
C7'an u. cornoch m., engl, crane, anord. trana f.
und trani m., schwed. trana, dän. träne. Ur-
verwandt.mit glbd. gr. fepavoc f., kelt.-kymr.
garan, abg. zeravl m., lit. gerve f., arm. krunk,
lat. grus f. (Gen. gruis), das sich mit ahd.
ckreia, kfeia «Kranich» beiührt. Dazu auch
lit. garnis m. «Storch, Reiher».
krank, adj.(Komp.kränker, ^nip. kränkest):
leidend schwach. Mhd. krane «schwach (zu-
nächst körperhch, dann auch geistig), arm-
selig, schlecht, schmal, schlank»; erst, nachdem
im 13. Jh. bei md. cranc die Bed. «gebrech-
lich, leidend» (der sunden iciderstrit V. 1257,
Gießener Hdschr. von 1278) auftauchte, ent-
wickelte sich und tritt auf im 14. Jh. die Bed.
«leidend schwach», die dann im 15. Jh. so
geläufig wird, daß im 16. Jh. das in dieser
Bed. übliche siech (s. d.) in eine engre Be-
deutung verdrängt ist. Ahd. nui- in krankolon
«schwach werden, straucheln» erhalten. Dazu
rheinfränk. im 11. Jh. crank «gebrechlich, ge-
lähmt», mnd. krank «schwach, ohnmächtig,
schlecht, gering», mndl. cranc «schwach,
schlecht», afries. kronk «zum Tode leidend
schwach», ags. (selten) cranc «gebrechlich,
hinfällig», anord. krangr «schwächlich» und
(aus dem Deutschen entlehnt) krankr, schwed.-
dän. krank «krank». Gleichen Stammes wie
ags. cringan, crincgan, crincan (Prät. crang,
cranc, Part, crungen, cruncen) «hinsinken, im
Kampfe fallen», engl. cra«Ä; «Krümmung», das
za lit. grazil «wende, drehe» gehört. ABL.
Kränke, f.: Krankheit, dann Krämpfe, be-
sonders aber die fallende Sucht, ein Fluch-
wort, mhd.ÄTeH/ce f. «Schwäche», kränkeln,
V., 1639 bei Zincgref Apophth. 310 krünckelen.
kranken, v., mhd. Äranfcen «schwach, leidend
Weigand, Deutaches Wörterbuch. 5. Aufl.
.werden oder sein», kränken, v.: geistig
! empfindhch wehe tun, mhd. kranken «schwach,
gering, leidend machen, schwächen, mindern,
erniedrigen, herabsetzen, in Kummer ver-
setzen»: dazu Kränknng, f., 1691 bei Stieler.
krankhaft, adj., 1691 bei Stieler, kranck-
hafftig 1664 bei Duez. Krankheit, f., mhd.
krancheit, krankeit f. «Schwäche», aber dann
im 14. Jh. wie heute, kränklich, adj., mhd.
krane-, Are« cZzcÄ «schwächlich, armselig», 1508
in der Straßburger Gemma C 8 '^ krancklich
in der heutigen Bed. «dauernd leicht krank»;
Kränklichkeit, f., 1734 bei Steinbach. ZUS.
Krankenhaus, n., 1678 bei Krämer, aber schon
um 1480 im Yoc. ine. teut. n6* kranckhuß.
Kranz, m. {-es, VI. Kränze): reifförmiges
Ziergeflecht ; umfangender Kreis. Mhd. kränz,
ahd. im lO.Jh.kratizm. (zunächst schmückende
Binde des Hauptes, Lockenkranzj; eigentüm-
lich hochdeutsch, in andre german. Sprachen
entlehnt. Entweder nach Liden Stud, 16 zu
, ]it.grandis m., graiidele f. lArmh&nd^, apreuß,
grandis «Ring», lett.^öcfe «starkgedreht, drall»
oder aus *krangz- (vgl. Lenzi zu Kringel (Btr.
29, 502). Tgl. 'Krätze. ABL. Kränzchen,
Kränzlein, n., mhd. krenzelin, krenzel, md.
im 15. Jh. krenzchen n.; in der Bed. «reihum-
gehende Gesellschaft» 1691 bei Stieler Kränz-
lein, 1616 bei Albertinus Lucifers Königreich
199 L. Krantzmahl und Kräntzebnahl der
Weiber, kölnisch im 15. Jh. krentzgen (Diefen-
bach-Wülcker 715) und 1513 krenzlin (Lilien-
cron 3, 110^) von geheimen politischen Ge-
sellschaften, urspr. benannt nach dem Königs-
kränzchen, das bei Schützenfesten den Sieger
schmückte, aber dem Ort des Gewinners die
Verpflichtung auferlegte, das nächste Schießen
zu halten (von ort zu ort ein kränz halten
ZfdA.3,243 vom J. 1602), auch bei den Mtisik-
kränzchen des 16. und 17. Jh. ging ein Kranz
reihum (Grimm DW. 5, 2058), ebenso bei den
Schmauskränzchen des 16. Jh. (Gargantua 74).
kränzen, v., 1512 bei Murner Narrenbeschw.
94, 62 krentzen, ahd. Part, kachranzta^, ahd.
Glossen 2, 398, 37.
Kräpfel, m. {-s, PI. wie Sg.): in Fett
gebackne kleine Kuchenart. In der Wetterau
Fem. (kräppel), in Thüringen Mask., bayr.-
österr. krapft n., mhd. krepfelin n., im 15. Jh.
krepfil, um 1480 im Voc. ine. teut. 1 ö^krapffel;
dazu md. im 12. Jh. und mnd. kreppelen, jetzt
Kreppel, obersächs. Kreppelchen n., Dim. zu
^Krapfen, m. (-s, PI. wie Sg.): eine Art
Kuchen in Fett gebacken. Nur noch obd.,
72
1139
Krapp
Eräuel
1140
mhd. krapfe, ahd. kräpfo m. Benannt nach
der urspr. hakenförmigen Gestalt, eins mit
^Krapfen, m. {-s, PI. wie Sg.): Krüm-
mung (umgebognes Ende) zum Fassen und
Einhängen, Haken, Klammer. Älhd. krapfe,
md. kräpe, ahd. cräpho, chräpfo, cräpo m.
(auch in der Bed. «gebogne Klaue, Kralle»).
Ins Romanische entlehnt: ital. graffio m.
«Haken, Kralle», grappat «Klammer», grappo
m. «Traubenkamm», franz. agrafe f. «Klam-
mer», grappe f. (afranz. eraj?e) «Traube», ^rop^m
m. «kleiner Anker mit vier Haken», span.
grapa f. «Haken». Gleichen Stammes mit
Nasalierung ist Krampe (s. d.).
Krapp, m. (-[e]s, ohne PL): die Färber-
röte, Färberwurzel, eig. das gemahlne Mark
der Wurzel. 1712 bei Hübner Krapp, Grapp, \
Grappe f., aus ndl. krap, im 16. Jh. krappe f.,
woher auch franz. grappe f. Angeblich be-
nannt nach den hakenähnlichen Dornen der
Pflanze und dann eins mit ^Krapfen. ;
Krapüle, f.: Völlerei; gemeines Gesindel.
Aus gleichbed. fi-anz. crapule f. von lat. cräpula
f. «heftiger Rausch». Im 19. Jh. Bei Campe
1813 crapulös «trunken, weinbegeistert».
kraspelll, v.: wie hartes Reiben in wieder-
holten Tönen gehört werden. Bei Klamer
Schmidt kom. Dicht. 82. Mhd. kraspeln.
Derselbe Stamm erscheint in anord. krespa
«krachen», engl. Crash, im Ablaut schott.
crisp «knacken». Lautnachahmend.
kraß, adj.: dick, grob; plump, roh. 1714
bei Wächtler. Nach lat. crassus «dick», aus
der Studentensprache, aber vermengt mit
graß, gräßlich.
Krätenwagen, s. Kräften.
Krater, m. (-s, PI. wie Sg.): Becher-
schlund eines Vulkans. Im 18. Jh. (Goethe 30,
59) aus gr.-lat. cräter, gr. Kpaxrip m. «Misch-
kessel», auch «Öffnung eines feuerspeienden
Berges», von gr. Kepdwu.ui «mische».
Kratten, m. (-s, PL wie Sg.): tiefer
Handkorb, Wagenkorb, (in den bayr.-tirol.
Alpen) zweirädriger Karren. Daher Kräten-,
Krattenwagen, m. «Korbwagen». Ober-
deutsch. Mhd. kratte, gratte, ahd. cratto, m.
«Korb»; dazu ags. cradel, cradol m., engl.
er adle «Wiege». Daneben Formen, die auf
t weisen, vgl. ^Krätze.
Kratz, m. {-es, PL -e): einmaliges Kratzen:
Schramme davon. Mhd. kraz m., Gen. kratzes.
Kratze, f. (Pl.-w): Werkzeug zum Zrafeew;
Scharre. Erst im 15. Jb. (Tucher Baumeisterb.
256, 28), aber im Bergbau schon mhd. kratze f.
^Krätze, f. (PL -n): geflochtner Korb,
Korbgeflecht. Mhd. kretze f. und m. (auch
im frühesten Nhd. noch Kretze m.), mit Nasal
krenze, krinze, ahd. crezzo m. Nebenform zu
kratten. Dazu ags. erat, erat n. «Wagen».
Weder mit lat. crätes f. «Flechtwerk», noch
mit gr. KdpTaXoc m. «unten spitz zulaufender
Korb» verwandt, da die Lautverschiebung
fehlt. Vielleicht entlehnt. Vgl. Kratten.
'Krätze, f. (ohne PL): Kratzen verur-
sachende kleine Milbenblattern am Körper;
schuppichter Abfall vom Metalle beim Be-
arbeiten. In der 1. Bed. mhd. kratz (voc.
opt. 40^, 6, bei Megenberg kratzen n.), im
15. Jh. kretze, kretz; in der 2. Bed. im 15. Jh.
kretze (Frankf. Bürge rmeisterb. v. 1450), kretz
(Nürnb. PoUzeiordn. 150, 14 vom J. 1488).
ABL. krätzig, adj.: die Krätze habend, im
15. Jh. kretzec, mhd. in ankretzig «räudig»,
woneben 1347 krezoht «schäbig» (Pfeiflers
Übungsb. 154, 129).
kratzen, v. : mit Spitzem od. Scharfem ein-
dringend fassen oder reiben ; reibend scharren.
Mhd. kratzen, kretzen, ahd. chrazzon; dazu
mnd. kratzen, krassen, mndl. cretten «kratzen»,
anord.-nnorw. krota «ausschneiden», schwed.-
dial. kräta. Aus dem Germanischen ent-
lehnt ital. grattare, franz. gratter «kratzen».
Eine nasalierte Wurzel könnte in lit. grändau
«schabe» stecken. ABL. Krätzer, m.: im
Halse kratzender Wein, 1691 bei Stieler, dafür
1600 (bei Melander 3 ocoseria) Kr atzeyibergerm.
kratzig, adj.: rauh, unfreundlich, 1808 bei
Campe als nd. ZUS. Kratzbürste, f.:
(bildlich) unfreundlicher Mensch, bereits im
17. Jh. (Bechstein Museum 2, 252). Kratz-
fuß, m.: höfliche Verbeugung, wobei man
mit dem linken Fuße ein wenig nach hinten
aufkratzte. 1775 bei Adelung, nd. Kratz foot
1767 im Brem. Wb., dafür 1734 bei Steinbach
Scharrfuß. Die Sitte selber bestand bereits
am Anfang des 17. Jh.
Krätzgarten, m.: Gemüsegarten. Im
östlichen Mitteldeutschland, 1580 im kursächs,
General- Articul § 22. Benannt nach der Be-
; arbeitung mit der Kratze d, i, «Krauthacke,
Karst» (md. 1517 bei Trochus Q 5^ kratze).
krauchen, v., ostmd. Nebenform von
kriechen (s. d.), 1586 bei Ringwaldt Warb. 21.
Kräuel, m. (-s, PL wie Sg.): Gabel mit
Haken zum Fassen. Bei Luther kreuel und
krewel, mhd. kröuwel, krewel, kröul, kriul,
kreul, ahd. chrawil, crewil, chrowil, crouwil m,
I «dreizinkige Gabel, Dreizack, Hakengabel,
1141
kraus
£rant
1142
Klaue, Kralle»; dazu and. krauwü m. «drei-
zackige Gabel» afries. kraivel, mndl. kramvel,
nndl. kraauwel m. «Hakengabel, Kralle».
Ton krauen, v. (Prät. kraute, Fart. gekraut):
kratzen; zu Wohlgefuhl gelinde kratzen. Mhd.
krouK'en. kraiven, kreincen, im 15. Jh. krauen^
ahd. chrouicon: dazu mnd. kraiven, afries.
kraica, ndl. krauwen «kratzen». Wohl wurzel-
verwandt mit kratzen oder mit lit. gräuziu
«nage». ABL. krauelu, v.: sanft streicheln.
Im"l5. Jh.
kraus, adj.: viel ins Runde gekrümmt oder
geringelt. Mhd. (nicht häufig) und mnd. krüs,
ndl. 1599 bei Kilian kruys, mndl. kroes, ahd.
noch nicht nachzuweisen. Dazu mit Ablaut
Gekröse und auch wohl Krolle (s. d.), also
aus *krütto-. Davon Krause, f. (PI. -»): ge-
fältelter Halski-agen, 1673 bei Weise Erzn.32
Krause f., aber 1644 bei Moscherosch Philan-
der 1, 263 f. Krause, Kräuß n., gegen Ende
des 16. Jh. Kraus n., mit Anlehnung an das
Adj. kraus umgedeutet aus dem im 16. und
17. Jh. üblichen gleichbed. Kraß n., bei Fisch-
art Garg. 172 Kalhskröß, nach der Ähnlichkeit
mit einem Kalbsgekröse benannt, wie noch
ditmars. kahverkrüsen «gefalteter Kragen»,
dän. kalvekrös «Busenstreif», franz. fraise f.
«Kalbsgeki'öse» und «gefalteter Hemdkragen».
Kräusel, m.: fortlaufender Kingel (bei Goethe
an Fr. v. Stein 1, 260); Halskrause (Goethe
[Werther] 19,40). kräuseln, v.: fcmwsmachen,
fälteln, 1572 bei Fischart Garg. 171 gekräuselet,
1562 bei Mathesius Sar. 79^ sich derkreuseln,
mndl. im 15. Jh. cruselen. krausen, v.: kraus
werden (Goethe6,61). krausen, krausen, v.:
kraus machen, 1628 bei Münster Cosmogr.
S. 1731 kraussen, 1510 in der Hagenauer
Gemma c8* gekrußt, md. im 15. Jh. crusen
(Diefenbach gl. 158''), im 17. Jh. krausen
(Schupp 712); dazu mnd. und mnld. krusen.
ZUS. Krauseminze, f , zusammengeschoben
aus krause Minze, Anf. des 15. Jh. crusemyntze
(Diefenbach gl. 66^), 1482 in Yoc. theut. v2^
krawsmintz. kraushaarig, adj., 1 664 bei Duez
kraußhaarigt, 1477 clevisch cruysshayrich, wie
wie auch das Subst. kruushaer n, KrauS-
kopf, m., bei Luther W. 8, 23 Kraußkopff.
^Krause, f., s. kraus.
-Krause, f (PI. -n): eine Art (Deckel-)
Krug. Oberdeutsch, hessisch, Alternhd.
auch Krause m. {-n, PI. -n) und Kraus m.
(PI. Krause). Mhd. krüse f. mit dem schon
im 12. Jh. erscheinenden Dim. crüselin n.:
dazu mnd. krüs und krös m. n., ndl. kroes m.
Da Gefäßnamen häufig entlehnt werden, hat
man auch hier an Entlehnung gedacht : etwa
aus gl". Kpujccöc m. «Wasser-, Ol-, Aschen-
krug» (so wieder Falk-Toi-p); nach Weigand
aus mlat. cruci-, crusibulus m. «Becher» (urspr.
in Kreuzesform), lat. crucihuhim n. «Nacht-
lateme in Kreuzesform), Lampentiegel», dar-
auf weisen auch die ältemhd. Formen und
Bed. (krusel, krüsel, krausei, kreusel, m. f.
«breitbauchiger Krug, Xapf, Tiegel», noch
Schweiz, chrüsel m. f. «Henkelknig mit brei-
tem Bauch, starkbauchige Kasserole, gedeckte
tiefe Schüssel mit Handhaben», nd. krüsel m.
«hangende Lampe geringer Leute, worin
meistenteils Tran gebrannt wird» (bi-em. Wb.
2, 888), mnd. krusel, krnc^el, o-usele, andfrk.
crüsul «crucibulum», md. Kreusel m., «han-
gende tragbare Arbeitslampe der Bäcker» usw.
Doch könnte das Wort auch echt deutsch sein
und mit kraus in der Bedeutung «drehend»
zusammenhängen. Vgl. Kreisel.
Kraut, n. (-[e]s, PI. Kräuter): Blattge-
wächs, das keinen Holzstengel hat; Häupter-
kohl; das grüne Blattwerk einer nicht über
Winter dauernden Pflanze (im 16. Jh. bei
Paracelsus); (nordwestdeutsch) eingekochter
Fnichtsaft; (heute veraltet) Schießpulver.
^Ihd. krfd, ahd. chrüt n. «kleinere Blätter-
pflanze, Gemüse, Kohl»; dazu asächs. crüd
«Unkraut» mnd. krüt, krüd (auch Gewüi*z)
ndl. kruid n. In der Bed. Schießpulver schon
im 14. Jh. am NiedeiThein kmyt n., nhd. auch
Büchsenkraut, Zündkraxit (Grimmeishausen
Simpl. 229), dann in Kraut und Lot «Pulver
und Blei» (Liliencron Volksl. 2, 324, 12 vom
J. 1493), mnd. krüt unde löt. Vielleicht zu
gr.ßpOo) ithervoi'sprossen», ßpüov n. «Moos, See-
moos, Kätzchen, Blüte». RA. Das geht mit
Kräutern zu: mit unrechten Dingen, Zauber-
kräutern (Wickram Rollwagen 17, 22). ABL.
kräuteln, v.: Kräuter sammeln, 1691 bei
Stieler kreutelen (1556beiFrisius 483* kreütlen,
«ausjäten»): daher Kräutler, m.: Kräuter-
sammler, fiühnhd. krüteler (Anf. d. 15. Jh.),
kreutler und krüdener, kretvtener (Diefenbach
gl. 275% nov. gl. 202^); Gemüsehändler, 1582
bei Golius 355, noch heute in Wien, krau-
ten, V.: Unkraut jäten (Fastnachtsp. d. 15. Jh.
610, 2), mhd. krüten «Kraut holen», mnd.
kreiden (auch wüi-zen). kräutern, v.: Kraut
holen oder jäten (in der ersten Hälfte des
15. Jh. kreytren), Kräuter suchen. Kräu-
ticht, n.: Kräuterblätter, Unkraut, md. im
15. Jh. crüdech, crüdecht, crewtecht, im 14. Jh.
72*
1143
Krawall
Kreide
1144
crüteht n. ZTJS. Krailtfeauer, m. : Häuptei--
kohl Bauender, mit Häupterkohl handelnder
Bauersmann (bei Kramer 1787). Kraut-
haupt, n. und Krautkopf, m.: Kohlkopf,
im 17. Jh. Krautehauht, Krauthaupt, mhd.
krütes Jwuhet: 1581 beiFischartBienenkorb84''
Krautkopff. Krautjunker, m.: (spöttisch)
unwissender Landedelmann, im 17. Jh. bei
Moscherosch Patientia 26.
Krawall, m. {-s, PI. -e) : vorübergehender
Aufi'uhr ohne Ausdehnung. Von den großen-
teils rat- und tatlosen Aufständen des Herb-
stes 1830 aus rasch im westKchen Mittel-
deutschland verbreitet. Doch vereinzelt schon
vom J. 1557 aus dem Archiv zu Rotweil
«Cratvallen halben uff wasser und land be-
treten oder angreiffen würde» (Herrigs Archiv
38, 343). Aus franz. charivalli (14. Jh., ralat.
charavalliuni), der Nebenfonn von charivari
«Straßenlärm, Katzenmusik», prov. caravil
(s. Charivari). Davon 1830 krawällen v.
und Krawäller, m.
Krawatte, f. (PI. -n)-. steife Halsbinde.
Fräh im. 18. Jh. aus franz. cravate f., in
der ersten Hälfte des 17. Jh. gebildet aus
dem Volksnamen Cravate «Kroate» (s. Kra-
bate), als Nachahmung der leinenen Halstücher
der Kroaten, daher ita\. croatta neben cravattaf.
Kraxe, f. (PI. -n): Traggestell. Bayr.-
schwäbisch. Mhd. (österr.) chrechse f., 1421
kräxen (Diefenbach nov. gl. 97*). Vielleicht
mit ^Krätze zusammenhängend.
kraxeln, v.: klettern, mühsam gehen.
Bayi-.-östr., eine Weiterbildung des schon im
17. Jh. bezeugten österr. krägeln «strampeln,
klettern». In der neuem Zeit dui'ch den
Bergsport bekannt gewoi'den.
Kreatur, f. (PL -en): Geschöpf. Mhd.
creatiure, md. creatüre f., aus gleichb. lat.
creätUra f., von creäre «erschaffen». ABL.
kreaturlich, adj., mhd. creatiurlich.
Krebs, m. (Gen. -es, PI. -e): hartschaliges
Wassertier mit zwei Scheren; (von* der Ähn-
lichkeit der Krebsschale, im 15. und 16. Jh.)
blecherner Brustharnisch; um sich fressendes
Geschwür (schon im 14. Jh. aus dem Alter-
tum übernommen, lat. Cancer m.). In urspr.
Bed. mhd. krebeg, krebg, im 14. Jh. auch krebs,
spätahd. crebi^, md. im 12. Jh. criug, später
kreug, kreuze, krou^, mit schwacher Flexion
mhd. krebege, krebse, ahd. chrepap m; dazu
mnd. krevet, kreft, mndl. krevet, krevitse,
krevisse, nndl. kreeft m. Entlehnt afranz.
escrevisse (auch Brustharnisch), nfranz. ecre-
visse f. «Krebs» und crevette f. «kleiner Krebs»,
gleichen Stammes wie Krabbe (s. d.). ABL.
krebsen, v.: Krebse fangen, mhd. krebegen,
krebsen. ZTJS. Krebsauge, m., im 15. Jh.
krebyß-, kreffißauge (Diefenbach gl. 490°), so
heißen zwei im August zur neuen Schalen-
bildunof im Magen des Krebses befindliche
halbkugelige Steinchen. Krebsgang, m.;
Gang mckwärts wie der eines Krebses, bei
Luther 3, 332 *> Jen. Krebsschaden, m.:
Krebsgeschwür, 1678 bei Krämer. Krebs-
schere, f., früh im 15. Jh. md. krebe§schere.
Krebssuppe, f., im 15. — 16. Jh. krebssuppe
(Germ. 9, 206).
kredenzen, v. : vorkosten, vorkostend dar-
reichen. Spätmhd. credenzen, von ital. cre-
denza f. «Glaube, das Vorkosten» zu «Treu
und Glauben» d. h. zum Zeichen der Un-
schädlichkeit, der Giftlosigkeit, mlat. cre-
dentia f., zu lat. credere «glauben». ABL.
Kredenzer, m., spätmhd. credenzer. ZUS.
Kredenztisch, m.: Schenktisch, 1540 bei
Alberus dict. r2% 1586 in den Script, rer.
Siles. 4, 290 Credentz m. Jetzt Kredenz, f.
Kredit, m. {-[e]s, PI. -e): Treue und
Glauben zu Borg, Leihvertrauen. Zu Anfang
des 17. Jh. (1601 bei Albertinus Kriegsleut
Weckuhr 118^ Credit m., als Neutr. 1663 bei
A. Gryphius Horrib. 11) entlehnt aus gleichbed,
franz. credit, ital. credito m., von lat. creditum n.
«Darlehn», dem Neutrum von creditus, Part.
Perf. Pass. von credere «glauben, borgen».
Dafür kaufmännisch im 16. Jh. Glauben (1548
bei Agricola Sprichw. Nr. 733). kreditieren,
V. : auf Borg geben, im 17. Jh. creditiren, aus
franz. crediter. Kreditor, m. (-5, PI. Kredi-
toren): Gläubiger, 1510 im Cod. dipl. Siles. 20,
178 Creditor, aus gleichbed. lat. creditor m.
Kreditiv, n. {-s, PI. -e): Beglaubigungs-
schreiben. 1607 bei Sattler Orthogi'. 32 Creditiff-
schreiben. Vom mlat. Adj. creditivus «Glauben
zu schenkend», zu lat. credere «glauben».
Dafür im 15. und 16. Jh. credenz f. n., mnd.
credencie f., aus ital. credenza f. (s. kredenzen).
kregel, adj.: munter, lebhaft (Tieck Nov.
7, 130). Nd.und md., aber mnd. kregel «immer
fertig zum Kampfe, hartnäckig», ndl. kregel
«störrisch», 1599 bei Kilian krijghel, ent-
sprechend ahd. widarcregilin «hartnäckig».
Verwandt mit Krieg (s. d.).
Kreide, f. (PI. -n): weiße Kalkerde zum
Schreiben usw. , Mhd. kride, spätahd. crtda, f. ;
dazu and. crtda, mnd. krite f. Aus gleichbed.
unerklärtem lat. creta f. «Kreide». ABL.
1145
Kreis
Krempel
1146
kreiden, v., spätmlid. knden (15. Jh.). krei-
dicht, adj., 1691 bei Stieler. kreidig, adj.,
1618 bei Schönsleder. Kreidlinsr, m.. von
Campe 1801 für Kretin (s. d.j vorgeschlagen,
jedoch mit falscher Ableitung. ZUS. kreide-
weiß, adj., 1575 bei Fischart Garg. 113
kreidemveiß.
Kreis, m. (Gen. -es, PI. -e): um einen
Punkt laufende, überall gleicbweit von diesem
entfernte Linie; Landbezirk; Verkebrskreis.
Mhd.Ä:re?5 m. «Ki-eislinie, L^mkreis, eingehegter
Kampfplatz, Landeski-eis», spätahd. crei^ m.
(noch im 18. Jh. Kreiß, Kraiß); dazu ndrhein.
im 14. Jh. kreytz und krijt, mnd. kret, krete,
kreit, krU m., mndl. crlt n. Xebst mhd. (md.)
kri^en «eine Kreislinie machen», hekrigen «mit
einer Kreislinie umziehen», hekrei^en «den
Grundi'iß, die Umrisse zeichnen», entweder zu
kritzen «kritzen, ritzen» (s. Kritz) oder zu alb.
fep m. «Reif eines Fasses, Rades, Ringest. ABL.
kreisen, v.: sich kreisförmig bewegen, mhd.
kreiden. ZUS. Kreislauf, m., 1741 bei Frisch.
'kreischen, v.: laut, grell aufschreien.
Mit schwacher Biegung Pi'ät. kreischte, Part.
gekreischt, aber in der Volkssprache und
ältemhd. starkflekt. Prät. krisch, Part, ge-
krischen, um 1200 ndrhein. und md. krischen
(Prät. kreisch, PI. krischen, Part, gekrischen),
spätmhd. im 15. Jh. kreischen (deutsch Passion,
Frankf. Hds. Bl. 61^); dazu mnd. krischen,
krisken, mndl. arischen, crijschen (Prät. cresc),
nndl. krijschen (Prät. kreesch, Fart. gekreschen,
aber auch schwachflekt. krijschte, gekrijscht).
Nebenformen: kröschen (oberd, und nd.),
kreuschen fFischart Garg. 169, Stieler 1691,
Musäus Volksm. 3, 278), mit Dental obersächs.
krietschen, vgl. kreißen und kreisten.
■^kreischen, v.: kochendes Öl, Schmalz usw.
durch ein hineingelegtes Brotstück oder ein-
gespritztes Wasser reinigen, bratend auslassen.
Im 17. Jh. (bei KirchhoflF) kreuschen, bei
Adelung 1775 kröschen. Schwachbiegendes
Faktitiv zu kreischen, urspr. «aufschreien
machen», wie mhd. erkreischen; im 16. und
17. Jh. kreischen «quälen, peinigen».
Kreisel, m. (-s, PI. wie Sg.): kleines
trichterförmiges Spielgerät, das auf dem
spitzen Ende sich drehend läuft. Angelehnt
an Kreis und kreisen 1691 bei Stieler Kreisel,
aber urspr. «Topf, Krug» (s. "^Krause, wie
mhd. tind noch oberd. topfm. «Kreisel»), daher
noch bei Voß, Goethe, Lichtenberg usw.
Krauset, bei Freyer 1722, Duez 1664 und
Soranus 1587 Kreusel, 1421 crußel (Diefenb.
nov. gl. 372*), md. im 13. Jh. krüsel m.
(hl. Elisabeth 3610); dazu mnd. 1424 crusel
(Hör. belg. 7, 29^), bei Chyträus krüsel, nnd.
krüselding, in Anlehnung an nd. küsel «Wirbel,
Stnidel-^ (brem. Wb.), mnd. cusel Diefenbach
nov. gl. 372^.
kreisen, v., s. Kreis.
kreisten, v.: stöhnend ächzende Töne aus-
stoßen. Mhd. kristen. Noch bayr.-östr., dafür
in der Wetterau und in Nassau kresten.
Vgl. kreißen und kreischen.
kreißen, v.: in Gebui-tswehen schi-eien
(und stöhnen); Wehen haben. Schwachbiegend
Prät. kreißte, Part, gekreißt, aber mit starker
Flexion mhd. kri^en (Prät. kreiß) «scharf rufen,
scharf schreien, stöhnen», im 15. Jh. kreysen
(Hätzlerin 1, 25, 68 u. 30, 9), in der heutigen
ßed. zuerst 1691 bei Stieler (kreußen). Dazu
mnd. kriten «schi-eien, heulen» (Prät, kret)
kreten, kriten «streiten, zanken», 1477 elevisch
crijten, mndl. criten «grell aufschreien», nndl.
krijten [Prsit. kreet, Fart. gekreten) «schreien».
Vgl. kreischen und kreisten.
Krematorium, n. (s, PI. -rien) : Anstalt
zur Leichenverbrennung. Von lat. cremäre
«verbrennen» in neurer Zeit gebUdet.
Kremortärtari, m.: gereinigter Wein-
stein. Von lat. cremor m. «dicker Saft, Brei»,
und dem Gen. von nlat. tartarus «Weinstein».
1801 bei Campe.
Krempe, f (PI. -en)-. aufwärts gebogner
(geschlagner) Hutrand usw., 1673 bei Weise
Erzn. 26 Krempe. Aus dem Nd., Nebenform
von Krampe (s. d.), 1691 bei Stieler Krampe,
Krempe «übula» und Krempe auf dem Hut
«spinther» (die Agraffe an der Hutkrempe),
a\i(}L.chramphm.<iRan(i,l\vaTnj>,xcidirgichrampht
«zurückgebogen», krempen, V.: den Rand
wovon aufwärts biegen, 1741 bei Frisch gi-em-
pen (aus dem Niedersächsischen).
^Krempel, f (PI. -n): Wollkamm. Zu-
fällig erst 1734 belegt bei Steinbach G-rampel f.;
md. im 15. Jh. krempel m. n. «gekrümmter
Zacken, Häkchen (1404 bei Cersne Minne Regel
2713), KraUe», mit hd. pf ältei-nhd. krempfei
«Hakengabel,Fleischgabel»(Schmeller- 1, 1370).
Abltg. V. a\idi.chramph m. «Haken» (s. Krampe).
Davon krempeln, V.: um 1480 im Voc. ine. teut.
1 1 ^ kemmen, vulgariter grempeln. Krempler,
m., ebenda kemmer, grempler. Kreniplerin,
f , 1429 bei Diefenbach nov. gl. 283^ kemmer in,
gramplerin.
^Krempel, m. (-s): geringwertige Sachen,
eig. Trödelware. Zu älternh^.greiyipel m.«Kauf-
1147
Kremser
Kreuz
1148
handel im Kleinen, Trödelhandel» (16. Jh.),
grempelmarkt m. « Platz zum Feilhalten alter
gebrauchter Sachen, Trödelmarkt» (Voc. von
1429 bei Schmeller, 1537 bei Dasypodius),
grempelwerk n. «Trödelware» (1594 bei Frisch-
lin Noni. c. 155). krempeln, v.: Kleinhandel
treiben, trödeln. 1669 bei Grimmeishausen
Simpi. 317 krämpeln, mhd. grempeln, grempen,
vielleicht von ital. comprare (im Volksmund
crompare) «kaufen», das dem gleichbed. lat.
cornpäräre entstammt. Krempler, m. : Tröd-
ler, Höke. Mhd. im 1 3. Jh. grempler, gremper (um
1500 kremper Straß b. Verordn. 256 Brucker),
1413 grempner, im 14. Jh. grempe, grenip
(Straßb. Verordn. 249).
Kremser, m. (-es, PI. wie Sg.): leichter
Omnibus, benannt nach dem Berliner Hof-
agenten Kremser, der 1825 die ersten der-
artigen Wagen in Berlin aufstellte,
Kren, m. (-s, PI. unüblich): Meerrettich.
In Bayern, Osterreich, Nordfranken, Schlesien.
Mhd. kreti, krene m., im 15. Jh. auch krien
(1482 im Voc. theut. r 4^), schles. Krien (bei
Günther 974 und Steinbach). Aus dem Slawi-
schen, abg. russ. chrenü, tschech. kfen.
Krengel, s. Kringel.
Kreole, m. (-»., PI. -?i): von einem Weißen
mit einer Mestize erzeugter (bräunlicher) Ame-
rikaner; aber auch in den Kolonien Geborner
von rein europäischem Blut. 1728beiSperander
Criole, nach franz. creole m. aus gleichbed,
span. criollo m., von span, criar «erzeugen,
ernähi'en», lat, creäre «erschaflfen».
krepieren, v,: verrecken; bersten (von
Granaten). 1617 im teutschen Michel crepiren,
aus ital. crepare «bersten, verrecken», von
lat. crepäre «krachen, platzen».
Krepp, m. (-es, PI. -e): Krausflor. Im
16. Jh. bei Kiechel 161 Crepp, 1650 bei Mosche-
rosch Philander 1, 44 Kreppe (in den altern
Ausgaben Crespe), ndl. 1599 bei Kilian crespe,
kerspe, aus gleichbed. franz. crepe m., früher
crespe, von lat. crispus «kraus».
Kreppel, m. (-s, PI. -n und wie Sg.):
Krapfen, s. Kräpfel.
^Kresse, f. (PI. -n): die bitterliche Salat-
pflanze an und in süßen Wassern, auch ver-
wandte Pflanzen ähnlichen Geschmacks. Mhd.
kresse m. f., ahd. cresso m. und cressa f. (vgl.
ZfdW. 2, 229); dazu andfrk. cressa f. (rhein. im
11. u. 12. Jh. crasse), mnd. kerse, karse f.,
nndl. kers, kors f., ags. coerse, cerse f., engl.
cress. Unerklärt. Aus dem Germanischen
entlehnt franz. cresson, ital. crescione m.
-Kresse, f. (PI. -n) -. der Gründling, cy-
prinus gobio. Das Fem. scheint in Mittel-
deutschland aufgekommen, mhd. kresse m.,
ahd.-and. cresso m., (noch bayr. Kressen m.);
dazu rhein. im 11. und 12. Jh. grasse, 1477
clevisch crasse. Vielleicht zu ahd. chresan
«kriechen»; der Fisch, auch Kreßling, m.
(-S, PI. -e) genannt (1429 kressUng), hat näm-
Hch in seinem Bewegen auf dem Grunde des
Wassers etwas Schleichendes, Kriechendes.
Krethl und Plethi: Hack und Mack,
Gesindel, eig. Scharfrichter und Läufer (nach
andren Erklärern Kreter und Philister), der
hebräische Name dei Leibwache Davids
(2. Sam. 8, 18 usw.)
Kretin (spr. kret{), m. (-s, PI. -s): Stumpf-
und Blödsinniger mit mißgestaltetem Körper,
bes. in Alpentälern. Am Anfang des 19. Jh.
(1801 bei Campe) aus franz. cretin m., und
zwar aus Wallis (woher auch ital. cretino m.),
von lat. christiänus «Christ, Christenmensch,
armer Mensch, der mit andern Menschen eben
nur die Taufe gemeinsam hat». Vgl. Kreidling.
Kretscham, m. (-s, PI. -e) -. Dorfschenke.
In Posen, Schlesien, der Lausitz. Md. 1340
kreczym, im 14. Jh. kretschem m., aus sorb.
korcma, tschech. krcma, poln. karczma f.
«Schenke». ABL. Kretschmer, m. (-S, PI.
wie Sg.): Schenkwirt. Md. 1340 krecimer,
1421 creczemer, aus gleichbed. sorb. korcmar,
tschech. krcmär, poln. karczmarz m. Im 15.
bis 17. Jh. kretzschmar auch die «Dorfschenke».
Kreuz, n. (-es, PI. -e): Balken mit Quer-
holz alsMartei-- und Todespfahl für Verbrecher,
dann überhaupt eine solche Figur; (bildlich,
biblischen Ursprungs nach Marc. 8, 34 usw.)
bittres Leid, beschwerendes Übel (schon mhd.
Mühsal, Not); Ordenskreuz (Anfang des 15. Jh.,
ausgehend von dem Abzeichen der Kreuzfahrer
und der Ritterorden während der Kreuzzüge) ;
das Rückgrat zwischen den Schultern (1664 bei
Duez) oder am untern Ende (1682 bei Chr.
Weise Opf. Isaacs 3, 11); in der Spielkarte
das franz. trefle m. «Kleeblatt» (daher Kreuzas,
-buhe, -dame). Mhd. kriuze, kriuce, kriuz, ahd.
krüzi n. (bei der Christianisierung im 8. und
9. Jh. zunächst vom Kreuze Christi); dazu
asächs. crüci f. n., mnd. und mndl. crüce, nnd.
krüze, krüz, nndl. kruis, afries. crioce, kriose,
krüs n. Aus dem Akk. crücefn von gleichbed.
lat. crux f., mit regelrechtem Umlaut. Ebenso
entlehnt anord. kross m., schwed.-dän. kors,
aber aus andrer Quelle (dafür got. galga m.
«Galgen», ags. röd f. «Rute»). Die ältre
1149
kribbeln
kriechen
1150
unverkürzte Form das Kreutze, Kreuze noch
bei Opitz, Fleming, Günther, Lessing 1, 186,
Rückert 1, 111. RA. zu Kreuze kriechen
(urspr. zum Crucifix bei der Kirchenbuße)
«sich demütigen» (bei Luther zum Creiitze
kriechen). ABL. kreuzen, v.: das Zeichen
des Kreuzes machen (schon mhd.) ; kreuzweise
herumfahrend und aufpassend auf der See
sich bewegen (von Schiffen, 1678 bei Krämer
kreutzen, creutzen) ; kreuzweise durchschneiden
oder sich schneiden (18. Jh.). Mhd. kriuzen
«ans Kreuz schlagen, mit dem Zeichen des
Kreuzes versehen», ahd. krüzön «kreuzigen»,
lat. crüciäre «kreuzigen, peinigen». Kreuzer,
m. (-S, PI. wie Sg.) : kleine Silber- oder Kupfer-
münze, urspr. mit aufgeprägtem Zeichen des
Kreuzes (X, deshalb die Kürzung xr., dann
auch kr.), mhd. kriuzer, mlat. denarius cru-
datus oder cruciger (zuerst als Silberpfennige
im 13. u. 14. Jh. in Verona und Merau geprägt);
kreuzendes Schiff, Kaper 1716 bei Ludwig
Greutzer). kreuzigen, v.: ans Kreuz schla-
gen, mhd. kriuzigen, md. crüzigen, ahd. crü-
cigon: dazu Kreuzigung, f., mhd. kriuzi-
gunge, ahd. chrücigunga f. ZUS. Kreuz-
band, n. : kreuzweis umgelegtes Band, bes.
für Postsendungen. In diesem Sinne erst im
19. Jh. kreuzbray, adj. : durchaus brav, 1756
im Leipz. Avanturier 1, 109 creutzprav, wie
schon bei Fischart Garg. 231 u. 240 kreutzgut,
eine Verstärkung nach dem Vorbilde vonKraft-
wöi'tern wie Kreuzdonnerivetter usw. Kreuz-
fahrt, f.: Kreuzzug, mhd. kriuzevart f. Kreuz-
gang, m.: Umzug mit dem Kreuze, Wallfahrt;
für diesen Umzug Säulengang oder Halle an
Kirchen und Klöstern; Leidensweg im mensch-
lichen Leben (nach Christi Leidensgang, 1578
bei Spangenberg Ehespiegel 84^). In den bei-
den ersten Bed. mhd. kriuze-, kriuzganc m.
Kreuzschnabel, m.: der Christvogel mit ge-
kreuztem Schnabel, 1557 h. Reußlin 168^ Krütz-
vogel oder Krumhschnahel. Kreuzspinne, f. :
Spinne mit einem weißpunktierten Kreuz auf
dem Rücken, 1691 bei Stieler, Kreuzweg,
m., 1640 bei Comenius, bei Spe Trutzn. 34
(Balke), 1598 bei Kilian kruysweg. kreuz-
weise, adv., mbd. kriuzewise, -wis. Kreuz-
WOChe, f.: die zweite Woche vor Pfingsten,
in der die kathoUsche Kirche Bittgänge mit
vorgetragnem Kreuz hält, mhd. kriuze-, kriuz-
woche f., and. krüzewika f. Kreuzzug, m.,
am Anfang des 18. Jh. bei Günther 132.
kribbeln, V.: vielfüßig,vielfingerig sich be-
wegen, wimmeln; wimmelnd jucken, prickeln.
Gedehnt kriebeln (im 16. Jh. Weim. Jahrb. 5,
224). In der 1. Bed. 1540 bei Alberus dict.
y 1 ^ kribeln, in der Reimformel kribbeln und
tvibbeln 1455 bei Lüiencron Volksl. 1, 483^
in der 2. Bed. md. im 13. Jh. kribeln; dazu
nd. kribeln und kribbeln, ndl. 1599 bei Kilian
krevelen und kribbelen. Im Ablaut stehend
zw krabbeln {?,. di) ABL. kribb(e)lig, adj.:
unruhig. Niederd. Im 16. Jh. kryblecht.
ZUS. Kribbelkopf, m.: reizbarer Mensch,
norddeutsch, 1748 im westfäl. Robinson 265.
Kribbel-, Kriebelkrankheit, f.: unauf-
hörliches Jucken, vom Genuß mutterkornhalti-
gen Brotes stammend, bei Musäus Volksm. 2, 1 92
Kribelkrankheit, 1741 bei Frisch Griebelsucht.
Kribskrabs, m. n. : ein Durcheinander von
Zügen im Ritzen, Schreiben usw. sinnlosen oder
zauberhaften Charakters; wunderliches Durch-
einander (Goethe Faust 3268). Bei Schuppius
502 Kribbes Krahbes, 1573 kribiß kr abaß, ein
Ablautgebilde wie Schnickschnack, Krikel-
krakel, ripsraps usw., von ndl. krabben «krat-
zen», kribben «kritzeln» (1599 bei Kilian).
krick(e)lig, adj.: mit allem unzufrieden
und tadelsüchtig wie zänkisch (Goethe 22, 249,
1. H.) ; leicht zu Zank und Streit führend. Von
krickeln, v.: zanken, streiten. Mundartlich
kreckeln, nd. krakeln «rechthaberisch wider-
sprechen, unzeitig und mürrisch tadeln». Da-
von Krickelei, f., Goethe Briefe 3, 247.
Krieche, f. (PI. -n)-. die Pflaumenschlehe.
Mhd. krieche f., ahd. chriehboum, krichboum
m.; dazu 1477 clevisch criecke, mnd. kreke,
krike f. «Schlehenpflaume», ndl. kriek f. «Vogel-
kirsche», ins Französische entlehnt creque f.
«Krieche», ins Skandinavische schwed. krikon,
dän. krcege. Wahrscheinlich zu mhd. Krieche
m, «Grieche», vgl. 1517 bei Trochus Kl**
prunum grecum, greculum, krichen. Vgl. E.
Schröder Anz. fdA. 23, 158.
kriechen, V. (Prät.Ä;roc/t,Konj./i;röc/te, Part.
gekrochen): niedorliegend sich fortbewegen.
Mhd. kriechen (Prät. krouch, PI. kruchen), ahd.
chriocJian, engl, crouch «sich niederbücken»,
norw. kruka «sich niederhocken», sonst mit
labialem Auslaut anfrk. criepan, mnd. krupen
(auch md. krüfen neben krichen), ndrhein.
krüfen, kruifen, mndl. arufen, nndl. kruipen,
ags. creopan, engl, creep, afries. kriapa, anord.
krjüpa, schwed. krijpa, dän. krybe. Man ver-
gleicht (mitÄ-Auslaut)air. grrMC {nM'n'^grunko-)
«Runzel» und (mit j?- Auslaut) gr. TPÜ^röc
«krumm». Vgl. Btr. 26, 301. Älternhd. im Präs.
kreuchst, kreucht, Imp. kreuch, nach mhd.
1151
Krieg
Krimskrams
1152
kriuchest, kriuchet, kriuch. Vgl. krauchen.
ABL. Kriecher, m.: Schleicher, 1691 bei
Stiel er. Kriecherei, f., im 18. Jh.
Krieg, m. {-{e)s, PI. -e): tätliche Feind-
seligkeit; Kampf zwischen Staaten. Mhd. kriec
(Gen.krieges) m. «eifrige Anstrengung, Streben
wogegen, Feindseligkeit, Widerstreit, Rechts-
streit, fortgesetzter Kampf zwischen Parteien
und Staaten», md. kr^c, krlg m.; dazu mnd.
krich (Gen. krighes) m. «Zank, Zwist, Recht-
haberei, Eigenwille, Watfenstreit (für letztres
meist orloch), mndl. crijch, nndl. krijg m. Im
Ahd, kreg «Hartnäckigkeit, Trotz», einchrigi-
Itcho adv. «eigenwillig», mhd. einkriege adj.
«eigensinnig, zänkisch»; für «Krieg» sagte man
ahd. ivic m. n. und urliugi n. (vgl. Orlogschiff).
Wohl urverwandt mit air. hrlg «Kraft, Macht»,
gr. ßpiapöc «stark, heftig», gr. ö-ßpic f. «Über-
mut». Vgl. Boisacq Dict. Dazu kriegeil, v.:
Krieg führen, mhd. kriegen, md. krtgen «sich
anstrengend streben, ringend streben, kämpfen,
streiten, mit Worten streiten, Krieg führen,
bekämpfen»; dazu mnd. krigen «streiten, einen
Rechtsstreit führen, Krieg führen», im Grimde
eins mit dem folgenden kriegen (s. d.) ; davon
Krieger, m., mhd. krieger m. «Kämpfer»,
Kriegeriu,f. (bei Luther) und kriegerisch,
adj., 1538 bei Frank Germaniae chron. 291%
kriegisch bei Luther, mhd. kriegisch «wider-
setzlich, trotzig, streitsüchtig». ZUS. Kriegs-
fuß, m.: völlige Kriegsbereitschaft. 1808 bei
Campe. Kriegsherr, m., nicht bei Adelung
und Campe, aber schon mhd. kriegesherre,
Schlagwort seit 1851. Vgl. Ladendorf. KriegS-
knecht, m., bei Luther. Kriegskunst, f.,
1561 bei Maaler. Kriegsmann, m., im 15. Jh.
Kriegspfad, m., nach engl, warpath bes. in
der RA. denK. betreten «den Krieg beginnen»
aus der Sprache der Indianer Nordamerikas.
In neurer Zeit. Vgl. Hirt Indogermanen 699.
Kriegsschiff, n., 1507 bei Wilwolt V. Schaum-
burgii. Kriegsschule,f.Imi8.Jh. Kriegs-
spiel, n.: der Krieg selbst; Nachahmung des
Krieges, jetzt im Heere sehr üblich. Im 18. Jh.
kriegen, v.: strebend fassen; in die Ge-
walt bekommen, erhalten. Mit schwacher
Flexion wie das vorhergehende kriegen (s. d.) ;
in md. Mundarten kreien, kreigen. Aber urspr.
starkbiegend md. krigen (Prät. kreic, Part, ge-
krigen), mnd. krigen (Prät. krech, Part, ge-
kregen) «erlangen, erwerben», nnd. krigen
(Prät. kreg, Part, kregen), mndl. crijen (crech,
gecreghen),iind\.krijgen (kreeg, gekregen). Auch
ältemhd., z. B. bei Luther, Prät. kreig, Part.
kriegen,nehen schwachflekt. Prät. kriegte, Part.
krieget. Geht auf die urspr. Bedeutung von
Krieg zurück.
Kriekente, f., die zwei kleinsten Arten
der wilden Enten, anas crecca und anas quer-
quedula. 1557 bei Heußlin 34^ Kriche^itlin,
Krigente, Kruckentle, nd. krikente, krikant und
krikke, kreke f., schwed. (westerbottnisch)
kräcka. Kriek- bedeutet im Nd. «klein», vgl.
Kriek-, Krukälster (d. h. «kleine Elster, der
Neuntöter» Nemnich, 2, 323), mecklenb. kriek-
ar/ife»« niedrige Erbsen», mnd. (1383) krickef.
«kleine Erbse», krickelmore f. «kleine Rübe».
krieschen, v.: norddeutsch vulgär für
kreischen (s. d.).
kriminal, kriminell, adj.: peinlich d.h.
Leib und Leben angehend. 1711 bei Rädlein
criminal, im 18. Jh. auch criminel, aus franz.
criminel, lat. crlminälis «ein Verbrechen be-
treffend», von lat. crimen- n. «Verbrechen».
Kriminal, n. {-s, PI. -e): Zuchthaus. In
Österreich. Kriminälrichter, m.: Richter
des peinlichen Gerichts, 1711 bei Rädlein;
Kriminalist, m. [-en, PI. -en): Kenner oder
Lehrer des Strafrechts, 1714 bei Wächtler,
krimm ein, v., md. Nebenfoi-m von kribbeln
(s. d.), bes. in krimmein und loimmeln, bei
Luther 3, 239% Rückert W. 2, 216.
krimmen, v. : mit Krallen, kratzend, knei-
pend fassen. Jetzt mit schwacher Biegung, aber
mhd.starkflekt.Ärmmen, grimmen (Prät./craw,
PI. krummen, Vartgekruinmen), ahd. krimman.
Dazu ags. crimman «zerbröckeln», mit schwa^
eher Flexion anord. kremja «drücken, quet
sehen». Dazu vielleicht lat. gremium n. «Schoß,
Armvoll». Vgl. krammen und Bauchgrimmen
ABL. Krimmer, Krümmer, m. (-s, PI
wie Sg.): Habicht; Pflugart (beide ostmd.)
Erst im 19. Jh., aber sicher älter.
Krimmer, m. (-s, PI. wie Sg.) : das zarte
FeU ungeborner Lämmer (im Pelzhandel).
Eig. «Lammfelle aus der Krim», wie Per-
sianer «Felle aus Persien».
krimpen, v.: intr. Zusammenschrumpeln
(1716 bei Ludwig); tr. einschi'umpfen lassen,
bes. Tuch durch Wasser (1755 bei Richey).
Aus dem Nd. Urspr. mit starker Flexion
mnd. krimpen, clevisch 1477 crympen in beiden
Bed.; dafür mhd. krimp fen «sich krumm zu-
sammenziehen» (s. Krampf).
Krimskrams, m.: Gerumpel, Geschwätz,
nordd. Nebenform von Kribskrabs (s. d.), an-
gelehnt an krimmein (s. d.) und Kram. 1795
bei Hupel.
1153
Krimstecher
Kritik
1154
Krimstecher, m. (s, PI. wie Sg.)-. kleines
Doppeltaschenfernrohr. Im Krimkrieg be-
nutzt und daher benannt.
Kringel, Krengel, m. {-s, PI. wie Sg. ) :
Kreis, Kreisgewinde; einen großen Ring bil-
dendes plattes Gebäck, besonders zu Festlich-
keiten. 1462 md. cringel fMone Anz. 7, 299,
118), mnd. kringel m, «Brezel», von md. und
nd. kring m. «Kreis» (s. Kringen). Krengel
ist nur mundartlich. Daher die Schreibung
Kringel vorzuziehen. Dazu anord. kringla f.,
schwed. kringla, dän. kringle «Kreisring, Zirkeb.
Kringen, m. (s, PI. wie Sg.) : Kreis ; Ring-
artiges, z. B. gepolsterter Tragring (d. j. Goethe
3, 239, Briefe 4, 54). An der Lahn, auf dem
Westerwalde usw. Im 15. Jh. schwachbiegend
kringe m. neben starkflekt. krinc m. (Gen.
kringes) «Kreis» u. mä.kranc m. (Gen.kranges)
«Kreis, Umkreis»; dazu mnd. krink, kring,
nndl. kring, anord. kringr m. (s. Kringel).
Dazu lit. grazil «drehe, wende», apreuß.
granstis «Bohrer», air. do gres «beständig»
eig. «im Kreis».
Krinitz, m. (-es, Pl.-e): der Kreuzschnabel,
loxia curvirostra: auch Ginster. Im östlichen
Mitteldeutschland. Im 18. Jh. bei Ludwig,
Kirsch und Steinbach ^nnz'fe, 1763 bei Heppe
Jäger Crinitz, Grinitz, 1664 bei Duez G-rienitz,
G-rünitz, angelehnt an grün, bei Adelung auch
Krünitz, im 15. Jh. crinis (Germania 6, 99),
schlesisch im 14. Jh. grinis. Lehnwort aus
dem Slawischen, oberlaus. - wendisch skr jene
«Kreuzschnabel», vgl. auch poln. krzywonos
«Krinitz», eig. «Krummnase». Die amtliche
Schreibung ist Grünitz.
Krinoline, f. (PI. -n): Frauenunterrock
mit Stahlreifen. Aus franz. crinoline f., auf-
gekommen in den 50 er Jahren des 19. Jh., eig.
«ein Zeugstoff von Garn imd Pferdehaar», von
lat. crmis m. «Haar» rmd linum n. «Flachs,
Lein». Die französischen Damen trugen schon
im 16. Jh. Reifröcke nach spanischer Mode
{vertugalles od. vertugadins ^Tugeudwardeine»).
Krippe, f. (PI. -n): erhöhter Futtertrog
für Pferde, Rindvieh usw.; Flechtzaun an
Ufern (spätmhd. im 15. Jh. krippe, kreppe,
kruppe, kroppe f.); Kleinkinderbewahranstalt
(in neurer Zeit, nach der Krippe Christi, diese
Bedeutung zuerst in Frankreich entwickelt. In
der 1. Bed. mhd. krippe, alemannisch kripfe
(schweiz. jetzt krüpfli), ahd. crippa, im 8. Jh.
cripia (ZfdA. 3, 462^), bei Tatian 5, 13 crippea
u. bei alemannischen SchriftsteUem krippha f.;
dazu asächs. crihbia, cribba, afries. krihbe, nndl.
Weigand, Deutsches Wörterbach. 5. Aufl.
kribbe, krib. Auch mit ablautendem u in der
Stammsilbe : ältenihd. Krupf (Franck Weltb.
174 '^), 1469 mrhein. kruppe im Voc. ex quo,
nd. krühbe, mnd. krubbe, rmdl.h-ub, ags. cryb f.,
schwed. krubba, dän. krybbe. Urspr. wohl aus
Holz geflochten, da K. zu mhd. krebe m. f.
«Korb» gehört {?>.Korb\ Aus dem Germanisch,
entlehnt ital. greppia, prov. crepia, crepcha und
crupia, franz. er ecke f. «Krippe» (daher engl.
cratcli neben crip). Der got. Ausdruck war
uzeta m. (eig. «woraus gefressen wird»). ABL.
krippen, v.: ein Ufer, eine Deichstelle durch
einen Flechtzaun festigen. 1741 bei Frisch.
ZUS. Krippenheißer, m.: Pferd, das beim
Fressen und Atemholen die Vorderzähne aiif
die Krippe aufsetzt und bei jedem Schlucke
grolzt (1691 bei Stieler); zänkischer Mensch,
mürrischer Tadler (bei Aler 1727 Krippen-
bisser). Krippenreiter, m.-. armer Land-
junker, der bei wohlhabenden Edelleuten
gleichsam von Krippe zu Krippe reitet, im
östlichen Mitteldeutschland seit dem 30jähr.
Kriege (bei Logau 3. Zugabe 47). Krippen-
setzer, m., dasselbe wie Krippenbeißer.
Krips, s. Gn-iebs.
Krise, f. (PI. -n): Entscheidungspunkt in
einer Sache. Im 18. Jh. (bei Goethe Br. 4, 11,
Bürger), aus franz. crise f., von gr. Kpicic f.
«Entscheidung», zu xpiveiv «scheiden, ent-
scheiden». ABL. kriseln, V. In neui-er Zeit.
Kristall, m. {-[e]s, PI. -e): ein von ebnen
regelmäßig liegenden Flächen begrenztes ^Mine-
ral; wasserheUe glasartige Masse, Bergglas.
Nhd. seit dem 17. Jh. auch Xeutr. (Lessing 8,
156, jetzt stets in der Bed. «Glaswaren»), im
15. u. 16. Jh. auch Fem., mhd. kristalle, kristal
m. f., ahd. im 11. Jh. christalla f., aus gr.-lat.
crystallus, gr. KpücraWoc m. f. «Eis, Berg-
kristall, durchsichtiger Edelstein», neben
Kpucxaiveiv «durch Kälte, Frost (kpuoc n.) ge-
rinnen machen». ABL. kristallen, adj.: von
Kristall, im 15. Jh. und mrhein. schon im
13. Jh. cristallen, mhd. kristallin, aus gr.-lat.
crystallinus, gr. KpucxdWivoc. kristallinisch,
kristallisch, adj.: Kristall gehalt habend,
kristallhell, erstre Form im 18. Jh., letztre im
14. Jh. bei Megenberg kristallisch, kristalli-
sieren, V. : in Kristall verwandeln, aus franz.
cristalliser, dafür mhd. sich cristallen. ZUS.
Kriställöl, n.: geläutertes Öl, wegen seiner
Helle und Durchsichtigkeit, im 19. Jh.
Kritik, f. (PI. -en): Beurteilung; Beur-
teilungskunst. Im 17. Jh. Gritique, im 18.
Critic, Critik, aus franz. critique f., von gr.
73
1155
kritteln
£rone
1156
KpiTiKri (x^xvri) f- «Beurteilungskunst». Kri-
tiker, m. (-S, PI. wie Sg.) : Kunstrichter, im
17. u.lS.Jh. noch Criticus, aus dem gr.-lat. Adj.
criticus, gr. kpitiköc «zum Beurteilen gehörig»,
zu Kpiveiv «entscheiden», kritisch, adj.:
entscheidend, bedenklich, gefährlich; kunst-
richterheh. Im 17. Jh. (1664 bei Duez 1, 219*'
critisch) gebildet nach dem gleichbed. franz.
Adj. critique, lat.-gi'. criticus. RA. kritischer
Tag, 1885 von Rudolf Falb gebraucht und seit-
dem Schlagwort. Vgl. Ladendorf, kritisie-
ren, V.: beurteilen; musternd besprechen,
musternd durchnehmen. 1650 bei Moscherosch
Phil. 1, 154 critisiren, aus älterfranz. critiser
(1664 bei Duez dict, fran^.-allemand).
kritteln, v.: sich verdrießlich kleinlich
tadelnd äußern. Im 17. u. 18. Jh. noch grittelen
(Stieler 1691), gritteln (Frisch 1741) «zanken,
kleinlich tadeln», nd. kriddeln eig. «zanken».
An Kritik usw. angelehnt. Davon Krittel,
m.: das kleinliche Mäkeln, 1808 bei Goethe
(Faust 1559). Krittelei, f., in der 2. Hälfte
des 18. Jh. (bei Herder, Lessing usw.), nd.
kriddelijet Kritt(e)ler, m., 1727 bei AI er
Gritteler «kleinlicher Tadler», 1575 bei Fischart
Garg. 253 Tagkritler, 1691 bei Stieler Gritteler
«Zänker», nd, kriddeler «Zänker», kritt(e)lig,
adj., 1691 bei Stieler grittelicht und kritlich,
1681 bei EHs. Charl. v, Orleans 2, 15 gritlich,
2, 5 kritlich, 2, 279 gridlich, anders 1510 bei
Keisersberg irrig Schaf G 2 '^ grüdlig (Var. grüd-
lecht) «grübelnd» von grüdeln «giübeln, sto-
chern» (Keisersb. Eschengrüdel aS**).
Kritz, m.: eingeritzter Strich, 1343 md.
kritz m. kritzeln, v.: kratzend fein schrei-
ben, 1420 kritzeln «durchritzend streichen, um-
ritzen»(Diefenbach gl. 94**), Dim. von älternhd.
kritzen, mhd. kritzen, ahd. krizon «einritzen».
Vielleicht mit Kreis verwandt, aber schwerlich
zu kratzen, kritzlich, adj., im 15. Jh. cricz-
licht (Diefenbach nov. gl. 368*^), im 14. Jh.
bei Megenberg 853, 32 kritzlot.
kröchsen, kröchzen, s. krächzen.
Krocket, österreichisch Kroquct (spr.
kröket) n, (-s): Kugelspiel, Aus gleichbed.
engl, croquet um 1864 übernommen.
Kroki, n. (-S, PI. -s), österreichisch Kro-
<|llis: Skizze, Aufnahme einer Gegend nach
dem Augenmaß. 1813 bei Campe. Aus gleich-
bed. franz. croquis m. ABL. krokieren,
v.: eine Skizze entwerfen.
Krokodil, n. ([e]s, PI. -e); die größte Art
der Rieseneidechsen. Älternhd. Mask. (wie
noch bei Herder zerstr. Bl. 4, 103, Lichtwer
Fab. 3, 3). Mhd. kokodräle, kocatrille m.,
aus mlat, cocodrillus, gr.-lat. crocodilus, gr.
KpoKÖbiXoc m. (vgl. Idg. Forsch, 15, IfiF.). Im
Ahd, übersetzt durch nihhus n, «der Nix»
(s. d,). ZUS. Krokodilsträne, f. (gew. im
PI,): heuchlerische Träne, 1628 bei Münster
Cosmogr. S. 1726 Crocodil-Trähnen, 1574 bei
Horscht Geheimnisse der Natur 4, 0 6 * Gro-
codilszeeren, nach dem Glauben, daß das Kro-
kodil die Stimme eines weinenden Kindes nach-
ahme, um Menschen anzulocken (vgl. Fischart
Flöh. 163 Kz.).
Krokns, m, (Gen. wie Sg., PI. -sse): die
Safranpflanze. 1628 bei Opitz 1, 265 Grocus.
Aus gleichbed. crocus, gr. KpÖKoc m,, woher
schon ahd. cruogo, m. «Safran», an or d. Ä;rogr n.
Krolle, f. (PI. -»): Haarlocke. Im west-
lichen Mittel- u. Norddeutschland. Md. krolle
f. und Dim. crullil n,, spätmhd. krülle f,, 1477
clevisch crolle und crulle, nd. krulle, nndl,
kruli.; aber md. auch /broZ, fer^Z m. «das ganze
Lockenhaar». Zum Adj. spätmhd. krol, mndl,-
mengl. crul «kraus, lockig». Vielleicht aus
*kruäla u, mit Arratts verwandt. ^-BL. krollen,
V.: (Haar) ringeln, in der Kölner Gemma von
1495 ghecrult «gekräuselt», von 1507 gecrolt,
nd. und ndl. krullen «kräuseln», mhd. krüllen
(auch an den Haaren reißen). kroUicht,
krollig, adj,: lockig, gekräuselt, 1742 bei
Lindenborn Diogenes 2, 454 krollicht, ndl,
krullig. ZUS. Krollhecht, m.: (beim Auf-
tragen) ringförmig biegbarer oder gebogner
kleinrer Hecht, 1775 bei Adelung aus nd,
krullheked. Krolltabak, m.: Kraustabak,
geschnittner krauser Rauchtabak, bei Hölty
136 H, Krolltoback, nndl. krultabak.
Krone, f. (PI. -n): Kranz ums Haupt;
Hauptschmuck als Zeichen des Herrschers;
Baumgipfel mit seinen umgebenden Ästen
(Goethe 8, 281, Schiller Spazierg. 20); Kopf
(in den RA. etwas in der K. haben, es ist ihm
etwas in die K. gefahren) ; Kronleuchter (schon
mhd. und mnd,); Goldmünze mit eingeprägter
Krone (zu Anfang des 16, Jh, bei Keisersberg
und Gengenbach, seit 1873 im Werte von
10 M,); in Österreich seit 1892 Silbermünze
im Werte von 85 Pfg., abgeküi'zt K. In den
zwei ersten Bed. mhd. kröne, ältermhd, coröne,
ahd. Corona f.; dazu mnd.-mndl, cröne, crüne,
mittelengl. corüne, croune, engl, crown, anord.
köröna, körön, krüna f., schwed. kruna, dän.
kröne. Entlehnt aus gr.-lat. coröna, gr. KopiOvri
f. «Kranz, Schmuck des Hauptes», urspr. ring-
förmig Gebognes. ABL. Krönchen, Krön-
1157
Kronfleisch
Krng
1158
lein, n., 1437 md. krönechin (Anz. 18, 44),
mhd. kroenlm n, krönen, v., mh. kroenen,
vom Subst. kröne gebildet, während ahd. coro-
nön, chrmön, aus lat corönäre «bekränzen,
umkränzen» entlehnt ist: dazu Krönung, f.,
mhd. kroenunge, kronunge f. ZUS. Kron-
leuchter, m., 1775 bei Adelung, dafür mhd.
und mnd. kröne f. Kronprinz, m., 1716 bei
Ludwig. Kron(en)taler, m.: Taler mit
einer Krone. Im 18. Jh. Kronzeuge, m.:
jetzt soviel als Hauptzeuge, eig. aber ein
Verlyecher, den die Krone (der Staatsanwalt)
als Zeugen benutzt. Aus England im 19. Jh.
überkommen.
Kronfleisch, n.: Zwerchfell beim Rind-
vieh, Fleisch davon. Bayrisch-österreichisch.
Nicht zu Krone gehörig.
Kronsbeere, f.: Preißelbeere. Nordd.
1691 bei Stieler. Von nd. krön m. «Kranich».
Die ähnliche Moosbeere heißt nach dem Kra-
nich, der sie gern frißt, auch Kranich-, Kran-
heere, im 15. Jh. chranichper, engl, cranherry.
Krop, n. (-s): geringes Volk, Pack (bei
Friedrich d. Gr. Oeuvi-es 27, 147 Teufelskrop,
bei Tieck in Musäus Straußfedern 4, 4 Bilrger-
kroop n.). Aufgenommen aus nd. krüj), kröp n.,
womit verächtlich zunächst kleine Kinder und
unansehnliche Menschen bezeichnet werden,
eig. «Vieh einer Bauernhofstätte», besonders
«das kleine, das Federvieh, kurzbeiniges Feder-
vieh», vandi.krrq), kröp n. «Vieh», bes. «Rind-
vieh», auch «kleines kriechendes Tier», vom
starkflekt. ndi.krupen (Prät. kröp, Fart.krapen),
mnd. krupen, asächs. criopan, mndl. crupen,
nndl. kruipen, ags. creopan, afries. kriopa «ki-ie-
chen». ZTJS. Kroppzeug, n.: Pack, Ge-
sindel, zur Zeit des siebenjähr. Krieges im
preuß. Heere aufgenommen aus nd. kröptüg,
krüptüg n., das ebenfalls zunächst als ver-
ächtliche Bezeichnung kleiner Kinder, unan-
sehnlicher Menschen gebraucht wird. 1781
bei Kindleben Krobzeug; mit falscher Be-
ziehung auf groh auch Grohzeug geschrieben.
Ähnliche Zusammensetz, sind nd. krüphön n.
«Zwerghuhn», krüpbone f. «Buschbohne».
Kröpel, m.: Niederdeutsch für Krüppel
(s. d.). ZUS. Kröpelstuhl, m.: niedriger
Armsessel, 1775 bei Adelung, aus dem Nd.
Kropf, m. {-[e]s, PI. Kröpfe): häutiger
Halssack körnerfressender Vögel, ähnliche
Halsdrüsengeschwulst. Mhd.kropf, ahd. chroph,
chropf m.; dazu clevisch 1477 crop, nd. und
ndl. krop, ags. crop, cropp m. «Kropf» (auch
Kuppe, Wipfel, Traubenbüschel, Ähre), engl. ,
! crop «Spitze, Kornähre, Ernte», anord. kroppr
m. «aufgeschnittnes Schlachtvieh, Körper»,
krof m. «aufgeschnittner Köi-per, Körper»,
auch mnd. krop m, «Rumpf». Auf m-spr.
Bed. «geballte runde Masse, hervorstehende
Rundung» weisen die roman. Lehnwörter:
ital. groppo m. «Klumpen, Knoten, Haufen»,
groppa f. «Hinterkreuz des Pferdes», franz.
groupe m. «Klumpen, Gruppe», Croupe f.
«Kreuz des Pferdes. Bergkuppe, Gipfel»; doch
ist es zweifelhaft, ob aUe diese Wörter zu-
sammengehören. Vgl. Zupitza 77,82, Schroeder
I Btr. 29, 493. 531. Vielleicht ui-verwandt mit
gr. -fpuTTÖc «geki-ümmt». ABL. kröpfen, v.:
den^rop/" füllen (mhd. krüpfen); krumm biegen,
bei Handwerkern (ältemhd.Ä;r«j;/ew, noch bayr.
: sich krüpfen «sich krümmen», vgl. Krüppel).
kröpfig, kropfig, adj., mhd. /froj?/bÄ^, kropfot,
md. kropfecht, dagegen 1537 bei Dasypodius
kropffig, 1541 bei Frisius 81 7 '^ kröpfig.
Kroppzeug, s. Krop.
Kroquet, s. Kroket. Kroquis, s. Kroki.
1 Kröte, f. (PI. -n): dem Frosch ähnliches
' Tier mit Wärzchen. Bei Luther Kröte, mhd,
krote, krotte, krot (noch obd. Krot f.), auch
kröte, alem. krate, md. krade und krede, krete,
clevisch 1477 crade, ahd. chrota und chreta f.
Vielleicht stammverwandt mit gr.ßdTpaxoc,ion,
ßpöraxoc, ßäGpoKoc m. «Frosch». Als Schelte
für einen kleinen bösartigen (giftigen) Men-
schen schon mhd. krot f. ZUS. Kröten-
balsam, m. : die Bachminze, lat. mentha
aquatica, rheinisch (1794 bei Nemnich 2, 550);
der bitter-aromatische Saft der Pflanze gilt
als heilsam sowohl gegen Bienen- und Wespen-
stich als gegen das (vermeinte) Gift der Kröte,
Krücke, f. (PI. -n): Stab mit Querholz
zum Stützen usw. Mhd. krücke, krucke, ahd,
chruckia,kruckai.; dazu. and. krucka f. «Kiücke,
Krummstab», mnd. krucke,krocke (auch Werk-
zeug zum Zusammenscharren oder Umwenden),
ndl. kruk, bei Kilian krucke, ags. cricc, crycc f.,
I engl, ertlich «Kiücke», wohl verwandt mit
anord. krökr m. «Biegung, Bucht, Ecke,
Haken», schwed. krok, dän. krog und mit
Ablaut ahd. kräko m. «hakenförmiges Werk-
zeug». Entlehnung aus lat. crMc(ewi) «Kreuz»
wäre nur unter sehr verwickelten Voraus-
setzungen möglich. In das Romanische ent-
lehnt ital. crocaa f. «Krücke», crotco m, «Haken»,
franz, Crosse f, (afranz. croce) «Krummstab»,
croc m, «Haken».
^Krug, m. {-[e]s, PI. Krüge): steinernes,
irdenes, hölzernes Gefäß zum Aufbewahren
73*
1159
Krug
Krumpel
1160
und Versenden von Flüssigkeiten. Mhd. kruoc
(Gen. kruoges, PI. krüege), md. krüg (Pl.krüge),
ahd. kruog, kruag (PI. kruaga und kruagi);
dazu clevisch 1477 croych, croeghe, ndrhein. im
15. Jh. kroch (Diefenbacb gl. 630*), ags. croc,
crog m. Vgl. Kruke.
^Krug, m. (-[e]s, PI. Krüge): Bierschenke,
Dorf Wirtshaus, in dem die Gemeindeversamm-
lungen stattzufinden pflegen. Norddeutsch,
nur hier und da nach Mitteldeutschland vor-
geiückt. Aus nd. krög, kroch m., latinisiert
1260 crogo; im 16. Jh. ndl. kroegh m. «Bier-
und Wein Wirtshaus». Gegen die Annahme,
die Benennung stamme daher, daß ehedem
ein wirkUcher oder geschnitzter Krug als
Zeichen des Bierschanks ausgehangen war
(vgl. Frisch 1, 551^), bleibt das starke Be-
denken, daß man in Norddeutschland das Ge-
fäß nicht Krug, sondern Kruke (s. d.) nennt,
doch liegt die Möglichkeit nahe, daß das Wort
vom Niederrhein ausgegangen ist (vgl. ^Krug).
ABL. Krüger, m. (-s, PI. wie Sg.): Wirt
oder Pächter eines Kruges. Nd. kröger, mnd.
kroger, kruger, 1316 als Zuname Krüeger,
1358 in einer obersächsischen Urkunde crüger
(Germania 20, 47), ndl. im 16. Jh. kroeger.
Kruke, f. (PI. -n)-. großer Ki-ug; irdne
Flasche. Im 18. Jh. aufgenommen aus nd.
krüke, and. crUka f.; dazu ndl. kruik, bei
Kilian 1599 kruycke, clevisch 1^17 cruyke, md.
und im 14. Jh. auch am Oberrhein krfiche
(daher schles. Krauche f. «Tonkrug»), afries.
krocha f., ags. cruce f. und crocca m., engl.
crock, anord. krukka f. Desselben Stammes
wie ^Krug (s. d.). Aus dem Germanischen
entlehnt franz. cruche f. (afranz. auch crue,
cruie) «KJrug», kymr. crwc «Eimer», crochan
«Topf». Wahrscheinlich alte Entlehnung aus
unbekannter Quelle. Vgl. gr. Kpuuccöc m.
«Kruke», abg. krugla f. «Becher», alb. karoUe f.
«Krug». Vgl. noch Krause.
krüUen, v.: aus den (dürren) Schoten
lösen, z. B. Erbsen, Bohnen usw. Nd., von
waldeck. XruWe f. «Erbsenschote». Wohl ver-
wandt mit Krolle (s. d.).
Krume, f. fPl. -n): weicher inwendiger
Teil des Brotes; die obre weiche, lockre Erde
des Ackers (1775 bei Adelung). In der l.Bed.
1616 bei Henisch 516 Grumen, einmal mhd.
krume (in tischkrume f.). Ins Hochdeutsche,
wo Brosame das eigentliche Wort ist, auf-
genommen aus md. im 14. Jh. krume f. (ZfdA.
9, 275), mnd. krame, 1420 auch krume (Diefen-
bach gl. 360^), nnd. kröm, kröme f., 1477
clevisch croeme, im 13. Jh. mrhein. der PI.
crumene (gl. Jun. 308 Nyerup); dazu ndl.
kruim f., bei Kilian kruyme, ags. cruma m.,
engl, crumb, crum, isl. krumr, kraumr, schwed.
kram, inkräm «das Innre, Weiche von etwas,
Eingeweide von Vögeln und Fischen, Krumen».
Wohl verwandt mit lat. grümus m. «Erdhaufe,
Hügel», gr. jpv}iia «Gerumpel, Tischüber-
reste». Vgl. Walde. ABL. Krümchen, n.,
md. 1590 Krömichen, 1616 bei Henisch Zro-
michen, 1620 Krümigen (engl. Comedien Cc 5**),
nd. krömken n. Krümel, f., 1740 bei Lessing
1, 330 Brodgrümel, 1691 bei Stieler Krümel,
1664 bei Duez Krümel und Krümmel f., um
1480 im Voc. ine. teut. n 7*' kromel, nd. krömel,
ndl. kruimel f. ; davon krümeln, v. : in Krü-
meln (Krumen) zerreiben, 1505 in der Straß-
burger Gemma z7*' krumelen, 1495 in der
Kölner Gemma W 3^ crumelen, 1414 grum-
meln (Diefenb. gl. 537*', auch 1551 bei Scheidt
Grob. 3300 zergrümeln), nd. krömeln, ndl.
kruimelen, und das Adj. krüm(e)lig, 1691
bei Stieler krümelicht adv.
krumm, adj. (Komp. krümmer, Superl.
krümmst, auch krummer, krummst) : von einer
und derselben Richtung abweichend. Ältemhd.
krumh, krum, mhd. krump (Gen. krumhes), aber
auch schon krumm, krum, spätmhd. vereinzelt
krumpf, ahd. chrump, crumb, einmal chrumph
«gebogen, gewunden, verdreht»; dazu and.
krumh, 1477 cleväsch crum, crom, ags. u. afries.
crumb, engl, crump. Dazu ablautend ahd.
chramph «gekrümmt» u. md. krimp «krumm»,
vgl. Krampf. ABL. Krümme, f., mhd.
knimbe, krümbe, krumme, krümme, ahd. krumbi,
chrumpi; dazu and. krumbi f. krümmen,
V.: krumm machen, mhd. krümben, krümmen,
ahd. chrumben, and. crumben, dagegen mhd.
krumben «krumm sein oder werden»; davon
Krümmung, f., 1482 im Voc. theut. r5^
krumung, ags. crymbing f. Krummheit, f.,
1482 im Voc. theut. r 5^ krumheit f. Krümm-
ling, m.: gekrümmt gewachsnes Holz zu
Mühlradfelgen (Moser patr. Phant. 3, 249),
1419 im Frankfurter Baumeisterb. 36^ krume-
ling, später im 15. Jahrh. krumlhig. ZUS.
Krummholz, n.: krummes Holz, bes. beim
Fleischer, um geschlachtetes Vieh aufzuhängen.
Bei Goethe 50, 9; die Krummholzkiefer. Daher
Krummholzöl, n. Bei Geliert. Krumm-
stab, m.: Bischofsstab, 1697 bei Besold The-
saurus 1, 480, 'dafür mhd. krumber stap.
Krumpel, m. (PI. -w): knitterige Falte. Im
westlichen Mitteldeutschland. Auch Krümpel,
1161
Krümper
Küche
1162
engl, crumple «Runzel, fehlerhafte Falte».
Gleichen Stammes wie krimpen, Krampe,
Krampf (s. d.). krumpeln, krumpeln, v. :
faltig machen, zerknittern, bei Wagner Kinds-
mördei-in 12 (lOj verkrumpeln, engl, crumple
«ninzelig werden, zerknittern», kmmpe-
licht, krumpelig, adj., 1741 bei Frisch
krumplig, engl, crumply «ninzelig».
Krümper, m. (-5, PI. wie Sg.): ausgebildeter
Ersatzresei-yist im preußischen Heere 1808 — 12.
Anfangs eine volkstümlich wohl spöttische
Bezeichnung. Schon 1478 bayr. krümper m.
«Kiüppel» (Liliencron 2,145*^). schles. kremper
m, «alter wackliger Kerl», zu mhd. krump,
krümpel, krumpeleht «krumm», obd. im 15. Jh.
krümpel «Krüppel» (Diefenbach nov. gl. 111^).
ZTJS. Krümperpferd, n.: Resei-vepferd, das
eine berittne Truppe über ihren Etat hält.
Krünitz, s. Krinitz.
krunken, V.: stöhnen, ächzen. Bei Luther
7,224% im östl. Mittel- u. Niederdeutschland;
engl, cronk «krächzen». Davon krunksen,
V.: ächzen, 1680 bei Riemer polit. Colica 154.
Krupp, m. (-s): häutige Bräune, s. Krupp-
husten.
Kruppe, f. (PI. -n): Hinterkreuz, Rücken-
erhöhung von den Nieren bis zum Schweife
des Pferdes usw. 1678 bei Krämer Kruppe,
1664 bei Duez Kruppe f. Aus gleichbed.
franz. Croupe, ital. groppa f. (s. unter Kropf).
Krüppel, m. (-S, PI. wie Sg.)r Glieder-
gebrechlicher: Verstümmelter; Verwachsner.
Bei Luther Krüpel und Kräpel, mhd, krüpel,
krüppel, md. krüpel, kruppel, kropil, kropel m.;
dazu mndl. cruepel, cropel, crepel, nndl. kreupel,
krepel, afries. kreppel, ags. crypel, cryppel,
mengl. crepel, engl, tripple, anord. kryppill,
krypplingr, neben schwed. krympling, aschwed.
krymplinger m. Derselbe Stamm erscheint in
Schwab, kröpf, kruft, Schweiz, grupf, grüpf,
grüpft und chruft, bayr. krapf, kröpf m.. «kleine
schwächliche oder verwachsne Person», älter-
nhd. krüpfen «krümmen, biegen» (vgl. Kropf
und kröpfen), femer mit Nasal in mhd. krump
«krumm» (s. d.), obd. im 15. Jh. krümpel
«Krüppel» (s. Krümper). Urverwandt mit
gr. TPÜiTÖc «gekrümmt». ABL. krüppelig,
adj., 1741 bei Frisch krüpplig, 1734 bei Stein-
bach krüplicht, bei Lessing 7, 19 krieplicht.
krüppelhaft, adj., 1774 bei Klopstock Ge-
lehrtem-epublik 106.
Krupphusten, m.: die häutige Bräune.
Entlehnt aus gleichbed. franz. croup m., das
1765 durch den Edinburger Arzt Francis
Home in seinem Trait^ du croup verbreitet
wurde, der das Wort dem volkstümlichen
schottischen croup «Bräune, Häutchen» ent-
nahm, vgl. engl. Croup «krächzen».
Kruste, f. (PI. -n)-. harte trockne Rinde
worüber. 1462 kruste, ahd. knista, mrhein.
im 13. Jh. croste f. (gl. Jun. 285), aus lat.
crusta f. «harte Rinde oder Schale eines
Körpers». ABL. krustig, adj., 1691 bei
Stieler krusticht. ZTJS. Krusteutier, n.:
Schalentier, bes. Krebs. Im 19. Jh.
Kruzifix, n. {-es, PI. -e): das Bild Christi
am Kreuze. Mhd. crüzifix n., aus mlat. cru-
cifixum n., eig. «ans Kreuz Geheftetes».
Kryställ, in Österreich und Bayern noch
neben Kristall (s. d.).
Kuhhe, f. : Möwe. Nordfries, kuh, helgol,
koih, engl. cob. Zu gr. 'fv^v, '^vnöc m. «Geier»?
Kuböbe, f. (PI. -n): pfefferähnliche in-
dische Gewürzbeerenfrucht, mhd. im 13. Jh.
kubebe f., clevisch 1477 cohebe, aus ital. cubebe
m., von gleichbed. arab. kabäbat.
Kübel, m. (-S, PI. wie Sg.): hölzernes
Gefäß, das gewöhnlich oben weiter als unten
ist. Mhd. kiibel, md. kubel, auch kubbel, kübbel
m., ahd. nur im Dim. chubili n., aus mlat.
cupellus m., dem Dim. von lat. cüpa f. «Kufe»
(s. d. und Kopf). Aus dem Germanischen ent-
lehnt abg. küblü m. «Gefäß als Getreidemaß»,
lit. kübilas m. «Kübel». ABL. Kubier, m.
(-5, PI. wie Sg.) : Böttcher. In Südwestdeutsch-
land. 1561 bei Maaler Kubier, mhd. kübeler m.
Kubfk- in Kubikmeter. Kubikumrzel usw.,
entlehnt aus franz. cubique adj. «viereckig
wie ein Würfel», lat. cubicus, gr. KußiKÖc, von
lat. albus, gr. Kußoc m. «Würfel». 1712 bei
Hübner Cubic-Zahl, Cubic- Wurtzel. kubisch,
adj., 1558 bei Rivius Büxenmeisterey 3, 1, 41*
cubisch «wm-fflicht gevierdt».
Küche, f. (PI. -n): zum Kochen bestimmter
Teil des Hauses. Mhd. küchen, kuclien, auch
kuchtn, kuchi. küche, kuche, ahd. cuchina,
chuhhina f ; dazu and. koke, mnd. kokene, koke,
nnd. koke, koken, ndl. keuken, 1599 bei Kilian
kokene, keiikene, ags. cycene, cicen f., engl.
kitchen, überkommen aus glbd. volksmäßig-
lat. coquina f. (statt culina), dem Fem. des
lat. Adj. coquinus «zum Kochen gehörig», von
lat. coquere «kochen» (s. d.). ZTJS. Küchen-
garten, m.: Gemüsegarten. 1678 bei Krämer.
Küchenjunge, m.: Küchenknecht, 1455 in
der kursächs. Hofküche, dafür mhd. küchen-
knabe, küchenkneht, um 1480 im Voc. ine.
teut. nS* kuchenbube. Küchenlatein, n.:
1163
Kuchen
Enddelmuddel
1164
schlechtes Latein, Mönchslatein, 1523 bei |
Luther Kuchenlatiii. Küchenmeister, m.: 1
Oberkoch, Küchenvorstand, mhd. küchen-, \
kuchenmeister. Küchenschelle, f.: die |
Pflanze anemone pulsatilla, 1538 bei Rößlin [
Kuchenschell, Kuschellen, 1546 im Dios-
corides72^ Küchenschell; der ani Küche oder
Kuh umgedeutete erste Bestandteil liegt in i
andrer Gestalt vor in den gleichbed. Namen j
Schweiz. Guggelblume Guggüche f. (auf den
Kuckuck als Frühlingsboten anspielend), nieder-
österr. Arst- (d. h. Erst-) oder Zarschtgucken \
f. und Chigersscheckerl (Höfer Dialektnamen i
S. 10 u. 21), und entspricht dem franz. coque- 1
hur de f. «Küchenschelle» (schon 1567 bei
Junius 133^, vgl. 1546 bei Bock 156^ m
fremhd kraut, das die Weiber Kuchen- oder '
Kuschellen deuten, darum das seine hlumen |
den schellen oder Cymhalen gleich sind, • • • |
zu tvelsch Codes). I
Kuchen, m. (-s, PI. wie Sg.): feinres I
Gebäck aus Mehlteig. Bei Luther Küche j
und Kuchen (Werke 6, 48 ^ J.), mhd, kuoche,
ahd. kuocho m.; dazu mnd. koke, ndl. koek
und im Ablaut ags. cecil, cicel m., engl, (seit
13. Jh.) cake, anord.-schwed. käka f., dän.
kage, auch ndl. kaek, kaakje. Dieses Ab-
lautsverhältnis deutet auf einheimischen Ur-
spnmg (man hat in K. ein Wort der Ammen-
sprache *kökö gesehen, oder man stellt es
zu ^Kufe (s. d.), das wohl «Krummholz» be-
deutet hat. Das Gebäck wäre nach der Form
des Gefäßes, in dem es gebacken wurde, be-
nannt) ; andrerseits legen die auf lat. coquere,
cocere «kochen, backen» zurückgehenden roma-
nischen Wörter (picard. couque, in der Langue-
doc coco, churwelsch cocca, catalanisch coca
«Kuchen», ital. cucca «Naschwerk», eig. «Ge-
backnes») die Vermutung nahe, daß, wie bei
Koch, kochen, Küche (s. d.), auch bei Kuchen
Entlehnung aus der römischen Kultur vor-
liegt, wobei aber cake n. unerklärt bleibt.
Yon diesem cucca, coca usw. kommt durch Ab-
leitung ital. Cuccagna, franz. Cocagne, afranz.
Coqiiaigne f. «Schlaraffenland», weil dort die
Häuser mit Kuchen gedeckt sind. ABL.
Küchlein, n., obd. Küchel, m. n.: kleiner
Kuchen, mhd. kuochlin, chüchel n.; davon
kücheln, v.: Küchel backen, im 16. Jahrh.
küchlen, und Küchler, m.: Küchel-, Kuchen-
bäcker, im 16. Jh. kucheler, kuechler (Diefen-
bach gl. 589'', nov. gl. 282 a), süddeutsch. ZUS.
Kuchenbäcker, m., im 15. Jh. kuchenhecker
(Diefenbach gl. 248 »).
Küchlein, n. (-s, PI. vde Sg.): Junges
der Hühnerbrut. Bei Luther Matth. 23, 37
Küchlin, 1605 bei Hulsius Küchlein, im 15. Jh.
kuchelin, küchlein, md. 1340 kuchil n. (Fund-
gruben 1, 380^), bei Waldis Esop. 4, 53, 13
Keuchel, mit Diminutivendung von md. kuchin
(Junges der Tauben), kuchen (jung. Hühnchen),
mnd. küken, kuken n. ; dazu mndl. cuken, nndl.
kuiken, kieken, 1477 clevisch cuycken, ags.cycen
n., engl, chicken, anord. kjüklingr m., schwed.
kyckling, dän. kylling, noch urspr. nd. im 15. .Jh.
kuke (Diefenbach gl. 393^), ags. coce «Küch-
lein», engl. wesfcocA; «Nestküchlein». Zugrunde
liegt eine wie franz. coq m. lautmalende ger-
manische Benennung des Hahns, ags. cocc m.,
engl, cock, anord. kokr m., wonach also Küch-
lein, eig. «Junges vom Hahn». Vgl. Gockel.
kucken, s. gucken,
Kücken, Küken, n. (-s, PI. wie Sg.):
Junges vom Huhn. Nordd. für Küchlein.
Kuckuck, m. {-[e]s, PI. -e): der nach
seinem Ruf benannte Waldvogel lat. cuculus;
seit dem 16. Jh. auch verhüllender Name
des Teufels (zum K, des K.s sein, hol ihn
der K). In eig. Bed. bei Luther Kuckuc,
mhd. kukuk, gugguc m. (meist jedoch gouch,
ahd. gouh, kouch, s. Gauch); dazu mnd. kukuk,
1477 clevisch cuyckcuyck, ndl. koekoek. Das
Wort stimmt zwar nicht der Lautverschiebung
gemäß, aber doch im Klange überein mit
gleichbed. lat. cuculus, bei Horaz cncülus,
gr. KÖKKuE, laus.-wend. kokula, poln. kokulka,
russ. kukuska, kelt.-bret. kuku, pers. kökäh,
aind. kökilas und ist lautnachahraend. Des
Kuckucks Küster in Norddeutschland Name
des Wiedehopfs, weil er im Frühling mit
dem Kuckuck kommt und im Herbst mit ihm
wieder weggeht, 1645 bei Colerus Calend. 57
des Giickgucks Küster, nd. kukuks -koster.
ZUS. Kuckucksblume, f.: die Pechnelke,
lychnis flos cuculi, auch Kuckucksnelke,
Kuckucksspeichel, benannt nach dem weißen
Schaum auf den Stengeln, der für Speichel
des Kuckucks gehalten wurde. Im 16. Jh.
bei Chyträus Cap. 115 der PI. kuckushlömen,
1546 bei Bock 152^ Gauchhlum. Kuckucks-
uhr, f.: hölzerne Wanduhr mit einem die
Stundenzahl abrufenden Kuckuck, 1730 im
Schwarzwald erfunden (SchedelWarenlex.376).
Kuddelmuddel, m. (-s): Mischmasch.
Der erste Teil wohl zu kudeln «xsudeln», nd.
koddeln «Sudelwäsche halten», schles. kudeln,
kotteln «wirren, zausen», der zweite vielleicht
zu Moder, nd. Modder. Erst im 19. Jh.
1165
Kufe
küU
1166
*Knfe, f. (PL -n): oben offnes tiefres
Daubengefäß. Mbd. kuofe f. «Faß, Bade-
wanne», ahd. chuopha, chuofa, ch&pha f. «Faß»;
dazu and. cöpa, mnd. köpe, mndl. cüpe f.
Entlehnt aus mlat. cöpa, lat. cüpa f. «Faß,
Tonne». Vgl. Kopf, Küpe. ABL. Küfer, m.
(-S, PI. wie Sg.): Böttcher, der Fässer, bes.
Weinfässer fertigt, Faßbinder: Fässerund Wein
besorgenderKelleraufseher eines Weinhändlers.
In l.Bed. mhd. kiiefer, straßburgisch im 13. Jh.
küfere, kuofere, 1263 kueffer f Germ. 20, 47 f. ) :
dazu clevisch 1477 cuper, ndl. kuiper, mengl.
couper, engl, cooper^ aus mlat. aiparius m.
'Kufe, f. (PI. -«): der vom aufwärtsge-
krümmte Schlittenbalken. 1517 österr. Klmeffe
f. (Fontes rer. austr. 1,1, 113), tirol. Chiefe f.,
bayr. Kuefen m., bei Hebel Kife m. Daneben
in ältrer Zeit Formen mit ch, ältemhd. Kueche
f., 1480 im voc. ine. teut. cc4* schlitkuchen,
ahd. chcrlia f. (im Akk. PI. slitochöho), noch
bayr. Kuechen f., tirol. Gueche f., Schweiz.
Ckueclien m.f., selten Euechen m., dazu götting.
kauke, mnd.ÄroÄref. (Schambach 98»). Vielleicht
verwandt mit lit. zägre f. «Pflug», zagaras m.
«dürrer Ast», zaginai PI., «Pallisaden, Pfosten».
Vielleicht gehören auch die unter Kak be-
handelten Worte mit Ablaut dazu.
Küfer, s. 'Kufe.
^ Kugel, f. (PI. -n): allseitig ki-eisrunder
Köiper. Mhd. kugele, kugel f., mnd. und ndl.
kogel, ältermd. zsgez. küle f., heute Kaule
(s. d.). Wenn g aus to entstanden wäre, vgl. >
Jugend, könnte man aind. gölas «Kugel» ver- '
gleichen, das aber auch ganz anders erklärt
werden kann. Man könnte auch *klugel als
Grundform ansetzen mit Schwund des l durch
Dissimilation, und es dann zu knäuel stellen.
Das Schweiz. Chrugelm. f. «Kugel, Zusammen-
geballtes, Knäuel» (selten Chlugele f.) hat wie
chroglen «kolleni, rollen» sein r wohl von
rugelen «rollen», Bügele, Rugel f. «Kugel».
ABL. kug(e)licht, kug(e)lig, adj., mhd.
kugeleht, Anfang des 15. Jh. higlig (Diefenb.
gl. 265 bj. kugeln, V.: eine Kugel werfen
( 1482 im Voc. theut. r 7*'), eine Kugel machen
(ebd. r6b), wie eine Kugel rollen (Fischart
Garg. 147); davon Kugeluug, f.: BaUung
(1541 bei Frisius 393'*), Abstimmung mit
Kugeln, Ballotage, 1797 bei Heynatz als ziem-
lich neu erwähnt. ZUS. Kugelblitz, m.:
besondre Form des Blitzes, kugelfest, adj.:
fest wider die abgeschoßne Kugel, 1716 bei
Ludwig (1648 bei Chemnitz 1, 213* fest).
kugelrund, adj., 1691 bei Stieler.
-Kugel, f.: Kapuze, s. Kogel u. (higelhopf
Kuh, f. (PL Kühe): weibliches Rind, so-
bald es einmal trächtig geworden. Bei Luther
Kue (PL Küe), mhd. kiio (PI. küeje, küeioe),
ahd. chuo, cho (PL chuoe, chiioge, cuawi, chöi),
noch im 15. Jh. kuow , kuowe (Diefenbach
gL 604^1, md. kü (PL kmce): dazu and. kö
(PL köji), mnd. kö, kü (PL köie, köge), ndL
koe, afries. kü, ags. cU (PL cy), engl, cow,
anord. kyr f., schwed.-dän. ko. Urverwandt
mit aind.-aw. gäus m. «Ochs», f. «Kuh», abg.
govedo n. «Rindvieh», lett. guoivs, arm. kov
«Kuh», gr. ßoöc m. f. «Rind» (Stamm ßoF-),
lat. hos m. f. (Gen. bovis) «Rind», air, bö
«Kuh». ABL. Küher, m. (-S, PL wie Sg.):
Kuhhirt. Schweizerisch. Im 18. Jh. ZUS.
Kuhfuß, m. : eiserne Brechstange mit klauen-
förmig gespaltnem Ende (bei Ludwig 1716
Kühe fuß); wie Kuhbein scherzhafte Bezeich-
nung des Gewehrs (1792 bei Ditfurth bist.
Volksl. von 1756—1871 S. 85j. Kuhhandel,
m., seit den 90 er Jahren des 19. -Jh. Hohn wort
für politische Abmachungen. Vgl. Ladendorf.
Kuhhaut, f. RA. Das geht auf keine K
«das läßt sich gar nicht alles sagen». 1808
ähnlich bei Campe das läßt sich auf keine
K. schreiben, also K. = Pergament. Kuh-
horn, n.: Blashorn der Hirten oder Wächter,
1545 bei Uhland Volksl. 639 kähorn, ältermd.
kühorn, mnd. köhorn. Kuhreigen, Kuh-
reihen, m.: Melodie der Schweizer Hirten
beim Beziehen der Berge mit der Herde im
Frühling, eig. die sich lang hinziehende Kette
der Senner und der Rinder (im 18. Jh. bei
Stolberg, Claudius, aber Schweiz, bei Stalder
Kühreihen m.). Kuhschluck, m., studen-
! tisch für «tüchtiger Schluck». Kuhstall, m.,
mhd. kuostal.
kühl, adj.: mehr kalt als warm. Mhd.
küele, küel, ahd. chuoli, md. küle; dazu mnd,
köl, ndL koel, ags. cöl, engl. cool. Desselben
' Stammes wie kalt (s. d.). ABL. Kühle, f.,
mhd. küele, ahd. chtioli, md. küle f. : dazu a?s.
j cele, cyle f. «Frost». Daneben Kühlde, f.,
i bei Luther Spr. SaL 25, 13 külde, ältermd.
I AM We (Herbort 7890), andfrk.a/oZiY/Mzf.«Küble»,
j nd. kadde, koelte, im Seewesen «frischer Segel-
wind», verhochdeutscht Kühlte f. (1793 bei
Röding) : verschieden von nd. külde, külle (mit
kurzem Vokal), mnd. und md. im 15. Jh. hilde
' f. «Kälte», die sich zu glbd. ags. cyldu, anord.
I kuldi m. stellen, kühlen, v. : kühl werden
' oder sein (mhd. kü.elen und kuolen, ahd.chuolen,
chuolön, asächs. cölon, ndl. koelen, ags. cölian
1167
kühn
Knmme
1168
und Celan, engl, cool, anord. kölna); kühl
machen (mhd. küelen, md. Mlen, ahd. chuolan
und mit II füi- Ij chuollan, mnd. kölen, ndl.
koelen). Dazu Kühlschiff, n. : in Brauereien
länglich viereckiges Gefäß zum Abkühlen des
gesottnen Bieres, 1775 bei Adelung, in gleicher
Bed., um 1480 im Voc. theut. n8* kulscha/f.
kühn, adj.: furchtlos trotz Gefahr und
Widerstand. Bei Luther küne, mhd. küene,
küen, auch koene, md. küne, ahd. kuoni, choni;
dazu mnd. köne, küne, mndl. coene, nndl. koen
«unerschrocken, verwegen», ags. eine, cyne
«kühn, scharf», engl, keen «schai-f, eifrig»,
anord. köenn «erfahren, kundig, umsichtig,
verständig, geschickt». Nach dem Nordischen
zu ui'teilen, vielleicht gleichen Stammes wie
got.-ahd, kunnan «wissen, können» (s. d.),
aber bei den Westgermanen auf die Kriegs-
tüchtigkeit konzentriert. Vgl. auch die Be-
deutungsentwicklung von lat. ignävus. ABL.
Kühnheit, f., mhd. kuonheit, ahd. chuon-
heit f. kühnlich, adj., mhd. küenlich.
KnjÖn, m. (-S, PI. -e): Schurke. Anfang
des 16. Jh. in der Zimm. Chron."^ 2, 531, 35
u. ö. Gujon, 1588 bei Jobs. Nas von der
grossen Gloggen zu Erfurdt S. 31 Cuian,
im 17. Jh. Gojon (Lauremberg 3, 333) und
Coujon (Simpl. 228), über franz. coi'on, aus
ital. coglione m. «Memme, Schuft», urspr.
aber (wie afranz. coillon, mundartlich-ital.
coglione, span. cojon m.) «Hode», abgeleitet
von lat, cöleus m. «Hode». kujonieren, v.:
jem. fortgesetzt empfindlich plagen, hudeln,
1642 bei Armatus-Rist Rettung der edlen
teutschen Hauptsprache A 2^ cujoniren, aus
frsLiiz. ( oionner, itsii. coglionare «als Schuft be-
handeln, einen Hundsfott heißen».
Küken, s. Küchlein.
Kukümer, f. (PI. -n)-. Gurke. Im west-
lichen Deutschland. 1541 bei Frisius 232 »
Cuconhern PI. (1556 Cucuniren), 1546 bei
Bock Cucumer, aber in Vokab. des 15. Jh.
cucumer «kleiner Kürbis», schon im 13. Jh.
bei Wolfram Parz. 145, 29 Kukumerlant Aus
lat. cucumis m. «Gurke» (Gen. cucumeris),
woher ital. cocomero m. «Wassermelone»,
franz. concombre m. «Gurke». Durch Kür-
zung mrhein. Kummer f., schwäb. Gomnier f.,
fränk. Kümmerling m. «Gurke».
Kukuruz, m. (-[e]s) : der türkische Wei-
zen, Mais (s. d.). In Slavonien, Dalmatien,
Rumänien usw. Auch tschech. kukuruc m.
kulant, adj.: entgegenkommend. 1813
bei Campe noch in der Bedeutung fließend.
Im 18. Jh. entlehnt aus franz. coulant «flie-
ßend», von couler «durchseihen, rennen, lau-
fen» aus gleichbed. lat. cöläre. Davon im
Deutschen in neurer Zeit gebildet Kulanz, f. :
Entgegenkommen, besonders im Geschäfts-
verkehr.
Kule, niederdeutsche Form für Kaule (s. d.).
Kuli, m. (-S, PI. -s): chinesischer Aus-
wandrer, Taglöhner. Eig. Name eines indi-
schen Volkes. In der neuern Zeit Schlagwort.
Kulisse, f. (PI. -w): Schiebewand der
Schaubühne. Aus franz. coulisse f., afranz. co-
Ze*ce «Fallgatter», von fram. couleur, s. kulant.
Im 18. Jh. entlehnt (Lessing 7, 206).
kullern, s. kollern.
Kulm, m. (-[e]s, PL -e): oberste Berg-
kuppe. In den Schweiz, und kärntn. Alpen,
Schweiz. Gulm, Kuhn f. m. (schon 1661 be-
legt), kämt. Kolm m. (PI. Köhn). Aus ital.
colmo m. «Gipfel», churwelsch culm «Vor-
berg», von lat. culmen n. «Gipfel, Kuppe».
Als Bergkuppenname im östlichen Mittel-
deutschland, im Fichtelgebirge bereits 1469
Chulm und 1282 Kulme m. (Schmeller- 1,
1241), entlehnt aus abg. chlümü, cholmü m.,
tschech. chlum «Hügel», die vom deutschen
Holm stammen.
Kult, m. {-[e]s, PI. -e), gekürzt aus
Kultus, m. (Gen. ebenso, PI. Kulte) : öflFent-
liche Gottesverehrung. In der zweiten Hälfte
des 18. Jh. Cult, im 16. Jh. in der Augsb.
Konfession Cultus, aus lat. cultus m. «Pflege,
Anbau, Bebauung, Ausbildung, Verehrung
einer Gottheit», zu lat. colere «bearbeiten,
pflegen, verehren», kultivieren, v.: an-
bauen, pflegen, höher ausbilden, 1714 bei
Wächtler cultiviren, aus franz. cultiver, mlat.
cultivare, von lat. cultus m. Kultur, f.
(Pl.-en): Anbau, angebaute Fläche, (Geistes-)
Büdung, im 18. Jh. Gultur, aus lat. cultüra f.
«Landbau, Ausbildung»; dazu Kulturge-
schichte, f., hervorgerufen durch Adelungs
Geschichte der Cultur 1782. Kulturkampf,
m., schon 1840 nachgewiesen, aber erst 1873
durch Virchow politisches Schlagwort.
Kumme, f. (PI. -n): tiefe Schale, tiefer
Tischnapf (bei Claudius, Voß). Aus dem nd.
kumm f., daneben kump, kumpen f. «Schale,
Napf, Trog», kummen, kumme f. «Kasten»
(daher kumpwagen m. «Kastenwagen», kumm-
karre f. «Schiebkarre mit Kasten»), ndl. 1599
bei Kilian koni f. «tiefe Schüssel», mnd. kumme
und Schweiz, chumme f. «Zisterne». Verwandt
mit Kumpf (s. d.).
1169
Kümmel
Enmpf
1170
Enmmel, m, (s, PI. wie Sg.): die in
Dolden blühende Pflanze lat. cuminum und
ihi-e als Gewürz benutzten Samenkörner. Mhd.
kümel m., md. im 1.5. Jh. komel, ahd. kumil
aus kumin (vgl. ZfdW. 6, 185), noch ahd.-
mhd. kumin m.: dazu and. kumin, ags.cynien
m. n., engl, cunimin. Entlehnt aus gleichbed.
lat. cuminum, gr. kuuivov n. : Name und Pflanze
aber stammen aus dem Orient, hebr. kammön,
arab. kammün. Ahd. Nebenformen sind kumi
und kumich, mhd. kume, küme, kumich, kü-
mich m., noch oberd. kümi, küm, kumich m.
KÜmmelblättclien, n.: gaunerisches
Hasardspiel mit di'ei Karten. Kümmel- statt
Kimm^l-, aus gimmel, in der Gaunersprache
«drei», von hebr. gim£l, Name des dritten
Buchstaben (g) und zugleich Zahlzeichen für 3.
Kümmeltürke, m. (-n, PL-w): Student
aus der Nähe der Universitätsstadt, besonders
bis etwa zwei Meilen von dieser. In der
Studentensprache, urspr. in Halle a. S., «aus
der Umgegend, dem Saalkreise (wo starker
Kümmelbau betrieben wird) gebürtiger Stu-
dent». 1781 bei Kindleben.
^Kummer, m. {-s, ohne PI.): Schutt,
Bau-, Steinschutt (im westlichen Mittel- und
Norddeutschland); angreifende, zehrende Be-
trübnis worüber; gerichtliche Haft, Arrest
(hessisch). Mhd. kumher, md. kummer, kumer,
kommer, mnd. kummer m. «Aufschüttung,
Schutt», auch als «Hemmung» oder «Hinder-
nis», daher in übertragner Bed. im Rechts-
leben «Beschlagnahme, Arrest», und daraus
bildlich in allgemeiner Bed. «Beschädisungr,
Wunde, Belastung, Bedrängnis, Mühsal, Not,
bedrückende Sorge, Gram». Im westlichen
Deutschland hervorgegangen aus der Ver-
mischung eines germanischen mit einem
romanischen Wortstamme: einerseits anord.
kuml. kumbl n. «aufgeschütteter Grabhügel,
Grabmal», auch «Denkmal, Denkstein, Marke,
Zeichen überhaupt», schwed. ÄumbeZ, kummel
n. «Steinhaufen als Wahrzeichen für Schifi"er»,
asächs. kumhal n. «Himmelszeichen», ags.
cumbol, cutnbl, cuml n. «Zeichen», bes. «kriege-
risches Feldzeichen», auch «Wundzeichen,
Wunde»; andrerseits das unerklärte früh-
mlat. cumbrus, combrus m. «Haufe abgehau-
ner Äste, Verhau, hemmende Aufschüttung,
dämmend Eingerammtes im Flusse zu Fisch-
hegung und Fischfang», woher franz. combre
in encombre m. «Schutt, Bauschutt, Hinder-
nis», encombrer «versperren, beschweren, be-
trüben», ital. ingombro m. «Hindernis», in-
Weigand, Deutsches Wörterbuch. 5. Aufl.
' gombrare «den Weg sperren», portug. combro
m. «Erderhöhung», comoro m. «Deich». ABL.
kümmerlich, adj., mhd. kumberlich «schwer
bedrängt, kummervoll», Schweiz. 1420 kumber-
: lieh «verhaftet» (Weist. 4, 390). kümmern,
' V., mhd. kumbern «belästigen, in Not bringen,
bedrängen», md. im 15. Jh. kummern, kommern
«mit Arrest belegen», sich kümmern «sich um
etwas bemühen». Kümmernis, f., mhd.
kumber-, kümbernis, chumernusse, kümmernüss
f. n. «Bedrängnis». ZTJS. kummerTOU, adj.,
im 17. Jh. bei A. Gryphius Leo Armenius 5, 51.
-Kummer, f. (PI. -n), bayrische Schrei-
bung füi- Kuktiyner (s. d.).
Kümmerling, s. Kukum^.
Knm(me)t, n. (-[e]s, Pl.-e): den Hals um-
schließendes Geschirr des Zugpferdes. Mhd.
ko)nat m. n., später kommot, kummot, kommet,
kumet, im Vl.Sh.chomat, entlehnt aus slaw.-abg.
chomqtü m., poln. chomM m. und chomc^to n.,
russ. chomutü m., tschech. rhomout m., die
wiederum dem Altgermanischen entstammen:
ahd. Äawio m. «Kappzaum für wilde Pferde»,
I 1537 bei Dasypodius kühamvie, küicham, kam-
[ tvide «hölzernes Halsband der Kühe zum An-
: binden an die Krippe», ndl. 1599 bei Kilian
koehamme und koekamme, auf der Eifel harnen
m., nd. ham, engl, hame «Kummet». Vgl.
Lagercrantz KZ. 34, 399.
Knmp, s. Eumpf.
Knmpän, m. (s, PI. -e): Genosse. Schon
mhd. kompän. kumpän, mnd. kumpän, kumpen,
anord. kumpänn m.: im 16. — 18. Jh. gekürzt
Kumpe, Kontpe, Kump m., im 18. Jh. (Bürger,
Voß, Kindleben) erneuert Kumpan. Aus prov.
und afranz. compaing, ital. compagno m. «Ge-
fährte, Gesellschafter», von mlat. companio m.
eig. «Brotgenosse», zu lat. pänis m. «Brot»
(s. Compagnie). Ähnlich im Ahd. gimaggo m.
«Tischgenosse» (von ahd. tnag n. «Speise») und
galeibo, got. gahlaiba m. «Genosse» (von ahd.
leip, got. hlaifs m. «Brotlaib»),
Kumpell, m. (-S, PI. wie Sg.), s. Kump.
Kumpf, m. (-[e]s, PI. -e und Kümpfe):
tiefe Schale, tiefer Napf; Trockenmaß, fiiiher
•^/jg Malter. Auch Kump und Kumpen m., aus
deraNiederd. ins Hochd. eingedrungen, daneben
Kumpe f. Mhd. kumpf, komph, md. und mnd.
kump, komp m. «Gefäß als Fruchtmaß, Trink-
schale» (davon mnd. kumpere m, «Faßbinder,
Küfer»), im Mhd. auch «tiefes hölzernes Ge-
fäßchen des Mähers zum Mitführen des Wetz-
steins», im 16, Jh. bergm. Kumpjf m. «Poch-
. trog für Erze» (1562 Mathesius Sarepta 141*),
74
1171
Kumt
Kunkel
1172
noch jetzt in Walkmühlen Kump m. «Stampf-
trog», Schweiz. Chmnpfm. «Mörser zum Stam-
pfen», ebenso nd. im 15. Jh. kump (Diefen-
bach gl. 368"); dazu ags. ciimh m. «Getreide-
maß», engl. comb,coomh. Verwandt mit Kumme
(s. d.). Dieselben Laute zeigen aind. kiimhhäs
«Topf, Krug», awest. xumbö m. «Topf», npers.
Xumb, gr. KÜiaßoc m. «Gefäß, Becher», KÜiußri
«Boot, Nachen». Ob und wo hier Entlehnung
stattgefunden, läßt sich nicht entscheiden.
Vgl. Humpen.
Kumt, s. Kummet
kund, adj. (aber nur in prädikativer Stel-
lung und in gehobner Rede) : zur Wissenschaft
wovon kommend oder gekommen. Mhd. kunt,
auch künde, künde, ahd. kund: daza asächs.
cüd, mndl. cont, ags. cüß, engl, couth in uncouth
«unbekannt», anord. kunnr, kUdr, got. kunps
«bekannt». Urspr. Part. Prät. von got.-ahd.
kunnan «kennen, wissen» (s. können und vgl.
kalt, traut, tot), aber schon im Ahd. mit völlig
adj ektiv. Geltung. ABL. kündbar, adj.: be-
kannt, 1541 bei Frisius 21 2 ^ kuntbar. Kunde,
m. (-n, PI. -n): der in einem Geschäft Be-
kannte, der dort kauft oder arbeiten läßt (1570
bei Fischart Nachtr. 1277; auch f., 1716 bei
Ludwig) ; Kerl, Kumpan (spöttisch tadelnd im
16. Jh. bei H. Sachs Fab. 273, 9, oft bei Fischart,
Scheidt Grob. 705). Mhd. künde, ahd. kundo m.
«Bekannter», ags. cüpa m. «Bekannter, Freund,
Verwandter», die schwache Form des Adj.
kund. Kunde, f. : Kenntnis wovon, Bekannt-
schaft womit, mhd. künde, md. u. mnd. künde,
ahd. chundi in unchundi f. künden, v. : kund-
tun, von den Dichtern des ausgehenden 18. Jh.
wieder aufgebracht, mhd. künden, künden, ahd.
kundan; dazu asächs. cüäian, mnd. künden, ags,
cydan, anord. kynna. kundig, adj.: kennend,
wissend, mhd. kündec, kündic, kündig «be-
kannt, erfahren, klug, geschickt, listig», im
15. Jh. chundig, kundig «kennend», ahd. chun-
dig «bekannt, klug, schlau»; dazu mnd. kun-
dich «kennend, bekannt», ags. cydig «bekannt»,
anord. kunnigr «bekannt», kyndugr «klug,
schlau», kündigen, v.: kundtun, von den
Dichtern um 1800 wieder aufgenommen, mhd.
kündigen; die Auflösung eines Vertrags an-
sagen, statt aufkündigen, 1808 bei Campe.
kündlich, adj.: offenkundig, im 18. Jh. alter-
tümelnd bei Bürger, Claudius usw., mhd. kunt-
lich, im 15. Jh. küntlich, ahd. adv. chundlihho.
Kundsame, f.: Kundschaft. Mhd.kuntsame f,
«beeidigte Sachverständige, Schiedsrichter, ihr
Ausspruch». Schweizerisch. Kundschaft, f. :
Kunden eines Kaufmanns. Mhd. kuntschaft f.
Kenntnis, Nachricht, Erforschung, Aussage,
Auskunft, Beglaubigung, Zeugnis, Bekannt-
schaft, mnd. kuntschapt: davon kundschaf-
ten, V.: spionieren, spätmhd. kuntschaften.
Kundschafter, m.: Spion, spätmhd. kunt-
schafter m. ZUS. Kundmachung, f.: Be-
kanntmachung, 1691 bei Stieler, amtlich in
der Schweiz und Österreich.
Kunft, f. (PI. Künfte) : das Kommen. Mhd.
kunft, kumft, ahd. quumft (in üfquumft),
chumft (V\. chumfti), chunftt «Zu-, Ankunft»,
got. gaqumps f. «Zusammenkunft, Versamm-
lung». Verbalabstraktum zu kommen (s. d.),
mit eingeschobnem f wie in Brunft, Ver-
nunft, Zunft. Daneben mit ableitendem -st
mnd. kumst, kamst, kompst f., im 14. Jh.
bayr. kunst f. ABL. künftig, adj., mhd.
künftic, kümftic, md. kunftic, kunfiec, kumftec,
auch kumstic, ahd. kumftig, künftig «was
kommen, sich ereignen wird».
kungeln, s. kunkeln.
Kunigunde, Frauenname, mhd. Küni-,
Künegunt, ahd. Chunigund, -gunt, von ahd.
kunni, got. kuni n. «Geschlecht, Stamm», und
ahd. gunt f. «Kampf, Krieg». Latinisiert
Chunigunda, Chunigundis, auch Cunegondis,
woraus franz. Cunegonde, woher bei Schiller
(Gang nach dem Eisenhammer) Kunigonde.
Kunkel, f. (PI. -n)-. Spinnrocken, Spinn-
rockenstock; Spinnstube (1612 bei Albertinus
Schauplatz 300, kunkelstube Zimm. Chron.^
4, 9, 22 von 1547); Weibsbild (schwäb. bei
Schmid 333). Schwäb.-alem.-rhein., auch ndl.
In l.Bed. mhd. kunkel, 1468 gunckel (Dietenh.
nov. gl. 102*', auch bei Keisersberg), im 15. Jh.
an der Saar konkel, ahd. chonacla, chuncula
(ZfdA. 8, 470'', 9^), kuncliela, chunchla f.; dazu
ndl. konkel, kunkel f. Aus gleichbed, älter-
mlat. conucula f. statt *colucula, dem Dim. von
lat. colus m. f. «Spinnrocken», woher auch das
gleichbed. ital. conocchia f., afranz. conoille,
nfranz. quenouille f., altir. cuicel. Selten Kunkel
als Mask. (Grillparzer [^Sauer] 6, 171, schon
bei Rädlein, Schottel und 1534 bei Franck
Weltb. 15b). ABL. kuukelu, kungeln, v.:
heimUch zusammenschwatzend Pläne oder
Ränke schmieden (bei Bürger Macbeth) ; heim-
lichen Kauf- und Tauschhandel machen oder
vermitteln (daher Kinkelweib n. «heimlichen
Handel besorgendes oder vermittelndes Weib»).
Mrhein. und nd., von der Kunkelstube her-
genommen, zuä. Kunkellehen, n.: Lehen,
das auch den weiblichen Nachkommen einer
1173
Kirnst
Kuppe
1174
Familie übertragen werden kann (die Kunkel
als Sinnbild des Weibes, wie das Schwert als
Zeichen d. Mannes), 1575 bei Fischart Garg.434.
Knnst, f. (PI. Künste) -. das Wissen worin
mit ausgebildeter Geschicklichkeit: Wissen-
schaft (mhd. die siben frien künste Renner
10036); die Darstellung des Schönen (1727 bei
König zu Canitz Ged. 233 die schönen Künste
nach franz. les heaux arts, bei Luther 2 Chron.
3, 10 der Bildener Kunst, 1482 im Voc. theut.
r 7 * kunst des gesangs, als Begriff vollendeter
Schönheit schon mhd. diu gotes kunst Parz.
123, 13): im Bei'gbau die zum Fördern aus
der Tiefe verwendete Maschine, bes. zum
Heben des Wassers (im 15. Jh. Weisth, 2, 797),
auch bei Wasserleitungen (1517 bei Trochus
0 4*). Mhd. kunst (Gen. und PI. künste), alem.
konst, ahd. chunst (Gen. und PI. chunsti) f.
«das Wissen, Kenntnis, Weisheit, Geschick-
lichkeü»; dazu mnd.-ndl. cunst, afries. konst f.
(abweichend gebildet anord. kunnasta f. «Ver-
mögen, Fähigkeit»). Verbalabstraktum zu
können (s. d.) mit s wie in Brunst, Gunst.
Gleiche Büdung in lit. pa-zintis f. «Kennen,
Kenntnis». ABL. künsteln, v.: im 16. Jh.
bei S. Franck Lob der Thorheit 105^ künstlen.
Künstler, m., im 16. Jh. bei Aventin 4, 1181,
15 und Seb. Franck Chron. (1531) 243% dafür
im 15. und 16. Jh. künstner, künster, kunster,
mnd. kunstener, kunster, noch ndl. hmstenaar
m. (entlehnt schweä. konstnär, däp. kunstner):
dazu Künstlerin, f , 1595 im 24, Buche des
Amadis 540, und künstlerisch, adj., 1786
bei Haas teutsch-franz. Wb. 1, 1863. künst-
lich, adj., mhd. künstlich, knnstlos, adj.,
mhd. künste-, kunstelos, Anfang des 15. Jh.
bei Vintler kunstlos. ZUS. kunstfertig, adj. :
kunstgeübt, 1575 bei Fisch. Garg. 278. Knnst-
form, f., 1663 bei Schottel 842. kunst-
gerecht, adj., 1808 bei Campe als neues
Wort. Kunstgriff, m., 1641 bei Schottel 366
aus Luther. Kuustliebhaher, m., 1558 bei
Rivius Büxenmeisterey 3, 2, 17^. Kunst-
pfeifer, m., 1673 bei Weise Hauptverderber
34. kunstreich, adj., mhd. künsterich, 1495
bei Reuchlin Demosthenes 1. olynth. Rede
Widm. konstreich. Kunstreiter, m., 1691 bei
Stieler. Kuustricllter, ra., 1740 bei Bodmer.
Kunstsprache, f.: kunstvolle Sprache (1691
bei Stieler); technische Sprache (1775 bei
Adelung). Kunststück, n., 1576 bei Fischart
(Kloster 10, 973). Kunstwerk, n., 1578 bei
Fischart Ehz. Q4^ und in Scheibles Kloster
10, 973, dafür um 1480 bei Melber b5* ein
wer-ck der kunst. Kuustwort, n., 1644 bei
Harsdörffer Gespr. 1, 215 u. 1641 bei Schottel 366.
kunterbunt, adj.: bunt durcheinander,
verworren. 1645 bei Zesen Ibrahim 4 kunter-
bunt, bei Wieland Schach Lolo 65 konterbunt,
aber 1499 bei Lenz Schwabenkrieg 1^ conter-
bunt und Acta germ. 1, 262, Xr. 27 in einem
Liedchen von der Altenburger Bauernkii-ms
Spelmon, spon du deine Saita, daß es klingt
fein contrabund, 15. Jh.) noch deutlich von dem
Stimmendurcheinander eines kontrapunktisch
geführten Musiksatzes (s. Kontrapunkt).
Kunz, urspr. Kosename für Konrad (s. d.).
RA. Hinz oder Kunz «der oder jener», 1501 im
Alsfelder Passionsspiel 1 12 Heincz adder Concz.
Küpe, f. (PI. -n): großer kupferner von
innen überzinnter Kessel zum Indigofärben:
dann die aufgelöste Farbe. 1775 bei Adelung,
aus nd. küpe, kupe f. «Kufe, Bottich», älter
auch kope, im 15. Jh. cupe, ndl. kuip f «Bütte,
Faß», wie Kufe (s.d.), entlehnt aus lat. cUpa f.
ZUS. küpenblau, adj.: indigoblau.
Kupee, deutsche Schreibung für Coupe, s.d.
Küper, m. (-S, PI. wie Sg.): Küfer (s. d.),
aus nd. küper m.
Kupfer, n. (-S, PI. wie Sg.) : das bekannte
rötliche MetaU: Kupferstich (1691 bei Stieler):
roter finniger Fleck im Gesicht (im 17. Jh. bei
Abr. a S. Clara). In urspr. Bed. mhd. knpfer,
kopfer, Österreich, im 11./12. Jh. chofer, ahd.
kuphar n.: dazu mnd. kopper, ndl. koper n.,
ags. copor n., engl, copper, anord. koparr m.,
schwed. koppar, dän. kobber. Aus spätlat.
cuprum, älterlat. cyprium n. (eig. cgprium aes
«cyprisches Erz»). ABL. kupf(e)richt,
kupf(e)rig, adj., 1664 bei Duez kupfferigt
(auch von bleibender Gesichtsröte), 1562 bei
Mathesius Sar. 105* kupfferig, 98^ küpfferig.
kupfern, adj., im 16.— 18. .Ih. auch küpfern,
mhd. kupferin, ältermhd. chuphirin, mnd. kop-
pern. ZUS. kupferrot, adj., mhd. kopher-
röt. Kupferschmied, m., mhd. kupfersmit.
Kupferstechen, n., 1575 bei Fischart Garg.
294. Kupferstecher, n., bei Fischart Pract,
Großm. (1607) 0 2*^. Kupferstich, m.: das
in Kupfer gestochne Bild (1644 bei Hars-
dörffer Gespr. 1, 82).
kupieren, v.: abtrennen, durchlochen.
In diesem Sinne erst im 19. Jh. nach franz.
couper, s. Coupe. Das Partizip kupiert, adj.:
zerschnitten. 1813 bei Campe. KupÖU, s.
Coupon (so noch amtlich geschrieben).
Kuppe, f., (PI. -n): Spitze, insbesondre
Bergspitze. In das Schriftdeutsch im letzten
74*
1175
Kuppel
Küraß
1176
Viertel des 18. Jh. aus der md. Volkssprache
aufgenommen, 1687 bei Zesen (des helikon.
Näglein -Tahles dritter Vorbericht 5) Kubhe
«Kopf der Gewürznäglein», md. im 14. Jh.
kwppei. «Berggipfel, Gipfel», welche Bed. aus
mhd. kuppe, ahd. chuppa f. «Kopfbedeckung
unter dem Helm, Haube» hei-vorging, dies
wohl entlehnt aus lat. cuppa f. «Tonne, Becher»
(neben cupa, s. Kopf, Kufe) und nach der
Ähnlichkeit auf die rund anschließende Kopf-
bedeckimg übertragen. Daneben mithochd.jp/"
mhd. kupfe, kuffe, gupfe, ahd. chuppha f. «Kopf-
bedeckung unter dem Helme», und mhd. gupfe,
gupf m., «Gipfel des Berges, Spitze des
Turmes». ABL. kuppen, v.: die Kuppe
abhauen oder abschneiden, 1691 bei Stieler.
^Kuppel, f. (PI. -n): halbkugelai-tig ge-
wölbtes Dach. 1678 bei Krämer Cupel, 1711
bei Rädlein Cupel, Koppel f. Aus glbd. ital.
cupola f. (daher franz. coupole), mlat. cupula,
cuppula f. «Becher», Dim. von lat. cüpa f.
«Tonne, Faß», cuppa f. «Tonne», ital. coppa f.
«Becher» (s. Kopf). Dies Dach wm*de nach der
Gestalt eines, umgestürzten Bechers benannt,
'^Kuppel, f.: Koppel (s. d.).
^Kuppel, m. (-S, PI. wie Sg.): Kuppelei,
bei Lessing 2, 445. kuppeln, v.: zu einem
Liebesverhältnisse, zu außerehelicher Zusam-
menkunft zusammenführen. 1353 kuppeln
(Städtechron. 9, 1021, 3). Eine besondre
Bed. aus mhd. kuppeln «an ein Band legen,
verbinden», von lat. cöpuläre «zusammen-
binden» (s. koppeln). ABL. Kuppelei, f., 1678
bei Krämer. Kuppler, m., mhd. im 14. Jh.
kuppeler, kuppler m.; davon Kupplerin, f.,
mhd. im 14. Jh. kupplerin, Kupplerei, f., im
15. Jh. kupplerei (ZfdA. 8, 540, 109), kupp-
lerisch, adj., 1605 bei Albertinus Lustg. 228
kuplerisch. ZUS. Kuppelpelz, m.: Ehrenlohn
für- Stiftung einer Heirat, 1711 bei Rädlein.
^Kur, f. (PL -en): Wahl, Erwählung.
Mhd. kür, küre, im 12. Jh. auch chure, chur,
md. kur, kure, ahd. churi f. «Prüfung, prüfende
Wahl, insbesondre Königswahl» (mhd. auch
schon «die Kurfürstenwürde», die siben kür
Lohengrin 1962); dazu mndl. eure, core f.
und als Mask. ndrhein. im 13. Jh. kure, mnd.
köre, auch md. kure, kur, köre, mndl. core,
ags. cyre «Wahl». Substantiv zu kiesen (s. d.).
Die umgelautete Form noch in Willkür (s. d.).
Das anlautende oberd. ch, das in den letzten
Jahrzehnten des 15. Jh. aufs neue geltend
wurde, hat sich von der Kaiserwahl in der
altertümlichen Schreibung Chur bis ins 19. Jh.
erhalten. ABL. küren, v. (Prät. kürte,
Part, gekürt): wählen, 1616 bei Henisch 603,
t 62, in urspiünglicherer Bed. aber 1595 bei
Rollenhagen Froschm. 1, 2, 3, 42 nach Hasen
i küren «auf Hasen lauern, ihnen nachstellen»,
j ostfries. küren «scharf hinsehen», mndl. coren
I «wartend blicken», kürisch, adj.: wählerisch,
bes. in leckeren Speisen, 1786 bei Bode Thomas
Jones 2, 241 kührisch, aus md. und nd. Mund-
arten. ZUS. Kurfürst, m. (-en, PI. -en):
Wahlfüi'st des deutschen Reiches, mhd. Anf.
des 14. Jh. kurfurste (Ottokars Reimchr. 12529
neben kurherre 12087), 1338 kürfürste (Höfer
' Urk. S. 327), md. kor forste (Ködiz Ludw. 6) ;
] davon kurfürstlich, adj., mhd. im 14. Jh.
kurvürstlich, und Kurfürstentum, n., mhd.
1340 kurfürstentuom. Kurhut, m.: roter
j mit Hermelin ausgeschlagner Hut als Zeichen
1 der Kurfürstenwüx'de, 1631 das Dim. Chur-
\hütlin bei Opel und Cohn 30 j. Kr. 320, 8.
Kurprinz, m. : Erbprinz in einem kur-
j fürstlichen Hause, 1678 bei Krämer Chur-
printz. Kurschwert, n., die zwei kreuzweis
gelegten Schwerter im kurfürstlich sächsischen
Wappen als Zeichen des Reichs-Erzmarschall-
■amts, 1740 bei Frisch der PI. Chur schw erder.
Kurstaat, m.: Kurfürstentum, 1808 beiCampe.
1 ^Kur, f. (PI. -en): ärztliche Behandlung,
Heilung. 1557 bei Heußlin Vogelb. 122^ und
! 1616 bei Henisch Cur, aus glbd. lat. cUra f.,
zunächst* «Sorge». Vgl. kurieren. ZUS. Kur-
pfuscher, m.: wer ohne staatliche Appro-
bation Kranke heilt. Erst in neurer Zeit.
[ Kurschmied, m. : Hufschmied, der zugleich
die Kur des Pferdefußes usw. versteht, Tier-
arzt, 1775 bei Adelung Curschmid.
kuränt, adj. : geläufig, gangbar (als Münze).
Das franz. courant «laufend, gang und gäbe»,
Part. Präs. von cownV (aus lat. CMrr^re) «laufen».
I Im 17. Jh. entlehnt (1703 im Zeit.-Lex.).
kuränzen, v.: züchtigen, runtermachen,
hart anfahren; auch umherrennen. In den
' Mundarten weitverbreitet. Daneben koranzen
i (1785 bei Voß. Ged. 1, 294), karanzen (thürin-
I gisch), kurrenzen 1673 bei Weise Erzn. 146
j Nach Schröders einleuchtender Auseinander-
' Setzung (Streckformen 106) Streckform zu
! kränzen, eig. im Kranz (Kreise) herumtreiben.
Küraß, m. (Gen. -sses, PI. -sse): Panzer,
: Brustharnisch. Im 15. Jh. küraß (Sachsen-
' heim Mörin), kicrisz (Janssen Reichscorr. 1,
474 von 1439), mpist küriß, mnd. kuresser,
'• koritz, koritzer m., urspr. wohl «Lederpanzer»,
i aus fi-anz. cuirasse f. «(Leder-)Panzer», prov.
1177
Knrat
Snrs
1178
coirassa, ital. carazza f., vom lat. Adj. coriaceus
«ledern», zu lat. corium n., franz. cuir m.
«Leder». ABL. Kürassier, m., {-s, PI. -e):
mit Kiiraß bekleideter Reiter. Xach glbd.
franz. cuir assier m. 1740 bei Frisch Küraßier,
im 17. Jh. Kürassirer und Kürissirer, 1664
bei Duez 1, 223^ Kürissier, 1654 bei Logau
2, 4, 82 Curassirer, im 15. u. 16. Jh. Kürisser
(Liliencron 2, 93 von 1476), kuresser (Städte-
chron. 5, 195, A. 1 vom J. 1450), md. 1517 bei
Trochus F 2 * koritzer m.
Kurät, m. (-en, PI. -en); katholischer
Geistlicher. Neulateinische Bildung von lat.
curare «sorgen», entsprechend dem glbd. franz.
eure m. In Tü-ol. Kuratel, f. (PI. -en) :
Schutzpflege eines Kurators. Im 18. Jh. aus
mlat. curatela f. «Vormundschaft». Kurator,
m. (-5, PI. -en) : amtlicher Vorstand und Ver-
treter einer Körperschaft in Verwaltungs-
sachen^ Rechtsvorstand, Vorsteher eines zur
eigenen Vermögensverwaltung Unfähigen. Im
16. Jh. Curator (Reichsordn. 197* von 1521),
aus lat. cürätor m. «Besorger, Vormund».
Klirbe,f. (Pl.-n): Kurbel. 1768 bei Moer-
beek Kurhe, 1687 bei Hohberg 1, 101 ^ Eürhe f.,
rhein. im 15. Jh. korbe (Diefenb. gl. 263^),
in den Fastnachtspielen des 15. Jh. 748, 14
der Dat. kurm d. i. kurbe «gebogner Hand-
griff am Schleifstein», mhd. kurbe, ahd. curba f.
«Winde am Ziehbrunnen», 1541 Schweiz, der
PI. Garben «Schiffsrippen» FrisiUs 227* und
noch heute Grürbe m. f. «Schiffsrippe, krummer
Handgriff an der Sense, Kurbel am Rad».
Entlehnt aus franz. courbe f., von lat. curvus
«gekrümmt». Davon Kurbel, f. (PI. -n):
krumm gebogne Handhabe zum Drehen eines
Dinges, 1775 bei Adelung Kurbel, 1748 bei
Geßner Buchdruckerkunst 436 Gorbel, 451
Gorbel «Handgriff», 1562 bei Mathesius Sar.
207'' körbel, vielleicht schon im 15. Jh. kwhel,
körbel (Diefenbach gl. 273*).
Kürbis, m. (Gen. -sses, PI. -sse) : Ranken-
gewächs und Frucht, lat. Cucurbita. Bei
Luther Kürbis, Körbis, bei Dasypodius 1537
Kürbiß, Kürps, mhd. kürbig, kürbeg, kürbg m.
(selten n.), ahd. churbi^, curbi^ m. (selten f.);
dazu and. (entlehnt) kurbiz, mndl. im 14. Jh.
curvete, ags. cyrfcBt, cyrfet m. Aus glbd. lat.
Cucurbita f. i
küren, Kurfürst usw., s. Kur,
Kuriälstil, m. (-s): die gerichtliche, Kanz-
leischreibart. Kurial- aus dem lat. Adj. cMriäZis
(spätlat. «zum kaiserl. Hof gehörig») von lat.
curia f. «Senatsversammlung» usw. Kuriä- ;
lien, PI. : Förmhchkeiten des Kanzleistils bei
einem Gerichtshofe, 1714 bei Wächtler, aus
; cüriälia, dem Neutr. PI. das lat. Adj. cüriälis.
Kurier, m. {-s, PI. -e)-. Eübote. Mhd.
kurrier, kurier m. «Läufer», aus franz. courrier
m.., von franz. courir, lat. currere «laufen,
eilen». ZUS. Kurierzug, m., im 19. Jh.
kurieren, v.: ärztlich behandeln, heilen.
1557 bei Waldis Esopus 4, 23, 84 curiern, aus
glbd. lat. curare, eig. «Fürsorge haben für
jem.». Vgl. ^Kur.
kurios, adj.: seltsam, verwunderlich. Im
17. Jh. curiöß «begierig, neugierig, geschäftig»
(Nehring 1694), aus franz. curieux «neugierig,
sonderbar», von lat. cüriösus «sorgfältig, allzu
sorgsam, wißbegierig, neugierig», zu lat. cüra f.
«Sorge, Sorgfalt», während am Ende des 18. Jh.
curios (Goethe 1773 [im Götz] 8, 23) wieder auf
lat. cüriösus zurückging. Kuriosität, f.,
(PI. -en): Neugier, Wißbegierde (1620 bei
Albertinus Lustg. 195 Curiositet); Seltenheit,
die Neugier anregendes Ding (1673 bei Weise
Hauptverderber 17). Aus lat. cüriösitas f.
«Wißbegierde, Neugierde».
kürmeln, v.: lallend sprechen (Opitz2,93);
mit verliebtem Tun leise reden, freundlich
verliebt murren (bei Lohenstein Arm. 1, 92
kirmeln): miteinander schön tun, kosen (bei
Sperontes singende Muse 1, 74 kümieln). Noch
schles. kirmeln, Schweiz, chirmen «lallen».
kurren, v.: in tiefem Ton laut werden,
wie kirren (s. d.) in feinerm. Vom wohl-
behaglichen Schnurren der Katze 1788 bei
Bode Thom. Jones 4, 325, 1562 bei Mathesius
Sar. 309'' murren und kurren, mhd. kurren
«grunzen», mndl. curren (von der Turteltaube).
ABL. kurrig, adj. : zu neckischem Mutwillen
aufgelegt, leicht reizbar, leicht zoniig. Von
Bürger etwa 1773 aus nd. Mundarten in die
Schriftsprache eingeführt.
Kurrende, f : das Singen armer Schüler
von Haus zu Haus um milde Gaben. Zu
lat. currere «laufen». Current f. in der kur-
sächsischen Schulordnung von 1580, Currente
f. 1740 bei Frisch, Gurrende 1775 bei Adelung.
Kurrentschrift, f : die gangbare (lau-
fendej, gewöhnHehe deutsche Schreibschiift
1562 bei Mathesius Sar. 79* Current f., 1582
bei Fischart Garg. 277 Current- Schrifft. Aus
lat. currens (Gen. currentis), dem Part. Präs.
von currere «laufen».
kurrig, s. kurren.
Kurs, m. (Gen. -es, PI. -e): Lauf, Weg
(des Schiffes, 1557 bei Waldis Esopus 2, 30, 87
1179
Kurschmied
kurz
1180
Curs); Gang einer Münzsorte; laufender Geld- j
wert, Wechselhöhe (bei Nehrmg 1694 Cours);
Lehrgang, Zeit eines abgeschloßnen Lehr-
ganges (bei Krämer 1678 Curs). Aus lat. I
cur ms, franz. cours m. «Lauf». Davon kur-
sieren, V. : im Umlaufe, gang und gäbe sein, j
bei Lessing 8, 31 cursiren. Kursivschrift, f.:
schräge lateinische Schrift. 1714 bei Wächtler
Gursivschrift, 1694 bei Nehring cursiv «ge-
schobne Schrift», aus glbd. mlat. cursiva f.
Kurschmied, s. -Eur.
Kürschner, m. (-5, PI. wie Sg.): Hand-
werker in Pelzwerk. Statt urspr. s mit un-
organischen seh, das erst im 17. Jh. durch-
drang, 1516 bei Pinicianus prompt. K 3*^
kirschner, mhd. kürsencere, kursener, kürsner,
mnd. korsener m. Abgeleitet von mhd. kürsen,
kursen f., 1382 auch schon kür sehen, ahd.
chursinna, crusina f. «Pelzmantel, Pelzrock»;
dazu ags. crusene, crusne f., mlat. (937) cru-
sina, erosina, crosna, erusna f. Ins Slawische
entlehnt aruss. krüzno, korozno, korzno n.
«Pelzkleid». Urverwandtschaft mit gr. ßüpca f.
«abgezogne Haut, Fell» ist möglich.
Kurt, s. Konrad.
Kurtine, f. (PI. -n): die Fläche der Fe-
stungsmauer zwischen zwei Bollwerken, Mit-
tel-, Zwischenwall. 1678 bei Krämer Cortin f.
Aus glbd. franz. courtine, ital. cortina f., von
lat, cortina f. «kesseiförmige Rundung», (spät-
lat.) «Vorhang».
Kurtisane, f. (PI. -w): Buhlerin. 1616
bei Henisch Curtisan, Cortisan f., 1615 bei
Albertinus Landstörzer 399 Cortisanin f. Aus
glbd. franz. courtisane, ital. cortigiana, span.
cortesana f., eig. «Hofdame», Fem. zu franz.
courtisan, ital. cortigiano, span. cortesano m.
«Hofmann, Höfling» (daher Curtisan «Höf-
ling» bei Luther, 1571 bei Rot Curtisan «ein
lauffer gen Rom nach pfmnten»), von franz.
cour, ital. corte f. «Hof», zu lat. cohors, ge-
kürzt cörs (Gen. cörtis) f. «Hofraum».
Kurve, f. (PI. -n): krumme Linie. Aus
lat. curva, dem Fem. des Adj. curvus «krumm»,
1813 bei Campe.
kurz, adj. (Komp. kürzer, Sup. kürzest):
an Ausdehnung in die Länge gering. Mhd.
kwz (im Adv. kurze, kurz), ahd. churz und
kurt, churt; dazu andfrk. kurt, mnd. und afries.
kort, kurt, mndl. cort, Island, kortr «kurz»,
ferner ags. cyrtel m., engl, kirtle «Mieder,
Jacke, Mantel», eig. «Kurzkleid». Entlehnt
aus dem lat. Adj. curtus «verstümmelt, ge-
kürzt, kurz», woher auch franz. court, ital.-
span. corto. RA. kurze fünfzehn machen «eine
Tätigkeit kurz endigen», hergenommen von
dem ehedem beliebten «der lange Puff» ge-
nannten Spiele, wovon mhd. der fünfzehen
spiln (Erec 869) gesagt wurde. Wer hier einen
Glückswurf (mit Würfeln) tut, daß er alle
seine 15 Steine auf einmal herausnehmen kann,
der endet das Spiel kurz. Auch 1540 des
kurtzen spieln «etwas kurz zu Ende bringen»
(Alberus dict. KK2^). über kurz oder lang,
mhd. über kurz ade üher lanc (Erec 6296),
ahd. (mit der Negation noh) noh über lang
noh über churz, wie auch nhd. über lang oder
kurz bei Lessing 12, 195. Den kürzern ziehen
«im Kampf oder Wettstreit verlieren, gegen
jem. zu kurz kommen, im Nachteil sein» (1599
bei Schütze Preußen 175), erklärt sich aus
der alten Sitte des Losens mit Stäbchen oder
Halmen, wobei der, welcher das kürzeste
Stäbchen oder den kürzesten Halm zog, ver-
lor, kurzer Hand «ohne Förmlichkeit, ohne
Umstände», eine Nachbildung des Ausdrucks
der lat. Rechtssprache brevi manu. ABL.
Kürze, f., mhd. kürze, ahd. churzl und kurti,
mnd. körte f.; RA. in der Kürze, in Kürze
«in kurzer Zeit», bei Luther Offenb. Job. 1, 1
in der kürtz, im 15. Jh. in ainer kurz, mhd.
in kürze, kürzen, v.: kurz machen, mhd.
kürzen, md. kurzen und kürten, ahd. kurzen,
mnd. körten; davon Kürzung, f., mhd. kur-
zunge. kürzlich, adj., mhd. kurzlich, ahd.
kurzi-, kurz- und churtlich, mnd. körte-, kort-
lik, das Adv. mhd. kurzliche «in kurzer Zeit»,
ahd. churzlicho «gar kurz», ZUS. Kurz-
schluß, m.: fehlerhafter Nebenschluß für den
elektrischen Strom. In der neuern Zeit. Kurz-
schrift, f., Verdeutschung von Stenographie,
Im 19. Jh. kurzsichtig, adj., im körper-
lichen Sinne 1775 bei Adelung, ndl. 1599 bei
Küian kortsichtig, in geistiger Hinsicht 1738'
bei Haller an Bodmer 123. kurzum, adv.,
bei Luther kurzumb. Kurzware, f.: kleine
Eisenware, Spielgerät usw., 1808 bei Campe,
früher kurze Ware (bei G. Freytag 20, 167 vom
J. 1622). kurzweg, adv., 1775 bei Adelung.
Kurzweil, f., mhd. kurz-, kurzewile, auch
kürzwile f. (noch im 15. und 16. Jh. oft kürz-
weil) «vergnügliche Unterhaltung zur Zeit-
verkürzung», als Neutr. bei Goethe 16, 53,
Schiller Teil 3, 3, als Mask. bei Claudius 8, 176.
Davon kurzweilcu, v.: Kurzweil treiben,
mhd. kurze-, kurzwüen, noch im 18. Jh. (1781
bei Kindleben), dann erlöschend, und kurz-
wellig, adj., mhd. kurzwilec, nhd.kurzweiliger
1181
kusch
Kuvert
1182
Eat, als Titel des Hofnarren 1659 bei Butschky
Kanzl. 498, schon im 15. Jh. kurziveilrat, kurz-
weilerrat.
kusch! Imperativ von kuschen, v.: sich
legen (von Hunden, zunächst von dressierten
Jagdhunden;, beides 1741 bei Frisch. Aus
franz. coucher «niederlegen» von lat. collocäre.
Euß, m. (Gen. -sses, PI. Küsse): Berührung
mit gespitzten Lippen als Zeichen der Liebe
und Achtung. Mhd. kus m. (Gen. kusses),
im 12. Jh. auch kos n., ahd. aus m. (Gen.
cusses); dazu asächs.-mnd. kus, afries. kos,
ags. cos, coss m., engl, kiss, anord. koss m.,
schwed.-dän. kyss. Zu lat. läsium n. «Kuß»,
falls dieses Lehnwort aus dem Sabinischen.
Tgl. Walde und Johansson KZ. 36, 355.
ABL. küssen, V., mhd. küsseyi, ahd. kussan;
dazu asächs. kussian, mnd. küssen, afries. kessa,
ags. cyssan, engl, kiss, anord. kyssa, dän. kysse.
Got. dafür kukjan, ostfries. kükken «küssen»
mit andrer Wurzelableitung. KÜßcheu, n.,
1691 bei Stieler Küßgen, mndl. cusken n.
kußlich, adj., von Höltj und Voß um 1770
aus den Liedern der Minnesänger wieder auf-
genommen, mhd. kuslich, küslich ; bei Wieland
21, 15 küsserlich. ZUS. Kußhand, f., 1716
bei Ludwig. Küßmouat, m.: der erste
Monat in der Ehe {Kußmonat Basl. Chr. 1,
463, 33 von 1529).
Küste, f. (PI. -n): Meeresrand. Bei Duez
1664, Krämer 1678, aber ndl. schon 1599 kuste,
koste f., aus afranz. coste f. (jetzt cöte) «Rippe,
Seite», dann «Seeufer, Küste», ital.-port. costa,
Span, cuesta f., von lat. costa f. «Rippe, Seite».
Küster, m. (-S, PI. wie Sg.): Kirchendiener.
Mhd. kuster, guster, ahd. kustor, gustor m.,
aus mlat. custor, lat. custos m. «Wächter, Auf-
seher, Hüter» (hier der Kirchenkleinodien,
heiUgen Gefäße). ABL. Küsterei, f., mhd.
1328 kusterte, 1242 custrey. Küsteriu, f.,
mhd. kusterin, küsterin, gustrinne f.
Kute, f.: Loch, Grube. Niederd. Form
für Kaute. Bei Fontane Mathilde Möhring,
Kutsche, f. (PI. -n): überdeckter Pracht-
wagen. Im 16. und im 17. Jh. Kotsche, Cotschy,
Gotschi, Gutschi, Gotschiwagen , Kutzsche,
Gutsche, Kutze f., schlesisch damals Kutsche m.
wie poln. kocz und tschech. koc m. Entlehnt
um 1500 aus gleichbed. ungar. kotsi (im 15. Jh.
kocsi, sprich kotschi), ans dem Dorfe Kocs
bei Raab stammend, wo solche urspr. zwei-
rädrige Wagen nach Zeugnissen des 15. und
16. Jh. gebaut wurden. Daher auch ndl.
koets f., ital. coccio m., franz. cocJie m., engl.
coach. ABL. Kutscher, m., im 16. und
17. Jh. Ghitscher (Kiechel 6 von 1585, Henisch,
Schönsleder). 1589 bei Mathesius das 1. Kap.
des Evang. Job. 92 » Kutzscher, 1664 bei Duez
Kutscher. Auch gewöhnlicher, aber unver-
fälschter, eig.«Kutschen>- Wein, kutschieren,
V., 1678 bei Krämer, im 16. Jh. kutschen, 1590
bei Fischart Garg. 15 das Subst. Gutschirer m.
ZTjS. Kutschbock, m.: erhöhter Kutscher-
sitz, 1808 bei Campe. Kutschkasten, m.,
1691 bei Stieler.
Kutte, f. (PI. -n): weites verhüllendes
(Mönchs-)Gewand. Mhd. hitte, kotte f., aus
afranz. cote f. «langes Oberkleid», nfranz. cotte f.
«Kleid», provenz. cota, und diese aus ahd.
chozza f. und chozzo, kozzo m. «grobes zottiges
Wollenzeug und Kleid davon» (s. Kotze).
Kuttel, f. (fast nur im PI. Kutteln): die
Gedärme samt Wanst und Magen, insbes. eines
eßbaren Tieres. 1537 bei Dasypodius der
Sg. Kutle, 1561 bei Maaler Kuttel f., spät-
mhd. der PI. kutlen, kutlan, md. 1308 der
PI. kotelen, schles. 1422 kottü und 1340 der
PI. kutiln; 1716 bei Ludwig Kuttel m. Dazu
wohl got. qißus m. «Bauch, Magen, Mutter-
leib», ahd. quiti «Gebärmutter», ags. ctviß m.,
anord. kvidr m. «Bauch»; nd. Küt «Eingeweide»
ist nicht verwandt. ZUS. Kuttelfleck, m.:
zerschnittnes Gedärme mit Magen usw. zum
Essen, 1482 im Voc. theut. r 8^ kuttel fleck,
bei Schmeller- 1, 1312 schon 1429 vom
Stück eines zerteilten Rindsmagens (s. ^Fleck).
Kuttelhof, m.: Schlachthof, md. 1340 kutel-
hof. Kuttelwurst, f.: in den Dickdarm
gefüllte Wurst, in Thüringen.
Kutter, m. (-S, PI. wie Sg.): Kriegsboot
zum SchneUsegeln, einmastiges Fahrzeug zum
Schnellsegeln. 1791 bei Roth, 1792 bei Krünitz
Kutter, Cutter, aus gleichbed. engl, cutter.
Kutz, m.: in den Kutzen streichen
«schmeicheln», eig. «den zum Vogelfang ab-
gerichteten Kauz (s. d.) streicheln» dann
durch Schöntun sich beliebt machen. Im
15. bis 17. Jh. vielgebraucht (1494 bei Brant
NaiT. 100, 13), noch bei Wieland.
Kuvert, n. (-[e]s, PI. -e): Gedeck; Brief-
umschlag. Das franz. couvert n., aus einem
mlat. coopertum n., dem Neutr. des Part. Perf,
Pass. von rolaX. cooperire «bedecken» (woraus
franz. couvrir), das aktivische Bedeutung er-
halten hat. Zunächst nach dem lat. Copert,
schon 1482 Ä;oper^ «Decke» im Voc. theut. aa 2%
im 17. Jh. auch in der Bed. «Briefumschlag»
(Grimmeishausen Simpl.293), verzeichnet 1678
1183
Kux
Kyrie eleison
1184
als Copert «Überzug» bei Krämer und noch
1711 als Copert «Umschlag» bei Rädlein; das
franz. couvert dringt gegen Ende des 17, Jh.
ein (bei Nehring 1710), 1716 als Covert eines
Briefes bei Ludwig.
Kux, m. {-es, PI. -e): ^las ^^^^^ Zeche
im Bergbau. 1562 bei Mathesius Sarepta 35*'
Kiix, 1595 bei Rollenhagen Froschm. 1, 2, 14
Kuchs, m., zusammengezogen aus Kuckes
(Luther Tischreden 226^), Kukus (sächs.
Urkunde von 1478 bei Veith 311, lat. cuccus,
in einer böhm. Urk. von 1327 ebd.), daneben
Guckes (H. Sachs Fastn. 8, 309), Guckus
(Brant Narr. 102, 56). Wie sich das gleich-
bed. tschech. kukus m., dazu verhält, ist
unklar.
Kyrie eleison, «Herr, erbarme dich».
Mhd. und md. kirjeleison, kyrj eleison, aus
gr.-Mrchenlat. kyrie eleison, kyrieleison, kjrch-
lich-gr. KÜpie ^Xericov, das, schon im Ahd. der
Anfang der Litanei, bald Kirchen- und reli-
giöser Volksgesang, selbst Schlachtruf und
Schlachtgesang geworden, später der Schluß-
vers (Refrain) der meisten geistl. Lieder wurde.
Daher mhd. kyrleise, kirleis m. «geistliches mit
kyrie eleison schließendes Lied»; auch gekürzt
leise, leis m.: «geistlicher Gesang», dann «Ge-
sang» überhaupt.
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